Wallace Stroby – Kalter Schuss ins Herz (Crissa Stone 1)

Starke Frau und blaue Bohnen

Crissa Stone ist jung, attraktiv und ein knallharter Profi. Ihr Geld macht sie mit Raubzügen. Crissa bekommt einen Job angeboten, bei dem sie mit zwei Komplizen eine Pokerrunde überfallen soll. Eine leichte Nummer, wenig Aufwand, sehr viel Geld. Der Auftrag läuft aus dem Ruder: Plötzlich fällt ein Schuss und einer der Pokerspieler wird getötet.

Als sich herausstellt, dass der Tote der Schwiegersohn eines Gangsterbosses ist, wird die Lage für Crissa gefährlich. Der Boss engagiert Eddie den Heiligen, einen skrupellosen Verbrecher und eiskalten Killer, um den Ermordeten zu rächen. Crissa taucht unter, aber Eddie hat sie in der Hand. Er weiß, für wen Crissa ihr Leben riskieren würde. Sie weiß, es gibt nur eine Lösung … (Verlagsinfo)

Der Autor

Der US-amerikanische Autor Wallace Stroby, geboren 1960, wuchs südlich von New York City in Ocean Grove auf. Er arbeitete als Polizeireporter und wurde mehrfach für seine Buch- und Filmkritiken ausgezeichnet. Mit seiner Profi-Diebin Crissa Stone erfand er eine Figur, die bislang in vier Krimis auftrat.

Die Crissa Stone Reihe

1) Kalter Schuss ins Herz
2) Geld ist nicht genug
3) Fast ein guter Plan

»Crissa hat ebenso männliche wie weibliche Leser. Frauen mögen sie, weil sie ein starker Charakter und eben kein Opfer ist. Die männlichen Leser schätzen die Crissa-Romane als gut erzählte, vorwärtstreibende Geschichten.« (Wallace Stroby)

Handlung

Crissa Stone hat gerade mal wieder ein Ding gedreht, relativ erfolgreich, denn keiner wurde umgelegt, aber so richtig lukrativ war das nicht: Nicht mal 50 Mille kommen dabei rum. Dabei braucht sie die knete, um die Anwälte und Bewährungshelfer ihres Freundes und Komplizen Wayne, der seit drei Jahren in einem texanischen Knast sitzt, zu schmieren. Außerdem will sie ein paar Mäuse für das geplante Familienheim in Connecticut beiseitelegen. Denn Crissa hat auch ein Töchterlein namens Maddie, das gerade bei einer (gut bezahlten) Pflegefamilie aufwächst. Eine eigene Familie mit allem Drum und Dran, das wär’s doch.

Doch die Welt hat anderes mit Crissa vor. Ihr Kontaktmann Hector Suarez vermittelt ihr einen Job bei einem Ding unten in New Jersey: das Ausräumen eines illegalen Pokerspiels von High Rollern, also Leuten mit hohen Einsätzen. Drahtzieher dieses Jobs soll Stimmer sein, mit dem sie schon mal gearbeitet hat, und Chance soll die Nummer drei sein. Sie brauchen mindestens drei, um die ganze Logistik zu bewältigen und obendrein die Opfer in Schach halten zu können.

Sie hätte den Tatort vielleicht besser ausbaldowern sollen. Der Überfall klappt zunächst einwandfrei, und sie sacken die Scheinchen nur so ein. Sie sind bereits abmarschbereit, als ein Schuss fällt. Stimmer behauptet, einer der Männer, ein Mafioso, hätte eine verdächtige Bewegung gemacht. Jedenfalls gibt der Typ tot vom Stuhl. Bloß weg hier! Sie machen sich erfolgreich aus dem Staub, wechseln das Fluchtauto und fahren in einen Bungalow. Scheiße, es ist nicht mal eine halbe Million, die sie abgesahnt haben! Jetzt heißt es abtauchen und abwarten.

Unterdessen

Eddie „Der Heilige“ Santino ist gerade aus dem Gefängnis von Rahways entlassen worden. Sein Komplize Terry holt ihn, ein kleiner, aber versierter Einbrecher mit einer Braut, Angela, die ihn betrügt. Eddie peilt die Lage sofort und setzt den Nebenbuhler an die frische Luft. Dann geht er zu Casco. Der hat sein Geld, immerhin 50 Mille, angelegt und behauptet jetzt, er könne es nicht so schnell lockermachen. Ein Blick in Cascos Tresor straft ihn Lügen. Eine Kugel in den Kopf ist Cascos letzter Lohn.

Nächste Station: Tino. Tino ist der Mafiaboss von New Jersey, leider aber schon ein alter Knacker, so dass sein Enkel Nicky die laufenden Geschäfte erledigt. Tino hat einen Job für Eddie: In der ausgenommenen Pokerrunde saß sein Schwiegersohn Louis Letteri, ein fremdgehender Playboy, der das Geld seiner Familie verjubelte. Da die Gattin ihrem Daddy nun die Hölle heiß macht, verlangt die Familienehre, dass der Mörder von Louis umgenietet und seine beiden Komplizen ihr Geld zurückgeben. Alles klar?

Glasklar. Eddie ist vor allem auf das Geld aus, denn er plant, sich in den sonnigen Süden abzusetzen, möglichst weit weg vom Arm des Gesetzes. Es dauert nicht lange, bis er und Terry Stimmer aufgespürt haben. Dort zückt Eddie sein Lieblingsinstrument: ein superscharfes Rasiermesser. Stimmer singt, um seinem Namen alle Ehre zu machen. Doch das Singen nützt ihm nichts, denn Eddie braucht ja seine Kohle. Als Nächste stehen Hector Suarez, Chance und eine gewisse Crissa Stone auf seiner Liste…

Mein Eindruck

In dieser Hommage an die Hard-Boiled-Klassiker von Hammett, Chandler und Elmore Leonard spielt die Hauptfigur eine ganz besondere Rolle. Crissa ist eine starke Frau, die sich zudringlicher Verehrer zu erwehren weiß und auch eine Ahnung hat, wie man einen Revolver .38 auseinandernimmt, wieder zusammensetzt und mit Waffenöl funktionsfähig hält. Schon ein einziger Schuss kann die Genauigkeit einer Waffe beeinträchtigen. Das hat ihr Wayne beigebracht. Dabei hat sie aber noch nie auf einen Menschen gefeuert. Das steht ihr noch bevor.

Bei einem Besuch mit einem Alt-Gangster in seinem Seniorenheim erfährt sie zu ihrem Missvergnügen, dass sie benutzt worden ist. Der Schuss, mit dem Louis Letteri umgelegt wurde, war demzufolge keineswegs ein Zufall, sondern erfolgte im Auftrag von Tino, Letteris Schwiegervater. Man engagiert eben auswärtige Kräfte, wenn man Familienangelegenheiten diskret erledigen will. Das war bei der Mafia schon öfters so.

Aber benutzt worden zu sein, wurmt Crissa. Und als Hector eines Tages nicht mehr ans Telefon geht, ahnt sie, dass Tino nun auch sie auf die Abschussliste gesetzt hat. Es gibt nur eins zu tun: Sobald der Killer anruft, muss sie ihm zusammen mit Chance eine Falle stellen. Als Ort, um die Falle aufzustellen, kommt nur das Haus in Connecticut in Frage. Doch Eddie Santino ist schneller, als Crissa und Chance erwarten…

Eddie ist ein eiskalter Killer, aber wir lernen zu verstehen, was ihn antreibt: Geld auftreiben, ohne Spuren zu hinterlassen. Und „Spuren“ bedeutet vor allem: Zeugen. Natürlich weiß er auch, dass in seiner Welt, dem Haifischbecken, nur der Schnellere und Skrupellosere überlebt. So überrascht es ihn auch nicht, als Nicky, Tinos Enkel, mit einer bleihaltigen Überraschung aufkreuzt…

Eddie ist, literarisch gesehen, ein Nachfahre von abgebrühten Typen wie Parker, dem Geschöpf von Richard Stark alias Donald E. Westlake, bestens gespielt von Mel Gibson in „Payback“. Um Rückzahlung geht es vordergründig auch Eddie, doch wie sich herausstellt, hat für ihn „Rückzahlung“ eine umfassendere Definition: Crissa muss Geld, Leben und Zukunft einsetzen, um gegen Eddie bestehen zu können. Eddie ist ein „Heiliger“, der direkt aus der Hölle kommt.

Die Übersetzung

„Die Übersetzung ist fast so schnell wie das Original … und das ist wahrlich nicht selbstverständlich für deutsche Übersetzungen.« REINER BUSSE
Ich kann Busse nur beipflichten: Selten las ich einen Krimi, der schneller zu lesen war. Alf Mayer verzichtet auf allen Schnickschnack – und vor allem auf jedes überflüssige „und“, das nur Gemütlichkeit vortäuscht. Nichts könnte den Gangstern in diesem Krimi ferner liegen.

Der Text ist erfreulich frei von Druckfehlern. Nur auf S. 236 ist dem Lektor ein Fehler durch die Lappen gegangen.
S. 236: „und sie zog spannte den Revolver.“ Ja, was denn nun? Zog sie, oder spannte sie schon? Vielleicht fehlt hier auch nur ein Komma.

Der 2. Auflage von 2017 ist ein aufschlussreiches Interview des Übersetzers mit dem Autor beigefügt, das in ein informatives Nachwort eingebettet ist.

Unterm Strich

Alle haben in diesem Gangsterroman einen Plan, und das macht die Figuren so nachvollziehbar. Es unterscheidet sie auch von vielen Verbrechern aus der Noir-Ära um Hammett und Chandler. Jeder legt einen Sparpfennig beiseite – oder besorgt Schmiergeld für die legalen Finanzhaie: Anwälte, Bewährungshelfer, Cops. Es ist eine kalte Welt, doch Crissa pflegt einen Traum, der mit familiärer Wärme zu tun hat: ein eigenes Heim mit Mann und Tochter (die beide weit weg sind). Leider erweisen sich die Hürden zur Realisierung dieses Traums diesmal als zu hoch. Sie wird von einem Mafioso als Ausführungsgehilfin benutzt, und am Schluss brennt ihr Traum-Heim bis auf die Grundmauern nieder.

Stroby hat eine stilechte Hommage an diverse Krimiautoren, und Crissa Stone ist eine Figur, die tragfähig genug ist, um damit eine Serie zu starten, ähnlich wie es Robert B. Parker mit Spenser und Jesse Stone getan hat. (Ich hoffe immer noch, dass Pendragon auch Parkers Krimis um Sunny Randall übersetzt.) Aber so eine Figur steht und fällt mit ihrer Plausibilität. Kann eine Frau in jeder haarsträubenden, gewalttätigen Situation die Nerven behalten, statt mit schlotternden Knien zu Boden zu gehen?

Das ist nämlich keine Kleinigkeit und hängt von vielen Faktoren ab, nicht zuletzt von einem relativ erhöhten Testosteronspiegel (oh ja, auch Frauen haben Testosteron im Blut). Sie haben dann eine bessere räumliche Wahrnehmung – und bessere Nerven. Das haben die Studien ergeben, auf die sich das Ehepaar Pease stützt, das den verbreiteten Sachbuchbestseller „Warum Männer lügen und Frauen nicht einparken können“ geschrieben hat. Wer will, kann dem Autor dieses Wunschbild der starken, unerschütterlichen Frau abnehmen – oder auch nicht.

Dass Crissa dennoch nicht das weibliche Abziehbild eines männlichen Vorbilds ist, beweist sie an mehreren Stellen. Sie besucht ihren Freund Wayne im Knast, besucht die Pflegeeltern ihrer Tochter – und adoptiert eine streunende Katze. Diese Katze, wie so viele vor ihr, ein literarisches Symbol. Sie verkörpert den Traum von einem friedlichen Heim – insofern spiegelt sie ihre Dosenöffnerin Crissa. Doch es soll nicht sein, denn Eddie bedroht ihre Tochter Maddie. Und sie – Crissa/die Katze? – kann froh sein, wenn sie mit dem nackten Leben davonkommt. Der Autor versteht sein Handwerk als Erzähler wirklich.

Taschenbuch: 352 Seiten
Info: Cold Shot to the heart, Martin’s Press, New York City 2011
Aus dem US-Englischen von Alf Mayer
www.pendragon.de

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