Wieland Freund – Träum niemals von der Wilden Jagd!

Jagdfieber

Der Winter naht. Nach den turbulenten Ereignissen des Sommers (vgl.: „Wecke niemals einen Schrat!), ist wieder relative Ruhe in Leben und Königreich der Elfen eingekehrt. Die Routine hat die kleinen Waldbewohner wieder. Und diese gebietet in dieser Jahreszeit sich mit Vorräten einzudecken, damit man gut über die Winterruhe kommt, welche die eichhörnchenartigen Wesen halten. Nur Faulpelz Jannis frönt wie immer lieber dem Müßiggang, als solche Lappalien wie elementare Existenzsicherung zu erledigen. Selbst der treue Schrat Wendel kann den jungen Elf nicht davon überzeugen, dass es wichtig ist, sich rechtzeitig etwas zu Essen als Notration zu verstecken. Der erste Schnee fällt bereits und alle ziehen sich zum Langen Schlaf in ihre Kobel zurück, um sich im Frühjahr hoffentlich gesund und munter wieder zu sehen. Auch Jannis. Doch schon jetzt merkt er, wie der Hunger an ihm zu nagen beginnt.

Kein Wunder, dass sein Schlaf viel früher endet, als erwartet. Das kapitale Loch in seinem Bauch treibt ihn ausgerechnet zu Beginn der finsteren Raunächte raus in die Kälte. Glücklicherweise ist er nicht allein. Wendel weicht ihm auch hier selbstverständlich nicht von der Seite, allerdings verschmäht Jannis die ihm vom Schrat angebotenen Pilze, sondern entsinnt sich daran, dass seine Freundin Motte ihm angeboten hat, sie aufzusuchen, für den Fall der Fälle. Na, das wäre dann ja nun genau jetzt! Als sie Mottes Kobel erreichen, erweist sich dieser jedoch als leer. Und das wohl schon längere Zeit. Wo steckt sie bloß? Die Zeit der Geister der „Wilden Jagd“ hat im Wald begonnen. Wendel ist noch verschüchterter und pessimistischer als sonst. Egal. Jannis hat Kohldampf! Und siehe da, nach einiger Suche stellen die beiden fest, dass nicht nur sie wach sind. Motte und der greise Amsel Salamander sind es ebenfalls. Aber aus ganz anderen Gründen …

Eindrücke

Das zweite Buch setzt ein wenig später auf, als dort, wo das erste aufhörte – dennoch knüpft es fe facto nahtlos an die Geschichte an. Die Ereignisse, die sich zwischenzeitlich im Elfenwald zugetragen haben, nachdem der fiese Zauberer Holunder vertrieben war (wir erinnern uns mit Vergnügen an „Wecke niemals einen Schrat!“), werden kurzerhand in die laufende Story mit eingebunden. Soviel Intermezzi waren es unterm Strich dann auch gar nicht: Jannis ist und bleibt ein unbelehrbarer Jung-Elf, der weiterhin lieber in den Tag hineinlebt und grundsätzlich auf der faulen Haut liegt, selbstredend stets begleitet von Wendel dem Schrat. Dessen ehemaliger Ruf als Unglücksbringer sich natürlich in Nichts aufgelöst, bzw. sich sogar ins Gegenteil verkehrt hat. Streberin Motte hat es derweil immerhin zu Amsel Salamanders persönlichen Assistentin gebracht.

Sonst scheint alles beim alten zu sein. Nein. Nicht ganz. Bereits am Ende des ersten Bandes kündigte sich an, dass der greise Amsel ganz und gar nicht mehr zufrieden mit seinem bisherigen Lebenswerk, dem BUCH ÜBER ALLES, war. Jetzt hat er hat ein neues, höchst ehrgeiziges Projekt gestartet: DAS BUCH FÜR DIE EWIGKEIT. Und genau darum geht es im zweiten Band auch – jedenfalls zunächst. Ohne zu viel verraten und vorweg nehmen zu wollen, ist es seine Idee den weisen Hyazinth – respektive dessen Geist – zu rufen. Den inzwischen seit einigen Jahrzehnten mausetoten Elf vermutet er als Teil des Geisterheeres, welches in den 12 Raunächten als die berüchtigte „Wilde Jagd“ durch den Wald zieht. Ihn möchte Amsel nämlich betreffs seines neuen Werkes so vieles fragen. Soweit also der verwegene Plan des wunderlichen Alten.

Tatsächlich aber kommt es aber – bekanntlich – erstens anders und zweitens, als man denkt. Diese Erfahrung muss auch die (mit Ausnahme von Amsel Salamander) unfreiwillig wache Gruppe machen. Geisterbeschwörungen sind ein zweischneidiges Schwert, man kriegt nicht immer, was man erwartet – die Sache kann also durchaus nach hinten losgehen. Tut sie auch. Klar. Wie von Wieland Freund nicht anders erwartet, bekommt der Leser hierbei die eine oder andere Wendung präsentiert. Natürlich mit dem ihm eigenen Stil und einer großen Portion Witz. Zudem hat man den subjektiven Eindruck, dass diese Geschichte noch rasanter abläuft, als ihre Vorgängerin. Mit der (bereits erwähnten, etwas missglückten) Geisterbeschwörung ist richtig Leben drin – spätestens ab hier legt man das 216-seitige Buch nicht mehr zur Seite. Lesefaule können sich alternativ übrigens auch die Lesung auf 4 CDs mit einer Gesamtlaufzeit von über 5 Stunden gönnen.

Fazit

Nachdem sich herumgesprochen haben dürfte, dass das erste Buch schon ein großer Wurf war, waren die Erwartungen hinsichtlich einer Fortsetzung natürlich besonders hoch. Diese wurden nicht enttäuscht. Wieland Freund gelingt es im zweiten Buch ebenfalls den Leser von Beginn an zu fesseln und so manche gelungene Überraschung aus dem Hut zu ziehen. Selbstverständlich mit dem ihm eigenen Humor gewürzt und mit tollen Bildern illustriert. Lediglich Jannis‘ Part tritt gefühlt etwas mehr in den Hintergrund, während Wendel, Motte und insbesondere Amsel Salamander in dieser Geschichte eher den Ton angeben. Die Mischung ist aber wieder gut gelungen – ebenso die Verquickung von fiktiver Story mit volkstümlichem sowie ganz realem Natur-Wissen insbesondere bezüglich der Raunächte. Die „Wilde Jagd“ fällt überdies viel weniger gruselig aus, als man vielleicht denken mag. Der Plot ist kindgerecht-spannend aufgezogen und sorgte für gebanntes Lauschen beim Vorlesen. Ohne spätere Alpträume beim achtjährigen Publikum (Der Verlag empfiehlt „ab 9 Jahre“). Der erwachsene Leser freut sich indes wieder über die grundsätzlich sehr wertige Aufmachung und die nett in Szene gesetzten Randnotizen. Der raue Rezensentendaumen friert in erhobener Stellung fest.

216 Seiten, Hardcover
Illustration: Joëlle Tourlonias
Beltz & Gelberg, Juli 2015
ISBN 9783407820815

www.beltz.de

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