_Inhalt_
Als die beiden Wachowski-Brüder Anfang der Neunziger die Idee zu ihrem wagemutigen „Matrix“-Konstrukt langsam aber sicher weiterentwickeln, hätten sie sich sicher nicht träumen lassen, welche Wellen ihr Projekt schlagen würde. Bis es jedoch zur genauen Ausarbeitung des Schemas kam, dienten einige eher rohe Abrisse als Vorlage für das, was später zur vielleicht einflussreichsten cineastischen Philosophie in der Geschichte Hollywoods werden sollte.
Dass das Potenzial hinter der „Matrix“ aber bei weitem noch nicht ausgeschöpft ist, zeigten zuletzt die Zeichentrick-Verfilmung „Animatrix“ und einige weiterführende PC-Games, die sich intensiver mit der Materie beschäftigten. Doch nicht genug damit: Basierend auf der Inspiration von Andy und Larry Wachowski entstanden in den letzten Jahren gleich dutzendweise Comic-Strips zum Kino-Kult, in denen einige noch ungeklärte Mysterien der Matrix näher erkundet werden sollten. Zwölf dieser Ausführungen, dargeboten von solch namhaften Autoren wie Neil Gaiman, Bill Sinkiewicz und Bill Gibbons, finden nun in der ersten Comic-Aufarbeitung des Stoffes ihren wohlverdienten Platz – und zeigen nebenbei noch einmal, warum das Phänomen „Matrix“ so ungeheuer faszinierend ist.
_Persönlicher Eindruck_
Dabei ist jedwede Erweiterung der Materie zunächst einmal grundsätzlich skeptisch zu betrachten, waren doch schon die beiden Film-Fortsetzungen nicht mehr aus demselben legendären Holt geschnitzt wie das brillante Kinodebüt und hinterließen gerade bei Verfechtern der mystischen Seiten der Matrix einen eher faden Beigeschmack. Allerdings haben sich die Wachowskis für die weitere Bearbeitung der Hintergründe durch die Bank Granaten-Autoren gesichert, die jeglichen Zweifel bereits im Keim ersticken und hier den Grundstein für ein weiteres Meisterwerk unter diesem Titel legen.
Dabei könnten die Storys teilweise grundverschiedener nicht sein. Den Beginn macht beispielsweise ein eher steriler, aber eben kunstfertiger Abriss über die emotionale Weiterentwicklung der künstlichen Intelligenz. Eine Maschine aus der Serienproduktion hat ihren Besitzer geköpft und steht nun im Fokus der Anklage – klingt merkwürdig, ist merkwürdig, passt aber genau in diese düstere Stimmung hinein, die vom gesamten Comic ausgeht. Im weiteren Verlauf mischen sich die philosophischen Anteile schließlich immer deutlicher mit der teils kompromisslosen Action. Einen angehenden Klassiker hat dabei Dave Gibbons in seinem Beitrag „Schmetterling“ geschaffen. Während in einem Teil des Plots ein Mann friedlich meditiert, beginnt in seiner Umgebung eine fürchterliche Schießerei. Plötzlich treffen hier Welten aufeinander und beschreiben den surrealen Charakter der Matrix wahrscheinlich sogar am glaubwürdigsten – und das gänzlich ohne Worte und Dialoge, sondern nur mit der erschreckenden Kraft der Bilder.
Darübr hinaus gibt es auch einige düstere Ausschnitte aus der Matrix in „Brennende Hoffnung“ von John van Fleet, eher Skurriles in „Kapiert?“ von Petr Bagge und auch einen Schuss Selbstironie in „Ein ganz besonderes Schwert“ aus der Feder von Troy Nixey. Aber auch Endzeitvisionen, apokalyptische Gedanken aus der künftigen Matrix und natürlich actionlastige, teils sogar kriegerische Stränge findet man in der erlesenen Geschichtensammlung, die schließlich von einem Erfahrungsbericht Neil Gaimans gekrönt wird, der hier das verwirrende Element des künstlichen Gebildes in einer Kurzgeschichte ohne großartige Illustrationen auf den Punkt bringt. Es ist dieser magische Funke, der sich hier durch alle Geschichten zieht, aber erst im Text des legendären „Sandman“-Entwicklers Gaiman so richtig überspringen will und auch erst hier verdeutlicht, welch erhabenen Comic man in Händen hält. Magisch, wie dieser Mann mit Worten umgehen kann!
Doch überhaupt hat sich das Konzept, die Elite der amerikanischen Comic-Industrie für ein solch schwieriges Thema heranzuziehen, im ersten Band der „Matrix Comics“ durch die Bank bewährt. Unter den zwölf Erzählungen befindet sich weder grafisch noch inhaltlich ein Aussetzer, selbst wenn die Thematiken enorm weit gestreut sind. Stattdessen wird Fans der Materie hier ein echter Gourmethappen vorgesetzt, der von der Creme de la Creme der Szene stimmungsvoll und unheimlich dicht inszeniert wurde und den Mythos nach etwas längerer Zeit wieder zum Leben erweckt. Keine Frage also: Diesen Comic darf man, ganz egal wie man zur Kino-Trilogie steht, nicht verpassen!
|157 Seiten, farbig
ISBN-13: 978-3-86607-587-0|
https://www.paninicomics.de/?s=serie&gs__gruppe=108&t=matrix-s108.html