Alle Beiträge von Birgit Lutz

Hunter, Erin – In die Wildnis (Warrior Cats 1)

Sammy ist ein kleiner Kater, der irgendwie mit seinem Zuhause nicht so richtig zufrieden ist. Ständig träumt er vom Wald, von der Jagd auf Mäuse, und sein Lieblingsplatz ist der Zaunpfosten am Rande der Menschensiedlung, wo es so verführerisch nach Laub und Beute duftet. So kommt es, dass er eines Tages sein Revier verlässt, trotz der Warnungen seines Freundes Wulle, der glaubt, dass die wilden Katzen im Wald jede andere Katze töten.

Tatsächlich wird Sammy nicht viel später von einer solchen wilden Katze angefallen. Mit überraschenden Folgen …

„In die Wildnis“ ist der Auftakt zu einer mehrteiligen Reihe. Hauptfigur ist Sammy, der orangerote kleine Kater. Er ist neugierig, intelligent und anpassungsfähig. Er besitzt Beobachtungsgabe und vor allem Mitgefühl, und er neigt dazu, auf diese innere Stimme zu hören, selbst wenn er damit mit dem Clangesetz in Konflikt gerät.

Seine besten Freunde sind Graupfote und Rabenpfote. Sie werden gerade zu Kriegern ausgebildet, wobei Rabenpfote sich damit wesentlich schwerer tut als Graupfote. Das liegt nicht unbedingt daran, dass er ungeschickt oder feige wäre. Aber er fürchtet seinen Lehrer Tigerkralle, und das aus gutem Grund.

Tigerkralle ist ein starker, ehrgeiziger Kater, der nach dem Tod des stellvertretenden Clanführers selbst Stellvertreter geworden ist. Er geht ausgesprochen hart mit Rabenpfote um, setzt ihn massiv unter Druck. Außerdem nimmt er es mit der Wahrheit nicht so genau, wie Sammy feststellt. Aber warum lügt er?

Blaustern, die Clanführerin, weiß davon nichts. Sie ist eine sehr besonnene Katze, die ihre Urteile niemals allein aufgrund von Gerüchten oder Verdächtigungen fällt.

Natürlich kommen noch eine ganze Menge anderer Katzen vor, zum Beispiel der gütige Löwenherz, der freundliche Weißpelz, die Heilerin Tüpfelblatt, in die Sammy sich verliebt, und Gelbzahn, die Katze vom verfeindeten SchattenClan. Die meisten von ihnen sind jedoch nur Nebenfiguren, und die Charakterzeichnung ist insgesamt nicht besonders tiefschürfend.

Auch der Plot haut einen nicht gerade vom Hocker. Blaustern macht sich Sorgen um das Überleben ihres Clans, denn im Jahr zuvor gab es zu wenig Futter, und der Clan hat zu wenig Krieger. Trotzdem weigert sie sich, den Forderungen des SchattenClan-Anführers Braunstern nach Jagdrechten in ihrem eigenen Territorium kampflos nachzugeben. Es kommt zum Krieg zwischen den beiden Clans. Dieser Krieg ist allerdings am Ende des Bandes bereits abgehakt; zumindest der offene Krieg gegen den SchattenClan insgesamt.

Den roten Faden des Zyklus scheint eher Tigerkralle zu bilden. Dass dieser Kater ein falscher Fünfziger ist, der unbedingt Clanführer werden will und weder vor Erpressung noch vor Mord oder Verrat zurückschreckt, dürfte allerdings selbst jugendlichen Leser recht bald klar sein. Da fragt man sich, ob es wirklich mehrere Bände dauern kann, bis ihn jemand überführt.

Was mir gut gefallen hat, war die Darstellung der Katzenwelt. Nicht, dass die Idee, vermenschlichte Tiere zu Protagonisten einer Geschichte zu machen, neu wäre. Aber immerhin wurde sie hier stimmungsvoll umgesetzt. Die Autorinnen haben den Clans ein soziales Gefüge, Rituale, ja sogar eine regelrechte Religion gegeben. Das Verhalten der Katzen untereinander wirkt – abgesehen davon, dass Wildkatzen von Natur aus eigentlich Einzelgänger sind – sehr echt und authentisch; offenbar haben die Autorinnen ihre eigenen Katzen genau beobachtet. Das gilt sogar für die Kampfszenen.

Spannung war allerdings trotz der diversen Kämpfe nicht allzu viel zu spüren. Erst gegen Ende, als Sammy sich aufmacht, um Gelbzahn zu folgen, zieht der Spannungsbogen ein wenig an. Der Kampf, in den die Ereignisse schließlich münden, ist aber ebenso rasch vorbei wie alle anderen Kämpfe, der Konflikt löst sich erstaunlich leicht, wenn man von Braunstern einmal absieht. Aber für die Folgebände musste ja schließlich auch noch etwas übrig bleiben.

Insgesamt ist dieser Band eine recht nette Lektüre, wirklich mitreißen oder fesseln kann er den Leser jedoch nicht. Zu linear, zu leicht verläuft die Handlung, zu offensichtlich und gleichzeitig langwierig zieht sich die Offenbarung von Tigerkralles Absichten hin. Das kann auch der stimmungsvolle Hintergrund nicht mehr ausgleichen. Fast möchte man das Lesealter von zwölf auf zehn Jahre absenken. Davon halten allein die vielen Kämpfe ab, bei denen durchaus Blut und Fetzen fliegen und einige Todesfälle zu beklagen sind.

Erin Hunter ist, wie oben bereits angeklungen, ein Team aus mehreren Autorinnen. Victoria Holmes, Cherith Baldry und Cate Cary sind Katzenliebhaberinnen und haben inzwischen drei Staffeln mit je sechs Bänden über die Erlebnisse der Warrior Cats geschrieben. Dabei liefert Victoria Holmes die Ideen, die ihre beiden Kolleginnen dann zu Papier bringen. Auf Deutsch erschienen sind bisher die beiden ersten Bände „In die Wildnis“ und „Feuer und Eis“.

Originaltitel: Warrior Cats. Into the Wild
299 Seiten, gebunden
ISBN-13: 978-3-407-81041-0

http://www.warriorcats.com
http://www.beltz.de

Der Autor vergibt: (3.0/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (9 Stimmen, Durchschnitt: 1,89 von 5)

Fallon, Jennifer – Götter von Amyrantha, Die (Gezeitenstern-Saga 2)

Band 1: [„Der unsterbliche Prinz“ 4899

_Eigentlich kann Declan Hawkes sich nicht über einen Mangel an Schwierigkeiten beklagen._ Nicht nur, dass Jaxyn Aranville und Diala den jungen Kronprinzen völlig unter ihrer Fuchtel haben und dass Jaxyn die Ermordung des Königspaares plant! Nein, der Geheimdienstchef von Caelum nötigt ihm auch noch Niah, Caelums elfjährige Kronprinzessin, auf, um sie vor einem Hochzeitsanwärter in Sicherheit zu bringen, der kein Geringerer ist als Tryan, der Gezeitenfürst, den das Tarot den „Teufel“ nennt! Der Meisterspion ahnt nicht, dass ihm noch weit Schlimmeres bevorsteht …

Arkady, die ihren strafversetzten Gemahl Stellan nach Torlenien begleitet hat, versucht dort, sich trotz aller Einschränkungen, denen Frauen unterworfen sind, nützlich zu machen. Tatsächlich gelingt es ihr, sich mit Chintara, der Gemahlin des Kaisers, anzufreunden. Als Stellan jedoch Torlenien verlässt, um der Beisetzung des glaebischen Königspaares beizuwohnen, gerät Arkady in einen Strudel aus widersprüchlichsten Interessen und damit in höchste Gefahr …

Cayal hat sich derweil aus dem Bergwerk, in dem Jaxyn ihn verschüttet hat, wieder ausgegraben und ist Arkady nach Torlenien gefolgt, dann allerdings in einer Schänke hängengeblieben, wo er den Zwiespalt, ob er die Liebe zu Arkady zulassen oder weiterhin nach einem Weg in den Tod suchen soll, in Alkohol zu ertränken versucht. Da steht überraschend der älteste der Gezeitenfürsten, Lukys, in der Tür, ohne seine ebenfalls unsterbliche Ratte Coron. Cayal kann es kaum glauben, als Lukys ihm erzählt, Coron sei … tot!

_Im zweiten Band des Zyklus nimmt die Geschichte merklich Fahrt auf._ Das liegt unter anderem an den zusätzlichen Charakteren:

Warlock, der Canide, tauchte bereits im ersten Band auf. Obwohl seine Gefährtin Boots inzwischen trächtig ist, lässt Warlock sich von Declan Hawkes als Spion anheuern. Denn auf die Crasii, die bisher auf seiner Gehaltsliste standen, ist kein Verlass mehr, seit Jaxyn und Diala im Palast wohnen. Warlock dagegen ist ein Ark, ein Crasii, dem der absolute Gehorsam gegenüber den Gezeitenfürsten fehlt. Warlock stellt allerdings bald fest, dass es ausgesprochen schwierig ist, ein Spion zu sein …

Tiji hat damit kaum Probleme. Sie ist ein ausgesprochen seltenes Exemplar, eine Chamäleon-Crasii. Und sie ist von Declan Hawkes dazu ausgebildet worden zu spionieren. Ihre Reise nach Torlenien gestaltet sich allerdings außergewöhnlich kompliziert, denn zum ersten Mal arbeitet Tiji nicht alleine. Nicht, dass Arkady dumm oder leichtsinnig wäre, doch als Crasii spürt Tiji Cayals Gegenwart. Und es ist ihr auch bald klar, dass die Beziehung zwischen Cayal und Arkady die notwendigen Prioritäten durcheinanderzubringen droht.

Abgesehen von diesen beiden taucht nach und nach auch eine immer größere Zahl an Unsterblichen auf. Die meisten gehören zum Kaliber von Jaxyn und Diala. Kinta dagegen scheint zwar nicht wirklich boshaft oder grausam zu sein, zeigt aber dennoch den uneingeschränkten Egoismus und die Gleichgültigkeit, die allen Gezeitenfürsten eigen zu sein scheint. Brynden, der sich laut Cayals Erzählungen bisher nur um sich selbst gekümmert hat, pflegt seit dem Seitensprung seiner Frau eine Rachsucht, die ebenso unveränderlich und unsterblich zu sein scheint wie er selbst. Die faszinierendste Persönlichkeit unter den Gezeitenfürsten allerdings ist Lukys, der sich stets aus allen Streitigkeiten heraushielt, niemals Partei für irgendjemanden ergriffen hat, sondern die meiste Zeit mit der Erforschung der Gezeiten beschäftigt war, was ihn wahrscheinlich zum gefährlichsten aller Gezeitenfürsten macht. Lukys läßt sich von niemandem in die Karten schauen, und doch wird bald klar, dass er ein doppeltes Spiel spielt, falls das überhaupt reicht. Die Frage ist nur: Was will er?

Natürlich hat die Tatsache, dass die Autorin sich in diesem Band vermehrt anderen Charakteren gewidmet hat, die Intensität von Cayals und Arkadys Charakterzeichnung etwas abgeschwächt. Die Neuzugänge waren allerdings ein so großer Gewinn, dass sich daraus keine negativen Konsequenzen ergeben haben.

Auch die Rückblenden sind stark zurückgegangen, was ebenfalls kein Problem darstellt. Durch die größere Personenzahl haben die Verwicklungen beträchtlich an Umfang zugelegt. Jaxyn, der schon dabei war, die Hand nach dem Thron von Glaeba auszustrecken, wird durch die Clique der Gezeitenfürsten in Caelum ausgebremst. Cayal, der es durch seinen Wankelmut und seine Ungeschicklichkeit beinahe schafft, sich die letzten Sympathien bei Arkady zu verscherzen, gelingt es auch noch, sich von Brynden übers Ohr hauen zu lassen. Die Bruderschaft, die es sich zum Ziel gesetzt hat herauszufinden, wie man die Gezeitenfürsten töten kann, ist von den Gezeitenfürsten infiltriert worden, ohne es zu wissen. Und Declan Hawkes wird von Tilly, der Anführerin der Bruderschaft, gebeten, ausgerechnet den Mann zu retten, der Declans große Liebe geheiratet hat!

Natürlich enden alle diese Fäden letztlich in einem einzigen großen Knoten, und der Leser darf sich darauf freuen, ob und wie die Protagonisten aus diesem Schlamassel wieder herausfinden. Außerdem ist es der Autorin gelungen, jeden ihrer Handlungsstränge jeweils an einer Stelle abzubrechen, in der die Situation sich plötzlich und drastisch verändert hat. Das gilt vor allem für Declan, Arkady und Tiji. Und natürlich für den Epilog, dessen Folgen für die gesamte Welt völlig unabsehbar sind.

Mit der Spannung steht es in diesem Band ähnlich wie im vorigen. Sie entwickelt sich langsam, aber stetig und betrifft vor allem Warlock und Declan, ehe sie gegen Ende in allen Handlungssträngen durchschlägt, was vor allem an den überraschenden Wendungen zu diesem Zeitpunkt liegt.

_Um es kurz zu machen:_ „Die Götter von Amyrantha“ hat in jeder Hinsicht gehalten, was „Der unsterbliche Prinz“ versprochen hat. Und ich bin mir ziemlich sicher, dass der dritte Band ebenfalls einlösen kann, was das Ende des zweiten in Aussicht stellt. Ich bin jetzt schon gespannt, wie es Arkady in Senestra ergehen und wie Declan mit der neusten Entwicklung fertig werden wird.

_Jennifer Fallon_ stammt aus einer großen Familie mit zwölf Geschwistern. Sie hat in den verschiedensten Jobs gearbeitet, unter anderem als Kaufhausdetektivin, Sporttrainerin und in der Jugendarbeit. Letzteres scheint ihr immer noch nachzuhängen, unter ihrem Dach leben außer drei eigenen Kindern einige obdachlose Jugendliche als Pflegekinder. Schreiben tut sie nebenher. Ihre erste Veröffentlichung war die |Dämonenkind|-Trilogie. Außerdem stammt die Trilogie |Second Sons| aus ihrer Feder. |Die Gezeitenstern|-Saga ist inzwischen bis Band drei gediehen, Band vier soll Ende des Jahres in Australien erscheinen. Wann der dritte Band auf Deutsch veröffentlicht wird, steht noch nicht fest.

|Originaltitel: The Gods of Amyrantha (The Tide Lords Book 2)
Ins Deutsche übertragen von Katrin Kremmler und Rene Satzer
574 Seiten, kartoniert
ISBN-13: 978-3-8025-8179-3|
http://www.jenniferfallon.com
http://www.egmont-lyx.com

_Mehr von Jennifer Fallon auf |Buchwurm.info|:_

[„Kind der Magie“ 1328 (Dämonenkind Band 1)
[„Kind der Götter“ 1332 (Dämonenkind Band 2)
[„Kind des Schicksals“ 1985 (Dämonenkind Band 3)
[„Erbin des Throns“ 2877 (Die Chroniken von Hythria 1)
[„Ritter des Throns“ 3327 (Die Chroniken von Hythria 2)
[„Herrscher des Throns“ 3878 (Die Chroniken von Hythria 3)

Sapkowski, Andrzej – Schwert der Vorsehung, Das (Geralt-Saga, Vorgeschichten 2)

_Die Geralt-Saga:_

Vorgeschichte: _1_ [Der letzte Wunsch 3939
Vorgeschichte: _2_ [Das Schwert der Vorsehung 5327

_Roman 1_: [Das Erbe der Elfen 5334
_Roman 2_: [Die Zeit der Verachtung 5751

_Eigentlich_ hätte Geralt von Riva es besser wissen sollen, als sich an einer Drachenjagd zu beteiligen. Dass er dennoch in diesem seltsam zusammengewürfelten Haufen gelandet ist, der bereits vor der Sichtung des Drachen unterschwellig seine diversen Rivalitäten austrägt, liegt schlicht daran, dass seine ehemalige Geliebte Yennefer ebenfalls mit den Drachenjägern unterwegs ist. Aber auch das hätte er besser wissen sollen …

_“Das Schwert der Vorsehung“_ ist eigentlich nicht der zweite, sondern der dritte Band des Hexer-Zyklus. Das hat mich bereits irritiert, als ich [„Der letzte Wunsch“ 3939 las, bis endlich die Information bei mir eintrudelte, dass von den fünf Geschichten des eigentlich ersten Bandes vier ihren Weg in die deutsche Übersetzung des zweiten gefunden haben. Das wirft die Frage auf, ob dafür Geschichten aus dem zweiten Originalband womöglich weggefallen sind; da ich aber des Polnischen nicht mächtig bin, kann ich es leider nicht überprüfen.

Der nach deutscher Bezeichnung zweite Band jedenfalls scheint keine davon zu enthalten. Denn obwohl auch hier einzelne Geschichten erzählt werden, sind diese voneinander längst nicht so unabhängig, wie das in „Der letzte Wunsch“ noch der Fall war. Hier ist für den roten Faden keine übergeordnete Rahmenhandlung mehr nötig, da die Geschichten nicht mehr als Rückblick erzählt werden, sondern als fortlaufende Handlung, wenn auch mit vielen zeitlichen Lücken.

Zentrale Figur ist natürlich immer noch Geralt. Eigentlich sollte die Verwandlung in einen Hexer ihn auch seiner Gefühle beraubt haben. Aber offensichtlich ist da etwas ganz gehörig schiefgegangen, denn abgesehen von seinen Gefühlen für Yennefer, die ihm ein befreiter Flaschengeist angehängt hat und die deshalb nicht zählen, hat Geralt erstaunlich viele Skrupel, wenn es um das Töten von Geschöpfen geht, die allgemein als Monster bezeichnet werden. Auch empfindet er Mitgefühl für Essi, und die Beziehung zu seiner Mutter, falls man denn überhaupt von einer solchen sprechen kann, scheint ebenfalls nicht frei von gefühlsmäßigen Komplikationen.

Yennefer, die Zauberin, ist schön, stolz und mächtig, hat aber ein paar Ansichten, die mich bestenfalls den Kopf schütteln ließen. Mir ist sie nicht sonderlich sympathisch; der Himmel weiß, was Geralt an ihr findet, Essi ist wesentlich liebenswerter. Immerhin aber scheint selbst Yennefer zumindest manchmal so etwas wie ein Gewissen zu besitzen, und ihr Schmerz angesichts der Tatsache, dass sie keine Kinder haben kann, erhält auch sie bis zu einem gewissen Grad menschlich.

Außerdem ist der Barde Rittersporn wieder mit von der Partie, mit seinem losen Mundwerk, seinen zahllosen Liebschaften und seinem ewigen Geldmangel. Der etwas aufgeplusterte und leichtfertige Bursche ist zu einem großen Teil für den Schmunzeleffekt zuständig und für die diversen augenzwinkernden Seitenhiebe gegen die Welt der Märchen.

Im Vergleich zum Vorgängerband hat sich in der Charakterzeichnung also einiges getan, obwohl man sie noch nicht als wirklich tiefschürfend bezeichnen kann. Noch begnügt sich der Autor zu sehr mit Andeutungen und hält Geralts Vergangenheit größtenteils bedeckt. Andererseits könnte sich das mit dem Auftreten der kleinen Prinzessin, die bisher nur eine Nebenrolle spielte, spürbar ändern.

Ausgesprochen förderlich für die Vertiefung der Charaktere waren vor allem zwei der sechs Geschichten: die zweite und die vierte des Bandes. Hier nehmen die zwischenmenschlichen Beziehungen deutlich mehr Raum ein als bisher üblich. Tatsächlich thematisiert die zweite nahezu ausschließlich die Beziehung zwischen Geralt und Yennefer und verzichtet dafür sogar auf Action. Die vierte erzählt von Geralt und Essi, allerdings eingebettet in weitere Ereignisse. Beiden Geschichten ist eine eher melancholische Grundstimmung zu eigen, allerdings ohne dramatisch oder schwülstig zu werden. Sapkowski ist schlicht geblieben und hat so verhindert, dass sich die beiden Erzählungen mit dem Grundtenor der restlichen beißen.

Dazwischen findet sich die Geschichte vom Doppler, einem Wesen, das sein Gegenüber nahezu vollständig kopieren kann, bis hin zu dessen Art zu denken und zu handeln. Ein solcher Doppler hat beschlossen, die Identität des Kaufmanns Biberveldt anzunehmen, weil ihm das Leben außerhalb der Stadt zu kalt und ungemütlich ist. Eine ganze Reihe von turbulenten Verwicklungen und verrückten Situationen folgt, ehe es gelingt, die Sache wieder einzurenken, und der Leser hat einen Heidenspaß dabei.

Eine recht bunte Mischung also, die sich ziemlich von den doch etwas actionlastigen Abenteuern aus dem ersten Band unterscheidet. Das gilt sogar für die Geschichte über die Drachenjagd, die zwar durchaus Action nach gewohnter Manier bietet, sich aber unter anderem dadurch abgrenzt, dass Geralt in einer so großen Gruppe reist und letztlich selber kaum aktiv wird. Das Hauen und Stechen besorgen hier vorwiegend andere …

Die letzten beiden Erzählungen nehmen noch zusätzlich eine Sonderstellung ein. Denn hier wird deutlich die Vorbereitung auf Sapkowskis „Erbe der Elfen“ spürbar: Geralt begegnet Ciri, der Prinzessin, die seine Vorherbestimmung ist, der er nicht entkommen kann, obwohl er es bereits mehrfach versucht hat. Zwar sind diese beiden, vor allem die letzte, etwas schwierig zu lesen, denn die Rückblenden oder Fieberträume, die hier vorkommen, sind nur durch einen Absatz gekennzeichnet, mehr aber auch nicht. Gelegentlich kam es zu Verwirrungen und ich war mir nicht mehr sicher, ob Geralt nun gerade im Hier und Jetzt ist oder in einem seiner Träume. Das hat der Thematik aber keinen Abbruch getan.

_Zusammenfassend_ kann ich sagen, dass mir der zweite Band des Hexer-Zyklus besser gefallen hat als der erste. Das Spektrum der Geschichten ist breiter gefächert, der innere Zusammenhang ist deutlicher spürbar. Und obwohl es mich nicht wirklich gestört hat, dass beide Bücher vorwiegend aus Kurzgeschichten bestanden, begrüße ich doch die Tatsache, dass das nachfolgende „Erbe der Elfen“ als Roman geschrieben wurde. Es erleichtert die Darstellung größerer Zusammenhänge und erlaubt mehr Komplexität. Immerhin hat Sapkowski bereits mehrere Wesen vorgestellt, die mehr waren als nur bloße menschenfressende Ungeheuer, darunter die Dryaden und die Meermenschen. Und längst zeigt die Erzählung mehr als nur Geralts Berufsausübung und die damit verbundenen Kämpfe. Dem darf ruhig auch formell Rechnung getragen werden.

_Andrzej Sapkowski_ ist Literaturkritiker sowie Schriftsteller und nebenbei Polens bekanntester Fantasy-Autor. Der Hexer-Zyklus diente bereits als Grundlage für einen Kinofilm und eine Fernsehserie sowie für das polnische Rollenspiel „Wiedzmin“. Auch das Computerspiel „The Witcher“ stammt von Sapkowski, ebenso die Narrenturm-Trilogie um die Abenteuer des jungen Medicus Reinmar von Bielau. „Das Erbe der Elfen“, der erste Band des Romanzyklus über Geralt von Riva, erscheint Anfang November 2008.

|464 Seiten, kartoniert
Zweiter Band der Geralt-Saga
Aus dem Polnischen von Erik Simon
ISBN-13: 978-3-423-21069-0|
http://www.der-hexer.de
http://hexer.wikia.com
http://www.dtv.de
http://www.sapkowski.pl
http://www.thewitcher.com

_Mehr von Andrzej Sapkowski auf |Buchwurm.info|:_

[„Narrenturm“ 1884
[„Gottesstreiter“ 3367
[„Lux perpetua“ 4568

Kern, Claudia – Sturm (Der verwaiste Thron 1)

_Ana ist die Tochter des Fürsten von Somerstorm_, und als solche hat sie eine glänzende Zukunft vor sich. Ihr Fürstentum ist reich, sie ist mit dem Sohn des mächtigsten Fürsten im ganzen Reich verlobt, und heute ist der Tag, an dem sie volljährig wird.

Doch der Tag endet im Desaster! Ana findet sich auf der Flucht wieder, mit nichts als einem Kleid am Leib und einem Pferd unter sich. Ihre Eltern, sämtliche Geburtstagsgäste, die Gaukler und Musikanten, sie alle sind tot, die heimatliche Burg ist nun von Wesen besetzt, von denen die Menschen geglaubt hatten, sie wären für immer verbannt oder gar tot: den Nachtschatten. Allein ihr wortkarger Leibwächer Jonan ist noch bei ihr, doch sie traut ihm nicht, und in einem unbeobachteten Augenblick stiehlt sie sich davon – ein Fehler …

Ihr Bruder Gerit hat ebenfalls überlebt und sich auf dem Dach des höchsten Turmes versteckt. Doch natürlich bleibt er dort nicht lange unentdeckt. Schwarzklaue, der König der Angreifer, lässt ihn herunterholen, will ihn töten. Sein General Karvellan jedoch hält ihn davon ab. Gerit landet in der Küche, wo ihn täglich neue Misshandlungen und Demütigungen erwarten. Mit der Zeit kann er sich durchsetzen, er fängt an zu spionieren. Und dann geschieht das völlig Unerwartete: Seine Feinde schicken ihn mit einem Auftrag aus der Burg …

In Westfall rüstet man derweil zum Krieg. Der Fürst hat nach seinem Sohn geschickt, der sich zum Studium auf den Inseln der Meister aufhielt, und ihm den Oberbefehl über die Reiterei übergeben. Der junge Rickard soll vorausreiten und den Gegner überraschen, der Vater will mit dem Heer folgen. Rickard ist das gar nicht recht, denn in den Berichten aus Somerstorm hieß es, die Tochter des Fürsten sei entkommen. Deshalb würde er eigentlich viel lieber nach seiner Verlobten suchen, doch er wagt es nicht, sich dem Befehl seines Vaters zu widersetzen. Um nicht völlig tatenlos zu bleiben, bittet er seinen Freund Craymorus darum, die Suche für ihn zu übernehmen.

Craymorus wurde eigentlich von den Meistern der Insel mit Rickard nach Westfall geschickt, um den Fürsten dort im Hinblick auf die Nachtschatten zu beraten. Der lehnt einen Berater strickt ab, und so ist Craymorus dankbar für die Aufgabe, die Rickard ihm erteilt. Allzu viel kann er allerdings nicht ausrichten. Denn kaum haben der Fürst und sein Sohn Westfall verlassen, erscheint König Cascyr auf der Burg. Und er hat eine völlig andere Aufgabe für Craymorus …

_Das klingt nach einer Menge Handlungsstränge._ Im Grunde sind es aber nur drei:

Einer dreht sich um Gerit. Der Junge hat seinen Vater wie einen Feigling sterben sehen. Das hat sein Weltbild mindestens ebenso erschüttert wie das Massaker selbst. Die Distanzierung von seinem Vater und der feste Wille zum Mut retten ihm das Leben. Und sie helfen ihm, sich unter den Nachtschatten zu behaupten, auch wenn er zuerst noch einmal einen kleinen Schubs nötig hat. Nicht, dass er sich richtig wohlfühlen würde, zu fremd sind diese Wesen und ihre Art zu denken. Und doch geht eine Veränderung mit ihm vor, schleichend und unbemerkt. Mit der Zeit hört er auf, in den Nachtschatten primitive, grausame, blutrünstige Tieren zu sehen …

Der zweite Handlungsstrang beschäftigt sich mit Ana und Jonan. Wie Gerit ist auch Ana von ihrem Vater enttäuscht. Einer der Geburtstagsgäste hat sie vor allen Anwesenden schwer beleidigt, und ihr Vater hat ihr nicht beigestanden. Ana beschließt, dem Beispiel ihrer Mutter zu folgen und ihr Geschick selbst in die Hand zu nehmen. Für eine verwöhnte Fürstentochter erweist sie sich dabei als überraschend robust und gleichzeitig als erwartungsgemäß naiv und unerfahren. Jonan hat damit seine liebe Not. Nicht nur, dass Ana stets anderer Meinung zu sein scheint als er. Sie ist auch stur, und da er in ihren Diensten steht, ist er gezwungen, ihren Wünschen nachzugeben, was es ihm nicht gerade leicht macht, immerhin ist Jonan ein hervorragender Kämpfer. Alles andere, was man über ihn erfährt, verliert sich in Andeutungen, was Jonan sozusagen zum geheimnisumwitterten Beschützer macht.

Der dritte Strang schließlich erzählt von Rickard und Craymorus. Ein recht ungleiches Paar hat sich da angefreundet. Rickard ist lebhaft, unbekümmert und gutmütig, allerdings nicht sehr geduldig. Er ist als Krieger erzogen worden, von Wissenschaften und Magie versteht er nur wenig, und es interessiert ihn auch nicht. Mit Craymorus versteht er sich deshalb so gut, weil er sich trotz Craymorus‘ großem Wissen in dessen Gesellschaft nicht benachteiligt fühlt. Denn Craymorus ist ein Krüppel. Trotz metallener Beinschienen kann er nur an Krücken gehen. Als Zehnjähriger stürzte er auf der Flucht vor Nachtschatten eine Klippe hinunter, was ihm beide Beine zerschmetterte – ein traumatisches Erlebnis, das ihn nie losgelassen hat. Als er seine Zuflucht, die Insel der Meister, verlassen muss, holt ihn die unselige Mischung aus Angst und Hass wieder ein.

_Insgesamt ist die Charakterzeichnung auf ungewöhnliche Weise durchwachsen._ So ist Rickard knapp und präzise gezeichnet, bleibt aber dennoch ein wenig blass, was daran liegen mag, dass über sein Gefühlsleben kein Wort verloren wird, oder daran, dass er nach seinem Aufbruch Richtung Somerstorm so gut wie nicht mehr auftaucht. Craymorus dagegen ist in seiner Angst und seinen Selbstzweifeln äußerst menschlich und lebendig geraten. Das gilt ebenso für Gerits Entwicklung. Ana ist wiederum eher schwach gezeichnet, da sie sich über einen großen Zeitraum der Handlung unter Daneels Einfluß befand. Daneel ist einer jener Nebencharaktere, die stark auf die Handlung einwirken, obwohl sie weder näher beschrieben oder charakterisiert sind noch besonders viel tun. Zu diesen Personen gehört auch die Zofe Mellie, die gegen ihre Fürstin intrigiert. Oder König Cascyr, der einzig über einen Titel und eine Garde verfügt und dennoch seine gesamte Umgebung unter Druck setzt.

So kommt es, dass neben Craymorus und Gerit vor allem die eher schwach ausgearbeiteten Nebencharaktere das Interesse an der Geschichte wachhalten. Der Grund dafür liegt vor allem darin, dass sie gewisse Zusammenhänge innerhalb der Geschichte herstellen. Zum Beispiel fehlen Daneel sämtliche Zähne, was Gerit bereits zu Beginn der Geschichte zu der Frage veranlasst, ob Daneel wohl einst zur ewigen Garde gehörte. Die ewige Garde ist die Leibgarde des Königs, ihre Mitglieder sind nicht nur Krieger, sondern auch Magier. Und im Verlauf der Geschichte zeigt sich, dass Daneel tatsächlich eine ungewöhnliche Fähigkeit besitzt …

Sehr gelungen fand ich auch die Verknüpfung der kurzen Vorreden am Anfang jedes Kapitels, die als Zitate aus einem Buch über die verschiedenen Provinzen des Reiches formuliert sind, mit der eigentlichen Geschichte. Immer wieder findet der Leser die kurzen, teilweise ironischen Charakterisierungen von Land und Leuten tatsächlich in den handelnden Personen wieder.

Manch anderer Zusammenhang wird dagegen eher stiefmütterlich behandelt. Das gilt für Anas Familie, deren Herkunft bestenfalls gestreift wird, ebenso wie für den historischen Hintergrund der Welt insgesamt. Hier liefert die Autorin lediglich Bruchstücke. Es werden vier Königreiche erwähnt, ein roter König sowie ein Krieg, der offenbar vor dreizehn Jahren zu Ende ging. Wer genau damals gegen wen Krieg geführt hat und warum, darüber schweigt das Buch sich aus, ebenso darüber, ob König Cascyr einst eines der vier Königreiche regierte, und wenn ja, was aus den anderen Königen wurde. Auch über den Krieg, der offenbar vor der Geburt der Menschheit stattfand, wird kaum ein Wort verloren. Damals vertrieben die Vorangegangenen – Craymorus nennt sie an einer Stelle auch Götter – die Nachtschatten aus dem Land. Über das Wie und Warum erfährt der Leser nichts. Die Folge dieser Lückenhaftigkeit besteht in einer Flut von Fragen, was natürlich ganz der Absicht der Autorin entspricht. Klar scheint nur: Die Nachtschatten wollen die Welt zurückerobern. Der König will die Macht der Provinzfürsten für sich. Und Mellie will ihre Mutter rächen.

Im Übrigen besteht diese Welt vor allem aus Betrug, Verrat, Feigheit, Neid und Arroganz. Auch Grausamkeiten gibt es genug, und beleibe nicht nur auf Seiten der Nachtschatten! Die Beschreibungen sind nicht unbedingt detailliert ausgefallen, aber ausgesprochen drastisch. Wen spritzendes Blut eher abschreckt, der sollte sich überlegen, ob er dieses Buch wirklich lesen will.

Wer dagegen mit derartigen Szenen keine Probleme hat, dem kann ich das Buch durchaus empfehlen. Es bietet eine Vielzahl an Geheimnissen und Verwicklungen. Ana gerät auf ihrer Flucht immer wieder mal in Gefahr, ebenso wie Gerit. Allein die Konflikte, die in Craymorus‘ Wesen angelegt sind, lassen jede Menge Möglichkeiten offen, wie sich diese Figur entwickeln kann. Und ich gestehe, dass sowohl Gerit als auch Jonan mich am Ende des Buches überrascht haben und ich auf die Fortsetzung ziemlich gespannt bin.

_Claudia Kern_ lebt in Bonn und ist in vielen Bereichen tätig. Unter anderem ist sie Mitbegründerin von |Space View|, war Serienredakteurin beim Fernsehen, schreibt für Computerspiele und arbeitet als Übersetzerin. Auch für Conventions ist sie tätig, zum Beispiel für |FedCon|. „Sturm“ ist ihr Romandebüt und der erste Band ihres Zyklus |Der verwaiste Thron|, dessen zweiter Band „Verrat“ für Februar nächsten Jahres angekündigt ist.

|367 Seiten, kartoniert
ISBN-13: 978-3-442-24420-1|
http://www.claudiakern.com
http://www.blanvalet-verlag.de

Berg, Carol – Tor der Erneuerung (Rai-Kirah-Saga 3)

Band 1: [„Tor der Verwandlung“ 3948
Band 2: [„Tor der Offenbarung“ 4705

_Im Verlauf des letzten Bandes_ hat Seyonne eine Menge schwieriger Entscheidungen getroffen, immer in der Hoffnung, damit die Welt zum Guten zu verändern. Inzwischen aber scheint es, als hätte er so ziemlich alles vermasselt! Er hat furchtbare Alpträume, die immer wiederkehren, und der schlimmste von ihnen hat nichts mit all den Gräueln zu tun, die er in seinem Leben gesehen hat, sondern vielmehr mit einer Zukunft, die er mehr als alles andere fürchtet. Außerdem verliert er auch tagsüber immer wieder die Kontrolle über sich selbst, sodass die Pflegemutter seines Sohnes es kaum noch wagt, ihn in die Nähe des Jungen zu lassen.

Als wäre das alles noch nicht schlimm genug, schickt ihm die Heged der Hamrashi einen Meuchelmörder auf den Hals, und Seyonne muss schon bald erkennen, dass die Hamrashi es nicht allein auf ihn abgesehen haben. Ihr Angriff gilt vor allem Aleksander. Hin- und hergerissen zwischen seinem Bedürfnis, Aleksander zu schützen, und dem Drang, die Ursache seines Alptraumes zu bekämpfen, verzettelt sich Seyonne mehr und mehr.

_Wurde der Leser im Vorgängerband_ regelrecht mit neuen Charakteren überflutet, so begegnet er diesmal lediglich zweien, die wirklich von Bedeutung sind:

Die Lady in Grün taucht zunächst nur gelegentlich auf, und offenbar will sie etwas von Seyonne. Aber erst gegen Ende, als Seyonne die letzte Entscheidung treffen muss, gelingt es ihr, mit ihm zu reden und ihm einige ausgesprochen wichtige Dinge zu offenbaren – was es für Seyonne aber nicht unbedingt leichter macht.

Nyel ist ein alter Mann mit graumeliertem Haar und tiefgründigen blauschwarzen Augen, von einnehmendem Äußeren, sehr zivilisiertem Benehmen und ausgesprochen ausgeprägter Anteilnahme an Seyonne. Er verhält sich ihm gegenüber nicht nur höflich, sondern ausgesprochen freundlich, ja, er scheint sogar echte Zuneigung für ihn zu empfinden und bietet ihm an, ihn im Gebrauch neuer Magie zu unterweisen. Das soll der gefürchtete, rachsüchtige, blutrünstige Gott sein, der vor tausenden von Jahren eingesperrt wurde, um die Welt vor endgültiger Vernichtung zu bewahren?

Tatsächlich hat die Autorin mit Nyel einen faszinierenden Charakter geschaffen – intelligent, vielschichtig und unergründlich, und trotz der Tragik, die ihn umgibt, niemals kitschig oder schmalzig. Das ist ausgesprochen gut gelungen. Die Lady ist nicht ganz so intensiv ausgearbeitet; weit wichtiger als ihre Person sind die Informationen, die Seyonne von ihr erhält.

Auch Seyonne macht in diesem Band eine erstaunliche Wandlung durch, allerdings nicht ganz von allein. Grob gesagt besteht das Buch aus dem Duell zwischen Seyonne und Nyel, sogar bereits zu einem Zeitpunkt, als noch keiner der Beteiligten, weder Charaktere noch Leser, dies überhaupt realisieren. Ganz allmählich baut die Autorin diesen Kampf auf, während es noch so scheint, als läge das Hauptaugenmerk im Augenblick noch auf Aleksanders Bemühungen, seinen Thron zurückzugewinnen. Erst als Seyonne Aleksander verlässt, um nach Kir’Navarrin zu gehen, wendet sich die Aufmerksamkeit der eigentlichen Thematik zu, aber selbst jetzt gelingt es der Autorin noch, die Verstärkung des Konflikts unter der Decke zu halten. Was die Falle so subtil macht, ist die Tatsache, dass Nyel Seyonne offenbar überhaupt nicht bekämpfen will. So kommt es, dass Seyonne das subtil geknüpfte Netz erst bemerkt, als der Leser schon längst ausgesprochen misstrauisch geworden ist!

Überraschend ist auch, wie die Autorin den Konflikt letztlich auflöst, unerwartet und gleichzeitig ohne irgendeiner der Figuren ihre Menschlichkeit zu nehmen.

_Spannung im herkömmlichen Sinne_ ist in diesem letzten Band des Zyklus mit Abstand am wenigsten zu spüren. Die gelegentlichen Scharmützel, die Aleksander auf seiner Suche nach Verbündeten ausficht, sind recht schnell abgehandelt, und die Verfolger, die der Thronräuber ihnen hinterherschickt, werden meist ohne größere Probleme ausgetrickst. Was nicht heißen soll, dass Aleksanders Flucht keine Opfer fordern würde. Aber das Hauptgewicht der Geschichte liegt auf Seyonnes Kampf mit seinen eigenen Ängsten und Befürchtungen und natürlich seinem Widersacher in Kir’Navarrin. Da es sich dabei um keinen bewaffneten Kampf handelt oder auch nur um ein offenes Duell Willen gegen Willen, bleibt die Gefahr sehr unterschwellig. Selbst der Leser, der schon recht bald misstrauisch wird angesichts von Seyonnes ungewöhnlichem Verhalten, ist sich nicht wirklich sicher, welche Maßnahmen Nyel letztlich ergreifen wird, um sein Ziel zu erreichen, bis es eigentlich schon zu spät ist.

Trotzdem fand ich das Buch nicht langweilig. Seyonnes Entwicklung, die faszinierende Persönlichkeit Nyels und die klischeefreie Auflösung der Geschichte machen das Buch allemal lesenswert. Seyonne ist zwar auch diesmal wieder mehr verwirrt als bei klarem Verstand, was erneut die besondere Stimmung zwischen ihm und Aleksander aus Band eins stark einschränkt. Trotzdem kann der Abschluss der Trilogie, wenn schon nicht mit ihrem Auftakt, so doch zumindest mit ihrem Mittelteil problemlos mithalten.

_Carol Berg_ schreibt ihre Bücher nebenbei. Hauptberuflich ist die studierte Mathematikerin und Computerwissenschaftlerin als Software-Entwicklerin bei |Hewlett Packard| tätig. „Tor der Verwandlung“ ist der erste Band der Trilogie |Rai-Kirah| und ihr erstes Buch überhaupt. Seither hat sie den vierbändigen Zyklus |The Bridge of D’Arnath| geschrieben sowie einen Zweiteiler und die Romane „Song of the Beast“ und „Unmasking“, der im November neu auf den Markt kommt. Nahezu alle ihre Bücher haben irgendeinen Preis gewonnen. Eine beachtliche Leistung für eine Hobby-Autorin.

|Originaltitel: The Rai-Kirah-Saga 3: Restoration
Ins Deutsche übertragen von Simone Heller
733 Seiten
ISBN-13: 978-3-442-24363|
http://www.blanvalet-verlag.de/
http://www.sff.net/people/carolberg/

Sanderson, Brandon – Alcatraz und die dunkle Bibliothek

Alcatraz ist schon ein wirklich merkwürdiger Name für einen Jungen. Andererseits ist Alcatraz Smedry auch ein ziemlich seltsamer Junge. Immerhin geht nahezu alles zu Bruch, was er in die Hand nimmt, von komplizierter Technik bis hin zu einfachsten Dingen wie Kochtöpfen und Türklinken. Und als würde ihm diese absonderliche Tatsache im alltäglichen Leben nicht schon genug zu schaffen machen, steht eines Tages auch noch ein alter Mann vor der Tür und behauptet, sein Großvater zu sein. Innerhalb von Minuten verwandelt sich Alcatraz‘ Leben in völliges Chaos, gerade so, als hätte er es selbst in die Hand genommen …

Um es gleich vorweg zu sagen: Dieses Buch ist schlicht nur schräg!

Alcatraz scheint im Grunde ja ein recht normaler Teenager zu sein. Seine Kindheit bestand darin, ständig von einer Pflegefamilie zur nächsten abgeschoben zu werden, und die daraus resultierenden Verlustängste haben dazu geführt, dass er sich gegenüber seiner Umwelt komplett abgeschottet hat. Was natürlich nicht heißen soll, dass er sich nicht immer noch ein intaktes, stabiles Zuhause wünscht, nur scheint dieser Wunsch angesichts der Schäden, die Alcatraz bei jeder Gelegenheit anrichtet, völlig unerfüllbar.

Sein Großvater ist da schon ein wenig abgedrehter. Der wuselige und stets gutgelaunte kleine Mann mit dem weißen Haarkranz und Schnauzbart trägt nicht nur einen Frack und ständig wechselnde Brillen mit bunten Gläsern, er fährt auch einen Oldtimer, der gerade mal Schrittgeschwindigkeit schafft, und hält das Wort „schön“ für einen Fluch.

Außerdem wäre da noch Sing Sing erwähnenswert, ein Hüne von einem Mann, der in einem blauen Kimono herumläuft, aber statt eines Samuraischwertes ein Gewehr auf dem Rücken mit sich herumträgt, zusätzlich zu einer ganzen Anzahl großkalibriger Hand- und Schnellfeuerwaffen, die er in diversen Halftern an Arme und Beine geschnallt hat.

Das mürrische, junge Mädchen in Alcatraz‘ Alter dagegen hat außer seiner scharfen Zunge nur eine kleine Handtasche dabei, die sie, wenn sie sich ärgert, den Leuten um die Ohren haut.

Ihr Gegenspieler wirkt in seinem eleganten schwarzen Anzug und mit seinem verbindlichen Lächeln neben dieser seltsamen Gruppe geradezu gewöhnlich. So lange er vor sein verbliebenes Auge nicht ein Monokel hält, dessen Glas farbig ist …

Und das ist erst der Anfang. Denn mit den bereits mehrfach erwähnten bunten Brillengläsern hat es eine Bewandtnis. Sie sind das Werkzeug der Okulatoren. Und je nachdem, woraus diese unterschiedlichen Linsen hergestellt wurden, kann der Okulator sie für das Verfolgen von Spuren, das Auffinden von Auren, aber auch als Waffe benutzen. Überhaupt scheint Glas der Rohstoff schlechthin zu sein, denn aus ihm werden nicht nur Linsen, sondern auch dehnbare Wände, unzerstörbare Gefängnisgitter und einbruchsichere Tresore hergestellt. In Anbetracht dessen wundert es den Leser kaum noch, dass man die Fahrzeuge, die Großvater Smedry und seine Truppe benutzen, weder betanken noch lenken muss.

Spätestens hier wird klar, dass der Leser es mit Magie zu tun hat. Und natürlich stürzt Alcatraz, der in einer völlig nichtmagischen Welt aufgewachsen ist, erst mal in ziemliche Verwirrung, als er erfährt, dass das ständige Demolieren von allem Möglichen seine magische Gabe ist, so wie es die Gabe seines Großvaters ist, stets zu spät zu kommen, oder die seines Vetters Sing Sing zu stolpern.

Schließlich, als wäre das alles noch nicht skurril genug, stellt sich heraus, dass Alcatraz‘ wohlbekannte, nichtmagische Welt nur deshalb so ist, weil die Bibliothekare dabei sind, die Welt zu erobern, indem sie Wissen unterdrücken. Die Ausmaße dieser Verschwörung nehmen mit fortschreitender Enthüllung immer aberwitzigere Züge an und stellen bald sämtliche Verschwörungstheorien, die je auf dieser Welt in Umlauf waren, völlig in den Schatten.

Nicht minder aberwitzig als die Verschwörung sind die Versuche des Autors, den Leser davon zu überzeugen, dass er nicht nur kein Held, sondern sogar ein ziemlich schlechter Mensch ist, was er hauptsächlich dadurch zu beweisen sucht, dass er der Autor eines Buches ist. Die regelmäßig eingestreuten Kommentare des Erzählers dienen zum einen dazu, dem Leser klarzumachen, was für linke Tricks Autoren anwenden, wenn sie ihre Geschichten erzählen, aber auch dazu, ihn von der geschilderten Verschwörung zu überzeugen.

Das Schräge an der Sache ist, dass Brandon Sanderson dabei so ziemlich alles verdreht und ins Gegenteil verkehrt. Nicht nur, dass Alcatraz sich ständig mit der bissigen Bastille darüber streitet, ob nun Schwerter oder Schusswaffen, Feuer oder elektrisches Licht, Treppen oder Aufzüge moderner und fortschrittlicher sind. Auch die Bezeichnung von Büchern, die in der wirklichen Welt spielen, als Fantasy und umgekehrt gehört dazu. Diverse Absurditäten wie die mit den Dinosauriern (selber lesen!) runden die ganze Sache ab.

Um ehrlich zu sein: Ich würde das Buch nicht als spannend bezeichnen. Aber es ist so verrückt und gleichzeitig so trocken erzählt, so voller Überraschungen und voller ironischer Anspielungen – sei es nun auf den Boom der Verschwörungstheorien, den |american way of thinking| oder die Literatur im Allgemeinen und ihre Produzenten im Besonderen – dass ich mich jederzeit köstlich amüsiert habe und gelegentlich laut lachen musste. Das Lesen dieses Buches hat wirklich Spaß gemacht.

Brandon Sanderson gehört zu denjenigen, die bereits als Kinder phantastische Geschichten schrieben. Sein Debütroman „Elantris“ erschien 2005, seither hat er weitere Romane geschrieben. „The final Empire“ und „The Well of Ascension“ sind Teile seiner Trilogie Mistborn. Außerdem arbeitet der Autor an zwei weiteren Serien, Warbraker und Dragonsteel. „Alcatraz und die dunkle Bibliothek“ ist der erste Band einer Jugendbuchserie, deren Fortsetzung unter dem Titel „Alcatraz und das Pergament des Todes“ im November dieses Jahres erscheint.

Originaltitel: Alcatraz Versus the Evil Librarians
Übersetzt von Charlotte Lungstrass
 Paperback, 304 Seiten

ISBN-13: 978-3-453-52414-9

www.brandonsanderson.com
http://www.heyne.de

Der Autor vergibt: (5.0/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (7 Stimmen, Durchschnitt: 1,86 von 5)

 

Roberson, Jennifer – Tochter des Löwen (Cheysuli 3)

Band 1: [„Dämonenkind“ 4409
Band 2: [„Wolfssohn“ 4868

Unter dem Titel „Tochter des Löwen“ sind nun auch Band fünf und sechs des |Cheysuli|-Zyklus erschienen:

Niall ist im Gegensatz zu seinen Vorgängern reichlich mit Söhnen gesegnet. Manchmal allerdings fragt er sich, ob das wirklich ein Segen ist. Denn Hart und Corin sind alles andere als verantwortungsbewusst, und Brennan lässt sich immer wieder mit in ihren Unfug hineinziehen, in der Regel, um Schlimmeres zu verhindern, was ihm aber selten gelingt.

Eines Tages treiben sie es endgültig zu bunt, und Niall entschließt sich zu drastischen Maßnahmen: Er schickt Hart und Corin nach Solinde und Atvia, in die Königreiche, die sie nach seinem Tod als Könige regieren sollen. Und auch Brennan wird dazu verdonnert, sich mit der Regierung seines künftigen Königreiches zu beschäftigen. Aber natürlich sind die Ihlini in all dieser Zeit nicht untätig, und schon bald geraten die jungen Prinzen einer nach dem anderen ins Stolpern …

Auch Keely, Nialls Tochter, neigt dazu, über die Stränge zu schlagen, wenn auch auf andere Weise als ihre Brüder. Zum Beispiel gelingt es ihr immer wieder, jemanden dazu zu bringen, sie im Gebrauch von Waffen zu unterrichten, was ihr Vater gar nicht gern sieht. Und mit ihren Ansichten über das Verhältnis zwischen Männern und Frauen stößt sie oft genug sowohl ihre Schwester als auch ihre Schwägerin vor den Kopf. Der Einzige, der sich an ihren Eskapaden nicht zu stören scheint, ist der rotbärtige Wegelagerer aus Erinn, dem sie auf der Flucht vor Strauchdieben zufällig begegnet. Doch ehe Keely mit sich selbst ins Reine kommen kann, mischen sich auch hier die Ihlini ein …

_Die nächste Generation_ wartet mit einer Vielzahl an neuen Charakteren auf, und das nicht nur, weil Niall so viele Kinder hat. Brennan ist der Erstgeborene und damit Prinz von Homana. Und er ist ganz Cheysuli, sowohl von seinem Aussehen als auch von seinem Verantwortungsbewusstsein her. Er ist klug, ehrenhaft und nimmt seine Pflicht vor allem seinem Land und der Prophezeiung gegenüber sehr ernst. Stellenweise erinnerte er mich an Duncan, auch wenn er nicht annähernd so viel Einfluss auf seine Brüder hat wie Duncan auf Finn.

Hart dagegen liebt Verantwortung ganz und gar nicht. Er ist spielsüchtig, leichtsinnig bis zur Fahrlässigkeit und mit der unseligen Gabe gesegnet, die Folgen seines Leichtsinns nach dem ersten Schock mit einem Achselzucken beiseite zu schieben. Von allen Brüdern hatte ich für ihn am wenigsten Verständnis, wahrscheinlich habe ich mich deshalb über ihn auch am meisten geärgert.

Corin ist der Verletztlichste der drei, sich selbst am wenigsten sicher. Seine Eskapaden dienen vor allem dazu, Aufmerksamkeit zu erregen, er fühlt sich zurückgesetzt und wenig geliebt. Vor allem beneidet er Brennan, und das nicht nur, weil der Nialls Lieblingssohn ist. Corin will Homana nicht verlassen. Er fürchtet sich vor Atvia, wo sich nicht nur Lillith, sondern auch seine wahnsinnige Mutter Gisella aufhalten, und würde Atvias Thron nur zu gern gegen den Löwenthron Homanas eintauschen.

Keely dagegen ist intelligent, temperamentvoll und selbstbewusst bis zur Widerborstigkeit. Aber sie denkt nicht nach, bevor sie etwas sagt oder tut. Das führt auf der einen Seite zu einer geradezu rücksichtslosen Ehrlichkeit, auf der anderen Seite bringt ihre impulsive, unüberlegte Art sie in größte Gefahr. Keely ist von allen Kindern Nialls am leichtesten einzuschätzen. Und am leichtesten zu manipulieren.

Die neue Generation in der Zuflucht wird von Tiernan vertreten, Ceinns Sohn. Ceinn hat Niall schon Schwierigkeiten gemacht, als Niall seinen Lir noch gar nicht hatte. Jetzt macht Ceinns Sohn noch größere Schwierigkeiten. Nicht nur, dass er unbedingt den Thron von Homana für sich will – er will auch der Prophezeiung nicht dienen! Geradezu eine Ungeheuerlichkeit für einen Cheysuli. Und das ist noch nicht alles: Tiernan ist nicht nur maßlos in seinen Zielen, sondern auch in seinen Mitteln.

Und als wäre das noch nicht genug, ist mit dem Kind, das Lillith einst Ian abgezwungen hat, auch bei den Ihlini eine weitere Generation herangewachsen, mit dem einzigen Ziel, die Prophezeiung aufzuhalten.

Die Charakterzeichnung der Nebenfiguren wie zum Beispiel Tiernan ist diesmal etwas knapp ausgefallen, wahrscheinlich, weil es in Teil eins des Doppelbandes gleich um drei Hauptfiguren geht. Die sind dafür aber wirklich gut getroffen. Das Gleiche gilt für Keely, auch ihre Zweifel und Ängste sind sehr gut herausgearbeitet.

_Die Handlung_ konzentriert sich voll und ganz auf die Fallen, die den diversen Protagonisten gestellt werden. Das nimmt – aus genannten Gründen – vor allem im ersten Teil so viel Raum ein, dass für etwas anderes nicht mehr viel übrig blieb. So verschwand die Verbindung zu den Lirs ziemlich in den Hintergrund, auch im zweiten Teil, da Keely als Frau keinen Lir hat. Auch die Magie als solche ist ziemlich selten geworden. Abgesehen davon, dass Keely zwei oder drei Mal die Gestalt wandelt, taucht Magie nur in der direkten Konfrontation mit den Ihlini auf, und bis dahin dauert es ein wenig. Das nimmt dem Buch viel von seinem Flair.

Die Fallen selbst reichen von wirklich subtil – wie in Brennans Fall – über verwirrend bis allzu offensichtlich. Letzteres gilt vor allem für die Falle, die Keely gestellt wurde. Aber ebenso offensichtlich muss die junge Frau trotzdem in die Falle hineintappen, unausweichlich. Denn sonst wäre sie nicht Keely.

_Der Gesamteindruck_, der zurückbleibt, ist eher durchwachsen. Das lag zum einen daran, dass der Leser vorher bereits weiß, dass Strahans Pläne zunächst einmal Erfolg haben werden. Wirkliche Spannung kommt deshalb erst auf, als Nialls Kinder Strahan tatsächlich gegenüber stehen. Ein weiterer Grund liegt in der massiven Gewichtung der Prophezeiung, die unbedingt die Mischung sämtlicher Blutlinien verlangt. Zwar versucht die Autorin, durch wechselnde Details eine Auflockerung zu erreichen, letztlich bleibt aber der überwältigende Eindruck eines riesigen Eheanbahnungskarussells mit allen dazugehörigen Komplikationen und den daraus resultierenden Gewissenskonflikten. Nicht, dass der Umgang der verschiedenen Personen mit ihrer Zwangslage mich nicht interessiert hätte. Es ist nur so, dass nach der dritten Generation allmählich der Punkt erreicht ist, wo der Leser gern mal wieder etwas anderes vorgesetzt bekommen möchte.

So wie zum Beispiel Tiernans Kampf gegen die Prophezeiung. Dieser Aspekt hätte meinetwegen ruhig etwas weiter ausgebaut werden dürfen. Tiernan ist ein sehr undurchsichtiger Charakter, der es glänzend versteht, neben seinen offensichtlichen Ambitionen auch andere Eindrücke zu vermitteln, wie er bei seinem Versuch, Keely zu überzeugen, beweist. Abgesehen davon ähnelt seine Argumentation im Hinblick auf die Prophezeiung so auffallend derjenigen Strahans, dass ich selbst dann misstrauisch geworden wäre, wenn ich die Prophezeiung nicht sowieso für eine Repressalie halten würde. Und auch der Lir-Bund erscheint mir zunehmend eine eher unglückliche Angelegenheit. Ist ja schön, wenn Menschen dadurch die Fähigkeit erhalten, sich in Tiere zu verwandeln. Die Einschränkungen, denen diese Verwandlung obliegt, sind allerdings so vielfältig, und die Ihlini haben die tierischen Lirs schon so oft mit Erfolg gegen die menschlichen Krieger benutzt, dass ich mich frage, ob die Götter den Cheysuli wirklich einen Gefallen getan haben, als sie den Zugriff der Cheysuli auf die Magie an ein solches Bruderwesen gebunden haben!

_Kurz und gut:_ Ich hoffe sehr, dass im nächsten Band die Heiratspolitik und ihre Details zugunsten der Magie und der Lirs ein gutes Stück eingeschränkt werden. Und ich hätte auch nichts dagegen, wenn die Ihlini sich anstelle der vielen Fallen, die wir in den letzten drei Buchteilen hatten, eine neue Vorgehensweise überlegen würden, um die Erfüllung der Prophezeiung zu verhindern. Außerdem dürfte sich die Frage, was aus den Ihlini und den Cheysuli nach Erfüllung der Prophezeiung wird, ruhig allmählich einer Art Antwort nähern. Bleibt abzuwarten, ob der nächste Band diese Hoffnungen erfüllt. Im Oktober dieses Jahres soll er unter dem Titel „Kind des Raben“ in die Buchläden kommen.

_Jennifer Roberson_ studierte englische Geschichte und war zunächst als Journalistin tätig, ehe sie Bücher zu schreiben begann. Der |Cheysuli|-Zyklus war ihr erstes Werk, seither hat sie eine ganze Reihe von Zyklen, Einzelromanen und Kurzgeschichten geschrieben, darunter die |Schwerttänzer|-Saga sowie die Historienromane „Lady of the Forest“ („Herrin der Wälder“, dt. 1996) und „Lady of Sherwood“ („Die Herrin von Sherwood“, dt. 2002). Die Autorin lebt mit einem Rudel Hunde und Katzen in Flagstaff/Arizona.

|Originaltitel: Daughter of the Lion
Übersetzt von Karin König
896 Seiten|
http://www.cheysuli.com
http://www.heyne.de

Cross, Janine – Auf dunklen Schwingen (Die Drachen-Tempel-Saga 1)

Zarq hat es nicht leicht. Sie wächst als Rishi – als Leibeigene – beim Clan der Töpfer auf, in einer Gesellschaft, die von der Religion des Drachentempels durchdrungen und streng patriarchalisch strukturiert ist. Aber immerhin hat sie satt zu essen, ein Dach über dem Kopf und etwas zum Anziehen – bis sie eines Tages etwas tut, das sie besser nicht getan hätte. Denn die im Grunde kleine Nebensächlichkeit zieht unerwartete Folgen für ihren gesamten Clan nach sich. Und Zarq muss lernen, was wirkliche Armut bedeutet! Doch das ist nicht das Einzige, was sie lernt. Allem voran lernt sie zu hassen …

_Das kleine Mädchen_ hat es vor allem deshalb nicht leicht, weil es so selbstbewusst ist. Obwohl es die gesellschaftlichen Normen im Grunde nicht in Frage stellt, neigt sein Temperament dazu sich aufzulehnen. Dazu kommt, dass seine Mutter aus dem Volk der Djimbi stammt, das auf der alleruntersten Stufe der gesellschaftlichen Hierarchie steht. Von dieser Mutter, die sowohl über die Weisheit als auch die Magie des Dschungelvolkes verfügt, lernt Zarq, Traditionen nicht als unfehlbar anzusehen, sondern ihren eigenen Kopf zu benutzen.

Insgesamt geht die Charakterzeichnung allerdings ziemlich im Entwurf der Welt unter. Ja, Zarq ist intelligent, zäh und leidet durch den frühen Tod der Eltern unter Verlustängsten. Ihr Denken und Fühlen ist nachvollziehbar. Und doch gelingt es dem Leser nicht, ihr wirklich nahe zu kommen. Zu erdrückend wirken die Umgebung und die Umstände, unter denen Zarq aufwächst.

_Dabei ist die Welt_, welche die Autorin da entworfen hat, gar nicht so fantastisch. Tatsächlich beschränken sich die Fantasyelemente auf die Magie der Djimbi und das Vorkommen von Drachen. Der Rest hat eine Menge Paten in unserer Realität. Fast scheint es, als hätte Janine Cross sich bei einer Vielzahl fremder, mehr oder weniger exotischer Kulturen die grausamsten Aspekte herausgesucht, um sie zu einer neuen Kultur zusammenzusetzen.

Das fängt schon damit an, dass Frauen nicht nur dem Mann untergeordnet, sondern auch religiös unrein sind, und zwar in jeder Hinsicht. Frauen wohnen in Häusern auf Pfählen, damit keine ihrer Körperflüssigkeiten, egal ob Monatsblut, Urin, Speichel oder Tränen, den vom Drachen geheiligten Boden verunreinigen kann. Frauen werden zwischen den einzelnen Clans gelegentlich gehandelt wie eine Ware, um das Blut des Clans aufzufrischen. Frauen dürfen den Männern nicht widersprechen, ja, außerhalb ihres Wohnortes dürfen sie überhaupt keine Männer ansprechen.

Aber auch die männlichen Rishi haben es nicht leicht. Jedes Jahr wählt der Drachenmeister unter den Rishi Jungen aus, die den Drachen als Diener zur Verfügung gestellt werden. Dies mag eine Ehre und künftigen Wohlstand für den jeweiligen Rishi-Clan bedeuten, doch für die Jungen bedeutet es eine Menge Qualen und Entbehrungen. Denn die göttlichen Drachen sind hochgiftig, und jedes Jahr aufs Neue müssen die Jungen beweisen, dass sie dieses Dienstes würdig sind – in einer grausamen und demütigenden Zeremonie vor den Augen aller Stadtbewohner.

Selbst zu ihren Göttern, den Drachen, ist die Religion des Drachentempels nicht gerade freundlich. Da in Gefangenschaft keine Bullen zur Welt kommen, werden sie im Dschungel gefangen. Einen Drachenbullen zu besitzen, ist wichtig für die Stadt, denn von der Drachenzucht hängen sowohl die Macht als auch der Wohlstand eines Fürsten ab. Vielen Jungdrachen werden allerdings schon bei der Geburt die Flügel amputiert und die Giftdrüsen entfernt; sie fristen den Rest ihres Lebens als Arbeitstiere oder als Zuchtstuten. Nur einige Jährlinge werden in grausamem Drill zu Reittieren für die adligen Krieger ausgebildet.

Dazu kommt noch einen extrem lebensfeindliche Umwelt: Die Jahreszeiten bestehen aus glühender Hitze, sintflutartigem Regen und Dauernebel. Das Land ist, außer dort, wo sich Städte befinden, von dichtem Dschungel bedeckt, der überquillt von stechenden Insekten, giftigen Schlangen und gefährlichen Raubtieren sowie diversen Krankheitserregern.

_Die Handlung_ ist vom Aufbau her zweigeteilt. Sie beginnt mit einem Prolog über Zarqs persönliche Katastrophe, um dann zu erzählen, wie es dazu kam. Der weitere Verlauf des Buches schließlich berichtet von den Folgen dieser Ereignisse. Auch die Örtlichkeit ist zweigeteilt. Die Rückblende spielt sich ausschließlich in der Stadt ab, während ein Großteil der späteren Handlung in einem Kloster im Dschungel stattfindet.

Der Handlungsverlauf ist erstaunlich unspektakulär. Genau betrachtet, ist es eigentlich eine Gesellschaftsstudie und nebenbei das Psychogramm einer geistig zerfallenden Frau, Zarqs Mutter, wenngleich dieser Aspekt später wegfällt. Erst ab diesem Punkt kommt die Magie stärker ins Spiel, bleibt aber zum größten Teil noch eher in Andeutungen stecken.

Im Großen und Ganzen ist das alles auch gar nicht schlecht gemacht. Die Autorin schreibt flüssig und lebhaft, gelegentlich überraschend derb, und ihre Sprache entwickelt einen regelrechten Sog, der selbst Details sehr realistisch und lebendig wirken lässt. Das gilt vor allem für die Zustände und Ereignisse im Kloster. Das erbärmliche Essen, die harte Arbeit, Beschneidung, Drogensucht – das alles wirkt in seiner Lebensechtheit fast wie eine Dokumentation über die Ärmsten der Armen in irgendeinem Entwicklungsland.

Eigentlich ist die Fähigkeit zu so intensiver Darstellung ja positiv zu bewerten. Aber alles hat seine Grenzen. Auch auf die Gefahr hin, ein Spießer zu sein, aber Sex mit Tieren – und sei es unter dem Versuch, die Sache als mystische Erfahrung mit einem weisen, göttlichen Wesen darzustellen – war mir dann doch zu viel!

Dann brach die Handlung auch noch so unvermittelt mitten in einer Szene ab, dass sich mir der Verdacht aufdrängt, dass hier wieder mal ein Buch in Stücke gehackt wurde. Sollte das der Fall sein – was ich nicht hoffe, denn |Heyne| war bisher immer die erfreuliche Ausnahme dieser unangenehmen Praxis -, dann hat der Verlag sich damit keinen Gefallen getan. Denn nach gut fünfhundert Seiten sozialkritischer Zustandsbeschreibung wäre es mal an der Zeit, dass die Protagonistin aktiv wird. Genau an dieser Stelle aber, als nach all den dramatischen Leidenserfahrungen mal Umwälzungen in Gang zu kommen und die Handlung Fahrt aufzunehmen scheinen, bricht das Buch ab. Die dramatischste Stelle bleibt damit der Prolog – so etwas wie einen Spannungsbogen sucht man vergeblich.

_Mein Eindruck_ ist daher etwas zwiespältig. Die erste Hälfte des Buches fand ich tatsächlich interessant, große Teile der zweiten dagegen haben mich eher abgestoßen als fasziniert. Und ich bin mir nicht sicher, ob der nächste Band das Versprechen von Veränderung halten wird oder ob Zarq nicht einfach nur an einen dritten Ort gelangt, an dem sie weiter leiden wird, nur eben auf andere Art und Weise als bisher. Mein Interesse an der Fortsetzung hält sich deshalb in Grenzen, denn eine detaillierte Studie über soziale Ungerechtigkeiten innerhalb der Tempelhierarchie gemischt mit neuerlichen transzendenten Höhepunkten muss ich nicht unbedingt haben!

Mir hat Anne Bishop, mit der Janine Cross auf dem Klappentext verglichen wird, wesentlich besser gefallen. Auch im [Juwelenzyklus 3526 finden sich erotische und grausame Details, allerdings auch freundliche, warmherzige, humorvolle Szenen, die bei Janine Cross nahezu völlig fehlen. Ich würde die Drachenthronsaga weniger als dunkle denn als düstere Fantasy bezeichnen, wobei sich der Eindruck des Fantastischen durch die geringe Ausarbeitung der Details im Zusammenhang mit der Magie im Vergleich zu den so eindringlich beschriebenen Szenen des Elends massiv in Grenzen hält.

_Janine Cross_ ist gebürtige Kanadierin, war als junge Frau aber ein ausgesprochen unruhiger Geist, den es nicht Zuhause hielt. Im Alter von achtzehn Jahren machte sie sich auf gen Osten, zu Fuß, mit Segeln und Pedalen, besuchte den Nahen Osten, Ägypten, Asien und Australien. Die Eindrücke, die sie von dort mitbrachte, haben auf ihren ersten Roman unübersehbar Einfluss genommen. Außer der Drachenthronsaga, deren zweiter Band im Oktober unter dem Titel „Im Bann des Feuers“ in die deutschen Buchläden kommt, hat Janine Cross noch einige Kurzgeschichten geschrieben. Sie lebt heute mit ihren beiden Kindern in North Vancouver.

|Originaltitel: Touched by Venom
Übersetzt von Wolfgang Thon
Taschenbuch, 512 Seiten|
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Berkeley, Jon – 212 Könige, Die (Die unglaublichen Abenteuer von Miles und Little 2)

Band 1: [„Das gestohlene Lachen“ 3839

Nach ihrem haarsträubenden Abenteuer in der Hauptstadt leben Miles und Little nun zusammen mit den anderen Kindern bei Lady Partridge in deren Landhaus – zumindest bis der Zirkus der Brüder Bolsillo nach Larding kommt.

Die drei Clowns, die Miles und Little im Palast des Lachens gegen den Großen Cortado beigestanden haben, wollen Little für eine Saison mit auf Tournee nehmen. Sie hoffen, dass Littles Musik dabei hilft, den Menschen ihr gestohlenes Lachen zurückzugeben. Also begleiten Miles und Little die drei Brüder. Aber wie sie nur zu bald erfahren, ist der Große Cortado aus der Psychiatrie ausgerissen und nun auf der Suche nach dem Jungen, der ihm so gründlich die Tour vermasselt hat …

_Die Charaktere_ sind größtenteils dieselben wie im ersten Band. Dadurch, dass Miles und Little die Bolsillos begleiten, verschiebt sich die Gewichtung ein wenig von Lady Partrigde und Bolzenglas weg hin zu den drei Clowns, aber wirklich neu ist nur Doktor Tau-Tau. Doktor Tau-Tau ist Wahrsager und ausgesprochen überzeugt von sich selbst, obwohl er meistens ziemlich danebenliegt. Abgesehen davon ist er ein wenig konfus und ziemlich ängstlich. Und er hütet offensichtlich ein Geheimnis.

Wie die übrigen Charaktere ist auch Doktor Tau-Tau sehr gut dargestellt und passt hervorragend in das Sammelsurium aus kuriosen, etwas schrägen Typen, die Jon Berkeleys Roman bevölkern. Aber obwohl die Charakterzeichnung problemlos mit dem Vorgängerband mithalten kann, gelingt es ihr diesmal nicht, ihren vollen Charme zu entfalten, vielleicht deshalb, weil Doktor Tau-Tau diese Aufgabe diesmal fast allein erfüllen muss. Erst als gegen Ende des Buches der Zirkus wieder nach Larding zurückkehrt und auch die anderen Figuren wie Lady Partridge und die örtlichen Polizisten, allen voran Sergeant Brumley, wieder auftauchen, wird dieser Aspekt wieder etwas lebendiger und spritziger.

_Neu sind_ auch die Firbolk, ein Völkchen wilder, kleiner, behaarter Leutchen, die unter der Erde wohnen und einst ein magisches Artefakt verliehen haben, das sie nun zurückhaben wollen. Dummerweise ist die Frau, die sich das Artefakt geliehen hat, inzwischen verstorben, und dummerweise hat ihr Sohn – Miles – keine Ahnung davon, worum es bei dieser ganzen Sache geht. Aber natürlich wäre er nicht Miles, wenn er nicht unbeirrt versuchen würde, etwas darüber herauszufinden. Leider sind alle Leute, die seine Mutter kannten, in dieser Angelegenheit äußerst zugeknöpft!

Da das Rätsel, das Miles diesmal zu knacken hat, mit seiner Mutter zusammenhing, bedeutet die Auflösung gleichzeitig eine Rekonstruktion seiner Familiengeschichte. Und schon bald zeigt sich, dass alles irgendwie miteinander zusammenhängt: der Große Cortado, Miles‘ Mutter, der Tiger, ja sogar das Zero sind Teil der ganzen Geschichte; und offenbar war es kein Zufall, dass ausgerechnet Miles mitten in dieses Abenteuer hineingestolpert ist.

Und während der Leser damit beschäftigt ist, häppchenweise die Informationen zusammenzusetzen, dreht der Zirkus seine Runde und kehrt zum Ausgangspunkt zurück. Viel passiert auf dieser Reise folglich nicht; die Handlung ist wesentlich ruhiger als im ersten Band. Die Vergangenheit steht diesmal im Vordergrund, und selbst die kurze Turbulenz, die Miles‘ und Tau-Taus Ausflug zu den Firbolg auslöst, dient nicht nur der Belebung der Handlung, sondern gleichzeitig der Weitergabe zusätzlicher Informationen. Richtig aufregend wird es diesmal erst gegen Ende, als der Zirkus schon fast wieder Larding erreicht hat. Das Ausbüchsen des Zero und die letzte Zirkusvorstellung in Larding bringen noch einmal kräftig frischen Wind in die Ereignisse.

_Bleibt zu sagen_, dass trotz vieler netter Ideen wie jene mit den Uhren und den Ratten und auch Bolzenglas‘ Zusammentreffen mit Doktor Tau-Tau dieser zweite Band ein wenig hinter dem ersten zurückgeblieben ist. Natürlich ist die Rätselei um Miles‘ Eltern und das Tigerei durchaus interessant, und die Szene am Höllenschlund ist wirklich drollig. Insgesamt fehlt dem roten Faden, den hier die Suche nach der Vergangenheit stellt, aber ein wenig der Sog, die Dringlichkeit, die der Rettungsaktion von Miles‘ Bärchen Mandarine innewohnte.

Für Kinder zwischen zehn und zwölf Jahren, für die manche Zusammenhänge wahrscheinlich noch nicht so offensichtlich sind wie für Erwachsene, stellt diese Fortsetzung aber immer noch eine nette und liebenswerte Lektüre dar.

_Jon Berkeley_ stammt aus Dublin und lebt in Katalonien. Nach zwanzigjähriger Tätigkeit als Illustrator begann er mit „Das gestohlene Lachen“ die Trilogie um Miles und Little. Wann der dritte Band erscheint, ist allerdings noch offen.

http://www.ravensburger.de

Briggs, Patricia – Rabenzauber

Tieragan kommt aus dem Krieg. Er hat einen weiten Weg hinter sich, das Wetter ist mies, und der junge Mann freut sich auf ein trockenes Gasthaus und eine warme Mahlzeit. Stattdessen platzt er mitten in eine prekäre Situation: Auf dem Marktplatz brennt ein Scheiterhaufen, und im Wirtshaus ist der Wirt gerade dabei, die Schwester des Hingerichteten zu verkaufen, weil sie die überhöhte Rechnung nicht begleichen kann.

Spontan kauft Tieragan das junge Mädchen und macht sich mit ihm aus dem Staub. Dass der andere Interessent ihnen folgt und versucht, Tieragan zu töten und das Mädchen in seine Gewalt zu bringen, dem misst der junge Soldat zunächst keine Bedeutung bei. Erst viel später wird er sich daran erinnern, als es fast schon zu spät zu sein scheint …

Patricia Briggs hat mit den meisten Figuren in diesem Roman keine reine Charakterzeichnung abgeliefert. Der Großteil der Personen besitzt dafür besondere magische Begabungen, die so stark ausgeprägt sind, dass sie die eigentliche Persönlichkeit massiv beeinflussen.

Bei Seraph, dem Mädchen aus dem Wirtshaus, hält es sich noch am ehesten in Grenzen. Der Rabe ist das Symbol für den Zauberer und seine Gabe mehr mit Fähigkeiten gleichzusetzen als mit Eigenschaften. So kann Seraph – neben allgemeinen Kleinigkeiten wie einen Bann weben, mit Magie Feuer anzünden und Ähnliches – in einer Art Vision die Vergangenheit von Dingen sehen, die sie berührt. Allerdings ist für die Ausübung dieser Gabe Selbstbeherrschung notwendig, die Seraph sich immer wieder neu erarbeiten muss, denn eigentlich ist sie sehr gefühlsbetont, und ihre Gefühle, vor allem Trauer und Angst, neigen dazu, in Zorn umzuschlagen.

Die Eule dagegen, Symbol für den Barden, verleiht die Macht der Musik. Ein Barde kann durch seine Magie dem Inhalt seiner Lieder zusätzliche Substanz verleihen in Bildern, Geräuschen, ja sogar Gerüchen. Er kann die Aufmerksamkeit seiner Zuhörer an sich binden, sie beeinflussen und im Extremfall sogar seinem Willen unterwerfen. Niemand kann einen Barden anlügen, ohne dass dieser es merkt. Bei einer solchen Macht stellt sich schon die Frage, ob Tieragans ausgeprägte Menschenkenntnis und seine überdurchschnittlichen diplomatischen Fähigkeiten zu seiner Person gehören oder zu seiner magischen Gabe.

Noch extremer ist es beim Adler. Der Adler ist der Beschützer und gegen Magie von außen nahezu unempfindlich. Seine eigene Magie jedoch, die Gabe des Hüters, ist zornig, aufbrausend und kann ziemlich mörderisch werden. Gleichzeitig sind alle Adler Empathen, also Menschen, die andere, vor allem deren Gefühle, spüren und verstehen können. So kann der Leser nie ganz sicher sein, ob das Einfühlungsvermögen von Jes Tieraganssohn oder seine Reizbarkeit in der Nähe von Menschenmengen oder bei Streit Aspekte seines eigenen Wesens sind oder eine Folge der Tatsache, dass er Adler ist.

Die Personen ohne Gabe, wie Tieragans zänkische Schwester, sein gutmütiger Schwager oder der freundliche Prister seines Heimatdorfes, sind eher Randfiguren. Nur einer davon ist wirklich wichtig: Phoran, der Kaiser des Reichs. Ein noch junger Mann, durchaus intelligent, aber einsam, ohne jedes Selbstbewusstsein und seit einiger Zeit schier erstarrt in Angst vor einem Geist, der ihn jede Nacht heimsucht. Er vertut seine Tage mit Gelagen und Huren, bis ihm irgendwann der Verdacht kommt, dass der einzige Mann, den er seinen Freund nennt, ihn womöglich ebenso verachtet wie der Rest seiner Umgebung.

Mir haben eigentlich alle Figuren in dieser Geschichte gut gefallen. Selbst die Nebenrollen besitzen ziemlich viel Persönlichkeit und wirken lebendig. Und auch die enge Verbindung zwischen Gabe und Charakter bei den Protagonisten empfand ich eher als Vorteil. Dadurch, dass die Übergänge fließend sind, wird die Magie mehr zu einem Teil der Person, was vor allem im Falle von Tieragan und Jes zu sehr exotischen und faszinierenden Ergebnissen geführt hat.

Dem Entwurf ihrer Welt hat die Autorin zunächst scheinbar wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Ein Kaiserreich, ein beendeter Krieg, Fürsten, denen das Land gehört, Dörfer, Städte, der Palast in der Hauptstadt Taela … nichts Ungewöhnliches. Außerhalb dieses Gefüges aber gibt es noch die Reisenden, die von der übrigen Bevölkerung beargwöhnt, abgelehnt, ja oft genug sogar gehasst werden. Die Reisenden sind nicht etwa vergleichbar mit fahrendem Volk, sie sind kein Jahrmarkt oder Zirkus. Die Reisenden sind nur deshalb unterwegs, weil sie vor Jahrhunderten ihre Heimat verloren. Eine riesige Dummheit hatte grausame Konsequenzen, und nun versuchen die Reisenden, mit Hilfe ihrer magischen Gaben die angeschlagene Balance der Schöpfung zu erhalten. Nur ganz allmählich entwickelt die Autorin diese fantastische Seite ihrer Welt, weitet sie aus über Legenden und altes Wissen der Reisenden, bis sie irgendwann bei der Historie angekommen ist und schließlich den Kern der Geschichte stellt.

Bis dahin haben Tieragan, Seraph und ihre Kinder einige Turbulenzen zu überstehen. Denn ein Geheimbund versucht nicht nur, die Macht des Kaisertums auszuhöhlen, sondern auch, die Gaben der Reisenden an sich zu bringen – durch Entführung, Magie und Mord. Gleichermaßen durchtrieben und hinterlistig wie auch mit roher, rücksichtsloser Gewalt strebt irgendwo jemand nach unbeschränkter Macht. Die Familie macht sich auf die Suche, und tatsächlich begegnen ihr genügend Leute, die in die geheimen Machenschaften des Geheimbunds verwickelt sind. Doch keiner dieser Solsenti-Zauberer – der Unbegabten, die Magie nur mit Hilfe von Formeln und Ritualen beherrschen können – scheint der Anführer zu sein …

Tatsächlich hält die Autorin ihren obersten Bösewicht lange Zeit geheim. Auf ziemlich gemeine, höchst gelungene Art streut sie erst einen Verdacht, um ihn dann gleich wieder zu entkräften, und das macht sie so oft, dass der Leser den einen, entscheidenden, aber ziemlich unauffälligen darunter irgendwann zu übersehen droht. Das macht den Bösewicht nur umso interessanter, denn erst beim Showdown zeigt er das wahre Ausmaß seiner Boshaftigkeit. Es ist, als säße die ganze Zeit eine lauernde Spinne im Raum. Aber man sieht sie nicht. Nicht etwa deshalb, weil sie sich versteckt oder sich nicht rührt, sondern weil sie keinerlei sichtbare Ähnlichkeit mit einer Spinne hat.

Dieser Spannungsbogen trägt allerdings vor allem den zweiten Teil. Der erste Teil lebt von den diversen kleinen Scharmützeln gegen größere und kleinere Bedrohungen, die nicht mal alle dem Geheimbund angehören. Sie alle bieten Spannung, die nach dem Duell zwar schnell wieder abebbt, aber jedes Mal weitere und natürlich schwierigere Kämpfe in Aussicht stellt. Und wenn tatsächlich mal kein Kampf in Sicht ist, dann widmet sich die Autorin den Konflikten zwischen Reisenden und dem Rest der Bevölkerung oder zwischenmenschlichen Beziehungen innerhalb der Gruppe, was aufgrund der ungewöhnlichen Persönlichkeiten niemals langweilig ist.

Alle diese Bestandteile – die faszinierenden Charaktere, die Details ihrer Welt, die Spannungsbögen der Handlung – hat die Autorin lückenlos zusammengefügt. Alles ist überall miteinander verbunden, alles hängt miteinander zusammen, ohne dass es irgendwo knirscht oder knackt. Eine runde Sache, die ich sehr gerne gelesen habe.

Als sehr positiv empfand ich auch, dass Heyne, anstatt Bücher auseinanderzureißen, wie andernorts zur Zeit Mode, lieber zwei Teile zusammengefasst hat. Wie „Drachenzauber“ ist auch „Rabenzauber“ im englischen Original ein Zweiteiler. Und obwohl die Autorin zu Beginn des zweiten Teils noch gelegentlich Hinweise auf den ersten gibt, um das Verständnis zu erleichtern, war sie damit nicht allzu großzügig. Das Wegfallen einer größeren Veröffentlichungspause kommt dem Leser hier zusätzlich entgegen. Und auch das Lektorat war diesmal ausgesprochen gut.

Patricia Briggs schreibt bereits seit fünfzehn Jahren. Neben den Zweiteilern „Drachenzauber“ und „Rabenzauber“ schrieb sie einige Einzelromane wie „When Demons Walk“ oder „The Hob’s Bargain“ und wirkte in Anthologien mit, darunter „Silver Birch, Blood Moon“ und „On The Prowl“. Einige ihrer Bücher sind bereits wieder out of print. Außerdem schreibt sie derzeit an ihrer Mercedes-Thompson-Serie, die im englischen Original inzwischen bis Band vier gediehen ist. Der erste Band ist auf Deutsch bereits erschienen unter dem Titel „Ruf des Mondes“. „Bann des Blutes“ soll im Juli dieses Jahres, „Spur der Nacht“ im Februar 2009 in die Buchläden kommen.

Taschenbuch 990 Seiten

Originaltitel: „Raven’s Shadow“ und „Raven’s Strike“

Deutsch von Regina Winter

ISBN-13: 978-3453523159

http://www.heyne.de
http://www.hurog.com
http://www.patriciabriggs.com

 

Fallon, Jennifer – unsterbliche Prinz, Der (Gezeitenstern-Saga 1)

_Cayal_ hat einige Anstrengungen unternommen, um auch wirklich ganz sicher geköpft zu werden. Nur leider konnte er nicht wissen, dass der Henker zur Zeit in Urlaub ist, um seine kranke Mutter zu besuchen. Deshalb soll Cayal nun gehängt werden, und das ist in seinem Fall eine absolute Zeitverschwendung. Nur leider glaubt ihm das keiner.

Dass ein Mann so lange am Galgen hängen kann, ohne zu sterben, hat natürlich Konsequenzen. Declan Hawkes, der Erste Spion des Königs, sucht höchstpersönlich das Gefängnis auf, um sich den Mann anzusehen, der inzwischen behauptet, ein Gezeitenfürst zu sein, ein Unsterblicher. Hawkes beschließt, seine Freundin Arkady als Sachverständige hinzuzuziehen. Die junge Historikerin, die ganz nebenbei auch noch die Ehefrau des regierenden Fürsten ist, soll herausfinden, ob der Kerl lügt oder verrückt ist. Doch es kommt alles ganz anders …

_Die Charaktere_ in diesem Buch sind erfrischend unverbraucht. Da wäre zunächst einmal Cayal, genannt der unsterbliche Prinz, ein Attribut, auf das er nur zu gern verzichten würde. Schon seit geraumer Zeit sucht er einen Weg, sich umzubringen. Die Ewigkeit ödet ihn an, und außerdem trägt er eine ganze Menge böser Erinnerungen mit sich herum, auf die er getrost verzichten könnte. Dabei wäre er eigentlich kein allzu übler Kerl. Tatsächlich hat gerade die Tatsache, dass er zum falschen Zeitpunkt ein wenig zu anständig war, ihm letztlich die unerwünschte Unsterblichkeit eingebrockt. Trotzdem hat er in seinem langen Leben eine ganze Menge unschöner Dinge getan, die ihn jetzt in seinen Träumen verfolgen. Abgesehen davon hat ihn der Lauf der Welt bis zur Depression desillusioniert.

Arkady dagegen hat sich mit ihrem Leben arrangiert. Dass es auf einem ganzen Berg von Lügen aufgebaut ist, macht die Sache zwar nicht unbedingt einfach, andererseits erlaubt ihre Position, dass sie Dinge tut, die sie als Tochter eines verarmten Arztes niemals hätte tun können. Zum Beispiel als Historikerin arbeiten. Oder sich um die Crasii in den Slums von Lebec kümmern. Arkady besteht auf ihre Unabhängigkeit, sie ist selbständig, wissbegierig und eine ausgesprochene Rationalistin. Außerdem ist sie eine treue Verbündete ihres Mannes Stellan, mit dem sie zwar keine Liebe verbindet, aber dafür eine gute Freundschaft.

Denn Stellan ist schwul. Das ist eine ziemlich ernste Angelegenheit, sie könnte Stellan seine Provinz kosten, sollte der König davon erfahren. Dabei ist Stellan eine seiner größten Stützen, nicht nur, weil er ein hervorragender Verwalter und ein treuer Gefolgsmann ist, sondern auch, weil er über außergewöhnliches diplomatisches Geschick verfügt. Und nicht zuletzt, weil er der Einzige ist, der so etwas wie Einfluss auf den leichtsinnigen jungen Kronprinzen hat. Die größte Schwäche des freundlichen und sanftmütigen Fürsten ist allerdings sein Geliebter Jaxyn.

Jaxyn ist ein leichtlebiger, windiger Bursche, charmant, intelligent, gutaussehend und ein wenig arrogant. Er liebt den Luxus und lässt sich von Stellan genüsslich freihalten. Offiziell bekleidet er das Amt eines Zwingerverwalters, und tatsächlich kann er mit den Crasii erstaunlich gut umgehen. Arkady aber mag ihn nicht, was Jaxyn ein wenig hinderlich ist. Denn inoffiziell ist er nicht nur Stellans Geliebter, sondern noch etwas weit Gefährlicheres …

Dazu kommt eine größere Anzahl weiterer Personen, und diese alle sind sehr glaubwürdig und lebendig beschrieben, vor allem die Darstellung von Cayals lebensmüdem Abscheu gegen die Welt, diese Mischung aus naivem Held und Unmenschlichkeit, die nur durch seine massiven Gewissensbisse gemildert wird, aber auch der Kampf zwischen Arkadys rationalem Denken und dem Offensichtlichen, jedoch für sie Unglaublichen ist hervorragend gelungen.

_Ihrer Welt_ hat die Autorin dieselbe Sorgfalt angedeihen lassen. Amaryntha war eine Welt wie jede andere, bis die Ewige Flamme vom Himmel fiel und zwei Männern sowie einer Ratte Unsterblichkeit verlieh. Das wäre an sich noch nicht sooo schlimm gewesen, gäbe es da nicht eine ziemlich unangenehme Nebenwirkung: Diejenigen, die die Ewige Flamme überleben, verfügen fortan über eine Verbindung zum Gezeitenstern. Und wenn diese Verbindung stark genug ist, verleiht sie den Unsterblichen ungeheure magische Macht. Vorausgesetzt, es ist Flut!

Denn die Magie des Gezeitensterns unterliegt – logisch – den Gezeiten. Bei Flut sind die Gezeitenfürsten ungeheuer mächtig, bei Ebbe sind sie nahezu völlig machtlos. Überhaupt gibt es unter all den Unsterblichen nur wenige echte Gezeitenfürsten. Das hindert die anderen Unsterblichen aber nicht daran, sich wie Götter aufzuführen und verehren zu lassen. Und es hindert die ganze Horde nicht daran, einander ständig in kleinlichen Fehden zu bekriegen und dabei immer wieder ganze Kontinente zu entvölkern. Aus nachvollziehbaren Gründen sind die Gezeitenfürsten bei den Menschen nicht allzu beliebt, was dazu führt, dass sie sich bei Ebbe in der Regel irgendwo verkriechen, bis die Gezeiten wieder wechseln. Ein interessantes Szenario.

Zusätzliche Facetten erhält das Ganze durch die Crasii, eine Mischung aus Mensch und Tier, die die Gezeitenfürsten einst schufen, um jederzeit über bedingungslos gehorsame Sklaven verfügen zu können. Abgesehen von dem ihnen angezüchteten Gehorsam gegenüber den Gezeitenfürsten und dem damit verbundenen besonderen Wissen über die Unsterblichen, das den Menschen in der letzten, besonders lang andauernden Ebbe verlorengegangen ist, zeichnen sie sich durch eine ungewöhnliche Verbindung von tierischen und menschlichen Verhaltensweisen aus, die manchmal verblüfft, manchmal auch betroffen macht.

Jennifer Fallon hat die Entwicklung ihrer Welt geschickt mit der eigentlichen Handlung verwoben, indem sie Cayal aus seiner Vergangenheit erzählen lässt. Da er sich dabei nicht an die chronologische Reihenfolge hält, ist der Bericht lückenhaft, was geschickterweise dafür sorgt, dass der Leser nicht zu Beginn schon zu viel erfährt. Tatsächlich stellt der Leser nach gut siebenhundertfünfzig Seiten fest, dass im Grunde gar nicht viel passiert ist. Cayal landet nach seiner verpatzten Hinrichtung im Knast, kommt schließlich frei und flieht in die Berge, wo er gestellt wird.

Die eigentliche Geschichte spielt sich wieder mal nicht in einer rasanten Achterbahn ab, sondern zwischen den Personen der Geschichte. Das gilt auch für den historischen Teil von Cayals Erzählung, wo sich die entscheidenden Dinge zwischen den verschiedenen Unsterblichen ereignen. Durch die zwei verschiedenen Handlungsstränge und die doch relativ hohe Anzahl von Personen auf beiden Seiten gibt es eine ganze Menge zu erzählen, sodass es trotz des relativ ruhigen Handlungsverlaufs niemals langweilig wird, selbst wenn es nicht ständig atemberaubend spannend bleibt. Tatsächlich baut die Autorin ihre Spannung ganz allmählich auf, sodass ich den genauen Zeitpunkt gar nicht so richtig festmachen kann.

_Auf jeden Fall_ hat mir diese Einleitung zur |Geizeitenstern|-Saga sehr gut gefallen. Die Charaktere sind sehr lebendig und angenehm klischeefrei, der Hintergrund ist sowohl vom Entwurf her interessant als auch mit einer Menge noch ungelöster Geheimnisse gespickt, und die Handlung, obwohl bisher eher ruhig gehalten, bietet sowohl Möglichkeiten für größeres Tempo und mehr Bewegung als auch für jede Menge Verwicklungen und Intrigen. Wenn die Fortsetzungen halten, was die Einleitung verspricht, dann wird das ein erstklassiger Zyklus.

_Jennifer Fallon_ stammt aus einer großen Familie mit zwölf Geschwistern. Sie hat in den verschiedensten Jobs gearbeitet, unter anderem als Kaufhausdetektivin, Sporttrainerin und in der Jugendarbeit. Letzteres scheint ihr immer noch nachzuhängen, denn unter ihrem Dach leben außer drei eigenen Kindern einige obdachlose Jugendliche als Pflegekinder. Schreiben tut sie nebenher. Ihre erste Veröffentlichung war die |Dämonenkind|-Trilogie, außerdem stammt die Trilogie |Second Sons| aus ihrer Feder. Die |Gezeitenstern|-Saga ist inzwischen bis Band drei gediehen, Band vier soll Ende des Jahres in Australien erscheinen. Wann der zweite Band auf Deutsch veröffentlicht wird, steht noch nicht fest.

|Originaltitel: The Immortal Prince
Ins Deutsche übertragen von Katrin Kremmler und Rene Satzer
652 Seiten
ISBN 978-3-8025-8146-5|
http://www.jenniferfallon.com
http://www.egmont-lyx.com

[„Kind der Magie“ 1328 (Dämonenkind Band 1)
[„Kind der Götter“ 1332 (Dämonenkind Band 2)
[„Kind des Schicksals“ 1985 (Dämonenkind Band 3)
[„Erbin des Throns“ 2877 (Die Chroniken von Hythria 1)
[„Ritter des Throns“ 3327 (Die Chroniken von Hythria 2)
[„Herrscher des Throns“ 3878 (Die Chroniken von Hythria 3)

Stecher, Rainer – Konzil von Atragon, Das (Atragon III)

Band I: [„Die Flamme von Atragon“ 4817
Band II: [„Rückkehr nach Atragon“ 4818

_Weitere fünf Jahre sind vergangen._ Die Menschen haben seit ihrer Befreiung aus Trong einige Siedlungen wieder aufgebaut und neue Felder angelegt. Doch der Großteil des Landes ist noch immer vergiftet und ausgedörrt. Trinkwasser und Nahrungsmittel sind heiß umkämpft. Doch der Anführer der gefährlichsten Räuberbande, Rogan, will mehr! Er will die Krone von Targona.

Adinofis hat derweil schreckliche Visionen, in denen die Menschen sich gegenseitig selbst vernichten. Doch das Ende der Menschen würde auch das Ende der Feen auf der Welt bedeuten, denn ohne die Menschen wären sie als Hüter des Lebens überflüssig. Um beider Völker und ihrer Liebe zu Cenotes willen versucht Adinofis, den drohenden Krieg abzuwenden. Sie beruft ein Konzil ein …

_Der dritte Band_ des |Atragon|-Zyklus ist mit knapp einhundertzwanzig Seiten der kürzeste der drei. Und der einzige neue Charakter ist Rogan. Rogan ist in Cenotes Alter, und er ist von königlichem Geblüt. Allerdings besitzt er keinerlei Verantwortungsgefühl, die Menschen unter seiner Führung sind ihm egal. Alles, was ihn interessiert, ist Macht. Cenotes dagegen versucht, sein Land wieder aufzubauen, indem er sein Volk unterstützt. Er lässt Lebensmittel verteilen, will Schulen einrichten und so weiter und so fort … Mit anderen Worten, ein Streit zwischen zwei Kontrahenten, die aufgrund ihrer eindimensionalen Darstellung komplett ins Klischee abrutschen.

Entsprechend wenig gibt auch _die Handlung_ her. Sie bewegt sich etwas umständlich und braucht daher eine Weile, bis sie in die Gänge kommt. So geht Rainer Stecher zunächst ausgiebig auf Ensine und Hesaret ein. Wobei ausgiebig nicht das richtige Wort ist. Im Grunde erzählt er diesen Teil der Handlung genauso knapp wie alles Übrige. Es hat nur keinerlei Auswirkungen auf die eigentliche Thematik der Handlung. Die kommt erst, als die beiden mit Cenotes zusammentreffen, und von da an tauchen sie kein einziges Mal mehr auf.

Auch Adinofis reagiert träge. Es dauert, bis ihre Unterhaltung mit Salina endlich mal zum Kern der Sache kommt, nämlich ihrer Vision. Und außerdem stellt sich die Frage, warum sie überhaupt so lange gewartet hat. Eine Hüterin des Lebens sollte eigentlich keine fünf Jahre zusehen, wie Räuber mordend und plündernd durch die Welt reiten. Als Adinofis dann endlich anfängt, etwas Konkretes zu unternehmen, ist das Buch schon wieder mit großen Schritten auf dem Weg zum Showdown.

Spannung hat sich bis dahin allerdings keine entwickelt. Vielleicht sollte das lange Hinhalten in Bezug auf Adinofis‘ Vision dazu dienen, die Sache spannender zu gestalten, funktioniert hat es allerdings nicht. Nicht einmal der drohende Zweikampf zwischen Rogan und Canotis ließ ein Gefühl von Aufregung oder Nervosität aufkommen. Einziger Höhepunkt des Buches war der Schluss, der mit einer echten Überraschung aufwarten konnte.

Abgesehen davon, dass die Handlung zwar Bewegung, aber kaum Aufregung bietet, hatte sie ein paar gravierende Haken. Vor allen Dingen wunderte ich mich, wo Rogan auf einmal herkam. Nicht, dass der Autor auch nur versucht hätte, es zu erklären. Es wird lediglich die Feststellung getroffen, dass der ehemalige erste Leibwächter König Argonats von seiner Zeit am Hofe erzählt habe, und daraus habe Rogan entnommen, dass er der rechtmäßige Thronerbe sei. Im ersten Band wird allerdings noch vom Getratsche der Leute über die Kinderlosigkeit der Königin berichtet. Cenotes war also ihr erstes lebendes Kind. Und für ein zweites dürfte keine Zeit mehr gewesen sein, denn nur wenige Tage nach Cenotes‘ Geburt wurde Tauron dem Erdboden gleichgemacht, und da Cenotes von der alten Hebamme Sidonis aufgezogen wurde, ist anzunehmen, dass die Königin nicht überlebt hat.

Mindestens ebenso erstaunlich war, dass Anja, die im zweiten Band als bereits gebeugte und ergraute, alte Frau beschrieben wird, im dritten auf einmal wieder aufrecht und mit dunklem Haar dargestellt wird. Außerdem ist mir bis jetzt noch nicht klar, warum ausgerechnet nach Adinofis‘ Versuch, Rogan zu beeinflussen, der beste Zeitpunkt sein sollte, Tauron anzugreifen. Andere Fäden, die ohnehin lose gewesen wären und die man nur hätte verknüpfen müssen, wurden dafür nicht weiterverfolgt. Zum Beispiel hat sich bis zum Ende des dritten Bandes nichts ergeben, das den Auftritt von Adinofis‘ Vater im ersten Band zwingend notwendig gemacht hätte.

_So ist der letzte Band_ ein seltsames Gemisch aus Szenen, die für die eigentliche Geschichte wichtig gewesen wären, aber so knapp erzählt waren, dass die Nachvollziehbarkeit beeinträchtigt wurde – wie die, als Rogan beschließt, Tauron anzugreifen, – und solchen, die ausführlicher behandelt wurden, obwohl das gar nicht nötig gewesen wäre – wie das Wiedersehen zwischen Hesaret und Ensine. Letztere sollte wahrscheinlich der Handlung mehr Stimmung und Farbe verleihen. Und womöglich wäre das auch gelungen – wenn auch der Rest der Handlung etwas mehr Leben und Farbe erhalten hätte.

Bleibt zu sagen, dass mit Ausnahme des Schlusses, der sich durch sein Überraschungsmoment und die ihm innewohnende Dramatik positiv vom Rest des Buches abhebt, der dritte Band der schwächste der Trilogie geworden ist. Nicht dass die Thematik eines Krieges zwischen Menschen weniger Gewicht besäße als die eines Krieges gegen einen übermächtigen Feind von außen, im Gegenteil. Es ist nur so, dass es dem Autor nicht gelungen ist, sein Anliegen – nämlich dass die Menschen sich selbst zerstören werden, wenn sie nicht aufhören, nach Geld und Macht zu gieren, anstatt einander mit Respekt und Liebe zu begegnen – so zu verpacken, dass es den Leser auch berührt. Stattdessen werden die Schlüsselphrasen auf geradezu schulmeisterliche Art mehrmals wiederholt, nicht nur im Klappentext, sondern auch im Prolog und in der Geschichte selbst sowie in den diversen Gedichten nach dem Ende der Geschichte. Irgendwann löste diese Wiederholung eine gewisse Gereiztheit bei mir aus.

_Die Trilogie insgesamt_ hätte durchaus ein vielschichtiges, interessantes und spannendes Werk werden können, wenn Rainer Stecher sich die Arbeit gemacht hätte, seine Ideen detailliert auszuarbeiten. Sprachlich war das Buch – abgesehen von der merkwürdigen Zeichensetzung, die ich allerdings eher dem Lektorat zur Last lege – durchaus gewandt und vielseitig. Es ist also nicht so, als wäre der Autor nicht in der Lage gewesen, mehr aus seiner Geschichte zu machen. Vielleicht wollte er einfach nicht. Sehr schade. Andererseits findet sich im hinteren Teil des Buches bei den Gedichten eines, das in die Zukunft weist. Vielleicht kommt ja noch ein vierter Band nach? Informationen waren dazu keine zu finden.

_Rainer Stecher_ ist gebürtiger Thüringer, lebt aber jetzt in Berlin. Mit dem Schreiben begann er auf Bitten seiner Kinder, zur Veröffentlichung des Manuskriptes überredete ihn sein Vater. Seither hat er nicht nur die |Atragon|-Trilogie geschrieben, sondern auch ein Kinderbuch mit dem Titel „Spindelfink – Wie ein Spatz fliegen lernte“ sowie Gedichte und eine Kurzgeschichte, die er zusammen mit anderen Autoren veröffentlicht hat.

http://www.atragon-online.de.vu
http://www.asaro-verlag.de

Roberson, Jennifer – Wolfssohn (Cheysuli 2)

Band 1: [„Dämonenkind“ 4409

Der zweite Teil der Neuveröffentlichung von Jennifer Robersons |Cheysuli|-Zyklus umfasst die Bände „Das Vermächtnis des Schwertes“ und „Die Spur des weißen Wolfs“.

Die erste Hälfte des Doppelbandes erzählt von Donal, dem Sohn von Alix und Duncan. Carillon hat ihn geschickt, um Aislinn von der Kristallinsel abzuholen. Zu seinem Schrecken muss Donal feststellen, dass Aislinn nicht unbeeinflusst geblieben ist. Und das ist es nicht allein. Schon kurze Zeit später erreicht die Nachricht von Electras Flucht den Palast in Muhjara. Das bedeutet erneut Krieg mit Solinde. Und als wäre das noch nicht genug, hält Osric von Atvia die Zeit für gekommen, den Tod seines Vaters zu sühnen …

Die zweite Hälfte ist wieder in der Ich-Form geschrieben, aus der Sicht von Donals Sohn Niall. Zusammen mit seinem Halbbruder Ian bricht er nach Atvia auf, um seine Cousine Gisella zu heiraten. Die Reise verläuft nicht ohne Hindernisse. Doch als Niall Atvia schließlich erreicht, muss er feststellen, dass seine bisherigen Schwierigkeiten nichts waren im Vergleich zu dem, was ihn nun erwartet!

_Die Fortsetzung ist damit in die nächste Generation weitergegangen. _Donal ist seinem Gefühl nach eigentlich Cheysuli, das eine Viertel homanischen Blutes zählt für ihn kaum. Umso schwerer ist es für ihn, sich in die homanische Welt einzufügen. Das fängt schon damit an, dass er um der Prophezeiung willen Carillons Tochter Aislinn heiraten muss, die für ihn eher wie eine Schwester ist, und das, obwohl sein Herz der jungen Sorcha gehört, die ihm bereits zwei Kinder geboren hat. Abgesehen davon, dass Donal mit einigen von Carillons Entscheidungen hadert, kommen auch massive Selbstzweifel dazu. Carillon ist bereits zu seinen Lebzeiten eine Legende, und Donal fürchtet, Carillons Fußstapfen könnten ihm viel zu groß sein. Es dauert eine ganze Weile, bis Donal bereit ist, tatsächlich Carillons Nachfolge anzutreten.

Aislinn ihrerseits hat schon als Kind gewusst, dass es in ihrem Leben niemals einen anderen Mann geben wird als Donal. Umso härter trifft sie die Erkenntnis, dass sie Donal mit Sorcha teilen soll. Doch Aislinn ist, obwohl nicht direkt mit Alix verwandt, mindestens genauso stur. Abgesehen davon ist sie eine starke und stolze junge Frau, und sie hat nicht die Absicht, eine Nebenbuhlerin zu dulden. Dies – zusammen mit der Tatsache, dass sie ihrer Mutter sehr ähnlich sieht und Electra sie massiv beeinflusst hat – wird zur schwerwiegenden Belastungsprobe für ihre Beziehung zu Donal, der sich davor fürchtet, ihr zu vertrauen.

Hatte Donal schon seine Probleme damit, Carillons Thron erben zu müssen, so hat Niall dieses Problem erst recht, denn im Gegensatz zu seinem Vater sieht er dem verstorbenen König auch noch ausgesprochen ähnlich! Und seine Mutter Aislinn lässt keine Gelegenheit aus, ihn an sein homanisches Erbe zu erinnern. Dabei wäre Niall viel lieber Cheysuli als Homaner, beneidet seinen Halbbruder Ian um dessen Aussehen und die unbewusste, wilde Anmut seiner Bewegungen. Vor allem aber leidet er darunter, dass er keinen Lir besitzt, obwohl er schon längst erwachsen ist, und dass ihm viele Cheysuli-Krieger deshalb die Anerkennung verweigern.

Doch das alles scheinen Kleinigkeiten im Hinblick auf die Ihlini. Denn auch hier hat es einen Generationenwechsel gegeben: Strahan ist Tynstars Sohn. Und obwohl er noch verhältnismäßig jung ist – für einen Ihlini! -, steht er seinem Vater in Grausamkeit und Intriganz in nichts nach. Lillith ist Tynstars Tochter und Strahans Halbschwester. Und sie kann ihrem Bruder locker das Wasser reichen.

Insgesamt ist die Charakterzeichnung genauso intensiv geraten wie die des Vorgängerbandes. Interessant fand ich außerdem einige Äußerungen von Tynstar und vor allem von Lillith in Bezug auf den Überlebenskampf der Ihlini. Zum ersten Mal wird hier eine Andeutung von Licht wahrnehmbar, das die andere Seite des Konflikts beleuchtet. Das macht Lillith nicht weniger gefährlich und weniger bösartig. Aber es leitet eine Entwicklung ein, die letztlich zwingend notwendig ist.

Denn die Prophezeiung verlangt ja nicht nur, dass vier Krieg führende Nationen sich vereinen müssen, sondern auch zwei verfeindete Völker. Und damit können nur Cheysuli und Ihlini gemeint sein. Vorerst scheint allerdings keines der beiden Völker an einer solchen Vereinigung auch nur annähernd interessiert. Kein Wunder bei den Vertretern, die die Ihlini bisher vorgeschickt haben. Aber das wird sich ändern. Und die Behutsamkeit, mit der die Autorin diese Veränderung einleitet, dürfte die Entwicklung realistisch halten.

_Was die Handlung betrifft_, so konzentriert sich die Autorin auch hier wieder hauptsächlich auf die inneren und zwischenmenschlichen Konflikte ihrer Figuren. Die Kriege mit Solinde und Atvia werden auch diesmal lediglich gestreift, Höhepunkte bilden da eher Donals Flucht von der Kristallinsel und Nialls Reisen nach Atvia und Valgaard. Die glaubwürdige Charakterzeichnung verhindert aber, dass es außerhalb der Actionszenen langweilig wird, zumal die Herausforderung, der Niall sich mit seiner Heirat stellt, einen ziemlich extravaganten Beigeschmack hat. Das Netz, in das er da hineingestolpert ist, ist schon ausgesprochen bösartig geknüpft!

Obwohl dieser zweite Band mit seinem Vorgänger problemlos mithalten kann, war ich zugegebenermaßen gelegentlich doch ziemlich ungehalten. Schon im ersten Band und noch weitaus mehr im zweiten empfand ich es als ziemlich unfair, dass die Cheysuli in Gegenwart eines Ihlini nicht auf ihre Magie zugreifen können, die Ihlini dagegen schon. Vor allem aber zwingt diese Prophezeiung Menschen derart rücksichtslos ihren Willen auf, dass es schon diktatorisch zu nennen ist, vor allem, da die Waffen so offensichtlich ungleich verteilt sind. Natürlich dient das dazu, die Leistung der Protagonisten nur umso heldenhafter erscheinen zu lassen. Ich find’s trotzdem unfair!

Dafür habe ich festgestellt, dass der von mir monierte Fehler in der Geographie gar keiner war. Denn Solinde liegt nicht südlich von Homana, sondern westlich davon, Solinde und Homana haben folglich beide Anteil am Gebirge im Norden. Tja, auch ein Rezensent ist nicht unfehlbar, und wer Karten lesen kann, ist klar im Vorteil!

_Bleibt zu sagen_, dass ich die Neuauflage dieses Zyklus durchaus begrüße. Er mag zwar nicht viel Neues bieten, wie kürzlich jemand dazu meinte, aber das muss ein Buch, das bereits zwanzig Jahre alt ist, auch nicht wirklich. Auf jeden Fall ist es einfallsreich und spannend erzählt und kann meiner Ansicht nach noch immer locker mit dem Gros an Neuerscheinungen mithalten. Angenehm ist auch, dass |Heyne| den nächsten Band bereits im Juni unter dem Titel „Die Tochter des Löwen“ in die Buchläden schickt, sodass der Leser bis zur Fortsetzung nicht schon wieder die Hälfte vergessen hat.

_Jennifer Roberson_ studierte englische Geschichte und war zunächst als Journalistin tätig, ehe sie Bücher zu schreiben begann. Der |Cheysuli|-Zyklus war ihr erstes Werk, seither hat sie eine ganze Reihe von Zyklen, Einzelromanen und Kurzgeschichten geschrieben, darunter die |Schwerttänzer|-Saga sowie die Historienromane „Lady of the Forest“ („Herrin der Wälder“, dt. 1996) und „Lady of Sherwood“ („Die Herrin von Sherwood“, dt. 2002). Die Autorin lebt mit einem Rudel Hunde und Katzen in Flagstaff/Arizona.

|Originaltitel: Chronicles of the Cheysuli: Legacy of the Sword; Track of the White Wolf, 1986/87
943 Seiten
Aus dem US-Englischen von Karin König|
http://www.cheysuli.com
http://www.heyne.de

Siehe ergänzend dazu auch die ausführliche [Rezension 4798 von Michael Matzer.

Trudi Canavan – Götter (Das Zeitalter der Fünf 3)

Das Zeitalter der Fünf

Band 1: Priester“
Band 2: Magier“
Band 3: „Götter“


Seit Auraya nach Si gegangen ist
, sind die Weißen nur noch zu viert. Um das Gleichgewicht wieder herzustellen, müssen die Götter einen Nachfolger bestimmen. Ihre Wahl fällt auf die junge Ellareen, eine Heilerin aus dem Hospital, in dem Zirkler mit Traumwebern zusammenarbeiten.

Auraya macht derweil die Bekanntschaft einer Frau namens Jade, die anbietet, ihr einige Dinge beizubringen, zum Beispiel, wie man seinen Geist abschirmt. Eine Fähigkeit, die Auraya zunächst gar nicht lernen will, denn sie wurde von den Göttern verboten. Doch dann belauscht sie ein Gespräch …

Mirar ist inzwischen im südlichsten Teil Südithanias angelangt, in Dekkar. Und abgesehen von der Schwüle gefällt es ihm dort gar nicht so schlecht. Denn im Gegensatz zu Nordithania werden die Traumweber hier nicht unterdrückt. Als jedoch die Vierte Stimme der Pentadrianischen Götter nach Dekkar kommt, um den Ritus zur Ernennung eines neuen Häuptlings zu leiten, und darauf besteht, dass Mirar sie nach dem Ritus in die Hauptstadt Glymma begleitet, beginnt ein gefährliches Spiel …

Unter den Charakteren ist nur ein einziger Neuzugang zu verzeichnen. Ellareen, die neue Weiße, wird bei weitem nicht so intensiv dargestellt wie Auraya. Tatsächlich ist das Einzige, von dem der Leser direkt erfährt, ihr fragloser Gehorsam den Göttern gegenüber. Alles andere zeigt sich ausschließlich in den Beobachtungen Danjin Speers, Aurayas früherem Berater, der jetzt Ellareen berät. Allerdings bezieht Ellareen Danjin weit weniger ein, als Auraya das tat. Sie ist nicht direkt unsympathisch oder arrogant, aber sie ist kühler, mitleidloser, unbeirrbarer als Auraya, jemand, der seine Befehle ausführt, ohne irgendwelche größeren Zusammenhänge zu kennen oder sich auch nur annähernd dafür zu interessieren. Der beste Soldat, den man haben kann – zumindest aus der Sicht des Befehlshabers.

Nekaun ist zwar kein echter Neuzugang, rückt aber in diesem Teil massiv in den Mittelpunkt des Geschehens und bedeutet zumindest in dieser Hinsicht einen Zuwachs. Von Anfang an ein gewandter, biegsamer Mensch, wurde er in diesem dritten Band noch glatter. Und er wird in seiner Eigenschaft als Erste Stimme auch zunehmend eigenmächtig. Er behält seine Gedanken und Pläne für sich, übergeht bei Entscheidungen die Meinung seiner Mitstimmen, und schließlich fragt er sie nicht einmal mehr. Seine Pläne zur Eroberung Nordithanias enthielten einige sehr heimtückische Details, und wem das noch nicht genug der Warnung war, den belehren spätestens Reivans Erfahrungen eines Besseren.

Am gelungensten fand ich aber die Entwicklung Aurayas. Noch immer ist sie nicht bereit, den Erzählungen anderer in Bezug auf die negativen Aspekte ihrer Götter zu glauben. Doch je weiter die Handlung voranschreitet, desto mehr findet Auraya selbst heraus, und desto schwerer fällt es ihr, diese Dinge vor sich selbst zu entschuldigen. Die Erste, der sie die Treue aufkündigt, ist Huan, die Göttin der Siyee …

Trudi Canavan hat ihrer Hauptprotagonistin viel Zeit für diese Entwicklung gelassen, was der Glaubwürdigkeit sehr zugute kam. Aber auch die allmähliche Offenlegung von Nekauns Charakter war ausgesprochen gut gemacht, vor allem auch deshalb, weil die Autorin bei Nekauns Entwurf nicht übertrieben hat, sodass der Mann menschlich geblieben und nicht zum Klischee des bösartigen Unmenschen verkommen ist. Sehr gelungen.

Die Handlung bietet genau betrachtet nicht mehr Aufregung als die beiden anderen Bände. Zwar sind eine Menge Leute wieder viel unterwegs, die Reisen sind aber nicht unbedingt wirklich bedeutend. Ellareens Reise nach Dunwegen dient mehr ihrer Charakterzeichnung, als dass die Ereignisse dort von tiefgreifender Bedeutung gewesen wären. Und auch auf dem Weg Ellareens nach Diamyane passiert nichts wirklich Weltbewegendes.

Trotzdem zieht die Spannung während der gesamten Lektüre kontinuierlich an. Das beginnt schon mit Nekauns Bemühungen, Reivan zu umgarnen, und dem Gespräch der Götter, das Auraya belauscht. Das folgende Katz-und-Maus-Spiel in Glymma und Emerahls Suche nach der Schriftrolle der Götter münden schließlich in einen Showdown, dessen Ergebnis zwar nicht alle Leser überraschen mag, dessen Verlauf aber dennoch unvorhersehbar genug war, um selbst Schnellmerker bei der Stange zu halten.

Ganz nebenbei wurden Emerahls Bemühungen auch noch mit einem netten Rätsel gewürzt. Und selbst wenn der Verlauf der Lösung fast ein wenig unspektakulär anmutet, die Erkenntnisse, die dabei herausspringen, sind im wahrsten Sinne des Wortes weltbewegend!

Um es kurz zu machen: Trudi Canavan hat mit „Götter“ einen wirklich fesselnden Endspurt hingelegt. Nicht alles an der Geschichte mag neu oder unvorhersehbar sein, aber es war zunehmend interessant und spannend erzählt. Wer den ersten Band gelesen und mit Skepsis betrachtet hat, ist gut beraten, trotzdem weiterzulesen, ansonsten würde er nicht nur den Schluss, sondern den krönenden Höhepunkt der Trilogie verpassen.

Dass Das Zeitalter der Fünf mit diesem Band abgeschlossen ist, muss allerdings nichts heißen. Der Epilog lässt durchaus Spielraum für eine Weiterführung innerhalb derselben Welt. Ob die Autorin noch einmal darauf zurückgreifen wird, bleibt abzuwarten.

Trudy Canavan stammt aus Australien, wo sie nach einem Studium am Melbourne College of Decoration als Designerin, Illustratorin und Kartenzeichnerin für verschiedene Verlage tätig war, ehe sie zu schreiben begann. 1999 gewann sie mit ihrer Kurzgeschichte „Whispers of the Mist Children“ den Aurealis Award for Best Fantasy Short Story. 2001 erschien dann ihr erster Roman, der erste Band der Trilogie Die Gilde der Schwarzen Magier. „The Magician’s Apprentice“, das Prequel zur Magiertrilogie, ist fertig, ein Veröffentlichungsdatum steht aber noch nicht fest.

Broschiert 800 Seiten
Originaltitel: Voice of the Gods
Deutsch von Michaela Link
ISBN-13: 978-3570304341

http://www.trudicanavan.com/
http://www.randomhouse.de/blanvalet/index.jsp

Der Autor vergibt: (4.5/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (3 Stimmen, Durchschnitt: 2,33 von 5)

Stecher, Rainer – Rückkehr nach Atragon (Atragon II)

Atragon I: [„Die Flamme von Atragon“ 4817

_Seit den Ereignissen_ in „Die Flamme von Atragon“ sind fünfzehn Jahre vergangen. Die Welt ist nur noch eine ausgedörrte Wüste unter einer dicken Nebeldecke, die dort lebenden Menschen sind nicht mehr als Jagdbeute für Sartos‘ Schergen. Nur oberhalb der dichten Nebeldecke, in den Hochlagen des Gebirges, sind die Menschen noch sicher vor den geflügelten Sammlern. Aber nicht mehr lange, denn die Beute in den Gebieten unter dem Nebel wird immer weniger …

Ensine, Anjas Tochter, lebt im Gebirge über dem Nebel. Schon seit längerem rufen nebelähnliche Wesen in ihren Träumen nach ihr, und eines Tages taucht eines von ihnen in ihrer Hütte auf. Es warnt sie vor den bevorstehenden Angriffen der Sammler. Die Menschen sollen sich in die Höhlen an der Spitze des höchsten Berges zurückziehen. Also machen Ensine und ihre Mutter sich auf den Weg.

Nicht weit davon entfernt holt der junge Cenotes mit einem Pfeil ein seltsames Wesen vom Himmel. Es stellt sich als Sammler heraus, ein junges, schwächliches Exemplar, das über den Nebel hinausgeflogen ist, weil es nicht wagte, ohne Beute zu seinem Herrn zurückzukehren. Sein Name ist Piecock. Die beiden freunden sich an, und als auch Cenotes und sein Bruder zum Gipfel aufbrechen, nehmen sie Piecock mit.

Sartos hat derweil mit ernsten Problemen zu kämpfen. Nicht nur geht ihm der Nahrungsnachschub aus, der besondere Schutz, der seine Wächter vor fünfzehn Jahren unverwundbar machte, verliert seine Wirkung, und zu allem Übel lassen auch seine magischen Kräfte nach. Notgedrungen tut er etwas, das er eigentlich viel lieber vermieden hätte: Er holt seine einstige Verbündete Dalia aus Moron heraus …

_Die Riege der Charaktere_ geht in die zweite Generation: Ensine ist ein aufgewecktes, wissbegieriges Mädchen, das es leid ist, von seiner Mutter beschützt zu werden. Als Tochter Anjas und Enkelin der Seherin Meriste besitzt Ensine selbstverständlich selbst die Gabe des Sehens, außerdem aber noch eine weitere, besondere Fähigkeit. Von Cenotes und seinem Bruder Hesaret lässt sich leider nicht viel mehr sagen, als dass Ersterer dazu bestimmt ist, Sartos zu stürzen, und der zweite hauptsächlich der Schatten des ersten zu sein scheint. Piecock dagegen scheint für eine Schöpfung Sartos‘ erstaunlich intelligent. Dass er den Weg ins Unbekannte wagt, liegt vor allem daran, dass er vor Sartos noch größere Angst hat. Aber er ist auch in der Lage, sich dem Neuen, das ihm begegnet, zu öffnen. Von den Charakteren des ersten Bandes tauchen vorerst nur Sartos und Dalia auf.

Leider ist die Darstellung der Figuren auch diesmal nicht tiefschürfender geraten als beim ersten Mal. Bestenfalls wird ein wenig deutlicher, wie tumb und grausam Sartos ist und wie kalt und rachsüchtig Dalia. Die Neuzugänge dagegen sind erstaunlich naiv, wenn man bedenkt, in welch einer Welt sie leben. Sie wissen so gut wie nichts darüber, warum auch immer. Und es scheint sie auch nicht wirklich zu interessieren. Lediglich Ensine stellt zu Beginn ein paar Fragen, aber auch das hört auf, nachdem sie Sol, dem Elementel des Lichts, begegnet ist.

Die Elementel sind die Schöpfer der Welt. Und immerhin erfährt der Leser mit ihrem Auftauchen auch ein klein wenig mehr darüber, wie es dazu kommen konnte, dass Sartos sich die Welt unterwarf. Diese Ausführungen bleiben aber genauso knapp und trocken wie der Erzählstil insgesamt und tragen somit zwar zum besseren Verständnis bei, bringen aber keinerlei zusätzliche Farbe in die Geschichte. Auch die Elementel selbst verbleiben so sehr am Rande, dass man sie nicht einmal als Charaktere bezeichnen kann, und ihre Erscheinungsform ist so vage, dass sie nicht einmal Aspekte des jeweiligen Elementes zeigen, für das die einzelnen Wesenheiten stehen.

_Unverändert bleibt auch_ die karge Ausführung der Welt und ihrer Magie. So fragte ich mich zum Beispiel, woher Ensine diese ungewöhnliche, zusätzliche Gabe hat. Von ihrem Vater? Nun, der wird nicht mal erwähnt, geschweige denn, dass er auftaucht. Es fehlen auch jegliche Hinweise darauf, was genau ein Sammler ist. Piecock jedenfalls scheint nicht so abscheulich zu stinken wie die Wächter, denn Cenotes reitet auf ihm. Ist Piecock also kein Untoter? Was aber ist er dann?

Zusätzlich zu all den unbeantworteten Fragen gesellten sich diesmal auch ein paar logische Knicke. Zum Beispiel nickt Cenotes zu Anja hinüber und fragt Adinofis, ob Anja wisse, dass Ensine in Sartos‘ Gemächern sei. Dabei kennt er Ensines Mutter gar nicht. Er kann weder wissen, wie sie heißt, noch, dass sie Adinofis und ihre Feen nach Trong begleitet hat. Erstaunlich fand ich auch, dass Cenotes, dessen Bestimmung der Kampf gegen Sartos sein sollte, letztlich so gut wie nichts dazu beigetragen hat. Er hat die gefrorenen Opfer aufgetaut, aber ob es ihm auch gelungen wäre, die vielen Menschen aus den Tunneln herauszuführen? Zum Glück kamen die Feen rechtzeitig, um ihm aus dieser Misere herauszuhelfen und dann auch gleich noch den Endkampf ohne ihn zu bestreiten. Überhaupt, wozu haben die Wächter die Menschen überhaupt eingefroren? Im ersten Band hieß es noch, die Vorräte reichten nur für zwei Tage. So lange hält sich lebendes Fleisch auch ohne Tiefkühlung frisch. Und nur eine einzige, kleine Schlachtkammer? In der sich die Wächter auch noch jede Menge Zeit lassen zum Spielen mit ihren Opfern? Da müssen Sartos‘ zweihunderttausend Schergen aber alle lange anstehen, ehe jeder was zu fressen bekommen hat.

_Um das Maß vollzumachen_, leidet diesmal auch die Handlung unter der knappen Erzählweise. Irgendwie hatte ich das Gefühl, diesmal ging alles ein wenig zu glatt, sowohl bei Anjas Wanderung nach Atragon als auch dem Angriff der Engel auf die Sammler oder der Freundschaft zwischen Cenotes und Piecock. Die Spannung, die den ersten Band gleich zu Anfang und dann nochmal gegen Ende durchzog, wollte hier einfach nicht aufkommen. Zwar kam es schließlich in den Tunneln von Trong doch noch zu ein paar Turbulenzen, der Endkampf selbst aber fiel ebenso knapp aus wie der Rest des Buches, und es fehlte ihm der überraschende Schluss, den der erste Band noch vorweisen konnte.

_Zu den inhaltlichen Schwächen_ gesellen sich sprachliche. Am auffallendsten ist die ungewöhnliche Zeichensetzung. Viele Kommata sind überflüssig, stehen mitten im Satz, an anderer Stelle wieder fehlen sie. Auch Zeitfehler finden sich, vor allem in den Passagen, in welchen Kursivschrift anzeigt, dass hier Gedanken wiedergegeben werden, so dass ich mich frage, ob der Verlag überhaupt Lektoren beschäftigt. Das gilt auch für den ersten Band. Immerhin gibt es an Druck und Bindung nichts zu bemängeln.

_Schade eigentlich._ Aus dieser Geschichte hätte man so viel machen können. Dalia hatte alle Anlagen eines wirklich ernstzunehmenden, fiesen Gegenspielers. Die Annäherung zwischen Cenotes und Piecock hätte eine Menge Konfliktpotenzial geboten. Und der Ring, den Dalia aus Moron mitgebracht hat, war ebenfalls eine hervorragende Idee. Aber anstatt diese Ideen auszubauen, hat Rainer Stecher sie lediglich gestreift. Das hat nicht nur eine ziemlich lineare, einfache Handlung zur Folge; es macht die Entwicklung der Ereignisse wie auch die der Charaktere unglaubwürdig. Das gilt vor allem für die beiden Liebesgeschichten und ganz besonders für die zweite. Sowohl der Handlung als auch den Personen fehlt die Zeit, sich zu entwickeln, alles wirkt hastig und überstürzt. Es stellt sich die Frage, warum der Autor seinen Ideen nicht mehr Raum zur Entfaltung gelassen hat. Und wie so viele andere bleibt auch sie unbeantwortet.

_Rainer Stecher_ ist gebürtiger Thüringer, lebt aber jetzt in Berlin. Mit dem Schreiben begann er auf Bitten seiner Kinder, zur Veröffentlichung des Manuskriptes überredete ihn sein Vater. Seither hat er nicht nur die |Atragon|-Trilogie geschrieben, sondern auch ein Kinderbuch mit dem Titel „Spindelfink – Wie ein Spatz fliegen lernte“ sowie Gedichte und eine Kurzgeschichte, die er zusammen mit anderen Autoren veröffentlicht hat.

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Nix, Garth – Rauer Donnerstag (Die Schlüssel zum Königreich / Keys to the Kingdom 4)

Band 1: [„Schwarzer Montag“ 3719
Band 2: [„Grimmiger Dienstag“ 3725
Band 3: [„Kalter Mittwoch“ 4242

Arthur hat inzwischen eingesehen, dass er erst dann wieder seine Ruhe haben wird, wenn er sämtliche Vermächtnisteile befreit und sämtlichen Treuhändern ihre Schlüssel abgenommen hat. Bevor er den nächsten Kampf aufnimmt, will er nur mal kurz nach seiner Familie sehen, doch der Torhüter lässt ihn nicht durch. Denn es ist schon jemand mit Arthurs Aussehen durch das Tor gegangen: ein Geistfresser! Arthur kann nicht nach Hause zurück, ohne damit das Ende der Welt zu provozieren. Sein Glück, dass Blatt sich anbietet, den Doppelgänger für ihn unschädlich zu machen.

Doch die nächste Hiobsbotschaft lässt nicht lange auf sich warten: Arthur wird zur Armee eingezogen – die zufällig von Sir Donnerstag befehligt wird. Und wo ebenso zufällig gerade eine überdurchschnittlich große Menge an Nichtlingen, die sonst nur in geringer Zahl für die Feldübungen der Soldaten eingelassen werden, ins Haus strömt. Und das sind nicht irgendwelche Nichtlinge …

_Die meisten Charaktere_, die diesmal neu auftauchen, gehören zur Armee des Hauses und sind kaum von Belang – natürlich mit Ausnahme von Sir Donnerstag.

Der Treuhänder des vierten Vermächtnisteils ist wie alle seine Untergebenen durch und durch Soldat. Er bewacht seinen Teil des Vermächtnisses nur äußerst widerwillig, aber Befehl ist eben Befehl. Und da dieser besondere Teil im Gegensatz zu seinen beiden Vorgängern ungemein aktiv ist, was seine Ausbruchsversuche angeht, hat Sir Donnerstag keine einzige Sekunde Ruhe, was ihn ausgesprochen reizbar macht.

Kein Wunder, denn dieser Vermächtnisteil ist, auch von seinen unermüdlichen Ausbruchsversuchen abgesehen, ziemlich widerspenstig und eigenmächtig und neigt wie alle anderen seiner Art, die bisher aufgetaucht sind, dazu, Prioritäten falsch einzuschätzen. Wenn dieser Vermächtnisteil sich mit Dame Primus zusammentut, wird deren Penetranz wahrscheinlich unerträglich werden.

So sind die Charaktere zwar knapp, aber dafür äußerst treffend skizziert. Sie wirken fast wie Karrikaturen, entlarvend, aber nicht wirklich lächerlich, so dass die Spannung in der Konfrontation der Gegner erhalten bleibt.

_Und Spannung gibt es diesmal gleich an mehreren Stellen._ Die Anstrengungen, den Hemdfetzen, mit dessen Hilfe Arthurs Doppelgänger geschaffen wurde, zurück in Das Haus zu bringen, wirken wie eine Mischung aus Staffel- und Spießrutenlauf: Sowohl Blatt als auch Susi, die später übernimmt, haben alle Hände voll zu tun, all den Hindernissen und Widersachern auszuweichen, ohne das wichtige Stück Stoff zu verlieren.

Arthur gerät derweil zwischen alle Fronten. Denn wie sich herausstellt, muss er nicht nur von Sir Donnerstag den vierten Schlüssel erobern. Der Anführer der Nichtlinge ist eine ganz unerwartete Persönlichkeit und Arthur nicht unbedingt freundlich gesonnen. Am Ende muss Arthur feststellen, dass das Ergebnis seiner Bemühungen diesmal ein paar Schönheitsfehler aufweist: denn Susi Türkisblau ist in Gefangenschaft geraten, und Blatt ist auch nicht gerade in den besten Händen!

Garth Nix hat in diesem vierten Band das Tempo seines Zyklus spürbar beschleunigt. Nicht nur, dass Arthur jetzt im Anführer der Nichtlinge einen zusätzlichen Gegner hat, auch Dame Primus wird immer dominanter, der Umgang mit ihr schwieriger, und gelegentlich fragte ich mich, ob sie wirklich auf Arthurs Seite ist, oder nicht doch eher ihre eigenen Ziele verfolgt und Arthur nur benutzt. Abgesehen davon sind aber auch die morgigen Tage wesentlich aktiver. Zum ersten Mal ist es ihnen gelungen, Arthur nach einem geglückten Abenteuer von der Rückkehr in seine Welt abzuhalten. Und auch der Ring von Doctor Scamandros, der das Ausmaß von Arthurs magischer Kontaminierung anzeigt, die bereits unangenehm weit fortgeschritten ist, bringt zusätzlichen Zug in den Spannungsbogen.

Trotzdem hat Nix noch genug Zeit gefunden, im Laufe des Geschehens ein paar amüsante Seitenhiebe zu platzieren, vor allem gegen das Militär, wo sich Soldaten auch dann rasieren müssen, wenn ihnen gar kein Bart wächst, und wo der Rekrut als Allererstes lernt, wie man den Hemdkragen einer bestimmten Uniform auf die richtige Weise bügelt, aber auch wieder gegen die Bürokratie, so zum Beispiel in der Agenda, die Dame Primus für ihre Lagebesprechung aufgestellt hat.

An neuen Ideen im Hinblick auf die Magie war diesmal nicht so viel zu finden, was aber überhaupt nicht stört, denn mit der Bekämpfung des Geistfressers und Arthurs Soldatenkarriere ist die Handlung voll ausgelastet.

_So war auch der vierte Band des Zyklus_ nicht unbedingt anspruchsvoll, aber amüsant und unterhaltsam und niemals langweilig. Trotz aller ironischen Spitzen bleiben die auf die Schippe Genommenen immer menschlich, der Handlungsverlauf wirkt trotz manch verrückter Wendung niemals unlogisch, und das vertrackte Ende des Buches gibt einen vielversprechenden Vorgeschmack auf die Fortsetzung.

_Garth Nix_ ist gebürtiger Australier und war nach dem Studium in den verschiedensten Bereichen der Buchindustrie tätig, ehe er selbst zu schreiben begann. Aus seiner Feder stammen – außer dem Zyklus |Keys to the Kingdom|, der im englischen Original inzwischen bis Band sechs gediehen ist -, der Jugendbuchzyklus |Seventh Tower| sowie die Trilogie |Das alte Königreich|. Für die deutsche Übersetzung des fünften Bandes aus der Reihe |Keys to the Kingdom|, „Lady Friday“, steht leider noch kein Erscheinungstermin fest.

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|Siehe ergänzend dazu:|

[„Schwarzer Montag“ 3719 (Keys to the Kingdom 1)
[„Schwarzer Montag“ 3172 (Hörbuch)
[„Grimmiger Dienstag“ 3725 (Keys to the Kingdom 2)
[„Grimmiger Dienstag“ 4528 (Hörbuch)
[„Kalter Mittwoch“ 4242 (Keys to the Kingdom 3)
[„Sabriel“ 1109 (Das alte Königreich 1)
[„Lirael“ 1140 (Das alte Königreich 2)
[„Abhorsen“ 1157 (Das alte Königreich 3)

Stecher, Rainer – Flamme von Atragon, Die (Atragon I)

Vierzig Jahre ist es her, dass die Feen, die Hüter des Gleichgewichts zwischen Gut und Böse, unerwartet von den Horden des grausamen Sartos überrollt und die Flamme des Lebens gelöscht wurden. Seither herrschen in Atragon Agonie und kleinliche Intrigen, während die Welt immer mehr in Chaos und Elend versinkt.

Die Priostine Adinofis ist entschlossen, dem ein Ende zu machen. Doch die Hohepriostine Dalia ist nicht geneigt, sich gegen Sartos zu wenden. Und so hat Adinofis zu Maßnahmen gegriffen, die eigentlich gegen das Gesetz der Feen verstoßen.

Sartos ist derweil nicht untätig geblieben. Im Herzen seiner unterirdischen Festung Trong zieht er eine neue Generation Krieger heran. Krieger mit einer undurchdringlichen, unverwundbaren Haut. Mit ihnen will er nicht nur Tauron, die letzte existierende Stadt der Menschen, erobern, sondern auch die Feen vernichten …

_“Die Flamme von Atragon“ zählt nur hunderfünfunddreißig Seiten._ Entsprechend knapp ist die Charakterzeichnung ausgefallen. Adinofis ist eine sehr entschlossene und mutige Frau, gleichzeitig aber auch verletzlich und einsam. Ihr kleiner Gehilfe Gill dagegen scheint ein munterer Geselle zu sein, mit einem vorlauten Mundwerk und gelegentlich übermütig, aber treu und klug.

Als Waldfaune ist Thyra ein Geschöpf der Natur, außerdem ist sie eine Kriegerin und dementsprechend zäh und mutig. Die ungewöhnlichste Person ist die Hebamme Sidonis, die dem Thronfolger von Tauron auf die Welt geholfen hat, denn sie besitzt einen außergewöhnlichen Sinn für das Übernatürliche. Sartos dagegen ist lediglich ein hässliches, machthungriges, grausames Ungetüm, dessen einziges Ziel es ist, alles Leben zu zerstören.

Das ist bis dahin nicht gerade ergiebig, zumal der Leser nicht erfährt, wie und warum Sartos, der ebenso seit dem Beginn der Zeit existiert wie die Feen, auf einmal aus den Tiefen der Erde ausbricht, oder warum Sidonis so empfänglich für alles ist, was mit den Feen zu tun hat. Seine Figuren haben so gut wie keine Vergangenheit, keine Vorlieben, Zukunftsträume oder Aversionen gegen andere. Gefühle sind auf Teilbereiche reduziert wie Selinas Liebe zu Krygon und Adinofis Trauer um ihren Vater.

_Auch im Hinblick auf die Handlung verschwendet der Autor keine Zeit._ In weniger als einer Woche wirft Adinofis die Feen in eine Schlacht gegen Sartos. Trotz diverser Ortswechsel beschränkt Rainer Stecher sich auf das Wesentliche, in knappen, eher kargen Worten. So etwas wie Ausschmückung fehlt völlig, das betrifft nicht nur die Charaktere und den Handlungsverlauf, sondern auch den Hintergrund, den er dafür entworfen hat. Weder auf die magischen Fähigkeiten der Feen oder ihrer Gegner noch auf geographische oder historische Gegebenheiten seiner Welt geht er genauer ein. Nichts findet Platz, das nicht dem Fortführen der Handlung dient – mit einer einzigen Ausnahme, und das ist die Episode mit Adinofis Vater. Möglicherweise hat dieser kurze Handlungsfaden in den späteren Bänden noch irgendwelche Auswirkungen, aber bisher steht er völlig außerhalb des Kontexts.

_Der Gesamteindruck_, der am Ende des Buches zurückbleibt, ist fast schon der einer Kurzgeschichte – einer spannenden Kurzgeschichte. Der Leser hat einige rasante, atemlose Augenblicke eines dramatischen Geschehens miterlebt. Tatsächlich ist Spannung das Hauptelement, das die Geschichte trägt. Schon die Zuspitzung des Konflikts zwischen Adinofis und Dalia dreht die Schraube ein gutes Stück an, um dann vorübergehend etwas nachzulassen und gegen Ende erneut anzuziehen. Das Ende ist dann eher unerwartet – und vor allem unbefriedigend. Selbst jemand, der die Geschichte nicht wirklich toll fand, kann am Ende des Buches unmöglich aufhören zu lesen.

So richtig begeistern konnte mich das Buch aber auch nicht. Der knappe, strenge Erzählstil und der extrem straffe Handlungsverlauf verhinderten, dass man den Protagonisten nahe genug kam, um sich in sie hineinzuversetzen, mit ihnen mitzufühlen. Man bleibt die ganze Zeit über draußen vor der Tür, kein Teilnehmer, sondern nur ein Beobachter. Das Fehlen jeglicher Vorgeschichte, sowohl bezüglich der einzelnen Personen als auch der Welt als ganzer, bewirkt, dass dem Leser sämtliche Motive dafür fehlen, warum all das überhaupt passiert, was für eine weitere Distanzierung sorgt. Dazu kommt, dass das, was letztlich übrig bleibt – der Kampf zwischen einem Bösewicht, der die Welt beherrschen und alles Leben vernichten will, und den Guten, die ihn daran hindern wollen -, das Motiv der Fantasy schlechthin ist und deshalb nicht gerade neu. Folglich ist die Spannung, die der Autor so geschickt zu erzeugen wusste, das Einzige, was dem Leser geboten wird. Und das fand ich dann doch etwas wenig.

Wenn in den beiden Folgebänden nicht noch etwas passiert, das im Leser stärkere Emotionen weckt als nur Nervosität und Anspannung, dann wird der Zyklus unterm Strich nicht mehr sein als eine wilde Sturmböe: einmal kräftig durchgerüttelt und zerzaust und dann verweht, ohne einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen.

_Rainer Stecher_ ist gebürtiger Thüringer, lebt aber jetzt in Berlin. Mit dem Schreiben begann er auf Bitten seiner Kinder, zur Veröffentlichung des Manuskriptes überredete ihn sein Vater. Seither hat er nicht nur die |Atragon|-Trilogie geschrieben, sondern auch ein Kinderbuch mit dem Titel „Spindelfink – Wie ein Spatz fliegen lernte“ sowie Gedichte und eine Kurzgeschichte, die er zusammen mit anderen Autoren veröffentlicht hat.

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Sara Douglass – Hüter der Macht (Das dunkle Jahrhundert 1)

_In einer düsteren Schlucht_ nördlich von Nürnberg stirbt ein Mönch namens Wynkyn de Worde einsam an der Pest. Ein tragischer Verlust, denn der alte Mann hat nicht nur keinen Nachfolger für sein finsteres Geheimnis hinterlassen, er hat auch seine Aufgabe nicht ganz zu Ende gebracht. Dunkle Zeiten brechen an …

Jahre später trifft der Mönch Thomas Neville in Sant‘ Angelo ein. Er wurde von Oxford nach Rom geschickt, um in dem für seine Bibliothek berühmten Kloster die Schriften zu studieren. Dabei stößt er auch auf den Namen Wynkyn de Worde, und ganz offensichtlich ist dieser Name von ungewöhnlichen Umständen umgeben. Schließlich offenbart ihm der Erzengel Michael persönlich, dass er, Thomas, künftig de Wordes Nachfolger sein soll.

Thomas ist Feuer und Flamme. Aber um diese Nachfolge antreten zu können, muss er zunächst einmal das geheimnisvolle Buch finden, das de Worde stets bei sich hatte. Er ahnt nicht, dass er eine lange, beschwerliche und gefahrvolle Reise durch halb Europa vor sich hat …

_Trotz einer Fülle von Charakteren_ steht lediglich ein einziger im Mittelpunkt: Thomas Neville war einst ein adliger Ritter und hat im Krieg auf Seiten Englands gegen Frankreich gekämpft. Das tragische Ende seines Verhältnisses mit einer verheirateten Lady hat ihn dazu getrieben, dem Orden der Dominikaner beizutreten, um für diese und viele andere Sünden zu büßen. Doch obwohl seine Reue diesbezüglich echt ist, scheint sich seine Wesensart mit dem, was einen guten Mönch ausmachen sollte, nicht ganz vereinbaren zu lassen. Thomas ist von geradezu fanatischer Frömmigkeit, aber gleichzeitig hochmütig und selbstgerecht. So etwas wie Mitgefühl scheint er nicht zu kennen.

Die übrigen Personen tauchen nur abschnittweise auf und sind lediglich skizziert, so der Prior von Sant‘ Angelo, Etienne Marcel und die junge Margaret. In den meisten Fällen stellt sich aber weniger die Frage, wer sie sind, als vielmehr, was sie sind. Die historischen Persönlichkeiten schließlich bleiben so sehr am Rand, dass sie überhaupt kein eigenes Profil haben außer demjenigen, das ihre Rolle innerhalb des historischen Rahmens ihnen verleiht.

Objektiv betrachtet hat Sara Douglass mit ihrer Hauptfigur eine Charakterzeichnung von gewohnter Qualität abgeliefert. Obwohl Thomas sich stellenweise anhört wie der „typische“ mittelalterlichen Mönch, der trotz aller offensichtlichen Fehler noch immer die bestehende Ordnung als Willen Gottes verteidigt, ist es der Autorin gelungen, ihn durch seine Unsicherheiten und Ängste lebendig und menschlich zu erhalten und vor dem Abrutschen ins Klischee zu bewahren. Subjektiv aber konnte ich trotzdem nicht recht damit warmwerden. Vielleicht lag es daran, dass mich Thomas‘ arrogante Selbstgerechtigkeit so sehr geärgert hat, vielleicht auch daran, dass er beim nichtigsten Anlass die Herrschaft über seine Triebe verliert. Ein entsetzlicher Kerl!

_Auch das Bühnenbild ist gewöhnungsbedürftig._ Karl IV. von Frankreich hat keine direkten Nachkommen hinterlassen, weshalb ihm sein Cousin Philipp aus dem Haus Valois auf den Thron folgte. Der englische König Eduard III., mütterlicherseits ein Neffe von Karl IV., ist damit nicht einverstanden und erhebt seinerseits Anspruch auf den französischen Thron. Das salische Recht jedoch schließt eine Erbfolge über die weibliche Linie aus. Eduard ist nicht bereit nachzugeben: Seit 1340 führt England immer wieder Krieg gegen Frankreich.

Ebenso wie die materielle Welt unter dem Krieg leidet, den man später den Hundertjährigen nennen wird, leidet die geistige Welt unter dem großen abendländischen Schisma. Seit Papst Clemens V. vor nahezu siebzig Jahren nach Avignon umgezogen ist, hat die Kurie massiv an Ansehen und auch an Macht eingebüßt. Und kaum ist Gregor XI. nach Rom zurückgekehrt, um dieser Entwicklung entgegenzuwirken, da stirbt er. Das Gerücht geht um, die Kardinäle, großteils Franzosen, wollten nach Avignon zurückkehren. Rom gerät in Aufruhr, erzwingt die Ernennung eines Italieners zum Papst. Doch unmittelbar nach dem Konklave flüchten die Franzosen zurück nach Avignon und wählen einen Gegenpapst!

Das klingt erst mal stark nach Historienroman, ist es aber nicht wirklich. Sara Douglass hat den historischen Hintergrund zum Schauplatz für einen Kampf zwischen Gut und Böse gemacht, der ebenso christliche wie fantastische Züge trägt. Zwar war Mystik im Mittelalter ein fester Bestandteil der christlichen Lehre, aber schon die Methode, nach der Wynkyn de Worde seine Aufgabe erfüllt, ähnelt weit mehr der Magie als dem Gebet, und die Szene, in der Odile Thomas verführt, geht endgültig über christliche Mystik hinaus.

Auch die Dämonen entsprechen nicht unbedingt dem, was man von den vielgeschmähten Dienern des Bösen erwarten würde. Sie sind keine grausamen, abscheulichen Monster, die eine Spur aus Blut und Verderben hinter sich herziehen. Natürlich ahnt der Leser schon ehe er das Buch aufgeschlagen hat, dass die Frage, wer die Guten und wer die Bösen sind, Gegenstand vieler Wendungen und Winkelzüge sein wird, nur um am Ende auf eine Weise beantwortet zu werden, die unsere überkommenen Denkweisen herausfordern wird. Oder zumindest, dass das die Absicht der Autorin ist – unter anderem.

Tatsache ist, dass Douglass diese Frage wirklich stellt – aber nicht klar und offen gleich zu Beginn; nein, die Frage schleicht sich stattdessen ein. Sie pirscht sich an eine Situation heran, in welcher der Leser sich noch sicher ist, wer die Guten und wer die Bösen sind – einigermaßen zumindest. Und nur ganz allmählich stellt sich Misstrauen ein: in der seltsamen Art und Weise, wie der Erzengel Michael mit Thomas spricht, in kleinen, beinahe nebensächlichen Bemerkungen und Gedanken Wynkyns, Marcels, Margarets. Und doch bleibt der Verdacht vage genug, um den Leser nicht sofort umkippen zu lassen. Diese Unsicherheit hält sich bis zur letzten Seite.

Insofern ist die tatsächliche Handlung, Thomas‘ Reise von Rom über Nürnberg nach Paris und letztlich nach Chauvigny, schon beinahe nebensächlich. Und tatsächlich passiert auch nicht wirklich viel auf dieser Reise, das für sich genommen erwähnenswert wäre. Alle Ereignisse von Bedeutung sind auf der geistigen Seite zu suchen. Der Kampf zwischen Gut und Böse spielt sich unmittelbar in und um Thomas herum ab. Er ist der entscheidende Schlüssel – er weiß es nur noch nicht. Oder besser: Er hat es noch nicht begriffen.

Was diesem abstrakten Ringen letztlich die wahre Würze verleiht, ist die Tatsache, dass diese ganze Geschichte eben doch in einen historischen Kontext gestellt wurde. Sozusagen eine phantastische Spekulation darüber, was der Weltgeschichte letztlich den Impuls gegeben hat, eben diejenige Wende zu nehmen, die sie genommen hat. Eine Komposition, die deshalb nicht dissonant klingt, weil es der Autorin gelungen ist, den Übergang zwischen tatsächlicher christlicher Weltanschauung zu jener Zeit und den von ihr eingebrachten Komponenten fließend zu halten, als hätte sie die christliche Mystik lediglich zur Phantastik weiterentwickelt und nicht zwei völlig voneinander unabhängige Elemente zusammengemischt.

_Das Ergebnis ist_, wie gesagt, gewöhnungsbedürftig. Ich brauchte einige Zeit, um mich einzulesen und herauszufinden, worauf die Autorin eigentlich hinauswill. Am Ende des Buches aber stellte ich fest, dass ich die Reise als solche zwar ein wenig fad und die übernatürlichen Ereignisse etwas ungewöhnlich fand, der Kern der Geschichte mich aber interessiert und ich jetzt schon auf die Fortsetzung gespannt bin.

_Sara Douglass_ arbeitete zuerst als Krankenschwester, bevor sie ein Studium in historischen Wissenschaften begann. Sie promovierte und arbeitete in den folgenden Jahren als Dozentin für mittelalterliche Geschichte. Das Schreiben fing sie nebenbei an, als Ausgleich zum Stress. Nach dem Erfolg ihres Weltenbaumzyklus stieg sie aus ihrem Beruf aus und konzentrierte sich aufs Schreiben und ihren Garten. Außer dem Weltenbaumzyklus und dem Sternenzyklus schrieb sie diverse Romane und Kurzgeschichten. Zurzeit schreibt die Autorin an ihrer neuen Trilogie |Darkglass Mountains|, deren zweiter Band „The Twisted Citadel“ im Mai dieses Jahres auf Englisch erscheint.

My Сreative


http://www.piper.de/

_Sara Douglass bei |Buchwurm.info|:_

[Die Sternenbraut 577 (Unter dem Weltenbaum 1)
[Sternenströmers Lied 580 (Unter dem Weltenbaum 2)
[Tanz der Sterne 585 (Unter dem Weltenbaum 3)
[Der Sternenhüter 590 (Unter dem Weltenbaum 4)
[Das Vermächtnis der Sternenbraut 599 (Unter dem Weltenbaum 5)
[Die Göttin des Sternentanzes 604 (Unter dem Weltenbaum 6)
[Der Herr des Traumreichs 1037
[Die Glaszauberin 1811 (Die Macht der Pyramide 1)
[Der Steinwandler 2639 (Die Macht der Pyramide 2)
[Die sterblichen Götter Tencendors 2653 (Im Zeichen der Sterne 1)
[Die Wächter der Zeiten 2947 (Im Zeichen der Sterne 2)
[Die letzte Schlacht um Tencendor 3608 (Im Zeichen der Sterne 3)

Bishop, Anne – Belladonna (Die dunklen Welten 2)

Band I: [„Sebastian“ 3671

_Oberflächlich gesehen_, ist Michael nicht mehr als ein schäbiger Vagabund, der sich sein Geld mit Flötespielen verdient. Das liegt daran, dass das, was unter dieser Oberfläche schlummert, bestenfalls mit Misstrauen, wenn nicht gar mit Ablehnung betrachtet wird. Doch nun scheint es, als müsse sich daran dringend etwas ändern! Grausame Dinge sind geschehen, die Menschen haben Angst, und die vernünftigeren unter ihnen sind eher dafür, dass Michael etwas dagegen unternimmt, anstatt ihn dafür verantwortlich zu machen.

Allerdings zieht Michael damit die Aufmerksamkeit des tatsächlichen Verursachers auf sich. Prompt wird er angegriffen, und die einzige Gegenwehr, die ihm einfällt, bringt ihn an einen Ort, der fremder und wundersamer kaum sein könnte: Ephemera …

_Unter den diversen neuen Charakteren_ dieses zweiten Bandes ist Michael der einzige wirklich wichtige. Erstaunlich dabei ist, dass es über ihn eine Menge zu sagen gäbe, allerdings kaum Eigenschaftswörter. Zumindest solche, die seinen Charakter beschreiben könnten. Bestenfalls könnte man sagen, er besäße Verantwortungsbewusstsein. Obwohl Bewusstsein hier auch schon übertrieben ist, denn tatsächlich ist Michael absolut ahnungslos, was seine wirkliche Tätigkeit betrifft. Seit zwölf Jahren ist er auf Wanderschaft, bereist regelmäßig dieselben Ortschaften, ohne zu wissen, warum das so ist und was es bedeutet. Inzwischen ist er seines Lebens als Außenseiter müde und sehnt er sich nach Zugehörigkeit, sowohl zu einem Ort als auch zu anderen Menschen, sprich: nach einem Zuhause.

Seine Schwester Caitlin besitzt ebenfalls eine besondere Gabe, für die sie misstrauisch beäugt und verspottet wird. Sie empfindet ähnlich wie Michael, nur noch viel stärker. Denn erstens ist sie ein Mädchen und deshalb einer zusätzlichen, besonders unangenehmen Art von Diskriminierung ausgesetzt. Zum zweiten ist sie im Gegensatz zu Michael nicht unterwegs. Wie ihr Bruder weiß auch sie nicht wirklich, was es mit ihrer Gabe auf sich hat, und da sie nicht fort kann, reagiert sie mit wachsendem Trotz und Zorn.

Brighid, die Tante, die die beiden aufgezogen hat, war ursprünglich die Oberste der Gemeinschaft auf der Insel des Lichts, ehe sie die Insel verließ, um die beiden verwaisten Kinder großzuziehen. Sie ist eine strenge, aufrechte Frau und kann die beiden Kinder, obwohl sie diese nach außen stets verteidigt hat, selbst nicht vorbehaltlos akzeptieren. So ist auch sie mit ihrer Situation nicht glücklich, nicht einmal, als sie wieder auf die Insel zurückkehrt.

_Im Vergleich zum ersten Band_ ist die Charakterzeichnung ein kleine wenig schwächer ausgefallen. Caitlin und Brighid sind nicht so stark ausgearbeitet wie Teaser oder Nadia, vielleicht auch, weil Brighid überhaupt eher wenig und Caitlin im letzten Drittel so gut wie gar nicht mehr vorkommt. Aber auch Michaels Darstellung ist nicht so intensiv ausgefallen wie Sebastians, was daran liegen mag, dass er sich den Mittelpunkt mit Glorianna Belladonna teilen muss. Gloriannas Charakter stand bereits, sodass die Autorin sich in diesem Fall mehr auf ihre Gefühlswelt konzentrieren konnte, was sie auch getan hat, allerdings ohne dabei die Balance zu verlieren. Insgesamt sind wir somit noch immer auf einem Niveau, das ein gutes Stück über dem Durchschnitt liegt.

Was „Belladonna“ weit mehr von „Sebastian“ unterscheidet, ist die Unwissenheit sämtlicher neuer Figuren in Bezug auf das wahre Wesen Ephemeras. Sie alle leben in dem Teil der Welt, der durch den Kampf gegen den Weltenfresser nahezu unversehrt geblieben ist. Offenbar waren dort keine Brückenbauer notwendig, die die einzelnen Bruchstücke miteinander verbanden. Trotzdem hat es mich doch ein klein wenig erstaunt, dass das Wissen um die Landschaffer und ihre Aufgaben dort so nahezu vollständig untergehen konnte. Zumindest Brighid, die ja immerhin noch wusste, was sie selber war, hätte erkennen müssen, was ihre Nichte und ihr Neffe waren!

Ein wenig verwirrt hat mich außerdem die Frage, wie sehr die beiden Gebiete – das unversehrte und das zersplitterte – nun eigentlich wirklich voneinander getrennt waren. Einerseits tauchten in den Orten auf Michaels Route gelegentlich Geschöpfe auf, die aus den dunklen Landschaften in der Nachbarschaft des Sündenpfuhls stammen, zum Beispiel Wasserpferde. Warum aber gab es dann keine weiteren Kontakte? Warum hat niemand aus Michaels Gegend daran gedacht, die Schule der Landschafferinnen zu besuchen, bevor das Wissen so weit verloren gehen konnte, dass niemand mehr eine Ahnung davon hatte? Warum hat niemand aus den anderen Landschaften je versucht, den unversehrten Teil der Welt zu erreichen? Schon eigenartig.

Andererseits fällt es im Hinblick auf die eigentliche Handlung nicht schwer, diese kleinen Unstimmigkeiten beiseite zu lassen. Nachdem die Autorin den Leser gleich im ersten Drittel beinahe in eine Katastrophe laufen lässt, die halb aus zwischenmenschlichen Konflikten, halb aus der Bedrohung durch den Antagonisten besteht, wird es eine Weile etwas ruhiger, nur um nach einem weiteren Drittel noch einmal massiv an Dramatik und Spannung zuzulegen. Auch der Schluss des Buches war nicht unbedingt vorherzusehen. Die Art und Weise, wie Belladonna den Weltenfresser bekämpft, ist wirklich erst ab dem Zeitpunkt klar, als Anne Bishop ihn verrät. Und das sagt noch gar nichts darüber aus, wie dieser Kampf endet.

Faszinierend finde ich auch stets aufs neue, wie die Autorin Licht und Schatten ausbalanciert. Immer wieder malt sie die düstersten Stimmungen und muss dabei nicht im Geringsten auf blutige Details zurückgreifen. Und ein paar Seiten weiter sprüht trockener Humor aus den Dialogen und bringt den Leser dazu, breit zu grinsen oder sogar zu lachen.

_Diese Mischung aus phantasievoller, interessanter Welt, menschlichen, lebendigen Charakteren, Spannung und Humor macht beinahe süchtig._ Zumindest gilt das für mich. Ephemera hat mir fast noch besser gefallen als der Juwelenzyklus. Der Zweiteiler ist nicht so brutal und auch stofflich noch nicht so sehr beansprucht wie sein großer Bruder, der immerhin schon fünf Bände umfasst. Und eigentlich gäbe es auch keinen Grund, aus Ephemera eine Trilogie zu machen, aber man weiß ja nie. Geschichten, die eigentlich abgeschlossen sind, noch einmal weiterzuspinnen, ist meistens keine gute Idee. Aber das muss ja nichts heißen, wie selbst Anne Bishop bereits bewiesen hat.

_Anne Bishop_ lebt in New York, liebt Gärtnern und Musik, und hatte bereits einige Romane und Kurzgeschichten veröffentlicht, ehe ihr mit dem Zyklus der |Schwarzen Juwelen| der internationale Durchbruch gelang. Außerdem stammen aus ihrer Feder die Trilogie |Tir Alainn|, die auf Deutsch bisher anscheinend nicht erschienen ist. Dafür kommt im Oktober dieses Jahres unter dem Titel „Nacht“ noch mal ein weiterer Band aus dem Juwelenzyklus in die Buchläden.

|Originaltitel: Belladonna (Ephemera, Bd. 2)
Übersetzt von Kristina Euler
Mit Illustrationen von Animagic
Taschenbuch, 528 Seiten|
http://www.heyne.de
http://www.annebishop.com/

_Anne Bishop auf |Buchwurm.info|:_

|Die dunklen Welten|:

Band I: [„Sebastian“ 3671
Band II: [„Belladonna“ 4722 (zusätzliche Buchrezension)

|Die Schwarzen Juwelen|:

Band I: [„Dunkelheit“ 3375
Band II: [„Dämmerung“ 3437
Band III: [„Schatten“ 3446
Band IV: [„Zwielicht“ 3514
Band V: [„Finsternis“ 3526
Band VI: „Nacht“ (dt. im Oktober 2008)

McIntosh, Fiona – dunkle Gabe, Die (Der Feuerbund I)

Wyl Thirsk ist noch ein Junge, als sein Vater, der General der morgravianischen Arme, in einer der zahllosen Schlachten gegen das Nachbarreich Briavel fällt. Da er gemäß der Tradition einst das Amt seines Vaters als Heerführer der morgravianischen Armee übernehmen soll, muss er das Landgut seines Vaters verlassen und seine Ausbildung in der Hauptstadt Pearlis beenden.

Damit beginnen schwere Zeiten für den Jungen, denn der fast gleichaltrige Kronprinz Celimus hat es von Anfang an darauf abgesehen, Wyl zu demütigen. So nimmt ihn Celimus unter anderem zu einem Hexenprozess mit, dessen Grausamkeit Wyl schwer zusetzt. Nicht, dass das junge Mädchen namens Myrren wirklich eine Hexe wäre. Aber es ist doch etwas Besonderes an ihr. Denn kurz vor ihrem Tod macht sie Wyl ein ungeheuerliches und beängstigendes Geschenk, von dem der Junge zunächst keine Ahnung hat.

Dann stirbt Celimus‘ Vater König Magnus …

_Ein Großteil der Geschichte lebt von der Rivalität zwischen Wyl und Celimus._ Wyl ist ein Abbild seines Vaters, in jeder Hinsicht. Er ist rothaarig und untersetzt, also eher unansehnlich, davon abgesehen aber ist er ein hervorragender Kämpfer, intelligent, treu und von einer manchmal geradezu spröden Direktheit. Mit Celimus‘ Bosheiten kann er vor allem deshalb schlecht umgehen, weil ihm aufgrund seiner schwächeren Position die Möglichkeit verwehrt ist, diesem angemessen Paroli zu bieten. Dazu kommt, dass der Prinz auch noch wesentlich besser aussieht und im Kampf ein nahezu ebenbürtiger Gegner ist. Über die Jahre hinweg baut sich in Wyl ein Hass auf, der ihm schließlich selbst gefährlich zu werden droht.

Celimus dagegen braucht nicht eine einzige Minute, um Hassgefühle gegen den designierten Heerführer zu entwickeln. Schon dessen Vater war ihm verhasst, und nun hat er den gleichen Kerl in junger Ausgabe vor sich. Wie einst seinen Freund zieht der König nun den jungen Thirsk seinem eigenen Sohn vor, worauf Celimus sowohl mit Eifersucht als auch mit Hass auf seinen Vater reagiert. Abgesehen davon tyrannisiert Celimus auch den Rest seiner Umgebung: Pagen und Diener, später die Frauen, die er sich ins Bett nimmt. Er kann unerhört charmant sein, ist im Grunde aber kaltherzig und grausam, außerdem intrigant und hinterhältig, eitel und anfällig für Selbstüberschätzung.

Und wie’s das Drehbuch will, kommt zu dem ohnehin schon verbissen geführten Zweikampf auch noch die Rivalität um eine schöne Frau. Valentyna ist die Königin von Briavel, wunderschön, von erfrischender Natürlichkeit, intelligent und mutig. Leider ist ihr dünn besiedeltes Land vom letzten Krieg noch immer so geschwächt, dass sie sich zu diesem Zeitpunkt keinen weiteren leisten kann. Sie hat genug von Celimus gehört, um einer Heirat mit diesem Mann eher ablehnend gegenüberzustehen, aber sie hat ebenfalls genug von ihm gehört um zu wissen, dass ihre Weigerung eben jenen Krieg bedeuten würde, den sie lieber vermeiden möchte. Außerdem ist sie bereits verliebt, muss aber über diesen Mann Dinge erfahren, die sie zutiefst erschrecken. Die Zwickmühle scheint ihr über den Kopf zu wachsen.

Wenn zwei sich streiten, freut sich der dritte: Im Gebirge nördlich der beiden verfeindeten Königreiche ist es einem jungen, charismatischen, aber jähzornigen Stammesführer namens Cailech gelungen, die von den südlichen Ländern als Barbaren verachteten Bergstämme zu einen. Jetzt bedroht er die nördlichen Grenzen sowohl Morgravias als auch Briavels. Vor allem durch Celimus‘ Verhalten fühlt er sich provoziert. Wenn es um das Abschlachten von Kindern geht, ist er empfindlich. Andererseits ist er selbst nicht gerade zimperlich, wenn es darum geht, Eindringlinge in sein Gebiet zu bestrafen. Sein treuester Freund und Weggefährte beobachtet diese Tatsache mit wachsender Besorgnis.

_Insgesamt_ ist die Charakterzeichnung für meinen Geschmack etwas zu stark einem Gut-Böse-Schema verhaftet. Aus diesem Rahmen scheinen allein Cailech und ein Söldner namens Romen Koreldy ein wenig herauszufallen. Ersterer ist allerdings noch zu grob skizziert, um zu einer wirklich lebendigen Figur zu werden, und Letzterer überlebt nur ein paar Seiten. Immerhin steht zu erwarten, dass Cailech im zweiten Band noch wichtig genug wird, um ihm etwas mehr Detail und Intensität zu verleihen.

Für den Hass zwischen Wyl und Celimus hat sich die Autorin dagegen viel Zeit gelassen. Trotz eines Zeitsprungs von sechs Jahren zieht sich der Aufbau dieser Feindschaft ziemlich hin. Einen vorläufigen Höhepunkt bildet der Zweikampf der beiden auf dem Turnier, doch richtig zur Sache geht es erst, als Celimus den Thron besteigt. Bis dahin ist nahezu ein Viertel des Buches gelesen.

Auch danach verfällt die Autorin gelegentlich in Weitschweifigkeiten. So hätte es die Szene zwischen Romen Koreldy und Arlyn nicht unbedingt gebraucht, und die Beschreibung des Weges zu Cailechs Festung hätte ebenfalls ein wenig Straffung vertragen können. Der Spannungsbogen hängt immer wieder mal durch.

Als besonders langatmig und noch dazu unlogisch empfand ich den Prolog. Da beschließen ein weiser, gütiger König und sein treuer und strategisch brillanter General, den Feind nach der gewonnenen Schlacht nicht völlig zu besiegen, sondern sich zurückzuziehen, um dem Gegner Zeit zu geben, sich für den nächsten Krieg angemessen zu erholen. Denn man hat ja große Achtung vor dem König des Nachbarlandes. Meine Güte, wenn dem so ist, warum bemüht sich dann keiner um einen Friedensschluss? Zumal alle ständig von der wachsenden Bedrohung aus dem Norden reden! Abgesehen davon halte ich es für strategischen Schwachsinn, den Gegner jetzt zu schonen, um ihn in ein paar Jahren unter schwierigeren Bedingungen doch wieder umzubringen!

Mag sein, dass die Grundsituation, die aus diesem seltsamen Anfang resultiert, Voraussetzung dafür war, dass die Handlung sich so entwickeln konnte, wie sie es tat. Man hätte diese Situation aber auf andere, glaubwürdigere Art aufbauen können. Das wäre dann vielleicht etwas komplizierter geworden, aber das hätte der Geschichte nur gutgetan. Denn die Grundidee, die Wanderung einer Seele durch verschiedene Körper, fand ich gar nicht schlecht. Sie eröffnet unendlich viele Möglichkeiten. Und dementsprechend viele Handlungsstränge sind am Ende des Buches auch offen. Insgesamt aber ist der Handlungsverlauf dadurch, dass das Augenmerk so stark auf Wyl liegt, ziemlich eingleisig gestrickt. Sämtliche Fäden, die sich durch die Trennung der Personen von Wyl entfernen, sind so lange auf Eis gelegt, bis sie Wyl wieder begegnen. Einzige Ausnahmen sind Celimus und Valentyna, die trotzdem gelegentlich kurz eingestreut werden. Durch diese Methode bleiben viele interessante Charaktere blasse Randfiguren, allen voran Cailech, wie oben bereits erwähnt, aber auch dessen Magier oder Celimus‘ neuer Berater Jessom.

_Mit anderen Worten_, die Autorin hat das Potenzial ihrer Idee bisher nicht voll ausgenutzt. Vielleicht war das Absicht, immerhin handelt es sich bei dem Buch um den Auftakt eines Zyklus. Trotzdem hoffe ich, dass die Folgebände etwas mehr Ausgewogenheit zeigen. Ein wenig mehr Vielschichtigkeit der Hauptfiguren, die in ihrer Aufgabe als Pro- beziehungsweise Antagonist ein wenig zu stereotyp ausgefallen sind, eine straffere Erzählweise und etwas mehr Leben für all die Nebenfäden, die im Wust der Haupthandlung so völlig untergegangen sind.

_Fiona McIntosh_ stammt ursprünglich aus England, ist aber bereits als Kind viel zwischen Afrika und England hin- und hergereist, hat eine Zeit lang in Paris gearbeitet und ist schließlich in Australien gelandet, wo sie mit ihrem Mann und zwei Kinder hängengeblieben ist. Der Herausgabe eines Reisemagazins folgte 2005 der Roman „Myrren’s Gift“, der erste Band ihrer |Quickening|-Trilogie und im Februar dieses Jahres unter dem Titel „Die dunkle Gabe“ auf Deutsch erschienen. Das Erscheinungsdatum des Folgebandes ist noch nicht bekannt. Seither hat die Autorin mit |Trinity| und |Percheron| zwei weitere Trilogien geschrieben, die allerdings bisher nur auf Englisch erhältlich sind.

|Originaltitel: Myrren’s Gift
Übersetzt von Beate Brammertz
Mit Illustrationen von Paul Young
Paperback, 800 Seiten|

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