Chris Welch – Led Zeppelin: Dazed And Confused. The Stories Behind Every Song

Gute Band-Biografie mit Song-Kritiken

Als eine der zahlreichen Biografien über Led Zeppelin (LZ) herausgebracht, unterscheidet sich „Dazed and Confused“ grundlegend im Konzept: Der Hauptteil des Buches wird durch Besprechungen der Alben und ihrer Tracks bestritten. Diese Besprechungen reichen bis ins Jahr 1994/95, also auch bis Page/Plant’s „No Quarter“ und den Remasters/Remastered-Alben.

Der Autor

Bei Band- und Musikerbiografien muss man stets darauf achten, auf welcher Seite der Autor/die Autoren steht/stehen: pro oder contra? Zweitens ist darauf zu achten, ob es sich einen Profi handelt oder einen selbsternannten Biografen, der hier als Verbreiter von Halbwahrheiten und Gerüchten seinen Schnitt machen will.

Chris Welch arbeitete als Musikreporter beim britischen Fachblatt „Melody Maker“. Er begleitete LZ in den frühen Siebzigern bei ihren größten Auftritten, bei den bis zu 56.000 Zuhörer (Tampa, Florida) kamen. Er konnte also die Entstehung des Stadion-Rock mitverfolgen, aber natürlich auch die weniger schönen Auswüchse im Rockgeschäft. Die Tatsache, dass er die Exzesse der Bandroadies und des Bandmitglieds John Boham (Drums) in seinem Buch entschuldigt und beschönigt, deutet darauf hin, dass er stets die Partei der Band ergreift. Das ist nichts besonderes, denn seit Anfang der neunziger Jahre werden den LZ-Platten und Bandmitgliedern wieder eindeutige Sympathien entgegengebracht – was während der 70er und 80er Jahre seitens der Presse keineswegs selbstverständlich war.

Welch hat bei einer Reihe von Magazinen mitgeschrieben und inzwischen über 20 Bücher über Rockmusik geschrieben, darunter „Hendrix: A Biography“. Sein Moment höchsten Glücks: „Playing conga drums live on stage in Germany with Led Zep during ‚Whole Lotta Love‘!“

Inhalte

Es ist Welchs These, dass sich die Musik der Band LZ vor allem in ihren Alben manifestierte. Das ist zwar gut für Plattenproduzenten und die Rechteinhaber (die dürfen sich schon mal die Hände reiben über so viel Werbung), widerspricht aber der Auffassung anderer Autoren. Charles Cross beispielsweise (den ich neulich bei yopi.de besprochen habe) ist der Ansicht, dass sich LZ in erster Linie in ihren Live-Auftritten realisierten und dort ihre beste Musik spielten. Eine schwache Ahnung davon liefert das bis dato einzige Live-Album „The song remains the same“ von 1974. Cross charakterisiert in seinem Buch „LZ – Heaven and Hell. An illustrated biography“ (1992) die Live-Auftritte detailliert und nach ihrer künstlerischen Qualität. Welch handelt diese wichtigen Auftritte in Bausch und Bogen ab – sehr schade.

Nach einer interessanten Einleitung über die Entstehung der Band, die Aufzählung ihrer größten Erfolge und das abrupte Ende ihrer Existenz 1980 nach Tode John Bonhams bespricht Welch das 1. Album. Es hatte noch keinen Titel, wurde in nur 30 Stunden aufgenommen und erschien Anfang 1969 in USA und UK.

Es wäre langweilig, die einzelnen acht Studioalben abzuhandeln: I bis IV, sodann „Physical Graffiti“, „Houses of the Holy“, „In through the out door“ und posthum sozusagen „Coda“. In den 90ern erschienen „No Quarter“ und zwei Remasters/Remastered-Kompilationen.

Urteile über jeden Song

Interessanter ist da schon die Frage, wie Welch die einzelnen Songs vorstellt und – jawohl – beurteilt. Nicht jeder Biograph traut sich, ein künstlerisch-handwerkliches Urteil über die Songs abzugeben; Welch ist hier also die Ausnahme. Er sagt stets, wann jeder Song aufgenommen wurde (häufig wild durcheinander, besonders auf „Graffiti“, einem veritablen Auffangbecken von Altmaterial). Und er beschreibt die wichtigen Kennzeichen eines Tracks und belegt dies durch ergänzende Anmerkungen der Musiker. Wichtig ist auch, ob der Song jemals live performt wurde.

Wenn Jimmy Page einzelne Noten im Gitarrensolo verpatzt oder John Bonhams Basspedalmechanismus quietscht (und dies zu hören ist), dann kann man sichergehen, dass Welch das auch schreibt. Das dürfte nicht jedem glühenden Verehrer gefallen, trägt aber zu einem guten Eindruck der Ehrlichkeit bei – ein wohltuender Kontrast zu der Lobhudelei in der Einleitung.

So ist zum Beispiel Welchs Bemerkung zu „Hey hey what can I do“ von einem Amazon-Leser übel aufgenommen worden, wonach der Song klänge, als habe man ihn wegen seines chaotischen Endes aus dem Album „III“ (1970) herausgenommen. Das tut weh. Andererseits weisen die Bandmitglieder selbst auf Missglücktes hin, so etwa auf den falschgeschriebenen Songtitel „Southbound Saurez“. Es sollte eigentlich „suarez“ lauten, was auf spanisch „Party, Feier“ bedeutet.

Was fehlt

Wichtiger finde ich die Frage, warum Welch kein Wort über Bootleg-Ausgaben verliert – vielleicht aus rechtlichen Bedenken? Bootlegs tauchen weder in den Besprechungen noch in der abschließenden „Chronology“ noch in der „Discography“ (inklusive Soloalben!) auf.

Fotos

Eines der Merkmale, das dieses Buch aus der Masse der Biografien (die von Richard Yorke soll ganz gut sein) heraushebt, sind die abgedruckten Bilder. Die Qualität ist recht unterschiedlich: manchmal kleine s/w-Inserts aus den 60er Jahren, dann wieder doppelseitige Farbfotos, die die Liveatmosphäre prächtig wiedergeben (siehe Cover). Insgesamt ist das Niveau nicht so hoch wie in „Heaven and Hell“, obwohl auch bei Welch laut Credits einige Fotos von Neal Preston stammen, einem absoluten Starfotografen der Rockszene.

Unterm Strich

Das ganz in Englisch gehaltene Buch bietet für jeden, der sich näher mit der Musik der LZ-Band auseinandersetzen möchte, wertvolle Informationen, Einsichten und Beurteilungen. Begleitet werden diese informativen Teile, die bis ins Jahr 1997 („BBC Sessions“) reichen, durch oft hervorragende Fotos.

Hinweise

Der ernsthafte LZ-Fan dürfte mehrere Aspekte vermissen: keine Angaben über Bootlegs, über LZ-Sammlerstücke, Chronologie der Live-Auftritte (bei Welch nur sehr sporadisch, weil rekordbrechend) und keine Interviews (die recht selten waren). Dieses Material ist in „Heaven and Hell“ zu finden (siehe meinen Bericht). Eine recht lesbare Biografie von LZ erschien vor Jahren im Heyne-Verlag.

Paperback: 160 Seiten
Originaltitel: Led Zeppelin: Dazed And Confused. The Stories Behind Every Song (Thunder’s Mouth Press)
ISBN-13: 978-3283003593

www.edition-olms.com/

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