F. Paul Wilson – Handyman Jack. Erzählungen

Inhalt:

Elf Geschichten aus der Welt auf ihrem Weg in den Untergang: Sechsmal geht Handyman Jack, gesetzloser aber moralischer Retter der Unterprivilegierten, gegen Mörder, Wahnsinnige und Ungeheuer vor; fünf weitere Storys erzählen vom Einbruch des Phantastischen in die Realität, was in der Regel katastrophal endet:

– Zwischenspiel im Drugstore (Interlude at Duane‘s, 2006), S. 7-22: Ausgerechnet an einem Tag, als er waffenlos unterwegs ist, gerät Jack in einen Raubüberfall. Der Tatort – ein Supermarkt – bietet indes viele Möglichkeiten für einen improvisationsfreudigen Mann.

– Ein ganz gewöhnlicher Tag (A Day in the Life, 1989), S. 23-68: Eine Schutzgeld-Mafia soll er ausschalten, und ein rachsüchtiger Killer sitzt ihm im Nacken, doch Jack findet eine Möglichkeit, den Job mit der Gegenwehr zu kombinieren.

– Der lange Weg nach Haus (The Long Way Home, 1992), S. 69-94: Was Jack stets fürchtet, ist nun eingetreten: Die Polizei hat ihn, der zufällig in einen blutigen Überfall verwickelt wurde, gefasst und droht seine Identität aufzudecken.

– Der letzte Rakosh (The Last Rakosh, 1990), S. 95-138: In einem Zirkus entdeckt Jack ein menschenfressendes Monster, dessen Eliminierung ihm misslingt, weshalb er ihm in einen menschenleeren Sumpf folgen muss.

– Familiennotdienst (Home Repairs, 1991), S. 139-160: Ungern mischt sich Jack in Ehestreitigkeiten ein; ein Vorbehalt, der sich bestätigt, als eine von ihrem Gatten misshandelte und durch Jack befreite Ehefrau grausam zurückschlägt.

– In der Mangel (The Wringer, 1996), S. 161-210: Ein Fremdenhasser peinigt einen US-arabischen Familienvater buchstäblich bis aufs Blut, bis dieser spielt seinen einzigen Trumpf ausspielt: Er kennt Handyman Jack.

– Untermieter (Tenants, 1988), S. 211-240: Ein Psychopath auf der Flucht überfällt einen alten, einsamen Mann; ein Drama, dessen Ende festzustehen scheint, bis sich des Alten nur bedingt irdischen Untermieter einmischen.

– Gesichter (Faces, 1988), S. 241-268: Ein Serienmörder verstümmelt seine Opfer grausam, doch nicht Mordlust, sondern ein tragisches Schicksal steckt hinter seinen Taten.

– Dat-Tay-Vao (Dat-Tay-Vao, 1987), S. 269-290: Der feiste Patsy wird vom Pech verfolgt, und es bleibt ihm auch treu, nachdem er sich in einen Wunderheiler verwandelt hat.

– Krabbler (Bugs, 1992), S. 291-316: Egoist Hank bewegt sich ein wenig zu selbstbewusst durch eine Welt, die von menschenfressenden Insekten terrorisiert wird.

– Mitgefühl (Feelings, 1988), S. 317-346: Anwalt Howard nimmt unbarmherzig seine Mitmenschen aus, bis ihm ein der Magie kundiges Opfer ein wahrlich übersinnliches Gespür für Mitleid einpflanzt, das ihm von nun an das Leben zur Hölle macht.

– Nachwort des Übersetzers, S. 347-350
– Originaltitel- und Copyrightangaben, S. 351

Wenn nichts & niemand sonst mehr hilft

Selbstjustiz ist bekanntermaßen verboten sowie moralisch fragwürdig. Die Medien geizen gleichzeitig nicht mit Berichten über Menschen, die der Rache den Vorzug vor der Gerechtigkeit gaben. Der Drang zur selbst verhängten und vollzogenen Strafe scheint folglich menschlich und weit verbreitet zu sein. Unterstützt wird er durch die Kenntnis der Nischen, die das Gesetz dem findigen Übeltäter (unterstützt von seinem Verteidiger) bieten kann.

„Handyman Jack“ ist ein Mann, der sich ebenfalls in einer Nische eingerichtet hat. Er erledigt Jobs, die eindeutig illegal aber irgendwie gerechtfertigt sind. Das zu entscheiden obliegt Jack, der ungeachtet seiner nicht selten mörderischen Praktiken ein Moralist ist. Sein Herz schlägt für die Schwachen, Verfolgten und Hilflosen. Nicht ausschließlich für Geld wird er aktiv. Er zimmert sich ein ethisches Gerüst, bevor er in den Kampf zieht.

Als überzeugter Mörder oder Mitglied des organisierten Verbrechens sollte man sich deshalb besser nicht hilfesuchend an Handyman Jack wenden. Im Grunde repräsentiert er das Gesetz stärker als Polizei und Justiz zusammen. Jack hat es allem modernen Zuckergusses entkleidet und auf seine archaischen Wurzeln zurückgeführt: Auge um Auge, Zahn um Zahn. Das meint er durchaus wörtlich, wie er in den hier gesammelten Geschichten deutlich macht.

Weil Jack ist, wer er ist, zahlt er oft drauf. Doch das Klischee vom weichen Kern unter einer rauen Schale weiß Autor Wilson geschickt zu vermeiden: Jacks Wesen beinhaltet eindeutig gewalttätige Züge. Einem ‚normalen‘ Menschen ist es kaum möglich, sogar einem nachweislich widerlichen Schurken vorsätzlich die Beine zu brechen, wie Jack dies in „Familiennotdienst“ plant und durchzieht. Vielleicht sollten wir Jack als kontrollierten Psychopathen bezeichnen.

Wer ihn engagiert, zahlt selbst einen hohen Preis, denn wer mit dem Teufel isst, benötigt einen langen Löffel … Indem er auch diesen Aspekt deutlich thematisiert, verleiht Wilson den Handyman-Jack-Geschichten eine Eindringlichkeit, die den fünf eher konventionellen (Horror-) Stories ohne Jack abgeht.

Jack fasst sich kurz

Die üblichen Abenteuer des Handyman Jack erstrecken sich über viele hundert Buchseiten. Dabei steht ihm das Gewand der Kurzgeschichte ausgesprochen gut: Hier findet Wilson den Rahmen, ganz andere Seiten seines Helden darzustellen. Gleich zweimal zeigt er uns Jack beispielsweise nicht bei einem Job, sondern als Außenseiter, der passiv in die Bredouille gerät: Jack wird in einen Überfall verwickelt („Zwischenspiel im Drugstore“), und er rettet einem Polizisten das Leben („Der lange Weg nach Haus“). Keine gute Tat bleibt ungestraft, und so muss Jack seinen Grips und seine Kampferfahrung im Bemühen um die Wahrung seiner Identität stärker strapazieren als im Kampf gegen Mafiosi und Monster.

Die hier gesammelten Storys fallen in ihrer Mehrzahl in die 14-jährige Lücke zwischen den Handyman-Jack Romanen „The Tomb“ (1984, dt. „Die Gruft“) und „Der Spezialist“ (1998; dt. „Legacies“). Wilson hatte Jack nach seinem ersten Auftritt im Finale sterbend zurückgelassen und gedachte die Figur eigentlich nicht mehr aufleben zu lassen. Die Reaktion seiner nach weiteren Jack-Abenteuern fragenden Leser stimmte Wilson nach und nach um. Der Erfolg auch der Kurzgeschichten zeigte ihm zusätzlich das Potenzial von Handyman Jack, der sich ab 1998 regelmäßig in neue Ein-Mann-Schlachten stürzte.

Der Untergang steht fest

Als hätte Jack mit seinen menschlichen Widersachern nicht schon alle Hände voll zu tun, trifft er immer wieder auf Kreaturen, die ganz und gar nicht der diesseitigen Welt zuzuordnen sind. Schon in „The Tomb“ geriet er an menschenfressende Kreaturen, deren letztem Überlebenden er in „Der letzte Rakosh“ erneut gegenübersteht.

Die Rakosh belegen, dass Jack sich in einem Paralleluniversum bewegt, das mit der Welt seiner Leser nur bedingt identisch ist. Stattdessen ist Jack nur eine von vielen Schachfiguren, die F. Paul Wilson auf ein Spielfeld gestellt hat, das er den „Adversary“-Zyklus nennt. Dieser beschreibt den Kampf der Menschheit, der seit Urzeiten mit der bösen Macht Rasalom tobt. Auserwählte Männer und Frauen führen ihn, während das Gros ihrer Mitmenschen ahnungslos bleibt.

Faktisch lässt sich Wilsons Gesamtwerk in den „Adversary“-Zyklus einpassen. (Eine Chronologie der durch Romane und Kurzgeschichten fixierten Ereignisse findet sich u. a. hier.) Auch Handyman Jack Erlebnisse sind Teil des Krieges, der in „Nightworld“ mit dem Weltuntergang endet. Dieser Roman ist erstmals bereits 1992 erschienen. Wilson hat ihn überarbeitet, wenn er den Stecker und Jack einen finalen Auftritt gönnt.

Folgerichtig spielen die fünf Storys dieser Sammlung, in denen Jack nicht auftritt, dennoch in ‚seiner‘ Welt, die gleichzeitig die Welt ist, die sich auf den Endkampf mit Rasalom vorbereitet. Die Kobolde aus „Die Untermieter“ und die Spinnenfrau aus „Gesichter“ sind Teil der „secret histories of the world“, wie Wilson sein Werk auch nennt. Wenn die „Krabbler“ auftauchen, hat die Apokalypse bereits begonnen.

Hierzulande ist der „Adversary“-Zyklus inzwischen komplett erschienen. Die in „Handyman Jack“ gesammelten Kurzgeschichten sorgen endgültig für Vollständigkeit. Gut übersetzt und schön gestaltet sowie in einen festen Einband gebunden machen sie sich nicht nur gut im Bücherschrank, sondern sorgen zuverlässig für (mehr oder weniger) phantastisches Lesevergnügen.

Autor

Francis Paul Wilson wurde am 17. Mai 1946 im US-Staat New Jersey geboren. Ab 1968 studierte er Medizin an der Georgetown University in Washington D. C. Dieses Studium schloss er 1973 ab und begann als Spezialist für Knochenkrankheiten zu praktizieren.

Schon im zweiten Studienjahr begann Wilson zu schreiben. Er verkaufte Kurzgeschichten sowie Scripts für (Grusel-) Comics. Auch für Theater, Fernsehen und andere Medien arbeitete er. Ein erster Ausflug in die Kinowelt endete 1983 als Desaster; „The Keep“, die Verfilmung des gleichnamigen Bestsellers und in Szene gesetzt immerhin von Michael Mann („Miami Vice“, „Heat“), scheiterte sowohl bei der Kritik als auch an den Kassen.

Mit „Healer“ hatte Wilson 1976 als Romanautor debütiert. Inzwischen veröffentlichte er mehr als 30 Werke aus den Genres Science Fiction, Horror und Thriller. Viele Romane lassen sich Serien wie dem „LaNague-Federation“-, dem „Adversary“- oder dem „Handyman-Jack“-Zyklus zuordnen. Letzter ist so erfolgreich geworden, dass der Autor sich in einer Zwickmühle gefangen sieht: Schon früh hatte er festgelegt, dass Jack den Endkampf mit der „Adversary“ (beschrieben 1992 in „Nightworld“) nicht überlebte. Wilson fand einen Ausweg, indem er einen noch jungen oder sogar jugendlichen Jack zusätzliche Abenteuer erleben lässt.

Die nicht seriengebundenen Romane Wilsons sind oft Kooperationen mit anderen Autoren und spielen oft im Milieu medizinischer Forschungseinrichtungen und im Umfeld entsprechender Intrigen und genetischen Missbrauchs. Auch die „Sims“-Serie um mit menschlicher DNS „aufgerüsteter“ Schimpansen ist diesem Genre zuzuordnen.

Mit Ehefrau Mary und Familie lebt F. Paul Wilson heute an der Atlantikküste New Jerseys.

Gebunden: 351 Seiten
Originalzusammenstellung
Übersetzung: Michael Plogmann
http://www.festa-de

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