Manfred Weinland / Simon X. Rost / Florian Fickel – Vampira: Niemandes Freund (Folge 5)

Nicht die Anna-Nicole-Smith-Gedächtnis-Episode!

Vampira ist eine hübsche junge Halbvampirin, doch die Freunde ihrer verstorbenen Mutter, die Vampire, machen ihr das Leben schwer. Gut, dass Mutter ihr eine Allzweckwaffe mit auf den Lebensweg gegeben hat: ein intelligentes Kleid, das die Gegner fertigmacht.

„Anne Smith liegt mit aufgerissenen Augen in einer verlassenen Seitengasse, als Landru ihre Adern öffnet. Er braucht sie nicht einmal zu berühren, um Zugriff auf ihren kostbaren Saft zu erlangen. Wie schon einmal, erschafft er mittels Magie das Replikat eines lilienförmigen Kelchs, in welchen Annes Blut pulst. Bis ihre Gefäße leer sind …“ (abgewandelte Verlagsinfo) Ob die Ähnlichkeit zum Namen von Anna Nicole Smith gewollt ist, sei jedem zur Spekulation überlassen. Immerhin heißt die Episode Nr. 5 nicht „Anna-Nicole-Smith-Gedächtnis-Episode“ …

Der Autor

Manfred Weinland, Jahrgang 1960, ist Schöpfer und Chefautor der aktuellen BASTEI-Science-Fiction-Heftserie Bad Earth, die am 29. April 2003 startete. Als Autor ist Manfred Weinland ein „alter Hase“. Schon 1977 verkaufte er seinen ersten Heftroman an den damaligen ZAUBERKREIS-Verlag. Es folgten bis zum heutigen Tag rund zweihundert Romanveröffentlichungen, als Taschenbuch, Paperback und Hardcover, unter eigenem Namen oder Pseudonym. Für die 1994 von ihm kreierte BASTEI-Serie Vampira war er nicht nur federführend für den durchgängigen roten Faden verantwortlich, sondern schrieb auch den Löwenanteil der Romane. (zitiert nach: www.ren-dhark.de, Stand: 2004)

Die Sprecher/Die Inszenierung

Die Buchbearbeitung lag in den Händen von Simon X. Rost, Regie führte wie bisher Florian Fickel. Die Vertonung erfolgte durch Joschi Kauffmann, der auf eigene Musik und die seines Kollegen Rainer Scheithauer zurückgriff. Man kann annehmen, dass aus dieser Quelle auch die zahlreiche Geräusche und Soundeffekte stammen. Das Ganze wurde in verschiedenen Studios aufgenommen. In den Stuttgarter JK Studios wurde produziert, gemischt und gemastert.

Die Rollen und ihre Sprecher:

Intro: Klaus Höhne („Prof. Dumbledore“)
Erzähler: Christian Rode (Christopher Plummer; Michael Caine)
Vampira: Tina Haseney
Duncan Luther: Gerrit Schmidt-Foss (Leonardo DiCaprio)
Landru: Bela B. Felsenheimer (|Die Ärzte|)
Mc Beth, Reporterin: Ulrike Sturzbecher
Habakuk: Santiago Ziesmer (Steve Buscemi)
Vater Duncan: Michael Holz
Sergeant: Frank Stöckle
Pathologe: Udo Schenk (Gary Oldman)
Hekade: Sabine Menne
Espen Storm: Christian Schult
Suzanne: Giuliana Jakobeit (Keira Knightley)
Sanders: Peter Flechtner (Ben Affleck)
Sean Lancaster: Udo Schenk (Gary Oldman)
Anne: Dorette Hugo
Nona: Mo Asumang
u. v. a.

Die Vorgeschichte

Ab Episode 2 werden die vorhergehenden Ereignisse kurz zusammengefasst: „Was bisher geschah“. Ich tue das ein wenig ausführlicher.

Das junge Mädchen Lilith erwacht irgendwo, ohne eine Ahnung zu haben, wer und was sie ist. Nun, sie ist eine Halbvampirin. Bereits im ersten Teil der Serie erfahren wir durch Liliths Träume von der Prophezeiung, die Liliths Leben bestimmt. Von wem die Prophezeiung stammt, ist unklar, Hauptsache, Liliths Mutti weiß Bescheid. Das Töchterlein hat die hehre Aufgabe, die Vampire zu bekämpfen. Was etwas ironisch ist, wenn man bedenkt, dass Mutti auch eine aus dieser Rasse ist. Papi ist nicht so wichtig, aber er kommt in einer Rückblende ebenfalls vor.

Aber welchen Grund hat Lilith, ihre blutsaugenden Zeitgenossen zu hassen und zu vernichten? Dies werden wir hoffentlich noch in späteren Episoden erfahren. Ein gewisser Obervampir namens Landru scheint dabei eine Rolle zu spielen. Möglicherweise wollte Liliths Mutter verhindern, dass Landru & Co. wieder ihre Herrschaft über die Menschen errichten, nachdem ihnen diese vor Jahrtausenden verloren ging. Warum Mütterchen drei Tage nach Vampiras Geburt den Löffel abgeben muss, wird ebenfalls nicht erklärt. Schuld kann bloß die Prophezeiung sein.

Selbstredend hat das arme Mädel – sie ist ja Vollwaise – null Peilung, über welche Kräfte es verfügt. Deshalb dienen die ersten Episoden zu ihrer Orientierung, was ihre Fähigkeiten anbelangt. Das macht ihre Geschichte sympathisch und spannend. Außerdem sind diese Abenteuer aufgrund von Liliths Schönheit und erotischer Anziehungskraft höchst sinnlich geprägt – ein Markenzeichen der Serie. Da Lilith aber nur Halbvampirin ist, ist sie nicht wie ihre reinrassigen Vettern und Kusinen auf Vergewaltigung aus – so bleibt alles schön politisch korrekt.

Eine ganz wichtige Waffe ist Liliths rotes Kleid, ein Erbstück des lieben Mütterleins, welches offensichtlich über ein eigenes Leben und Bewusstsein verfügt. Was dieses Kleid mit seinen Opfern anrichtet, ist meist ungesund in seiner Wirkung, aber: Die Schurken haben es ausnahmslos verdient. Schutz kann Klein-Lilith gut gebrauchen: Die Vampire – hier „Götzen“ genannt – sind hinter ihr her. Und sie können sich jederzeit von einem Menschen in einen Wolf oder einer Fledermaus verwandeln.

In Episode 3

… geriet Lilith Eden unter den Holzpflock des besessenen Priesters Lorrimer, der ihr selbigen ins Herz treiben, weil er sie für eine Vampirin hielt – nicht ganz zu Unrecht, wie hier angemerkt werden sollte. Zum Glück für Lilith kam ihm sein Novize Duncan Luther in die Quere, der auf hypnotischen Befehl zweier echter Vampire handelte. Doch Lilith befreite ihn von deren Bann und gemeinsam konnten sie in eine Absteige entkommen.

In Episode 4

… stellt Lilith erstmals ihre Fähigkeit zu liebevollem und solidarischem Handeln unter Beweis. Das macht sie umso sympathischer und akzeptabler, wenn sie andere Personen verletzt oder tötet. Als sie Duncan gegen die Vampire beisteht, entfaltet sie zudem beachtliche Kräfte, die belegen, dass sie auch ohne ihr magisches „Kleid“ den Gegnern Paroli bieten kann. Dass das Kleid schließlich wieder zu ihr zurückfindet und sie schützend umschließt, ist eher eine Fußnote. Doch Lilith, die eine Ahnung von ihrer Sterblichkeit hat, fühlt sich nun wieder vollständig. Allerdings rücken ihr ihre Feinde, die Vampire unter Führung von Landru, allmählich auf die Pelle.

Handlung von Episode 5

Während Mac Beth, die Reporterin, Liliths Freund Duncan Luther, den „Priesterlehrling“ (was man gemeinhin wohl einen Novizen oder Anwärter nennt), bewirtet, entschuldigt sich Lilith und erkundet draußen die Lage. Sie besucht Espen Storm, dem Aboriginal, in seinem Laden an der Market Street. Mit Erstaunen sieht sie seinen Körper am Boden hocken, doch da tritt seine Gestalt aus einem Wandbild! Offenbar hat er die Kunst der Geistreise erlernt. Esper warnt sie vor der Ankunft ihres Erzfeindes Landru. Dieser plane bestimmt schon einen Angriff auf sie.

Esper fragt nach den Namen von Liliths Eltern. Dies waren Sean Lancaster, ihr Vater, und die Vampirin Criana. Lilith weiß jedoch nicht, was aus ihnen wurde. Wie sich später zeigt, existiert Sean Lancaster als Schrumpfkopf in Landrus Tasche fort. Während Landru sich auf der Straße ein neues Opfer namens Ann Smith (s. o.) schnappt, begibt sich Lilith unter Espers Anleitung auf die Pfade, die jenseits des Wandbilds seines Ladens liegen. Sie muss sich lediglich genügend entspannen und ihren Geist auf Reisen schicken …

Dies führt sie in den Garten jenes Hauses, das in der Tiefe auf mysteriöse Weise verschwunden ist (siehe Folge 1 und 2). Hier steht ein Apfelbaum, und die Geister von Menschen gehen auf ihn zu, um sich seine Früchte in den Mund zu stopfen. Doch sobald sie davon gegessen haben, verblassen sie. Offenkundig steht hier nicht alles zum Besten. Die Reise führt in die Tiefe, wo in einem Erdloch ein Grabmal steht: das von Liliths Mutter Criana. Doch das Grab ist leer. Wo ist die Leiche?

Nachdem Lilith einen Angriff von Landru und seinem Schergen Habakuk abgewehrt hat, ergreift sie selbst die Initiative. Auf dem Friedhof an der Barnaby Road dringt sie in das Hauptquartier Landrus ein, doch fast alle der Vampire sind ausgeflogen. Lilith stößt auf eine Tasche und findet darin den Schrumpfkopf ihres Vaters sowie eine Landkarte, die auf Menschenhaut gemalt ist. Ihr Kleid, der Symbiont, macht ohne ihr Wissen eine Kopie davon, die sich in der nächsten Episode als sehr nützlich erweisen wird.

Lilith muss sich in einem Kleiderschrank verstecken. Schritte von Vampiren nähern sich. Sie stellen sich als Landru, ihr Erzfeind, und eine verführerische Vampirin namens Nona heraus, die Landru umgarnt. Während es die beiden lautstark vor dem Schrank treiben, zittert Lilith drinnen um ihr Leben. Sie fleht ihr Kleid an, ihr zu helfen …

Mein Eindruck

Während wir mit der ersten Hälfte dieser Episode absolut nichts anzufangen wissen und sie auch keine Entwicklung in die Wege leitet, so bringt die zweite Hälfte der Folge die bisher erfahrene Handlung voran. Zwar steht auch jetzt wieder keine direkte Konfrontation Liliths mit Landru auf dem Programm, aber zumindest mit Landrus Unterling Habakuk (dass Vampire immer so bescheuerte Namen tragen müssen! Habakuk stammt aus der Bibel).

In Auseinandersetzungen wie diesen hat Lilith gelernt, auf ihren Symbionten zu vertrauen. Das halbintelligente Kleid, das Erbstück ihrer Mutter, weiß sich wahrhaft auf vielfältige Weise ihrer Gegner anzunehmen: Es wickelt sie meist ein, um sie dann zu ersticken oder auszusaugen. Sicher kein schöner Tod. Doch Lilith macht sich inzwischen kaum noch Gewissensbisse deswegen, vielmehr begegnet sie den Vampiren mit einem aggressiven Trotz, der für ihr jeweiliges Gegenüber nichts Gutes vorausahnen lässt. Der Bodycount erhöhnt sich denn auch schon bald auf zwei. Und wenn man Landrus Beute hinzuzählt, kommt man auf mindestens fünf Leichen allein in dieser Episode. Horrorfreunde dürften auf ihre Kosten kommen.

Die rätselhafte und zerstückelte erste Hälfte dieser Episode dient wohl nur dem Legen von Spuren, die hoffentlich später einmal (nach Episode 6) aufgenommen werden. Criana, Esper, Geisterpfade, tödliche Apfelbäume – all dies ergibt keinen Sinn im Kontext und ist eben mal so hinzunehmen. Aber eine nur zur Hälfte spannende Episode ist eine nur halb genossene Episode. Hier dürften vor allem Mysteryfreunde auf ihre Kosten kommen.

Geräusche und Musik

Recht interessant sind die Soundeffekte. Wie jedes Horrorhörspiel steht und fällt der Gesamteindruck mit dem Einsatz von Musik, Geräuschen und Effekten. Spielt alles sauber zusammen und gibt es keinen Sound-Brei, dann ist das schon die halbe Miete, was den Erfolg beim Hörer anbelangt. Durch den Einsatz von Effekten kann man den Soundtrack aufwerten, ihn aber auch überladen, deshalb ist die richtige Dosierung entscheidend.

Auf Hall und Echo haben die Soundmixer in der Mehrzahl verzichtet, dafür setzen sie aber großzügig Donner, Blitze, Regen und Rumpeln ein, also alles, was irgendwie Angst erzeugt. Kaum treten unheimliche Kreaturen der Nacht auf, hören wir auch schon ihr unheilvolles Knurren…

Stereoton

Zwei Eigenheiten der Tonspur seien herausgegriffen. Mir ist diesmal besonders aufgefallen, dass ständig die Schritte der Figuren zu hören sind (außer auf den Traumpfaden Espers, versteht sich). Leider hören sich weibliche und männliche Schritte absolut gleich an, und das ist nicht stimmig.

Wie auch immer: An einer Stelle geht Landru vor seinem Untervampir Habakuk, in Überlegungen versunken, auf und ab. Um diese Bewegung darzustellen, gibt es seit jeher ein probates Mittel im Radio: den Stereoton. Während Landrus Schrittgeräusch und seine Stimme von links nach rechts und wieder zurück wandern, kann der Hörer genau seinem Weg folgen, gleichgültig ob er vor den Lautsprecherboxen sitzt oder einen Kopfhörer aufhat. Dies sind so die Stellen, an denen sich „Vampira“ die Bezeichnung „Hör-Spiel“ wirklich verdient.

Unterm Strich

Episode 5 ist eine der schwächsten Folgen der Serie bislang. Während die erste Hälfte keinen Zusammenhang ergibt, bietet die zweite Hälfte gleich zwei Zweikämpfe und dient als Steigbügelhalter für die nächste Episode. Nr. 6: „Die Blutbibel“ ist im Vergleich zum bisherigen Geschehen ein wahrer Höhepunkt, sowohl in dramaturgischer Hinsicht als auch im Hinblick auf die Entwicklung der Figuren.

Für wen sich die Serie eignet

Diese Hörspielreihe, die im April 2006 begann, ist meines Erachtens für Mädchen und Jungen gleichermaßen interessant – ab 14 bis 16 Jahren etwa, denn der Gewalt- und Erotikgehalt ist beträchtlich. Mädchen können sich mit der Lage der jungen Lilith Eden identifiziert und sozusagen mit ihr als einer Superheldin wachsen und Abenteuer erleben. Ihr realistisches Gegenstück ist Beth McKinsey, die Reporterin, genannt „Mac Beth“.

Jungs identifizieren sich wohl eher mit dem Polizisten Jeff Warner (der in den Episoden 5 und 6 nicht auftritt) und dem Novizen Duncan Luther. Erbaulich ist auch der Umstand, dass Liliths Opfer fast immer Männer sind, und darunter sind meist recht verkommene oder geistig minderbemittelte Exemplare. Gegen weibliche Vampire vorzugehen, hat das Supermädel aber auch keine Skrupel, wie sie in Episode 5 unter Beweis stellt. Vampira ist Sozialdarwinismus auf zwei sexy Beinen.

Für Erwachsene hält die Serie herzlich wenige Unterhaltungswerte bereit. Dafür sind die Figuren und die Dialoge zu unausgereift. Mit Lumleys „Necroscope“ können sie schon gleich gar nicht mithalten – wollen es aber auch wohl auch nicht. Alles in allem ist eben die Hörspielserie die akustische Entsprechung zu einem Heftchenroman.

Doch die Produzenten sind – hoffentlich nach konstruktiver Kritik – steigerungsfähig. Nach all dem Unsinn in Episode 5 führt Landrus Spur Lilith nach Nepal, und dort bewährt sie sich als Sozialhelferin, ein großer Fortschritt gegenüber ihrem bisherigen Hedonismus.

68 Minuten auf 1 CD
ISBN-13: 978-3785733172

http://www.luebbe-audio.de