Dan Wells – Sarg niemals nie

„Sarg niemals nie“ wirbt im Klappentext mit dem Spruch: „Ein Sarg. Ein Pflock. Ein Bestseller“, und teilt dem potenziellen Leser damit auf nicht gerade subtile Art und Weise mit, dass es um Vampire geht und sich das Buch wie geschnitten Brot verkauft. Was wohl eine Aussage zur Qualität des Romans sein soll. Allerdings trifft dies auf fast jedes Druckerzeugnis zu diesem Thema zu und so bleibt es dem Leser überlassen, auf den recht schnell weggelesenen 300 Seiten festzustellen, dass er mit diesem neuen Roman von Dan Wells ein echt überflüssiges Produkt in den Händen hält.

Das amerikanische Original „A Night of Blacker Darkness“ ist eigentlich ein Hörbuch und trägt den Namen Dan Wells gar nicht auf dem Umschlag. Stattdessen gibt es vor, von Frederick Withers verfasst worden zu sein (der Protagonist des Romans). Als Hörbuch mag der Plot vielleicht sogar funktionieren – zumindest sollte eine Lesung in der Lage sein, die Situationskomik besser zu transportieren als der reine Text. Denn eins wird bei der Lektüre schnell klar: Dan Wells will witzig sein, nur leider klappt das überhaupt nicht.

Es geht um den eben schon erwähnten Frederick Withers, einen kleinen Bankangestellten aus Bath, der mit Hilfe einer Frau (die ihn hintergehen wird – natürlich) einen Betrug durchziehen will, um an das Geld eines reichen Alten zu kommen, der keine Erben hat. Der Coup geht schief und Frederick landet im Gefängnis. Als sein Zellennachbar stirbt, nutzt er die Gunst der Stunde und lässt sich im Sarg aus dem Gefängnis schmuggeln. Auf dem Friedhof angekommen, befreit er sich aus dem Sarg – was von den dort ansässigen Vampiren allerdings als Auferstehung aus dem Grabe angesehen wird. Sie heißen ihn sofort in ihrer Mitte willkommen und alle Beteuerungen Fredericks, dass er gar kein Vampir sei, stoßen auf taube Ohren. Sowieso sind die Vampire bei Dan Wells eher bemitleidenswerte Geschöpfe. Sie treiben sich auf dem Friedhof herum und sind zu schwach, Menschen anzufallen. Deshalb haben sie irgendwann den romantischen Vampirroman erfunden, in dem sich Frauen den Blutsaugern freiwillig hingeben. Seitdem finden sie willige Opfer. In Frederick meinen sie den Erhabenen zu erkennen; einen Vampir, der das Sonnenlicht ertragen kann und viel stärker ist als sie. Folglich weichen sie ihm nicht mehr von der Seite – sehr zum Leidwesen von Frederick Withers.

Der will nämlich immer noch an das Geld des reichen Alten. Unterstützt wird er dabei bald von einem gewissen John Keats, der stets in Reimen spricht, und mit dem sich Frederick bald gegen die Horde Vampire, die Polizei, die Angestellten eines Bestattungsunternehmens und die Chefs seiner ehemaligen Arbeitsstätte behaupten muss. Ihnen zur Seite steht irgendwann auch Mary, die Leichenteile von Friedhöfen stiehlt, um daraus einen Menschen zu basteln. Ein Schelm, wer dabei an „Frankenstein“  denkt.

Mehr lässt sich zur Handlung kaum sagen, denn „Sarg niemals nie“ besteht aus 300 Seiten Slapstick: Unzusammenhängende Szenen, sinnlose Dialoge, zu viele unwichtige Charaktere und endlose Redundanzen bestimmen das Buch. Jede Figur hält Frederick für einen Vampir, worauf dieser vehement protestiert. Das ist vielleicht das erste Mal witzig. Wenn der Autor es richtig anstellt, auch noch ein zweites Mal. Aber Dan Wells bemüßigt diesen Witz alle zehn Seiten, so lange, bis es einfach nur noch ermüdend ist. Man fühlt sich beim Lesen schnell erschöpft, denn auch wenn „Sarg niemals nie“ Szenen und Dialoge wie ein Schnellfeuergewehr abfeuert, zündet nichts davon richtig. So etwas nennt man einen klassischen Rohrkrepierer … Je weiter der Roman fortschreitet, desto kruder und verwickelter wird der Plot, desto abgedrehter die Dialoge. Nichts davon führt jedoch irgendwohin, Wells führt die Spirale einfach endlos fort, bis der Roman irgendwann vorbei ist. Eine Pointe oder wenigstens eine Erkenntnis, wozu das alles jetzt gut sein sollte, sucht der Leser vergeblich. Dass Wells dann auch noch metaliterarische Anwandlungen bekommt und nicht nur die literarische Figur des Vampirs seziert, sondern auch englische Autoren auftreten lässt (z. B. Mary Shelley und eben John Keats), ist wohl sein verzweifelter Versuch, dem flachen Plot so etwas wie Substanz zu verleihen. Gerade die Figuren, die in historischen Autoren ihren Ursprung haben, bleiben aber seltsam losgelöst von ihren tatsächlichen Vorbildern. Über Keats erfährt man nichts, außer dass er Romantiker ist und gern reimt. Shelley ergeht es ähnlich: Wells verwendet sie nur für den einen Gag, dass sie nämlich als Alter Ego ihres Doktor Frankenstein agiert und Leichenteile stiehlt. Ein bahnbrechender Einfall … Und dass der tatsächliche Erhabene, der am Schluss des Romans wirklich noch auftauchen wird, als deus ex machina nämlich, ebenfalls Schriftsteller ist, ist dann nichts weiter als Namedropping und erfüllt keinen tieferen Sinn.

Bei diesem Mischmasch aus Absurditäten und Überflüssigem sind die dazu kommenden Anachronismen fast schon nebensächlich. Dass Wells in einem Roman, der 1817 spielt, Charakteristika des literarischen Vampirs verwendet, die sich erst mit Stokers „Dracula“ von 1897 durchsetzten, lässt zumindest Schlüsse darauf zu, wie intensiv er sich mit der Materie auseinandergesetzt hat. Dass seine Protagonisten mit der Kutsche von Bath nach London – immerhin 150 Kilometer – kaum eine Nacht brauchen, zeigt außerdem, dass Recherche auch nicht sein Steckenpferd ist. Dieses Prinzip lässt sich leider auf den gesamten Roman runterbrechen: Er scheint, ohne viel Nachdenken oder gar Plotten heruntergeschrieben zu sein. In Wells‘ Vorstellung mag die Handlung komisch gewesen sein. Aber wie das manchmal eben so ist, lässt sich die Situationskomik nicht aufs Papier übersetzen. Witzig ist leider anders.

Taschenbuch: 320 Seiten
Originaltitel: A Night of Blacker Darkness
Übersetzung aus dem Amerikanischen: Jürgen Langowski
ISBN: 9783492268837
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