Tödliche Blumen und der Weltuntergang
Nach einem Kometenschauer über der Welt ist die Zivilisation zusammengebrochen, weil alle Menschen, die die Meteoriten sahen, erblindet sind. Anarchie und eine tödliche Seuche brechen aus. Die Blinden werden leichte Opfer der genmanipulierten Triffid-Pflanzen. Diese können mit einem Stachel am Ende eines peitschenförmigen Stiels einen Menschen ohne weiteres töten. Und sie scheinen Intelligenz zu entwickeln. Bill Masen und seine Freundin Josella müssen sich durch ein apokalyptisches England ihren Weg in die Sicherheit suchen.
Das Hörspiel aus dem Jahr 1967 präsentiert mit Hansjörg Felmy in der Rolle des Bill Masen einen veritablen „Tatort“-Kommissar.
Der Autor
John Wyndham P. L. B. Harris wurde am 10. Juli 1903 in Knowle, Warwickshire, bei Birmingham geboren. Als er acht war, trennten sich seine Eltern; somit wuchs er in verschiedenen Internaten auf. Nach seiner Schulzeit arbeitete er u. a. als Landwirt, Grafiker, Werbefachmann und Verwaltungsangestellter. Ab 1925 versuchte er sich als Autor. 1931 erschien mit „Worlds to barter“ seine erste Story in „Wonder Stories“, einem der klassischen Pulp-Magazine der Zeit.
In seinen Anfangsjahren publizierte er meist unter Pseudonymen wie John Beynon Harris und orientierte sich vor allem an H. G. Wells. Durch seine Erfahrungen im Zweiten Weltkrieg reifte er jedoch stark. Als Mitglied einer Nachrichteneinheit erlebte er ihn an vorderster Front mit, u. a. bei der Invasion in der Normandie 1944. Vor allem die durchaus realen Bedrohungen durch das Wettrüsten im Kalten Krieg inspirierten ihn zu postapokalyptischen Romanen wie „The Day of the Triffids“ oder „The Midwich Cuckoos“.
Diese SF-Klassiker beziehen ihre Spannung auch heute noch aus den Reaktionen der Protagonisten auf die Katastrophe und setzten inhaltlich und stilistisch neue Genre-Maßstäbe. Wyndhams humanistische Weltsicht offenbarte sich auch in seinen weiteren Storys, Weltraumabenteuern und Zeitreisegeschichten. Unter ihnen ragt die Novelle „Consider her Ways“ heraus. Wyndham starb 1969 in Petersfield. (abgewandelte Verlagsinfo aus dem Booklet)
Die Sprecher / Die Inszenierung
Der Westdeutsche Rundfunk produzierte diese Hörspielinszenierung im Jahr 1968, nach der Vorlage der Rundfunkdramatisierung, die 1958 Giles Cooper anfertigte.
Die Sprecher und ihre Rollen:
Hansjörg Felmy: Bill Masen
Margot Leonard: Josella Playton
Marlene Riphahn: Elspeth Cary
Walter P. Jacobs: Direktor der AEFC
Enzo Calani: Umberto Palanguez
Dieter Brücher: Bill als 15-Jähriger
Gerhard Becker: Bills Vater
R. W. Schnell: Walter Lucknon
Annelie Jansen: Krankenschwester
Alois Garg: Chefarzt
A. J. Meyer: Wirt
Adolf Furler (Sportreporter!): Berichterstatter
In weiteren Rollen u. a. Jürgen Flimm.
Handlung
Die Historikerin Elspeth Cary besucht die Familie von Bill Masen (Felmy) und Josella (Margot Leonard), geborene Playton, um eine Tonbandaufnahme von ihren Erlebnissen während der vergangenen Katastrophe zu machen. Wieder einmal ist Bill damit beschäftigt, Salz zu gewinnen, um daraus Natriumzyanid für die Bekämpfung der Triffids herzustellen. Er und Josella leben mit ihrer Familie auf der Insel Wight, vor der Südküste Englands. Sie fragen sich, ob es auf dem Festland wohl noch Überlebende geben mag, die den Angriff der Triffids überstanden haben. Vieles spricht dagegen. Alles begann im Mai vor sechs Jahren …
Das Erscheinen der Triffids
Bill hatte sich schon gewundert, wo diese sonderbare Pflanze hergekommen war, die da plötzlich auf ihrem Komposthaufen wuchs und gedieh. Sie sah merkwürdig aus mit ihrer langen Zunge, die sie ausfahren konnte. Im August ist sie bereits in eine Höhe von 170 cm emporgeschossen, der sechzehnjährige Billy beobachtet sie ganz genau und führt darüber Tagebuch. Er bewirbt sich in der Firma von Walter Lucknon um eine Stelle und beschreibt, dass er viel über diese Pflanze weiß, die Lucknon sofort als Triffid erkennt.
Von Lucknon erfährt Bill, dass die Triffid eine Spezialzüchtung aus Südamerika ist, von einem Mann namens Umberto Falangues entwickelt, der ein ergiebigeres Pflanzenöl als mit einer Sonnenblume erzeugen wollte. Als er das Züchtungskonzept an einen Konzern verkaufte, verlangte er 100.000 Pfund und bekam einen Vorschuss von 25 Prozent. Doch das Flugzeug, das er damit kaufte, wurde über dem Pazifik abgeschossen, die Samenkisten gelangten in alle möglichen Länder. So verbreiteten sich die Triffids auf der ganzen Welt.
Denn, so Lucknon weiter, wenn die Triffid 18 bis 24 Monate alt ist, beginnt sie zu wandern. Und ihr Stachel, den sie wie eine Peitsche schwingen kann, enthält ein tödliches Gift. Erst wenn man ihn abschneidet, kann man die Triffid zur Ölproduktion nutzen. Erst dann sind sie lukrativ. Aber warum die Triffids solche merkwürdigen Geräusche hervorbringen, weiß Lucknon auch nicht. Die können doch nicht intelligent sein, oder?
Die Nacht des Kometen
Die Arbeit mit den Pflanzen in Lucknons Firma ist nicht ungefährlich. Als ein Stachel Bill erwischt, rettet Lucknon Bill das Leben, indem er ihn schnell ins Krankenhaus nach London bringt. Das wiederum rettet Bill in anderer Hinsicht das Leben, denn in dieser Nacht wird die Erde in das grün blitzende Licht eines Schauers von Himmelskörpern getaucht. Sind es Meteoriten, ein Kometenschweif oder einfach nur abstürzende Militärsatelliten, wie später spekuliert wird? Wie auch immer: Überall auf der Welt, wo das Phänomen zu sehen ist, wird es bewundert.
Am nächsten Morgen wundert sich Bill, dass keiner kommt, um ihm wie vorgesehen den Verband von den Augen zu nehmen, die der Triffidstachel nur um ein Haar verfehlt hat. (Warum die Triffids immer auf Augen und Hände zielen, ist auch so ein Rätsel, das Bill lösen will.) Als ein Chefarzt im Krankenzimmer auftaucht, stellt er sich als blind heraus. Tatsächlich sind alle blind, die das grüne Licht gesehen haben. In der ganzen Stadt, auf fast der ganzen Welt. Der Weltuntergang?
Die wenigen Sehenden wie Bill sind nun aber nicht etwa die Könige der Stadt, nein, weit gefehlt. Sie sollen den Blinden als Sklaven dienen, um an Vorräte heranzukommen, denn unversehens bricht die gesamte Versorgung zusammen. Die Blinden wiegeln einander auf, den Sehenden die Vorräte wegzunehmen. Es kommt zu Schießereien und schlimmeren Gewaltakten. Anarchie bricht aus, denn die Polizei ist ebenso hilflos wie die Bevölkerung. Eine Regierung scheint es nicht mehr zu geben.
Josella Playton
Bill bewahrt eine junge Frau davor, als sehende Sklavin eines Blinden missbraucht zu werden. Da beide allein und bedroht sind, tun sie sich zusammen, denn vier Augen sehen mehr als zwei. Josella Playton ist eine unabhängige junge Schriftstellerin, die durch einen Liebesroman mit dem reißerischen Titel „Sex war mein Abenteuer“ bekannt wurde, dem sie gleich ein zweites Buch namens „Hier, die Sitzengelassene“ folgen ließ. Josella wurde vor dem Erblinden bewahrt, weil sie nach einer wilden Party einen Kater hatte und Schlaftabletten nahm. Sie verschlief den grünen Blitz einfach. Nun hat sie allerdings kein Zuhause mehr, denn die Triffids haben das Haus erobert und ihren Vater getötet.
Bill bewaffnet sich und seine neue Freundin mit Messern und Antitriffidgewehren, die Bolzen verschießen. Sie brechen in eine hypermodern eingerichtete Wohnung ein und sehen abends ein einsames Scheinwerferlicht über der Stadt. Es strahlt aus der Richtung der Uni. Als sie tags darauf dort eintreffen, um sich den Sehenden anzuschließen (denn für Blinde ist das Licht wohl nicht gedacht, oder?), wird das Universitätsgebäude von Blinden belagert. Ein Aufwiegler namens Jack Coker will an die Vorräte ran, welche die Sehenden bestimmt bunkern und den Blinden vorenthalten. Salven über die Köpfe der wütenden Menge vertreiben sie. Endlich können Bill und Josella, die zwei LKWs mit Vorräten und Ausrüstung mitgebracht haben, die Uni betreten.
Der Überlebensplan
Die Sehenden haben sich semimilitärisch organisiert. Die beiden Neuankömmlinge werden erst einmal registriert, fotografiert und gefragt, ob sie medizinische Kenntnisse haben. Leider nein, lautet die Antwort, aber Bill ist so etwas wie ein Biochemiker und weiß alles über Triffids. Sie werden eingeteilt, lernen einen Hubschrauberpiloten namens Ivan Simpson kennen (der später noch wichtig wird) und nehmen abends an einer Generalversammlung in der Aula teil. Die rund 35 Sehenden haben ein Komitee gewählt, das wiederum Michael Badley zum Vorsitzenden ernannt hat.
Wie zu erwarten, ruft Badley zu Mut und Durchhalten auf, warnt aber davor, sich auf die alten Strukturen und Werte zu verlassen. Was genau er damit meint, macht ein Soziologieprofessor klar. Die monogame Ehe gehöre der Vergangenheit an, denn damit die Menschheit überleben können, müssten die wenigen sehenden Männer, die man ernähren könne, mehr als einer Frau ein Kind machen. Diese Kinder wiederum würden sehen können. Und die Frauen, versteht sich, müssten nicht unbedingt sehen können, um arbeiten und ein Kind austragen zu können.
Bill und Josella schauen sich an. Er macht ihr einen Antrag, und sie nimmt ihn an. Zu seinem Erstaunen ist Josella sehr praktisch veranlagt und gesteht ihm das Recht zu, die vorgeschlagenen drei Frauen in seinen „Harem“ aufzunehmen. Denn viele blinde Mädchen sehnten sich nach einem Baby, das ihrem Leben Sinn verleihe. Doch Josellas Liberalität wird keineswegs geteilt. Der neue Moralkodex wird von einer Frau namens Mrs. Durrant strikt abgelehnt, und wenig später kommt es zu ihrer Sezession. Dass sie ohne Männer nicht mal ein einziges Jahr gegen die Triffids überleben wird, tut sie mit einem Schulterzucken ab.
Der Plan scheitert
Am nächsten Morgen soll der Exodus der 35 Sehenden erfolgen, doch als Bill am Morgen erwacht, wird „Feuer!“ gerufen und alle müssen hinaus ins Treppenhaus. Doch statt wie erwartet Michael Badley zu sehen, stehen dort finstere Typen, die Jack Coker anführt. Sie nehmen Bill und andere gefangen, schnappen sich die Vorräte und vertagen sich in ein Hotel. Von Joella ist keine Spur zu sehen. Man habe sie nach Westminster gebracht, meint Coker, als er Bill in seinem Gefängnis besucht.
Cokers Organisation sind verzweifelte Leute, denn eine Seuche scheint umzugehen, welche die Menschen binnen eines Tages dahinrafft. Ob sie auch von den Triffids verbreitet wird? Jedenfalls setzt Bill Masen alles daran, um Josella wiederzufinden. Doch sein Weg zu ihr wird zu einer Odyssee durch ein erobertes England. Und die Eroberer, die Triffids, sind nur wenig schlimmer als die Überlebenden …
Mein Eindruck
Es scheint die Spezialität der Engländer zu sein, sich den Zusammenbruch der Zivilisation vorstellen zu wollen. Aber immerhin haben sie bereits dem Zusammenbruch ihres Weltreiches zusehen können und ein weitreichendes historisches Bewusstsein für die Endlichkeit aller Aufbaubemühungen hervorgebracht. Nicht zuletzt hat einer ihrer Autoren (Gibbon) den Niedergang und das Ende des römischen Imperiums beschrieben.
John Wyndham hat sich in der Nachfolge von H. G. Wells und Olaf Stapledon mehrfach mit der Weiterentwicklung der menschlichen Rasse befasst, so etwa in „The Midwich Cuckoos“ und „The Chrysalids“. Auch in „The Day of the Triffids“ zeichnet er eine weitere (aber wohl keine neue) Stufe der menschlichen Gesellschaft, doch diese wird erst erreicht, nachdem mehrere Versuche, alte Modelle wiederzubeleben, gescheitert sind.
Scheiternde Modelle
Beispielsweise sehen sich Bill, Josella, ihre Pflegetochter Susan sowie ihre blinden Freunde auf ihrer Farm eines Tages einem Sonderkommando aus der Enklave Brighton gegenüber. Der befehlshabende Offizier stellt Bill die künftige Herrschaft innerhalb eines Feudalsystems nach altem Muster in Aussicht. Und wenn er sich nicht fügt, wird er eben eingezogen. Der potenzielle Graf Masen nimmt das überaus großzügige Angebot zum Schein an und macht die Soldaten betrunken. Als diese selig ihren Rausch ausschlafen, machen sich seine Freunde mit ihm aus dem Staub – und überlassen die Soldaten dem Angriff der nahen Triffids.
Auch andere Modelle scheitern in der neuen Welt der Blinden und der Triffids. Mrs. Durrant hat sich dem neuen Moralkodex verweigert und versucht, den alten Werten treu zu bleiben. Als Bill und Jack Coker auf ihrem Gut nach Josella suchen, müssen sie feststellen, dass Mrs. Durrants Damen in keiner Weise auf die sich ausbreitende Plage der Triffids und den zunehmenden Mangel an Vorräten vorbereitet sind. Konservatismus klappt also auch nicht.
Doch wie sieht es mit dem „neuen Moralkodex“ aus, den der Oxforder Soziologieprofessor gefordert hat? Er forderte, dass auf einen sehenden Mann drei Frauen, egal ob sehend oder blind, kommen sollten, die seine Kinder austragen. Diese Kinder würden ja wieder sehen können. Doch in der neuen Gesellschaft, in die sich Josella, die diesem Modell aufgeschlossen gegenübersteht, und Bill auf der Isle of Wight eingliedern, ist wenig davon festzustellen. Bill und Josella leben weiterhin in Einehe. Möglich, dass es noch andere Gesellschaftsmodelle gibt, etwa Räuberbanden, doch es ist zu bezweifeln, dass sie von Bestand sein werden.
Katastrophe oder Unglück?
„Die Triffids“ sieht auf den ersten Blick wie ein Katastrophenroman aus, von dem die Briten und Amis jede Menge geschrieben haben. Immerhin schildert das Buch den Zusammenbruch der weltweiten Zivilisation und den Beginn der Herrschaft einer völlig anderen: jener der Triffids. Doch auf den zweiten Blick handelt es nicht um eine aus übernatürlichen Gründen, durch „höhere Gewalt“ herbeigeführte Katastrophe, sondern um ein von Menschen verursachtes Unglück.
Der grüne Blitz, der die Menschen erblinden und die Triffids intelligent werden lässt, ist kein Meteorschwarm oder Komet, sondern ein mit bakteriologischen Waffen bestückter Satellit, der auf die Erde stürzt. Der Autor lässt die Errungenschaften des Menschen sich gegen ihn kehren und seinen Untergang herbeiführen. Das erhebt sowohl den Kampf gegen diese Waffen zur moralischen Pflicht als auch die Bekämpfung der Folgen solcher Unglücke zu einer humanistischen Aufgabe. Der Roman ist eine Warnung vor menschlicher Hybris und ihren tödlichen Folgen.
Die Triffids
Während für manche Leser schon der Weltuntergang das Buch in den Rang von Science-Fiction erhebt, ist für mich das dafür ausschlaggebende Element das der neuen intelligenten Pflanzenspezies der Triffids. Vielleicht hat der Autor mit diesen Pflanzen die Möglichkeit abwenden wollen, dass manche Leser ihre Invasion als Symbol für die Rote Gefahr aus dem Osten auffassen.
Diese Möglichkeit lag nahe, denn zu Beginn des Kalten Krieges wurde (warum auch immer) jede Menge paranoide SF geschrieben. Die Invasoren waren beispielsweise Weltraummollusken (Heinlein, 1951: The Puppet Masters), die ihren Wirt mit Gedankenkraft steuern, oder pflanzliche Schoten, die eine Nachbildung des angegriffenen Wirts produzieren (Jack Finneys „Körperfresser“, 1955).
Die Triffids sind jedoch eine zunächst nützliche Pflanzenrasse, von Menschen für die Ölproduktion gezüchtet. Erst durch die bakteriologische Waffe bilden sie eine bösartige Verhaltensweise heraus und greifen den Menschen an. Bill Masen wäre nie Triffidzüchter geworden, wenn sie schon von vornherein bösartig gewesen wären. Aber durch diesen „Sünden-Fall“ des Militärsatelliten wandeln sie sich zur Nemesis der menschlichen Spezies. Man kann nicht von einem Gottesurteil sprechen, denn jede Metaphysik fehlt dem Weltbild des Autors. Nein, die Triffids hat der Mensch selbst erschaffen – und bekommt den Geist nun nicht mehr in die Flasche zurück.
Sowohl die Abwesenheit von Gott als auch die selbstverschuldete Natur des Unglücks – bakteriologische Waffe plus Triffidmutation – machen den Roman heute noch sehr lesbar und seine Botschaft akzeptabel. Davon abgesehen sind die Abenteuer von Josella und Bill durchweg spannend und bleiben es bis zum Schluss. Die Triffids mögen fiese Monster sein. Doch man kann sich ihrer erwehren. Bei Ungeheuern der menschlichen Rasse jedoch ist das nicht so einfach.
Die Inszenierung
Die wichtigsten Sprecher sind Hansjörg Felmy und Margot Leonard. Sie sprechen die Rollen von Bill Masen und Josella Playton. Wie Felmy klingt, brauche ich wohl kaum noch beschreiben, oder? Seine ruhige hanseatische Art strahlt eine natürliche Autorität aus. Allerdings ist diese Ruhe nicht immer angebracht, so etwa in Kampfsituationen oder wenn sich gerade ein tragisches Unglück ereignet.
Man muss genau hinhören, um mal eine außergewöhnliche Regung in Felmys Stimme herauszuhören. Dabei fragt sich aber der unbefangene Zuhörer, warum ein so junger Mann wie Bill Masen – er mag 22 sein – eine so souveräne Ruhe ausstrahlt, als wäre schon über 40 oder 50.
Dass sich Margot Leonard leichter tut, wenn es um den Ausdruck von Emotionen geht, liegt wohl in der Natur ihrer weiblichen Rolle wie auch in ihrem eigenen Wesen. Sie kann erschrocken klingen oder entrüstet, furchtsam oder zornig. Sie kann aber auch sehr freundlich zu „Bill Masen“ sein und versuchen, ihn um den Finger zu wickeln. Es gibt diesbezüglich eine sehr hübsche Frühstücksszene.
Die übrigen Sprechrollen fallen nicht aus dem Rahmen des Spektrums einer Gesellschaft heraus, die sich gerade in ihrem Zusammenbruch durchmischt. Am besten gefielen mir der „echte“ Blinde aus dem Ersten Weltkrieg sowie der betrunkene Blinde, der seine eigene Kneipe leerzutrinken versucht. Am unsympathischsten waren mir die militärischen Typen, die glauben, sich durch befehlendes Gehabe durchsetzen zu können (und dies oft genug schaffen).
Musik und Geräusche
Der Übergang zwischen Musik und Geräuschen ist in dem vorliegenden Hörspiel fließend. Obwohl es bereits im Jahr 1968 produziert wurde, ist die Musik doch ziemlich avangardistisch. Zum Glück betrifft dies nur das Intro-Motiv, das aus einem unheimlich drängenden Marschrhythmus in Verbindung aus einem bedrohlich klingenden Intervall besteht. Dieses Intro wird x-mal wiederholt, um größere Kapitel voneinander zu trennen. Kleinere Varianten dieses Motivs trennen einzelne Szenen voneinander. Hier kommt manchmal das seltsam klappernde Geräusch hinzu, das die Kommunikation zwischen den wandernden Triffids auf so unheimliche Weise kennzeichnet. Auch der peitschenartige Klang, den der Stachel der Triffids erzeugt, ist nachgeahmt, möglicherweise auf einem Synthesizer.
Viele der übrigen Geräuschen gehören zum Standardrepertoire jedes Tonstudios: klirrend zerbrechende Glasscheiben, ballernde Maschinengewehrsalven, diverse Motorengeräusche von Flugzeug, Auto, LKW und sogar „Halbkettenfahrzeug“. Mitunter gehen Musik, Geräusch und der Glockenschlag von Big Ben ineinander über. Grillen kennzeichnen eine ländliche Idylle, Wellenrauschen und Möwengeschrei den Strand. Mehr braucht man wirklich nicht, um die Szene zu erfassen.
Sehr gelungen fand ich den Einsatz von Filtern und Effekten. So ist mehrfach der Halleffekt eingesetzt, um eine Figur in einem größeren, mitunter leeren Raum darzustellen. Ganz besonders witzig fand ich die Szene, in der Josella im Schlafzimmer ihrer neu eroberten Wohnung aufsteht und bereits in der weit entfernten Küche einen gewissen Mr. Masen hantieren hört. Während sie deutlich zu verstehen ist, während sie sich anzieht, klingt er weit entfernt. Diese Distanz ist nicht nur räumlich aufzufassen, sondern auch sittlich-moralisch. Wenn sich die Frau anzieht, hat der Mann nichts bei ihr zu suchen, klar?
Unterm Strich
Obwohl das Hörspiel mit den Mitteln des Jahres 1968 professionell produziert wurde, erscheint es doch der heutigen MTV-Generation als überlang und relativ langatmig. Die Handlung ist nicht auf die Erzielung dramatischer Effekte hin gestrafft worden und klingt ziemlich vorlagengetreu. Die Effekte muten heute im Vergleich zu Hollywoods Blockbuster-Soundtracks in DD 5.1 altertümlich an, desgleichen die Musik.
Dennoch hat das Stück seine Meriten. Es ist, wie erwähnt, ziemlich originalgetreu und lässt wenig aus. Die gesellschaftlichen Aspekte werden nie weggelassen, sondern spielen für die Wirkung der Geschichte eine ebenso wichtige Rolle wie die dramatische Handlung. Diese Ausführlichkeit fand ich sehr hilfreich für die tiefergehende Analyse der Katastrophe sowie für die Glaubwürdigkeit des Plots. Allerdings muss man daher ziemlich lange warten, bis der Angriff der Triffids beginnt. Dies ist kein Katastrophenhorror à la „Deep Impact“ oder „Krieg der Welten“.
So mancher Hörer mag sich allerdings wie ich fragen, warum die Menschen, die im Jahr 1951 porträtiert wurden, sich so und nicht anders verhielten. Warum brachten sich die frisch Erblindeten um, noch dazu in Paaren? Dass die Blinden die Sehenden zu versklaven suchen, ist schon eher einzusehen: um für sie Proviant und andere Notwendigkeiten zu beschaffen. Warum versuchten die Soldaten, ein Königreich mit einer Feudalstruktur zu errichten? Weil das Vorbild so lange funktionierte?
Wie man sieht, könnte man anhand dieses Stoffes locker eine ganze Soziologie- und Geschichtsstunde in der Schule gestalten. Das Hörspiel könnte als Hausaufgabe anzuhören sein. Für eine einzige Unterrichtsstunde ist es hingegen viel zu lang geraten. Und die MTV-Generation würde sowieso darüber einschlafen. Allerdings war das Hörspiel von vornherein auf Episoden von maximal einer halben Stunde angelegt. Das merkt man an den langen Pausen dazwischen und am Verlauf der Spannungsbögen. Man hat also, wenn man nachrechnet, sechs Episoden vor sich, verteilt auf drei CDs.
Originaltitel: The Day of the Triffids, 1951
1967 aus dem Englischen übersetzt von Hein Bruehl
207 Minuten auf 3 CDs
ISBN-13: 978-3898137027
http://www.der-audio-verlag.de
Der Autor vergibt: