William Shatner (mit Judith Reeves-Stevens/Garfield Reeves-Stevens) – Das Gespenst (Star Trek)

Weltenretter-Rentner James T. Kirk wird reaktiviert, als das böse Spiegel-Universum die Föderation unterwandert und nach der Macht greift. Zusammen mit alten Freunden und neuen Verbündeten – darunter Jean-Luc Picard – wirft sich Kirk abermals ins Gefecht … – Start einer Trilogie, die in epischer Länge die ‚klassischen‘ Star-Trek-Helden mit der „Next Generation“ mischt und trotz der penetranten Zentralfigur ein richtig spannendes Garn spinnt: So gut KANN „Star Trek“ sein!

Das geschieht:

Vor einem Jahr ist Captain James T. Kirk dank moderner Borg-Technik von den Toten wiederauferstanden. Mit seiner Lebensgefährtin Teilani hat er sich auf den Planeten Chal zurückgezogen, wo er seinen Ruhestand zu genießen gedenkt. Doch stattdessen wird Kirk in das „Spiegel-Universum“ entführt, das er 108 Jahre zuvor besucht hatte. Auch dort gibt es die Föderation, Klingonen, Vulkanier … und einen Captain Kirk samt seiner bekannten Führungscrew. Doch das Spiegeluniversum ist eine düstere Welt, beherrscht von Gewalt, Machtmissbrauch und blankem Terror.

Während seines Aufenthaltes hatte der ‚gute‘ Kirk den Keim des Widerstandes gelegt und „Anti-Spock“ aufgefordert, das Terrorregime der ‚dunklen‘ Föderation zu stürzen. Das ist gelungen, erfährt Kirk nun von Spock II, der hinter der Entführung steckt, doch man ist vom Regen in die Traufe gekommen: Eine Allianz aus Cardassianern und Klingonen ist an die Stelle der Föderation getreten und erweist sich als noch brutaler als ihr Vorgänger. Spock II ist ins ‚positive‘ Universum gereist, um Kirk zu zwingen, das Ruder noch einmal herumzureißen. Dieser erfährt außerdem von einem heimlichen Krieg gegen die Föderation: Seit Jahren werden Persönlichkeiten in entscheidenden Positionen durch ihre ‚Ebenbilder‘ ersetzt.

Die Abwehr des Spiegel-Universums schläft nicht. Sie hat von Spocks II Vorhaben erfahren und schickt ihm ein Kommandounternehmen nach. Unter der Führung der sadistischen cardassianischen Anführerin Gul Rutal kapern sie die „Enterprise“ unter Captain Jean-Luc Picard, um mit dem modernsten und stärksten Schiff der ‚positiven‘ Föderation die Widerstandsbewegung endgültig niederzuwerfen.

Mit dem (wie immer) halbherzigen Segen der Föderation und unterstützt durch seine (buchstäblich) alten Gefährten Spock (dem ‚richtigen‘), Improvisationsgenie Mr. Scott und Dr. McCoy machen sich Kirk und Spock II in die Badlands auf, wo sie auf einen geheimen Stützpunkt des Spiegeluniversums und die gefangene „Enterprise“-Crew treffen. Zunächst separat aber bald gemeinsam nehmen Kirk und Picard den Kampf gegen die Invasoren auf. Sie ahnen nicht, dass im Hintergrund eine weitere Bedrohung lauert …

Ein widerborstiger Held ist nicht totzukriegen

Gleich zwei der Mysterien der Science-Fiction ranken sich um die Person des Schauspielers-Regisseurs-Produzenten-Schriftstellers usw. William Shatner. Das eine betrifft sein fabelhaft sitzfestes Toupet, das im angelsächsischen Raum bereits sprichwörtlich geworden ist. Das andere ist weniger ein Geheimnis als ein Rätselspiel, bei dem es gilt zu erraten, in welchem Maße der fleißige ‚Schriftsteller‘ Shatner an jenen Romanen und Sachbüchern, die seinen Namen auf den Titelseiten tragen, tatsächlich beteiligt ist. Es ist nicht so, dass er die ständige Präsenz von Mitautoren verschweigt; auch im vorliegenden Buch findet Shatner warme Worte des Dankes für das schreibende Ehepaar Judith und Garfield Reeves-Stevens. Über alles Weitere hüllt er sich allerdings in Schweigen.

Die Antwort wird wohl weiter auf sich warten lassen. Sie ist aber auch nicht wirklich wichtig, sondern nur interessant. Schließlich geht es dem Publikum primär darum, eine spannende Geschichte erzählt zu bekommen, und damit kann ‚Shatner‘ mit „Das Gespenst“ erfreulicherweise dienen. Alltäglich war (und ist) das im „Star-Trek“-Franchise leider nicht. Hier dominieren Schema-F-Romane, die Altbekanntes wiederkäuen und Innovationen ängstlich vermeiden, die dem Geschäft mit der Ware „Star Trek“ schaden könnten. Für einen wiedergeborenen James T. Kirk gibt es aber offensichtlich ein Plätzchen. Er muss sich ein wenig im Hintergrund halten, darf aber als rasanter Rentner wieder Föderationsgeschichte schreiben.

Wenn man „Das Gespenst“ liest, ertappt man sich dabei, dass man ihn ins Herz geschlossen hat, diesen impulsiven, überheblichen, sein Alter (und sein Gewicht) dreist ignorierenden, auf jeden Fall niemals langweiligen James T. Kirk. Ihn im siebten „Star-Trek“-Kinofilm sterben zu lassen, war ein billiger Trick und böser Fehler. Niemand dürfte ihn so sehr bereuen wie William Shatner selbst, der sich von der Aussicht, ein weiteres Mal die Figur zu spielen, die ihm Ruhm, Reichtum und Einfluss brachte, so lange blenden ließ, bis es zu spät war und er die Wahrheit erkannte: Der Schauspieler William Shatner ist ohne Captain Kirk ein Auslaufmodell. Seither arbeitete Shatner rastlos daran, sich seinen Weg zurück in die „Star-Trek“-Welt zu bahnen.

Wen könnte er noch besiegen?

Betreten lebende Legenden die Bühne, wird meist ein episches Stück gegeben. „Das Gespenst“ stellt keine Ausnahme dar. Der Roman ist weit über 400 Seiten stark und stellt dennoch nur die Einleitung zu dem da, was noch kommen wird. Wie schon mit dem ersten Kirk-Revival („Die Asche von Eden“, „Die Rückkehr“, „Der Rächer“) peilt Shatner eine Trilogie an. Das führt allerdings bereits im vorliegenden Roman zu deutlichen Längen und verärgert durch einen allzu offensichtlichen Cliffhanger-Schlussgag, der ohnehin nur die schlichten Gemüter unter den Lesern überraschen mag. Sobald Spock II erwähnt, wie der böse Anti-Kirk Tiberius seinen Imperator-Titel verlor und sich mit unbekanntem Ziel abgesetzt hat, ist klar, dass dieser a) noch lebt und b) bald aktiv in die Handlung eingreifen wird.

Für jene, die William Shatner eine gewisse Egomanie unterstellen, ist dieser Plot Wasser auf ihre Mühlen: Im normalen Universum sind Captain Kirk anscheinend die Gegner ausgegangen; nun müssen bereits andere Dimensionen beschworen werden, um eine ihm gebührende Herausforderung zu finden – und wie sieht diese dann aus? Kirk tritt gegen sich selbst an … Ein wenig zu deutlich lässt Shatner sein Alter Ego denn auch über ein Schicksal seufzen, das ihm seinen Frieden nicht gönnt, sondern ihn immer wieder an die Brennpunkte des Zeitgeschehens führt, wo ihm nichts anderes übrig bleibt, als das zu tun, was nur er kann: die Dinge auf unkonventionelle Weise wieder ins Lot bringen und Geschichte schreiben. Aber was soll er machen, wenn es dauernd irgendwo brennt und nur er zu löschen vermag: „Wie üblich hatte das Universum andere Pläne für James T. Kirk.“ (S. 53). Könnte sich ein Held mit kosmischer Bestimmung da wirklich verweigern?

Zumindest eine Episode scheint übrigens doch auf Shatner direkt zurückzugehen. Die Begegnung mit Mr. Scott, dem knorrig-genialen Chefingenieur der alten „Enterprise“, liest sich wie eine kaum verschlüsselte Bestandsaufnahme des Verhältnisses zwischen Shatner und James Doohan, der in der Realität seinem „Captain“ gewisse Querelen während diverser „Star-Trek“-Dreharbeiten bis zu seinem Tod nicht verzeihen mochte.

Insgesamt ist „Das Gespenst“ ist ein Roman, der sich flüssig und sehr angenehm lesen lässt. Er wurde übersetzt vom „Star-Trek“-Veteranen Andreas Brandhorst, der den speziellen ‚Tonfall‘ ausgezeichnet beherrscht und die Welt von Kirk, Picard & Co, wie wir sie aus Kino und Fernsehen kennen, mit Leben erfüllt.

Autor/en

William Shatner wurde am 22. März 1931 im kanadischen Montreal geboren. Er studierte Wirtschaftswissenschaften, wurde aber schon in jungen Jahren Schauspieler – zunächst beim Theater, wo er u. a. in zahlreichen Shakespeare-Stücken auftrat. 1956 ging Shatner nach New York zum Broadway. Parallel dazu spielte er in TV-Dramen, die damals noch live gesendet wurden. Zwei Jahre später tauchte Shatner in „The Brothers Karamazov“ (dt. „Die Brüder Karamasow“) an der Seite von Yul Brunner und Maria Schell im Kino auf.

Der echte Durchbruch blieb aus. In den nächsten Jahren spielte Shatner in zahlreichen aber schnell vergessenen Kinofilmen und TV-Shows mit. Darin lieferte er trotz seiner theatralischen bis pathetischen Darstellungsweise durchaus achtbare Leistungen ab, die ihm die Kritik bekanntlich gern abspricht. 1966 bis 1969 folgte die Hauptrolle in „Star Trek – The Original Series“, gefolgt von einer langen Durststrecke und den für Shatner typischen Rollen in B-Movies und Fernsehserien.

Die Rückkehr als Captain Kirk in den „Star-Trek“-Kinofilmen brachte Shatner endlich die Popularität, die er sich wünschte. Er nutzte sie geschickt, um in den 1980er und 90er Jahren eine parallele Karriere als Regisseur, Drehbuchautor und Produzent in Gang zu bringen. Seine Aktivitäten als Schauspieler schränkte er keineswegs ein, versuchte sich als Sänger, wurde Pferdezüchter, gründete eine Firma für Spezialeffekte – und entwickelte schriftstellerische Ambitionen.

Von Anfang an sah sich Shatner primär als Lieferant von Plots und Ideen, die von Profischreibern in literarische Form gegossen wurden, aber unter seinem zugkräftigen Namen erschienen. Als Ghostwriter für die „Tek-War“-Serie (ab 1994) fungierte SF- Veteran Ron Goulart. Da der Erfolg sich in Grenzen hielt, besann sich Shatner seines Alter Egos James T. Kirk, den er mit tatkräftiger Unterstützung der Reeves-Stevens (s. u.) ins Leben zurückkehren ließ.

Trotz seines Alters denkt Shatner nicht an den Ruhestand. In seiner Rolle als unwürdiger Greis hat er sich im Kulturleben der USA eine solide Alterskarriere aufgebaut. William Shatner ist in dritter Ehe verheiratet, hat vier Kinder und lebt in Südkalifornien und Kentucky.

Website

Judith und Garfield Reeves-Stevens schreiben Romane und Drehbücher. Außerdem sind sie Produzenten für Kinofilme und Fernsehserien, Ideenlieferanten für SF- und Fantasy-Games und, und, und … Im „Star-Trek“- Universum zählen die Reeves-Stevens zu den Besten unter den Fließband-Literaten des Franchises. Garfield allein schrieb bisher fünf Thriller, die Elemente der Science Fiction mit der des Horrors verknüpfen.

Garfield und Judith sind kompetente „Star-Trek“-Chronisten, die über die verschiedenen Serien großformatige, sehr informative und unterhaltsame Sachbücher verfasst haben.

Spiegelwelt-Trilogie von William Shatner (mit J. u. G. Reeves-Stevens):

(1998) Das Gespenst (Spectre) – HSF 06/5703
(1999) Dunkler Sieg (Dark Victory) – HSF 06/5704
(2000) Die Bewahrer (Preserver) – HSF 06/5705

HSF = Heyne Science Fiction

Taschenbuch: 456 Seiten
Originaltitel: Spectre (New York : Pocket Books/Simon & Shuster Inc. 1998)
Übersetzung: Andreas Brandhorst
http://www.randomhouse.de/heyne

E-Book: 1246 KB
ISBN-13: 978-3-641-11504-3
http://www.randomhouse.de/heyne

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