Alle Beiträge von Björn Backes

Schmidt, Peter – Endzeit (Magic Edition, Band 3)

Im dritten Teil der „Magic Edition“ vom BLITZ-Verlag darf sich nun erstmals ein deutscher Autor im Bereich des Übersinnlichen versuchen. Peter Schmidt, so sein Name, hat bereits dreimal den Deutschen Krimipreis einheimsen können und ist für sein Gesamtwerk 1994 mit dem Literaturpreis Ruhrgebiet geehrt worden. Im Laufe seiner Karriere als Schriftsteller haben sich seine Prioritäten jedoch immer mehr verschoben. Schmidt hat seine Vorliebe für Science-Fiction-Themen immer mehr in den Vordergrund gestellt und sich diesem Gebiet auch seit seinem recht erfolgreichen Genre-Debüt „Vorwärts“ ausnahmslos gewidmet. „Endzeit“ ist bereits seine fünfte Science-Fiction-Erzählung, mit Sicherheit aber nicht seine beste …

_Story_

Inmitten einer Großstadt macht der Wissenschaftler Alexander Born eine grausame Entdeckung: Ein überdimensionales, fliegendes Etwas treibt in der Dunkelheit sein Unwesen und stürzt sich urplötzlich auf eine hilflose Passantin, die schließlich vom als Flugsaurier entlarvten Tier verspeist wird. Born meldet den Vorfall umgehend den Behörden, wird aber dort nicht für voll genommen. Der bekannte und gerade für den Nobelpreis nominierte Wissenschaftler wird stattdessen für verrückt erklärt und abgewiesen. Weil er jedoch nicht an eine bloße Illusion glaubt, sucht er am nächsten Abend die nahe liegende Umgebung ab und stößt auch tatsächlich wieder auf das vorzeitliche Wesen. Born muss allerdings erkennen, dass er dem Urvieh alleine nicht gewachsen ist und begibt sich dabei in große Gefahr. In letzter Minute kann er dem Saurier noch entkommen.

Bei der Suche nach Unterstützung entscheidet sich Born schließlich dafür, die Presse einzubeziehen, die aus der Geschichte ja auch eine sensationelle Story drehen könnte. In Gestalt der gebildeten Reporterin Linda Meyer trifft er schließlich auf eine Person, die ihm glaubt, und gemeinsam gelingt es dem neu verbündeten Team tatsächlich, das Wesen einzufangen. Bei der Ursachenforschung stößt Born dann auf einige dunkle Kanäle; er vermutet, dass sein direkter Konkurrent und ehemaliger Kollege Dr. Haderer infolge einer zielgerichteten Gen-Manipulation für das Auftauchen des Wesens verantwortlich ist. Doch bevor er sich hiermit ausführlicher befassen kann, taucht plötzlich ein weiterer Flugsaurier auf – und dieses Mal ist das Wesen nicht alleine …

_Meine Meinung_

„Jurassic Park“ – klarer Fall, dass einem dieser Gedanke bei der Betrachtung dieser Inhaltsangabe als Erstes kommt. Und in der Tat weist Schmidts aktueller Roman deutliche Parallelen zu Michael Crichtons Bestseller auf. Jedoch besteht zwischen der mehrfach verfilmten Edel-Story und dem hier zur Kritik vorliegenden Roman ein gehöriger Klassenunterschied, denn Peter Schmidt schafft es nicht mal annähernd, eine ähnlich intensive Atmosphäre zu entfachen wie das als Inspiration dienende Original. Im Gegenteil; trotz des zweifellos rasanten Tempos basiert das Buch auf viel zu vielen Ungereimtheiten. Natürlich stellt die Bedrohung durch die Urzeit-Geschöpfe eine Gefahr für die gesamte Bevölkerung dar, doch wieso setzt sich diese überhaupt der Gefahr aus? Immerhin treiben die Flugsauriern nur in einem lokal einzugrenzenden Gebiet ihr Unwesen, es wäre also ein Leichtes, aus dieser Stadt zu fliehen und sich somit in Sicherheit zu bringen. Während die Protagonisten bei „Jurassic Park“ auf der Insel quasi gefangen und somit auch jederzeit angreifbar waren, bestehen für die Menschen in diesem Buch genügend Schlupflöcher, um der drohenden Gefahr zu entgehen – und sei es, dass man einfach in der heimischen Wohnung bleibt. In dieser Hinsicht sind die Hintergründe von „Endzeit“ recht unbefriedigend eingefangen und die vermeintlichen Lösungsstrategien recht unlogisch dargestellt worden.

Nicht abzustreiten ist indes, dass Schmidt ein Verständis dafür hat, wie man die aus einer immensen Gefahr abzuleitende Action inszeniert. Gerade bei der Darstellung des apokalyptischen Endzeit-Szenarios bzw. beim finalen Gefecht zwischen den angerückten Militär-Einheiten hat sich der Autor echte Mühe gegeben und auch sehr gute Resultate erzielt.

Dem entgegen bleiben die Hauptcharaktere in diesem Buch blass. Der erfahrene Wissenschaftler Born zum Beispiel taugt als Actionheld nur bedingt; seine Tochter hingegen, die ebenfalls eine tragende Rolle in diesem Roman einnimmt, würde sich hierzu schon besser eignen, kommt aber irgendwie nicht richtig zum Zuge. Bleiben ein Polizist, der irgendwie nie Herr der Lage ist, und die sicherlich motivierte Reporterin, die aufgrund ihrer Stellung aber ebenfalls nicht zur Heldin avancieren kann. Und unter dieser Voraussetzung leidet das Buch letztendlich auch; man findet keine Identifikationsfiguren, ganz anders noch als bei „Jurassic Park“, wo sich quasi jede Altersklasse ihren Helden aussuchen konnte. Bei „Endzeit“ gibt es sowas indes nicht.

Dass die Story zudem wenige eigene Elemente beinhaltet, nimmt dem schwächelnden Inhalt schließlich auch den letzten Halt. Peter Schmidt versucht zwar direkt zu Beginn, durch einen selber gestellten Vergleich mit dem großen, preisgekrönten Vorbild den Verdacht ein wenig abzuweisen, doch alles in allem ist „Endzeit“ dann doch eine leicht abgewandelte und bei weitem nicht derart fesselnde Kopie von „Jurassic Park“. Und dies schließt auch die erwarteten, bis auf die Genmanipulation aber im Grunde genommen gar nicht vorhandenen Science-Fiction-Elemente ein.

„Endzeit“ ist moderne Horror-Fantasy auf höchstens durchschnittlichem Niveau und muss nicht einmal von begeisterten Anhängern der „Magic Edition“ aus dem BLITZ-Verlag angetestet werden; in diesem Genre gibt es nämlich eine stattliche Anzahl weitaus empfehlenswerterer Romane.

http://www.blitz-verlag.de/

Denning, Troy – Hexenmeister, Der (Die Rückkehr der Erzmagier 3)

Band 1: [„Der Ruf“ 1945
Band 2: [„Die Belagerung“ 1979

In meinen vorherigen Rezensionen zu dieser Reihe hatte ich mich bereits ausführlich über den zwiespältigen Eindruck, den diese Trilogie bis dato hinterlassen hatte, geäußert. Und daran soll sich auch mit dem letzten Teil von „Die Rückkehr der Erzmagier“ nichts mehr ändern; Troy Dennings Geschichte um den Schattenmagier Melegaunt und den Elfen Galaeron hat auch im finalen dritten Teil weiterhin viele temporeiche Passagen, gleichermaßen aber auch wieder einige Hänger, die der Spannung zwischenzeitlich den Nährboden entziehen.

_Story_

Die Lage um die Stadt Immereska ist immer noch sehr brisant; weiterhin ist man der Bedrohung durch die dämonischen Phaerimm ausgesetzt, und auch die Bewohner der schwebenden Stadt Umbra rechnen sich noch Chancen auf den Sieg in dieser Dreifrontenschlacht aus. Der Schutzwall um die Stadt wird immer schwächer, und durch eine furchtbare Naturkatstrophe werden die umliegenden Ländereien samt ihrer Truppen dem Erdboden gleich gemacht. Doch auch die Umbravar sind infolge der heftige Gefchte in ihrer Zahl stark dezimiert worden und verfügen kaum noch über Reservetruppen.

Für die Elfen spitzt sich die Lage zu; die Rettung durch weitere Soldaten wartet außerhalb des magischen Ringes von Immereska, doch sollte man auf diese Unterstützung zurückgreifen, stärkt man gleichzeitig auch wieder die Macht der Phaerimm, die dann wieder ihre Sprüche wirken könnten. Um sich der Feinde dennoch zu entledigen, entwickeln die Elfen gemeinsam mit den verbündeten Vaasi einen Hinterhalt, mit Hilfe dessen sie die Phaerimm in geringen Mengen besiegen können. Ihre Anführerin Keya ist gleichzeitig Galaerons Schwester, und ihre Waffe ist das gefürchtete Schattenschwert, das sich als das nützlichste Mittel im Kampfe gegen die Feinde herausstellen soll.

Während Keya mit ihrer Truppe der kalten Hand die Phaerimm bekämpft, begibt sich Galeron in die schwebende Stadt, in der immer noch die Menschenfrau Vala gefangen gehalten wird. Auch der mysteriöse Malik, der aufgrund eines Eides dazu verdammt ist, stets die Wahrheit zu sprechen, hält sich hier als Berater des Anführeres der Umbravar auf. Auf Galeron ruhen jetzt die letzten Hoffnungen, denn er alleine ist es, der die Schlacht an den drei Fronten zugunsten der Allianz der freien Völker wenden und entscheiden und gemeinsam mit seinen mächtigen Verbündeten die Bedrohung von Faerun abwenden kann. Allerdings bleibt ihm nicht mehr viel Zeit, die Umbaravar zu besiegen, denn auch an anderer Stelle gelangt der Krieg in seine entscheidende Phase …

_Meine Meinung_

Ich habe gerade beim Verfassen der groben Inhaltsangabe bemerkt, wie hektisch diese geraten scheint, aber genau diese Hektik wird vom letzten Teil dieser Trilogie auch vermittelt. Das Buch ist im Vergleich zu seinen beiden Vorgängern zwar weitaus temporeicher, doch ist dies bei der Masse an unterschiedlichen Szenarien auch dringend erforderlich gewesen. Der Haken an der Sache ist jedoch die angesprochene Hektik, die sich durch die Fülle an entscheidenden Handlungsschwerpunkten ergibt. Wenn ich mich nun an den ersten Teil „Der Ruf“ zurückerinnere, wirkt das alles ziemlich paradox.

In diesem Band hatte Denning noch übermäßig lange damit zugebracht, die Handlung auf Trab zu bringen, weil ihm die ewig währende Einleitung wichtiger erschien. Und genau dieser dort verschenkte Raum fehlt ihm nun im letzten Teil. Der Autor ist gezwungen, die Dreifrontenschlacht, Galaerons heimliche Liebesgeschichte und dazu die Einführung von neuen Charakteren unter einen Hut zu bekommen, was ja eigentlich noch problemlos vonstatten gehen könnte. Doch gleichzeitig hat er auch noch die schwere Aufgabe zu erfüllen, sich neue Wendungen für den Krieg zwischen Umbravar, freien Völkern und Phaerimm auszudenken, damit diese Schlacht auch weiterhin spannend bleibt und sich die diesbezüglichen Handlungen nicht wiederholen.

Beim Zusammenfügen dieser elemantaren Einheiten gerät Troy Denning jedoch ins Wanken, und dadurch, dass er trotzdem immer noch versucht, der Geschichte neue Nuancen zu verleihen, ohne dass es ihm gelungen ist, andere Stränge auch mal abzuschließen, entwickelt sich irgendwann ein Wust an Details und ausstehenden Konflikten, den er anschließend in der verbliebenen Zeit gar nicht mehr zufrieden stellend auflösen kann.

Auf der anderen Seite muss man dem Autor aber auch einige Stärken attestieren. So gefallen vor allem die Beschreibungen der Kämpfe in diesem Buch – vielleicht auch, weil Denning hier aus Zeitgründen viel schneller auf den Punkt kommt und so die Geradlinigkeit des Krieges viel besser einfängt. Auch die größer angelegte Szene, in der es zur Versammlung des Rates der Allianzen kommt, ist sehr gut dargestellt und erfüllt wegen der spannungsgeladenen Stimmung auch tatsächlich die Rolle einer Schlüsselszene.

Leider aber mangelt es dem Buch an solchen Highlights, so dass manch anderer Knackpunkt eher unsinpiriert wirkt. Störend hierbei erweist sich schließlich noch, dass der Autor am Ende irgendwie noch versucht, seine Erzählung mit wichtigen Fantasy-Elementen zu füllen. Die Einbeziehung von Drachen hätte man sich beispielsweise sparen können, zumal ihr Auftritt auch irgendwie nicht zum gesamten Plot passen will.

Es gibt wirklich eine Reihe von vermeidbaren Unstimmigkeiten, die so eigentlich gar nicht nötig gewesen wären, hätte sich Denning in den entscheidenden Momenten (sprich vorrangig im ersten Band) nicht an Belanglosigkeiten aufgehalten und die Story von Anfang an in angemessenem Tempo vorangebracht. Doch seine einstige Unentschlossenheit wird spätestens hier zu einem selber herbeigeführten Dilemma, aus dem er sich auch nicht mehr befreien kann. Vielleicht wäre ein vierter Teil eine Lösung gewesen, um die Geschichte auch adäquat und eben nicht derart hektisch zu Ende zu bringen, doch dies ist letztendlich eh nur Spekulation. Es ist eben nur schade um das zweifellos vorhandene Potenzial der Geschichte, die in anderem Rahmen sicherlich weitaus heller glänzen würde. Abraten möchte ich interessierten Lesern von diesem Buch daher nicht, aber man sollte sich schon bewusst machen, dass es im Fantasy-Bereich genügend Alternativen gibt, bei denen nicht alles sinnlos verkompliziert wird. Mein Fazit daher: Gute Story, durchwachsene Umsetzung.

http://www.feder-und-schwert.com/

Jan van Aken – Das Geständnis des Mönchs

Der Autor

Jan van Aken schrieb für verschiedene Zeitschriften und arbeitete für ein Amsterdamer Kulturzentrum. Sein erster Roman „Het oog van de Basilisk“ fand 2000 in seiner niederländischen Heimat begeisterte Leser und Kritiken. Das Manuskript zu „Das Geständnis des Mönchs“ darf man getrost als sein Lebenswerk bezeichnen; zehn Jahre verbrachte van Aken mit der Fertigstellung der Geschichte um den umherreisenden Mönch Hroswith.

Story

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Oprisko, Kris / Wood, Ashley – Metal Gear Solid (Band 1)

Mit fast 15 Millionen verkauften Einheiten gehört das Videospiel „Metal Gear Solid“ zu den erfolgreichsten Games aller Zeiten, und dies unter anderem auch, weil der Hersteller |Konami| eine recht interessante Story um das Spiel gestrickt hat. Meines Wissens war sogar mal geplant, um diese Geschichte herum einen Kinofilm zu drehen, jedoch scheint sich diese Idee wieder irgendwo verlaufen zu haben. Dafür kommt aber dieser Tage eine schon länger angekündigte, von |Konami| lizensierte Comic-Serie zu „Metal Gear Solid“ auf den Markt, die sich den Helden des Spiels widmet. Der legendäre „Spawn“-Zeichner Ashley Wood hat sich mit mit dem nicht minder bekannten Kris Oprisko, der unter anderem schon für die Comics zu „Resident Evil“, „Underworld“ und die zeichnerische Erzählung einiger Clive-Barker-Novellen verantwortlich zeichnete, zusammengetan und hier eine recht düster illustrierte Geschichte zusammengestrickt, die nicht nur für Fans des gleichnamigen Spiels interessant sein sollte.

_Story_

Im Jahr 2010 nimmt eine Gruppe von Terroristen eine Militäreinrichtung mitten auf einer Insel in Alaska ein. Ihre Forderung: die sterblichen Überreste ihres Anführers Big Boss. Die gesamte Terrorbande setzt sich aus abtrünnigen Agenten der Spezieleinheit „Foxhound“ zusammen, zu der auch Solid Snake einst gehörte. Schnell wird klar, dass die Verbrecher sehr kompromisslos zu Werke gehen. Daher duldet ihr Ultimatum auch keinen Aufschub. Die Regierung will sich aber dennoch nicht auf die Forderungen einlassen, denn schließlich ist die Herausgabe des Gangsterbosses auf lange Sicht das größere Übel. Um dennoch ein Massaker zu vermeiden, wird Spezialagent Solid Snake beordert, die Militärbasis zu infiltrieren, die Geiseln zu befreien und einen Atomschlag zu verhindern …

_Meine Meinung_

Der erste Band dieser vierteiligen Story startet schon sehr vielversprechend, allerdings auch ziemlich brutal. Oprisko und Wood steigen ohne lange Umwege in die Action ein und vergeuden keine Zeit mit eventuellen Einleitungen. Der Überfall auf Shadow Island ist bereits vollzogen und der Auftrag, die Insel zu befreien, ist quasi auch der Startschuss zu einem spannenden Auftaktband, der von einer Actionszene zur nächsten springt. Bisweilen geht es sogar ein wenig zu schnell, denn ab dem Moment, in dem Solid Snake in die Militärbasis eindringt, verliert die Story aufgrund der mehrfachen Kampfhandlungen kurzzeitig den Faden, nimmt ihn aber glücklicherweise rechtzeitig vor dem vorläufigen Ende (sprich dem Abschluss dieses ersten Bands) wieder auf.

Ansonsten sind dieses hohe Tempo und vor allem die rasante Action äußerst begrüßenswert, weil sie so die Atmosphäre der Originalvorgabe sehr authentisch widerspiegeln. Außerdem ist durch diese Geradlinigkeit auch sofort dafür gesorgt, dass erst gar kein Anlass besteht, sich an belanglosen Nebensträngen zu versuchen, die ohnehin nichts mit dem eigentlichen Thema zu tun haben. Mit den vielen Comic-Reihen, die später nur noch der Quantität halber weitergeführt werden, scheint „Metal Gear Solid“ auch rein gar nichts gemeinsam zu haben.

Hinsichtlich der Illustrationen ist der Comic allerdings Geschmackssache. Ich habe mich erst später mit den recht düsteren Zeichnungen anfreunden können, muss aber trotzdem gestehen, dass viele Bilder für meinen Geschmack einfach zu verschwommen geraten sind. Scharfe Konturen und viele Details verkneift sich Ashley Wood in dieser Reihe; stattdessen gibt es viele simple Skizzen, grobe Schraffierungen und leider auch weniger Details. Man kann sich damit arrangieren, doch insgeheim wünscht man sich dann doch recht häufig die kantigen Illustrationen der „Spawn“-Reihe.

Die Aufmachung des Comics ist dann aber wieder erste Sahne: Neben der Geschichte gibt es nämlich zum Ende hin noch ausführliche Charakterprofile der beteiligten Figuren, dazu ein tolles Layout und ein sehr angenehmes Format. Mit 10 € ist der Preis letztendlich zwar etwas happig, doch sowohl bezüglich der Handlung als auch im Hinblick auf die äußere Erscheinung ist „Metal Gear Solid“ diesen vergleichsweise hohen Betrag auch wert.

Mittlerweile ist auch schon der zweite Teil mit der Fortsetzung erschienen. Mehr dazu erfahrt ihr mit Sicherheit bald hier bei uns!

http://www.ehapa-comic-collection.de/

Stewart, Paul & Riddell Chris – Helden von Muddelerde, Die

Eigentlich bin ich immer viel zu faul, um mir nach dem Genuss eines Filmes auch noch das dazugehörige Buch zu besorgen und durchzuarbeiten, schließlich kennt man die gesamte Handlung schon und die Spannung ist quasi komplett verpufft. Und so ähnlich verhält sich dies auch bei Hörbüchern und den entsprechenden Schriftversionen … Daher habe ich mich auch eine Weile dagegen gesträubt, mir die ‚Papier-Variante‘ von „Die Helden von Muddelerde“ zur Brust zu nehmen, schließlich habe ich vor einiger Zeit auch schon die [Audiofassung 1947 zur einmaligen Fantasy-Geschichte von Paul Stewart gehört und für euch rezensiert. Letztlich aber schnappte ich mir am vergangenen Wochenende das 450 Seiten starke Buch, zog mich auf die Couch zurück und verschlang die Geschichte um den zerstreuten Magier Randalf und den Anti-Helden Joe Jefferson an nur einem Nachmittag. Mein vorläufiges Resümee: Ich bin froh, die Buchfassung doch noch gelesen zu haben, denn der Autor hat hier wirklich eine außergewöhnliche Erzählung erschaffen, von der man sich nach dem reibungsfreien Einstieg gar nicht mehr losreißen kann! Und genug bekommen kann man von Paul Stewart, sobald man einmal Blut geleckt hat, sowieso nicht mehr, was in meinem Falle wohl auch am mehrfachen Konsum der bei uns vorgestellten „Klippenland-Chroniken“ liegt. Und deren Niveau erreicht „Die Helden von Muddelerde“ spielerisch …

_Story_

Muddelerde ist in Gefahr und braucht dringend einen Helden – ansonsten wird der grauenhafte Dr. Knuddel sehr bald die Herrschaft an sich reißen. Der ziemlich zerstreute Magier Randalf der Weise sieht sich deswegen in der Pflicht und zaubert einen Helden dabei. So findet sich der ganz normale Schuljunge Joe Jefferson urplötzlich in einer fremden Welt statt in seiner Schuklasse wieder – und seinen Hund Henri hat er auch direkt mitgebracht.

Das Team von der Erde hat jedoch nicht lange Zeit, sich großartig auf die neue Umgebung umzustellen, denn auch wenn Randalf von seinem seltsamen Helden nicht gerade begeistert ist, verlangt er von ihm, dass er als Heldenkrieger „Joe, der Barbar“ das große Zauberbuch beschafft und Dr. Knuddel und seine Besteckarmee von ihren schrecklichen Plänen abhält.

Gemeinsam mit dem Zauberer, dem trotteligen Oger Norbert, dem vorlauten Wellensittich Veronika und seinem Gefährten Henri macht sich Joe schließlich auf den Weg, um die für ihn völlig fremde Welt vor ihrem dunklen Schicksal zu retten …

_Meine Meinung_

Das Buch zu „Die Helden von Muddelerde“ ist ein wenig umfangreicher als das vierteilige Hörbuch und seinem genialen Pendant daher auch absolut ebenbürtig. Zwar vermisst man anfangs etwas die lockere Atmosphäre, die der stimmliche Gestaltenwandler Volker Niederfahrenhorst im gleichnamigen Hörspiel kreiert, doch dies gibt sich eigentlich auch schon wieder ab dem Moment, in dem Joe Jefferson sich plötzlich in der seltsamen Welt Muddelerde wiederfindet.

Einen sehr guter Ersatz für die Erzählstimme bieten allerdings die zahlreichen Skizzen, die Paul Stewarts Compagnon Chris Riddell zu diesem Buch beigetragen hat. Riddel zeichnet die verschiedenen Charaktere in allen möglichen Situationen und zeigt dabei ein besonderes Gespür für simplen, aber effektiven Humor. Die Hauptfigur Joe in improvisierter Ritterrüstung oder Randalf als Sinnbild der totalen Verwirrung sorgen für weitere Lacher einer ohnehin schon ziemlich witzigen Handlung und werten das Buch enorm auf. Gerade das jüngere Publikum, das Stewart mit diesem Buch sehr deutlich anspricht, sollte an den feinen Bildern seine Freude haben, zumal sie ihnen helfen, eine Vorstellung vom äußeren Erscheinungsbild der Figuren zu gewinnen. Nicht jeder kann sich ausmalen, wie der tollpatschige Oger Norbert tatsächlich aussieht, und auch die Beschreibungen vom finsteren Dr. Knuddel sind nicht so eindeutig, als dass man sie direkt verinnerlichen könnte. Alleine deswegen lohnt sich ein genauer Blick auf die Skizzen, die sehr oft in die Seiten der Geschichte eingefügt wurden und somit auch jeweils der Situation entsprechend wiederkehren. Damit soll natürlich nicht suggeriert werden, dass der Autor bei der Charakterisierung seiner Akteure irgendwelche Defizite zeigte, denn dies ist ganz bestimmt nicht der Fall!

Ich fühle mich jetzt immer wieder dazu geneigt, das Buch mit dem Hörspiel zu vergleichen, doch es gibt hier einfach keine wirklichen Unterschiede abseits des Handlungsumfangs. Die Stärken der Audio-Version kann das Buch durch die zeichnerische Veranschaulichung der Hauptpersonen wieder ausgleichen. Und wo das Buch durch seinen größeren Umfang etwas mehr ins Detail gehen kann, kaschiert das Hörbuch dies wieder durch seine ganz besondere Atmosphäre. Lohnenswert sind auf jeden Fall beide Fassungen, und wie ich jetzt selber festgestellt habe, empfiehlt es sich durchaus auch, sich mit beiden Varianten auseinander zu setzen.

„Die Helden von Muddelerde“ ist in erster Linie natürlich ein Jugendbuch, und die Zielgruppe von Stewart und Riddell dürfte auch größtenteils noch die Schulbank drücken. Dafür spricht auch das recht große Schriftbild, bei dem es durchaus möglich ist, in einer Stunde ganze hundert Seiten zu verschlingen. Trotzdem aber sollten sich auch die älteren Jahrgänge mit den lustigen Wesen aus Muddelerde vertraut machen und sich an dem netten Wortwitz und den humorvoll gestalteten Zeichnungen erfreuen. Man sollte allerdings in diesem Buch keinen satirischen Seitenhieb auf „Der Herr der Ringe“ erwarten, denn damit hat „Die Helden von Mudddelerde“ nur bedingt etwas zu tun. Von der Klasse her gemahnt es aber fast schon an diese legendäre Trilogie und löst so natürlich auch die Hoffnung aus, irgendwann einmal fortgesetzt zu werden. Doch so weit sind wir noch nicht; erst einmal gilt es, Joe, seinen Hund, Randalf, Norbert und Veronika auf ihrer Reise durch die Fabelwelt und im Kampf gegen Dr. Knuddel zu erleben, und dabei wünsche ich allen Interessierten viel Spaß – auch denjenigen, die das Hörbuch schon lieben gelernt haben!

Hennen, Bernhard – Elfen, Die

Nach etlichen Sagen, zahlreichen Trilogien und etlichen Single-Romanen hat sich Stan Nichols vor nicht allzu langer Zeit ein Herz gefasst und in seinem Buch „Die Orks“ eines der bekanntesten Fantasy-Völker im Rahmen einer spannenden Geschichte näher unter die Lupe genommen. Der Erfolg seines Romans inspirierte schließlich auch andere Schriftsteller zu einer ähnlichen Vorgehensweise; so zum Beispiel auch Markus Heitz, der sich seit 2003 in seinen Zwergen-Romanen eines weiteren viel zitierten Volkes annahm. In seine Fußstapfen ist Ende 2004 mit Bernhard Hennen ein weiterer deutscher Autor getreten, der die Erfolgsspur seiner Vorgänger aufnahm und die Gemeinschaft der Elfen näher beleuchtete. Der erste Band seiner Reihe hört demzufolge auch schlicht und einfach auf den Namen „Die Elfen“ und erzählt die Geschichte eines Menschen, der sich plötzlich in der Welt der Elfen wiederfindet und mit ihnen im Bunde gegen die Auswüchse einer dämonischen Kreatur kämpft.

_Story_

Inmitten eines eiskalten Winters zieht Mandred Torgridson aus dem Land am Fjord aus, um eine grausame Bestie zu jagen. Das Wesen, halb Mensch, halb Eber, treibt schon seit geraumer Zeit sein Unwesen in der Nähe eines kleinen Dorfes, so dass die Bevölkerung sich gezwungen sieht, etwas zu unternehmen. Doch das Untier kann die Jäger überraschen und bringt bis auf Mandrded alle Feinde auf. Schwer verwundet kann er zu einem Steinkreis fliehen, doch die Kälte und sein angeschlagenes Wohlbefinden werfen ihn schließlich in die Bewusstlosigkeit und, so glaubt Mandred, in den sicheren Tod.

Doch der Nordmann wird eines Besseren belehrt, als er unerwartet in einer völlig fremden Umgebung wieder erwacht. Mandred ist im Land der Elfen gelandet und trägt ihrer Königin seine Geschichte vor. Doch dort wird er von dem arg reservierten Volk erst einmal abgewiesen. Erst nach und nach kann er seine neuen Freunde davon überzeugen, die grausame Bestie aufzusuchen und zu erledigen. Schließlich werden ihm der heroische Farodin und der verträumte Nuramon zur Seite gestellt, mit deren Hilfe die Elfenjagd beginnen soll. Die beiden Elfen befinden sich allerdings selber noch in einem Konflikt: Beide sind sie in die wunderschöne Noroelle verliebt, doch die Elfendame will das Schicksal entscheiden lassen, welcher ihrer Verehrer am Ende ihre Liebe erfahren wird.

Doch Farodin und Nuramon beschäftigen schon sehr bald andere Gedanken; das Biest hat sie in eine Falle gelockt, in der sie zusammen mit ihrem menschlichen Freund jahrelang gefangen gehalten werden. Beim entscheidenden Kampf hat sich der übermächtige Gegner schließlich auch als Dämon einer längst vergessenen Zeit entpuppt, dessen besondere Eigenschaft es ist, sich in andere, real existierende Personen zu verwandeln. So nimmt der Dämon die Gestalt des Nuramon an und genießt als dieser die Gunst von Noroelle, die nichts von der erneuten List der Bestie ahnt.

Die Elfenkönigin indes akzeptiert das aus dieser Liaison entstammende Baby nicht und will es töten lassen, was Noroelle ihr jedoch verweigert. Zum eigenen Schutz wird es in der Welt der Menschen versteckt und wächst dort zu einer der bedeutendsten Personen überhaupt heran. Noroelle hingegen wird wegen ihres Protestes gegen die herrschaftlichen Anweisungen in eine gänzlich andere Welt verbannt, aus der es kein Zurück mehr gibt.

Farodin, Nuramon und Mandred jedoch haben den Glauben daran, Noroelle noch zu retten, nicht aufgegeben. Erneut machen sie sich als Gefährten auf, um die liebreizende Dame aus ihrem Exil zu befreien.

Derweil rüsten die Menschen zum Krieg gegen die Elfen. Der Tod ihres Helden, Noroelles Sohn, hat sie angestachelt, und verbündet mit den Trollen, die den Elfen stets unterlegen waren, rufen sie den heiligen Krieg aus …

_Meine Meinung_

Zwischen reichlich ‚regulärer‘ Arbeit hat es in den vorangegangenen vier Tagen bei mir keine andere Beschäftigung gegeben als das Durchwälzen dieses mit 900 Seiten enorm umfangreichen Fantasy-Romans. Viel hatte ich schon von Bernhard Hennen gehört, eigentlich nur überaus Positives, und trotzdem hat mich dieses spannende, gleichzeitig aber auch sehr bewegende Buch überrascht. Dass „Die Elfen“ nämlich derart fesseln würde, hatte ich mir nicht ausgemalt, und vor allem nicht, dass ich die Geschichte in so kurzer Zeit verschlingen würde.

Der Autor setzt im Verbund mit seinem Kollegen James Sullivan in diesem Roman vielfach Glanzpunkte, indem er die immer wieder bemühten Klischees im Hinblick auf die Charaktereigenschaften – starrsinnige Menschen, stolze und edle Elfen, hinterlistige Trolle – durch weitere Facetten wie Trauer, Melancholie und authentische Hoffnungslosigkeit erweitert und diese sehr umfassend beschreibt. Es mag sicher nicht jedermanns Sache sein, Personen über eine Unzahl von Seiten auch nur entfernt kennen zu lernen, geschweige denn die Darstellungen der verschiedenen Handlungsschauplätze über einen ziemlich großen Raum verteilt in sich aufzusaugen, doch genau hierin liegt eine der besonderen Stärken des Autorenteams. Es lässt sich die nötige Zeit, hat aber auch die erforderliche Ruhe weg, was zur Folge hat, dass es trotz hinlänglicher Charakter- und Landschaftsmalereien beständig sehr nahe an der eigentlichen Handlung bleibt. Trotz des offenkundigen Detailreichtums, und vor allem trotz des Umfangs von 900 Seiten ist das Erzähltempo von vornherein recht hoch. Lediglich der Zugang zum Sprachgebrauch ist zu Beginn noch schwierig, weil Hennen gerne mal ellenlange Satzmonster kreiert. Aber dies ist eine Eigenheit, die uns durch die gesamte Geschichte begleitet und nach einmaliger Einarbeitungszeit auch nicht mehr auffällt – weder positiv noch negativ.

Die Erzählung selber ist ein gewaltiges Epos mit unheimlich vielen Stimmungswechseln, was dem Roman bisweilen auch einen sehr düsteren Beigeschmack verleiht, dessen er sich nach einer Weile auch nicht mehr entledigen kann. Der heiteren Aufbruchstimmung der drei Hauptfiguren folgen zahlreiche tragische Ereignisse, weitere niederschlagende Begebenheiten und letztendlich auch ein tränenreiches Ende, bei dem der Leser gern versuchen darf, seine Gefühle gut im Zaum zu halten. Das Einzige, was man den beiden Autoren vorwerfen kann, ist der manchmal fehlende Überraschungseffekt. Es gibt viele Punkte, an denen die Story eine deutliche Wende nimmt, und oft ist es dann so, dass man schon im Vorfeld eine Ahnung davon hat, in welche Richtung das Ganze fortgesetzt wird. Andererseits entspricht diese Richtung dann eigentlich auch immer dem Wunsch des Lesers, soll heißen, es geschehen im Laufe des Buches mehrfach Dinge, die man sich insgeheim auch erhofft hat.

Insgesamt handelt es sich bei den wenigen Kritikpunkten, die man der Handlung anlasten darf, aber ausschließlich um minimale Schönheitsfehler, die schon fast wie Erbsenzählerei anmuten. Hennen und Sullivan haben uns nämlich schon sehr zügig in die Welt der Elfen entführt und ein völlig neues Fantasy-Universum eröffnet, in dem man irgendwann selber keine Kritik von außen mehr vertragen möchte. Alles wirkt so stimmig und erhaben, dass man sich von Anfang an für die Zeitdauer der Lektüre von der Realität abwenden kann und die Umgebung um sich herum komplett vergisst. Für meinen Geschmack ist dies genau der Effekt, den ein guter Fantasy-Roman erreichen sollte, und somit auch das erstrangige Qualitätsmerkmal einer solchen Geschichte. Nun ist „Die Elfen“ aber nicht nur gut, sondern schlichtweg genial und den erfolgsverwöhnten Romanen von Markus Heitz definitiv ebenbürtig. „Die Elfen“ ist jedoch nur der Anfang, denn neben mir liegt schon der nächste Roman um das edle Geblüt, und bevor ich mich jetzt bezüglich dieser faszinierenden Geschichte noch wiederhole, atme ich noch einmal tief durch und stürze mich sofort in das nächste Abenteuer aus dem Land der Elfen mit dem Titel [„Elfenwinter“. 2185 Und während ich Luft hole, suche ich dann auch noch mal nach weiteren Superlativen, die diesem monumentalen Epos gerecht werden …

Simmons, Dan – Lovedeath

Dan Simmons hat sich in der Vergangenheit in den verschiedensten Genres einen Namen machen können. So begeisterte der in Peoria/Illinois geboren Schriftsteller sein Publikum unter anderem mit Science-Fiction- und Horror-Romanen. Zwei der elementarsten Themen seiner Bücher waren dabei stets die Liebe und der Tod. Vor mehr als zehn Jahren, genauer gesagt 1993, hat Simmons daher auch einige Novellen verfasst, die sich ausschließlich mit diesen Schwerpunkten befassen, doch die Veröffentlichung dieser Texte zog schließlich einige Schwierigkeiten nach sich. Während der Autor diese fünf Kurzgeschichten in Amerika noch im selben Jahr auf den Markt bringen konnte, fand sich in Europa kein Verlag für die düsteren Erzählungen des Erfolgsautors. Erst zwölf Jahre später hat sich mit dem |Festa|-Verlag ein würdiger Vertrieb für den Sammelband namens „Lovedeath“ gefunden, der die fünf Episoden, begleitet von einem etwas weiter ausgedehnten Vorwort, nun auch dem deutschen Publikum zugänglich macht. Bis auf das preisgekrönte „Sterben in Bangkok“ sind die Geschichten hierzulande noch nie publiziert worden, und warum dies fast schon schändlich zu nennen ist, möchte ich in den nächsten Zeilen erklären. Doch erst einmal mehr zum eigentlichen Inhalt:

_Die Novellen_

|“Das Bett der Entropie um Mitternacht“|

Ein Versicherungsvertreter fährt mit seiner sechsjährigen Tochter Caroline ins winterliche Colorado. Doch ihr Weg in das Städtchen Boulder wird von düsteren Nebengedanken seitens des Protagonisten überschattet. Immer wieder schießen ihm Gedanken durch den Kopf, die mit seiner beruflichen Vergangenheit in Verbindung stehen. Er hat ein so genanntes |Orange File| angelegt, in dem sämtliche Unfälle, mit denen er sich bislang beschäftigen musste, aufgelistet sind. Doch nicht nur im Job ist der Mann mit Unfällen beschäftigt: Auch sein Sohn kam damals bei einem solchen ums Leben, und nun befürchtet er, dass auch seiner geliebten Tochter etwas passieren könnte. Denn eines ist ihm klar: Liebe und Tod standen in seinem Leben immer im direkten Zusammenhang zueinander …

|“Tod in Bangkok“|

Der amerikanische Arzt Merrill kehrt nach langer Zeit zurück auf die Rotlichtmeile von Bangkok. Während des Vietnamkrieges war er schon mal dort gewesen, um sich hier von den harten Strapazen der grausamen Schlacht zu erholen, jedoch musste seine Freundin Tres den Urlaub damals mit dem Leben bezahlen.

Etliche Jahre später kehrt die Erinnerung an den früheren Aufenthalt wieder zurück in Merrills Gedächtnis, und der Wunsch, die mehr als zwei Dekaden zurückliegende Schreckenstat zu rächen, keimt in dem Mediziner erneut auf. Also begibt er sich mitten im anrüchigsten Viertel von Bangkok auf die Suche nach einer mysteriösen Dame, die einen entscheidenden Einfluss auf die damaligen Ereignisse hatte.

|“Sex mit Zahnfrauen“|

Ein Medizinmann und ein Schriftsteller tauschen sich über die Vorfahren der Lakota-Indianer aus und kommen auf die Sage eines tollpatschigen Indianers zu sprechen, der einst vorgab, zum Medizinmann berufen zu sein, um so bei der Damenwelt zu landen. Daraufhin wird er einer Prüfung unterzogen, deren Ritual dem Mann namens Lahmer Dachs eine Offenbarung beschert, infolge derer er sich plötzlich sogar mit drei ziemlich eigenwilligen Damen auseinander setzen muss … die Frau, deretwegen er überhaupt erst in diese Lage gekommen ist, scheint indes in unerreichbarer Ferne zu sein.

|“Rückblende“|

In gar nicht ferner Zukunft hat sich die Weltordnung komplett verändert. Die USA sind als einstige führende Kraft vollkommen entmachtet und ihre Bürger leben seitdem im totalen Chaos. Während in den Städten die Kriminalitätsrate stetig steigt und fast überall eine bedrohliche Dunstwolke den nächsten Smogalarm ankündigt, sieht das Volk sein einziges verbliebenes Heil in einer Droge namens ‚Flashback‘. Mittels dieses Mittels ist es den Menschen möglich, die schönsten Erinnerungen der Vergangenheit neu aufleben zu lassen, doch kaum hat man seinen Rausch verlebt, verfällt man in tiefe Depression.

Auch Carols Familie hat mit den Auswirkungen der Modedroge zu kämpfen. Sie selbst verfällt stets in Nostalgie, wenn sie die gemeinsamen Momente mit ihrem Ex-Mann von neuem erlebt, ihr Vater ist mit den Folgen des Attentats auf Kennedy beschäftigt, und ihr jugendlicher Sohn leidet unter den Missständen der Entwicklung und führt ein Leben unter den Gangs der Stadt. Der durch die Erinnerung hervorgerufene Kick wird immer wieder von einer tiefen Melancholie begleitet, und so ist auch die Familie von Carol dem totalen Zerfall preisgegeben, aus dem es anscheinend keinen Ausweg mehr gibt.

|“Der große Liebhaber“|

Der englische Dichter James Edward Rooke erzählt in seinem Tagebuch von seinen grausamen Erlebnissen aus dem Ersten Weltkrieg und dabei in erster Linie von Geschehnissen, die sich im direkten Umfeld des Kriegsschauplatzes an der Somme abgespielt haben. Vor Ort hat er mit eigenen Augen beobachtet, wie die erste echte Kriegsmaschinerie Millionen Menschen das Leben kostete. Rookes Verwunderung darüber, dass er selber noch immer am Leben ist, ist beinahe genauso groß wie der Ekel vor den grauenvollen Begebenheiten, die der Krieg einem jeden Augenzeugen beschert, und genau diesem verleiht der Dichter in seinen Tagebucheinträgen von der Front auch lautstark Ausdruck.

_Meine Meinung_

Die ersten Seiten dieses Buches fand ich persönlich ziemlich anstrengend. Da wäre zunächst einmal das Vorwort, in dem sich der Autor ziemlich breit über verschiedene Motivationen bezüglich der fünf Novellen auslässt und darüber hinaus auch noch einige recht mysteriöse Gedankenanstöße gibt. Zwar ist dies alles ziemlich interessant, nach einer Weile aber auch wirklich langatmig und darf daher auch getrost überschlagen werden, zumal es auch nicht zwingend zum Verständnis der enthaltenen Kurzgeschichten beiträgt.

Einen echten Einstieg muss somit die erste Erzählung „Das Bett der Entropie um Mitternacht“ liefern, doch auch hier macht Simmons es seinem Publikum nicht gerade leicht. Die wirren Gedankenstränge des erzählenden Protagonisten und die ständigen Einschübe, in denen er von den Erfahrungen seines Berufes redet, wirken anfangs enorm irritierend und laden auch nicht gerade zum Weiterlesen an. Erst als der wahre Hintergrund dieser Rückblicke ersichtlich wird, gewinnt die Geschichte an Tempo und zeigt den tatsächlichen Charakter dieses vollkommen verstörten Mannes. Beeindruckend ist hierbei, wie emotionslos Simmons seine Hauptfigur gestaltet. Jegliche emotionale Regung geht zwischen den ständigen Unfallberichten verloren, und doch geht es in dieser Geschichte auch vorrangig um das Thema Liebe. Ein toller Einstieg in dieses Buch, auch wenn die Anlaufzeit ein wenig länger war.

Die zweite Geschichte ist ein echter Klassiker und wurde auch schon mit mehreren Preisen ausgezeichnet. Die Geschichte um den rachedürstigen Vietnam-Veteranen, der ganze 22 Jahre gewartet hat, um sein Gewissen zu bereinigen, geht unter die Haut, ist aber gleichzeitig auch ziemlich abstoßend. Speziell die Beschreibung der Rotlichtmeile ist wirklich erschreckend, ergänzt sich aber prima mit der unreinen Gedankenwelt des zurückgekehrten Arztes. Simmons spielt mit der Brutalität der Psyche und hält so die Spannung aufrecht bis zum packenden Schluss. Meiner Meinung nach ganz klar das Highlight dieses Sammelbands.

Die dritte Erzählung will nicht so ganz zum Rest passen und ist meiner Meinung nach auch klar die schwächste im Rahmen dieses Buches. Es will irgendwie keine richtige Atmosphäre aufkommen, und verglichen mit den vorherigen Novellen sind auch die Hauptcharaktere hier nicht so fesselnd dargestellt. Lesenswert ist „Sex mit Zahnfrauen“ aber allemal, nicht zuletzt, weil der Autor hier eine kleine Prise seines überaus skurrilen Humors beigemischt hat.

„Rückblende“ ist der Vertreter des Science-Fiction-Genres in diesem Buch. Simmons zeichnet ein sehr skeptisches Zukunftsbild und beschreibt die Welt als einen düsteren Moloch mit einigen apokalyptischen Szenarien, die jedoch in diesem Fall noch im ersten Stadium sind. Es ist eine hochtechnisierte, kriminelle und total verschmutzte Welt, in der die Gedanken an die Vergangenheit der einzige Rettungsanker für das eigene Glück sind. Das hierbei geschilderte Familiendrama eignet sich vorzüglich als Beispiel für ein zukünftiges Szenario, das sich selbst die skeptischsten Schwarzmaler kaum finsterer vorstellen können. Auch hier gilt: packende Atmosphäre, tolle individuelle Charaktere und eine sehr beklemmende, stark aufgebaute Handlung.

In seiner letzten Novelle kehrt Simmons noch einmal zur Kriegsthematik zurück und berichtet direkt von der Front. Jedoch lässt der Autor die handelsüblichen Klischees außen vor und befasst sich vielmehr mit dem Seelenleben des fiktiven Erzählers. Dass es sich dabei um eine sehr poetisch veranlagte Person handelt, verstärkt die dramatische Wirkung seiner Tagebucheinträge enorm, doch noch besser und fesselnder sind die verschiedenen Einträge von Soldaten, die der Autor aus Originalbriefen übernommen hat. Simmons entwirft in dieser letzten Geschichte ein sehr authentisches Bild des Grauens, das einem Beteiligten an der Kriegsfront tagtäglich widerfährt, und untermauert die wiederum sehr düstere Stimmung dieser Novelle mit bewegenden Momentaufnahmen aus erster Hand. Im Grunde genommen kann man hier auch den Anfang all dessen sehen, was Simmons zuvor als einen sehr negativen, generationenübergreifenden Entwicklungsschritt in „Rückblende“ beleuchtet.

So unterschiedlich die einzelnen Episoden auch sind, so viele Gemeinsamkeiten haben sie dann schlussendlich wieder. Der größte gemeinsame Nenner ist dabei ganz klar die unterkühlte, manchmal auch erschreckende Grundstimmung, die sich durch die fünf Geschichten zieht. Simmons zeigt sich als Meister der finsteren Lyrik und betrachtet in kurzen Aufnahmen Ausschnitte aus dem Leben von Personen, die irgendwo am Rande der Gesellschaft stehen, weil sie in sich Probleme tragen, denen sie nicht gewachsen sind bzw. deren Ursprung sie nicht beeinflussen konnten. Jede dieser kurzen Novellen ist ein kleines Meisterwerk für sich (auch wenn „Sex mit Zahnfrauen“ qualitativ ein wenig abfällt) und in ihrer Form definitiv einzigartig. Wichtig ist diesbezüglich, dass der Autor hierzu keine besonderen Effekte verwendet. Ganz besonnen wirft er den Leser in das Leben der Betroffenen und holt ihn quasi am Tiefpunkt wieder heraus, eben dort, wo die Spannung ihren Höhepunkt erreicht, und hier sorgt er besonders bei „Tod in Bangkok“ und „Der große Liebhaber“ für eine kurzzeitige Gänsehaut ob des enorm kaltherzigen Anstrichs dieser Erzählungen.

Mit „Lovedeath“ ist Dan Simmons vor mehr als zehn Jahren ein enorm starkes, in seiner Ausprägung zudem überaus vielseitiges Werk gelungen, das man – ist man einmal infiziert – so schnell nicht mehr aus der Hand legen kann. In Schriftsteller-Kreisen ist der Verfasser dieser fünf Kurzromane bereits eine echte Ikone, und nachdem ich dieses Buch gelesen habe, wird auch klar, warum das so ist. „Lovedeath“ ist eine perfekt inszenierte Attacke auf die Psyche des Lesers und hinterlässt dort einen bleibenden Eindruck. Ich kann die hierin enthaltenen Geschichten und somit den Sammelband nur wärmstens weiterempfehlen und möchte genau dies zum Abschluss dieser Rezension auch tun!

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Meyer, Kai – Schattenesser, Der

Kai Meyer ist in den letzten Jahren als ein sehr eigenwilliger Autor bekannt geworden, der in seinen historischen Romanen immer wieder Phantastisches und Übersinnliches einfügt und so auch mehrere Genres miteinander verbindet. Diesen Ansatz verfolgte der Autor bereits in „Der Schattenesser“, jedoch hat er seinerzeit leider versäumt, das Ganze auch in eine spannende Rahmenhandlung zu integrieren. Meyer bleibt nämlich in „Der Schattenesser“ ziemlich blass und verschiebt die Schwerpunkte zugunsten einer sehr blutigen Erzählung, in welcher der eigentliche Plot viel zu kurz kommt. Auch wenn es sich lediglich um die Neuauflage eines bereits 1996 veröffentlichten Romans handelt, rückt diese Veröffentlichung den Autor aus heutiger Sicht in kein gutes Licht.

_Story_

Die Judenstadt Prag befindet sich mitten im Dreißigjährigen Krieg. Das Heer der Katholischen Liga hat die Stadt besetzt und es herrscht Ausnahmezustand. Plünderer machen die Straßen unsicher, skrupellose Söldner machen sich über das unschuldige Volk her und vor den Stadtmauern wartet der schwarze Tod, die Pest, nur darauf, das Elend innerhalb der Stadmauern mit einem Schlag endgültig zu beseitigen.

Mitten in dieser bedrohlichen Situation befindet sich die junge Sarai, selbst Jüdin, die sich als Junge verkleidet von einer Ecke der Stadt in die andere begibt, um Aufträge für den Alchimisten Cassius zu erledigen. Der alte Magier hat gleichzeitig eine Art Vaterrolle für das Mädchen übernommen, seit ihr richtiger Vater in Selbstmitleid versunken ist und dem Tod seiner Frau hinterhertrauert.

Bei der Ausübung eines weiteren Auftrags im Dienste Cassius‘ begibt sich Sarai in große Gefahr. Zwei Söldner verfolgen sie durch die Hinterhöfe, und erst im letzten Moment kann sie ihnen entkommen. Bei dieser Jagd trifft sie auf eine Gruppe Frauen, die Sarai wegen ihrer seltsamen Verkleidung als Hühnerdamen identifiziert. Fasziniert von dem großen Ei, das sie behüten, nutzt Sarai die Gelegenheit, diesen Schatz zu stehlen und zu Cassius zu bringen. Und damit beginnt eine Geschichte, deren Folgen Sarai lebenslanges Leid zufügen, das sie nie mehr wird besiegen können. Das Mädchen findet seinen Vater auf und sieht sich gezwungen, ihn selbst umzubringen, um seine Schmerzen zu lindern. Dabei fällt ihr auf, dass er keinen Schatten mehr bei sich trägt.

Cassius deutet daraufhin verschiedene Vermutungen an, die dem Verschwinden dieses Schattens zugrunde liegen könnten, doch obwohl er eigentlich mehr weiß, als er behauptet, will er Sarai nicht in das düstere Geheimnis einweihen. Daher macht sich das Mädchen selber auf den Weg, mehr über diese außergewöhnliche Begebenheit zu erfahren und stößt schließlich auf den |mal’ak| Jahve, einen Engel, den der Herr entsandt hat, und der nun auch zur größten Bedrohung für Sarai wird. Der göttliche Schattenesser verfolgt die Jüdin durch ganz Prag und wird zu ihrem Schicksal, dessen einziger Ausweg der Tod zu sein scheint.

Währenddessen hat sich vor den Toren der Stadt eine neue Macht ihren Weg gebahnt: Der friedliche Michal und seine Familie werden auf der Reise nach Prag von ein paar Söldnern überfallen. Während er schwer verletzt überlebt, kommen seine Frau und das gerade erst geborene Kind bei dem Attentat ums Leben. Michal schwört Rache und stößt bei seinem Feldzug auf eine alte Hexe, die dem ehemaligen Familienmenschen die Vorzüge des Kannibalismus näherbringt …

_Meine Meinung_

Es ist schon eine recht seltsame Geschichte, die Kai Meyer hier erschaffen hat. Dabei beginnt zunächst noch alles sehr strukturiert und auch nicht wirklich außergewöhnlich. Die Verfolgungsjagd zu Beginn des Buches lässt auf eine Menge Spannung hoffen, und die Begegnung mit den Hühnerdamen sowie das Auffinden ihres schattenlosen Vaters steigern die Vorfreude auf einen tollen historischen Roman mit vielen phantastischen Inhalten.

Doch leider verliert sich Meyer in diesem Fall recht schnell in einer allzu wirren Story, bei der die einzelnen Szenenwechsel nicht immer besonders günstig gewählt sind. Der Autor wechselt von Kapitel zu Kapitel den Schauplatz und erzählt parallelel die Geschichten von Sarai und Michal, die erst am Ende des Buches zusammengefügt werden, als die beiden aufeinander treffen. Bis dahin sind die Zusammenhänge zwischen den beiden Hauptfiguren des Buches aber völlig unklar, weil Meyer nicht eine einzige Andeutung diesbezüglich macht. Man weiß zwar, dass beide auf irgendeine Weise mit den Hühnerfrauen in Verbindung stehen, doch das war’s dann schon. Natürlich muss dies kein schlechtes Vorzeichen sein, doch die Art und Weise, wie der Autor schließlich die beiden Stränge zu einer Einheit verschmelzen lassen will, wirkt dann doch sehr uninspiriert und wirft am Ende auch noch mehr Fragen auf als zuvor ohnehin schon im Raume standen. In dieser Beziehung ist „Der Schattenesser“ schon einmal eine echte Enttäuschung.

Davon einmal abgesehen, gelingt es Kai Meyer auch nicht annähernd, die vielfältigen Elemente und die teils auch schon bekannten Fantasy-Figuren – unter anderem den Golem – sinnvoll in die Handlung einzubeziehen, so dass es irgendwann vor Spannung zu kribbeln begänne. Das Bisschen an Spannung, das den Leser auf den ersten Seiten schlichtweg überfällt, verschwindet plötzlich im Nichts, und die Erzählung entwickelt sich infolgedessen auch immer mehr zu einer Aufzählung von Fakten und Selbstverständlichkeiten. Überdies schafft Meyer es auch nicht, die einzelnen abstrakten Figuren ihrer Bedeutung entsprechend vorzustellen. Der |mal’ak| Jahve ist hier das beste Beispiel. Seine Herkunft wird zwar noch grob umrissen, doch die Schilderungen bezüglich seiner Bestimmung bzw. seines eigentlichen Charakters sind dann doch sehr unbefriedigend. Gleiches gilt für die Hühnerdamen; man erfährt zwar über das Buch verteilt, wer eigentlich dahinter steckt und was sie (im wahrsten Sinne des Wortes) ausgebrütet haben, doch auch hier gibt sich der Autor damit zufrieden, dem Leser Kapitel für Kapitel die Tatsachen vor den Latz zu knallen, ohne dass dieser sich irgendetwas erarbeiten müsste.

Bisweilen bekommt man den Eindruck, als wäre „Der Schattenesser“ lediglich ein Ventil für einige recht abstrakte, zwischenzeitlich auch abstoßende Phantasien, die in diesem Buche besonders mit der Wandlung des einst so friedlichen Michal in den Vordergrund treten. Die Pest als weiteres Mittel, das ganze Massen dahinrafft, kommt da noch hinzu, verliert aber im Vergleich zu den anderen Gewaltdarstellungen ein wenig an erschreckendem Ausdruck.

Meyer hatte es in der Hand, einen wirklich fesselnden Roman zu schreiben. Alle Mittel standen ihm zur Verfügung: ein gottgesandter Schattenesser, eine vom Krieg gezeichnete Stadt, ein Heer von skrupellosen Eigenbrödlern, der Golem des Rabbi Löw, zwei Hauptfiguren mit sehr starkem Charakter und letztendlich auch noch übersinnliche Schauplätze wie das Schatzhaus der Seelen. Und dennoch hat er in diesem Fall ziemlich daneben gegriffen. In den 400 Seiten dieses Buches passiert so viel, und im Grunde genommen passiert doch gar nichts. Nach einem rasanten Beginn wird die Erzählung radikal ausgebremst und liefert trotz der arg bedrohlichen Atmosphäre keinen weiteren Einstieg mehr, der die Spannung wieder aufnehmen könnte. Die hoch gesteckten Erwartungen wurden mit „Der Schattenesser“ ziemlich enttäuscht, und über das Prädikat „Mittelmaß“ kommt Kai Meyer mit diesem neu aufgelegten Frühwerk daher auch nicht hinaus.

Hennen, Bernhard – Elfenwinter

Bernhard Hennen hat sich mit der Fortsetzung zu seinem Erfolgsroman „Die Elfen“ nicht viel Zeit gelassen. Gerade einmal ein Jahr und zwei Monate hat es gedauert, bis er die Geschichte aus dem Elfenland nun mit einem weiteren Abenteuer weiterführt, und dieses Mal hat der Autor, der seit Beginn der Neunzigerjahre aktiv ist und auch schon vereinzelte Erzählungen und Abenteuer zu „Das schwarze Auge“ sowie Romane in „Magus Magellans Gezeitenwelt“ verfasste, die gesamte Arbeit im Alleingang erledigt. Ohne die Schützenhilfe seines vorherigen Schriftsteller-Partners James Sullivan hat Hennen mit „Elfenwinter“ eine recht düstere Fortsetzung kreiert, die jedoch nur an gewissen Eckpunkten etwas mit dem Vorgängerband gemeinsam hat. Die drei Hauptcharaktere aus „Die Elfen“ sind in diesem Buch nur noch Randgestalten, von denen der Mensch Mandred noch die wichtigste Rolle übernimmt; schließlich ist sein Sohn nun eine der Heldenfiguren. Ansonsten kann die Erzählung aber komplett für sich alleine stehen, weil die Handlungsebenen teilweise völlig verschieden sind und auch die Konflikte von einem ganz anderen Ausmaß sind bzw. in ganz anderer Form ausgetragen werden. „Elfenwinter“ erzählt nämlich in erster Linie von einem ziemlich brutalen Krieg gegen die Armee der Trolle und ist nur noch zweitrangig ein Abenteuer. Doch Fans des ersten Bandes brauchen sich deswegen noch lange keine Sorgen zu machen, denn „Elfenwinter“ ist sogar noch spannender als die erste Geschichte dieser Reihe und trotz der erneut umfangreichen Darstellungen auch ein ganzes Stück gradliniger als „Die Elfen“.

_Story_

Als Herrscherin der unsterblichen Lande ist die Elfenkönigin Emerelle nicht überall sonderlich beliebt. Die Anführerin des Volkes der Elfen ist in Vergangenheit vor allem deswegen in Ungnade gefallen, weil sie die mächtigen Vertreter ihrer Zunft übervorteilt hat, um so auch ihren eigenen Rang nicht zu gefährden. Damit einher sind schließlich aber auch einige Anschläge gegangen, denen die Königin jedes Mal nur knapp entrinnen konnte.

Aus diesem Grund versucht Ollowain, der Befehlshaber der königlichen Leibwache, seine Vorgesetzte auch von ihrem Vorhaben abzuhalten, persönlich das Fest der Lichter zu besuchen. Ollowain ist sich sicher, dass einer der Elfenfürsten die Mordanschläge geplant hatte und nun eine weitere Chance sieht, sich der Königin endgültig zu entledigen. Doch ihre Starrsinnigkeit siegt, und Emerelle besucht als Ehrengast des große Volksfest, jedoch nicht ohne weitere Vorsichtsmaßnahmen seitens ihres Beschützerstabs. Ollowain hat nämlich in der jungen Bogenschützin Silwyna eine weitere Verbündete gefunden, die für den Schutz Emerelles sorgen soll. Trotzdem aber fällt die Königin einem weiteren Attentat zum Opfer und erliegt ihren Wunden.

Für die Trolle, die seit geraumer Zeit auf den Sturz der Königin und eine erneute Gelegenheit zum Angriff warten, scheint nun der Zeitpunkt der Rache gekommen zu sein, um an den Elfen, die ihnen ihr Land geraubt haben, Vergeltung zu üben. Und auch die rebellischen Elfenfürsten fühlen sich stärker als je zuvor und bejubeln die Machtergreifung. Doch ihr Jubel ist nur von kurzer Dauer, denn nach genauerer Untersuchung stellen sich die Toten als Doppelgänger der anvisierten Opfer heraus, und noch in der gleichen Nacht begibt man sich auf die Jagd auf die verschwundene Elfenkönigin und ihren Stab.

Diese hingegen sind ins Land der Menschen geflüchtet und erhoffen sich Zuflucht bei Mandreds Sohn Alfadas, der seine gesamte Jugend im Reich der Elfen verbracht hat. Alfadas ist zwar nicht begeistert von der Ankunft seiner ‚Gäste‘, nimmt diese jedoch trotzdem bei sich auf. Besonders das Erscheinen seiner ehemaligen Geliebten Silwyna ist ihm ein Dorn im Auge, zumal Alfadas mittlerweile eine Familie gegründet und die Liebschaften der Vergangenheit vollkommen verdrängt hat. Silwynas Rückkehr bringt ihn aber erneut in einen Herzenskonflikt, der im Laufe der Zeit immer schwerwiegender wird.

Auf Geheiß seines Königs Horsa wird Alfadas schließlich komplett von seiner Vergangenheit eingeholt: Er soll gemeinsam mit den Elfen in deren Welt zurückkehren, um dort die aufständigen Trolle zu bekämpfen und den Frieden zu sichern. Doch mit der Abreise seines Herres bringt er auch die Welt der Menschen in Gefahr, denn diese sieht sich plötzlich mittendrin in einem Machtkampf, der selbst vor unschuldigen Leben keinen Halt macht und den Krieg über die Grenzen hinaus bis in das einst friedliche Land Alfadas‘ bringt.

_Meine Meinung_

Bevor ich mit diesem Buch begonnen hatte, dachte ich eigentlich, dass hier die Geschichte von Mandred und seinen beiden Freunden aus dem Land der Elfen fortgesetzt wird, und irgendwie habe ich auf das Auftreten der bereits bekannten Helden auch im Laufe des ersten Viertels der Handlung noch irgendwie gehofft. Andererseits ist die Erzählung in diesem Fall auch um einiges härter und definitiv grausamer als der Plot von „Die Elfen“, und somit waren auch gänzlich andere Charaktere vonnöten. Nuramon und Farodin, die Elfen aus dem ersten Buch, waren dann doch etwas zu melancholisch, als dass sie die geeigneten Personen für den Kampf gegen die Trolle gewesen wären, und daher eignen sich neue Charaktere wie Ollowain und Alfadas sicherlich besser. Und dennoch hat man irgendwie den Eindruck, als wäre die Geschichte um die beiden ‚alten‘ Elfen noch nicht zu Ende erzählt, aber dies kann ja eventuell im geplanten dritten Band „Elfenlicht“ noch geschehen.

Losgelöst von diesen Gedanken war es aber dieses Mal trotzdem nicht ganz so leicht, einen sofortigen Zugang zur Handlung zu bekommen. Das mag einerseits sicherlich an der eigenen Erwartungshaltung gelegen haben, andererseits aber auch daran, dass Hennen bei „Elfenwinter“ auch unumgänglich mehr Zeit benötigte, um die passende Rahmenhandlung auzubauen und die Situation in ihrer Gesamtheit vorzustelllen. Wenn man nun also nach einhundert Seiten immer noch glaubt, man ist nicht richtig ‚drin‘, dann ist das keinesfalls ungewöhnlich, sondern einfach nur ein Nebeneffekt von Hennens detailreichen Schilderungen, die auch dieses Mal trotz ihrer zwischenzeitlichen Langwierigkeit ganz klar zu den Stärken des Krefelder Autors zu zählen sind. In diesem Fall erweitert Hennen den Facettenreichtum jedoch noch um weitere Nuancen. Es sind nicht nur die Charakterzeichnungen und Landschaftsmalereien, die hier sehr umfangreich zelebriert werden, sondern vor allem auch die Schilderungen der Kriegsszenarien mit all ihrer Grausamkeit – angefangen bei der grundlegenden Schlachtthematik bis hin zu den abscheulichen Riten der Trolle. Hier sind dann auch einige Parallelen zu seinen Frühwerken im Bereich des Rollenspiel-Epos [„Das Schwarze Auge“ 2110 zu erkennen, bei denen die Kampfszenen ja ebenfalls eine wesentliche Rolle übernahmen.

Auf der anderen Seite hat „Elfenwinter“ ein wenig von der Eigenwilligkeit seines Vorgängers eingebüßt. Bemühte sich Hennen zusammen mit seinem Co-Autor James Sullivan in „Die Elfen“ noch darum, dem Genre durch vollkommen neue Elemente eine Frischzellenkur zu verpassen, ist das neue Buch im Grunde genommen ein recht gewöhnlicher Fantasy-Roman, der sich allerdings durch eine fabelhafte Handlung von der breiten Konkurrenz abhebt. Was halt nur fehlt, sind weitere neue Elemente, wie sie im Vorgänger zum Beispiel durch die Zeitsprünge gegeben waren. Stattdessen setzt der Autor so manches Mal auf Klischees wie etwa bei der seltsamen Beziehung zwischen Alfadas und der mysteriösen Silwyna, die aber wegen ihrer stets gelungenen Umsetzung trotz allem prima zur Erzählung passen. Lediglich die Einbeziehung einer Schamanin darf als neuer, frischer Aspekt gewertet werden, den Hennen ebenfalls sehr gut umsetzt.

Zum Schluss habe ich dann aber doch noch einen Kritikpunkt anzubringen, der sich vornehmlich auf den Titel des Buches bezieht. Natürlich war bereits der Name des ersten Buches aufgrund von Erfolgsepen wie „Die Orks“ und „Die Zwerge“ kalkuliert, passte aber auch zur Handlung, weil es eben ausschließlich um das Volk der Elfen ging. Dieses Mal stehen die Elfen aber nicht mehr einzig und alleine im Mittelpunkt; vielmehr geht es hier um den Kampf zwischen Gut und Böse, bei dem die Elfen zwar auch keine unwichtige Rolle spielen, andererseits aber auch keine höhere Position einnehmen als die Trolle oder die Menschen. Würde man also den Namen eines dieser Völker auf dem Cover finden, wäre das ebenfalls gerecht. Aber gut, es sei dem Verlag gegönnt, dass er auf dem bewährten Erfolgsrezept aufbaut, auch wenn die Handlung kein direkter Nachfolger zur Story von „Die Elfen“ ist.

Es bleibt nun abzuwarten, ob Hennen wie geplant seine Elfenromane zur Trilogie ausweitet. Angesichts des erneut superben neuen Buches wäre dies jedenfalls äußerst wünschenswert, denn es gibt nur wenige Romane von dieser Länge, bei denen man das Buch niemals aus der Hand legen möchte. Es ist jedenfalls nicht gewöhnlich, dass man plötzlich aufsieht, 400 Seiten am Stück gelesen und die Zeit dabei völlig außer Acht gelassen hat. Solche Begebenheiten zeichnen echte Klassiker dieses Genres erst aus, und diesbezüglich erfüllt der zweite Elfenroman wirklich alle Kriterien. Zudem ist es nicht dringend erforderlich, den ersten Roman bereits zu kennen – es ist höchstens hilfreich -, gerade weil sich die grundlegende Thematik in eine andere Richtung bewegt.

Bessere Voraussetzungen könnte ich mir persönlich dann auch gar nicht mehr vorstellen, um einen solchen Roman zu empfehlen. Bernhard Hennen weiß erneut zu begeistern und hat das Genre mit einem weiteren Meisterwerk beglückt. Kaum ein Autor vermag es, eine spannende Handlung so umfassend darzustellen, ohne die Geschichte dabei zu bremsen, wie es der Schöpfer von „Elfenwinter“ schafft. Und aus diesem Grunde sollten sich Fans jeglicher Fantasy-Sub-Genres auch mit diesem Buch beschäftigen, denn hier trifft man alle Facetten in gebündelter Form an.

http://www.bernhard-hennen.de/

Rutherfurd, Edward – Prinzen von Irland, Die (Die große Dublin-Saga, Band 1)

Wer einmal für ein paar Tage die idyllische Natur der irischen Landschaft erlebt hat (und dabei ausnahmsweise auch mal Glück mit dem Wetter hatte), der wird in diesem Land höchstwahrscheinlich sein Herz gelassen haben. Die immergrünen Wiesen, die einfache Lebensart des irischen Volkes und natürlich die Spezialitäten der irischen Braukunst, all das wird man für ewig in Erinnerung behalten, mit dem Wunsch, eines Tages wieder hierhin zurückkehren zu wollen.

Nein, das sind nicht die einleitenden Worte zu einem Reiseführer über die ‚grüne Insel‘, sondern kurz zusammengefasst die Eindrücke, die dieses wunderschöne Land bei mir hinterlassen hat. Doch Irland hat auch eine umfassende Historie, die nicht weniger spannend ist als die Geschichte Englands, oftmals aber hinten anstehen muss, wenn es darum geht, die Entwicklung des Lebens auf den benachbarten Inseln zu schildern.

Edward Rutherford hat es sich daher zur Aufgabe gemacht, die Geschichte dieses Landes einmal komplett neu aufzurollen und vor einiger Zeit damit begonnen, die Entstehung der Republik seit dem 5. Jahrhundert zu dokumentieren. Wichtig war ihm hierbei, dass er keine reine Dokumentation verfasst, sondern stattdessen einen fiktiven Roman, in dem man die wichtigsten Eckpunkte der irischen Geschichte wiederfinden kann, der aber gleichzeitig aufgrund seiner durchgängigen Spannung nicht die Funktion eines Berichtes erfüllen soll. Das Ergebnis seiner Arbeit trägt den Titel „Die Prinzen von Irland“ und ist der Anfang einer zweiteiligen Saga, in der Rutherford ganze sechzehn Jahrhunderte irischer Geschichte näher beleuchtet, angefangen beim keltischen Krieger Conall, der 430 n. Chr. die Macht der Druiden herausforderte, bis hin zur Jetztzeit.

_Story_

Im 5. Jahrhundert ist Dubh Linn (»dunkler Teich«) kaum mehr als eine Furt im Marschland mit einer Wassermühle und ein paar Bauernhöfen. Hier herrscht Fergus, der Viehhändler und Clanhäuptling. Er achtet die keltische Tradition, bis er miterleben muss, dass deren Hüter, die Druiden, seiner Tochter Deirdre und seinem Schwiegersohn ein übermenschliches Opfer abverlangen. Erst am Ende seines langen Lebens wird Fergus Zeuge, wie die Macht der Druiden gebrochen wird: Der ebenso charismatische wie gerissene Patrick, ein früherer Sklave, bekehrt immer mehr Menschen zum Christentum, auch Deirdres Sohn.

Nach der Invasion der Wikinger wird Dublin 841 eine bedeutende Hafenstadt. Fergus‘ Nachfahren müssen zwischen den Besatzern und den alteingesessenen Familien lavieren, um ihren Besitz in stürmischen Zeiten zu wahren. Nur zögernd schließen sie sich dem großen irischen Fürsten Brian Boru an, der die Wikinger 1014 in der dramatischen Schlacht von Clontarf endgültig besiegt. Aber Dublins Unabhängigkeit ist schon bald aufs Neue gefährdet: Die englischen Tudorkönige haben die Bedeutung der Stadt an der Liffey-Mündung erkannt und versuchen sie zu erobern.

_Meine Meinung_

Rutherford bewegt sich auf gefährlichem Terrain, indem er die Geschichte von Irland, oder besser gesagt von Dublin und Umgebung anhand eines Romans erzählt; schließlich muss der Autor fast ein komplettes Jahrtausend abdecken, und damit geht auch einher, dass mehrere Generationen die Hauptrollen in der Geschichte einnehmen. Hierbei besteht dann die Gefahr, dass das Buch doch eher zu einem unterhaltsamen Bericht avanciert und die Spannung, welche die irische Geschichte ja durch ihre vielen Fehden und Konflikte liefert, am Ende völlig untergeht.

Doch Rutherford hat die Aufgabe geschickt gelöst. Ausgehend von der Verteidigung der keltischen Kultur gegen die Druiden durch Fergus erzählt der Autor die breite Historie am Beispiel einer Familie, deren Werdegang eng mit der Geschichte Dublins verknüpft ist. Das Schicksal der heutigen Hauptstadt ist auch ihr Schicksal, und dadurch findet Rutherford auch immer wieder Ansatzpunkte, um die Nachfahren von Fergus, dessen Tochter Deirde usw. sowohl in die Rahmenhandlung als auch in die momentane politische Situation einzubeziehen.

Der Autor orientiert sich beim Aufbau der Geschichte aber auch sehr eng an den umfassenden Konfliktpunkten der irischen Vergangenheit und lässt eigentlich keine Details aus. Der Kampf gegen die Wikinger und gegen die Besatzng der Engländer wird ebenso eingeflochten wie der Konflikt mit dem Vatikan, und dies trotz des fiktiven Erzählstrangs, der wegen dieser vorgegebenen Linie keinesfalls an Spannung verliert. Einzig und alleine die Überleitungen zwischen den verschiedenen Epochen ruckeln manchmal, und so manche Verbindung zwischen den direkten und indirekten Erben von Dubh Linns Clanführer Fergus erscheint doch recht seltsam und kommt dann auch meistens eher zufällig zustande. Diese Aufgabe war aber mitunter auch die schwerste, denn es scheint beinahe unmöglich, die Entwicklung des Landes an einem einzigen Familienstamm festzumachen, und deswegen waren solche Zufälle wohl auch von Nöten.

Das Buch endet schließlich im 16. Jahrhundert an dem Punkt, als die Aufstände gegen die feindlichen Engländer voll im Gange sind, und auch wenn das Buch bis hierhin schon ganze 650 Seiten zählt, kann man dennoch nicht genug von Rutherfords Darstellungen bekommen. Er hat es wirklich wunderbar arrangiert, die faszinierende Geschichte der kleinen Inselrepublik erneut zum Leben zu erwecken. Im Gegensatz zu manch anderer historischen Aufarbeitung wirkt der Inhalt von „Die Prinzen von Irland“ trotz des enormen Zeitraums, der hier beleuchtet wird, unheimlich erfrischend, zumal die dramatischen Wesenszüge der eingeführten Charaktere im Zusammenhang mit der Entstehung der heutigen Republik einen repräsentativen Wert für die Schilderung der jeweiligen Epoche haben.

Nach der eigentlichen Erzählung legt der Autor in einem Nachwort dar, inwieweit Familiennamen, Orte und historische Ereignisse mit den tatsächlich Begebenheiten in Einklang zu bringen sind bzw. welche Darstellungen im Laufe der Geschichte frei erfunden sind. Auch wenn der Roman schon vorher abgeschlossen wird, sollte man diese wenigen Seiten auf jeden Fall noch durchlesen, denn erst danach darf man sich selber als „Experten“ im Hinblick auf die Geschichte der Insel bezeichnen.

Edward Rutherford hat mit „Die Prinzen von Irland“ ein mitreißendes Epos verfasst, dem es weder an Fakten noch an Dramaturgie mangelt. Selbst diejenigen, die glauben, alles über die Geschichte des Landes zu wissen, werden hier mit Sicherheit noch Wissenswertes entdecken, das ihnen bis dato nicht bekannt war. In erster Linie handelt es sich bei diesem Buch um einen spannenden Episoden-Roman, an dem man sicherlich auch Gefallen finden wird, wenn die Liebe zu Irland noch nicht so weit fortgeschritten ist.

Wer allerdings ohnehin schon der ‚grünen Insel‘ verfallen ist und sich auch nicht vor der Lektüre eines recht langen Romans scheut, wird keine Ausrede finden können, um sich diesem Buch zu verweigern. Für diese Zielgruppe ist „Die Prinzen von Irland“ Pflichtlektüre, und die Übrigen sollten sich kurz ins Gedächtnis rufen, dass bislang alle Bücher von Rutherford internationale Bestseller sind bzw. waren, und das aus gutem Grund. Fesselnder und lebendiger als in diesem wunderschön aufgemachten ersten Teil der Saga kann man Geschichte jedenfalls kaum darstellen.

Stewart, Paul / Riddel, Chris / Niederfahrenhorst, Volker – Twig – Fluch über Sanktaphrax (Die Klippenland-Chroniken IV)

Buch I: [Twig im Dunkelwald 1936
Buch II: [Twig bei den Himmelspiraten 1999
Buch III: [Twig im Auge des Sturms 2101

Im vierten Teil der „Klippenland-Chroniken“ wird die Geschichte des Himmelspiraten Twig nicht chronologisch fortgesetzt. Stattdessen dient diese Episode dazu, die Vorgeschichte der bisherigen Erzählung und damit die Story von Twigs Vater, dem legendären Quintinius Verginix, aufzurollen. Der eigentliche Titelheld spielt daher hier auch nur eine untergeordnete Rolle, was vielen Fans der Serie zunächst Bedenken aufgab, die aber getrost ausgeräumt werden können, denn auch „Fluch über Sanktaphrax“ ist ein echter Twig, nur eben mit anderen Hauptfiguren.

_Story_

Linius Pallitax ist der allerhöchste Akademiker von Sanktaphrax und daher auch entsprechend geachtet. Als er eines Tages einen Gehilfen sucht, nutzt der junge Quint die Gunst der Stunde und bekommt tatsächlich die Anstellung als Lehrling. Zusammen mit Maris, der Tochter seines neuen Vorgesetzten, besucht er die Schule und erledigt die alltäglichen Aufgaben, die der Akademiker ihm aufträgt.

Währenddessen macht der höchste Akademiker von Sanktaphrax im Labyrinth eines wachsenden Felsens eine unglaubliche Entdeckung, von der er seiner Tochter und derem Geliebten jedoch erst nichts erzählt. Doch sein auffälliges Verhalten entgeht den beiden nicht. Quint begleitet den Wissenschaftler schließlich Nacht für Nacht, bis Linius eines Tages fast in diesem geheimnisvollen Felsen ums Leben kommt.

Quint wird erst dann richtig bewusst, dass sich hinter diesem Labyrinth ein Geheimnis verbirgt, von dem Linius von Anfang an wusste. Aber nun handelt er auf eigene Faust und erforscht gemeinsam mit Maris den rätselhaften Ort. Doch beide ahnen noch nicht, in welche Gefahr sie sich dabei begeben.

_Meine Meinung_

Anfangs habe ich mich gefragt, warum man die Auflösung von Quintinius‘ Vergangenheit erst im vierten Teil abhandelt und die einzelnen Episoden nicht der Reihe nach veröffentlicht hat, was für die eigentliche Geschichte natürlich unerheblich ist. Doch nun habe ich verstanden, dass dieses Vorgehen durchaus sinnvoll ist, denn ansonsten hätte man der Handlung in den ersten beiden Teilen der Reihe schon vorab die Spannung genommen, schließlich war es ja zu Beginn ein Geheimnis, dass der berühmte Himmelspirat Twigs Vater ist. Insofern ist „Twig – Fluch über Sanktaphrax“ dann auch eine komplett unabhängige Story, bei der die Vertautheit mit den einzelnen Charakteren natürlich enorm hilfreich ist. So weiß man zum Beispiel im Voraus, dass Quintinius ein ausgesprochener Sturkopf ist und kennt auch den weiteren Werdegang von Twig, der hier aber wirklich nur eine Rolle am Rande einnimmt. Entscheidend ist dieses Wissen aber natürlich nicht.

Überraschenderweise ist die eigentliche Erzählung – mal wieder vorgetragen vom genialen Volker Niederfahrenhorst – jedoch (zumindest meiner Ansicht nach) die spannendste der gesamten Reihe. Es gilt, mehrere Geheimnisse zu lüften, gleichzeitig aber auch wieder komplett neue Figuren anzunehmen und zu entdecken, was nach der Etablierung der bisherigen Charaktere wieder ganz erfrischend wirkt. Mit Maris und Linius integriert Autor Paul Stewart hier zwei sehr sympathische neue Figuren in die Geschichte, von denen man später (bzw. früher …) nie wieder etwas gehört hat (oder trügt mich mein Gedächtnis?). Doch auch die Trollin Welma Dornhold und der feindliche Raubgließer sind neu, ebenso wie die vielen Schauplätze des Geschehens. Die wachsenden Felsen zum Beispiel wurden bislang nur kurz erwähnt, und auch von der großen Bibliothek in Sanktaphrax war bislang nie die Rede. Und so wird man noch viel mehr Begebenheiten und Eigenschaften aufzählen können, die man bis dato nicht kannte, wenn man die Erzählung zum ersten Mal anhört, was ich persönlich sehr positiv finde, weil dem Autor so durchgehend ein gewisser Überraschungseffekt gelingt und die Story sich nicht selber durch Wiederholungen in eine Sackgasse navigiert.

Bei meiner Recherche habe ich festgestellt, dass die vierte Folge von Twig-Fans recht zwiespältig aufgenommen wird, und das fast ausschließlich, weil die eigentliche Hauptfigur zur Nebensache degradiert wurde. Doch „Twig – Fluch über Sanktaphrax“ ist weitaus besser als der heraufbeschworene Ruf und verdient daher auch auf jeden Fall eine Chance. Mir hat die Geschichte mal wieder sehr gut gefallen und bezüglich der Spannung ist sie sogar der Höhepunkt der bisherige „Klippenland-Chroniken“. Der wesentliche Unterschied besteht eben nur einzig und allein darin, dass Twig in seiner Heldenrolle durch seinen Vater Quint ersetzt wird. Das war’s auch schon.

Dark, Jason / Döring, Oliver – John Sinclair – Achterbahn ins Jenseits (Folge 3)

_Prolog_

Der kleinkriminelle Bauunternehmer Vince MacAllister plant, den kompletten Friedhof einzuebnen. Obwohl die Bürger des kleinen Provinznestes Upfield sich dem Vorhaben widersetzen, bekommt MacAllister die Genehmigung und gewinnt den Prozess – Schmiergelder haben es ermöglicht. Während der Realisierung seines Plans taucht plötzlich der Totengräber des Friedhofs auf und fordert den Bauherrn dazu auf, die Arbeiten auf dem Gelände sofort zu stoppen. MacAllister nimmt die Warnung des Grabschauflers jedoch nicht ernst und hält Mr. Hampton für einen Vertreter der lästigen Bürgerinitiative. Als Hampton sich nicht vom Grund des Friedhofs entfernen will, versucht MacAllister, ihm seine Faust ins Gesicht zu rammen, schlägt dabei aber ins Leere. Hampton hingegen, der behauptet, schon hundert Jahre auf diesem Friedhof zu arbeiten, macht seine Drohung war und lässt eine Planierraupe im Boden versinken. Der Bauherr selber wird von einer Geisterhand ergriffen und ebenfalls in die Tiefe gezogen. Sowohl das Fahrzeug als auch MacAllister werden bei den darauffolgen Grabungen nicht mehr gefunden, und nach einigen jahren erinnern sich die Bürger von Upfield auch nicht mehr an diesen grausamen Tag.

_Story_

Jahre später macht ein Jahrmarkt Halt in Upfield. Auf dem Gelände des ehemaligen Friedhofs wird die Mega-Achterbahn „Canynon Ride“ aufgebaut und gilt damit auch als die größte Attraktion, die das Örtchen bislang gesehen hat. Der Jahrmarkt füllt sich, als plötzlich ein alter Bekannter wieder auftaucht: der Totengräber Hampton. Wiederum spricht er eine Warnung aus und verlangt vom Betreiber der Achterbahn, sein Fahrgeschäft sofort wieder abzubauen und sich aus Upfield zu verziehen. Dieser jedoch nimmt die seltsame Erscheinung des Totengräbers nicht ernst und lässt die Achterbahn unbehelligt weiterfahren. Als dann eine kriminelle Jugendbande ihr Unwesen auf dem Jahrmarkt treibt, eskaliert die Situation. Schüsse fallen, Menschen werden verletzt und mittendrin befindet sich der mysteriöse Grabschaufler, der den Besitzer der Achterbahn zu seinem tödlichen Spielball macht. John Sinclair hat lange genug untätig herumgestanden; er fordert Hampton zum Duell heraus und holt sich eigens hierfür Unterstützung von geistlicher Seite …

_Meine Meinung_

Ich überlege mir gerade einen Standardsatz, mit dem ich meine Begeisterung für die jeweiligen Episoden der „John Sinclair“-Hörspiele auf den Punkit bringen kann, das würde mir die Arbeit ungemein erleichtern. Doch Spaß beiseite und auf in ein neues Abenteuer des populären Geisterjägers. „Achterbahn ins Jenseits“ ist einer der actionreichsten Vertreter aus der gesamten Reihe und bietet haufenweise Duelle, die jedoch auf verschiedene Art und Weise ausgefochten werden. Höhere Mächte kommen hier ebenso zum Zuge wie die Martial-Arts von Sinclair-Kumpel Suko, und auch eine traditionelle Schusswaffe findet Gebrauch während eines hektischen Handgemenges. Und dann ist da natürlich noch das große Finale, bei dem sich Hampton und Sinclair direkt gegenüberstehen und den Kampf Gut gegen Böse ein weiteres Mal bis zum Ende ausfechten müssen.

Abgesehen hiervon, gefällt bei „Achterbahn ins Jenseits“ vor allem der ziemlich lange Vorspann mit der Vorgeschichte des verfluchten Friedhofs. Fast zehn Minuten lang wird hier die Geschichte des skrupellosen Baumeisters MacAllister samt seiner schicksalhaften Begegnung erzählt, ohne dass dafür der eigentliche Handlungsstrang zu kurz kommen muss. Bereits hier wird von zahlreichen Effekten Gebrauch gemacht, die im Verbund mit den professionellen Sprechern (fast allesamt Hollywood-Synchronstimmen) für die passende Untermalung des spannenden Hörspiels sorgen.

Nach dem Intro geht es dann sehr rasant voran. Sinclair ist sofort auf der Höhe des Geschehens, erfasst die Situation, greift ein und sieht sich einem weiteren, gefährlichen Dämon gegenüber, dessen Kraft er anfangs noch nicht erfassen kann, dann aber merkt, welche Bedrohung von ihm ausgeht.
Und als er dies schließlich realisiert, ist es schon fast zu spät, um die Ankunft einer noch viel mächtigeren Kreatur zu verhindern.

Bei „Achterbahn des Jenseits“ wird John Sinclair im Kampf gegen die Ausgeburten der Hölle erneut auf die Probe gestellt, und das natürlich auch wieder auf höchstem erzählerischem Nivau. Packende Dialoge, Soundtrack-artige Effekte und eine wie immer spannungsgeladene und in diesem Fall actionreiche Handlung lassen das Team von Oliver Döring wieder zur Hochform auflaufen. Was bleibt einem da anderes übrig, als auch die dritte Folge der „Edition 2000“-Serie wärmstens zu empfehlen, was ich dann hiermit auch tun möchte.

_|Geisterjäger John Sinclair| auf |Buchwurm.info|:_

[„Der Anfang“ 1818 (Die Nacht des Hexers: SE01)
[„Der Pfähler“ 2019 (SE02)
[„John Sinclair – Die Comedy“ 3564
[„Im Nachtclub der Vampire“ 2078 (Folge 1)
[„Die Totenkopf-Insel“ 2048 (Folge 2)
[„Achterbahn ins Jenseits“ 2155 (Folge 3)
[„Damona, Dienerin des Satans“ 2460 (Folge 4)
[„Der Mörder mit dem Januskopf“ 2471 (Folge 5)
[„Schach mit dem Dämon“ 2534 (Folge 6)
[„Die Eisvampire“ 2108 (Folge 33)
[„Mr. Mondos Monster“ 2154 (Folge 34, Teil 1)
[„Königin der Wölfe“ 2953 (Folge 35, Teil 2)
[„Der Todesnebel“ 2858 (Folge 36)
[„Dr. Tods Horror-Insel“ 4000 (Folge 37)
[„Im Land des Vampirs“ 4021 (Folge 38)
[„Schreie in der Horror-Gruft“ 4435 (Folge 39)
[„Mein Todesurteil“ 4455 (Folge 40)
[„Die Schöne aus dem Totenreich“ 4516 (Folge 41)
[„Blutiger Halloween“ 4478 (Folge 42)
[„Ich flog in die Todeswolke“ 5008 (Folge 43)
[„Das Elixier des Teufels“ 5092 (Folge 44)
[„Die Teufelsuhr“ 5187 (Folge 45)
[„Myxins Entführung“ 5234 (Folge 46)
[„Die Rückkehr des schwarzen Tods“ 3473 (Buch)

Stucke, Angelika – Gute Motive

Ironie und schwarzer Humor, das sind die beiden Stärken, die Angelika Stucke in ihrem Belletristik-Debüt „Gute Motive“ konsequent ausspielt und somit auch als Mittel für ihre teils erschreckenden, teils sehr seltsamen Kurzgeschichten benutzt. Zuvor nur als Autorin von Kurzgeschichten in spanischen Publikationen tätig, liefert Stucke hier ihr erstes deutschsprachiges Buch ab. 13 Kurzgeschichten sind in diesem kleinen Sammelband enthalten, und dreizehnmal wird aus der Ich-Perspektive heraus erzählt, wieso, warum und weshalb die jeweilige betroffene Person sich dazu entschieden hat, ein Gewaltverbrechen zu begehen. Oder anders gesagt, welch gutes Motiv die durchgehend weiblichen Protagonisten hatten, um ihren Plan auch durchzusetzen.

Es ist schon recht eigenartig, wie Stucke hier an ihre Erzählungen herangeht. Es sind teilweise ganz normale Alltagssituationen, aus denen heraus das weibliche Geschlecht dazu angestachelt wird, sein Gegenüber auszulöschen. So darf es einerseits skurril sein, wie beispielsweise in „Der Spanner“: Eine Frau fühlt sich von einem noch unbekannten Menschen belästigt, der sie ständig beobachtet. Als sie herausfindet, dass es sich hier um einen Jugendlichen handelt, beruhigt sie das zunächst ein wenig, doch im nächsten Moment entschließt sie sich, ihn zu vergiften.
Andererseits findet man auch perfekte Krimi-Themen: Bei „Männersache“ will sich eine Frau in mittleren Jahren ihres Ehegatten entledigen. Dafür verzichtet sie sogar auf ihren Liebhaber und tötet diesen. Doch warum sollte sie das tun? Schließlich hat nur ihr Mann ein Motiv für den Mord an dem südländischen Romantiker. Also unterstellt sie ihm den Mord, liefert ihm das erforderliche Motiv und ist von ihm befreit.

Und so bringt Stucke die verschiedensten Alltagsthemen auf den Tisch und spinnt individuell eine bizarre, mordlüsterne Geschichte um sie herum. Bei „Die Mordabsicht“ reicht schon der Verlust des Arbeitsplatzes für ein Motiv, in „Das Alter“ macht einer Frau die Pflegebedürftigkeit ihres Gatten Waldemar zu schaffen. Also denkt sie sich verschiedene Strategien aus, um ihn zu beseitigen und begründet ihre Tat damit, dass seine Hilfsbedürftigkeit ihn ohnehin dahinraffen würde.

Nicht der Gärtner ist der Mörder, sondern die Frau, und in „Gute Motive“ haben es die dunklen Gedanken des angeblich schwächeren Geschlechts wirklich in sich. Manchmal ist es schon fast abartig, mit welcher Selbstverständlichkeit die Damen hier ihre Attentate planen, aber auch mit welchen Gründen sie diese rechtfertigen. Stucke taucht jedes Mal wieder für kurze Zeit in die Gedankenwelt eines Menschen ein, der im Grunde genommen ganz normal ist, quasi wie du und ich, sich gleichzeitig aber auch für die fiesesten Missetaten und die erbärmlichsten ‚Selbsthilfetherapien‘ empfänglich zeigt. Obwohl in den dreizehn Geschichten dieses Buches einige Leitmotive in leicht abgewandelter Form öfter auftauchen, so sind die jeweiligen Schilderungen doch immer wieder erschreckend – meist aber auch genial umgesetzt.

Andererseits hat man am Ende des Buches dann auch wirklich genug von den kranken Plänen dieser Damen. Das Ende steht ja jedes Mal schon fest, und nur der Weg dahin bzw. die Art und Weise, wie die Beteiligten ihre Geschichte erzählen, ändert sich von Mal zu Mal, so dass irgendwann der Punkt kommt, an dem das Thema ausgereizt ist. Glücklicherweise ist man an diesem aber erst angelangt, wenn man das Buch ausgelesen hat. Jedoch muss man schon sehen, dass der Inhalt sich aufgrund des durchgängigen roten Fadens selbst arg limitiert, weshalb man sich vorher schon bewusst machen sollte, worauf man sich hier tatsächlich einlässt. Ist dies geschehen, bringt einem dieser Sammelroman von Angelika Stucke beste, beklemmende Unterhaltung, deren Niveau sich trotz des vergleichsweise schlichten Schreibstils stets an der Obergrenze aufhält.

Kurzweilig, interessant und gleichzeitig beängstigend – das ist „Gute Motive“. Und ich hoffe, dass der grundsätzlich positive Unterton dieser Rezension für die Leserschaft ebenfalls ein gutes Motiv ist, sich einmal näher mit der Autorin und diesem Buch auseinander zu setzen.

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Oidium, Jan / Winter, Norman / Kornmann, Gerd – Teiser

„Teiser“ ist der Name des neuen Comic-Projekts von Jan Oidium. Dieses Mal hat der Autor der „Fire & Steel“-Reihe, die nach dem vierten Band eingestellt wurde, jedoch nicht selber die Zeichnungen angelegt. Oidium ist ausschließlich für das Storyboard verantwortlich und hat in Norman Winter einen neuen Partner gefunden, der die etwas skurillen Ideen schließlich graphisch umgesetzt hat. Dabei ist zu sagen, dass Winter sich stilistisch sehr nahe an der Vorlage des Berliner Verlegers orientiert, weshalb man sich als Oidium-Fan auch sofort zurechtfinden wird.

Die Geschichte von „Teiser“ setzt ungefähr dort an, wo die „Fire & Steel“-Story geendet hat. Dementsprechend findet man innerhalb des Comics auch bekannte Charaktere wie die beiden finsteren Schergen Heimdall und Loki, die hier ebenfalls kurze Gastauftritte haben. Quasi als Verbindung zwischen den beiden Serien dient das beiligende Hörspiel, das erste Audio-Comic, bei dem Jan Hilfe von Gerd Kornmann, dem Sänger der Metalband THE OCEAN, bekommen hat. Kornmann hatte die schwierige Aufgabe, die verschiedenen Sounds und Effekte auszuwählen und sie in die Erzählung zu integrieren, was ihm übrigens fabelhaft gelungen ist. So findet sich hier eine Leierkasten(?)-Version von IRON MAIDENs ‚Blood Brothers‘ oder eine Ode an den Comic-Charakter „Hans der Vogel“. Außerdem gibt es am Ende noch einen Song der Band PLANET KING zu hören, die Vertraute bereits aus dem zweiten „Fire & Steel“-Comic kennen sollten. Und den zugehörigen Song hat niemand Minderer als „StarSearch“-Gewinner Martin Kesici eingesungen.

Bei diesen Voraussetzungen sind die Erwartungen an „Teiser“ natürlich enorm hoch, und auch wenn Jan Oidium und sein Team jetzt keinen Meilenstein in die Landschaft der Comic-Geschichte gesetzt haben, muss man den Mitwirkenden dennoch attestieren, gute Arbeit geleistet zu haben. Doch jetzt zur eigentlichen Handlung …

_Story:_

Teiser ist Künstler. Nachdem er diesen Beschluss gefasst hat, verfügt er weiterhin, dass der Funke der neuen Gesinnung auch auf seinen Freunde Beppo Thunderforce, den Igel, den Wurm und natürlich Hans den Vogel überzuspringen hat. Neben alten Bekannten gesellt sich auch Oggi der Hühner-Schamane zum bunten Treiben auf Schloss Teis und macht die Gruppe von Freunden komplett.

Abenteuer 1, KUBA:
Teiser beschließt als Erstes, mit seinen über Nacht entstandenen Kunstwerken um die Welt zu touren. Hans dem Vogel wird dabei eine „tragende“ Rolle zuteil. Während Beppo das Schloss Teis in der Wüste aus Sand originalgetreu nachbauen muss, versuchen sich Wurm, Igel und Hans der Vogel als Jiffel-Kombo. Oggi reitet derweil auf einer Mumie in die Stadt, um zahlende Ausstellungsbesucher zur Veranstaltung zu locken. Während der Teiser im organisatorischen Chaos versinkt, taucht noch eine Armee der Verteidiger des Weltkulturerbes auf und erklärt Teiser den Krieg.

Abenteuer 2, KAUF BEI TEISERS:
Teiser eröffnet einen Supermarkt, den er ins Zeichen der Kunst stellt, und lockt so mit ungewöhnlichen Methoden Kundschaft in den Laden. Dabei treibt es die Belegschaft in den Wahnsinn. Beppo fliegt derweil mit einer Horde hypnotisierter Hühner zum Markt, während Teiser eine Performance mit Schlager Wollfried vorbereitet, um kaufsüchtige Rentner besser mit Mokka und Griebenschmalz abzufüllen.

Abenteuer 3, POESIE:
Teiser wurde von der Muse verlassen und sucht nach neuer Inspiration für seine Werke. Er begibt sich mit Hans dem Vogel auf die Reise. Schloss Teis ist zu alledem auch noch von einer Zwangsversteigerung bedroht. Beppo ist nun allein im Schloss und bemüht sich, eine Vorstellung mit Oggi vorzubereiten, um das nötige Geld aufzutreiben. Doch Teisers organisatorische Fähigkeiten werden dringend benötigt. Dieser befindet sich fernab in einem See und versucht den Fischen das Singen beizubringen. Beppo setzt in seiner Verzweiflung den Wurm an das Klavier und lässt ihn das Vorprogramm spielen. Alle hoffen auf die rechtzeitige Rückkehr von Teiser, um dieses Debakel zu beenden.

Teiser-Hörspiel:
Abenteuer 4, PLANET KING LIVE AT CASTLE OITIONTISE:
Der mächtige, vor allem true Oitiontiser und sein Scherge Beppo Thunderforce bereiten ein Konzert der Gruppe PLANET KING vor und erwarten, dass ihr ärgster Widersacher, der dunkle Black-Metal-Fürst Dark Even McBaron die Veranstaltung mit seiner Horde Maulwurfsmenschen zu verhindern versucht. Zunächst zu deprimiert, um weiter böse zu sein, entwickelt Dark Even McBaron mit seinem Gehilfen Neroon doch noch eine finstere Strategie. Beide Seiten versuchen sich nun zu rüsten, um beim großen 28-Stunden-PLANET-KING-Konzert vor drei Millionen Zuschauern alle Register zu ziehen.

_Meine Meinung:_

Jan Oidium hat einen recht schrägen Humor, und genau diesen bekommt man in den drei Episoden des Comics respektive im Hörspiel dann auch permanent zu spüren. Abgeschlachtete, unschuldige Hühner, ein durchgeknallter Indianer und düstere Gestalten wie Heimdall und Loki bestimmen die Szenerie und sorgen recht schnell dafür, dass die Eigenwilligkeit des Comic-Autors wieder omnipräsent ist.

Die drei Geschichten in diesem 88-seitigen Sammelband hingegen schwanken in ihrer Qualität. Zeichnerisch astrein sind sie zwar alle, doch der Inhalt schwankt dann doch verdächtig zwischen ziemlich genial („Kuba“), recht einfallslos („Kauf bei Teisers“) und seltsam eigenartig („Poesie“). Doch der Reihe nach:

Mit dem ersten Stück „Kuba“ lernt man die beiden Hauptfiguren Teiser und Beppo kennen und freundet sich auch auf Anhieb mit den beiden an. Der stets verwirrte Beppo und der sich als Künstler maßlos überschätzende Teiser geben ein schlagfertiges Team ab, das mit seinen wahnwitzigen Ideen besonders hier die Lachmuskeln in Bewegung bringt. Die Idee, in den Pyramiden (!) des fernen Kuba eine total bekloppte Kunstaustellung loszutreten und eigens hierzu die beiden Düsterheimer Heimdall und Loki mitzunehmen, erweist sich als wirklich originell und die Umsetzung ist nahezu perfekt. Dass dabei am Ende auch noch die UNESCO eingreift und Beppo Thunderforce zum ersten Mal von seinen magischen Kräften Gebrauch machen muss, setzt dem Ganzen schließlich die Krone auf.

Die darauf folgende Erzählung ist jedoch leider ziemlich flach. In „Kauf bei Teisers“ will Teiser im Sinne der Kunst sein eigenes Kaufhaus etablieren. Seine Gefährten sollen in der Stadt mit einigen zweifelhaften Methoden die Besucher anlocken, was auch funktioniert, doch als dann der große Run auf das Kaufhaus einsetzt, ist die Geschichte auch wieder zu Ende; der Höhepunkt indes ist ausgeblieben. Es gibt zwar hier auch einige witzige Szenen (in erster Linie bedingt durch die Zeichnungen), doch im Vergleich zur vorherigen Story bleibt das Ganze hier recht flach.

Im letzten Strip betreten Oidium und Winter dann Neuland. „Poesie“ basiert einzig und allein auf der Dichtkunst, was die Dialoge zum einen ein wenig abgehobener wirken lässt, im Zuge dessen aber leider auch den Humor aus der Erzählung nimmt. Die Geschichte liest sich bei weitem nicht mehr so locker, wie man dies gewohnt ist, was den Einstieg deutlich erschwert. Andererseits verarbeiten die beiden Verantwortlichen hier einige sehr gute Ideen, und die Reise von Hans dem Vogel und Teiser ist schließlich auch ziemlich lustig geworden. Man braucht im Endeffekt also eine kleine Anlaufzeit, kann sich dann aber mit dem neuen Ansatz trotz einzelner Schwierigkeiten gut anfreunden.

Das Hörspiel ist schließlich das Bonus-Schmankerl dieses Comics, erzählt die Vorgeschichte zu „Teiser“ und ist den Machern außerordentlich gut gelungen. Sieht man mal von der etwas drögen Erzählerstimme ab, kommt die Sache ziemlich flott richtig gut in Fahrt, wobei vor allem die Effekte und der Soundtrack richtig stark geworden sind. Auch die Stimmen der verschiedenen Sprecher fügen sich hier prima in den sehr positiven Gesamteindruck ein und machen das Hörspiel trotz der relativ kurzen Spielzeit von gerade mal einer halben Stunde zu einem echten Vergnügen.

Das Vorhaben, in Form von „Teiser“ einen neuen Comichelden zu etablieren, sollte dem Team um Jan Oidium mit diesem (trotz dezenter Mängel im mittleren Strip) gelungenen Debüt eigentlich keine Schwierigkeiten bereiten. Die Figuren sind richtig gut gezeichnet und haben definitiv Witz, womit sie die wohl wichtigste Voraussetzung schon mitbringen. Außerdem ist der Humor des Texters eigenwilliger und irgendwie auch besser als bei den „Fire & Steel“-Heften. Und als Letztes weiß Oidium mit ausgefallenen Ideen und herrlich abgedrehten Rahmenhandlungen zu begeistern, die zwar nicht immer auf höchstem Niveau angesiedelt sind, alles in allem aber definitiv eine Menge Freude machen.
„Teiser“ gibt es für einen Unkostenbeitrag von 9,90 € auf der [Homepage des Verlags]http://www.oidium-verlag.de zu erwerben, wobei dies der Einführungspreis für die Serie sein wird. Doch mit 88 Seiten und einem zusätzlichen Hörspiel ist „Teiser“ zu diesem Preis auch eine sehr lohnenswerte Investition und auch mehr als fair berechnet. Viel Vergnügen!

Dark, Jason / Döring, Oliver – John Sinclair – Mr. Mondos Monster (Folge 34, Teil 1)

Eines vorweg: So groß die Freude über ein weiteres neues Hörspiel der „John Sinclair“-Reihe auch ist, so groß ist schließlich auch wieder die Enttäuschung darüber, dass es sich hier um einen Zweiteiler handelt, der frühestens im April 2006 fortgesetzt werden wird. Mehr als drei Monate Wartezeit vom Veröffentlichungstag an, das ist wirklich deftig und im Falle dieser sehr spannenden und teilweise auch lustigen Geschichte schon recht fies. Andererseits gehört der erste Teil von „Mr. Mondos Monster“ zu den besten Episoden der gesamten Reihe, gerade weil den Machern hier etwas gelungen ist, was bei der seltsamen Comedy-Edition noch nicht funktioniert hat, nämlich Gruselstimmung mit Humor zu verbinden. Beide Daumen also nach oben für ein durch und durch gelungenes Hörspiel!

_Story:_

Sarah Goldwyn ist bei der örtlichen Polizei schon bekannt für ihre allabendlichen Anrufe, weshalb die Beamten die abenteuerlustige alte Dame auch nicht mehr ganz so ernst nehmen. So auch eines Abends, als die Lady bei der Behörde angibt, ihr Butler wäre von einem Werwolf angegriffen worden. Sicherheitshalber geht man der Sache nach und hört schließlich am Telefon auch einige seltsame Geräusche, die den Beamten zweifeln lassen. Also schickt er den berüchtigten John Sinclair in das Haus der alten Dame, und dieser findet tatsächlich die zerstückelte Leiche des Butlers dort vor.

John entdeckt recht schnell die Ursprünge dieser Tat und sucht den gräuslichen Ort, an dem der Werwolf erschaffen wurde, auf. Doch das Ganze war eine Falle, denn ein verrückter Wissenschaftler war nur darauf hinaus, den Geisterjäger in seine Gemächer zu führen und ihn dort außer Gefecht zu setzen. John kann trotzdem fliehen, doch beim Versuch, die finsteren Pläne von Mr. Mondo zu durchkreuzen, stellt er fest, dass er dem durchgedrehten Professor hilflos ausgeliefert ist. Jetzt kann er nur noch darauf hoffen, dass Suko und Bill Conolly ihm zur Hilfe eilen – oder aber die alte Dame, die sich selber einer erheblichen Gefahr aussetzt und in Mr. Mondos Labor herumschnüffelt …

_Meine Meinung_

Anfangs erinnert die Geschichte ein wenig an die berüchtigten Krimis mit Mrs. Marple. Die schrullige Sarah Goldwyn und die berühmte Detektivin haben definitiv Ähnlichkeit miteinander, nur dass man es hier mit komplett unterschiedlichen Gegnern zu tun hat. Aber dass die Lady später ebenfalls in die Ermittlungen eingreift, ist von diesem Hintergrund aus betrachtet sicherlich kein Zufall …

Davon mal ganz abgesehen, ist das neue Abenteuer von John Sinclair mal wieder bärenstark. Oliver Döring und sein Team haben sich im Rahmen dieses Zweiteilers sehr viele Freiheiten gelassen, was den Aufbau der Geschichte angeht, und dementsprechend ausufernd werden manche Szenen auch beschrieben. Doch damit meine ich damit nicht ‚übertrieben lang‘. Im Gegenteil, die Geschichte überrascht trotz allem mit einem sehr hohen Erzähltempo und gerät nur deswegen in die Länge, weil sich die Handlung an mehreren Hauptschauplätzen abspielt und außerdem auch viel mehr Personen als gewohnt ins Geschehen eingreifen. Und so ist es letztendlich auch genau diese Tatsache, die das Ganze so stimmig macht. Man nimmt sich die Zeit, die von der Handlung auch erfordert wird, und versucht nicht überhastet zum Schluss zu kommen. Vielleicht ist dies auch ein Ansatz, den man in künftigen Hörspielen verfolgen sollte, nur müsste eben das Ganze dann auch in einem Set, sprich als Doppel-CD, erhältlich sein. Die Idee, „Mr. Mondos Monster“ als Cliffhanger im Raume stehen zu lassen, ist nämlich äußerst unglücklich, gerade wenn man bedenkt, wie lange man auf die Fortsetzung warten muss. Da wäre es günstiger gewesen, man hätte beides erst im April veröffentlicht, denn bis es endlich so weit ist, hat man schon wieder die Hälfte vergessen und muss wieder von vorne beginnen (was wiederum nicht zwingend von Nachteil sein muss).

Nun gut, dies ist ein wesentlicher Kritikpunkt eines ansonsten tadellosen Hörspiels, bei dem sich die Macher einmal mehr selbst übertroffen haben. In „Mr. Mondos Monster“ findet man wirklich alle Elemente, die in der jüngeren Vergangenheit für diese Serie erprobt wurden: Humor, Spannung und eine entsprechend düstere Atmosphäre. Nicht zu vergessen die tollen Effekte, die hier erneut die Ausnahmestellung dieser Hörspiel-Reihe untermauern.

Auch wenn Kritiker die neuen Folgen von „John Sinclair“ nicht mehr ganz so famos finden, bin ich ganz klar der Meinung, dass sich Oliver Döring bei der tonalen Interpretation von Jason Darks Romanen nach wie vor am oberen Limit aufhält. „Mr. Mondos Monster“ ist nämlich ganz klar eine der besten Produktionen bislang, und wer – abgesehen vom Veröffentlichungsrhythmus – an diesem Hörspiel etwas auszusetzen hat, den kann ich beim besten Willen nicht verstehen.

http://www.sinclairhoerspiele.de/

_|Geisterjäger John Sinclair| auf |Buchwurm.info|:_

[„Der Anfang“ 1818 (Die Nacht des Hexers: SE01)
[„Der Pfähler“ 2019 (SE02)
[„John Sinclair – Die Comedy“ 3564
[„Im Nachtclub der Vampire“ 2078 (Folge 1)
[„Die Totenkopf-Insel“ 2048 (Folge 2)
[„Achterbahn ins Jenseits“ 2155 (Folge 3)
[„Damona, Dienerin des Satans“ 2460 (Folge 4)
[„Der Mörder mit dem Januskopf“ 2471 (Folge 5)
[„Schach mit dem Dämon“ 2534 (Folge 6)
[„Die Eisvampire“ 2108 (Folge 33)
[„Mr. Mondos Monster“ 2154 (Folge 34, Teil 1)
[„Königin der Wölfe“ 2953 (Folge 35, Teil 2)
[„Der Todesnebel“ 2858 (Folge 36)
[„Dr. Tods Horror-Insel“ 4000 (Folge 37)
[„Im Land des Vampirs“ 4021 (Folge 38)
[„Schreie in der Horror-Gruft“ 4435 (Folge 39)
[„Mein Todesurteil“ 4455 (Folge 40)
[„Die Schöne aus dem Totenreich“ 4516 (Folge 41)
[„Blutiger Halloween“ 4478 (Folge 42)
[„Ich flog in die Todeswolke“ 5008 (Folge 43)
[„Das Elixier des Teufels“ 5092 (Folge 44)
[„Die Teufelsuhr“ 5187 (Folge 45)
[„Myxins Entführung“ 5234 (Folge 46)
[„Die Rückkehr des schwarzen Tods“ 3473 (Buch)

Vaughn, Osanna – Schrei des Falken, Der (Das Erbe der Runen)

_Die Autorin_

Osanna Vaughn wurde auf der Insel Jersey geboren, spricht Englisch, Spanisch, Französisch, Deutsch und lebt seit 19 Jahren mit ihrer Familie in Deutschland.

Die Lyrikerin, Übersetzerin und Texterin arbeitete davor bereits in Spanien, Frankreich, Australien und in den U.S.A. Mit ihrem außergewöhnlichen Sprachtalent und ihrer schriftstellerischen Begabung sammelte sie über viele Jahre Erfahrungen in verschiedensten literarischen Disziplinen: Übersetzungen, eigene Artikel, Poesie, Kurzgeschichten, Drehbücher und Songtexte.

_Neue Abenteuer in bekannten Welten_

Osanna Vaughns neuer Roman spielt in der bereits etablierten Welt Nymath, die Monika Felten schon in den beiden Büchern „Die Nebelsängerin“ und „Die Feuerpriesterin“ im Rahmen der Saga „Das Erbe der Runen“ erschaffen hat. Zu einem wesentlichen Teil dazu kreiert, um der jungen Sängerin Anna Kristina einen Unterbau für ihre Musik zu verschaffen, hat sich die Geschichte fortan weiterentwickelt und liefert nun auch die Basis für eine weitere Erzählung aus der Welt Nymath. Allerdings bezieht sich Osanna Vaughn nur auf das Gerüst, das Monika Felten geschaffen hat; die Handlung an sich indes muss völlig losgelöst betrachtet werden und steht komplett für sich alleine – was allerdings nicht heißt, dass ‚erfahrene Leser‘ keinen Vorteil hätten, schließlich tauchen später Figuren wie die Nebelsängerin auf, die man ja bereits aus den vorherigen Romanen kennt.

_Das neue Abenteuer_

Alduin ist der Sohn einer Amazone und eines Raiden und gilt daher als Halbblut. Der Junge lebt gemeinsam mit seiner Mutter in einer einsamen Hütte mitten im Wald und ist dort auch glücklich – bis er eines Tages das Küken eines Falken entdeckt, das sein Leben schlagartig verändern soll. Schnell entwickelt er eine innere Bindung zu dem Vogel, was darauf schließen lässt, dass sich das Erbe seines Vaters immer stärker durchsetzt. Nachdem dieser Bund immer stärker geworden ist, erfährt Alduin von seiner Mutter dann auch, dass sein Vater über die Fähigkeiten eines Raidens verfügte und nicht nur mit den Falken kommunizieren, sondern auch durch deren Augen sehen konnte. Trotzdem ist die Beziehung zwischen Alduin und dem Falken Rihscha äußerst merkwürdig. Alduin ist eigentlich noch viel zu jung, um seine neu entdeckten Eigenschaften zu besitzen, und das bereitet seiner Mutter zunehmend Sorgen. Trotzdem unterstützt sie ihren Jungen und begleitet ihn ein wenig missmutig in die Stadt Sanforan, in der er eine richtige Ausbildung zum Falkner machen soll. Unterwegs dorthin treffen sie auf einen alten Freund von Alduins Vater: Bardelph.

Zu dritt setzt die Gemeinschaft ihre Reise nach Sanforan fort und kommt nach dem kurzen Verschwinden des Falken endlich in der Stadt an.
Vor Ort fühlt Alduin sich allerdings nicht sonderlich wohl: Skepsis wird dem jungen Falknerschüler entgegengebracht, und auch wenn er große Fortschritte im Umgang mit seinem Tier macht, brandet ihm von überall her Neid wegen seines tollen Falken entgegen. Doch das Halbblut setzt sich durch und gewinnt schließlich doch noch neue Freunde. Als dann alles perfekt zu sein scheint, beginnen nächtliche Visionen den Jungen zu quälen. Immer schlimmer werden seine Albträume und alsbald realisiert er, dass ihm auch die Fähigkeiten seiner Mutter vererbt wurden. Alduin hat das zweite Gesicht, mit dem er sowohl in die Vergangenheit als auch in die Zukunft sehen kann. Und mit dieser Gabe liegt es nun in seiner Hand, Nymath vor der nächsten großen Bedrohung zu retten …

_Meine Meinung_

Nun, erst einmal muss ich sagen, dass ich ausgesprochen erleichtert bin, denn nach den beiden durchschnittlichen Vorstellungen, die im Rahmen dieser Reihe bislang erschienen sind, ist „Der Schrei des Falken“ ein vorzüglicher Fantasy-Roman, der neben durchgängiger Spannung vor allem mit einer sehr abenteuerlichen Atmosphäre auftrumpft, die man in den Büchern von Monika Felten meist vergeblich suchte. Dazu ist es aber auch wichtig zu wissen, dass Osanna Vaughn hier primär auf ein ganz anderes Lesepublikum abzielt. „Der Schrei des Falken“ ist nämlich schon eher ein Jugendroman, dessen junger Hauptcharakter sehr schnell zu einer Identifikationsfigur für die angesprochene Leserschaft werden soll und es schlussendlich auch wird – was aber natürlich nicht heißen soll, dass das Buch daher für Erwachsene weniger empfehlenswert wäre. Das genaue Gegenteil ist der Fall: Osanna Vaughn bewahrt sich durch ihren jugendlich-frischen Schreibstil eine ganz wichtige Eigenschaft, nämlich die Motivation, seine eigene Vorstellungskraft immer wieder aufs Neue zu bemühen und so auch Aspekte eines modernen Märchens in die Geschichte mit einfließen zu lassen.

Besonders gelungen sind der Autorin dabei die Beschreibungen der Beziehung Alduins zum Falken sowie die Charakterisierung der beiden vererbten Fähigkeiten. Der weise Falkner und der mysteriöse Seher – Alduin verinnerlicht zwei Eigenschaften, die in diesem Roman eine sehr schöne Entwicklung durchleben, bei der man erst gar nicht auf die Idee kommt, sie irgendwie in Frage zu stellen. Und ist dies nicht gerade die besondere Kunst in einem Buch für das etwas jüngere Publikum?

Apropos Jugendroman: Das bekannte Szenario eines ’normalen‘ Fantasyromans, also groß angelegte Schlachten, wirlklich finstere Mächte und üble Beschwörungen, findet man in „Der Schrei des Falken“ nicht. Stattdessen wendet sich das Buch eher an die Träumer unter den Lesern; diejenigen, die einfach ein spannendes Abenteuer erleben wollen und in ihrer Fantasywelt auch nur Elemente dulden, die einem solchen Abenteuersinn zuträglich sind.

Osanna Vaughn hat hier eine nahezu perfekte Balance gefunden; sie nutzt die bereits vorhandenen Eckpunkte der Welt Nymath, indem sie die zauberhaften Eigenschaften hervorhebt, kreiert in den jüngeren Figuren echte Identifikationsfiguren und erzählt so eine Geschichte, die frei von Gewalt, Krieg und Bösartigkeit zu fesseln vermag. Und genau damit gelingt ihr das, was Monika Felten in „Die Feuerpriesterin“ und „Die Nebelsängerin“ nicht erreicht hat, nämlich den Leser zu keiner Sekunde zu langweilen und das Buch nicht zu vorhersehbar zu gestalten.

Wer also von den ersten beiden Teilen von „Das Erbe der Runen“ enttäuscht war, sollte hier trotzdem mal reinschauen, denn in „Der Schrei des Falken“ wird der Ruf der Serie wieder erheblich aufgebessert.

Dem Buch liegt auch wieder eine CD mit drei mystischen Kompositionen bei, die als Soundtrack zur Erzählung fungieren. Wiederum hat Anna Kristine hier den Part der Sängerin übernommen, deren Texte übrigens aus der Feder der Autorin stammen. Ebenso wie beim Buch, dem bald eine zwingend erforderliche Fortsetzung folgen soll, wünscht man sich hier sehr schnell mehr.

Fazit: Ein rundum gelungenes, jugendlich frisches Fantasy-Buch mit tollen Charakteren, einer herrlichen Atmosphäre und einer durch und durch spannenden Handlung.

|Ergänzende Rezensionen:|
[Die Nebelsängerin 635
[Die Feuerpriesterin 2017

http://www.daserbederrunen.de/

Baier, Michael R. – Coruum Volume 1

Bereits während seiner Studentenzeit hat Michael R. Baier die Idee zu „Coruum“ gehabt und diese nach und nach weiterentwickelt, bis er dann schließlich eine komplette Trilogie hat reifen lassen, die auch den Beinamen YLIS (Your Life In Space) trägt. Weil ihm die Herausgabe seines Romans (natürlich) ein sehr großes Anliegen war, sich aber erst einmal kein Vertrieb gefunden hat, hat sich der Autor ein Herz gefasst und „Coruum“ in Eigenreigie – allerdings auf tausend Exemplare limitiert – selber auf den Markt gebracht. Daher ist bei Interessenten, von denen es bei diesem vorzüglichen Science-Fiction-Trip sicherlich genügend geben sollte, Eile angesagt; zum einen, weil die Bücher sonst vergriffen sind, bevor man sich auf die Suche macht, und andererseits, damit sich schon bald jemand findet, der die Trilogie großflächig vertreibt und so auch einem breiteren Publikum zugänglich macht. Potenzial ist nämlich definitiv geboten.

_Story_

Ein Forscherteam entdeckt bei einer Serie von Ausgrabungen eine seltsame Maya-Stele, auf der die Archäologen neben bekannten Hieroglyphen auch fremde Symbole finden. Bevor man diese jedoch näher erforschen kann, kommt es zu einem tragischen Zwischenfall, bei dem Dr. Pete Williams, der Entdecker der Stele, ums Leben kommt.

Karen Whitewood, die Leiterin des Projekts, bindet aufgrund der prekären Situation ihren alten Freund Donavon MacAllon in die Untersuchungen ein. MacAllon, ein alter Studienkollege von Kareen, gilt nämlich als einer der weltweit fähigsten Experten auf dem Gebiet altertümlicher Schriften und Kalendersysteme und ist sofort Feuer und Flamme für diesen Einsatz, zumal er auch auf persönlicher Ebene eine ganz besondere Verbindung zu Karen hat.

Das Team entdeckt schließlich eine uralte, geheime Kammer und stöbert dort eine hochmoderne Bibliothek auf, die Donovan und Karen vor ein kolossales Rätsel stellt. Außerdem wissen sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht, dass durch ihren Eingriff in diesen Raum eine Hologrammbotschaft losgeschickt wird, die in einer anderen Welt für Aufruhr sorgen soll. Doch weil auch das CIA an den seltsamen Funden interessiert ist, schöpfen die beiden bereits Verdacht, dass hier etwas nicht mit rechten Dingen zugeht …

Währenddessen herrscht in der Region des Roten Nebels Alarmbereitschaft. Dort ist nämlich eine Botschaft von einem bis dato unbekannten Planeten eingetroffen. In diesem Gebiet leben drei mächtige Verbände nebeneinander, die allerdings vollständig unterschiedliche Interessen verfolgen. Im Mittelpunkt stehen dabei die konträren Ansichten des Zentrums, einer Handelsorganisation, der zudem die Kampfeinheit Z-Zemtohy angeschlossen ist, und der Sieben Königshäuser, die sich auf die Forschung und das Bilden einer Militätmacht spezialisiert haben. Quasi als neutraler Vermittler steht zwischen ihnen die Kirche, die zwar in Form eines Ritterordens auch eine Art Heer etabliert hat, im Grunde genommen aber eher die Rolle der intellektuellen Schicht einnimmt.

Als nun diese mysteriöse Botschaft eintrifft, droht der Frieden zwischen den drei Mächten endgültig zu zerbrechen. Sowohl die Fraktion der Königreiche als auch Entsandte des Zentrums erpressen aus Vertretern der Kirche das Wissen um die unbekannte Erde und machen sich auf den Weg zu dem plötzlich ins Bewusstsein gerückten Planeten. Beide haben ähnliche Ziele, wobei besonders das Zentrum die Hinterlassenschaften der eigenen Vergangenheit auf der Erde beseitigen möchte. Vor Ort eskaliert schließlich der Konflikt zwischen den außerirdischen Parteien, und mitten in der Auseinandersetzung zwischen Zentrum und den Sieben Königshäuser drohen Donavon, Karen und ihr Forschungsteam zu hilflosen Spielbällen der verfeindeten Mächte zu werden …

_Meine Meinung_

Wie so oft, wenn ein Autor auf einen eher einfachen Schreibstil zurückgreift, setzten sich auch zu Beginn dieses ziemlich langen ersten Teils der „Coruum“-Saga erste Bedenken in Gang, denn schließlich ist die Schreibtechnik ja zur Erschaffung eines spannenden Plots von einer nicht zu unterschätzenden Bedeutung. Hinzu kommt, dass sich Michael R. Baier mächtig viel Zeit lässt, um den Hauptcharakter Donavon vorzustellen und dessen Beschreibung als ‚echten, traditionellen Schotten‘ bisweilen etwas langatmig wirkt, gerade wenn man bedenkt, dass das Erzähltempo auf den ersten Seiten schlichtweg rasant ist und die hier kreierte Spannung sofort wieder ihren Effekt einbüßen muss.

Richtig in Fahrt kommt die Geschichte daher erst nach circa hundert Seiten und somit auch erst ab dem Moment, an dem die fremden Mächte in die Handlung eingreifen. Spätestens hier wird dann aber auch klar, welches komplexe Konstrukt sich Baier für seine Erzählung ausgedacht hat und wie tiefgreifend die vielfältigen Konflikte zwischen den einzelnen Völkern tatsächlich sind. Schon fühlt man sich wieder besänftigt und versteht, warum es mitunter etwas länger dauert, bis man dann mit allen Charakteren und Gruppierungen vertraut gemacht wurde, und warum auch schon mal die Hälfte des Buches verschlungen werden muss, um die komplexe Vorgeschichte halbwegs zu begreifen.
Und dennoch fällt es auch im weiteren Verlauf des Buches nicht gerade leicht, die einzelnen Verstrickungen auf Anhieb zu verstehen und einzuordnen, was der Spannung von „Coruum“ aber in diesem Falle erheblich zugute kommt. Der Autor lässt sich sehr viele Freiräume, durch die wiederum eine Vielzahl von Optionen für die Fortsetzung der Handlung entsteht, und trotzdem wird das Ganze nie zu verworren, weil Baier die nötige Ruhe mitbringt und die einzelnen Puzzlestücke nach und nach miteinander verbindet. Sollte also beim Leser irgendwie Hektik entstehen bzw. das Verständnis verloren gehen, liegt das sicherlich nicht an der Art und Weise, wie der Autor die Geschichte voranfließen lässt.

Das Entscheidende an „Coruum“ ist aber die Vielzahl von neuen Elementen, die Baier in die bekannten Elemente seiner Science-Fiction-Story einbettet. Gerade die Darstellung der menschenähnlichen Weltraumwesen ist ihm hierbei vorzüglich gelungen. Zwar findet man auch hier eine arg kriegerische Rasse Außerirdischer vor, doch ihre überaus humanen Züge und die sehr eigenwillige Kultur sind Neuland, ebenso wie die Einbeziehung einer Kirche als gebildete, höhere Macht, der aber in dieser Geschichte weitestgehend die Hände gebunden sind. Zudem hat „Coruum“ auch Thrillercharakter, was sich durch die Vorgeschichte der einzelnen Völker ergibt. Michael R. Baier vermischt hier verschiedene Versatzstücke aus Science-Fiction, Fantasy, historischem Roman und Mystery-Thriller zu einer fortschrittlichen Einheit, die in ihrer Verbindung überraschend gut funktioniert – wahrscheinlich, weil die ausschweifenden Darstellungen nie in irgendeiner Weise abgehoben oder unnatürlich erscheinen.

Trotz der zahlreichen Verbindungen ist die Geschichte nämlich sehr bodenständig und lässt sich nie als reine Science-Fiction identifizieren; der Bezug zur Realität ist dafür einfach zu oft gegeben, und das ist ein zusätzlicher Reiz, deren Wirkung erstaunlich groß ist.

Auch wenn der erste Roman noch sehr viele Fragen aufwirft, kann man sich bereits gewiss sein, dass hier noch etwas Großes auf den Leser wartet. Nach fast 600 Seiten hat der Plot gerade erst so richtig begonnen, und durch das recht abrupte und gemeine Ende ist der Wunsch, sehr bald mehr über „Coruum“ in Erfahrung zu bringen, recht groß. Bis dahin bleiben erst einmal nur ein Blick auf die [Homepage]http://www.coruum.com des Projekts und ein sehr überzeugender Eindruck als ‚Trost‘. Eine Information dazu am Rande: Diese erste Auflage ist fast ausverkauft und wird ab März neu lektoriert und neu gedruckt sowie mit leicht verändertem Cover auf den Markt kommen.

Michael Baier hat es jedenfalls geschafft, den Leser mit einfachen erzählerischen Mitteln und einer klug verflochtenen Erzählung aus der Reserve zu locken. Nach der Pflicht folgt jetzt hoffentlich schon bald die Kür!

Nordmann, Michael – 1000 Fußballer – Die besten Spieler aller Zeiten

Es ist so weit, das Jahr der Fußball-WM im eigenen Land ist angebrochen, und überall laufen die Vorbereitungen auf Hochtouren. Die beste Weltmeisterschaft aller Zeiten soll es werden, und was die Vermarktung des World Cups betrifft, ist sie dies wahrscheinlich jetzt schon. Fußball, wohin man schaut, der König des Sports regiert das Land, und selbst potenzielle Nicht-Interessenten sind plötzlich Feuer und Flamme.

Doch niemals wäre das Interesse am runden Leder so groß, hätte der Sport nicht einige schillernde Persönlichkeiten hervorgebracht, die einerseits gehasst und verachtet, andererseits aber auch wie Popstars behandelt und abgefeiert wurden. Michael Nordmann hat sich nun die – seiner Meinung nach – 1000 besten und bekanntesten Fußballer aller Zeiten herausgepickt und in einem umfassenden Sach- und Bildband aufgelistet, bei dem nicht nur Insider mit der Zunge schnalzen werden. Man mag zwar darüber streiten, ob diese Liste der hier aufgeführten Stars wirklich repräsentativ für die Geschichte des Fußballs ist, zumal hier überraschend viele deutsche Spieler auftauchen, aber vom reinen Info- und Unterhaltungswert her betrachtet, ist „1000 Fußballer“ schon auf den ersten Blick ein richtiger Goldschatz.

Nordmann stellt die Sporthelden in einer alphabetischer Abhandlung vor und mischt so verschiedene Generationen von Fußballern zusammen, was manchmal schon ein wenig seltsam anmutet. So steht ein noch recht junger Spieler wie Zouebeier Baya direkt neben einer Legende wie Franz Beckenbauer, Griechenlands EM-Held Angelos Charisteas wird in einem Atemzug mit dem britischen Idol Jack Charlton genannt und Hany Ramzy teilt sich den Raum mit seinem ehemaligen Coach Otto Rehhagel. Und so entstehen hier zahlreiche seltsame Kombinationen, bei denen man dann ins Schmunzeln gerät.

Namen wie Carsten Jancker, Marco Bode, Steffen Freund oder Thorsten Fink – nur um mal ein paar Beispiele zu nennen – haben meiner Meinung nach in diesem Buch absolut nichts verloren, weil ihre Verdienste für den Fußball sich dann doch in Grenzen halten. Klar, man kann nicht sämtliche Jahrgänge der brasilianischen Nationalmannschaft auflisten, aber es ist schon so, dass „1000 Fußballer“ jetzt nicht zwingend auch die 1000 wichtigsten und besten Fußballer enthält. Diese Kritik muss sich der Herausgeber gefallen lassen, aber ich denke, das ist ihm auch bewusst. Andererseits wird sich der etwas jüngere Fan natürlich darüber freuen, den ein oder anderen Lieblingsspieler aus der aktuellen Fußballergeneration in diesem Buch zu finden, und das hat wahrscheinlich – ich kann nur mutmaßen – auch eine wichtige Rolle bei der Erstellung dieses Bandes gespielt.

Andererseits sind natürlich wirklich alle wichtigen Namen enthalten. Beckenbauer, Pelé, Maradonna, Ronaldo, und wie sie alle heißen, aber auch anscheinend vergessene Stars wie Gary Lineker, Roger Milla, Carlos Valedrama oder seinen Landsmann René Higuita. Man findet sie alle wieder, und je mehr man sich in das Buch vertieft hat, versteht man auch zunehmend die Misere, wie schwer es eigentlich ist, 1000 verdiente Sportler zu sammeln, und dabei auschließlich Spieler zusammenzuwürfeln, die auch tatsächlich hierhin gehören. Den subjektiven Geschmack außen vor zu lassen und trotzdem eine repräsentative Auswahl zu treffen, das war die Herausforerung, und diese wurde rein faktisch super gelöst, da muss dann die eigene subjektive Meinung (die ja oben schon beschrieben wurde) auch mal hintenan stehen …

Von der Auswahl zum Inhalt, und hier zeigt sich dann auch das wirklich Besondere an diesem opulent und sehr nobel aufgemachten Buch. Alle Spieler werden mit teils aktuellen, teils recht alten Aufnahmen vorgestellt, und diejenigen Stars, die der Fußballwelt wohl auf ewig in Erinnerung bleiben, haben dazu noch eine große Extraseite bzw. einen zusätzlichen Infokasten bekommen. Zu jedem Foto gibt es außerdem einen Kurzbericht sowie einen kurzen Überblick mit Fakten und Tatsachen aus der Karriere des jeweiligen Fußballers. Beschrieben werden Geburtsdatum, Nation, die Stationen als Spieler, WM-Spiele/Tore, Ländespiele/Tore und die Teilnahmen an der Weltmeisterschaft. Der einzige Kritkpunkt, den man hier anbringen kann, hat ebenfalls wieder etwas mit der Auswahl zu tun, und in diesem Fall mit der Auswahl der Fotos. Giovane Elber im Mönchengladbach-Trikot, Preben Elkjaer-Larsen auf einem lieblosen Ausschnitt eines Mannschaftsfotos oder Eric Gerets auf der Trainerbank – manchmal wäre sicherlich ein repräsentativeres Foto angebrachter gewesen, aber glücklicherweise sind die meisten Aufnahmen den sportlichen Höhepunkten der Spieler entnommen. Ansonsten gibt es hinsichtlich der Darstellung der Fußballer nichts auszusetzen, zumal die Darstellungen und die einzelnen Anekdoten wirklich in einen kurzweiligen, informativen Text eingebunden wurden.

Auch wenn es leichte kritische Ansätze zu verfolgen gilt, ist dieses Buch für jeden Fußballfan (nicht nur als Vorbereitung für die WM) ein echtes Muss. Hier findet man sie alle wieder, die wichtigen Gesichter der wohl wichtigsten Nebensache der Welt, und das in einem exzellent aufgemachten Buch, an dem man sehr lange seine Freude haben wird. Und aufgrund der eher drögen Konkurrenz will ich sogar so weit gehen und behaupten, dass „1000 Fußballer“ in seiner Sparte Referenzklasse ist – selbst mit einigen kleinen Schönheitsfehlern. Der geringe Preis von gerade mal 14,95 € sollte dann auch die letzten Zweifel ausräumen und die Vorbehalte auflösen. Das Geld ist jedenfalls sehr gut angelegt!

Kerley, Jack – letzte Moment, Der

Jack Kerley wird als der Shootingstar der amerikanischen Krimiszene gefeiert. Bereits mit seinem ersten Roman, dem Thriller „Einer von hundert“, gelang ihm in seiner Heimat der Durchbruch, und auch in Deutschland wurde man schnell auf den Autor aus Newport, Kentucky, aufmerksam. Nun legt der Erfolgsautor nach: In „Der letzte Moment“ widmet er sich seiner Passion für die berüchtigte Manson-Familie und verpackt seine Faszination für Massenmörder in einen unheimlich spannenden, fiktiven Krimi.

_Story:_

Anfang der Siebziger steht der berüchtigte Serienmörder Marsden Hexcamp nach langem Ringen endlich vor Gericht und muss sich für seine Taten verantworten. Vor dem Gerichtssaal wartet eine ständig weinende, junge Dame auf den Urteilsspruch, der – das ist nicht anders zu vermuten – die Todesstrafe mit sich bringen wird. Doch genau diese junge Dame kommt dem Richter zuvor und erschießt zunächst ihren anscheinend Geliebten und danach sich selbst, um den Ermittlern ein letztes Mal ein Schnippchen zu schlagen und die Kunst, die Hexcamp während seiner Lebenszeit zelebrierte, ein letztes Mal in einer gewaltigen Inszenierung zum Leben zu erwecken.

Dreizig Jahre später hat der Fall den ehemaligen Detective Jacob Willow noch immer nicht losgelassen. Willow, der damals bei der Urteilsverkündung ebenfalls anwesend war, die Tragödie aber nicht mehr verhindern konnte, hat sich seither mit dem skurrilen Fall beschäftigt und fleißig Anhaltspunkte finden können, die hinter dem Erbe Hexcamps eine sektenartige Gruppierung vermuten lassen, doch zu fassen bekommen hat Willow von diesem Verbund nie jemanden.

Nun wird aber in einem Motel eine brutal zugerichtete Leiche gefunden, und plötzlich steht der Name Hexcamp wieder im Brennpunkt der Ermittlungen. Die beiden Polizisten Carson Ryder und Harry Nautilus werden auf den Fall angesetzt und wollen so den Ruf, den ihnen gerade die Ehrung zur besten Polizeitruppe der Stadt erbracht hat, bestätigen. Allerdings geraten die Ermittlungen arg ins Stocken: einerseits, weil ein Fernsehteam um die nervige Journalistin Dansbury keine Ruhe geben will und Harry und Carson ständig in Rage bringt, und andererseits, weil der Fall noch weitere Leichen nach sich zieht, deren Tode offensichtlich mit dem Mord im Motel zusammenhängen. Der einzige Aufhänger für die beiden Cops sind einige Fetzen eines Bildes.

Als sie eines Tages mit dem berenteten Jacob Willow in Kontakt treten, entdecken sie die Parallelen zum Fall Hexcamp und rollen die Verbrechen des ‚Altmeisters‘ neu auf. Tatsächlich führt die Spur zu einer Untergrundorganisation, die damals von Hexcamp angeführt wurde, und weiterhin zu einer bizarren Gruppe Menschen, die sich mit dem Nachlass und den Tatwaffen berühmter Massenmörder beschäftigt und diese auch sammelt. Je abscheulicher das Instrument, desto höher der künstlerische Wert und somit auch der Preis – eine grausame Tatsache, mit der sich Carson Ryder auseinandersetzen muss, und die ihn schließlich auch zu einer fanatischen Anhängerin Hexcamps führt, bei der sich der Polizist weitere Infos holen kann.

Dennoch: Die Zusammenhänge wollen dem Team nicht klar werden, und erst als auf Geheiß ihres Chefs die verachtete Mrs. Danbury zum Team stößt, geht es voran. Gemeinsam reisen Ryder und Dansbury nach Paris und bekommen dort einen entscheidenden Tipp und weitere Hintergründe zum Aufstieg von Marsden Hexcamp. Doch erst der Zufall will es, dass Carson der Sache auf die Schliche kommt – doch da ist es schon zu spät …

_Meine Meinung_

Action von Anfang an; Jack Kerley legt sofort richtig los. Die ersten Szenen aus dem Gerichtssaal sind direkt enorm actiongeladen und zerren den Leser auch umgehend in die Geschichte hinein. Doch genauso schnell, wie man Zugang zur Story um Marsden Hexcamp gefunden hat, wird man auch wieder in die erzählte Gegenwart geworfen, in der die beiden Cops Ryder und Nautilus gerade ausgezeichnet werden. Von hier an wird die Geschichte aus der Perspektive Ryders erzählt, hat aber fortan auch einige Startschwierigkeiten.

Eine Leiche wird gefunden, ein Journalistenteam penetriert die Polizei ohne Unterlass und mittendrin steht das stets sehr reizbare Duo Ryder/Nautilus, ohne eine Ahnung von den tatsächlichen Vorgängen. Enttäuschung macht sich breit, bis dann plötzlich Zusammenhänge zum alten Mordfall aufgedeckt werden und das Buch umgehend auch wieder an Farbe gewinnt. Nun sieht sich der Leser dazu veranlasst, beide Geschichten parallel zu verarbeiten, doch sobald man glaubt, sich endlich Klarheit verschafft zu haben, ist Jack Kerley einem auch schon wieder einen Gedankensprung voraus und führt den Leser auf die nächste (falsche) Fährte. Plötzlich steht ein vermisster Anwalt im Raum, eine seltsame Anwaltsfirma wird verhört und verdächtigt, Ryders Bruder, der sich wegen eines Mordes auf Lebenszeit im Gefängnis befindet, kommt als entscheidendes Element in Betracht und immer wieder tauchen neue Personen auf, die mit der Serie in Verbindung gebracht werden bzw. irgendwie mit hineingezogen wurden.

Na also, da haben wir ihn doch, den genialen Thriller mit seinen zahlreichen Wendungen und den vielen Charakteren, die zwar meistens etwas eigenartig sind, im Hinblick auf ihre Ausstrahlung aber stets am Boden des Realistischen verbleiben. Auch wenn die beiden Ermittler prinzipiell in die Rolle der Helden hineingedrängt werden, drohen sie nicht abzuheben und werden nicht schlagartig zu Superhelden, die mit spielerischer Leichtigkeit aus einem kleinen Indiz einen Fall von enormer Tragweite lösen, was der gesamten Story dann auch sehr zugute kommt.

Außerdem verschwendet Kerley im Laufe der Geschichte auch nie seine Erzählzeit damit, irgendwelche persönlichen Dramen in die Story zu integrieren. Die Konzentration gilt einzig und alleine den Ermittlungen und dem mysteriösen Fall um Marsden Hexcamp, den verschwundenen Anwalt und die neue Mordserie, deren Ursprünge mehrere Dekaden weit zurückgehen – alles super in Szene gesetzt und nach anfänglichen Längen mit einem sehr, sehr hohen Erzähltempo vorangebracht.

Am Ende ist dann auch klar, warum Kerley als Shootingstar gefeiert wird. Stilistisch stets bodenständig und in Bezug auf die Handlung immer nahe am Geschehen, ist „Der letzte Moment“ ein wirklich toller Mix aus Krimi und Thriller geworden, dessen besonderer Reiz in der Faszination für das Unmenschliche liegt. Kerleys Vorliebe für das Thema „Massenmörder“ und die daraus resultierenden, detailreichen Beschreibungen der bizarren Mordfälle verhelfen dem Roman schließlich zum international tauglichen Referenzformat und entlocken mir eine uneingeschränkte Empfehlung für diesen aufstrebenden Autor.

Schami, Rafik – dunkle Seite der Liebe, Die (Lesung)

_Der Autor_

Rafik Schami wurde 1946 in Damaskus/Syrien geboren. 1965 bis 1970 Gründung und Leitung der Wandzeitung „Al-Muntalek“ im alten Stadtviertel von Damaskus. 1971 wanderte er in die Bundesrepublik Deutschland aus, bis 1979 arbeitete Rafik Schami in Fabriken und als Aushilfskraft in Kaufhäusern, Restaurants und Baustellen und studierte Chemie. 1971 bis 1977 Veröffentlichungen in Zeitschriften und Anthologien in arabischer und deutscher Sprache; seit 1982 freier Schriftsteller.

_Die große Geduldsprobe_

21 CDs, 1590 Minuten – niemals hätte ich mir träumen lassen, dass ich die Geduld aufbringen würde, ein so langes Hörbuch in relativ kurzer Zeit durchzuhören, wahrscheinlich auch, weil ich die Audio-Fassungen besonders dann liebe, wenn sie schnell auf den Punkt kommen. Nun, also beginne ich kurze Zeit nach Erhalt der schmucken Box zu „Die dunkle Seite der Liebe“ damit, tagtäglich variierend zwischen ein und vier Stunden, dieses Hörbuch in mich aufzunehmen und mich immer tiefer in die Heimatwelt des Autors zu versetzen. Es sollte nicht lange dauern, da wurde aus der anfänglich befürchteten Geduldsprobe eine der tollsten Traumreisen, die man sich überhaupt vorstellen kann, und von der man sich wünscht, dass sie niemals ein Ende findet. 21 CDs, 1590 Minuten – niemals hätte ich gedacht, dass diese Zeit wie im Flug vergeht …

_Story_

Die Clans der Muschtaks und der Schahins leben in einem kleinen syrischen Bergdorf, in dem die Mehrzahl der Einwohner sich dem christlichen Glauben verschrieben hat. Jedoch wird hier zwischen der orthodoxen und der katholischen Form unterschieden, und dies ist auch ein wichtiger Aspekt, der die beiden Clans voneinander entfremdet und das Dorf in zwei Fraktionen teilt.

Die Feindschaft zwischen den Muschtaks und den Schahins wird vom alten Georg Muschtak verursacht, der eines Tages in diesem Dorf aufkreuzt, sich sehr schnell Ansehen verschafft und wegen seines damit einhergehenden Reichtums manchen Leuten ein Dorn im Auge ist. So zum Beispiel Jusuf Schahin, einem Pferdezüchter, der ebenfalls vom Erfolg verwöhnt ist. Aus einer anfägnlichen Rivalität entsteht im Laufe der Zeit ein immer tieferer Hass, der sogar so weit geht, dass die beiden Parteien Attentate gegeneinander begehen. Was mit verbalen Anfeindungen beginnt, artet immer mehr aus; Brandanschläge sind die Folge und Mord eines der Resultate.

Der Hass der Clans wird auch auf die nächste Generation übertragen. Georgs Sohn Elias ist ebenfalls davon betroffen, vertritt aber nicht alle Meinungen seines Vaters und setzt sich eines Tages mit seiner Frau in die syrische Hauptstadt Damaskus ab, um sich dort ein neues Standbein aufzubauen. Dort wächst auch der gemeinsame Sohn Farid auf, der eines Tages auf Geheiß seines Vaters in ein Kloster gesteckt wird, um dort eine religiöse Ausbildung zu genießen. Dort geht Farid jedoch mental zugrunde; überall schlägt ihm Hass entgegen, und nachdem sich die geliebte Mutter zu seinen Gunsten eingesetzt hat, entkommt Farid der harten Erziehung in der kirchlichen Einrichtung.

Kurze Zeit später findet der junge Farid dann sein Glück; er lernt die gleichaltrige Rana kennen und verliebt sich prompt in das hübsche Mädchen. Die Voraussetzungen scheinen perfekt; beide sind Christen und müssen deshalb auch keine Probleme befürchten, die auf ihrer Religionszugehörigkeit beruhen. Doch Rana gehört dem Schahin-Clan an, und ihre Eltern haben nicht vergessen, welche Greueltaten zwischen dem eigenen Clan und den Muschtaks geschehen sind. Auch Elias ist der neuen Liebe seines Sohnes nicht wohl gesonnen und spricht sich deutlich gegen den Clan der Schahins aus.

Farid und Rana erfahren die nach wie vor existierende Feindseligkeit der beiden Familien und fürchten, ihre verbotene Liebe aufgeben zu müssen. Ihr Plan, vor der Vergangenheit und dem familiären Ursprung zu flüchten, scheitert und artet in einem Eklat aus. Und von nun an bekommen sie den Hass der beiden Familien erst richtig zu spüren …

_Meine Meinung_

„Die dunkle Seite der Liebe“ beleuchtet das Thema Liebe in vielen miteinander verbundenen Kurzgeschichten in all seinen Facetten. Die hingebungsvolle Liebe zum anderen Geschlecht, die Verbundenheit zum Clan und der Familie, die Unterwürfigkeit zugunsten der Sippe und die von der Religion auferlegte Liebe zu einer höheren Macht. Rafik Schami beleuchtet das prickelnde Thema am brisanten Schauplatz seiner eigentlichen Heimat Syrien im Jahre 1953 und verknüpft die verschiedenen Handlungsabläufe mit vielen sozialen, hier völlig fremden kulturellen Problemen und Begebenheiten, die einerseits menschlicher gar nicht sein könnten, andererseits dann aber wieder so grob gegen die Menschlichkeit verstoßen, dass man nur mit Entsetzen reagieren kann. Schami beschreibt vor allem den Hass sehr ausführlich und löst dabei eine beklemmende Atmosphäre aus, der man sich während der gesamten Spielzeit nicht mehr entziehen kann. Die Darstellung der mentalen und psychischen Gewalt mag im Beispiel so simpel klingen, ist aber im Gesamtzusammenhang überaus erschreckend, weil all das so authentisch wirkt. Dem Autor gelingt es wirklich fabelhaft, uns in die scheinbar so ferne Kultur zu entführen, uns die sozialen Bräuche näher zu bringen, die Einstellungen der beteiligten Personen deutlich zu machen und trotzdem nie die Handlung aus den Augen zu verlieren.

Der Aufbau der Geschichte erinnert dabei teilweise an die typischen Märchen aus Tausendundeiner Nacht. Schami, und im Falle des Hörbuches auch noch die beiden Kollegen Markus Hoffmann und Andrea Hörnke-Trieß, erzählen von der verbotenen Liebe in vielen kurzen, aber immerzu bewegenden Episoden, schweifen zwischendurch immer mal wieder etwas ab, um so die negative Stimmung ein wenig aufzuheben, verfehlen aber in keiner der abgeschlossenen Kurzgeschichten das Thema, sprich die Handlung, an der sich die einzelnen Teile (mehr als 300 an der Zahl) ausnahmslos orientieren.

Schamis Geschichte hat neben den dramatischen Schilderungen aber vor allem eines: eine sehr poetische, teils romantische, teils verführerische Ausstrahlung, die den Hörer kaum noch loslässt. Es geht unter die Haut, wenn der Autor sich langsam an die Unterdrückung der Anziehung und Leidenschaft zwischen Farid und Rana herantastet und dabei sehr behutsam auf die dabei mitspielenden Emotionen eingeht. Dass Schami dabei nicht ein einziges Mal in die Richtung einer schwülstigen Love-Story abdriftet, versteht sich fast von selbst. Es ist auch nicht dringend die Liebe zwischen den beiden Protagonisten, die im Mittelpunkt des Geschehens steht, denn stellenweise dient sie nur als Aufhänger für das, was der Autor in seinem Titel anspricht: die dunkle Seite dessen, was in der europäischen Kultur meist sehr oberflächlich abgehandelt wird, im nahen Osten aber nach wie vor kein Standard ist, den man mal eben so in die Tat umsetzen kann – damals in der Zeit der Handlung genauso wenig wie heute!

Was genau ist „Die dunkle Seite der Liebe“ nun wirklich? Nun, es ist eine Geschichte voller kontrastreicher Emotionen und Gefühle, die Charakterisierung einer problembehafteten, noch immer von ihren Ursprüngen zehrenden Kultur, eine detaillierte Beschreibung der Weigerung von Akzeptanz und Toleranz, ein Stück vergangene und dennoch aktuelle Zeitgeschichte, ein Gleichnis mitsamt der Wechselwirkung von Hass und Verbundenheit und letztendlich die Geschichte zweier Personen, die in ihre aussichtslose Situation hineingeboren werden, und denen von Anfang an nicht erlaubt ist, als freie Menschen zu leben.

Schamis Monumentalwerk hat mich sehr tief bewegt, und gerade zum Schluss hat es mir auch gezeigt, wie man mit einer Geschichte verwachsen und sich mit ihr verbunden fühlen kann. „Die dunkle Seite der Liebe“ ist in der Tat eine Traumreise, die einen aus der Realität entfernt und in eine fremde Realität zurückholt. Was ich aber noch viel erstaunlicher finde: Während der gesamten Spielzeit verspürt man den Drang, immer und immer weiter zu hören, und am Ende tut es weh, wenn die Erzählung endet. Das hätte ich bei einer solch enormen Spieldauer nie und nimmer erwartet, denn schließlich befürchtet man bei mehr als 26 Stunden Spielzeit ja einzelne Längen. Doch es gibt sie nicht. Sehr, sehr bemerkenswert! „Die dunkle Seite der Liebe“ ist ein echter Goldschatz, ein mitreißendes Meisterwerk, eine grandiose Darstellung der Gepflogenheiten einer fremden Kultur und schließlich ein Stück Liebe, wie man sie garantiert noch nie erfahren hat.

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