Henrike Wöbking – Auf Eis

Frauen und Eishockey – das passt so gut zusammen wie saure Gurken mit Sahne, möchte man zumindest meinen. Doch Henrike Wöbkings aktuelles Buch beweist das Gegenteil. Wöbking legt mit „Auf Eis“ ihren inzwischen zweiten Roman vor und schafft es, ein Frauenbuch zu schreiben, ohne auf die typischen Klischees zurückzugreifen. Zwar stehen auch hier wieder Männer im Mittelpunkt, doch spielen diese nicht deshalb eine Rolle, weil sie verdammt gut aussehen, sondern weil sie gute Eishockeyspieler sind.

Henrike Wöbkings Ich-Erzählerin Nicola Brinkmann moderiert bei Radio Köln die Morningshow „Hallo Wach“ und ist mit ihrem ganzen Leben total unzufrieden. Durch die Grippe ihres Kollegen muss sie zwei weitere Wochen lang die Morgenshow machen und jede Nacht um drei Uhr aufstehen, außerdem gehen ihr die komischen Eishockeyfans auf die Nerven, die nur noch von den Kölner Haien sprechen können und permanent die Geschehnisse der Play-Offs diskutieren müssen. „Was ist nur in diese Menschen gefahren?“ – denkt sich Nicola und wundert sich immer mehr, als sogar eine ihrer besten Freundinnen neuerdings auf Eishockey steht und mit ihrer aktuellen Liebschaft sogar zu einem Spiel geht. „Was ist bloß dran an diesem Spiel, dass sich sogar wildfremde Menschen in der Straßenbahn darüber austauschen?“ In ihrer Unzufriedenheit beschließt Nicola, es endlich herauszufinden.

Während Toni ihren lang verdienten Urlaub genießt und Rita mit existenziellen Sorgen zu kämpfen hat, da ihr Reisebüro ziemlich mau läuft, ärgert sich Nicola über ihren nervigen Chef Achim, der ihr ohne Wimpernzucken die Morningshow aufdrückt und erst dann menschliche Züge entwickelt, wenn er von seiner Lieblingsmannschaft, den Adlern Mannheim, schwärmt.

So pilgern schließlich auch Manu, Nicola und Rita gemeinsam zu einem Heimspiel der Kölner Haie und werden schon nach wenigen Minuten von der ungezügelten Stimmung in der Kölnarena angesteckt. Hinterher sind alle drei Frauen große Eishockeyfans, und bei Nicola geht die Leidenschaft sogar so weit, dass sie bis zum nächsten Heimspiel die Namen und Rückennummern der einzelnen Spieler auswendig lernt, zu gern möchte sie doch auch in der Lage sein, die Spieler namentlich anzufeuern.

Auf diese Weise kommt endlich wieder Dramatik und Leidenschaft in Nicolas Leben, fieberhaft verfolgt sie im Jahr 2002 den Weg der Kölner Haie in den Play-Offs und muss mit ihrer neuen Lieblingsmannschaft Höhen, aber auch einige Tiefen durchstehen …

Henrike Wöbking hat ein erfrischend anderes Frauenbuch veröffentlicht, in dem sie ohne die typischen Frauenthemen wie Männer, Mode und Make-up auskommt und stattdessen endlich mit den Vorurteilen aufräumt und beweist, dass auch Frauen Ahnung von Sport haben können und sich für mehr interessieren als vielleicht für Eiskunstlauf und Synchronschwimmen.

In ihrem neuen Roman zeichnet Wöbking vier Frauenfiguren, die mit sich und ihrem Leben unzufrieden sind, ohne jedoch genau zu wissen, was ihnen eigentlich fehlt. In diese Leere platzen schließlich die Kölner Haie bzw. in Tonis Fall ein ausgedehnter Urlaub. Mit viel Leidenschaft und Detailwissen schildert Wöbking die Eishockeyspiele, die Nicola und ihre Freundinnen zusammen besuchen, und zeigt dabei offen ihre eigene Eishockeyliebe, denn jeder einzelnen Zeile merkt man an, dass Henrike Wöbking dieses Wechselbad der Gefühle beim allerersten Eishockeyspiel offensichtlich noch sehr gut in Erinnerung hat. Wer selbst einmal von diesem Kribbeln befallen wurde und sich auch von der Atmosphäre eines Eishockeyspiels hat mitreißen lassen, wird in jeder Zeile kräftig mit dem Kopf nicken und in seliger Erinnerung an die eigenen besuchten Eishockeyspiele schwelgen.

Aber nicht nur die Spiele in der Arena und die damit verbundene Aufregung werden thematisiert, sondern auch die Verzweiflung, wenn man mal nicht bei einem Spiel dabei sein kann, sei es durch die große Entfernung bei einem Auswärtsspiel oder seien es unaufschiebbare Termine. So finden sich Nicola, Manu und Rita eines Tages vor dem Liveticker wieder, weil sie nicht in ihre Stammkneipe gehen können, um dort das Spiel zu verfolgen. Stattdessen sitzen sie vor dem PC und versuchen verzweifelt, die kryptischen Worte des Livetickers zu entziffern, was ich selbst aus eigener Erfahrung sehr gut nachvollziehen konnte.

Eins sollte nicht vergessen werden: Wer mit Eishockey so rein gar nichts am Hut hat, sollte tunlichst die Finger von diesem Buch lassen, denn die meiste Zeit schildert Henrike Wöbking die einzelnen Spiele der Kölner Haie und vergisst dabei auch nicht, die wichtigsten Spielzüge ausführlichst zu erwähnen. Dies muss man der Autorin leider auch ankreiden, denn während die ersten zwei oder drei Spiele noch superlustig geschrieben sind und auch unterhalten können, wird einem die detaillierte Spielbeschreibung schließlich zu viel. Klar ist es lustig zu lesen, wie auch andere Frauen sich für Eishockey begeistern können, und zu sehen, dass es durchaus „Leidensgenossinnen“ gibt, doch die zahlreichen Haie-Schlachtrufe („Auf geht’s, Haie, kämpfen und siegen!“), die zusammenhanglos zwischen den einzelnen Absätzen auftauchen, stören auf Dauer den Lesefluss sehr.

Natürlich besitzt auch dieses Frauenbuch nicht viel Tiefgang, aber das möchte es auch gar nicht. „Auf Eis“ ist eine erfrischende und herzliche Abwechslung von all den standardisierten Frauenbüchern, die sich voneinander meist nicht sehr unterscheiden. Insgesamt lesen sich die 236 Seiten ratzfatz durch, denn wenn „frau“ erst einmal hineingeraten ist in den Strudel der Ereignisse aus dem vorliegenden Buch, dann fiebert man einfach mit, selbst wenn man schon vorher weiß, wer Eishockeymeister im Jahr 2002 geworden ist.

So lässt sich insgesamt festhalten, dass „Auf Eis“ ein locker-flockiger Unterhaltungsroman ist, der sich gezielt an weibliche Eishockeyfans richtet und dabei im Speziellen wohl an Kölner-Haie-Fans, doch aus eigener Erfahrung kann ich versichern, dass man auch bei einer gewissen Haie-Abneigung nichtsdestotrotz sehr viel Vergnügen beim Lesen haben kann. Die weiblichen Hauptcharaktere wirken in jeder Situation sympathisch, auch wenn sicher nicht jeder Leser ihre Verhaltensweisen nachvollziehen kann, allerdings sind Play-Offs wohl Ausnahmesituationen, in denen jeder Spleen irgendwo erklärbar ist. Mit kleinen Abstrichen ist „Auf Eis“ ein vergnügliches Leseereignis, bei dem „frau“ die Gelegenheit gegeben wird, noch einmal in eigenen schönen Eishockeyerinnerungen zu schwelgen.

Taschenbuch: 235 Seiten
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