Alle Beiträge von Birgit Lutz

Haydon, Elizabeth – Tochter der Sonne (Rhapsody / Symphony of Ages)

Rhapsody Saga

Band 1: Rhapsody: Child of Blood, Tor 1999, ISBN 0-312-86752-2
Tochter des Windes, Heyne 2003, Übersetzer Michael Windgassen, ISBN 3-453-86372-0
Band 2: Prophecy: Child of Earth, Tor 2000, ISBN 0-312-86751-4
Tochter der Erde, Heyne 2003, Übersetzerin Christine Struth, ISBN 3-453-87069-7
Band 3: Destiny: Child of Sky, Tor 2001, ISBN 0-312-86750-6
Tochter des Feuers, Heyne 2004, Übersetzer Michael Siefener, ISBN 3-453-87549-4
Band 4: Requiem for the Sun, Tor 2002, ISBN 0-312-87884-2
Tochter der Zeit, Heyne 2005, Übersetzer Michael Siefener, ISBN 3-453-87911-2
Band 5: Elegy for a Lost Star, Tor 2004, ISBN 0-312-87883-4
Tochter des Sturms, Heyne 2006, Übersetzer Michael Siefener, ISBN 3-453-52067-X
Band 6: The Assassin King, Tor 2007, ISBN 0-765-30565-8
Tochter der Sonne, Heyne 2008, Übersetzer Michael Siefener, ISBN 978-3-453-53256-4
Band 7: The Merchant Emperor, Tor 2014, ISBN 978-0-7653-0566-4
Band 8: The Hollow Queen, Tor 2015, ISBN 978-0-7653-0567-1
Band 9: The Weaver´s Lament, Tor 2016, ISBN 978-0-7653-2055-1

Lost Journals of Ven Polypheme

The Floating Island, Starscape 2006, ISBN 0-765-30867-3
The Thief Queen’s Daughter, Starscape 2007, ISBN 978-0-7653-0868-9
The Dragon’s Lair, Starscape 2008, ISBN 978-0-7653-0869-6
The Tree of Water, Starscape 2014, ISBN 978-0-7653-2059-9
(Quelle: Wikipedia.de)

Dank Llaurons Selbstaufopferung sind Rhapsody und Meridion Anwyn noch einmal entkommen. Doch die Drachin gibt nicht auf. Zwar hat Achmed sie mit seiner Cwellan schwer verwundet, aber Drachen sind zäh. Anwyn macht sich auf die Suche nach Kurimah Milani, der versunkenen Stadt der Heilung.

Rhapsody ist derweil nach Navarne zurückgekehrt, wo sie nun zusammen mit ihrem Mann Ashe, dem jungen Gwydion, Anborn, Achmed und Grunthor Kriegsrat hält. Da platzt Constantin, der Patriarch von Sepulvarta, überraschend in die geheime Beratung und berichtet, dass Sorbold offenbar nicht nur versucht, Roland und seine Verbündeten anzugreifen, sondern auch nach dem Kind der Zeit sucht – nach Meridion! Sofort beschließt Ashe, Rhapsody und Meridion zu ihrem Schutz mit Achmed und Grunthor nach Ylorc zu schicken.

Vor ihrer Abreise nimmt Rhapsody noch kurz Gwylliams kleine Schwester Mellisande beiseite und schickt sie auf eine Mission: Sie soll zu den Filiden gehen und Gavin bitten, ihr bei der Suche nach Elynsinos helfen, denn die Drachin scheint verschwunden zu sein. Mellisande ist begeistert von diesem Auftrag. Aber sie hat Navarne kaum verlassen, da wird sie angegriffen!

Kurz danach brechen auch Constantin und Anborn nach Sepulvarta auf und sammeln unterwegs so viele Truppen, wie die einzelnen Posten entbehren können. Doch sie kommen zu spät …

Und Ashe, dessen Drachennatur die Trennung von Rhapsody als unterträglich empfindet und der jetzt nur noch das kleinliche, selbstsüchtige Gezänk der rolandischen Herzöge hat, um sich abzulenken, droht der intriganten Portia ins Netz zu gehen …

_Bezüglich der Charakterzeichnung_ hat sich nicht viel getan. Alle auftauchenden Personen sind mehr oder weniger bekannt, oder sie sind Randfiguren, die nur gelegentlich kurz auftauchen.

Die einzige Ausnahme ist Rath, ein Drakhier, der nicht nur F’dor jagt, sondern offenbar auch Achmed. Die Entwicklung seines Handlungsstranges deutet darauf hin, dass er im weiteren Verlauf des Zyklus noch wichtig werden wird, über seinen Charakter gibt es allerdings bisher nicht viel zu sagen. Das Einzige, was er im Sinn zu haben scheint, ist die Dämonenjagd.

Unverändert geblieben ist auch, dass Rhapsody, Achmed und Grunthor in der Fülle der weiteren Charaktere und Handlungsstränge ein wenig untergehen. Schade, denn ich hatte gehofft, die Autorin würde ihren Hauptprotagonisten irgendwann wieder mehr Gewicht verleihen.

_Leider scheint das bei der Vielzahl an Handlungssträngen_ kaum mehr möglich. Tatsächlich sind es inzwischen so viele, dass zum Beispiel derjenige um Dranth, den Nachfolger Estens als Anführer der Rabengilde von Yarim, nur einmal auftaucht und dann gerade mal zwanzig Seiten umfasst. Ähnliches gilt für die kurze Sequenz um den Nain-König Faedryth und seinen Lichtfänger oder das Treffen der Drachen.

Nicht, dass die Autorin ihre vielen Fäden nicht sauber und flüssig miteinander verknüpft hätte. Der Teppich ist inzwischen einfach nur so breit geworden, dass die einzelnen Streifen nicht mehr so recht vorwärts kommen. Um die Handlung überall ein bis zwei Schritte weiterzuführen, braucht die Autorin inzwischen das halbe Buch. Obwohl sie zügig erzählt und eine Menge Leute eine Menge Dinge tun, bleibt beim Leser am Ende doch der Eindruck, auf der Stelle zu treten. Zu dünn gestreut sind die Aspekte, die spürbare Auswirkungen auf die Entwicklung der Handlung haben. Manche sind einfach noch zu sehr in der Vorbereitungsphase, um sich auszuwirken, manche dienen auch nur der Ausschmückung des Hintergrundes.

Als die Dinge dann endlich in Bewegung zu geraten scheinen, ist das Buch plötzlich zu Ende. Dabei war die Szene, in der Rath den Dämonen Hrarfa stellt, eine der besten des ganzen Buches. Geschickt lenkt die Autorin hier die Erwartungen des Lesers in eine bestimmte Richtung, nur um ihn dann völlig zu überraschen. Hier hat sich der Spannungsbogen endlich mal ein wenig gestrafft und das Geschehen zeigt gravierende Folgen für den weiteren Verlauf. Davon hätte es ruhig mehr geben dürfen. Und es ist ja nicht so, als wäre dafür nicht noch Platz gewesen. Zwar ist dieser sechste Band des Zyklus genauso groß gedruckt wie seine Vorgänger, er hat aber deutlich weniger Seiten, die außerdem vom Format her um ein Drittel kleiner sind.

Die schiere Masse an Stoff bringt es außerdem mit sich, dass Selbiger an so mancher Stelle durcheinander gerät. So schreibt die Autorin über Sepulvarta, dass die Stadt auf Anweisung Constantins versiegelt wurde, und nennt diese Maßnahme als Grund dafür, dass die Stadt nicht zerstört wurde. Kurz darauf erlebt der Leser mit, wie die Truppen Sorbolds in die Stadt eindringen und Feuer ausbricht. Außerdem scheint Elizabeth Haydon mit sich selbst nicht ganz einig zu sein, welches Kind aus der Prophezeiung der schlafenden Kinder nun welches ist. Mal ist das schlafende Mädchen aus lebendigem Stein unter den Bergen von Ylorc das erste Kind der Prophezeiung, mal ist es das zweite.

_Nicht zum ersten Mal_ stellte ich mir deshalb die Frage, ob es wirklich sinnvoll ist, einen Zyklus zu solch einem Moloch anwachsen zu lassen. Bei allem Geschick, mit dem die Autorin zum Beispiel zu Beginn des Buches dem Leser die Ereignisse aus dem vorhergehenden Band in Erinnerung ruft, indem sie alles Wichtige als Bericht der verschiedenen Personen in den geheimen Kriegsrat einbringt, lässt es sich doch nicht vermeiden, dass Details in der Wartezeit zwischen den einzelnen Teilen des Zyklus aus der Erinnerung verschwinden. Es macht die Handlung zunehmend träge und unübersichtlich und schwächt den Spannungsbogen. Und viele Ideen, die den Charme der Geschichte ausmachen sollten und könnten – wie Rhapsodys Gesang, die Prophezeiungen oder die Schuppen – gehen in der Flut der unzähligen, einzelnen Aktionen und Maßnahmen, welche die Akteure unternehmen, schlicht unter.

Vielleicht wäre es besser gewesen, die Autorin hätte sich die Mühe gemacht und ihre nach den ersten drei Bänden neu eingebrachten Ideen in einen neuen und unabhängigen Kontext gestellt. Ich bin mir nicht sicher, ob das nicht vielleicht sogar weniger Arbeit gewesen wäre.

_Elizabeth Haydon_ lebt an der Ostküste der USA mit ihrem Mann und drei Kindern. Sie interessiert sich für Kräuterkunde und Geschichte, singt und spielt selbst Harfe. Bevor sie zu schreiben begann, arbeitete sie im Verlagswesen. Außer |Symphony of Ages| schrieb sie auch |The Journals of Ven Polypheme| für Kinder.

http://www.elizabethhaydon.com
http://www.heyne.de

Abraham, Daniel – Winter des Verrats (Die magischen Städte 2)

Die magischen Städte:

Band 1: Das Drachenschwert“
Band 2: „Winter des Verrats“

Zwölf Jahre sind seit den Ereignissen in „Sommer der Zwietracht“ vergangen. Otah hat nach einigen Jahren auf See und auf den Inseln beim Haus Siyanti in Udun als Kurier angefangen und kommt so quasi in der ganzen Welt herum. So landet er unvermeidlich eines Tages auch in seiner Geburtsstadt Machi, und das ausgerechnet zu einem Zeitpunkt, als seine drei ältesten Brüder beginnen, um die Nachfolge ihres sterbenden Vaters zu kämpfen …

Kurz zuvor wird auch Maati nach Machi geschickt. Offiziell soll er die dortige Bibliothek nach einer besonderen Grammatik durchsuchen. Der wahre Auftrag des Dai-kvo aber lautet, Otah zu finden. Denn da Otah sich als Junge der Laufbahn als Dichter ebenso wie der Brandmarkung entzogen hat, könnte er möglicherweise den Entschluss fassen, Ansprüche auf den Thron des Khai Machi zu erheben …

Dabei ist Otah gar nicht die wirkliche Bedrohung. Jemand anderer greift nach der Macht, unmittelbar vor der Nase aller Beteiligten, und wird aufgrund des Geschlechtes einfach übersehen: Idaan, die Tochter des Khai Machi, ist der Überzeugung, dieselben Rechte zu haben wie ihre Brüder, und fest entschlossen, diese auch gegen alle gesellschaftlichen Regeln durchzusetzen, koste es, was es wolle!

Auch diesmal wird die Handlung durch eine Hand voll Personen getragen. Drei davon sind neu:

Idaan ist eine äußerst rebellische Person. Schon als Kind hat sie sich die unmöglichsten Streiche geleistet, aus Trotz gegen die Beschränkungen ihrer Geburt: Als Mädchen durfte sie nicht zur Schule gehen, und als erwachsene Frau darf sie nicht arbeiten und hat auch sonst keinerlei Möglichkeiten, selbst über ihr Leben zu bestimmen. Idaans Auflehnung wird immer drastischer und überschreitet schließlich nicht nur die Grenzen des Gesetzes. Dabei ist Idaan bei aller zornigen Entschlossenheit und allem Ehrgeiz nicht wirklich skrupellos, im Gegenteil. Am Ende empfindet sie sich selbst als so unerträglich, dass sie daran zu zerbrechen droht.

Adrah ist nicht nur ihr Bräutigam und Verbündeter, er liebt Idaan auch über alle Maßen. Obwohl er zunächst vor dem Ausufern ihrer Pläne wie ein verschreckter kleiner Junge zurückweicht, verhärtet Idaans Untreue ihn so sehr, dass am Ende er derjenige ist, der die Angelegenheit weiter vorantreibt.

Cehmai, der Dichter von Machi, ist ein umgänglicher junger Mann mit einem Hang zur Neugierde. Als er sich in Idaan verliebt, fällt ihm die Beherrschung des Andaten Steinerweicher allmählich immer schwerer. Denn obwohl Steinerweicher im Vergleich zu Samenlos von schlichtem Gemüt und eher ruhigem Naturell ist, wehrt auch er sich vehement gegen die Bindung an Cehmai, auf seine eigene, fast gutmütige Art.

Otah, der in Saraykeht unter dem Namen Itani gelebt hat, ist ziemlich der Alte geblieben. Noch immer ist er ein freundlicher, umgänglicher Kerl, der leicht Kameradschaft schließt, noch immer ist er anspruchslos und frei von jeglichem Ehrgeiz. Und noch immer hat er sein Leben nicht so auf die Reihe bekommen, wie er sich das wünscht. Es scheint, als wäre es ihm unmöglich, sich endgültig von seiner Herkunft zu befreien, und als er den Umständen schließlich nachgibt, geschieht es fast widerwillig.

Maati dagegen hat sich sehr verändert. Seine Naivität ist großteils einer Mischung aus Enttäuschung und Schuldgefühlen gewichen. Der Dai-kvo hat ihn geradezu degradiert, weil Maati Liat und ihr Kind nicht aufgeben wollte, was letztlich dazu führte, dass Liat sich von Maati getrennt hat. Maati betrachtet sich sowohl in weltlicher als auch in dichterischer Hinsicht als Versager, dabei ist er weder dumm noch unfähig. Es ist nur so, dass Maati ein freundliches Herz und einen stark ausgeprägten Gerechtigkeitssinn besitzt, was ihn immer wieder in Konfrontation mit den Forderungen des Dai-kvo bringt.

Die Charakterzeichnung ist wieder sehr gut ausgefallen. Auch in diesem Band hat der Autor jegliche Schwarz-Weiß-Malerei vermieden. Das zeigt sich vor allem in der Person von Idaan, die zur Abwechslung mal nicht zur emanzipierten Powerfrau geraten ist, sondern an ihrem inneren Konflikt zwischen Freiheitsdrang und Gewissen scheitert.

Die Handlung dreht sich erneut vor allem um Intrigen. Wie in Saraykeht sind auch hier die Galten mit im Spiel; sie wollen ein Manuskript aus der Bibliothek und versprechen dafür im Gegenzug Idaan und Adrah Unterstützung im Kampf um den Thron des Khai. Insgesamt gesehen verbleiben die Galten aber eher am Rande, und um was für ein Manuskript es da geht, wird nicht verraten. Offenbar hat der Autor sich dieses Detail für den nächsten Band aufgehoben.

Im Mittelpunkt stehen vor allem Idaan und ihre komplizierten Beziehungen zu Adrah und Cehmai, sowie Maati, der zu beweisen versucht, dass nicht Otah hinter all den Intrigen in Machi steckt, und das selbst entgegen der Anweisung des Dai-kvo. Dass sich in diese Angelegenheit auch noch eine Partei eingemischt hat, von der er gar nichts weiß, macht es für ihn nicht einfacher.

Mit anderen Worten, es ist alles genauso verwickelt wie beim ersten Band, nur wird es diesmal ein gutes Stück spannender, denn der Autor setzt die Lösung der ganzen Angelegenheit zeitlich unter Druck. Die Verzahnung der verschiedenen Beziehungen und Zusammenhänge war geschickt gemacht, sodass das Buch insgesamt eine wirklich runde Sache geworden ist, eine Einheit ohne Brüche und Knicke.

Der magische Aspekt wurde allerdings immer noch ein wenig stiefmütterlich behandelt. Vielleicht ändert sich das ja, wenn sich im nächsten Band herausstellen sollte, was an dem Manuskript so interessant war, dass die Galten solche Anstrengungen unternommen haben, um es in die Finger zu bekommen.

Bleibt zu sagen, dass mir der zweite Band besser gefallen hat als der erste. Er hatte zwar nicht mehr magischen Zauber als der erste zu bieten, dafür hat sich der Spannungsbogen tatsächlich gestrafft und auch das Erzähltempo hat sich, zumindest gegen Ende, ein Stück gesteigert. Dennoch bleiben die Charakterzeichnung und die Verwicklungen der Intrige die Hauptträger der Geschichte, was ja nicht unbedingt schlecht ist. Wer sich dagegen mehr fürs Monumentale begeistert oder Wert auf fantastische Ausschmückung legt, der sollte besser zu einer anderen Lektüre greifen.

Daniel Abraham lebt mit Frau und Tochter in New Mexico. Bevor er seinen ersten Roman „Sommer der Zwietracht“ verfasste, hat er eine Vielzahl von Kurzgeschichten in Magazinen und Anthologien veröffentlicht, sowie den Kurzroman „Shadow Twin“ in Zusammenarbeit mit Gardner Dozois und George R. R. Martin. Seine Kurzgeschichte „Flat Diane“ wurde für den Nebula Award nominiert. Die Fortsetzung des Zyklus Die magischen Städte, „An Autumn War“, wurde für Juli 2008 angekündigt, der deutsche Erscheinungstermin steht noch nicht fest.

Paperback, 448 Seiten
Originaltitel: The Long Price Quartet 2. A Betrayal in Winter
Aus dem Amerikanischen von Andreas Heckmann
ISBN-13: 978-3-442-24447-8

http://www.danielabraham.com/
www.randomhouse.de/blanvalet

Der Autor vergibt: (4.5/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (8 Stimmen, Durchschnitt: 1,50 von 5)

Berg, Carol – Tor der Offenbarung (Rai-Kirah-Saga 2)

Band 1: [„Tor der Verwandlung“ 3948

Nach den Ereignissen in „Tor der Verwandlung“ ist Seyonne in seine Heimat Ezzaria zurückgekehrt. Es ist ihm sogar gelungen, von seinem Volk wieder aufgenommen zu werden, und er hat die Frau geheiratet, die er seit seiner Jugend liebt. Er soll sogar bald Vater werden.

Trotzdem ist nicht alles eitel Sonnenschein. Ein nicht unerheblicher Teil der Ezzarier misstraut ihm noch immer, und da Seyonne ein schlechter Lügner ist und mit seiner Meinung nicht hinter dem Berg hält, hat der oberste Rat der Ezzarier einen Wachhund auf ihn angesetzt: die junge Fiona, die während Ysannes Schwangerschaft auch als Seyonnes Aife arbeitet.

Da Seyonne derzeit noch der einzige vollständig ausgebildete Wächter der Ezzarier ist, muss er nahezu täglich einen Kampf im Innern irgendeiner Seele ausfechten – eine ungeheure Belastung. Und trotzdem wäre vielleicht für immer alles beim Alten geblieben, wären nicht zwei folgenschwere Dinge geschehen: Ysannes Kind kommt mit einem Dämon behaftet zur Welt. Das ezzarische Gesetzt sieht vor, solche Kinder zu töten, indem man sie aussetzt. Noch gebeutelt von diesem entsetzlichen Verlust, trifft Seyonne auf einen Dämon ohne jedes Anzeichen von Bosheit, dafür mit einem ausgeprägten Wunsch nach einem freundlichen Gespräch …

_Die Riege der Figuren_ hat eine Menge Zuwachs bekommen:

Fiona ist eine sehr burschikose junge Frau. Aufgewachsen unter denjenigen Ezzariern, die sich nach der Eroberung durch die Derzhi tief in den Wäldern versteckt hatten, um dem Tod oder der Sklaverei zu entgehen, trägt sie ihr Haar noch immer kurz und lieber Hosen statt Röcke. Mit den Ritualen, die mit dem Kampf gegen die Dämonen verbunden sind, nimmt sie es außerordentlich genau und gerät deshalb immer wieder in Reiberei mit Seyonne. Sie sieht in seiner Nachlässigkeit Anzeichen von Verderbtheit und lässt ihn deshalb keinen Moment aus den Augen, als könnte sie ihre Überzeugung beweisen, wenn sie nur geduldig genug alles beobachtet, was Seyonne tut. Darin ist sie mindestens so gründlich wie in der Befolgung der Rituale, was dazu führt, dass sie Seyonne sogar folgt, als er Ezzaria verlässt.

Eine ebenso ausgefallene Persönlichkeit ist Blaise, ein junger Mann, der sich dem Kampf gegen die Herrschaft der Derzhi verschrieben hat. Er besitzt ein paar ungewöhnliche Fähigkeiten, die auf ein gerüttelt Maß an Melydda – magische Macht – schließen lassen, allerdings ist er nicht einmal in der Lage, einen einfachen Bann zu weben, um das Ungeziefer aus seiner Hütte fernzuhalten! Abgesehen davon besitzt er Charisma und ein ausgeprägtes Verantwortungsgefühl seinen Gefolgsleuten gegenüber, dafür fehlt es ihm in ganz bedauerlichem Maße an politischer Einsicht.

Balthar ist dem Leser des ersten Bandes vielleicht noch in Erinnerung als derjenige, der das grausame Ritual erfand, um ezzarische Sklaven ihrer Magie zu berauben. Wer jetzt glaubt, es mit einem finsteren, bösartigen Gesellen zu tun zu haben, wird überrascht sein: Balthar stellt sich als kleiner, gutmütiger, alter Mann mit einer tragischen Geschichte heraus, der schon bald der Welt samt Ezzariern und Derzhi den Rücken gekehrt und sich auf eine Insel in einem großen Fluss zurückgezogen hat. Dort hat er seine Zeit damit verbracht, eine uralte Ruine zu erforschen, und ist dabei auf einige gravierende Erkenntnisse gestoßen, die so erschreckend sind, dass er sie nur widerwillig preisgibt.

Eine noch größere Überraschung als Balthar waren jedoch die Dämonen. Der am Ende des ersten Bandes noch recht eindimensionale Feind zersplittert schon nach kurzer Zeit in eine solche Vielzahl von unterschiedlichen Persönlichkeiten, dass es die Auflistung der Charaktere schlicht sprengen würde.

Und dann wäre da noch Merryt zu erwähnen, ein jovialer, etwas derber und gleichzeitig undurchsichtiger Ezzarier, der vor langer Zeit in die Gefangenschaft der Dämonen geraten ist.

Jedem dieser Neuzugänge hat die Autorin ein eigenes, faszinierendes Profil verliehen. Selbst die Dämonen, die sehr gut darin sind, sich nicht in die Karten schauen zu lassen, erweisen sich alle als wirklich eigenständige Charaktere mit unterschiedlichen Interessen und Motiven. Auch das diesmal wieder sehr gelungen.

Diese Vielfalt an Individualität unter den Dämonen hat natürlich enorme _Auswirkungen auf die Handlung_. Oder vielleicht auch andersherum. Jedenfalls ist das Feindbild aus Band eins dadurch komplett in die Brüche gegangen, und damit auch das Weltbild der Ezzarier. Die langen Jahre außerhalb seiner Heimat und seiner Kultur haben ohnehin schon dazu geführt, dass Seyonne bei seiner Rückkehr so manches hinterfragt. Als er beginnt, der Sache auf den Grund zu gehen, macht er eine Entdeckung, die allem, was man ihn gelehrt hat, dermaßen zuwiderläuft, dass er trotz aller Distanz zu seiner eigenen Kultur größte Schwierigkeiten damit hat, die Konsequenzen zu akzeptieren. Auch der Leser macht quasi eine komplette Umwälzung mit, die Autorin hält ihn aber so stark an der Hauptfigur, dass zu keiner Zeit der Eindruck von Willkür entsteht.

Natürlich muss der weggefallene Gegenspieler in irgendeiner Form ersetzt werden. Das tut die Autorin auf elegante, unaufdringliche Weise. Im Laufe der Geschichte verschiebt sich das Gegengewicht ganz allmählich hin zu einer Person, die bisher nicht vorkam und auch jetzt nur ganz am Rande auftaucht. Wie zuvor der Dämon, der sich in Aleksander eingenistet hatte, hängt jetzt diese Bedrohung wie ein düsterer Schatten im Hintergrund, während die eigentliche Handlung sich mit konkreteren, aber kleineren Gegnern herumschlägt, die wie die Kelid am Ende des Bandes zumindest teilweise ausgeschaltet sind.

_Trotz all dieser positiven Aspekte_ hat mir der zweite Band nicht ganz so gut gefallen wie der erste. Die besondere, sich allmählich entwickelnde Beziehung zwischen Aleksander und Seyonne, die einen großen Teil der Faszination des ersten Bandes ausgemacht hat, ist hier weggefallen, und die ständigen Reibungen zwischen Fiona und Seyonne sowie das Duell zwischen Seyonne und der Dämonin Vallyne sind zwar nicht schlecht gemacht, können damit aber nicht mithalten. Das mag daran liegen, dass Seyonnes scharfer Verstand, der ihn in der Konfrontation mit Aleksander stets wie einen Artisten bei einem gewagten Drahtseilakt agieren ließ, diesmal zu großen Teilen brach lag. Nicht, dass es seine Schuld gewesen wäre, aber die Autorin fügt ihm diesmal so zahllose und schwere Misshandlungen, Verwundungen und Demütigungen zu, dass der Leser konsequenterweise mehr an Gefühlen teilhat als an Gedanken. Seyonne ist über große Zeiträume hinweg mehr verwirrt als bei Sinnen. Das zieht nicht nur die Handlung stellenweise etwas in die Länge, es macht diesen Teil des Zyklus auch ein gutes Stück grausamer als den ersten.

Immerhin aber hat die Autorin alle Bestandteile ihrer Geschichte – die Welt der Dämonen, den historischen Hintergrund, die persönlichen Vergangenheiten ihrer Figuren – sehr geschickt und nahtlos miteinander verwoben. Es dauert ein wenig, bis der Zusammenhang zwischen den ausgesetzten Kindern der Ezzarier, den Rebellen um Blaise, den Dämonen und den historischen Entdeckungen allmählich deutlich wird, gegen Ende aber zieht die Spannung an und hält sich tatsächlich bis ganz zum Schluss, was nicht unerheblich auf einige überraschende Wendungen zurückzuführen ist. Abgesehen von den oben erwähnten kleinen Mankos ist dieser zweite Band des Zyklus immer noch ein gutes, lesenswertes Buch.

_Carol Berg_ schreibt ihre Bücher nebenbei. Hauptberuflich ist die studierte Mathematikerin und Computerwissenschaftlerin als Software-Entwicklerin bei |Hewlett Packard| tätig. „Tor der Verwandlung“ ist der erste Band der Trilogie Rai-Kirah und ihr erstes Buch überhaupt. Seither hat sie den vierbändigen Zyklus |The Bridge of D’Arnath| geschrieben sowie einen Zweiteiler und die Romane „Song of the Beast“ und „Unmasking“, der im November neu auf den Markt kommt. Nahezu alle ihre Bücher haben irgendeinen Preis gewonnen. Eine beachtliche Leistung für eine Hobby-Autorin. Höchste Zeit also, dass ihre Bücher endlich auch auf Deutsch erscheinen. Der abschließende dritte Band von |Rai-Kirah| erscheint im Juli dieses Jahres unter dem Titel „Tor der Erneuerung“.

|Originaltitel: The Rai-Kirah-Saga 2. Revelation
Originalverlag: Roc, New York 2002
Aus dem Amerikanischen von Tim Straetmann
Taschenbuch, 672 Seiten|
http://www.blanvalet-verlag.de/
http://www.sff.net/people/carolberg/

Nimmo, Jenny – Charlie Bone und das magische Schwert (Die Kinder des roten Königs 6)

Band 1: [„Charlie Bone und das Geheimnis der sprechenden Bilder“ 1992
Band 2: [„Charlie Bone und die magische Zeitkugel“ 2448
Band 3: [„Charlie Bone und das Geheimnis der blauen Schlange“ 3308
Band 4: [„Charlie Bone und das Schloss der tausend Spiegel“ 3464
Band 5: [„Charlie Bone und der rote König“ 3468

Ein Schüler, der aufs Bloor geht, hat wahrhaftig kein ruhiges Leben, zumindest nicht, wenn er sonderbegabt ist. Zwar hat Charlie seinen Vater wiedergefunden, aber deswegen geben die Bloors sich noch lange nicht geschlagen. Und so kommt es, dass Charlie plötzlich einen sogenannten Patenschüler hat! Sein Name ist Dagbert, ein sonderbegabter Junge aus dem hohen Norden. Und er scheint es darauf abgesehen zu haben, Charlie und seine sämtlichen Freunde zu entzweien.

Aber das ist nicht das einzige Problem: Asa ist verschwunden, seltsame Leute mit gelben Augen verfolgen Charlie, und seine Tante Venetia hat es sich in den Kopf gesetzt zu heiraten. Denn der kleine Sohn ihres Zielobjektes hat offenbar eine mächtige Sonderbegabung, und schon bald vergöttert er seine Stiefmutter …

_Das sind wieder mal eine Menge Neuzugänge._ Das Hauptaugenmerk liegt dabei auf Dagbert. Ein Junge mit kalten blaugrünen Augen, der, wenn ihn die Bosheit überkommt, penetrant nach Fisch stinkt. Seine Sonderbegabung besteht darin, dass er Leute ertränken kann, selbst an Orten, wo überhaupt kein Wasser in der Nähe ist. Allerdings scheint Dagbert eine recht wankelmütige Natur zu sein, gelegentlich ist er regelrecht freundlich. Der kleine Eric, Stiefsohn von Charlies Tante Venetia, dagegen ist nur eine Randfigur ohne eigenes Profil, zumindest bisher. Mrs. Kettle gibt auch nicht viel mehr her. Die große, stämmige Verkäuferin von Kesseln aller Art ist eine Freundin der Köchin und stellt sich schon bald als Schmiedin und Nachfahrin eines mächtigen Zauberers heraus. Das ist allerdings auch schon alles.

So wäre die Charakterzeichnung reichlich dünn geraten, wäre da nicht die seltsame Wankelmütigkeit in Dagberts Charakter, die der ganzen Sache ein wenig Pfiff verleiht. Dagbert könnte auch für die folgenden Bände noch eine Menge interessanter Verwicklungen bereithalten. Allerdings konnte man das bereits von einigen Figuren sagen, die im Laufe der fünf Vorgängerbände aufgetaucht sind, und die meisten davon verschwanden einfach wieder in der Versenkung oder waren für die künftige Handlung kaum noch von Belang.

Andererseits ist Dagbert der Sohn von Lord Grimwald, der bereits in den Erzählungen der Köchin vorkam und dessen Auftauchen im Bloor die gute Frau völlig aus der Fassung bringt. Vor allem aber wurde Lord Grimwald dafür, dass das Bloor seinen Sohn Dagbert aufnimmt, eine Aufgabe übertragen: Er soll Charlies Eltern ertränken, die in ihren zweiten Flitterwochen aufs Meer hinausgefahren sind, um Wale zu beobachten! Am Ende des Buches scheint aber noch alles in Ordnung zu sein, denn Charlie erhält Post von seinen Eltern. Vielleicht werden also Dagbert und sein Vater im kommenden Band doch noch eine Rolle spielen.

Abgesehen davon ist dieser Auftrag der Bloors an Grimwald mehr als ein einfacher Racheakt. Charlies Vater Lyell hat offenbar von Billys Vater Rufus ein Kästchen zur Aufbewahrung erhalten, das ein Dokument mit einem brisanten Geheimnis enthält. Weil Lyell den Bloors das Versteck dieses Dokuments damals nicht verraten wollte, wurde er von Manfred hypnotisiert und seines Gedächtnisses beraubt. Jetzt, da Lyell wieder aufgewacht ist, fürchten sie, dass er sich erinnern und dem Geheimnis des Kästchens auf den Grund gehen könnte.

Jenny Nimmo liefert hier nicht nur ein weiteres Puzzleteil der Vorgeschichte um den Tod von Billys Eltern und Lyells Entführung, sondern auch die Basis für eine neue Hintergrundgeschichte, um die der Suche nach Charlies Vater zu ersetzen. Gleichzeitig bildet dieser Aspekt die Verbindung zum Erzählstrang um Asas Verschwinden. Dem Leser ist natürlich klar, dass Asa deshalb verschwunden ist, weil er im Band „… der rote König“ zu Charlie und seinen Freunden übergelaufen ist. Und natürlich ist Charlie fest entschlossen, Asa jetzt nicht im Stich zu lassen. Wieder mal ist also eine Rettungsaktion angesagt, welche die vordergründige Handlung liefert.

_Vom Erzählfluss her_ ist Jenny Nimmo die Mischung aus Vorder- und Hintergrund gut gelungen. Allerdings muss ich sagen, dass dem Vordergrund diesmal ein wenig der Pep fehlte. Trotz der etwas dramatischeren Szene auf der Eisenbrücke über dem Fluss blieben die Aktivitäten insgesamt ein spürbares Stück hinter den Turbulenzen des letzten Bandes zurück. Dabei ist nicht unbedingt etwas dagegen einzuwenden, wenn der Handlungsverlauf mal etwas ruhiger daherkommt, nur wäre es in diesem Fall vielleicht gut gewesen, die Autorin hätte zum Ausgleich ihre neu eingebrachte Ideen etwas deutlicher ausgebaut. So werden die Leute, bei denen Dagbert am Wochenende wohnt, nur ein einziges Mal erwähnt, ohne jemals selber aufzutauchen, nicht mal bei Dagberts Konfrontation mit Mrs. Kettle, und ich fragte mich allmählich, ob Dagbert nicht womöglich allein dort wohnt!

Diese Straße, in der Mrs. Kettle und auch Dagbert wohnen, stellt sich mit der Zeit als eine Art Zauberergasse heraus, in der wohl die gleichen Rivalitäten herrschen sollen wie im Bloor. Davon ist aber zu keiner Zeit wirklich etwas zu spüren. Die Sache mit dem geheimnisvollen Roten Ritter hat die Autorin wohl absichtlich so vage gelassen, um auf diese Weise die Spannung ein wenig zu steigern, erstaunlich war aber doch, dass der kleine Eric offenbar einfach so eine der Steinstatuen aus einem Geschäft in der „Zauberergasse“ zum Leben erwecken konnte, ohne dass der Besitzer des Ladens auftaucht und zumindest Fragen stellt. Und nirgendwo wird ein Wort darüber verloren, was genau für ein Volk die Merolinge sind.

_So war dieser Teil des Zyklus_ zwar nicht wirklich langweilig, dank Dagbert. Ich hoffe trotzdem, dass es im nächsten Band wieder etwas lebhafter zugeht. Das Gerangel um das brisante Dokument bietet da weit mehr Möglichkeiten als die Suche nach Charlies Vater, und zu retten gibt es dank der Bosheit der Bloors ja immer jemanden. Um das Potenzial der losen Fäden, die Jenny Nimmo nach jedem Band ungenutzt im Sande verlaufen lässt, ist es zwar einerseits schade; andererseits erhält sie sich dadurch genügend Raum für neue Ideen und verhindert, dass ihre Geschichte sich mit der Zeit zu einem unübersichtlichen Koloss aufbläht, was den jüngsten unter den Lesern zugute kommt. Jenny Nimmo bleibt ihrem Publikum treu, und das ist auch was wert.

_Jenny Nimmo_ arbeitete unter anderem als Schauspielerin, Lehrerin und im Kinderprogramm der |BBC|. Geschichten erzählte sie schon als Kind, Bücher schreibt sie seit Mitte der Siebziger. Unter anderem stammt der Zyklus |Snow Spider| aus ihrer Feder, sowie „Im Garten der Gespenster“, „Der Ring der Rinaldi“ und „Das Gewächshaus des Schreckens“. „Charlie Bone und das Geheimnis der sprechenden Bilder“ ist der erste Band des Zyklus |Die Kinder des roten Königs| und hat sie auch in Deutschland bekannt gemacht. Der neueste Band der Charlie-Bone-Reihe mit dem Titel „Charlie Bone and Enchanter of Badlock“ soll im Juni dieses Jahres in England erscheinen.

http://www.jennynimmo.me.uk
http://www.ravensburger.de

Irvine, Ian – Festung der Macht, Die (Die drei Welten 4)

Band 1: [„Der Spiegel der Erinnerung“ 3928
Band 2: [„Das magische Relikt“ 4217
Band 3: [„Der Turm von Katazza“ 4363

Nachdem Mendark, Tallia und Pender einige Mühe damit hatten, ihr Schiff ordentlich auszurüsten, ist es ihnen endlich gelungen, Richtung Norden zu segeln und die Stadt Zile zu erreichen, wo sie in der Großen Bibliothek nach Informationen über den Spiegel suchen wollen. Mendark hofft, auf diese Weise herauszufinden, wohin Tensor mit dem Spiegel geflüchtet ist.

Tensor und seine Aachim haben inzwischen die Nordküste des Kontinents erreicht. Doch nun kann die Gruppe sich nicht einigen, wohin sie sich wenden soll. Da stoßen einige Überlebende aus Shazmak zur Gruppe, und ihre Berichte haben eine äußerst unangenehme Wirkung auf Tensor. Nur widerwillig beugt sich die Gruppe seinem Willen und folgt ihm nach Osten übers Meer.

Auch Shand und Karan sind nach Osten übers Meer geflohen. Und obwohl Karans ohnehin unzuverlässiges Talent in letzter Zeit überhaupt nicht mehr wirkt, spürt sie Llians Gegenwart. Kurzerhand beschließt sie, dass sie unbedingt nach Katazza muss. Doch sie werden immer noch verfolgt.

Yggur ist derweil der Verzweiflung nahe! Nichts funktioniert mehr so, wie es soll. Trotz aller Mühe gelingt es ihm nicht, der Stadt Thurkad Herr zu werden, die ihm verbliebenen Whelm sind aufsässig, und auch seine magischen Kräfte sind nicht mehr das, was sie einmal waren. Yggur verliert zunehmend sein Selbstvertrauen. Und Maigraith, die während der Zeit, in der Faelamor nahezu handlungsunfähig daniederliegt, immer mehr an Selbstvertrauen gewinnt, verliert zunehmend ihre Achtung vor Yggur.

_Neue Charaktere_ tauchen in diesem Band des Zyklus so gut wie keine auf. Nur Nadiril, das Oberhaupt der Großen Bibliothek in Zile, tritt zum ersten Mal als Person in Erscheinung, ein sehr, sehr alter, gebrechlicher Mann mit einem unglaublich wachen Geist und einer nicht allzu guten Meinung von Mendark. Allein deshalb war er mir schon sympathisch. Allerdings beschränkt sich sein Auftritt bisher auf ein kurzes Gastspiel, deshalb blieb die Charakterzeichnung eher skizzenhaft.

Ansonsten sticht lediglich Tensor ein wenig aus dem Gros der Figuren heraus. Sein Verlangen danach, den Spiegel zu benutzen, um sich an Rulke, dem Charon, zu rächen, wird mit der Zeit immer mehr zum Wahn, Tensor selbst immer unberechenbarer. Diese Entwicklung ist zwar nicht unbedingt übermäßig intensiv, aber doch deutlich und nachvollziehbar geraten.

Shand zieht die Aufmerksamkeit des Lesers eher unauffällig auf sich. Schon früh war klar, dass in diesem Mann mehr steckt, als auf den ersten Blick zu erkennen ist. Im Laufe der Handlung entwickelt er immer mehr Fähigkeiten und vor allem immer mehr Wissen, das deutlich zeigt, dass Shand tatsächlich jemand Besonderes, jemand Wichtiges sein muss.

_Damit haben sich die Höhepunkte auch schon wieder fast erschöpft._ Die Handlung erzählt fast ausschließlich von den Schwierigkeiten, unter denen die einzelnen Gruppen sich nach Katazza durchschlagen, wobei Karan und Shand die härteste Tour zu überstehen haben, sowie von der Hilflosigkeit der Aachim Tensors Sturheit gegenüber. Selbst Malien, die sich schon ziemlich früh gegen Tensors Vorhaben ausspricht, ist nicht in der Lage, ernsthaft etwas gegen ihn zu unternehmen. Die Aachim geben in diesem Band trotz ihrer Fähigkeiten – oder vielleicht auch gerade deswegen – eine ziemlich erbärmliche Figur ab.

Die kurze Sequenz, in der die Gâshâd wieder einmal auftauchen und Karan bedrängen, ist auch diesmal nur ein kurzes Zwischenspiel, das letztlich ohne Folgen bleibt und dem Spannungsbogen nicht wirklich auf die Beine hilft. Dasselbe lässt sich von Karans extravaganter Klettertour sagen, die nichts weiter bewirkt, als dass hinterher nicht nur Llian, sondern auch Karan bei Tensor im Turm festsitzt. Abgesehen davon zeigen sich Llian und Karan Tensor gegenüber fast genauso hilflos und erbärmlich wie die Aachim. Nicht ein einziges Mal versuchen sie, die Tür des Turms zu öffnen oder das magische Tor zu zerstören, während Tensor abwesend ist. Sie warten einfach tatenlos, bis Tensor die Katastrophe heraufbeschworen hat. Dieses Verhalten passt zwar gut zu Llian, aber nicht zu der sonst so tatkräftigen Karan.

Selbst der eigentliche Showdown zeichnet sich letzten Endes durch eine eigenartige Tatenlosigkeit aus. Allen Anwesenden ist die ungeheure Gefahr bewusst, die Tensor heraufbeschworen hat, und ebenso die Tatsache, dass sie alle gemeinsam sicherlich die Kraft hätten, diese Gefahr zu bannen. Aber keiner rührt sich. Nicht einmal der Angreifer wird wirklich aktiv. Er steht nur herum und schüchtert alle ein, ehe er flüchtet, ohne eine Geisel mitzunehmen. Irgendwie wirkt das Ganze wie eine große Versammlung von unfähigen Schlafmützen. Was eigentlich der dramatische Paukenschlag des ganzen Buches hätte sein sollen, verpufft nahezu wirkungslos.

Und wer vielleicht gehofft hat, dass er nach Mendarks Besuch in der Großen Bibliothek oder durch Llians Suche im Archiv von Katazza endlich mal ein wenig schlauer würde, der wird ebenfalls enttäuscht. Zwar erwähnt der Autor, dass Tensor Llian bereitwillig auf seine Fragen nach den Historien der Aachim antwortet, ihm sogar ihre Schrift beibringt, dabei bleibt es aber auch schon. Noch immer weiß der Leser nicht, wie und warum es zu dem Krieg zwischen Faelamor und der Charon Yalkara gekommen ist, oder was genau es mit dem Spiegel auf sich hat. Das bruchstückhafte Wissen über die Vergangenheit macht es nicht gerade leichter, die diversen Parteien und ihre Handlungsweise nachzuvollziehen.

Als besonders störend in jeder Hinsicht hat sich auch diesmal wieder ein Unsitte erwiesen, die mir bisher hauptsächlich von |Piper| bekannt war: |Lübbe| hat die Originale aufgeteilt und so aus einem vierbändigen Zyklus einen achtbändigen gemacht. Das hätte mir schon bei der Lektüre von „Das magische Relikt“ auffallen sollen, denn dieser Band fing ganz anders an als der Auszug des ersten Kapitels aus Band zwei des englischen Originals auf der Homepage des Autors. Wirklich unübersehbar aber war es diesmal, wo die Handlung wirklich mittendrin auseinandergerissen wurde und man dem Leser zu Beginn des Folgebandes keinerlei Zeit bleibt, sich wieder in die Geschichte hineinzufinden. Wieder einmal denke ich darüber nach, lieber das englische Original zu lesen.

Wobei ich in diesem speziellen Fall nur wenig Neigung verspüre, überhaupt weiterzulesen. Zwar hat Shand sich inzwischen zu einem echten Sympathieträger und vor allem auch zu einer interessanten und geheimnisvollen Figur entwickelt, deren wahre Identität mich durchaus interessieren würde. Auch mag die Einführung des neuen Gegenspielers durchaus eine Menge neuer Möglichkeiten eröffnen. Andererseits hat der Autor von Anfang an eine Menge Details und Möglichkeiten im Ansatz angelegt und dann nicht weiterentwickelt. Und ich fürchte, meine Neugier darauf, wer Shand nun wirklich ist, reicht nicht aus, um mich weitere tausendsechshundert Seiten mit einer Geschichte herumzuschlagen, die sich hauptsächlich durch ununterbrochene Ortswechsel und die damit verbundenen Reiseschwierigkeiten auszeichnet.

_Ian Irvine_ ist Doktor für Meeresbiologie und hat einen Großteil des südpazifischen Raums bereist. Die Idee zu seinem Drei-Welten-Zyklus entstand bereits während des Studiums. Die damals entstandenen Karten und Skizzen dienten später als Basis für die Ausarbeitung, die inzwischen zwei Tetralogien umfasst und noch weiter ausgebaut werden soll. Abgesehen davon hat Ian Irvine den Öko-Thriller „Human Rite“ geschrieben sowie den Zyklus „Runcible Jones“. Die Übersetzung des dritten Bandes des Drei-Welten-Zyklus erscheint unter den Titeln „Dunkler Mond“ und „Der Fluch des Bettlers“ im April und Mai dieses Jahres.

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Dorothy Dunnett – Spiel der Skorpione (Das Haus Niccolò 3)

Das Haus Niccolò 1: „Niccolòs Aufstieg“
Das Haus Niccolò 2: „Frühling des Widders“

Nicholas‘ triumphale Rückkehr aus der Levante hat einen kräftigen Dämpfer erhalten, kaum dass er venezianischen Boden betreten hat: Seine Frau Marian de Charetty ist tot. Und entgegen der Vermutung seiner Umwelt hat ihn dieser Verlust tief getroffen. In einem Zustand der Ziellosigkeit und Niedergeschlagenheit trifft er auf Charlotte von Zypern, die unbedingt seine Söldnertruppe unter Vertrag nehmen will. Bereits in Venedig hat er ihren Gesandten zurückgewiesen, ebenso wie den ihres Bruders und Gegners Jakob. Doch Charlotte lässt nicht locker und schickt ihm eine ihrer Hofdamen auf den Hals, die Kurtisane Primaflora. Nicholas „flieht“ zu Astorre in den Krieg um Neapel – nur um sich nach der Entscheidungsschlacht in einer völlig fremden Umgebung wiederzufinden …

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Trugenberger, Luca – Angriff der Schatten, Der (Die Wege des Drachen 3)

Band 1: [„Der magische Dorn“ 3227
Band 2: [„Das Siegel des Schicksals“ 3848

Damlo steckt immer noch mittendrin in der Bemühung, die Intrige des Fürsten Norzak von Suruwo zu vereiteln. Aber ehe er die Sache zu Ende bringen kann, wird er verraten und an den Fürsten ausgeliefert. Der will zunächst nur mit mehr oder weniger Gewalt herausfinden, wo Damlo den Wagen mit der wertvollen Fracht versteckt hat, entdeckt bei dieser Gelegenheit aber auch die seltsame Doppelnatur Damlos und beschließt augenblicklich, sich diese zunutze zu machen. Er umgarnt Damlo, um ihn für sich zu gewinnen, und verspricht, ihm zu zeigen, wie er den Drachen in seinem Inneren bändigen kann. Eine ungeheure Verlockung für Damlo …!

_Die Personen_, die in diesem Band des Zyklus |Die Wege des Drachen| neu eingeführt werden, bleiben allesamt Nebenfiguren. Zumindest, wenn die Aussage des Verlages stimmt, dass der Zyklus mit dem dritten Teil abgeschlossen sei.

Eine der beiden Personen ist Stukos, ein ehemaliger Legionär und Karawanenführer. Ein eiserner, aber freundlicher Mann, dessen Weitsicht und Klugheit Damlo im entscheidenden Augenblick das Leben rettet.

Die andere ist Ailaram, der Magiarch des weißen Turms, der erstmals auftaucht. Ein würdiger alter Mann mit weißem Haar und Bart, körperlich nicht mehr allzu kräftig, aber geistig stark. Sozusagen das Abbild des Zauberers schlechthin.

Das klingt ein wenig mager, aber beide Figuren nehmen nicht genügend Raum ein, um ein persönliches Profil für sie herauszuarbeiten. Die übrigen bekannten Personen aber, soweit sie vorkamen, haben sich ihr Eigenleben und ihre Ecken und Kanten durchaus erhalten.

_Die Handlung_ wird vor allem von dem Duell zwischen Damlo und Norzak bestimmt. Das ist gar nicht schlecht gemacht. Die angedeutete Trauer Norzaks über den Tod seines Sohnes verleiht ihm jenen letzten Rest von Menschlichkeit, der Damlo die Entscheidung darüber, ob er Norzaks Angebot annehmen soll oder nicht, so schrecklich schwer macht. Dabei mag Norzaks Überredungskunst einem Erwachsenen durchaus lächerlich und leicht durchschaubar erscheinen. Für einen Jugendlicher wie Damlo ist sie weniger offensichtlich, zumal Norzaks Worte keine einzige Lüge enthalten. Die Szene ist fast schon ein Lehrstück darüber, wie man die Gedanken eines Menschen lenkt, ohne wirklich etwas zu sagen.

Auch der Showdown im Gebirge war sehr gut gemacht, obwohl die Identität des Ersten Dieners nicht wirklich eine Überraschung war. Es wurde im Gegenteil nur allzu deutlich darauf hingewiesen, doch die Person war so nebensächlich, dass sie neben all den wichtigen Personen wie Norzak, Ticla und Baldrin einfach unterging. Der zeitliche Abstand, mit dem die Bücher erschienen, tat ein Übriges. Dafür blieb auf diese Weise die Spannung ein wenig länger erhalten. Und Spannung gab es diesmal eine Menge. Nicht nur das geistige Duell zwischen Damlo und Norzak war interessant gemacht, auch die Hetzjagd durchs Gebirge, bei der Damlo in immer größere Bedrängnis gerät, ließ den Spannungsbogen kontinuierlich steigen.

Schade nur, dass es bis dahin so lange gedauert hat. Ich gebe ja zu, dass meiner Erinnerungen an das genaue Ende des zweiten Bandes ein klein wenig Auffrischung gutgetan hat. Die Auffrischung erfolgte leider auch diesmal dadurch, dass zu Beginn des Buches Erinnerungen aus beiden Vorgängerbänden in die Handlung eingeflochten wurden. Wie schon bei Band zwei hat das auch hier zu einem seltsam umständlichen Handlungsverlauf geführt, der erst nach hundert Seiten überstanden war.

_Ich frage mich allerdings ernsthaft_, ob das wirklich dem Autor zuzuschreiben ist. Denn die Stellen, an denen die einzelnen Bände abbrachen, waren wieder einmal absolut ungeeignet für eine solche Unterbrechung, vor allem zwischen den Bänden zwei und drei, wo die Handlung einfach mittendrin abreißt. Und mir drängt sich der Verdacht auf, dass diese Trennung wieder einmal auf die Kappe des Verlages geht! Das würde auch erklären, warum der Klappentext diesen dritten Band als „abenteuerliches Finale“ bezeichnet, obwohl die Geschichte ganz offensichtlich noch nicht zu Ende ist. Sie kann gar nicht zu Ende sein, denn bisher wurde lediglich der Erste Diener enttarnt. Enttarnt, nicht besiegt. Von einem echten Sieg über den Schatten sind Damlo und seine Freunde noch weit entfernt.

Im Italienischen, aus dem das Original stammt, gibt es nur „Il Risveglio dell’Ombra“ (Das Erwachen der Schatten). Die weiteren Romane Luca Trugenbergers, „Il Predatore di Magia“ (Der Zauberdieb) und „Il Ruggito dell’Ombra“ (Das Heulen der Schatten), erzählen von Ereignissen, die nach dem „Angriff der Schatten“ stattfinden. Mit anderen Worten: Es spricht alles dafür, dass |Die Wege des Drachen| ursprünglich kein dreiteiliger Zyklus, sondern ein Gesamtband war, und zwar der erste von dreien. Diese Zerteilung durch den Verlag war umso überflüssiger, als |Piper| bereits 2005 unter dem Titel „Damlo und der Weg zum Glück“ den Gesamtband als Hardcover veröffentlicht hat. Was in aller Welt verspricht der Verlag sich davon, wenn er seine Leser verärgert, indem er Bücher nur häppchenweise und im Abstand von mehreren Monaten veröffentlicht?

Um auf die vielen, den Erzählfluss störenden Erinnerungen am Anfang zurückzukommen: Ich kann mir nicht vorstellen, dass diese auch im Original enthalten sind, denn da wären sie schlicht überflüssig. Wo aber kommen sie dann auf einmal her? Vom Verlag? Wenn ja, wer kam auf die Idee, die Problematik auf diese Weise zu lösen? Eine kurze Zusammenfassung der vorhergehenden Bände als Einführung am Anfang, außerhalb der eigentlichen Erzählung, hätte denselben Zweck erfüllt, wäre wesentlich weniger Arbeit gewesen und hätte nicht die Lektüre der Geschichte gestört. Warum also hat der Verlag sich so viel Mühe gemacht? Ich glaube, ich will die Antwort gar nicht wissen.

Auch das Lektorat ließ sehr zu wünschen übrig. Zwei Verben im selben Satz, aber an unterschiedlichen Stellen, lassen darauf schließen, dass bei einer Änderung der ursprünglichen Formulierung etwas übersehen wurde, und das mehrmals. Auch fehlende Buchstaben und Zeitfehler sind mir begegnet. Irgendwie hat |Piper| sich bei dieser Veröffentlichung an den falschen Stellen angestrengt.

_Dabei ist die Geschichte_ um Damlo durchaus lesenswert. Sie mag sich mit ihren Orks, Trollen und Ellfen, ihrem Schatten und seinem Diener in ziemlich eingefahrenen Fantasy-Bahnen bewegen. Aber sie ist nicht ohne Spannung, die Charaktere sind lebendig und eigenständig, Damlo ist vor allem für Jugendliche eine gute Identifikationsfigur, und die Idee von der Mischung aus Mensch und Drache bietet noch eine Menge Möglichkeiten. Luca Trugenberger hat bestimmt nicht das Genre revolutioniert, trotzdem ist das Buch eine nette und unterhaltsame Lektüre. Ich würde allerdings jedem Interessenten empfehlen, sich die Hardcoverausgabe mit dem Titel „Damlo und der Weg zum Glück“ zu kaufen. Sie kann kaum schlechter als die drei Taschenbuchschnipsel sein.

_Luca Trugenberger_ lebt in Italien. Nach seinem Medizinstudium arbeitete er einige Zeit als Schauspieler, um dann doch wieder zur Medizin zurückzukehren. Heute ist er in Rom als Psychotherapeut tätig. „Il Risveglio dell’Ombra“ ist sein erster Roman und der einzige, der bisher auf Deutsch erschienen ist. Da aber für die beiden Folgeromane bereits deutsche Titel feststehen, dürfte auch deren Veröffentlichung bei uns nicht mehr allzu lange auf sich warten lassen.

http://www.piper-verlag.de/

David Anthony Durham – Macht und Verrat (Acacia 1)

Acacia

Band 1: „Macht und Verrat“

Seit Jahrhunderten lebt nahezu die gesamte bekannte Welt unter der Vorherrschaft des acacischen Reiches. Doch mindestens ebenso lange widersetzt sich das zähe und kriegerische Volk der Mein aus dem nördlichen Hochland Acacias Herrschaftsanspruch. Jetzt hat es einen Attentäter nach Acacia geschickt, der König Leodan töten soll, der Auftakt zu einem lange vorbereiteten Umsturzplan.

In Acacia ahnt niemand etwas davon. Als der König bei einem Bankett niedergestochen wird, fällt die acacische Herrscherschicht aus allen Wolken! Der Kanzler des Königs, Thaddeus Clegg, lässt rasch die vier Kinder des Königs in Sicherheit bringen, jedes an einen anderen Ort. Doch die Rettungsaktion läuft bei weitem nicht so, wie sie sollte …

Um es gleich vorweg zu sagen: Dieses Buch ist ein vielschichtiger und äußerst interessanter Roman. Das fängt schon bei den Charakteren an:

Leodan aus der Familie der Akaran ist ein freundlicher und gütiger Mann, aber ohne Durchsetzungsvermögen. Er leidet unter den dunklen Geheimnissen seines Reiches, hat jedoch nicht die Kraft, das System zu verändern. Dafür ist er ein liebevoller Vater, der sich für einen König erstaunlich viel mit seinen Kindern beschäftigt. Seit dem Tod seiner Frau sind sie sein Ein und Alles, und sein wichtigstes Ziel ist es, sie so lange wie möglich glücklich zu sehen. Er behütet sie vor wirklich allem, was nicht unbedingt zu ihrem Besten ist, immerhin sind zwei von ihnen schon fast erwachsen.

Aliver ist mit seinen sechzehn Jahren der Älteste und Thronfolger. Allerdings ist er ungewöhnlich schlecht auf diese Aufgabe vorbereitet. Trotz seines Alters ist er in keiner Weise in die aktuellen Regierungsgeschäfte eingebunden, und selbst der Geschichtsunterricht und die Ausbildung im Schwertkampf wirken irgendwie schwammig. Aliver scheint das selbst zu ahnen, denn er ist ziemlich unsicher, und, wie sich nach dem Attentat zeigt, einer echten Krise nicht gewachsen.

Die vierzehnjährige Corinn ist ein ziemlich oberflächliches Geschöpf. Sie mag Schmuck und schöne Kleider. Und sie legt viel Wert auf ihre Stellung, was einen der Gründe dafür darstellt, warum sie so mit dem Prinzen Igguldan von Aushenia liebäugelt. Politik an sich interessiert sie allerdings nicht, all die typischen kleinen Palastintrigen üben einen weit größeren Reiz auf sie aus. Das Attentat hebt auch ihre Welt aus den Angeln, aber mit weit weniger positivem Ergebnis.

Mena war schon mit zwölf erwachsener als ihre beiden großen Geschwister. Sie besitzt eine für ihr Alter ungewöhnlich ausgeprägte Menschenkenntnis, und obwohl ihr Vater natürlich auch von ihr alles Unangenehme fernhält, ist sie längst nicht so naiv wie Aliver oder Corinn. Sie besitzt einen selbstständigen Geist, der sich nicht mit den Erklärungen anderer abfindet, sondern nach der Wahrheit hinter den Fassaden sucht, und der letztlich dazu führt, dass Mena schließlich ihr Exil aus freien Stücken verlässt, um ihr Schicksal selbst in die Hand zu nehmen.

Dariel ist mit neun der jüngste der vier, ein sonniger, stets fröhlicher Junge mit ausgeprägter Neugierde. Die Entdeckung alter unbenutzter Gänge innerhalb der heimatlichen Festung führt ihn bis in die Dienstbotenquartiere, wo er sich unter anderem mit dem ehemaligen Seeräuber Val anfreundet. Sein Glück, denn auch seine Flucht ging nicht ganz glatt vonstatten, und hätte Val ihn nicht zufällig unterwegs aufgegabelt …

Gegenspieler der Acacier scheint zunächst der Häuptling Hanish Mein zu sein. Wie alle Mein hasst er die Herrscherfamilie der Akaran zutiefst und will ihre Herrschaft vollständig vom Antlitz der Welt tilgen. Schon bald zeigt sich jedoch, dass mit seinem Schlag gegen die Akaran nicht die Herrschaft gewechselt hat, sondern lediglich der Herrscher. Hanish findet sich in derselben Falle wieder wie Leodan. Und er verheddert sich zunehmend in dem Widerspruch zwischen den Forderungen seiner Ahnen und seiner wachsenden Zuneigung zu Corinn.

Alle diese Figuren – vielleicht mit Ausnahme von Leodan – durchlaufen eine Entwicklung. Das gilt natürlich vor allem für die vier Kinder, die im Laufe der Erzählung erwachsen werden. Während bei den beiden Jungen eher der Unterschied zwischen Kind und jungem Mann im Vordergrund steht, kann man bei den beiden Mädchen tatsächlich die Entwicklung als solche mitverfolgen. Der Konflikt, in den Hanish hineinschlittert, ist nicht ganz so hautnah ausgefallen, doch immer noch sehr lebendig und glaubwürdig. Das erstreckt sich ebenso auf Nebenfiguren wie Theseus Clegg, Hanishs blutrünstigen Bruder Maeander oder Rialus Neptos. Angenehm ist auch, dass Aliver, obwohl er letztlich zur Heldenfigur wird, nicht ins Klischee abrutscht. Sehr gelungen!

Der eigentliche Feind bleibt auch hier vorerst noch gesichtslos, da sein Reich außerhalb der bekannten Welt liegt. Er ist derjenige, der durch alle Widrigkeiten hindurch immer Oberwasser hat. ‚Vertreten‘ wird er durch die Gilde, die trotz aller Wechselfälle ununterbrochen ihren Geschäften nachgeht und dabei reicher und reicher wird. Eine Vereinigung mit ungeheurer wirtschaftlicher Macht und uneingeschränktem Opportunismus, absolut untauglich als Verbündeter, und doch im Kampf um die politische Macht immer wieder umworben. Die Mitglieder der Gilde legen eine skrupellose Kaltschnäuzigkeit an den Tag, die Ihresgleichen sucht. Spätestens nach dem Angriff der Piraten auf die Plattform der Gilde im westlichen Meer wird deutlich, dass die Gilde der wahre Herrscher über die bekannte Welt ist. Wer allerdings die ungeheure Macht jenseits der Gilde ist, das bleibt vorerst eher vage und besitzt gerade genug Substanz, um eine ungeheure Bedrohung anzudeuten.

Diese Macht ist es auch, die das Land mit Nebel versorgt, einer Droge, die dem Menschen seine Willenskraft nimmt. Die Gründer des acacischen Reiches, Edifus und Tinhadin, nahmen diese Droge nur zu gern, um damit den Widerstand in den unterworfenen Gebieten zu lähmen. Seither bezahlt Acacia für regelmäßige Nebellieferungen ebenso regelmäßig mit einer bestimmten Anzahl Kinder, von denen keines weiß, was aus ihnen wird. Diese Vereinbarung, die Quote genannt, war nicht nur schändlich, sie war auch ausgesprochen dumm, denn für die Sicherung ihrer Herrschaft über die bekannte Welt haben die Akaran mit einer dauerhaften Schwächung ihres neu geschaffenen Reiches gegenüber der Anderen Welt bezahlt!

Auch der Entwurf der verschiedenen Völker und Kulturen hat mir gut gefallen.

Die Santoth fallen ein wenig aus dem Rahmen, denn sie sind eigentlich keine Kultur. Sie sind Zauberer, und ihre Magie beruht auf der Sprache des Schöpfers, der einst durch seinen Gesang die Welt erschuf. In Durhams Weltentwurf ist diese Magie eine zweischneidige Angelegenheit, denn sie wurde einem Gott gestohlen und kann von Menschen nicht wirklich beherrscht werden. Selbst bei den besten Absichten und größter Sorgfalt entwickelt ihr Gebrauch unangenehme Nebenwirkungen. Und nicht nur das: Die Sprache des Schöpfers besitzt eine unwiderstehliche Anziehungskraft. Die Anziehungskraft der Macht.

Die Mein, die ihren Angriff auf Acacia unter anderem mit der Grausamkeit der Quote begründeten, scheuen ihrerseits nicht davor zurück, Waffen aus Anderwelt gegen ihre Gegner einzusetzen, ob es sich dabei nun um Krankheiten oder wilde Tiere handelt. Weder gegen den Handel der Gilde noch gegen die übrigen Unmenschlichkeiten des alten Regimes wie die Zwangsarbeit in den Bergwerken ergreift Hanish irgendwelche Maßnahmen. Und dieselben Krieger, die so stolz waren auf ihre Härte und ihre Fähigkeit, im grausamen Klima des Hochlandes zu überleben, und für den Luxus und die Verweichlichung der Acacier stets nur Hohn und Spott übrig hatten, können es kaum erwarten, ihr karges Leben zugunsten eben dieses Luxus aufzugeben. Die Ehrenhaftigkeit der Mein, die man Hanishs Onkel Haleven noch abnimmt, wird immer fadenscheiniger. Und letzten Endes bleibt nicht viel mehr übrig als die Unterwerfung der lebenden Mein unter den Willen der Tunishni, der Seelen ihrer verstorbenen Ahnen, die ausschließlich nach Rache gieren.

Die Vumu dagegen scheinen ein äußerst friedliebendes Volk zu sein. Sie neigen dazu, das Leben zu genießen, was auf den fruchtbaren Inseln im östlichen Meer nicht allzu schwierig wäre. Allerdings haben sie eine höchst rachsüchtige Göttin in der Gestalt eines Seeadlers, die einst von einem besonders stattlichen Vumu zurückgewiesen wurde. Seither sind die Vumu ständig ängstlich damit beschäftigt, ihre Göttin milde zu stimmen, selbst wenn der Seeadler ihre kleinen Kinder raubt. Bis eines Tages Mena – die Akaran-Prinzessin mit der selbstständigen Denkweise – dagegen aufbegehrt, zum maßlosen Zorn der Priester! Und wieder bleibt am Ende nichts übrig als der Wunsch einiger Weniger nach Macht über ihre Mitmenschen.

Tatsächlich ist es so, dass nahezu jede Wendung, welche die Ereignisse nehmen, einen Schleier zur Seite zieht, und dahinter wird offenbar, worum es wirklich geht: Macht! Ob Hanish, die Gilde, die Priester der Vumu-Göttin oder Rialus Neptos – sie alle kennen kein einziges anderes Ziel, mit welchen Mäntelchen auch immer sie es verbrämen. Die Gewinner mögen ihre Helfershelfer danach schlecht behandeln, nur um dann von ihnen verraten zu werden, sie mögen sie belohnen, indem sie allen ihren Forderungen nachgeben, und trotzdem verraten werden. Ganz gleich, was sie tun, sie müssen nur zu bald erfahren, dass jeder, der nicht aus eigener Kraft die Oberhand gewonnen hat, sie nicht behalten kann! Kurz und gut: Kaum ein übersetztes Buch hat jemals einen so treffenden deutschen Titel getragen wie dieses.

Um es in wenigen Worten zusammenzufassen: David Anthony Durham hat ein vielschichtiges und scharfsichtiges Buch über Macht und Politik geschrieben, ausstaffiert mit sehr glaubwürdigen und stets menschlichen Charakteren und eingebettet in den eher schlichten, aber präzisen Entwurf einer interessanten Welt. Fantasy-Elemente wie die Magie der Santoth oder die Tunishni spielen eher Nebenrollen. Der Spannungsbogen ist dabei eher schwach gespannt.

Wer es also unbedingt üppig und ausgeschmückt haben möchte oder Wert auf rasante Aktionen oder nie dagewesene Spezialideen legt, wird hier nicht ganz auf seine Kosten kommen. Alle anderen aber erwartet unter einem dünnen Schleier des Fantastischen ein Blick in die realistischen Abgründe der menschlichen Herrsch- und Selbstsucht.

David Anthony Durham wurde 1969 in New York geboren, war aber viel in Europa unterwegs. Unter anderem hat er mehrere Jahre in Schottland verbracht. Neben seiner Tätigkeit als Schriftsteller hat er an verschiedenen Universitäten gelehrt. Zu seinen Werken gehören außer einigen Kurzgeschichten die Romane „Gabriel’s Story“ und „Walk through Darkness“ sowie der Historienroman „Pride of Karthage“ über den zweiten punischen Krieg, von denen bisher jedoch keines ins Deutsche übersetzt wurde. „Macht und Verrat“ ist sein erstes Fantasy-Buch und der vielversprechende Auftakt zur Trilogie Acacia.

Paperback, 796 Seiten
Originaltitel: Acacia 1: The War with the Mein
Aus dem Amerikanischen von Norbert Stöbe
ISBN-13 978-3442244942

http://www.davidanthonydurham.com/index.html
http://www.randomhouse.de/blanvalet/index.jsp

Der Autor vergibt: (5.0/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (4 Stimmen, Durchschnitt: 1,00 von 5)

Nicholson, William – Jango (Der Orden der edlen Krieger II)

Der Orden der edlen Krieger I: [„Sucher“ 3817

Sucher, Morgenstern und der Wildling haben den ersten Teil ihrer Ausbildung zum Edlen Krieger beendet. Eigentlich sollten sie stolz sein. Doch sowohl Morgenstern als auch der Wildling haben mit Problemen zu kämpfen. Der Einzige, der in seinem Element zu sein scheint, ist Sucher. Als er eine besonders schwere Prüfung besteht, werden ihm Kräfte verliehen, die selbst die geballte Macht aller Nomana zusammengenommen weit übersteigen.

Während der Wildling von den Zinnen des Nom springt, um der Strafe für eine Regelverletzung zu entgehen, und der Rat darum ringt, was er mit Sucher und seiner unermesslichen Macht anfangen soll, schickt einer der Noma Sucher insgeheim auf eine gefährliche Reise: Sucher soll die Savanter finden, den geheimnisvollen Feind, der das Verlorene Kind bedroht. Zusammen mit Morgenstern, die den Wildling wiederfinden will, verlässt Sucher den Nom …

Unterdessen muss sich Sören Similin, der frühere Sekretär des Königs von Radiosa, der nach dem Umsturz die Macht über die Stadt an sich gerissen hat, mit einem riesigen Heer berittener Krieger herumschlagen, deren selbstherrlicher und rücksichtsloser Feldherr Amrot Jahan fest entschlossen ist, die ganze Welt zu unterwerfen. Mit List und Tücke kann Similin Jahan zu einem Heerzug gegen die Nomana überreden und hofft dabei, dass bei einer Schlacht zwischen Jahans Truppen und den Nomana beide vernichtet werden und er als lachender Dritter übrig bleibt. Doch er hat seine Rechnung ohne den verrückten, kleinen Wissenschaftler Evor Ortus und sein geladenes Wasser gemacht …

_Die gelungene Charakterzeichnung_, die William Nicholson im ersten Band des Zyklus aufgebaut hat, hat auch in der Fortsetzung nichts von ihrer Kraft verloren.

Die Entwicklung der drei Protagonisten, selbst Morgensterns plötzlich erwachende Liebe zum Wildling, sind auf eine Weise beschrieben, dass sie zu keiner Zeit unglaubwürdig oder gekünstelt wirken, und keiner der drei trägt durch die Entwicklung seines Charakters Brüche davon. Zudem wirken die Gedanken und Gefühle der drei sehr lebendig und nachvollziehbar und bieten eine Menge Identifikationspotential.

Aber nicht nur die Darstellung der drei jugendlichen Helden, auch die Ausarbeitung ihrer Gegner hat mir gut gefallen:

Sören Similin ist noch immer der eitle und hochmütige Mann, der sich für etwas Besseres hält. Und tatsächlich ist er ja auch durchaus gewitzt, was sich in seinem Empfang für den Jahan deutlich zeigt. Und wie jeder hochmütige und mächtige Mann beginnt er, sich gegen die Stimme in seinem Kopf, der er bisher gedient hat, aufzulehnen, seine eigenen Pläne zu schmieden, denen er aber offenbar nicht ganz traut, denn als die Situation sich zuspitzt, wird er zunehmend nervöser, ängstlicher, hibbeliger. Und empfänglich für die Rache derer, die er in seinem Hochmut abfällig behandelt hat.

Der Jahan ist schlicht und einfach ein grober Klotz, stur, stolz und ein wenig bauernschlau. Was er denn mit der Welt anfangen sollte, wenn er sie vollständig erobert hat, daran hat er offenbar noch keinen einzigen Gedanken verschwendet. Im Grunde geht es ihm nur darum, dass alle ihm gehorchen und ihm ihre Ehrerbietung erweisen müssen. Wer es wagt, ihm Widerstand zu leisten, wird einfach in den Boden gestampft.

So treffend die Darstellung der einzelnen Figuren bis hin zum kleinen, aber gerissenen Professor und seiner genial boshaften Rache auch ist, der eigentliche Feind ist immer noch ein vager Schemen. Im Laufe der Geschichte wird angedeutet, dass es sich um ehemalige Nomana handelt. Aber selbst als Sucher einigen von ihnen gegenübersteht, werden sie lediglich als sehr alte Männer und Frauen beschrieben, die tatsächlich über Fähigkeiten der Nomana verfügen. Noch hat keiner von ihnen eine Vergangenheit, nur ein einziger Name fällt, und warum die Suche der Savanter nach ewiger Jugend so gefährlich für das Verlorene Kind sein sollte, ist ebenfalls noch nicht klar.

Das zeigt deutlich, dass das Auftauchen von Jahans Kriegerhorden, sein intrigantes Gerangel mit Similin und die Schlacht gegen die Nomana lediglich den Rahmen für die eigentliche Geschichte bilden. Das ist keineswegs abwertend gemeint. Die mehr oder weniger tumben Versuche von Jahans Söhnen, das Waldmädchen Echo für sich zu gewinnen, brachten eine Spur Humor in die Handlung, und es war sehr interessant, Jahans Reaktionen auf den fortwährenden Trotz des Waldmädchens Echo zu beobachten sowie die ständigen Versuche Jahans und Similins, den jeweils anderen zu benutzen und dann übers Ohr zu hauen.

_Mit anderen Worten_: Während der Autor vordergründig eine unterhaltsame und gegen Ende auch spannende Geschichte über Intrigen und Krieg erzählt, läuft der eigentliche rote Faden fast unbewegt nebenher. Tatsächlich zeigt der Handlungsstrang um Sucher weit weniger äußere Bewegung als der um Jahan und Similin, dafür weit mehr innere Unsicherheit. Suchers Gedanken spiegeln all die Geheimnisse und Fragen wider, welche der Autor bisher unbeantwortet gelassen hat und welche die Neugier des Lesers und damit auch die Grundspannung des Buches in den nächsten Band transportieren. Wer also wissen will, wer dieser freundliche alte Mann mit den guten Ratschlägen und dem Namen Jango wirklich ist, oder was genau es mit den Renegaten in der Landwolke auf sich hat, der wird wohl den dritten Band lesen müssen. Das dürfte aber nach dem, was die ersten beiden Bände geboten haben, kaum Überwindung kosten. Bisher war die Trilogie zwar keine allzu anspruchsvolle, aber durchaus eine angenehme Lektüre.

_William Nicholson_ ist Brite und arbeitete nach seinem Anglistikstudium zunächst für die BBC. Inzwischen ist er Schriftsteller, Drehbuchautor und Regisseur. Aus seiner Feder stammen „Die Gesellschaft der Anderen“ sowie im Jugendbuchbereich die |Aramanth|-Trilogie. Er schrieb die Drehbücher für „Nell“ und „Der Marsch“ sowie für „Gladiator“, mit dem er für den Oscar nominiert wurde. Der dritte Teil der Trilogie |Der Orden der edlen Krieger| soll unter dem Titel „Noman“ im Oktober dieses Jahres auf Deutsch erscheinen.

[Verlagsspezial über William Nicholson 3817
http://www.dtvjunior.de
http://www.williamnicholson.co.uk

Brennan, Herbie – Elfenlord, Der (Faerie Wars 4)

Band 1: [„Das Elfenportal“ 313
Band 2: [„Der Purpurkaiser“ 1249
Band 3: [„Der Elfenpakt“ 2959

Henry hat die Entscheidung, in seine Welt zurückzukehren, inzwischen mehrfach bereut. Umso erfreuter ist er, als bei einem seiner Besuche in Mr. Fogartys Haus plötzlich Pyrgus und Nymph vor der Tür stehen. Allerdings nur, bis er erfährt, was die beiden in seine Welt geführt hat: Im Elfenreich ist eine gefährliche Krankheit ausgebrochen, die den Bewohnern sozusagen ihre Lebenszeit stielt. Sie bekommen Fieberschübe und sind danach um Jahre gealtert. Die Seuche breitet sich immer mehr aus und hat bereits die ersten Todesopfer gefordert. Auch Mr. Fogarty ist erkrankt, und er will Henry sehen.

Sofort bricht Henry ins Elfenreich auf. Doch Mr. Fogartys Worte tragen eher zu Henrys Verwirrung bei als irgendetwas zu erklären. Und das wird noch schlimmer, als Henry sich plötzlich in irgendeiner gottverlassenen Wüste wiederfindet …

_Stand im dritten Band der |Fairy Wars|_ eher Pyrgus im Vordergrund der Handlung, ist es diesmal wieder Henry, der sich mit den unmöglichsten Situationen herumschlagen muss. Nicht nur, dass er keine Ahnung hat, wie und warum er auf einmal in einer Wüste gelandet ist. Die Ereignisse überrollen ihn wieder mal völlig, und Antworten erhält er natürlich auch nicht. Immerhin aber sorgt all das dafür, dass er sich seinen Gefühlen für Holly Blue stellt.

Natürlich hätte Henry zu nichts davon Gelegenheit gehabt ohne den kleinen blauen Nomadenjungen Lorquin. Zum einen ist der zumindest zum Teil dafür verantwortlich, dass Henry kaum weiß, wo ihm der Kopf steht, andererseits aber hat er Henrys Leben gerettet, und das in mehr als einer Hinsicht. Der Kleine ist in mancher Hinsicht erwachsener als Henry, auf der anderen Seite aber immer noch unschuldig wie ein Kind, von unkompliziertem Wesen und treu bis zur Anhänglichkeit.

Außer Lorquin gibt es noch ein paar weitere neue Figuren, die aber keine allzu große Rolle spielen. Im Übrigen hat der Leser es mehr oder weniger mit altbekannten Charakteren zu tun, von denen diesmal vor allem die bemalte Dame im Vordergrund steht sowie Brimstone und Chulkhill, die beiden Nachtelfen, die bereits im ersten Band die Handlung aufgemischt haben. Chulkhill ist noch immer genauso schräg und schrill wie früher, und Brimstone genauso hinterhältig und berechnend. Das Geplänkel der beiden trug auch diesmal nicht unerheblich zum allgemeinen Lesevergnügen des Buches bei.

_Zusätzlich zum hohen Erzähltempo und dem turbulenten Handlungsverlauf_, dem Henry unterworfen ist, entwickelte der kunterbunte Hintergrund ein ganz eigenes Flair. Herbie Brennan hat sich ungeniert so ziemlich überall bedient. Ein wenig germanische Mythologie, ein bisschen christliche Mythologie, dazu eine Prise Naturreligionsgemisch aus Afrika und Australien, gewürzt mit einem Hauch Atlantis und etwas Einsiedlermönchsmystik … Das ergab eine höchst kuriose Mischung, die sich erstaunlicherweise nahtlos zu einer stimmigen und runden Geschichte hat zusammenfügen lassen und die Wirkung eines bunten Feuerwerks entfaltet.

Natürlich kann man sich fragen, ob es tatsächlich notwendig war, die ganze Sache auf so umständliche und verworrene Weise anzugehen. Spätestens bei dem Gespräch zwischen Mr. Fogarty und Henry in der Nomadenstadt – beziehungsweise im Gespräch Holly Blues mit den Wüstenmönchen – hätte man den beiden einfach sagen können, worum es geht, und sie hätten die Sache wohl zielstrebig erledigt. Aber das hätte den alten Göttern und natürlich auch dem Leser weit weniger Spaß gemacht, der auf diese Weise das gesamte Buch über herumknobeln konnte, was das Ganze eigentlich sollte. Und wo hätte man sonst auch die vielen kleinen Nettigkeiten und trockenen Sprüche unterbringen sollen, die all die chaotischen Wendungen mit sich brachten?

_Kurz und gut_, „Der Elfenlord“ ist ein würdiger Abschluss der |Fairy Wars|. Und diesmal kann man wohl davon ausgehen, dass es tatsächlich der letzte Band des Zyklus ist. Nicht nur, weil die Entwicklung des Inhalts darauf hindeutet, auch der Schluss ist diesmal weit eher als Ende für einen Zyklus geeignet, als es das Ende des dritten Bandes war. Vor allem aber findet sich eine entsprechende Information auf der Homepage des Autors.

Und wer jetzt dem Charme und dem Esprit dieses witzigen und spannenden Zyklus hinterhertrauert, der kann sich trösten mit der Aussicht auf ein neues Buch von Herbie Brennan mit dem Titel „The Shadow Project“.

_Herbie Brennan_ lebt und arbeitet in Irland, und das sehr fleißig. Er hat Unmengen von Büchern geschrieben, von Historik über Psychologie und Esoterik bis Fantasy, von Romanen über Kurzgeschichten bis zu Software, für Erwachsene ebenso wie für Kinder und Jugendliche. Außerdem arbeitet er fürs Radio. Außer den |Fairy Wars| sind auf Deutsch drei Kinderbücher von ihm erschienen: „Elfenquatsch“, „Zartok aus dem All“ und „Die Wirklich Wahren Fantastische-Geschichten“.

http://www.herbiebrennan.com
http://www.faeriewars.com
http://www.dtv.de

Trudi Canavan – Magier (Das Zeitalter der Fünf 2)

Das Zeitalter der Fünf

Band 1: GezeitenZauber – Die Bestimmung“
Band : „Magier“
Band 4: „Götter“ (März)

Die Weißen haben die Pentadrianer und deren schwarz gekleidete Priester vorerst zurückgeschlagen, doch der Preis war hoch. Der vorsichtige Juran ist überhaupt nicht erbaut von der Idee, Auraya erneut nach Si zu schicken, er fürchtet einen erneuten Angriff.

Bald zeigt sich jedoch, dass die Pentadrianer ihre Taktik geändert haben. Anstatt Nordithania mit einem Heer anzugreifen, tauchen überall in den nördlichen Ländern des Kontinents Gesandtschaften der schwarzen Priester mit Friedensangeboten und Handelsersuchen auf. Der neue Anführer der Pentadrianer will Nordithania bekehren, anstatt es zu erobern. Ein erster Schritt ist der Kontakt zu den Elai, den Prinzessin Imi hergestellt hat, allerdings zunächst eher unfreiwillig …

Auraya ist derweil doch nach Si gereist, denn auch dort wurden Pentadrianer gesichtet. Ein weit größeres Problem als die schwarzen Priester stellt allerdings eine schwere Seuche dar. Ein Glück für die Siyee, dass sich ein Traumweber in ihrem Land aufhält: Leiard …

Tatsächlich hat sich dieser zweite Band des Zyklus im Vergleich zum ersten ein gutes Stück aufgerafft.

Auraya ist zwar noch immer mitfühlend, klug und überaus tüchtig. In dieser Folge zeigt sich aber auch zum ersten Mal, dass sie Charakter hat. Sie benutzt ihren Kopf nicht nur, um den Göttern zu dienen, sondern auch den Geschöpfen um sie herum. Sie hat den Mut, die Ungereimtheiten, auf die sie stößt, ihren Göttern unter die Nase zu reiben und aus ihrem inneren Konflikt als Sieger hervorzugehen.

Leiards Geheimnis hat sich inzwischen auf interessante Weise geklärt, und ich muss sagen, das, was dabei herausgekommen ist, ist mir letzten Endes wesentlich sympathischer als die seltsame Mischung zwischen Leiard und Mirar. Leiards Gequäle ist ebenso weggefallen wie Mirars arrogante Kaltschnäutzigkeit, was beides ein Gewinn ist. Wilar hat sich zur Identifikationsfigur gemausert.

Neben den Siyee wurde diesmal auch den Elai wesentlich mehr Aufmerksamkeit zuteil. Diese Aufmerksamkeit konzentriert sich zunächst natürlich auf Imi. Die neugierige, leichtsinnige und sture kleine Prinzessin ist ausgerissen, um ihrem Vater ein ganz besonderes Geburtstagsgeschenk zu besorgen. Was natürlich unweigerlich schiefgehen musste. Imi ist klug genug einzusehen, dass sie einen schweren Fehler gemacht hat. Aber sie ist auch in der Lage, das Beste aus ihrer Situation zu machen. Natürlich mit einer nicht unerheblichen Portion Glück.

Wobei das mit dem Glück relativ ist. Denn Trudi Canavan hat in diesem Band eine Kurve genommen, die im ersten Band bereits angedeutet war: Die Pentadrianer sind keineswegs nur grausame Ungeheuer mit machthungrigen Welteroberungsplänen, ihre Herrschaft ist kein System grausamer Unterdrückung und Ausbeutung. Tatsächlich wird mit jedem Fortschritt im Handlungsstrang der schwarzen Priester deutlicher, wie ähnlich sie ihren weißen Gegenstücken sind.

Imenja ist die Zweite Stimme, was Dyaras Stellung bei den Weißen entspricht. Sie ist letztlich für Imis Rettung verantwortlich, und ihre Bemühungen um ein Bündnis mit den Elai sind vergleichbar mit Aurayas Bemühungen bei den Siyee. Dabei ist es durchaus nicht so, dass Imenja sich nur deshalb so um Imi bemüht, weil sie eine Prinzessin ist, denn das wusste sie zum Zeitpunkt von Imis Rettung noch gar nicht. Und sie versucht auch zu keiner Zeit, die Elai übers Ohr zu hauen. Imenja vertritt die Interessen ihrer Götter und ihres Volkes, aber sie ist fair dabei. Und sie hat Humor.

Auch in vielen Äußerlichkeiten zeigt sich die Ähnlichkeit zwischen den rivalisierenden Gruppen. Nicht nur, dass beide Seiten jeweils fünf Göttern huldigen. Beide begrüßen ihresgleichen durch eine Geste, die das Zeichen ihrer Götter nachahmt, die Zirkler durch einen Kreis, und die Pentadrianer – wer hätte es gedacht – durch einen fünfzackigen Stern. Die Weißen können in Gedanken miteinander Kontakt aufnehmen, weil sie magische Ringe tragen, die aus dem Holz besonderer Bäume gefertigt werden. Diese Bäume werden zuvor entsprechend magisch beeinflusst. Dasselbe gibt es bei den Pentadrianern, allerdings handelt es sich da um den Anhänger in Form eines Sterns, der ein Stück magisch beeinflusste, schwarze Koralle enthält.
Es ist, als hätte jemand die eine Seite auf die andere hinübergespiegelt, wobei nicht klar ist, welche Seite zuerst da war.

Dieser Aspekt führt zum dritten Handlungsstrang. Emerahl, die sich nach der Schlacht um Leiard gekümmert hat, hat sich nach dessen Erholung wieder auf den Weg gemacht. Sie will herausfinden, wer von Unsterblichen aus der Vergangenheit die Verfolgung durch die Zirkler überlebt hat. Dabei stößt sie auf einen Mann, der eine ungewöhnliche Lehre verkündet: Es gebe einen Schöpfer, der die gesamte Welt geschaffen hat, selbst die Götter, und damit über ihnen stünde. Und zwei der Unsterblichen, die sie schließlich findet, erzählen ihr von einer geheimnisvollen Schriftrolle, die vom Krieg der Götter berichten soll. Emerahl beschließt, diese Schriftrolle zu suchen. Denn vielleicht enthüllt sie das Geheimnis, wie man sich auch noch der verbliebenen Götter entledigen kann …?

Kurz gesagt: Obwohl sich vordergründig nicht viel tut – keine Schlachten, keine gefährlichen Abenteuer oder magischen Bedrohungen -, ist die Geschichte in diesem Band um einiges komplexer und auch komplizierter geworden. Auraya steht durch ihre jüngste Entscheidung zwischen den Göttern und den Traumwebern, ohne die jeweiligen Bindungen ganz zu kappen. Die Elai sind zwar mit den Siyee gut befreundet, nun aber gleichzeitig die Verbündeten der Pentadrianer, die in der Schlacht um Nordithania viele Siyee getötet haben und dort deshalb kaum willkommen sind. Und der Konflikt zwischen Zirklern und Pentadrianern scheint unüberwindbar, obwohl beide Kulte nahezu identisch sind, sodass man sich fragen könnte, warum sie nicht einfach alle gemeinsam allen zehn Göttern huldigen.

Der Dreh- und Angelpunkt des Ganzen dürfte die Geschichte des Krieges der Götter sein und letztlich nicht nur eine Menge Antworten, sondern durchaus auch einige Überraschungen bereit halten. Ich gebe ehrlich zu, dass ich auf den dritten und letzten Band wirklich gespannt bin.

Trudy Canavan stammt aus Australien, wo sie nach einem Studium am Melbourne College of Decoration als Designerin, Illustratorin und Kartenzeichnerin für verschiedene Verlage tätig war, ehe sie zu schreiben begann. 1999 gewann sie mit ihrer Kurzgeschichte „Whispers of the Mist Children“ den Aurealis Award for Best Fantasy Short Story. 2001 erschien dann ihr erster Roman, der erste Band der Trilogie Die Gilde der Schwarzen Magier. „Götter“, der dritte Band des Zyklus Das Zeitalter der Fünf, erscheint im März dieses Jahres. Die Autorin arbeitet derweil an „The Magician’s Apprentice“, einem Prequel zur Magiertrilogie. Auch ein dreibändiges Sequel ist in Arbeit.

Broschiert 800 Seiten
Originaltitel: Last of the Wilds
Deutsch von Michaela Link
ISBN-13: 978-3-570-30433-4

http://www.trudicanavan.com/
http://www.randomhouse.de/cbt/

Der Autor vergibt: (4.0/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (3 Stimmen, Durchschnitt: 2,00 von 5)

Jennifer Roberson – Dämonenkind (Cheysuli 1)

„Dämonenkind“ ist der erste Band einer Neuveröffentlichung des Cheysuli-Zyklus von Jennifer Roberson. Er enthält die ersten beiden Bände, die ursprünglich unter den Titeln „Wolfsmagie“ und „Das Lied von Homana“ veröffentlicht wurden. Die jeweiligen Bände wurden in dieser Fassung mit Teil 1 und Teil 2 bezeichnet.

Teil 1 erzählt vorwiegend von Alix: Alix ist frisch verliebt. Aber das hat sie ihrem Schwarm natürlich nicht verraten. Immerhin ist sie nur die Tochter eines Kleinpächters, und er ist ein Prinz und Thronerbe von Homana. Und bevor sich die unschuldige Schwärmerei zu etwas Ernsthaftem entwickeln kann, überstürzen sich die Ereignisse: Alix wird mitsamt ihrem Schwarm gekidnappt. Von Kriegern der Cheysuli. Und Alix muss nur zu bald erkennen, dass sie selbst nicht das ist, wofür sie sich immer hielt! Plötzlich ist sie ein wichtiges Glied in einer uralten Prophezeiung. Und sie muss sich entscheiden, zwischen zwei Welten … und zwischen zwei Männern.

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Dunnett, Dorothy – Frühling des Widders (Das Haus Niccolò 2)

Das Haus Niccolò 1: [„Niccolòs Aufstieg“ 3501

_Der junge Färberlehrling Nicholas_ hat es in der Tat weit gebracht. Sowohl sein Kurierdienst als auch seine Söldnertruppe wurden ein wirtschaftlicher Erfolg, und nun hat er auch noch seine frühere Dienstherrin, die Witwe Marian Charetty, geheiratet und ist damit quasi zum Geschäftsführer des Unternehmens aufgestiegen. Das Befremden, das diese ungewöhnliche Ehe in ihrem gesamten Umfeld ausgelöst hat, ist allerdings das kleinste aller Probleme.

Denn im Laufe seiner Unternehmungen hat Nicholas sich einige Feinde gemacht, allen voran den schottischen Adligen Simon de St. Pol von Kilmirren. So kommt es, dass Nicholas gezwungen ist, Brügge für längere Zeit zu verlassen, und da kommt ihm das Angebot des Griechen de Acciajuoli gerade recht: Der Basileos, der Kaiser von Trapezunt, wünscht eine Handelsvertretung der Florentiner in seinem Land. Denn die Vertreter der Venezianer und Genuesen haben sich durch ihr Auftreten und ihre Geschäftspraktiken nicht gerade beliebt gemacht. Nicholas macht sich auf den Weg nach Florenz, und von dort aus weiter nach Osten. Doch kaum ist er in See gestochen, zeigt sich allmählich, worauf er sich da eingelassen hat …

_War der historische Hintergrund_ im ersten Band schon äußerst komplex, wird er im Folgeband noch um die politischen Verhältnisse in der Levante erweitert. Der Begriff Levante wurde geprägt von den italienischen Stadtstaaten, bedeutete zunächst lediglich „östlich“ im Sinne von „östlich von Italien“ und umfasste in dieser Bedeutung nicht nur die vorderasiatische Mittelmeerküste, sondern auch das Gebiet der heutigen Türkei und Griechenlands bis hin zum südlichen Balkan. Das Handlungsgros spielt sich jedoch in Kleinasien ab, einem Gebiet, das weit zersplitterter war, als man es im Hinblick auf die Herrschaft der Osmanen und die Eroberung von Byzanz 1453 erwarten würde.

|1460|

Das [osmanische Reich]http://de.wikipedia.org/wiki/Osmanisches__Reich hat nach dem Einfall der Mongolen unter Timur Lenk Anfang des Jahrhunderts die Kontrolle über einen Großteil Anatoliens verloren. Einige Gebiete werden von den Turkmenen gehalten, unter anderem von den weißen Horden Uzun Hasans, dem Fürsten von Diyarbakir. Im Südosten entstand das Sultanat Karaman, im Norden an der Küste zum schwarzen Meer das Emirat Jandar. Keine Frage, dass Sultan Mehmet II., der bereits die verloren gegangenen Gebiete in Griechenland und auf dem Balkan zurückerobert hat, auch hier gerne wieder die osmanische Hegemonie herstellen würde.

Außerdem ist da noch [Trapezunt.]http://de.wikipedia.org/wiki/Kaiserreich__Trapezunt Das Kaiserreich liegt an der Südostecke des Schwarzen Meeres, ein winziger Streifen Land zwischen Meer und Gebirge und Knotenpunkt der Handelswege nach Russland, dem mittleren Osten und ins Mittelmeer. Wirtschaftlich reich, aber militärisch schwach, war es zunächst den mongolischen Il-Khanen tributpflichtig, jetzt den Osmanen.

Der Kaiser jedoch, in einer Seitenlinie Abkömmling des Herrscherhauses von [Byzanz,]http://de.wikipedia.org/wiki/Byzantinisches__Reich sieht sich noch immer als von Gott eingesetzten Herrscher und außerdem als obersten Hirten der Christenheit auf Erden. Vor den Osmanen fühlt er sich sicher, stehen doch die Berge sowie der Emir von Jandar und die Horden der Turkmenen zwischen ihm und Konstantinopel. Die Kontakte Trapezunts zu seinen Nachbarn beschränken sich allerdings auf verwandtschaftliche Beziehungen, und die Bemühungen, aus diesen losen Bindungen ein handfestes Bündnis zu schmieden, tröpfeln halbherzig dahin. Eine Gesandtschaft mit Vertretern der verschiedenen Fürstentümer wird nach Westen geschickt, um Unterstützung gegen die Osmanen zu erbeten. Im Übrigen widmet der Basileos sich lieber dem pompösen und dekadenten Hofleben.

Beim [Papst]http://de.wikipedia.org/wiki/Liste__der__P%C3%A4pste in Rom rennt die Gesandtschaft aus der Levante offene Türen ein, bei den Ländern nördlich der Alpen beißt sie jedoch auf Granit. Frankreich und England sind zu sehr mit ihren eigenen Problemen beschäftigt, und auch vom Herzog von Burgund ist nicht mehr zu bekommen als ein paar allgemeine Lippenbekenntnisse.

Den [Medici]http://de.wikipedia.org/wiki/Medici ist die Unsicherheit der politischen Lage bewusst. Doch um den Genuesen und Venezianern die Oberherrschaft über den Osthandel streitig zu machen, sind sie bereit, das Wagnis einzugehen. Die Venezianer wiederum begegnen der Herausforderung der Florentiner auf ganz eigene Weise …

_Auch Nicholas_ ist sich im Klaren darüber, dass das Unternehmen Trapezunt eine gewagte Angelegenheit ist. Womit er nicht gerechnet hat, sind die zunächst kleinen, dann immer größer werdenden Widrigkeiten, mit denen er sich außerdem herumzuschlagen hat. Aber Nicholas ist ein Spieler und nimmt die zusätzliche Herausforderung an, wenngleich sie weit weniger Begeisterung bei ihm auslöst als die erste.

Der Name des Herausforderers lautet Pagano Doria und erweist sich als genuesischer Gauner, dem es gelungen ist, von seiner Heimatstadt als Konsul nach Trapezunt geschickt zu werden. Der gut aussehende, charmante, aber skrupellose Doria ist offiziell nur ein geschäftlicher Konkurrent, greift aber zu Mitteln, die in ihrer Hinterhältigkeit und Tragweite ein gerüttelt Maß über das hinausgehen, was sonst zwischen konkurrierenden Kaufleuten an Tricks üblich ist.

Dazu kommt noch, dass seit den Ereignissen des ersten Bandes Nicholas‘ engste Mitarbeiter, allen voran Rechtskonsulent Julius und der Arzt Tobias Beventini, die größten Bedenken haben, ihm einfach freie Hand zu lassen. Dabei ist keineswegs sicher, was ihnen mehr Angst macht, sein geistiges Potenzial oder seine Jugend und Unerfahrenheit. Auf jeden Fall beschließen sie, jeden seiner Schritte zu kontrollieren.

Außerdem begegnet Nicholas erneut Violante von Naxos, Prinzessin aus Trapezunt und Ehefrau des venezianischen Kaufmanns Caterino Zeno, von der die Information über den kaiserlichen Wunsch nach einer florentinischen Vertretung stammt. Die kluge und hochmütige Frau ist eine Meisterin der Intrige, die sich von niemandem in die Karten schauen lässt, was sie zu einem eigenen Machtfaktor in Trapezunt macht.

Und als wären es der Komplikationen noch nicht genug, ist auch noch Catherine, Nicholas‘ jüngere Stieftochter, verschwunden. Die verwöhnte Zwölfjährige, die auf die Heirat ihrer Mutter mit Nicholas mit Empörung und Zorn reagiert hat, ist zwar nicht dumm, aber eitel, unerfahren und leichtgläubig. Aus purem Trotz hat sie sich in den Kopf gesetzt, so bald wie möglich heiraten zu müssen, und ist mit dem erstbesten Schmeichler durchgebrannt. Kein Zufall, wie sich schon bald herausstellt …

_Die Darstellung der Charaktere_ in „Frühling des Widders“ kann problemlos mit der in „Niccolòs Aufstieg“ mithalten. Sowohl die frei erfundenen als auch die historisch belegten Neuzugänge wirken lebendig und glaubwürdig und waren außerdem ausgezeichnet in die Handlung eingepasst. Angenehm ist auch, dass die bereits bekannten Figuren flexibel geblieben sind, sich entwickeln, ohne Knicke und Brüche davonzutragen. Das gilt vor allem für Nicholas. Sehr gelungen.

_Die Handlung_ ließ sich zu Beginn allerdings wieder eine Menge Zeit. Zweihundert Seiten vergehen, ehe die Entwicklung des Plots endlich in die Gänge kommt. Eine ziemliche Durststrecke aus einzelnen Fäden, welche die Autorin nur ganz allmählich zusammenführt. Bis der Leser endlich erfährt, wie die verschiedenen Stränge zusammenlaufen, muss er eine Menge Geduld aufbringen. Sobald aber aus den angedeuteten Absichten konkrete Taten werden, zieht die Spannung an, windet sich um eine Menge Knoten, Verwicklungen und hintersinnige Anspielungen, um schließlich in einen Showdown zu münden, der vielleicht am meisten deshalb überrascht, weil er völlig unpolitisch ist.

_Den kulturellen Hintergrund_ stellt diesmal Byzanz. Das bringt einen Hauch von Exotik mit sich, auch wenn das Leben der einfachen Leute außen vor bleibt. Die stärkere Gewichtung des Katz-und-Maus-Spiels zwischen Nicholas und Daria lässt nicht so viel Raum für Lokalkolorit wie der erste Band, deshalb beschränkt sich die Beschreibung der byzantinischen Kultur auf den Hof des Kaisers.

Das Bild, das die Autorin da zeichnet, ist eines geistiger und körperlicher Trägheit und der Dekadenz. Bäder, Lustknaben, die Elefantenuhr, Feste und Prozessionen … Weiß, Gold, Purpur… Seide und Edelsteine … das Kaiserreich inszeniert sich selbst. Für die Ereignisse außerhalb seiner Grenzen hat es nur ein gleichgültiges Lächeln übrig. Sehenden Auges und doch gleichzeitig ungläubig driftet es auf den Untergang zu. Byzanz hat sich in Trapezunt endgültig selbst überlebt.

Abgesehen von diesem üppigen Hintergrund streift die Autorin auch noch einige politische Details wie den Streit zwischen West- und Ostkirche, zwischen Griechen und Lateinern. Die feine, schier unmerkliche Manipulation hinter den Kulissen geht auf das Konto Violantes von Naxos und gibt der Mischung zusätzlich raffinierte Würze.

_Mit anderen Worten:_ Ab dem Punkt, wo allmählich Schwung in die Handlung kommt, wird das Buch zunehmend interessant. Da macht es nicht einmal etwas aus, dass dem Geheimnis um Nicholas‘ Herkunft nicht ein einziger Buchstabe gewidmet wurde.

Es ist allerdings geraten, die Gespräche zwischen Kontrahenten, gleich ob politischen oder merkantilen, konzentriert zu lesen. Denn die Andeutungen, welche die Autorin ihren Figuren in den Mund legt, sind wirklich ausgesprochen vage. Wer das beherzigt und die Geduld mitbringt, die lange Anlaufzeit des Romans durchzuhalten, wird mit einer farbenprächtigen Geschichte belohnt, die vielleicht nicht ganz so viele überraschende Wendungen bereit hält wie die erste – immerhin kennen wir Nicholas jetzt ja schon ein wenig – dafür aber mehr Bewegung und Spannung bietet, sowie eine interessante Persönlichkeitsentwicklung des Protagonisten. Lesenswert.

_Dorothy Dunnett_ stammte aus Schottland und studierte in Edinburgh und Glasgow. Ihr erster Roman „Das Königsspiel“, Teil I der |Lymond Chronicles|, erschien interessanterweise zuerst in den USA, da das Manuskript von britischen Verlagen abgelehnt wurde. Letztlich wuchs der Zyklus auf sechs Bände an. Zu ihren Werken zählen neben den |Lymond Chronicles| und |Das Haus Niccolò| vor allem „The King Hereafter“, ein Roman über den historischen Macbeth, sowie eine Reihe von Kriminalromanen. Dorothy Dunnet starb 2001 78-jährig in Dunfermline.

http://www.dorothydunnett.de
http://www.ddra.org/Deutsch/startseite.html

|Originaltitel: The house of Niccolò, Spring of the Ram
Aus dem Englischen von Britta Mümmler und
Mechtild Sandberg-Ciletti
746 Seiten, gebunden mit Schutzumschlag, Lesebändchen, Stammbäume, Karten|

Hohlbein, Wolfgang u. a. – Flammenflügel. Fantastische Drachengeschichten

Unter dem Titel „Flammenflügel“ hat Wolfgang Hohlbein Drachengeschichten zusammengetragen, geschrieben von den „renommiertesten und erfolgreichsten Jugendbuchautoren Deutschlands“ – so der Verlagstext. Von außen sieht das Buch ja schon mal nicht schlecht aus, mir zumindest gefällt die Darstellung eines Drachens als Schmuckstück vor dem grüngeschuppten Hintergrund.

Also schauen wir mal zwischen die Buchdeckel: Neun Geschichten finden sich da. Neun? Waren es laut Verlagstext nicht zehn Autoren? Wer fehlt denn da? Jenny May-Nuyen. Ausgerechnet die Autorin, deretwegen ich das Buch hauptsächlich lesen wollte! Sehr ärgerlich! Aus welchem Grund auch immer keine Geschichte dieses vielversprechenden Nachwuchstalents dabei ist – trotzdem mit ihrem Namen Werbung zu machen, finde ich irgendwie ein wenig irreführend! Na gut, lesen wir halt das, was da ist …

Die erste Geschichte trägt den Titel „Reyvigur“ und stammt von _Ulrike Schweikert_: Sie erzählt von zwei verschiedenen Stämmen in einem Land aus Eis und Frost. Sowohl die Einheimischen als auch die Flüchtlinge aus dem Süden sind auf ihre Drachen angewiesen, die ihre Behausungen mit ihrer Flamme wärmen. Als beider Drachen sich paaren und das Weibchen ein Ei legt, kommt es zum Konflikt, zumal der männliche Drache im Sterben liegt. Die Grundidee der Geschichte sowie der knappe Entwurf der Welt haben mir gar nicht mal schlecht gefallen. Sogar die Kampfbeschreibung zwischen den beiden menschlichen Hauptprotagonisten war recht gelungen. Der Rest der Erzählung ist allerdings ein wenig flach geraten und konnte mich nicht wirklich gefangen nehmen. Geradezu als störend empfand ich die Hinweise auf die körperliche Kondition des einheimischen Jägers; sie sind im Grunde überflüssig und wirken, als wäre es der Autorin nicht ganz gelungen, ihre heimliche Schwärmerei für den Jungen zu verbergen. Die Konfliktlösung am Ende war zwar naheliegend, ging mir aber doch ein wenig zu glatt und problemlos vonstatten. Ich fand diese Geschichte eher durchschnittlich.

Als nächstes erzählt _Kai Meyer_ „Komm, schweb mit mir, mein Amethyst“: Diese Geschichte ist mit nur fünfzehn Seiten die kürzeste der Sammlung, zum Glück, denn ich konnte nicht wirklich viel mit ihr anfangen. Es geht um das erste Mal, zugegebenermaßen für Jugendliche ein hochinteressantes Thema. Für Zwölfjährige ist der Text stellenweise allerdings schon ziemlich erotisch ausgefallen. Die Erzählung ist zwar einerseits durchaus stimmungsvoll und glaubwürdig geraten, andererseits spielen spielen die Drachen, die eigentlich in dieser Anthologie die Hauptpersonen sein sollten, lediglich eine kleine Rolle ganz am Rande, sozusagen als Dekoration. Irgendwie war mir das zu wenig.

„Tombola“ von _Nina Blazon_ ist die dritte Erzählung: Sie spielt in Ljubljana, wo alle zehn bis zwölf Jahre das Drachenfest veranstaltet wird. Was die Touristen für pittoreskes Brauchtum halten, ist in Wirklichkeit ein Kampf um Leben und Tod. Denn in dieser Nacht erwachen die vier Statuen der Drachenbrücke zum Leben und fordern von der Stadt ihren Tribut. Schon allein die Schilderung des Auswahlverfahrens auf dem Marktplatz zog mich in ihren Bann. Nicht nur der Zorn und die Angst des Protagonisten wirken überaus lebendig, auch die von ihm reflektierten Hintergründe des Festes sind interessant dargestellt. Richtig spannend wird es, als der Kampf beginnt. Das überraschende Ende allerdings setzt der Geschichte die Krone auf, es macht das gesamte Geschehen zu einem grausamen Spiel, umso mehr, als es vollkommen sinnlos scheint. Um es gleich vorweg zu sagen: Nina Blazons Beitrag zu dieser Anthologie war der mit Abstand fesselndste und intelligenteste unter den neun.

_Peter Schwindt_ hat „Drachenwinter“ geschrieben: Auch diese Geschichte ist mit nur siebzehn Seiten ziemlich kurz geraten, enthält aber – zusammen mit „Tombola“ – die ungewöhnlichste Idee. Ein Junge liegt im Krankenhaus und hofft, dass er seine schwere Krankheit überwunden hat. Doch die Krankheit ist unheilbar … Peter Schwindts Drache ist eine allegorische Figur, sie steht zum einen für Zerstörung, für die Krankheit und letzten Endes für den Tod. Im Laufe der Geschichte wandelt sich der Drache jedoch vom Feind zum Freund, obwohl er noch immer für den Tod steht. Eigentlich könnte man meinen, dass diese Erzählung eigentlich viel zu kurz geraten ist, um den Übergang von einem verzweifelten Überlebenskampf hin zur Akzeptanz des Unvermeidlichen zu beschreiben. Das Thema scheint viel zu umfangreich und vielschichtig dafür. Andererseits bin ich mir da gar nicht so sicher. Und dass ich mich diesbezüglich nicht wirklich entscheiden kann, sondern immer noch darüber nachdenke, spricht eigentlich nur für den Autor.

„DragonLand“ stammt von _Peter_ und _Florian Freund_: Ein Teenager fährt in den Ferien zum wiederholten Mal mit seinen Eltern in die Berge. Einziger Lichtblick scheint eine Einladung ins nahe DragonLand, einen Vergnügungspark kurz vor der Neueröffnung. Wenn da nur nicht kurz vorher das Treffen mit diesem merkwürdigen Mädchen gewesen wäre und das deutliche Gefühl, dass irgendetwas an diesem Park nicht stimmt … Zur Abwechslung spielt diese Geschichte mal in der Zukunft, ist aber trotzdem Fantasy. Die Grundidee ist zwar nicht ganz neu, sie erinnert deutlich an „Westworld“, die Figur des skrupellosen Geschäftemachers klingt dafür äußerst realistisch, und der Handlungsverlauf an sich ist auch recht lebendig gestaltet. Der Schluss allerdings ist etwas abrupt geraten und auch die Rahmenhandlung – kursiv gedruckt – glitt gegen Ende etwas ins Unglaubwürdige ab. Abgesehen davon hatte ich mit ein paar logischen Problemen zu kämpfen, zum Beispiel dem der unbekannten Insel, die der Oberbösewicht überraschend entdeckt hat, und das im Zeitalter von Google Earth. Auch sprachlich wirkt die Geschichte stellenweise etwas unausgegoren. Ankleiden statt anziehen klingt vielleicht in einem Historienroman gut, hier klingt es eher geschwollen. Damit fällt dieser Beitrag wieder eher ins Mittelfeld.

Der nächste Beitrag heißt „Silberschatten“ und stammt aus der Feder von _Katja Brandis_: Hier haben wir es mit Fantasy in ihrer klassischen Form zu tun. Der junge Held ist zu Hause ein Außenseiter, den niemand wirklich ernst nimmt. Als er den Thronfolger des Reiches daran hindert, einen schlafenden Drachen zu erschlagen, muss er fliehen. Kein leichtes Unterfangen, so ganz ohne Ausrüstung, in den Wäldern lauern gefährliche Geschöpfe und außerdem Räuber, und er wird überall gesucht. Trotzdem schafft er es beinahe, die Grenze zum Nachbarland zu erreichen. Aber nur beinahe … Diese Geschichte hat nicht gerade das Genre neu erfunden, aber immerhin ist sie nett erzählt. Der Kronprinz ist ein wenig trocken geraten, die Mitglieder der Räuberbande dagegen sind ganz gut getroffen, und die sich anbahnende Freundschaft zwischen dem Jungen und dem Drachen ist elegant eingeflochten. Nur dass der Drache Stahlseile durchgebissen hat, fand ich ein wenig übertrieben.

„Das versteinerte Herz“ hat _Ralf Isau_ geschrieben: Die Geschichte spielt in China zum ungewöhnlichen Zeitpunkt der Kulturrevolution. Eine junge Frau, deren Mutter eine berühmte Geschichtenerzählerin ist, träumt davon, das Rätsel der Drachen zu lösen, was in dieser Zeit allerdings ziemlich suspekt und damit gefährlich ist. Trotzdem lässt sie sich nicht davon abhalten und geht als Ausgrabungshelferin ins Gebirge, wo versteinerte Drachenskelette ausgegraben werden. Dort macht sie durch reinen Zufall einen erstaunlichen Fund … Als Erstes fiel mir die stellenweise recht saloppe Ausdrucksweise auf. Nicht, dass sie gestört hätte, sie bildete nur einen deutlichen Kontrast zu den bisherigen Schreibstilen und erzeugte einen Effekt, als hätte mir jemand auf die Schulter getippt, um meine Aufmerksamkeit zu erringen. Im weiteren Verlauf fällt der lockere Ton dann weg. Übrig bleibt eine sehr warmherzige Geschichte über Freundschaft und wahre Berufung, auch wenn das Verhalten der beiden Parteifunktionäre Chen und Sun stellenweise doch ein klein wenig weit hergeholt wirkte.

_Monika Felten_ hat „Die Legende der weißen Drachen“ beigesteuert: Ein junges Mädchen kämpft um das Leben seines Bruders, der im Kampf mit einem Drachen vergiftet wurde. Doch keiner der vielen Ärzte und Heiler weiß Rat. Da taucht eine schwer bewaffnete Frau im Palast auf und erklärt, nur ein weißer Drache könne ihren Bruder retten. Mit neu erwachter Hoffnung folgt die junge Prinzessin der Frau in die Berge … Auch diese Erzählung wirkt zunächst wie klassische Fantasy in Reinform. Gut gefallen haben mir der Schöpfungsmythos, den die Fremde der Prinzessin erzählt, sowie die Kehrtwendung am Schluss, die der Sache etwas Pfiff verleiht. Ansonsten tut sich innerhalb der Handlung nicht allzu viel, das Intermezzo mit dem Bären ist zu kurz geraten, um echte Spannung zu erzeugen. Übrig bleibt am Ende die Erkenntnis, dass die besten Lügen zu 98 Prozent aus Wahrheit bestehen.

Den Schluss macht _Wolfgang Hohlbein_ mit „Drachenträume“: Der Sohn des Khan hat nicht den besten Ruf, die meisten halten ihn für einen Feigling. Der Schwurbruder seines Vaters allerdings scheint irgendetwas an ihm zu finden, er bietet ihm seine Tochter zur Frau. Der Junge ist sich allerdings zunächst einmal gar nicht sicher, ob er dieses Mädchen mit dem scharfen Verstand und der spitzen Zunge wirklich will! Gut, dass er einen Drachen zum Freund hat, der ihn in seinen Träumen besucht, auch wenn Drachenweisheiten manchmal etwas unverständlich daherkommen. Diese Erzählung ist mit achtzig Seiten mit Abstand die längste des Buches. Es geht darum, was genau eigentlich feige und was mutig ist. Am Ende stellt sich heraus, dass der sogenannte Feigling den meisten Mumm hat, und das ganz ohne Kampf oder heldenhafte Rettungsaktion oder Ähnliches, sondern auf fast alltägliche und doch dramatische Weise. Angenehm ist auch, dass der Text zu keiner Zeit schulmeisterlich wirkt, sondern immer nahe am Protagonisten und deshalb ehrlich bleibt. Ich muss zugeben, mit dieser Geschichte hat Herr Hohlbein, von dessen Büchern ich bisher nicht viel hielt, mich sehr positiv überrascht.

Wenn ich jetzt für jede Geschichte Sterne von 1 bis 5 vergeben müsste, dann käme für die Anthologie insgesamt eine Bewertung von 3,7 heraus. Zwar haben mich nur zwei Geschichten wirklich begeistert, die meisten anderen waren aber immerhin nett zu lesen, wenn auch nicht gerade mitreißend. Die verschiedenen Szenarien waren vielfältig und abwechslungsreich, und die sprachliche Gestaltung größtenteils flüssig und gut lesbar. Nicht so gut war das Lektorat, vor allem Zeitfehler sind mir begegnet. Kurz gesagt: Das Buch ist durchaus eine nette Lektüre, das Prädikat „Extra-Klasse“ allerdings ist meiner Meinung nach ein wenig übertrieben.

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Trudi Canavan – Priester (Das Zeitalter der Fünf 1)

Das Zeitalter der Fünf

Band 1: „Priester“
Band 2: „Magier“ (Januar 2008)
Band 3: „Götter“ (März 2008)

Schon als Kind wollte Auraya gern Priesterin werden. Doch mit einer kranken Mutter, die auf ihre Pflege angewiesen war, schien dieser Traum unerfüllbar. Dass er letztlich doch wahr wurde, verdankt Auraya unter anderem ihrem früheren Lehrmeister Leiard, einem Traumweber.

Jetzt ist Auraya nicht nur eine ausgebildete Magierin, sie wurde sogar von den Göttern in den Kreis der Weißen berufen, jener fünf Unsterblichen, die als die unmittelbaren Vertreter der Götter in der Welt auserwählt wurden. Seither besteht ihr Leben fast ausschließlich aus Diplomatie. Denn die Götter wünschen, ganz Nordithania durch Bündnisse zu vereinen. Keine leichte Aufgabe, denn in anderen Ländern haben die Traumweber noch wesentlich mehr Einfluss und ihr Misstrauen gegenüber den Weißen ist schier unüberwindbar. Auraya bittet ihren früheren Lehrmeister Leiard um Hilfe, mit schwerwiegenden Folgen …

Während Auraya und Leiard versuchen, ihre unmögliche Situation auf die Reihe zu kriegen, tauchen immer öfter schwarz gekleidete Fremde aus den Ländern des südlichen Ithania auf. Und sie scheinen nichts Gutes vorzuhaben. Schon bald kursieren die ersten Gerüchte von einem drohenden Krieg …

Auraya ist ein bemerkenswertes Mädchen. Schon in jungen Jahren beweist sie großes Einfühlungsvermögen in fremde Denkweisen und ein ungewöhnliches Geschick für Verhandlungen, abgesehen natürlich von ihrem ausgeprägten Mut. Ihr diplomatisches Geschick ist für die Weißen einerseits von unschätzbarem Wert, andererseits bedeutet ihr ausgeprägtes Verständnis und Mitgefühl für andere Kulturen auch sozialen Sprengstoff. So hat Auraya zum Beispiel überhaupt kein Verständnis für die restriktive Politik den Traumwebern gegenüber, und auch andere Minderheiten wie die Siyee, die geflügelten Bewohner der Berge, liegen ihr besonders am Herzen. Und genau das ist ihr Dilemma: Auraya macht keine halben Sachen. Bei allem, was sie tut, engagiert sie sich auch emotional sehr stark. Schmerzliche Erfahrungen sind da unausweichlich.

Leiard ist weit schwieriger einzuschätzen. Zunächst will er nichts weiter als bessere Lebensbedingungen für die Traumweber erreichen. Da er Auraya seit ihrer Kindheit kennt und ihr vertraut, ist er bereit, mit ihr zusammenzuarbeiten. Allerdings muss er dazu eine tiefsitzende Angst überwinden, die übertrieben scheint, denn obwohl Juran und Dyara, die beiden ältesten Weißen, ihm äußerst kühl begegnen, wird er zu keiner Zeit bedroht oder diskriminiert. Die Traumweberälteste Arleej bemerkt als Erste, dass Leiard ungewöhnlich viele und deutliche Erinnerungen an Mirar, den einstigen Traumweberältesten, besitzt. Und je näher Auraya und Leiard sich kommen, desto stärker werden diese Erinnerungen. Bis irgendwann ein fremdes Bewusstsein Leiard dreinzureden beginnt. Und bald begnügt es sich nicht mehr damit zu reden … Wo kam dieses Bewusstsein her? Und wieso hat es solche Macht über Leiard? Wer ist Leiard wirklich?

Emerahl hat von all dem nichts mitbekommen. Sie ist eine Wilde, eine Unsterbliche und eine Zauberin. Jahrelang hat sie im Verborgenen gelebt, bis sie dem Vorsteher des benachbarten Dorfes in die Quere kam. Nun suchen die Priester nach ihr, und Emerahl bleibt nichts anderes übrig als zu verschwinden. Ein schwieriges Unterfangen, denn sie muss feststellen, dass die Zahl der Priester enorm zugenommen hat! Emerahl muss auf all ihre Fähigkeiten zurückgreifen, um ihnen auszuweichen, und sie darf dabei nicht auffallen. So kommt es, dass das Versteckspiel sie letztlich dazu zwingt, im Tross eines Bordells den Truppen Nordithanias in den Krieg zu folgen, wo sie die größte Überraschung ihres langen Lebens erwartet.

Trudi Canavan hat für ihre neue Trilogie durchaus interessante Charaktere entworfen. Sie sind auch klar gezeichnet und ihre Handlungen nachvollziehbar. Trotzdem konnte ich mit keiner von ihnen richtig warm werden. Zwar ist keine von ihnen unsympathisch oder langweilig, es ist aber auch keiner von ihnen gelungen, mich wirklich zu fesseln und mit ihr fiebern zu lassen, zu vorhersehbar ist die Entwicklung geraten. Das betrifft sowohl die wachsenden Fähigkeiten Aurayas als auch Leiards wachsende Labilität.

Dasselbe gilt für die Handlung. Die Autorin lässt es extrem langsam angehen. Langsamer, als es für die Ausarbeitung der verschiedenen Beziehungen zwischen den Protagonisten nötig wäre. Ausführlich schildert sie Aurayas diplomatische Bemühungen zunächst in Somrey, später bei den Siyee. Dazu kommt die Entwicklung von Tryss‘ Fluggeschirr und seiner Beziehung zu dem Mädchen Drilli. All dies wirft zwar ein sehr deutliches Licht auf die Kultur der Siyee, trotzdem wäre es mir gelegentlich lieber gewesen, das Erzähltempo wäre etwas höher angesetzt. Denn der eigentliche Konflikt mit den schwarzen Magiern aus den Südlanden kommt dadurch erst extrem spät zum Tragen. Lediglich zwei kurze Zwischenfälle deuten darauf hin, worauf das Ganze zusteuert, doch danach versinkt die Handlung jedes Mal erneut in Diplomatie. Irgendwie ist Trudi Canavan diesmal nicht so richtig in die Gänge gekommen. Als es dann endlich ernst wird, kommt sie dagegen ziemlich rasch zur Sache, und der Höhepunkt, auf den eigentlich ein Spannungsbogen hätte zulaufen sollen, ist erstaunlich kurz geraten und auf eine Weise entschieden worden, die ich ein wenig enttäuschend fand.

Zu diesem etwas blassen Gesamteindruck hat sicherlich auch die starke Zurückhaltung der Autorin in Bezug auf Antworten beigetragen. Dass sie bisher nicht verraten hat, wie es kommt, dass Leiard diesen ungebetenen Gast mit sich herumträgt, kann ich ja verstehen. Dem geschichtlichen Hintergrund hätte es allerdings gutgetan, die Autorin hätte an der Diplomatie ein wenig Ausführlichkeit abgezwackt und sie in ein paar Details über die Vergangenheit ihrer Welt investiert. So hat sie den Konflikt zwischen den Weißen und den Traumwebern zwar mit ein paar trockenen Worten erklärt, sodass der Leser wenigstens die Grundlagen versteht. Aber nachvollziehbar wird die Vergangenheit dadurch nicht. So erfährt der Leser zum Beispiel nicht, warum Mirar so gegen die Götter gewettert hat, dass Juran sich gezwungen sah, ihn zum Schweigen zu bringen. Immer wieder wird ein Krieg der Götter erwähnt, aber niemand verliert ein Wort über die Ursache und die Konsequenzen dieses Krieges. Auch Emerahls Rolle in dieser Vergangenheit bleibt bisher noch ein Geheimnis.

Auch den Gegnern der Weißen, den Südländern, hat die Autorin kaum Beachtung geschenkt. Einerseits scheinen sie ziemlich grausam zu sein, andererseits zeigen sie Züge von Freundlichkeit, etwa, wenn eine ihrer Zauberinnen bedauert, gegen die Siyee kämpfen zu müssen, als täten diese ihr leid. Eine Erklärung für diese ungewöhnliche Diskrepanz gibt es bisher nicht, auch nicht, warum die schwarzen Magier einen so ausgeprägten Hass auf die Götter der Weißen haben. Der Feind wirkt fast wie eine Kulisse; er hat zwar ein Ziel, aber keine Kultur, keine Geschichte, keine Beweggründe.

So bleiben unterm Strich nicht viel mehr als eine akzeptable Charakterzeichnung sowie ein recht gelungener Entwurf einer Kultur von Flügelwesen und der einer Theokratie. Dabei hat die Geschichte durchaus noch eine Menge Potenzial: die Meermenschen, die Dunweger, die Südländer, die Vorgeschichte, Mirar und Emerahl … aber offenbar hat sich die Autorin all das für die Fortsetzungen aufgehoben. Ich für mein Teil hätte diesen ersten Teil interessanter gefunden, wenn Trudi Canavan all diese Aspekte in gleichem Umfang weiter ausgebaut hätte, anstatt sich so sehr auf die Diplomatie der Weißen und das Volk der Siyee zu konzentrieren, dass für die anderen fast nichts mehr übrig blieb. Nach der Lektüre der abwechslungsreichen und lebendigen Magiertrilogie hatte ich durchaus mehr erwartet. Ich hoffe, das rappelt sich noch.

Trudy Canavan stammt aus Australien, wo sie nach einem Studium am Melbourne College of Decoration als Designerin, Illustratorin und Kartenzeichnerin für verschiedene Verlage tätig war, ehe sie zu schreiben begann. 1999 gewann sie mit ihrer Kurzgeschichte „Whispers of the Mist Children“ den Aurealis Award for Best Fantasy Short Story. 2001 erschien dann ihr erster Roman, der erste Band der Trilogie Die Gilde der schwarzen Magier. „Priester“ ist der erste Band der Trilogie Das Zeitalter der Fünf, dessen Folgebände „Magier“ und „Götter“ im Januar beziehungsweise im März nächsten Jahres erscheinen sollen. Die Autorin arbeitet derweil an „The Magician’s Apprentice“, einem Prequel zur Magiertrilogie. Auch ein dreibändiges Sequel ist in Arbeit.

Broschiert 832 Seiten
Originaltitel: Priestess of the White (Age of the Five 1)
Deutsch von Michaela Link
ISBN-13: 978-3-570-30432-7

http://www.trudicanavan.com/
http://www.randomhouse.de/cbt/

Der Autor vergibt: (3.5/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (3 Stimmen, Durchschnitt: 1,67 von 5)

Irvine, Ian – Turm von Katazza, Der (Die drei Welten 3)

Band 1: [„Der Spiegel der Erinnerung“ 3928
Band 2: [„Das magische Relikt“ 4217

In Thurkad herrscht Chaos. Yggurs Armee steht vor den Toren der Stadt und Tensor hat das Große Konklave angegriffen, um den Spiegel von Aachim an sich zu bringen. Während Tensor mitsamt dem widerstrebenden Llian im Schlepptau aus der Stadt Richtung Norden flieht und Karan von Shand aus der Ratshalle geborgen wird, hat sich Mendark mit Tallia und dem Straßenmädchen Lilis vorerst in der Feste verbarrikadiert. Die Lage ist aussichtslos, und Mendark weiß das. Während die Altstadt fällt, plant er seine Flucht. Doch er wird verraten …

Faelamor und Maigraith sind zwar ebenfalls aus der Ratshalle entkommen, Faelamor hat jedoch all ihre Kräfte verloren und keinen Verbündeten in der Stadt. Da entschließt sich Maigraith zu einem folgenschweren Schritt …

_Der dritte Band_ des Drei-Welten-Zyklus trägt den Titel „Der Turm von Katazza“. Dieser Turm wurde von Mendark bereits erwähnt, als er Llian in die Keller der Feste schickte, um nach Informationen über den Spiegel zu suchen. Wer jetzt allerdings glaubt, irgendjemand hätte sich auf den Weg nach Katazza gemacht und in dem Turm womöglich sogar ein paar Antworten gefunden, der wird enttäuscht sein. Offenbar hat derjenige, der den Titel für diesen Band vergeben hat, sich vorher nicht die Mühe gemacht, ihn auch zu lesen. Dabei wäre eine solche Reise eine durchaus logische Entwicklung für die Handlung gewesen. Stattdessen konzentriert sich alles auf die Eroberung Thurkads und die verzweifelten Versuche der verschiedenen Protagonisten, ihren Hals zu retten.

Das Hauptaugenmerk liegt dabei auf Mendark. Außer seinem Gold und seinem eigenen Leben liegt diesem Mann nur die Stadt Thurkad am Herzen. Oder besser: seine Macht über Thurkad, denn die Stadt selbst und ihre Bewohner sind ihm herzlich gleichgültig. Er nutzt jeden aus, der ihm begegnet, Tallia eingeschlossen. Damit ist auch schon so ziemlich alles über diesen Mann gesagt, was es bisher zu sagen gibt.

Durch die starke Gewichtung von Mendarks Person rückt auch seine getreue Gefolgsfrau Tallia etwas mehr ins Rampenlicht, was allerdings auch nicht viel heißt. Zwar wird deutlich, dass sie nicht viel von Mendarks Rücksichtslosigkeit hält, aber sie steht trotzdem in jeder Situation treu zu ihm. Lediglich im Bezug auf Lilis ist sie diejenige, die sich durchsetzt. Da Tallia alles andere als dumm ist, stellt sich die berechtigte Frage, warum sie diesem selbstsüchtigen Kerl so treu ergeben ist!

Leider geizt Ian Irvine immer noch mit Antworten, und das gilt nicht nur für die Charaktere. Der Spiegel, der die ganze Sache erst ins Rollen brachte und eigentlich so außerordentlich wichtig für das Schicksal Santhenars sein soll, fristet nur noch ein kümmerliches Randdasein. Das einzige Wort, das darüber verloren wird, ist Tensors Feststellung, dass er keine Ahnung hat, was seit dem Diebstahl durch die Charon genau mit dem magischen Artefakt angestellt wurde. Und er hat offenbar auch keinerlei Anstrengungen unternommen, seine Flucht in eine Gegend zu lenken, wo er eventuell Antwort auf diese Frage erhalten könnte …

Auch an neuen Ideen tut sich nicht viel. Neu waren allein die Kaistadt und ihre Bewohner, die Hlune und die Telt. Um frischen Wind in die Geschichte zu bringen, blieben sie aber zu nebensächlich und die Ausarbeitung zu oberflächlich. Über die historischen Ereignisse, die zu der momentanen Situation führten, erfährt der Leser überhaupt nichts Neues. Die Aachim Malien, die Llian nach der Vergangenheit fragt, lässt sich lediglich zu einer vagen Andeutungen herab.

Auch diesmal ist also der Handlungsverlauf der Hauptträger der Geschichte. Und auch diesmal bestand sie zu meinem großen Leidwesen ausschließlich aus Flucht. Der einzige Unterschied zu den Vorgängerbänden ist der, dass jetzt nicht nur Karan und Llian, sondern auch noch die Gruppen um Mendark und Tensor auf der Flucht sind. Die Schilderung, wie Yggur die Schlinge um die in der Kaistadt Versteckten immer enger zieht, sollte den Spannungsbogen straffen, was aber nicht wirklich gelungen ist.

Dasselbe gilt für die kurze Szene, in der die Gâshâd beschließen, Karan zu fangen und zu benutzen, denn sie bleibt ohne Zusammenhang oder gar Folgen – zumindest in diesem Band. Erst als Mendarks Gruppe sich endlich auf dem Wasser befindet, zieht die Handlung vorübergehend so weit an, dass der Leser sich nicht langweilt. Besonders spannend kann man aber auch diesen Teil des Buches nicht nennen.

_Mit anderen Worten:_ Im Grunde bewegt sich die Geschichte überhaupt nicht weiter! Und so bleibt unterm Strich bei diesem Band sogar noch weniger als beim zweiten: Die Handlung kommt nicht über ein wirres Hin- und Hergerenne hinaus; der Mangel an Spannung, Abwechslung und Weiterentwicklung bewirkt bestenfalls ein Gefühl von Überdruss und Unzufriedenheit. Die Charakterzeichnung von Mendark und Tallia ist ziemlich blass geraten und die Figur des Mendark zudem nicht übermäßig sympathisch und damit eher ungeeignet, die Sympathien der Leser zugewinnen, sodass eine Identifikationsfigur fehlt, mit der man mitfiebern könnte. Ian Irvine ist es nicht gelungen, seinem vielversprechenden Anfang den entscheidenden Impuls zu geben und seine Charaktere und seine Handlung lebendig zu erhalten. Falls ich mich tatsächlich dazu durchringen sollte, einen weiteren Band aus diesem Zyklus zu lesen, dann muss der einiges mehr an Intensität, Bewegung und Einfallsreichtum aufbieten, denn sonst wird er der letzte sein, zumindest für mich.

_Ian Irvine_ ist Doktor für Meeresbiologie und hat einen Großteil des südpazifischen Raums bereist. Die Idee zu seinem Drei-Welten-Zyklus entstand bereits während des Studiums. Die damals entstandenen Karten und Skizzen dienten später als Basis für die Ausarbeitung, die inzwischen zwei Tetralogien umfasst und noch weiter ausgebaut werden soll. Abgesehen davon hat Ian Irvine den Öko-Thriller „Human Rite“ geschrieben sowie den Zyklus „Runcible Jones“. Der nächste Band des Drei-Welten-Zyklus „Die Festung der Macht“ erscheint Anfang Dezember 2007.

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Harris, Joanne – Feuervolk

Maddy war von Kindesbeinen an eine Außenseiterin. Die Bewohner ihres Dorfes betrachten sie mit Argwohn, der Pfarrer mit Verachtung und selbst ihr Vater und ihre Schwester schämen sich für sie. Ihr einziger Freund ist der abgerissene, einäugige Vagabund, den sie im Alter von sieben Jahren in der Nähe des Hügels mit dem roten Pferd getroffen hat. Sieben Jahre lang hat er sie einmal im Jahr besucht. Er hat ihr beigebracht, was es mit dem Mal in ihrer Hand auf sich hat, hat sie Lesen und Schreiben gelehrt und ihr Geschichten erzählt, und Maddy war eine gelehrige Schülerin.

Doch eines Tages wird aus dem interessanten Lernstoff Ernst. Der Namenlose, der über Jahrhunderte hinweg immer mehr Anhänger gefunden hat, bedroht das Gleichgewicht der Welt. Und es scheint, dass nur ein magisches Artefakt aus uralter Zeit diese Bedrohung aufhalten kann: der Flüsterer. Maddy macht sich auf die Suche danach und bringt damit Ereignisse ins Rollen, die bald zur unaufhaltsamen Lawine zu werden drohen …

_Maddy ist ein kleiner Wildfang_, trotzig, stur und sehr intelligent. Schon allein diese Eigenschaften sind in den Augen ihrer Mitmenschen äußerst unpassend für ein Mädchen. Abgesehen davon aber ist Maddy auch noch neugierig und mit einer gehörigen Portion Phantasie begabt, und das ist nicht nur ungehörig, sondern geradezu suspekt! Maddy bekümmert die Ablehnung durch ihre Umgebung zwar, trotzdem besitzt das Mädel genug Selbstbewusstsein, um sich dadurch nicht beirren zu lassen.

Dem Pfarrer ist Maddy ein ganz besonderer Dorn im Auge. Nicht deshalb, weil sie ein „Hexenmal“ trägt oder magische Fähigkeiten besitzt, sondern weil sie sich weigert, ihre Fähigkeiten zu seinem Nutzen einzusetzen! Denn Pfarrer Parson ist nicht nur dumm, er ist auch ehrgeizig, und das war schon immer eine ungesunde Mischung …

Außerdem wäre da noch ein kleiner Kobold namens Zucker-und-Sack erwähnenswert, dessen hervorstechendste Eigenschaften neben der Neugier ein erstaunlicher Mut und eine ungewöhnliche Neigung zur Treue sind.

Das klingt jetzt in Sachen Charakterzeichnung vielleicht insgesamt eher mager, ist es aber nicht. Joanne Harris ist es gelungen, alle ihre Figuren äußerst lebensecht und mit einem gewissen Augenzwinkern zu zeichnen, das selbst den bigotten Pfarrer gelegentlich fast liebenswert erscheinen lässt. Das gilt auch für diejenigen Charaktere, die sie aus der germanischen Sagenwelt entliehen hat und die einen Großteil des Personenaufgebots stellen.

_Das Interessante an Harris‘ Geschichte_ ist, dass sie nach der Götterdämmerung spielt. Dabei hat sie zu keiner Zeit versucht, der Angelegenheit einen historischen Anstrich zu verleihen, sondern stattdessen den Weltuntergang so stattfinden lassen, wie es die Sage der Germanen vorsieht. Mit der einen kleinen Ausnahme, dass die Geschichte damit nicht zu Ende ist.

Maddy lebt also in der Zeit nach der Götterdämmerung. Kaum jemand weiß noch etwas über die Asen und Wanen, denn zum einen ist es nur Pfarrern und Ordensleuten gestattet, Lesen zu lernen, und zum anderen dürfen nur die Geschichten über die Alte Zeit erzählt werden, die im Buch der Bücher enthalten sind. Träumen gilt als gefährlich, Zauberei ist offiziell verpönt. In der einen Stadt wird jeder Träger eines „Hexenmals“ den Examinatoren übergeben, ganz gleich, ob Mensch oder Tier. Nur die hinterwäldlerische Lage von Maddys Dorf hat das Mädchen vor diesem Schicksal bewahrt.

Dass der Examinator an einen Inquisitor erinnert, die Grundlage der neuen religiösen Ordnung „Buch der Bücher“ heißt, und die Macht der Ordensleute auf Dem Wort beruht, sind natürlich bewusste Anspielungen, ebenso wie die Landkarte, die gewissermaßen ein wenig an die britischen Inseln erinnert. Über mehr als Anspielungen gehen die Ähnlichkeiten allerdings nicht hinaus.

Natürlich sind die alten Götter mit dieser Weltanschauung keinesfalls einverstanden, doch ihre Möglichkeiten sind begrenzt. Zwar sind nicht alle in der Unterwelt eingesperrt, wie die offizielle Doktrin behauptet. Noch immer wird das Totenreich von Hel beherrscht. Und auch Odin und Loki befinden sich auf freiem Fuß. Allerdings sind sie kläglich in der Unterzahl, und außerdem hat offenbar jeder in dieser Clique mit jedem noch wegen irgendeiner Sache aus alter Zeit ein Hühnchen zu rupfen. Und weil keiner seine eigenen kleinlichen Rachegelüste mal beiseite lassen kann, sind sie alle heillos zerstritten, intrigieren gegeneinander und trachten sich sogar nach dem Leben! Außerdem scheint keiner von ihnen jemals die Wahrheit zu sagen!

Dabei hätten sie Zusammenhalt dringend nötig. Denn seit der Götterdämmerung sind ihre Runen spiegelverkehrt, sodass keine von ihnen mehr über ihre volle Macht verfügt. Auch bei dem Flüsterer, jenem mächtigen Artefakt, hinter dem alle her sind, handelt es sich nicht um einen besonderen Zauberspruch, eine Waffe oder sonst irgend etwas Brauchbares, sondern um ein Orakel. Ich wunderte mich deshalb ein wenig, warum sämtliche Beteiligten so scharf auf dieses Ding sind, denn letztlich sind von ihm nur die üblichen, vieldeutigen und ziemlich nutzlosen Weissagungen zu bekommen. Außerdem hat der Flüsterer seinen eigenen Kopf. Doch die junge, unerfahrene Maddy merkt natürlich nicht, dass sie manipuliert wird.

_Aus diesen Zutaten_ hat die Autorin ein abwechslungsreiches und verwickeltes Katz-und-Maus-Spiel gemacht, das gegen Ende in eine aberwitzige Befreiungsaktion und letztlich in einen spannenden Showdown mit unerwartetem Ende mündet. Dabei hat sie der Handlung mindestens ebenso viel augenzwinkernden Humor angedeihen lassen wie ihren Charakteren. Die trockenen Sprüche und abgedrehten Situationen ließen mich immer wieder laut auflachen.

Alles in allem ist „Feuervolk“ eine sehr charmante und unterhaltsame Lektüre voller liebenswerter und völlig klischeefreier Figuren, mit einer interessanten Welt und einer bunten, bewegten und spannenden Handlung, und obendrauf mit einem Sahnehäubchen aus Ironie. Sehr lesenswert.

_Joanne Harris_, Tochter englisch-französischer Eltern, war von Beruf Lehrerin, bis ihr Roman „Chocolat“ zum Bestseller und zur Vorlage für den gleichnamigen Film wurde. Die Fortsetzung zu „Chocolat“ erschien im September dieses Jahres unter dem Titel „Himmlische Wunder“, außerdem schrieb sie noch weitere Romane, darunter „Das verbotene Haus“ und „Fünf Viertel einer Orange“. „Feuervolk“ ist ihr erster Jugendroman.

http://www.cbj-feuervolk.de

Nix, Garth – Kalter Mittwoch (Die Schlüssel zum Königreich / Keys to the Kingdom 3)

Band 1: [„Schwarzer Montag“ 3719
Band 2: [„Grimmiger Dienstag“ 3725

Natürlich hat Arthur nicht wirklich erwartet, dass Lady Mittwoch, Herzogin der Grenzsee, warten würde, bis er ihrer Einladung von selbst nachkommt. Trotzdem ist der Zeitpunkt, zu dem sie ihn abholen lässt, äußerst ungünstig. Nicht nur, dass er nach wie vor ein gebrochenes Bein hat, zu allem Übel ist auch noch Blatt bei ihm und wird deshalb mit in die Gefilde des Hauses gespült. Das Schiff, das sie dort erwartet, rettet Blatt, verfehlt aber Arthur. Mit viel Mühe kann er eine Boje mitten im Meer erreichen, ehe sein Krankenhausbett sinkt. Nur leider bezeichnet die Boje einen Ort, an dem der gefürchtetste Piratenkapitän sämtlicher Meere einen Schatz versteckt hat. Dass Arthur sich für diesen Schatz kein bisschen interessiert, spielt natürlich nicht die geringste Rolle …

Diesmal hat Arthur es mit einer höchst ungewöhnlichen Treuhänderin zu tun. Aus irgendeinem Grund hat sie sich in einen gigantischen weißen Wal verwandelt, der nichts anderes tut als unablässig zu fressen. Selbst wenn sie ihre menschliche Gestalt annimmt, was sie einige Mühe kostet, kann sie nicht aufhören zu essen. Der Grund, warum sie Arthur eingeladen hat, ist ein höchst überraschender, noch überraschender allerdings ist die Tatsache, dass die Lady selbst die Lösung des Problems beinhaltet – im wahrsten Sinne des Wortes.

Weit mehr Schwierigkeiten als der Wochentag macht Arthur der Pirat Fieberauge. Ein ehemaliger Mensch, der nicht nur skrupellos, gierig und grausam ist, sondern außerdem ein Sklaventreiber erster Güte und auch noch magiebegabt. Kaum ein Schiff, das ihn nicht fürchtet, doch um an den dritten Teil des Vermächtnisses zu kommen, muss Arthur an ihm vorbei.

Zum Glück hat er ein paar neue Verbündete gefunden; so den Zauberer Scamandros, dessen Magie der Fieberauges zwar nicht gewachsen ist, der aber dennoch einige nützliche Tricks auf Lager hat; Sonnenstich, den zweiten Offizier der Motte, der Arthur von der Boje gerettet hat; und die Erhobenen Ratten, die einst dem Pfeifer gefolgt sind und mit Informationen handeln.

Die Charakterzeichnung dieser neuen Personen ist diesmal etwas blasser geraten als in den Vorgängerbänden, was daran liegt, dass die Antagonisten etwas schwach vertreten sind. Lady Mittwoch gibt in ihrer Walgestalt nicht viel Charakterliches her, und Fieberauge taucht erst gegen Ende persönlich auf. Scamandros und Sonnenstich sind etwas detaillierter dargestellt, reichen aber nicht an Susi Türkisblau heran, wahrscheinlich, weil sie aufgrund ihrer räumlichen Gebundenheit in den nächsten Bänden keine so große Rolle mehr spielen werden. Von den Ratten steht zwar zu erwarten, dass sie noch öfter auftauchen werden, die Gewichtung liegt hier aber weniger auf einzelnen Persönlichkeiten als auf der Gruppe als solcher.

Folglich musste die Ausschmückung der Handlung etwas mehr herhalten. Der dritte Vermächtnisteil ist um einiges vernünftiger als der zweite, ganz ohne Schrulle ist es aber auch bei ihm nicht abgegangen. Dazu kamen einige andere, interessante Ideen wie die der Transferuhr, des rotweiß gesprenkelten Krabbenexoskelettes sowie die von Fieberauges Piratenversteck und die der Puzzleportale. Und natürlich muss Arthur bei seinem dritten Besuch in Dem Haus einige Umwege in Kauf nehmen, ehe er an sein Ziel gelangt. Schließlich wird er gleich doppelt verfolgt: zum einen von Fieberauge, zum anderen von Mittwochs Morgengrauen, denn das Schiff, das Arthur aufsammeln sollte, hat ja den falschen Erdenbewohner erwischt, den Arthur selbstverständlich auch noch retten muss. Außerdem stellt sich im Laufe der Ereignisse heraus, dass Blatt nicht die Einzige ist, die auf Rettung wartet …

Arthur hat also wieder alle Hände voll zu tun. Er ist so mit seinen unmittelbaren Gegnern beschäftigt, dass er für die morgigen Tage keinen Gedanken übrig hat. Dementsprechend hört man von diesen nicht viel. Es ist aber nicht anzunehmen, dass sie die ganze Zeit über untätig bleiben. Garth Nix hat sich seinen Hinweis darauf allerdings bis ganz zum Schluss aufgehoben und eröffnet dadurch völlig neue Perspektiven für den vierten Band, auch wenn die beiden besonders akkurat gekleideten Herren aus den ersten beiden Bänden diesmal nicht aufgetaucht sind.

Der dritte Band kann problemlos mit seinen Vorgängern mithalten. Allein die Vorstellung von einem Meer innerhalb eines Hauses ist schon ein wenig aberwitzig, dazu kommen die ungewöhnliche Gestalt von Lady Mittwoch und einige Haken durch die Dimensionen, die Arthur schlagen muss. Die ungewöhnliche Umgebung und die damit verbundenen Ideen entschädigen für die etwas schwächere Charakterzeichnung, und das Duell zwischen Arthur und Fieberauge sowie die anschließenden Massenflucht sind genauso spannend wie die Endkämpfe der ersten beiden Bände. |Die Schlüssel zum Königreich| ist ein bisher durchweg amüsanter und einfallsreicher Jugendbuchzyklus.

Garth Nix ist gebürtiger Australier und war nach dem Studium in den verschiedensten Bereichen der Buchindustrie tätig, ehe er selbst zu schreiben begann. Aus seiner Feder stammen – außer dem Zyklus |Keys to the Kingdom|, der im englischen Original inzwischen bis Band fünf gediehen ist -, der Jugendbuchzyklus |Seventh Tower| sowie die Trilogie |Das alte Königreich|. Für die deutsche Übersetzung des vierten Bandes aus der Reihe |Keys to the Kingdom|, „Sir Thursday“, steht leider noch kein Erscheinungstermin fest.

http://www.ehrenwirth.de/

|Siehe ergänzend dazu:|

[„Schwarzer Montag“ 3719 (Keys to the Kingdom 1)
[„Schwarzer Montag“ 3172 (Hörbuch)
[„Grimmiger Dienstag“ 3725 (Keys to the Kingdom 2)
[„Sabriel“ 1109 (Das alte Königreich 1)
[„Lirael“ 1140 (Das alte Königreich 2)
[„Abhorsen“ 1157 (Das alte Königreich 3)

Daniel Abraham – Sommer der Zwietracht (Die magischen Städte 1)

Die magischen Städte:

Band 1: „Sommer der Zwietracht“

Das Reich ist vor langer Zeit untergegangen. Heute ist das Land ein Sammelsurium von mehreren mächtigen Großstädten, die jede von einem Khai regiert werden. Doch obwohl das Land zersplittert ist, leben die Menschen seit langem in Frieden. Denn so lange jede Stadt ihren Dichter hat, sind sie unangreifbar. Die Dichter beherrschen die Andaten, mächtige Wesen, die die Städte schützen.

Otah hat die Chance, einer dieser Dichter zu werden. In seiner derzeitigen Situation erscheint ihm diese Möglichkeit allerdings wie ein ferner Traum, den er sich nicht erlauben kann. Der Schulalltag ist schier unerträglich hart und Otah hauptsächlich damit beschäftigt, die Torturen zu überstehen. Bis sich ihm eines Tages der eigentliche Zweck der Schule erschließt. Otah rebelliert …

Im Grunde ist Otah ein recht durchschnittlicher Junge. Er ist zwar von vornehmer Herkunft, aber weder besonders mutig noch besonders klug. Außergewöhnlich ist lediglich die Tatsache, dass er sich dem System verweigert. Ihm fehlt jeglicher Wille zur Macht, ja nicht einmal Reichtum bedeutet ihm etwas. Sein freundliches Wesen macht es ihm leicht, Kontakte zu knüpfen, wirklich einen Platz im Leben zu finden, fällt ihm jedoch schwer.

Seine Geliebte Liat dagegen besitzt eine gehörige Portion Ehrgeiz, zu Otahs Leidwesen nicht nur für sich selbst, sondern auch für ihn. Gleichzeitig aber fühlt sie sich ihren eigenen Anforderungen nicht gewachsen, und sie ist nicht besonders krisenfest. Liat kann nicht allein sein, sie braucht ständig jemanden zum Anlehnen.

Maati ist der Lehrling des Dichters von Saraykhet, ein gutherziger Junge, der zwar die Schule und die Ausbildung beim Dai, dem Obersten der Dichter, erfolgreich durchlaufen hat, dem allerdings noch die Praxis im Umgang mit Andaten fehlt. Abgesehen davon hat er auch noch keinerlei Lebenserfahrung. Als er in Saraykhet zum ersten Mal selbstständig echte Schwierigkeiten meistern muss, reagiert er hilflos und verunsichert.

Denn sein Lehrer Heshai, im Grunde gutmütig und freundlich, scheint leider nicht nur an Maatis Ausbildung völlig desinteressiert, er ist auch selbst hoffnungslos überfordert. Geschlagen mit einem unansehnlichen Äußeren, einer trübseligen, unverwundenen Vergangenheit und einem ausgeprägten Mangel an Selbstbewusstsein, hat er sich rettungslos dem Alkohol ergeben. Nicht einmal seinen Andaten kann er mehr ordentlich im Zaum halten. Falls er das überhaupt je gekonnt hat …

Samenlos, sein Andat, ist nämlich ein ausgesprochen widerspenstiges Exemplar, das nicht nur den für Andaten typischen Drang hat, aus der Kontrolle des Dichters auszubrechen, sondern außerdem einen ganz persönlichen Hass gegen seinen Meister hegt. Um die Sache komplett zu machen, ist Samenlos auch noch äußerst intelligent und durchtrieben, und so etwas wie Skrupel scheint er nicht zu kennen.

Die Charakterzeichnung hat mir wirklich gut gefallen. Keine der Figuren ist frei von Fehlern, und keine von ihnen lässt sich in ein Schema pressen. Es gibt keinen eindeutigen Helden oder Bösewicht, keinerlei Schwarzweiß-Effekt. Der Autor hat sich nicht auf einen Protagonisten konzentriert, sondern auf eine gute Handvoll. Dadurch ist die Ausarbeitung nicht ganz so detailliert ausgefallen, trotzdem wirken alle seine Hauptcharaktere plastisch und lebendig. Sehr gelungen.

Ebenso gelungen fand ich die Idee der Andaten. Obwohl sich gelegentlich der Ausruf „Ihr Götter!“ findet, spielen Götter im herkömmlichen Sinne bisher keine Rolle. Im Vordergrund stehen die Andaten, gottähnliche, mächtige Wesen, welche die Menschen sich dienstbar gemacht haben. Eigentlich ist selbst der Begriff „Wesen“ schon nicht ganz korrekt, denn Andaten sind keine Wesenheiten, sondern Ideen. Durch die Beschwörung der Dichter wird ihnen eine Gestalt aufgezwungen, die sie in die Lage versetzt, die Realität unmittelbar zu beeinflussen. Die Andaten allerdings empfinden den Körper, in den sie gezwängt sind, als Gefängnis, ihre Bindung an den Dichter als Versklavung.

Die Dichter sind sich dieser Tatsache durchaus bewusst. Ohne die Andaten auskommen will aber niemand. Denn die Andaten sichern ihnen nicht nur militärische, sondern auch wirtschaftliche Vorteile. Und wo besondere Vorteile sind, ist auch besonderer Neid zu finden. Dieser Neid und der Freiheitsdrang der Andaten bilden zusammen ein Pulverfass, das die Städte langfristig gesehen in ziemliche Schwierigkeiten bringen dürfte, zumal das Konkurrenzdenken auch innerhalb der Führungsebene extrem ausgeprägt ist. Kein Sohn eines Khai oder Utkhai kann seinen Vater beerben, solange er noch lebende Brüder hat!

Abgesehen von den Andaten finden sich in diesem Roman allerdings keine weiteren Fantasy-Elemente, was ich dann doch ein wenig schade fand. Die Welt als solche ist zwar nicht uninteressant, lebt aber hauptsächlich von geographischen und kulturellen Kontrasten, die größtenteils nur angedeutet sind. Das lässt den Hintergrund der Geschichte schon fast realistisch wirken. Dem Buch fehlt es an Magie.

Die Handlung steht zunächst hinter dem Entwurf von Welt und Charakteren ein wenig zurück, da der Autor die Bedrohung sehr latent angelegt hat. Alles entwickelt sich schrittweise, ohne Hast oder dramatische Paukenschläge. Der Rahmen, in dem sich die Intrige abspielt, wirkt geradezu alltäglich. Wie es sich für eine Intrige gehört, passiert alles heimlich, leise und sehr indirekt. Schließlich soll ja niemand wissen, worum es wirklich geht. So gelingt es dem Autor, das wahre Ausmaß der Ereignisse bis fast ganz zum Schluss aufzuheben.

Die Kehrseite der Medaille ist, dass sich die Spannung dadurch stark in Grenzen hält. Nicht einmal gegen Ende zieht der Spannungsbogen an, da der Autor die Ausweitung der Bedrohung offenbar ganz auf den nächsten Band verlegt hat. So ist „Sommer der Zwietracht“ ein Buch, das hauptsächlich von seinen gelungenen Charakteren und deren Beziehungen zueinander lebt. Für dieses Mal hat das – zusammen mit dem allmählichen Aufbau der Intrige – gereicht, um nicht langweilig zu werden. Vom nächsten Band erhoffe ich mir allerdings etwas mehr Flair, ein höheres Erzähltempo und einen strafferen Spannungsbogen.

Daniel Abraham lebt mit Frau und Tochter in New Mexico. Bevor er seinen ersten Roman „Sommer der Zwietracht“ verfasste, hat er eine Vielzahl von Kurzgeschichten in Magazinen und Anthologien veröffentlicht, sowie den Kurzroman „Shadow Twin“ in Zusammenarbeit mit Gardner Dozois und George R. R. Martin. Seine Kurzgeschichte „Flat Diane“ wurde für den Nebula Award nominiert. Die Fortsetzung des Zyklus Die magischen Städte, „Winter des Verrats“, soll im März nächsten Jahres erscheinen.

Paperback 444 Seiten
Originaltitel: A Shadow in Summer (The Long Price Quartett 1)
Übersetzung: Andreas Heckmann
ISBN-13: 978-3-442-24446-1

http://www.danielabraham.com/
www.randomhouse.de/blanvalet

Der Autor vergibt: (4.0/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (4 Stimmen, Durchschnitt: 1,00 von 5)

Susan Gates – Dusk. Jagd in der Dämmerung

Curtis ist ein ziemlicher Versager. Er ist Alkoholiker, lebt von seiner Familie getrennt und droht demnächst wegen schlampiger Arbeitsweise seinen x-ten Job zu verlieren. Da sowieso schon alles egal zu sein scheint, verschafft der nachlässige Laborassistent sich aus purem Trotz Zugang zu einem Raum, der ihm eigentlich streng verboten ist. Aber ehe ihn jemand dort erwischen kann, führt seine eigene Unachtsamkeit zu einem Großbrand …

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