Alle Beiträge von Kirsten Braselmann

Hyland, Tara – Haus der Melvilles, Das

_Inhalt_

Die junge Irin Katie O’Dwyer ist glücklich, einen Job als Verkäuferin in dem mondänen Modehaus Melville bekommen zu haben – doch sie kann nicht ahnen, dass diese Arbeit ihr Leben für immer verändern wird: Sie lernt den Besitzer William Melville kennen und lieben. Und obwohl sie genau weiß, dass eine Affäre mit einem verheirateten Mann und Familienvater für sie nur schlecht ausgehen kann, kann sie dem Charisma Williams nicht widerstehen.

Das erwartete Ende folgt auf dem Fuße. Schwanger und einsam kehrt Katie nach Irland zurück, um ihr Kind allein aufzuziehen. Anderthalb Jahrzehnte später ist sie tot und hinterlässt eine fünfzehnjährige Tochter, die noch völlig traumatisiert von ihrem unbekannten Vater nach London geholt wird: In ein fremdes, großes Haus, zu einer fremden Frau, zu zwei fremden Schwestern. Caitlin ist einsam, die drei Mädchen grundverschieden. Sie durchlaufen dieselbe Schulausbildung, doch dann werden die Weichen neu gestellt. Ihre Lebenswege ähneln sich kaum, wenn auch alle auf dem Weg zu ihrem jeweiligen Traum durch verschiedene Höhen und Tiefen müssen. Niemand hätte gedacht, dass sich die Wege aller Familienmitglieder später so schicksalhaft wieder kreuzen würden – und doch besteht eine unnennbare Verbundenheit zwischen den Melvilles, eine Bereitschaft zum Kampf Schulter an Schulter, mit der die Initiatoren einer niederen Intrige nicht gerechnet haben …

_Kritik_

Tara Hyland ist eine beachtliche Erzählerin. Sie schafft es, eindrückliche Bilder heraufzubeschwören, ohne bis ins letzte Detail zu beschreiben, so dass der Phantasie des Lesers genug Raum zur freien Entfaltung bleibt. Die Unterschiede in den Charakteren der drei Mädchen sind reizvoll, vor allem, weil sie alle drei letztendlich eines verbindet: Die Suche nach Anerkennung und Liebe. Dass die fast krankhaft ehrgeizige Elizabeth, die zutiefst verkorkste, kreative Caitlin und die leichtfertige Grenzgängerin Amber sich gänzlich verschiedene Wege zum Glück suchen, ist folgerichtig und meist auch nachvollziehbar dargestellt. Und wenn man doch mal über eine Entscheidung der Charaktere stolpern sollte, dann macht das nichts, denn die Geschichte spült die Zweifel schnell wieder fort: Es geschieht nur, was geschehen muss.

Dass das Böse sich mit freundlichem Gesicht nähert, ähnlich natürlich präsent ist wie die Schlange im Garten Eden, erklärt das Vertrauen, mit dem alle annehmen, dass es keine Bedrohung am Horizont gibt außer den ganz persönlichen Sorgen und Ängsten, von denen ja auch jeder sein Bündel zu tragen hat. Dass die Geschichte der Melvilles sich vor dem Hintergrund des riesigen, mondänen, gefährdeten Modeunternehmens abspielt, macht die Familiengeschichte noch reizvoller. Hier gibt es Nischen für jeden und unzählige Ausgangspunkte für neue Seitenarme der Saga.

Schließlich und endlich bleibt zu sagen, dass Tara Hyland sich eines angemessenen Stils bedient: Sie erzählt sicher und sauber, ohne in wilde Wortakrobatik oder in Slang zu verfallen; ihr Schreibstil ist das perfekte Gerüst für einen spannenden, romantischen, schrecklichen, schönen Sommerschmöker.

_Fazit_

Es gibt keinen Grund, aus dem man „Das Haus der Melvilles“ nicht lesen sollte. Hier vereinen sich Spannung, Skandale, Tragödien, Romanzen, Enttäuschungen, wilde Entschlossenheit, Hoffnung, Tränen, Familienbande und -zwistigkeiten sowie wirklich hinreißende Beschreibungen von Kleidern (Hallo, Mädels!) zu einer perfekten Erzählung für den Strand. Oder wahlweise die kuschelige Wolldecke auf dem Sofa, wenn der Sommer sich von seiner regnerischen Seite zeigt.

Ich wage zu prophezeien, dass wir von Tara Hyland noch länger hören werden. Sie hat das Talent, in epischer Breite zu erzählen, ohne langatmig zu werden oder in endlose Introspektionen zu verfallen. Man darf gespannt sein, ob ihre nächsten Ideen wieder so viele ausgefeilte Charaktere beinhalten werden, denn das Imperium, das sie mit der Melville-Firma und der Familie erschaffen hat, ist schon von beträchtlicher Größe. Hut ab!

|Gebundene Ausgabe: 608 Seiten
Originaltitel: Daughters of Fortune (01)
Aus dem Englischen von Christoph Göhler
ISBN-13: 978-3809025825|
[www.randomhouse.de/limes]http://www.randomhouse.de/limes
[www.tarahyland.com]http://www.tarahyland.com

Thorn, Ines – Mädchen mit den Teufelsaugen, Das

_Inhalt_

Frankfurt, 1530: Es ist eine kalte, nasse Nacht, in der die kleine Rosamund zur Welt kommt und von Anfang an ein Problem hat. Das kleine Mädchen hat ein braunes und ein blaues Auge, was von vielen ihrer Zeitgenossen als Teufelszeichen verstanden wird. Selbst die Mutter hat ihre Probleme damit, das Mädchen anständig zu behandeln, einzig ihre Amme, eine Zigeunerin, kümmert sich liebevoll um sie und lehrt sie die Kunst des Handlesens.

Rosamund lernt zu spät, dass sie immer und überall aufpassen muss, und durch ihre Unbedachtsamkeit passiert eine Katastrophe. Nachdem sie danach halb versteckt in des Vaters Malerwerkstatt herangewachsen ist, sieht sie in jemandes Handfläche, dass ein Unglück herannaht. Man dankt ihr allerdings nicht ihre Warnung, sondern verdächtigt sie nach Eintritt des angekündigten Ereignisses der Hexerei. Ihr gütiger, aber schwacher Vater sieht in diesem Moment keinen anderen Ausweg, als sie ins Kloster zu geben.

Auch hier ist ihres Bleibens nicht lange; Rosamund kehrt schließlich in die Stadt zurück und kämpft verbissen um ihr Anrecht auf ein normales, glückliches Leben. Es sieht so aus, als könne der junge Matteo Catalani, der über die Alpen aus dem fernen Italien gekommen ist, ihr dabei helfen – doch düstere Schatten bedrohen ihr junges Glück …

_Kritik_

Die Beschreibungen des Malerhandwerks sind recht ausführlich und scheinen gut gelungen, soweit der Laienblick das Ganze beurteilen kann: Es wird erklärt, welche Ingredienzien für welchen Farben benötigt werden und wie man sie herstellt. Bedauerlicherweise endet hier schon alles Positive, was mir an diesem Roman aufgefallen ist.

Rosamund hat sich ohne jede äußere Einwirkung zu einem kritisch denkenden Wesen entwickelt, was eine Spur unglaubwürdig ist, und die Kombination aus böser Mutter und eitler böser Schwester war schon in Aschenputtel schöner dargestellt. Es gibt die übliche Klischeereiterei, was die Kirche anbelangt: Den bösen Abt etwa, der aus reiner Hartherzigkeit handelt, und den sadistischen geilen Priester, der total auf Exorzismus abfährt. Dazu dann noch Aberglaube, Aberglaube, Aberglaube.

Ein kurzer Ausflug Rosamunds in die düsteren Viertel der Stadt ist offenbar nur dazu angetan, dem Leser noch einmal zu verdeutlichen, wie progressiv die junge Frau doch ist, da sie hier die Weiber mit den gelben Hurenzeichen trifft und feststellt, dass die ja doch ganz normale Menschen sind und so. Für spätere Gegebenheiten hat dieser Ausflug keinen Sinn.

Man menge dieser unappetitlichen Kombination noch ein wenig Geheimbündelei bei, und schon hat man alles, was einen unterdurchschnittlichen historischen Roman ausmacht.

_Fazit_

„Das Mädchen mit den Teufelsaugen“ ist leider kein großer Wurf. Die Charaktere sind überzeichnet und unglaubwürdig, der Plot eher platt. Wer etwas anfangen kann mit Sätzen wie „Und sie wusste auch, dass die Handleserehre es verbot zu lügen“, der möge sich guten Gewissens mit diesem Roman beschäftigen, allen anderen kann ich nur anraten, vielleicht doch eher vorbeizugehen und nach dem nächsten Buch zu greifen. Man erspart sich so eine Menge Ärger.

|Gebundene Ausgabe: 384 Seiten
ISBN-13: 978-3805208888|
[www.rowohlt.de/verlag/wunderlich]http://www.rowohlt.de/verlag/wunderlich
[www.inesthorn.de]http://www.inesthorn.de

Rendell, Ruth – Unschuld des Wassers, Die

_Inhalt_

Ismay Sealand stellt sich zehn Jahre lang immer wieder dieselbe Frage: Hat ihre kleine Schwester tatsächlich den Stiefvater umgebracht, um sie zu schützen? Hat die damals Dreizehnjährige die kurzen Treffen, die heimlichen Küsse, die verstohlenen Liebkosungen bemerkt und missinterpretiert? Hatte sie Angst, dass der ältere Mann sich ihrer fünfzehnjährigen Schwester aufdrängen würde, und ihn deshalb in der Badewanne ertränkt?

Ismay ist sich fast sicher, dass das der Fall ist, aber es fehlt ihr der Mut zum Nachfragen. Stattdessen schließt sie sich einfach eng an die Schwester an, teilt eine Wohnung in ihrem Elternhaus mit ihr und betrachtet achtsam all ihre Bewegungen. Bei der Mutter wird bald nach dem Tod des zweiten Mannes Schizophrenie diagnostiziert; sie ist meist in einem Nebel aus Medikamenten gefangen, liebevoll gepflegt von ihrer Schwester.

Das Haus mit den vier Frauen befindet sich in einer Art Schwebezustand: Jeder weiß, dass es nicht immer so bleiben kann, aber es ist gut, so lange es dauert. Schließlich aber wird der Frieden durchbrochen: Sowohl Ismay als auch ihre Schwester Heather finden Partner, und die Dinge kommen in Bewegung. Neue Wege werden begangen, neue Wünsche geweckt, und während die Eine auf Felsen baut, bricht der Traum der Anderen zusammen. Schließlich geschieht eine Katastrophe, und Ismay muss sich fragen, ob nicht die Wurzeln zum neuen Übel bis weit in die Vergangenheit hinein reichen …

_Kritik_

Zwei Handlungsstränge greifen in diesem Buch gekonnt ineinander, einmal der der Schwestern Ismay und Heather und dann der der mäßig erfolgreichen Berufsbetrügerin Margot. Margot erkennt eine Chance, wenn sie sich ihr bietet, und greift jäh in alles ein, was ihren Klauen nahe genug kommt. Der himmelweite Unterschied zwischen der ätherischen, immer nachdenklichen Ismay und der grellen, ungebildeten Glücksritterin macht einen der reizvollsten Kontraste des Buches aus.

Ruth Rendell gelingt es, verschiedene unerträgliche Situationen zu schaffen, in die sie ihre Charaktere langsam und unmerklich hineingleiten lässt, bis schließlich Abhängigkeiten entstehen, deretwegen man schreien möchte – aber alles ist folgerichtig und unausweichlich. Das war schon immer Rendells starke Seite, und sie hat dieses Talent einmal mehr unter Beweis gestellt.

Auch der Prozess, wie simple Annahmen im Laufe der Zeit in den Gehirnen zu Tatsachen werden und kaum mehr verrückbar sind, ist für den Leser gut nachvollziehbar gestaltet. Rendell zeichnet ihre Figuren mal sehr genau, so dass man sie in- und auswendig kennt und stark Anteil nimmt, und mal etwas verwischter, wenn sie den Leser noch im Dunkeln lassen möchte. Letzteren fühlt man sich dann zwar nicht so nahe, aber man kann das Grübeln nicht lassen, versucht sie gedanklich auszuloten. Der Stil Rendells ist dem Genre durchaus angemessen: Sicher, ohne Fehlgriffe, aber auch ohne fantasievolle Wortgebilde, die den Lesefluss unterbrechen.

_Fazit_

„Die Unschuld des Wassers“ ist ein stimmiger, psychologisch raffinierter, spannender Thriller, voller Extremsituationen, die aber den Beteiligten gar nicht so vorkommen, da sie so damit verwoben sind, dass für sie das Abnorme ganz alltäglich ist. Wer hochwertige kriminalistische Unterhaltung zu schätzen weiß, ist in jedem Fall gut beraten, sich mit Rendells Werk näher auseinanderzusetzen – mit diesem Roman wie mit allen anderen.

|Gebundene Ausgabe: 384 Seiten
Originaltitel: The Water’s Lovely
Aus dem Englischen von Eva L. Wahser
ISBN-13: 978-3764502683|
[www.randomhouse.de/blanvalet]http://www.randomhouse.de/blanvalet

_Ruth Rendell bei |Buchwurm.info|:_
[„Dunkle Wasser“ 340
[„Wer Zwietracht sät“ 1771
[„Das Verderben“ 2918

Verhoef, Esther – Hingabe

_Inhalt_

Margot Heijne steht zagend vor einem neuen Leben: Ihren untreuen Partner hat sie verlassen, sich eine eigene Wohnung gesucht. Nur wie soll es jetzt weitergehen? Sie macht die Bekanntschaft des gut aussehenden, souveränen Kunstfotografen Leon und verliebt sich Hals über Kopf in ihn. Plötzlich geht alles ganz schnell: Sie kündigt die ungeliebte Arbeit, wagt den Schritt in die Selbständigkeit und zieht von ihrem Dorf aus nach Amsterdam mit in Leons Loft. Interessante Mensche kreuzen ihren Weg, und die Szene der Begabten, Exaltierten, Exzentrischen und Grenzgänger nimmt sie mit offenen Armen auf.

Dass hier aber nicht alles so ist, wie es auf den ersten Blick scheint, muss Margot erst nach und nach feststellen: Gerade war sie noch dabei, endlich ihren Traum zu leben, und plötzlich bekommt sie das Gefühl, auf Treibsand zu wandern. Oft ahnt sie nicht einmal, was sich hinter Andeutungen und Halbsätzen verbirgt. Und schließlich weiß sie nicht einmal mehr, wem sie trauen kann …

Im Verborgenen bereitet ein anderer Mensch sich vor; es ist nichts Neues, was hier in die Wege geleitet wird, doch es hat die Person beim letzten Mal berauscht, und dieses Gefühl muss wiedererlangt werden. Es geht um die Auslöschung eines Menschenlebens. Das Opfer vom letzten Mal sah Margot verblüffend ähnlich …

_Kritik_

Der Wendepunkt im Leben der jungen Frau ist nachvollziehbar dargestellt; wie die plötzliche Leere mit Neuem gefüllt wird, ist sehr schön gelungen und baut Spannung auf: Während Margot Heijne sich voller Energie in ihr neues, besseres Leben stürzt, hat der Leser schließlich den Vorteil zu wissen, dass sich etwas Düsteres zusammenbraut, so dass jeder anfangs noch so wohlgemute Schritt Margots beim Lesen mit Argusaugen betrachtet wird.

Die aus der Sicht des Mörders geschriebenen kurzen Zwischenspiele tun das Ihrige, um die Spannung zu erhöhen, speziell, wenn danach wieder Margots ganze fröhliche, verliebte Ahnungslosigkeit dargestellt wird. Die Diskrepanz zwischen Margots altem Leben auf dem Dorf mit Kaninchen, Verwandten, Tratschtanten und Schützenfesten und dem neuen, aufregenden Leben in der Großstadt zwischen Vernissage und Innenausstatterdasein könnte kaum größer sein und verdeutlicht herrlich den Zwiespalt, in dem die junge Frau steckt, als ihr langsam Zweifel kommen und Misstrauen sie beschleicht.

Man möchte ihr wünschen und raten, aber was? Denn als Leser jagt man hier eifrig den diversen falschen Fährten hinterher: Esther Verhoef hat jede Menge Spuren gelegt, mal mehr und mal weniger subtil, und wann immer man denkt, man sei ihr auf die Schliche gekommen, schlägt sie doch wieder einen Haken. Das ist absolut fabelhaft gemacht und hält den Leser bis zum Ende in Atem.

_Fazit_

Esther Verhoef hat für „Hingabe“ nicht zu Unrecht verschiedene Preise gewonnen; es ist ein Thriller, dessen atemlose Stimmung fast greifbar ist. Verhoef hat die Umsetzung des Bildes vom Damoklesschwert zur Meisterschaft gebracht und führt ihre Leser an der Nase herum, als habe sie ihren Lebtag nichts anderes getan. „Hingabe“ ist gefährlich, sexy, mitreißend und außergewöhnlich spannend. Lesen Sie es, Sie werden es nicht bereuen!

|Gebundene Ausgabe: 416 Seiten
Originaltitel: Close-up
Aus dem Niederländischen von Stefanie Schäfer
ISBN-13: 978-3442752386|
[www.randomhouse.de/btb]http://www.randomhouse.de/btb
[www.estherverhoef.nl]http://www.estherverhoef.nl

Fedler, Joanne – Weiberabend

_Inhalt_

Acht Freundinnen, alle etwa um die vierzig Jahre alt und alle Mütter, treffen sich zu einer Übernachtungsparty. Das ist eine kostbare Ausnahme im stressigen Alltag, die entsprechend zelebriert wird: Mit Unmengen hervorragenden Essens, mit Erdbeer-Daiquiris und Karamelllikör, mit Frauenfilmen und jeder Menge Gesprächen.

Die Mutterschaft ist das bindende Glied zwischen der Ich-Erzählerin Joanne und ihren Freundinnen. Einstellungen und Anschauungen weichen voneinander ab und erzeugen durchaus Reibungsflächen. Doch da ist diese eine Erfahrung, diese Mutterschaftserfahrung, die sie verbindet und die ihnen genügend Plattform bietet, um sich immer wieder zusammenzuraufen und um ihre seltenen Auszeiten zu genießen. Selbst, wenn man dafür großmütig über Makel hinwegsehen muss, die man an den anderen findet.

Acht unterschiedliche Frauen bringen ihre Geschichten, ihre Hoffnungen, Ängste und Träume mit und tauschen sich aus: Der Abend schwankt zwischen Lachen und Weinen, zwischen Wehmut und Albernheit, zwischen der Ausnahme-Zigarette und dem Dinnermarathon. Geheimnisse werden verraten oder zumindest angedeutet, Schwächen aufgedeckt, Eingeständnisse gemacht. Kleine Lästereien fehlen ebenfalls nicht, aber vorrangig geht es um größere Eintracht: Die größere Eintracht, die entsteht, wenn man merkt, dass man nicht allein ist mit den persönlichen Katastrophen, den kleinen Siegen.
Es geht darum, einmal von der Familie wegzukommen, sich einen Abend lang nicht nur um andere zu kümmern, das eigene, zurückgestellte Selbst hervorzukramen und es ein bisschen zu pflegen. Es geht darum, sich eine Auszeit zu gönnen, um am nächsten Tag voller Liebe und Sehnsucht und mit einem leichten Kater in den Schoß der Familie zurückkehren zu können.

_Kritik_

Acht Frauen, acht Leben, eine Nacht und Erdbeer-Daiquiris – natürlich ist das spannend. Für Frauen jedenfalls. Ich konnte schon beim Lesen des Klappentextes vor meinem inneren Auge die kleine Staubwolke sehen, die der letzte Mann hinterlassen hat, der umgehend die Flucht ergriffen hat, sobald er diese Zusammenfassung gelesen hatte. Nein, „Weiberabend“ ist ein Weiberbuch.

Schnell wird „frau“ also warm mit der Authentizität, die sie aus diesen Seiten anspringt: Frauen, die essen, reden, trinken, reden, kichern, reden, weinen, reden … Das kennen wir alle. Wahrscheinlich ist ein schönes Männeräquivalent zu einem solchen Abend ein spannendes Fußballspiel, ein Kasten kalten Biers und ein, zwei Kumpel, mit denen man nur unter Verwendung des Wortes „Alter“ kommuniziert, das auch je nach Betonung eine Menge aussagen kann.

Joanne Fedler schreibt ungekünstelt, und das ist gut so. Sie will ja keine bedeutungsschwangere Literatur verfassen, sie will das Leben zeigen. Zwar hat sie einen angenehmen Stil, aber sie übertreibt es nicht, lässt die Frauen für sich selbst sprechen.
So weit, so schön. Allerdings fehlt mir der letzte Funke des Verständnisses, da ich selbst nicht Mutter bin. Da ich mich noch auf der Seite des Unwissens befinde, kann ich also nur Vermutungen anstellen, was den Wahrheitsgehalt der Aussagen angeht, und mir kam da so das eine oder andere ein bisschen fatalistisch vor. Andererseits – wer bin ich denn, zu urteilen? Wenn man keine Ahnung hat, einfach mal die Klappe halten.

Ahnung habe ich lediglich von dem Thementeil des „Frauen unter sich“, und der ist schön gemacht, wenn ich auch nicht jede erzählte Aktion mitmachen würde, und von der Darreichungsform, und daran gibt es nichts auszusetzen.

_Fazit_

„Weiberabend“ ist ein Buch, das ich jederzeit einer Freundin weiterreichen würde. Es ist lebensnah und unmittelbar geschrieben und verfügt über ein sorgsam ausgewogenes Verhältnis von Kichern und Tränen. Da ich zum Hauptthema des Ganzen wenig sagen kann, bleibt mir nur, die Mütter unter euch aufzufordern, sich selbst ein Bild zu machen. Schon für Stil und Atmosphäre lohnt sich die Lektüre, also gebt ihr eine Chance.

|Broschiert: 409 Seiten
Originaltitel: Secret Mothers‘ Business
Aus dem Englischen von Katharina Volk
ISBN-13: 978-3426637975|
[www.droemer-knaur.de ]http://www.droemer-knaur.de
[www.joannefedler.com]http://www.joannefedler.com

Lossau, Jens / Schumacher, Jens – Elbenschlächter, Der

_Inhalt_

In den übel riechenden Schatten von Foggats Pfuhl, dem zwielichtigsten Viertel der Metropole Nophelet, sind fünf Morde geschehen. Die Anzahl ist zwar nicht alarmierender als sonst, die Art und Weise jedoch schon: Fünf junge männliche elbische Prostituierte wurden unter Verwendung von Magie getötet, und in ihren Körpern findet sich kein Tropfen Blut mehr. Selbst das Königshaus ist besorgt: Wenn sich das mit dem Blut herumspricht, könnte ein aufgebrachter Mob das Vampyrgetto angreifen, und dann könnte es wieder zu einem Massaker kommen wie im Jahre 1983 des dritten Zyklus. Das muss unter allen Umständen verhindert werden, und so wird das beste Ermittlerteam des gesamten Instituts für angewandte investigative Thaumaturgie (IAIT) auf den Fall angesetzt.

Besagtes Team besteht aus dem promovierten Thaumaturgen und ausgebildeten Lichtadepten Meister Hippolit und aus Jorge, dem Troll. Meister Hippolit hat ein beeindruckendes Alter von 107 Jahren erreicht, und zwei Jahre zuvor hatten besorgte Vorgesetzte ihn dazu gedrängt, sich der Korporalen Substraktion zu unterziehen: Man würde seinen Körper verjüngen, damit sein herrlicher Geist und seine beachtlichen Fähigkeiten dem Institut weiter erhalten bleiben könnten und nicht durch schmählichen Altersschwächetod hinweggerafft würden. Leider ging bei diesem Ritual etwas schief, und der Respekt gewohnte Meister Hippolit lebt seitdem im Körper eines 14jährigen Albinos. Da kein Mensch ihn mehr ernst nimmt, der nicht weiß, wer er ist, hat man ihm Jorge zur Seite gestellt, der mit besonderer Schlagfertigkeit die Wünsche des Meisters unterstützt. Und abgesehen von seinem Hang zu Alkoholismus und fleischlichen Ausschweifungen ist der Troll wirklich gut zu gebrauchen.

Hippolit und Jorge sind ein eingespieltes Team, hartgesotten und nicht leicht aus der Ruhe zu bringen. Der jetzige Fall hat es aber tatsächlich in sich: Er führt sie in Paläste und in die niedersten Niederungen der schlimmsten Gossen; es geht um Rauschgift, Zauberei und eine so sorglose Dekadenz im Umgang mit Menschen- respektive Elbenleben, dass selbst den beiden abgebrühten Helden ganz anders wird …

_Kritik_

Die beiden Autoren haben sich mit jeder Menge Kreativität und Humor eine eigene Welt erdacht, die mal mehr, mal weniger an andere Welten erinnert. Das Königreich, dessen Hauptstadt Nophelet ist, heißt Sdoom. Man hat schon schwierigere Anagramme von Sodom gesehen, die zarte Andeutung geht also kaum am Leser vorbei. Die Beschaffenheit und olfaktorischen Eigenschaften des Chinotaksim, der Lebensader und Fluch zugleich für Nophelet ist, ähneln verblüffend den Eigenschaften des Ankh, der ja bekanntermaßen eine andere fantastische Hauptstadt teilt.

Das Vampyrgetto inklusive Massakern und unrichtigen Unterstellungen hingegen gemahnt an weniger lustige, aber durchaus bekannte Parallelen in der Realwelt. Ganz zu Anfang kann es sein, dass der eine oder andere Leser sich vielleicht kurz fragt, ob er nun tatsächlich zum richtigen Buch gegriffen hat, aber die Antwort lautet: Ja, das hast du. Abgesehen von dem liebevollen Detailreichtum, der die Autoren dazu bewog, selbst Flora und Fauna auszuarbeiten und zu benennen, werden auch altbekannte fiktive Rassen neu verortet und neue nahtlos eingefügt. Über dieses sorgfältig geschnitzte Grundkonstrukt hinaus sind speziell die Absurditäten rund um das ungleiche Ermittlerteam hervorragend gelungen und regen häufig zum Lachen an. Vor allem Jorges immer wiederkehrende Behauptung, dass es zur jeweiligen Situation ein Trollsprichwort gibt, erwartet man bereits nach wenigen Kapiteln mit gespanntem Vergnügen.

_Fazit_

Nach einem Anfang, während dem man sich an die durchaus eigene Herangehensweise der beiden Autoren an das Thema Fantasy-Thriller gewöhnt, entwickelt sich „Der Elbenschlächter“ zu einem königlichen Vergnügen: Auch wenn es ab und an ein wenig derb zugeht, ist doch immer der Ausgleich gegeben durch den Akademiker und Analytiker Hippolit. Der kriminalistische Teil des Romans ist spannend, und die Abschnitte, in denen der Protagonist mit seinem Kinderkörper zu kämpfen hat, sind zum Brüllen komisch gestaltet. Ich persönlich werde mir definitiv den im Oktober 2010 erscheinenden zweiten Teil der Reihe zu Gemüte führen, allein schon, um herauszufinden, ob Hippolit jetzt ein zweites Mal durch die Pubertät muss, die arme Sau.

Es gibt da ein altes Trollsprichwort, und das geht so: „Lest das Buch, ihr lacht euch kringelig.“

|Broschiert: 320 Seiten
ISBN-13: 9783802582578|
[www.egmont-lyx.de]http://www.egmont-lyx.de
[ www.jenslossau.de]http://www.jenslossau.de
[www.jensschumacher.eu]http://www.jensschumacher.eu

_Schumacher und Lossau bei |Buchwurm.info|:_
[„Das Mahnkopff-Prinzip“ 1957

Sabatini, Irene – Geteiltes Herz

_Inhalt_

Als aus Rhodesien Simbabwe wird, ist die Schwarze Lindiwe noch ein Kind. Ein Kind, das von den Geschehnissen in seiner unmittelbaren Umgebung mehr betroffen ist als von umwälzender Politik. Und es geschieht ja auch etwas extrem Gruseliges: ihre Nachbarin, die weiße, rassistische Mrs. MacKenzie, verbrennt bei lebendigem Leibe. Ihr Stiefsohn Ian, ein Jugendlicher, der eben erst aus Südafrika zum Begräbnis seines Vaters gekommen ist, wird verhaftet, vor Gericht gestellt und verurteilt.

Lindiwe ist verängstigt und fasziniert gleichermaßen: Was bringt einen Menschen dazu, so etwas zu tun? Zwei Jahre später kommt Ian aus dem Gefängnis frei und kehrt zurück in das Nachbarhaus Lindiwes. Deren Mutter verbietet ihr den Umgang mit dem Jungen, doch heimlich freunden die beiden sich an, obwohl sie mehr als nur die Hautfarbe trennt: Ian hat die Schule abgebrochen, während Lindiwe immer Klassenbeste war.

Die beiden überwinden zwar ihre Differenzen, aber der Bürgerkrieg hat das Land fest im Griff. Nach einigen traumatischen Erfahrungen beschließt Ian, wieder nach Südafrika zu gehen. Lindiwe möchte ihn begleiten, doch nach nur einer gemeinsamen Nacht lässt Ian sie in einem Hotel an der Grenze zurück.

Die beiden halten über Briefe Kontakt, und als sie sich eigentlich schon in ihren neuen Leben eingerichtet haben, laufen sie sich wieder über den Weg. Was einst so zart begann, hat trotz der Jahre und der Entfernung an Stärke gewonnen. Die neue Nähe und die neuen Umstände schweißen sie zusammen und zwingt sie, sich in einem völlig neuen, gemeinsamen, von Unterschieden geprägten Leben zurechtzufinden – und das in einem Land, das einem Pulverfass gleicht. Während die Lunte schon brennt, kämpfen Lindiwe und Ian verbissen um ihr Glück …

_Kritik_

Irene Sabatini hat eine ganz besondere Liebesgeschichte erschaffen: Zarte Gefühle überwinden Seidenfäden gleich Diskrepanzen, die dafür zu groß erscheinen, und haben nicht lange Zeit, sich zu entwickeln. Viel zu schnell muss die Romanze plötzlich den Härten eines von Komplikationen geplagten Lebens standhalten.

An sich wäre das schon Stoff genug für eine wirklich interessante Geschichte, aber der Hintergrund des vom Bürgerkrieg gebeutelten Simbabwe macht die Liebesgeschichte des ungleichen Paares zu einer einmaligen Lektüre. Die stilistischen Unterschiede in der Redeweise des cleveren, aber ungebildeten Ian und der Akademikerin Lindiwe bilden einen reizvollen Kontrast. Im Anhang befindet sich eine Liste der im Roman verwendeten typischen Ausdrücke, die die authentische Wirkung des Buches noch unterstreichen.
Da Lindiwes und Ians Lebensgeschichte mit dem Aufstieg Mugabes zur Macht verknüpft ist, lernt der Leser ganz nebenbei etwas über die ersten Tage des jetzigen Diktators: Kaum vorstellbar, dass dieser Mann einst als Hoffnungsträger angesehen worden ist.

Politik, Liebe, Verletzungen, Verzeihungen, Tod, Geburt, Glück und Verzweiflung verwebt Irene Sabatini stilistisch wunderschön zu einem atmosphärisch dichten Roman, der eine Art nostalgische Liebeserklärung an eine gestorbene Hoffnung zu sein scheint.

_Fazit_

„Geteiltes Herz“ ist ein Roman, der unter die Haut geht und berührt. Es ist unmöglich, sich dem Zauber zu entziehen, den Sabatini webt: Zwar ist es nicht das geheimnisvolle, urtümliche Afrika, das so gern benutzt wird, um ein romantisches Bild des Kontinents zu zeichnen, aber es ist ebenso unbegreiflich in seiner Gewalt, seinem Hass und seiner Zerstörungswut. Die unerbittliche Lebenslust Lindiwes und Ians hingegen, ihre starken Gefühle füreinander und ihre Hoffnung auf ein besseres Morgen ziehen sich wie eine positive Macht durch all die Verwüstungen, die das instabile Staatenkonstrukt Simbabwes darstellt.

Ein dringender Tipp: Lesen Sie dieses Buch. Es wird Ihnen Einblicke gewähren, die Sie noch nicht hatten.

|Taschenbuch: 480 Seiten
Originaltitel: The Boy Next Door
Aus dem Englischen von Judith Schwaab
ISBN-13: 978-3442740956|
[www.randomhouse.de/btb ]http://www.randomhouse.de/btb/
[www.irenesabatini.com]http://www.irenesabatini.com

Kent, Christobel – Tränen der Signora, Die

_Inhalt_

Gesetze und Gerechtigkeit sind nicht immer dasselbe, „Gut gemeint und doch falsch“ ist nicht nur ein geflügeltes Wort. Das muss der Florentiner Polizist Sandro Cellini feststellen, als er sich aus den besten Gründen falsch verhält und vom Polizeidienst ausgeschlossen wird. Zumindest ist es keine unehrenhafte Entlassung; man gewährt ihm den Frühruhestand. Und doch ist es ein schreckliches Gefühl für den Sechzigjährigen, ein Zivilist zu sein. Er war doch so durch und durch Ermittler …

Und nun ringt er mit sich, hadert mit der Welt. Seine Frau Luisa mag das nicht mehr mit ansehen, mietet ihm ein paar Büroräume und drängt ihn, eine Privatdetektei zu eröffnen.

Wenig geschieht in den ersten Tagen, um Sandro von seinen Gedanken abzulenken. Doch dann kommt eine kleine alte Dame zu ihm, die mehr über die Umstände des Todes ihres Gatten herauszufinden wünscht. Claudio Gentileschi soll Selbstmord begangen haben, und seine Frau weigert sich zu glauben, dass er ohne sie gegangen sein soll.

Teils aus Rührung, teils aus Langeweile übernimmt Sandro diesen Fall, der ihm herzlich sinnlos erscheint. Alle Hinweise führen in dieselbe Richtung: Selbstmord. Und doch, plötzlich tauchen Geheimnisse im Leben des alten Herrn auf, Dinge, die er sorgsam versteckt hatte.

Und gerade, als Sandro sich doch in den Fall zu verbeißen beginnt, überstürzen sich die Ereignisse: Plötzlich geht es nicht mehr nur um einen toten alten Mann, sondern auch um eine verschwundene junge Frau, eine amerikanische Studentin. Irgendwo gibt es eine Verbindung zwischen den Fällen, und in den schlimmsten Regengüssen seit der Flut von 1966 beginnt für Sandro, seine Frau und ihre Freundin Giulietta ein Wettlauf mit der Zeit. Nicht nur mit den schwerfälligen Carabinieri müssen sie sich herumschlagen, ihr Weg führt auch noch in die schwer durchschaubare Kunstszene Florenz‘, in der nie ganz klar ist, wo Exzentrik aufhört und Ungesetzlichkeit beginnt …

_Kritik_

Sandro Cellini ist ein mit vielen Dingen vorbelasteter Protagonist. Ein langes Leben liegt hinter ihm, und er hat schon gefährlich nahe am Abgrund gestanden. Er ist kein Mann, der ohne Reflektion durchs Leben gehen kann, und damit ist er ein etwas sperriger Protagonist. Beileibe kein unsympathischer, bewahre, aber wir erfahren durch Introspektion eine Menge über seine Gedanken. Und die sind häufig genug bedrückend. Manchmal möchte man in die Haut seiner Frau schlüpfen, ihn an den Schultern packen und kräftig schütteln, damit er sich ein bisschen zusammen reißt.

Luisa hingegen ist eine kraftvolle Person, und so wie sämtliche Figuren ist sie liebevoll gezeichnet und sorgsam schattiert. Christobel Kent weiß Charaktere zu erschaffen und ihnen Leben einzuhauchen: Ob sie ernst sind oder schüchtern, verzagt oder sorglos, fröhlich oder leichtsinnig, eigensinnig oder skrupellos, sie wirken allesamt lebensnah und glaubwürdig. Dass mir persönlich der Protagonist etwas zu weichlich ist, ist rein subjektiv.

Das nasse Florenz im November bietet einen kalten, trostlosen Hintergrund für die Suche nach der jungen Studentin bzw. nach Antworten zum Tod Claudio Gentileschis. Die Sprache passt sich dem Rahmen an; die Erzählweise des Romans ist eher sachte, ohne langweilig zu sein. „Die Tränen der Signora“ ist nicht actiongeladen, aber eine eindringliche Geschichte über facettenreiche Menschen, individuelle Freuden, Leiden, Ängste und Hoffnungen.

_Fazit_

Sandro Cellinis erster Fall ist ein solider Kriminalroman, der ohne wilde Schießereien auskommt, dafür aber auf die Tiefe der Akteure Wert legt. Die verhaltene Erzählweise tut der Spannung übrigens keinen Abbruch; gegenteilig leidet man mit den Handelnden, wenn sie wieder ins Unwetter hinaus müssen, immer in der Hoffnung, dass dieser Ausflug ihnen endlich Antworten liefern möge.

Etwas eigentümlich erschien es mir, dass jemand im Jahre 1997 1500 Euro auf ein Konto eingezahlt haben soll (vgl. S. 200) – das ist die Art von Fehler, die eigentlich nach sorgfältigem Lektorat ausgemerzt sein sollte.

Alles in allem ist dieses Buch für jene empfehlenswert, die es etwas stiller und nachdenklicher mögen. Das größte Plus: Die Personen treten absolut plastisch hervor.

|Taschenbuch: 416 Seiten
Originaltitel: A Time of Mourning (Sandro Cellini 1) (2009)
Aus dem Englischen von Christine Heinzius
ISBN-13: 9783442374465|
[www.randomhouse.de/blanvalet]http://www.randomhouse.de/blanvalet/

Mayle, Peter – Ein diebisches Vergnügen

_Der ebenso reiche_ wie unsympathische Danny Roth ist fassungslos: Jemand hat seine liebsten Statussymbole, etwa fünfhundert Flaschen einzigartigen Rotweins, aus seinem Haus in den Hollywood Hills entwendet!

Das muss jemand ausbaden. Und diejenige, die Roths Zorn direkt zu spüren bekommt, ist die hübsche Elena Morales von der Versicherung. Die clevere Geschäftsfrau merkt schnell, dass der reiche Widerling alles tun wird, um ihren Arbeitgeber über den Tisch zu ziehen. Bedauerlicherweise haben die Täter extrem professionell gehandelt und so gut wie keine Spuren hinterlassen.

Elena bleibt nur noch eines übrig: Sie muss Sam Levitt anrufen und ihn auf den Fall ansetzen. Einerseits liegt das nahe: Sam ist frankophil, ein außerordentlicher Weinkenner und übernimmt detektivische Arbeiten, seit er sich von der falschen Seite des Gesetzes zurückgezogen hat. Dummerweise ist er auch Elenas Exfreund, und sie ist ihm emotional noch nicht ganz entkommen, so dass eine Kontaktaufnahme Gefahren birgt, die sie nicht brauchen kann.

Sam ist entzückt, sowohl davon, Elenas Stimme wieder zu hören als auch von dem Fall an sich. Er mag Rätsel, und dieses ist besonders knifflig. Wie knifflig genau, geht auch Sam erst mit der Zeit auf. Was er auch versucht, wen er auch befragt: Er rennt gegen Wände. Seine Kontakte versagen, seine Spürnase nimmt nicht die leiseste Witterung auf. Da bleibt ihm wohl nichts anderes übrig, als sich zur Quelle zu begeben, die in diesem Fall mit köstlichem Bukett in Frankreich sprudelt. Die Spur führt von Hollywood über Paris nach Marseille und verlangt dem Detektiv von eigenen Gnaden so einiges an Geist und Chuzpe ab …

_Sam Levitt ist_ ein ausgesprochen sympathischer Protagonist, der die Ermittlungen auf unkonventionelle Weise angeht und nebenher einen luxuriösen Lebensstil pflegt. Mayle führt mit leichter Hand durch die Geschichte, die von vertrackten Aufgaben nur so wimmelt, erfreut den Leser mit der Beschreibung der Öffnung einer metaphorischen Blüte und lässt ihn leise seufzend zurück: „Hach ja, reich müsste man sein, und detektivischen Ehrgeiz müsste man haben, und Ahnung von Wein sowieso.“ Und dann sollte man dringend mal wieder nach Frankreich fahren, allein schon wegen der Bouillabaisse.
Dadurch, dass des Protagonisten Weste erst in den letzten Jahren wieder mühsam weiß gewaschen wurde (oder zumindest beige), umweht ihn noch immer etwas der Dunst des Ungesetzlichen – was ihn als Hauptfigur extrem interessant macht und so einige seiner Aktionen erklärt.

Auch der Fall an sich ist hübsch verknotet; weder an der Ausführung des Verbrechens noch am Endpunkt des manchmal nur hauchdünnen Ariadnefadens ist irgendetwas auszusetzen. Schön gemacht: Die Darstellung der Laufarbeit, die ein Verbrechen nach sich zieht, bei dem Profis kaum Spuren hinterlassen haben.

_Mayle hat einen_ kurzweiligen, interessanten Krimi geschrieben, der völlig ohne Blut, Explosionen oder wilde Verfolgungsjagden auskommt. Das hier niedergeschriebene geistige Kräftemessen zweier fast ebenbürtiger Gegner ist nicht nur für Weinfreunde und Gourmets absolut empfehlenswert. Wenn Sie Spaß an Rätseln haben, an kulinarischen Genüssen, pointierten Gesprächen und scharfsinnigen Folgerungen, dann sind Sie mit der Lektüre gut beraten. „Ein diebisches Vergnügen“ ist als Name für diesen Roman zurecht gewählt worden.

|Gebundene Ausgabe: 256 Seiten
Originaltitel: The Vintage Caper
Aus dem Englischen von Ursula Bischoff
ISBN-13: 9783896674265|
[www.randomhouse.de/blessing]http://www.randomhouse.de/blessing/
[www.petermayle.com ]http://www.petermayle.com/

DiClaudio, Dennis – kleine Erotiker, Der

_Inhalt_

Halten Sie stets den Blick zu Boden gesenkt, aber nicht aus Schüchternheit, sondern wegen Ihres besonderen Faibles für Füße? Betrachten Sie Kuscheltiere nun wirklich mit ganz anderen Augen als Ihre Mitmenschen? Ist Natursekt der einzig wahre Sekt für Sie? Erwärmen sich bei Ihnen Herz und Lenden nur bei Comicfiguren? Beneiden Sie Säuglinge um ihre Art der Nahrungsaufnahme?

Oder trifft vielleicht nichts davon auf Sie zu, Sie wüssten aber gern mehr über Fetische jeglicher Couleur? Dann kann „Der kleine Erotiker“ Ihnen weiterhelfen.

Zweiundvierzig verschiedene Spielarten der speziellen Vorlieben hat Dennis DiClaudio zu einer Art humoristischen Lexikon zusammengefasst, mit praktischen Tipps, einem kleinen Einblick in die psychologischen Wurzel des jeweiligen Fetischs und einem Gutteil gutmütigen Humors.

_Kritik_

DiClaudio hegt keinen Absolutheitsanspruch – seine Auswahl an Fetischen ist nur ein Bruchteil dessen, was es da draußen so gibt. Er gibt auch nicht alle Fakten wieder. Das macht aber nichts, da sein Lexikon sowieso nicht komplett ernst gemeint ist. Die Lektüre ist ein harmloses Vergnügen, immer mal wieder unterbrochen von gelindem Entsetzen, während sich im Kopf das alte „Ärzte“-Lied abspielt: „Das sind Dinge, von denen ich gar nichts wissen will …“

Der Stil ist dem zwanglosen Inhalt angemessen: Leger, unernst, sprachlich korrekt, aber flapsig. Alles in allem handelt es sich um ein kleines Buch, über dessen Existenznotwendigkeit man sich zwar streiten könnte, das aber durchaus zwei, drei vergnügliche Stunden bereiten kann.

_Fazit_

Wollen Sie wirklich etwas über die medizinischen Grundlagen lernen, dann ist „Der kleine Erotiker“ sicherlich nicht die Quelle, die Sie suchen. Möchten Sie dagegen einen groben Überblick über die Auswüchse und Abgründe der menschlichen Lust, respektlos, ein wenig albern und durchwegs kurzweilig dargeboten? Dann sind Sie mit der Lektüre hingegen gut beraten.

|Gebundene Ausgabe: 208 Seiten
Originaltitel: The Deviant’s Pocket Guide to the Outlandish Sexual Desires Barely
Contained in Your Subconscious
Aus dem Amerikanischen von Anne Uhlmann
ISBN-13: 9783421044105|
[www.randomhouse.de/dva]http://www.randomhouse.de/dva/

Gallay, Claudie – Brandungswelle, Die

_Inhalt_

La Hague im Nordwesten der Normandie ist ein winziges Dorf, das halb im Niemandsland und halb im Meer zu liegen scheint. Die Protagonistin und Ich-Erzählerin kam hierher, um zu lernen, mit dem Verlust zu leben: Ihr Geliebter starb, und mit seinem Tod kam der Schmerz, und nach dem Schmerz kam die Leere.

Das raue Klima La Hagues passt gut zu dem zerrissenen Seelenleben der Trauernden. Sie darf für ein ornithologisches Institut arbeiten, klettert durch die Klippen, zählt Vögel und Eier und wird miserabel bezahlt. Sie lebt in der oberen Wohnung in einem zweigeschossigen Haus, das beinahe im Meer steht. Unter ihr hausen ein Bildhauer und seine schöne, gelangweilte Schwester. Dann gibt es da noch Max, der geistig etwas langsam ist, und Lilli, die ein Bistro führt. Ihre Eltern, die jeder für sich alt werden und nicht miteinander sprechen. Die alte Nan, die einst all ihre Angehörigen ans Meer verloren hat. Und Monsieur Anselme, der Prévert-Forscher aus Passion.

Es ist ein Mikrokosmos voller stiller Momente, in denen man hört, dass hinter dem Schweigen Worte lauern, Bekenntnisse, Geheimnisse, Verbitterungen. Und doch ist alles eingespielt, jeder hält sich an die Regeln, und die Neue, die Trauernde, ist still genug, um nicht zu stören.

Doch dann kommt Lambert ins Dorf, dessen Familie hier vor langer Zeit bei einem Bootsunglück ums Leben gekommen ist. Er stellt alte Wahrheiten und glatte Oberflächen in Frage, ist unbequem. Und die Mauer des Schweigens in La Hague bekommt Risse, während die hartnäckigen Fragen alte Wunden aufreißen.

Auch die Trauernde wird aufgestört in ihrer selbst gewählten Einsamkeit. Langsam, unsicher und ängstlich tasten sie und Lambert sich durch die alten Geschichten des Hafenfleckens zur Wahrheit vor – und aufeinander zu.

_Kritik_

„Die Brandungswelle“ ist ein stilistisches Meisterwerk. Der Charakter der Natur, der Menschen und der Stimmungen, die darin beschrieben werden, ist perfekt wiedergegeben: Kurze Sätze beschreiben ein schönes, dürftiges Bild: Möwen, Wellen, Klippen. Ein paar Häuser, nicht mehr neu. Tiere, die im Dorf herumwandern. Menschen, denen langes Leid oder langer Groll das Leben verbittert und die Gesichter gezeichnet hat.

Der hilflose Schmerz der Trauernden, die die Leere in sich nicht zu füllen weiß und schreiend im Wind auf den Klippen steht, geht unter die Haut. Ebenso wie die lange Einsamkeit von Menschen, die nicht zu verzeihen verstehen oder kein Interesse daran haben. Die Sinnlosigkeit einseitiger Liebe wird mit ebenso klaren, kurzen Sätzen dargelegt wie die Besessenheit des Künstlers. Und trotz dieser Kürze, dieses gerafften Stils wird das langsame Entdecken der Geheimnisse des knorrigen Orts und seiner Menschen nicht langweilig oder platt. Gegenteilig hat man das Gefühl, im Kopf der Trauernden zu sitzen und zu lauschen; mitzuerleben, wie langsam das Interesse an etwas anderem als ihrem Schmerz in ihr erwacht.

Da wir durch ihre Augen sehen und ihre Gedanken lesen, erfahren wir unvoreingenommen, was geschieht: Sie ist eine Außenstehende in diesem Dorf, akzeptiert, aber ohne Partei. Sie bewegt sich zwischen verhärteten Fronten und ist allen fern genug, dass ihr das nicht übel genommen wird.

Trotz aller Härte und Kühle, trotz aller Trauer und Melancholie, trotz Schmerz und Groll unter der Oberfläche La Hagues ist die letztendliche Aussage des Romans eine versöhnliche: Es gibt immer Hoffnung, vor allem, wenn man nicht mehr an sie glauben kann.

_Fazit_

Dieses Buch bezaubert. Wie die innere Entwicklung der Trauernden sich mit dem Geheimnis vermischt, das über dem Dorf lastet, ist absolut faszinierend. Claudie Gallay fertigt ein engmaschiges Gewebe aus Erzählkunst, das sie ganz sachte um den Leser gleiten lässt, ohne dass der es bemerkt, bis er hilflos gefangen ist und sich erst am Ende des Romans wieder befreien kann. „Die Brandungswelle“ ist schön, traurig, spannend und intensiv. Und es ist ein absoluter Volltreffer.

|Gebundene Ausgabe: 560 Seiten
Originaltitel: Les déferlantes
Aus dem Französischen von Claudia Steinitz
ISBN-13: 9783442752423|
[www.randomhouse.de/btb]http://www.randomhouse.de/btb

Torres Blandina, Alberto – Salvador und der Club der unerhörten Wünsche

_Inhalt_

Seit drei Jahrzehnten schon fegt Salvador den Flughafen. Er kennt sich aus mit den Reisenden, weiß, wer wohin fliegt und was in ihnen vorgeht. Ab und zu unterbricht er gern seine Arbeit, um mit den Menschen zu plaudern. Er tröstet, unterhält, gibt Tipps und Warnungen. Gern spricht er auch mit dem übrigen Flughafenpersonal, speziell mit der hübschen Frau am Kiosk.

Salvador hat für jeden die passende Geschichte auf Lager, und sein Fundus vergrößert sich mit der Zeit: Seine Gesprächspartner revanchieren sich gern. Und so lernt Salvador durch die schönen, traurigen, absurden und melancholischen Geschichten in seinem Mikrokosmos Flughafen die ganze Welt kennen. Er gibt sie weiter an alle, die sie haben wollen. Ob es um die Liebe geht oder um Menschen, die mit der Welt nicht klarkommen, ob es um Grenzgänger geht oder um den ominösen Club der unerhörten Wünsche: Salvadors Gehirn ist ein wohlgeordnetes Regal mit vielen kleinen Bändchen voller Anekdoten, die zum Nachdenken anregen, zum Schmunzeln, zum Seufzen oder zum Schaudern.

Salvador ist der Kitt, der den Flughafen zusammenhält und zu einer Einheit formt, er ist der Zauberer, der den Menschen durch seine Zuwendung ein Lächeln aufs Gesicht malt. Und sie hier und da um eine Zigarette bittet. Obwohl er ja nicht raucht, eigentlich. Nur hin und wieder.

_Kritik_

„Salvador und der Club der unerhörten Wünsche“ ist ein langer Monolog des Kehrers. Was seine Gesprächspartner antworten, geht aus dem hervor, was Salvador sagt. Der Fokus liegt klar auf dem älteren Herrn – und doch erfahren wir nicht nur über ihn, sein Leben und seine verstorbene Frau eine Menge, sondern auch über die Menschen, die auf dem Flughafen sitzen und auf ihre Flüge warten. Und über Salvadors Kollegen, die Tag für Tag mit ihm dafür sorgen, dass der Betrieb reibungslos läuft.

Die Geschichten sind kurz gehalten, in einzelnen Kapitelchen reihen sie sich aneinander, bauen aufeinander auf. Manchmal gibt es Fortsetzungen, die erst nach anderen Anekdoten folgen, so wie auch die Informationen über den Protagonisten nur häppchenweise preisgegeben werden. Das führt dazu, dass man theoretisch viele Einschnitte hätte, an denen man das Buch aus der Hand legen könnte – tut man aber nicht. Viel zu gern möchte man wissen, was weiterhin passiert, wie es zu bestimmten Umständen kommen konnte. Spannung und Leichtigkeit mischen sich in der Anekdotensammlung mit Freude, Trauer, Wehmut, Sehnsucht, Abscheu und Reisefieber zu einem filigranen, vielschichtigen Gewebe, aus dem die Figur des Salvador bescheiden wie facettenreich hervortritt.

Der Stil des Buches ist dem Rahmen angemessen. Er hält sich strikt an das Medium der Erzählung, ohne Capricen und Ausfälle, so dass die Figur des Sprechenden nicht nur glaubwürdig erscheint, sondern fast vor dem Leserauge Gestalt annehmen möchte: Zwinkernd, lächelnd, auf den Besen gestützt.

Es ist schwer zu glauben, dass Alberto Torres Blandina erst 1976 geboren wurde: Seine Geschichten sind von so tiefer Weisheit und trotz den teilweise abstrusen, gemeinen und traurigen Einsprengseln von so umfassender Philanthropie, dass die Erzählergestalt des älteren Herren Salvador viel besser zu ihnen passt als die eines so jungen Mannes.

_Fazit_

„Salvador und der Club der unerhörten Wünsche“ ist ein zauberhaftes Buch. Es ist keine schwere Lektüre und nicht von eherner Wucht, aber sein zarter Abdruck im Gehirn ist deutlich und hält lange vor. Man erinnert sich und lächelt, und man kann nicht anders, als den Kehrer ein bisschen lieb zu gewinnen. Tatsächlich ist das kleine Buch eines der schönsten, die ich seit langem gelesen habe, und ich werde es noch oft zur Hand nehmen: Zum Wiederlesen, zum Verschenken.
Ich kann es nur jedem ans Herz legen, ebenso, wie das weitere Schaffen des jungen Autors mitzuverfolgen: Das vorliegende Buch war sein preisgekrönter Erstling, und in Spanien wurden seine nächsten beiden ebenfalls mit Preisen ausgezeichnet. Es wird sich lohnen, auf die Übersetzungen zu lauern und sofort zuzuschlagen

|Gebundene Ausgabe: 224 Seiten
Originaltitel: Cosas que nunca occurirían en Tokio
Aus dem Spanischen von Petra Zickmann
ISBN-13: 978-3421044488|
[www.randomhouse.de/dva]http://www.randomhouse.de/dva/

Rickman, Phil – fünfte Kirche, Die

_Inhalt:_

Merrily Watkins ist einigermaßen beruhigt, als nach den schockierenden Ereignissen um den letzten Bischof nun ein neuer ernannt worden ist: Bernie Dunmore ist über sechzig und ziemlich phlegmatisch. Er ist auch nicht sehr für Veränderungen, und so behält Merrily ihren Posten als Beraterin für Spirituelle Grenzfragen bei. Kurz gesagt, als Exorzistin.

Die Wogen waren schon hochgegangen, als eine Frau diesen Posten erhielt – und dann noch eine, die verhältnismäßig jung und hübsch ist. Langsam aber kristallisieren sich deutlich abgegrenzte Meinungen dazu heraus. Die des Wicca-Glaubens, also der Hexen, lautet dahingehend, dass Merrily anachronistischer Soldat eines Irrglaubens ist. Die Gegenseite aber, der charismatische Glauben, sieht sie als verweichlicht, übertolerant und vom Wege abgewichen. Diese Personen sind es, mit denen Merrily zu ihrem Entsetzen in einer Fernsehshow auftreten muss. Und während sie sich noch nach beiden Seiten hin verteidigt, wirft ihr jemand im Zorn einen Informationsbrocken vor die Füße, mit dem sie nicht gerechnet hatte. Es geht um ein altes Kirchengebäude, das längst aufgegeben worden ist und sich in Privatbesitz befindet.

Und nun muss Merrily sich mit einem wachsenden Hexenzirkel mit undurchsichtigem Oberhaupt auseinandersetzen und mit einem flammenden Prediger, der die Wicca-Anhänger vertreiben möchte. Das Ganze findet statt in einem gruseligen kleinen Dorf im Grenzgebiet zwischen England und Wales, in dem die Menschen offenbar immer nach eigenen Regeln gelebt haben. Zu dieser explosiven Mischung kommt dann auch noch ein Umstand, der sie in ihrer Eigenschaft als Exorzistin auf den Plan ruft – und dann verschwindet plötzlich eine Frau.

In all diesem gefährlichen Hin und Her verliert Merrily immer mal wieder Jane aus den Augen, ihre sechzehnjährige Tochter, die gerade die erste Liebe erlebt – was sie aber keineswegs davon abhält, quecksilbrig zu entkommen, wenn sie gerade stillhalten soll, um überall dort aufzutauchen, wo sie nicht sein sollte.

_Kritik:_

Es sind unter anderem die Gegensätze, die die Merrily-Watkins-Bücher so reizvoll machen. Merrily selbst als moderne Pfarrerin, die irgendwie in ein uraltes Amt hineingerutscht ist, ist schon an sich voller Kontraste. Ihre Tochter Jane bildet einen weiteren Gegenpunkt, da sie die Kirche für veraltet hält und ihre eigene Spiritualität eher in Naturglauben auszuleben versucht, während sie gleichzeitig ihrer Mutter aufrichtig zugetan ist.

Der fanatische Prediger und der aalglatte Hexer ergeben eine Art Zwei-Komponenten-Sprengstoff, und dass das Böse mal auf dieser, mal auf der anderen Seite des rational Erklärbaren zu suchen ist, hat auch seinen ganz eigenen Reiz. Obwohl das Thema etwas abgehoben ist, wirkt die Umsetzung nicht unglaubwürdig. Rickman schafft es immer wieder, Jenseitiges mit so viel Banalität und Norm zu verquicken, dass es sich nahtlos einfügt und als Teil des Ganzen geschluckt wird. Mit Merrily und Jane Watkins hat er zwei interessante, sympathische und vielschichtige Charaktere erschaffen, die dem Leser schnell am Herzen liegen. Und wenn es auch immer wieder ein paar Seiten dauert, bis man sich in den kleinen Ort an der walisischen Grenze eingefunden hat, so zappelt man danach doch ebenso schnell wieder im rickmanschen Spannungsgewebe.

_Fazit:_

„Die fünfte Kirche“ ist Teil drei der Merrily-Watkins-Reihe, und wer die ersten beiden schon gelesen hat, wird sich über ein Wiedersehen mit den beiden Protagonistinnen freuen. Vor allem ist es schön zu sehen, wie Jane sich entwickelt, der naseweise Spatz.

Rickman schreibt stilistisch sicher und atmosphärisch dicht; er hat eine ganz besondere Gabe, Stimmungen zu beschwören, Bilder vor dem Leserauge entstehen zu lassen, die eindringlich sind und zusammen mit der Handlung des Romans tief wirken. Wer sich bisher das Vergnügen einer Bekanntschaft mit den Watkins-Frauen hat entgehen lassen, dem kann ich nur ans Herz legen, das nachzuholen. Hier hat man Krimi, Mystery-Thriller und Psychogramm direkt neben dem detailreich und liebevoll gezeichneten Bild einer hochmodernen Kleinfamilie: Spannend, gruselig, witzig, traurig und schön. Top!

|Taschenbuch: 560 Seiten
Originaltitel: A Crown of Lights
Aus dem Englischen von Nicole Seifert
ISBN-13: 9783499249075|
[www.rowohlt.de]http://www.rowohlt.de
[www.philrickman.co.uk]http://www.philrickman.co.uk

_Phil Rickman bei |Buchwurm.info|:_
[„Mittwinternacht“ (Merrily Watkins 2) 6067

Kinkel, Tanja – Im Schatten der Königin

_Inhalt_

England, September 1560: Das Land hat seit knapp zwei Jahren eine neue Königin. Im Vorfeld hat es einiges durchmachen müssen, etwa die Abspaltung von Rom unter Heinrich VIII., dann die Rekatholisierung unter Mary I., der Krieg an Spaniens Seite gegen Frankreich – kurz, England ging es schon einmal besser als zu dem Zeitpunkt, an dem Elizabeth an die Macht kam. Nun war man also wieder protestantisch. Vor allem aber war man neugierig darauf, welchem europäischen Fürsten die Königin ihre Hand versprechen würde: Eine Verbindung mit Spanien oder Frankreich würde den jeweiligen anderen Staat schwer verärgern, aber es gab ja auch noch die Schweden, ihrerseits gute Protestanten.

Nur Elizabeth scheint wenig von diesem Angebot auf dem Heiratsmarkt zu halten. Sie scheint dafür ein fatales Faible für ihren Jugendfreund Robert Dudley zu hegen, den Sohn eines als Verräter hingerichteten Mannes. England ist entsetzt, aber glücklicherweise ist Dudley verheiratet. Eine solche Mesalliance kommt also nicht in Frage – bis zu dem Tag, an dem wie ein Lauffeuer das Gerücht die Runde macht, dass Robert Dudleys Gemahlin Amy tot am Fuß der Treppe ihrer derzeitigen Residenz gefunden worden ist.

Fast alle sind sich sicher: Dudley hat seine Frau beiseitegeschafft, um die Königin heiraten zu können!

Dudley wird von der Königin fortgeschickt, bis die Untersuchung des Todesfalls abgeschlossen ist. Doch er kann nicht ganz untätig bleiben, und so schickt er seinen Cousin Tom Blount los, damit der die wahren Umstände von Amys Tod herausfindet.

Für Tom ist es ein schwieriger Auftrag, voller Zweifel und Vorwürfe, gegen andere und gegen sich selbst. Er hat Amy lange gekannt und stand ihr nicht gleichgültig gegenüber. Und was ihm alles an Stöcken zwischen die Beine geworfen werden wird, das kann er beim besten Willen nicht ahnen, als er sich aufmacht, zum Todesort von my lady Dudley …

_Kritik_

Tanja Kinkel hat einmal mehr treffsicher ein unglaublich interessantes Kapitel der Geschichte herausgesucht, um es mit literarischem Leben zu füllen. Der Hintergrund für die Untersuchung Tom Blounts, das so oft völlig umgekrempelte England, mutet bei näherer Überlegung schon fast wahnwitzig an. Und gerade diese erste Phase der Regierungszeit muss für Elizabeth hartes Ringen bedeutet haben, da die Hälfte ihrer Untertanen sie noch immer als Bastard ansah, der den Thron nicht verdient hatte.

Ein Skandal wie der Tod der ungeliebten Gattin des Mannes, mit dem der Volksmund sie verkuppelt hatte, wirkt in einer solchen Situation natürlich wie Sprengstoff. Aber so hart Elizabeths Los in diesem Moment erscheinen mag, sie ist hier nur eine Nebenfigur. Im Mittelpunkt steht Tom Blount, loyaler Mann Robert Dudleys, mit all seiner Hochherzigkeit und all seinen Fehlern, seinen Sünden und seiner Reue, aber auch seinem Scharfsinn und seinem Wortwitz. Wie dieser liebevoll gezeichnete Charakter den Leser sanft erklärend durch die Untiefen der Zeitpolitik lotst und dabei die ganze Zeit fast verrückt wird vor Angst, was die Wahrheit in diesem Fall sein könnte, das ist absolut meisterlich gemacht.

Dass sich von der anderen Seite auch Kat Ashley, Elizabeths Zofe und Freundin, der Wahrheit nähert und wie beide der überraschenden Lösung des Falles zusteuern, wobei sie allerlei Gefahren in Kauf nehmen, macht die Lektüre des Buches noch unterhaltsamer. Nicht zwingend ist nämlich die von Seiten der Leute der Königin ersehnte Wahrheit dieselbe wie die der Dudley-Seite. Und wenn man schon fast gedanklich in den Intrigen des Hofes unterzugehen droht, dann wendet sich plötzlich der Blickwinkel wieder zum Privaten hin, und betroffen stellt man fest, dass die harten Räder der Politik manchmal das zarte Pflänzchen des privaten Lebens unerbittlich zerquetschen. Wow.

_Fazit_

Es gibt wenig zu sagen als Fazit. „Im Schatten der Königin“ ist ein akribisch recherchierter, mit Detailreichtum geschilderter, glaubhafter historischer Roman voller besonderer Charaktere, stilistisch schön verfasst, spannend und unterhaltsam. Kurz: Dieser Roman ist all das, was man als treuer Kinkel-Leser erwartet hatte, als man hörte, dass ein neues Buch erscheint. Tanja Kinkel scheint einfach unfähig, zu enttäuschen. Großes Lob und wärmste Empfehlung, ein Spitzenbuch!

|Gebundene Ausgabe: 424 Seiten
ISBN-13: 9783426198179|
[www.droemer-knaur.de]http://www.droemer-knaur.de
[www.tanja-kinkel.de]http://www.tanja-kinkel.de

_Tanja Kinkel bei |Buchwurm.info|:_
[Die Puppenspieler 83
[Der König der Narren (Die Legenden von Phantásien) 1181
[Götterdämmerung 1409

Sethi, Ali – Meister der Wünsche

_Inhalt:_

Zaki und seine Cousine Samar Api wachsen zusammen in einem Haus in Lahore auf. Der Alltag wird dominiert von Reibereien zwischen Zakia, Zakis unabhängiger, revolutionär denkender Mutter und ihrer Schwiegermutter, der konservativen Daadi.

Wie üblich empfinden die Heranwachsenden die Zeit, in der sie leben, nicht als besonders. Benazir Bhutto kommt an die Macht und scheidet die Geister – wen interessiert das, wenn Samar Api das erste Mal verliebt ist? Warum sollte man über das Alkoholverbot klagen, wenn es doch überall Schmuggler gibt? In der Welt von Zaki und Samar Api geschehen mehr Abenteuer, als die neuen islamischen Verbote und Gesetze jemals zugelassen hätten: Individuelle Triumphe, Intrigen, Freund- und Feindschaften lassen den beiden jungen Leuten nur wenig Raum, sich über Politik Gedanken zu machen. Außerdem tut das ja schon die ältere Generation und streitet sich andauernd. Zakia gibt gar ein Frauenjournal heraus, in dem sie kein Blatt vor den Mund nimmt.

Die Jahre vergehen, Jammer und Freude wechseln einander ab. Freude folgt auf Enttäuschung, und Menschen werden wie Blätter im Wind in verschiedene Richtungen geweht. Zaki besucht verschiedene Schulen, sticht durch Talent zum Schreiben hervor und studiert schließlich in Boston. Als er zur Hochzeit seiner Cousine nach Hause kommt, ist es eine Reise in die Vergangenheit, die durch seine Erinnerungen führt.

_Kritik:_

Ali Sethi hat eine berührende und schöne Familiensage geschrieben. Die Ängste, Zwänge und wilden Freiheiten des Heranwachsens sind unmittelbar und eindringlich geschildert. Dass sie sich vor dem Hintergrund des politisch gebeutelten Pakistan abspielen, gibt dem Ganzen eine besondere Würze.

Ali Sethi verfügt über eine stilistische Kunst, die seine Bilder beeindruckend hervortreten lässt. Der Mann kann |schreiben|! Ohne mit erhobenem Zeigefinger zu belehren, führt Sethi durch ein interessantes und beängstigendes Kapitel von Pakistans Geschichte. Durch die lebenden, atmenden, hoffenden und ringenden Menschen erhält auch dieser Hintergrund Farbe und Leben, und plötzlich ist Pakistan nicht mehr nur eine Krisenregion aus den Nachrichten, sondern der Platz, an dem Zaki mit seinen beiden älteren Cousins nachts Auto fährt und Samar Api sich heimlich aus dem Haus schleicht, um ihren Freund zu treffen.

Sethi verwendet keine Gemeinplätze, all seine Bilder und Geschichten sind frisch, eindringlich und anrührend. Natürlich bleibt naturgemäß auch der Jammer des Umsturzes nicht aus, aber er reiht sich ein in die privaten Sorgen und Nöte, vermengt sich mit ihnen und wird dadurch auf eine viel weniger abstrakte Ebene gehoben, als stures Aufzählen von Daten und Fakten das jemals vermöchte. Und Zakis Aufbruch in die fremde Welt jenseits des Meeres erscheint vor diesem Hintergrund wie ein großes Abenteuer.

_Fazit:_

Man möchte „Meister der Wünsche“ nehmen und es jedem geben, den man trifft. Es ist ein gutes, ein eindringliches und liebevolles Buch, das verschiedene komplizierte Themen in sich vereint und auf zarte Weise dem Leser nahe bringt. Khaled Hosseini, Autor des „Drachenläufer“, zeigte sich begeistert und erklärte: „Ali Sethi […] schenkt uns eine differenzierte, oft komische und immer völlig überraschende Sicht auf das Leben im heutigen Pakistan.“ Dem bleibt nur mehr wenig hinzuzufügen.

Wenn Sie sich für dieses gebeutelte Land interessieren, wenn Sie gern Geschichten von interessanten Menschen lesen, die wunderschön erzählt sind, dann kommen Sie am „Meister der Wünsche“ kaum vorbei. Das Glossar, das sich im Anhang befindet und das die im Text verwendeten landestypischen Ausdrücke erklärt, ist umfassend und hilft beim tieferen Eintauchen in diese fremde Kultur.

|Taschenbuch: 495 Seiten
Originaltitel: The Wish Maker
Aus dem Englischen von Claudia Wenner
ISBN-13: 9783423247894|
[www.dtv.de]http://www.dtv.de/
[www.alisethi.com]http://www.alisethi.com

Goldstein, Rebecca – 36 Argumente für die Existenz Gottes

_Inhalt:_

Professor Cass Seltzer ist ziemlich überrumpelt. Der freundliche, zurückhaltende Mann ist Religionspsychologe und damit, wie die wunderschöne Psychologin Lucinda Mandelbaum meint, ganz weit am falschen Ende der Psychologie angesiedelt. Lucinda selbst glaubt an Statistiken, am Logik und Mathematik, um den schwammigen Bereich „Psychologie“ zu befrieden und urbar zu machen. „Religionspsychologie“ – hah!

Allerdings ist sie von Cass’ Buch angetan. Cass hatte eine sehr intensive Studienphase bei einem Professor, dessen Genie nahe dem Wahnsinn ankerte und der halb verächtlich und halb ehrfürchtig betrachtet worden war. Cass hatte zu den Ehrfürchtlern gehört, ehe der Professor schließlich völlig überzuschnappen schien, was einen schmerzhaften Abnabelungsprozess ausgelöst hatte. Cass hatte irgendwann zu all den ungeklärten und in seinem Inneren gärenden Fragen aus jener Zeit eine Antwort schreiben wollen.

Heraus kam ein Buch, das die Bestsellerlisten nur so stürmte und Cass völlig unvorhergesehen in die Führungsposition der Atheisten erhob. Der „Atheist mit Herz“, wie sie ihn nennen, weiß nicht so recht, was er mit dem Rampenlicht anfangen soll. Er weiß auch nicht, warum Lucinda ihn liebt. Er nimmt nur beides an, so gut es geht.

Während der Strom der Ereignisse ihn mit fortspült, rekapituliert er, wie es so weit kommen konnte. Und mitten in seine Gedanken platzt Roz, seine Exfreundin aus dem Studium, die immer kommt und geht wie ein Herbststurm. Das Einzige, worauf man sich bei ihr verlassen kann, ist die Tatsache, dass sie immer im Begriff steht, etwas Unkonventionelles zu tun. Der irgendwie gemeinsame Weg der selbstbewussten Frau und des stillen Mannes, der auf verschlungenen Pfaden in skurrilste Situationen führte, wird hier nachgezeichnet. Und alles andere auch: Das Gestern, das Heute, und vielleicht ein bisschen vom Morgen. Und nebenher: 36 Argumente für die Existenz Gottes.

_Kritik:_

Dieser Roman ist ein Appell: Wenn auch schon ersichtlich ist, dass Rebecca Goldstein eher den Gegenargumenten Glauben schenkt, als den Argumenten FÜR die Existenz Gottes, so erklärt sie doch, dass das moralische Handeln im Menschen fest verankert ist. Dieses Buch appelliert ans Gutsein, ohne darauf hinzuweisen.

Wie Goldstein aus Mathematik, Physik, Metaphysik, Philosophie, Psychologie, Lyrik und den Geheimnissen der Kabbala einen Roman gewoben hat, der so menschlich und unmittelbar nah erscheint, dass man die Figuren vor Augen zu haben meint, ist wundervoll. Die Kapitel strotzen nur so vor Wissen. Die Autorin hat sich nicht mit halben Sachen zufrieden gegeben. Die Dozentin für Psychologie, die ihre Promotion in Philosophie gemacht hatte, hat fleißig Recherche betrieben und schön allgemein verständlich ein dichtes Netz aus Zusammenhängen gewoben, um die Zauberhaftigkeit der Welt darzustellen.

Die tiefen Einblicke, die man ins orthodoxe Judentum erhält, sind für Laien wie mich faszinierend. Die alltägliche Situation, aus der heraus plötzlich aus einem Kind ein Genie wird, und die Schlichtheit, mit der lebensumwälzende Entscheidungen getroffen werden – werden müssen -, berühren ganz besonders.

_Fazit:_

„36 Argumente für die Existenz Gottes“ ist ein Roman, wie es sie nur ganz selten gibt: Er hat die Kraft zu verändern. Er stößt das Gehirn an, zeigt Blickwinkel auf, ist herzerwärmend, komisch, ergreifend, lässt andächtig zurück und belehrt, ohne Lehrbuch zu sein. Zwar musste ich das eine oder andere nachschlagen, aber ich habe es gern gemacht, weil alles sich so harmonisch ins Ganze gefügt hat und ich in dieser bunt schillernden schönen Fläche keine weißen Flecken wissen wollte.

Ganz abgesehen von der fiktiven Geschichte, die ein literarisches Geschenk ist, finden sich am Ende wie im Buch von Professor Cass Seltzer die 36 Argumente für die Existenz Gottes: Von den frühesten philosophischen Versuchen bis hin zu neumodernen Spitzfindigkeiten ist alles vertreten. Und jedes Argument wird gefolgt von seinen Gegenargumenten, da ist also für jeden etwas dabei. Und wenn das letztendlich doch auch müßige Gedankenspielerei ist – warum sollte man argumentativ etwas mit Absolutheitsanspruch zu beweisen versuchen, das nicht beweisbar ist? Glaube ist Glaube, punktum. So ist das Buch eine Bereicherung für jeden, der es liest. Tun Sie sich den Gefallen, es ist wunderschön.

|Gebundene Ausgabe: 559 Seiten
Originaltitel: 36 Arguments for the Existence of
God
Aus dem Amerikanischen von Friedrich Mader
ISBN-13: 978-3896674234|
[http://www.randomhouse.de/blessing]http://http://www.randomhouse.de/blessing
[http://www.rebeccagoldstein.com]http://http://www.rebeccagoldstein.com

Mucha, Martin – Papierkrieg

_Inhalt:_

Arno Linder lebt in Wien, ist Anfang dreißig und Philologe mit kleinem Lehrauftrag an der Wiener Universität. Da aber überhaupt niemand mehr Geisteswissenschaften braucht, wird er jämmerlich bezahlt und ist nicht einmal krankenversichert. Dafür hat er ein ausgesprochenes Faible für Musik in großer Bandbreite und Marihuana. Seine Bekanntschaften tingeln zu großen Teilen durch die Halbwelt, wo auch Arno selbst sich wohl fühlt wie ein Fisch im Wasser.

Das Bildungsgefälle zwischen ihm und seinen Freunden stört ihn nicht. Es stört ihn allerdings, dass er andauernd so knapp bei Kasse ist. Und als eines Nachts beim Heimkehren ein betrunkenes junges Mädchen mitsamt geladener Waffe in seine Arme taumelt, sieht er eine Möglichkeit, seinen finanziellen Engpass in eine von Dukatenbäumen gesäumte Allee zu verwandeln.

Da sein ethisches Empfinden von Skrupeln völlig unbelastet ist, fährt er die junge Dame nach Hause, bemächtigt sich der Waffe und bietet dem wohlhabenden Vater an, den Namen seiner Tochter aus dem Schlamassel heraus zu halten. Gegen ein entsprechendes Entgelt, versteht sich. Wie groß der Schlamassel allerdings tatsächlich ist, wie tot die Toten in diesem Fall sein werden, dass man niemandem trauen darf und dass zu den Gefährdetsten überhaupt in diesem Abenteuer sein eigenes Herz gehören wird, kann der eigenwillige Schöngeist freilich nicht voraussagen. Und so stolpert er denn mutwillig in eine Geschichte, die ihre Wurzeln weit in die Vergangenheit streckt und unter anderem gut organisierte internationale Verbrecher auf den Plan ruft …

_Kritik:_

Sprachlich mal bildschön, mal krude führt Martin Mucha seine Leser durch die unkonventionelle Welt des Arno Linder. Geistige Erhabenheit, Bildung und Fachwissen treffen auf Proletentum, geringe Wortschätze und mentalen Dreck.

Die Figur des Arno Linder ist von ausgesprochener Ambivalenz. So sehr der Ich-Erzähler sich durch Wissen hervortut, durch Einhaltung gewisser Rituale sich in den Stand des liebenswert Schrulligen erhebt, so sehr stößt er dann wieder ab durch seinen gänzlichen Mangel an Ethik, Moral und Empathie. Wie er zwischen der Welt des Geistesadels, die sich in seinen Gedanken zeigt, und der Welt der Spieler, Nutten und Verbrecher hin und her laviert, ist faszinierend mit anzusehen. Er tänzelt quasi mit Lackschuhen am Rande der Gosse, und man vermag kaum wegzuschauen, auch, wenn er ab und an bis über die Waden in Unaussprechliches tritt.

Diese rasant ausgefahrenen Höhen und Tiefen werden geschmiert von überraschend viel Blut. Und wer gerade nicht damit besudelt ist, trägt mindestens eine Maske, hinter der sich etwas verbirgt, das ganz bestimmt nicht schön anzusehen ist. Nebenbei bemerkt klingen nicht eben leise Antipathien an, was die Wiener Polizei betrifft. Während man verwirrt dem Fall folgt, stellt sich irgendwo im Hinterkopf die Frage, was da vorgefallen sein muss, denn die Beamten werden samt und sonders abgewatscht.

_Fazit:_

Ehrlich gesagt habe ich schon lange nicht mehr so ratlos vor einem Buch gestanden. Was soll man zu „Papierkrieg“ sagen? Es ist … also, es ist schon mal nicht schön. Es ist faszinierend. Und unterhaltsam. Und abstoßend. Voller Typisierungen, voller harter Kerle, voll von teilweise wunderschönen Worten, die sich über den krass entgegen gesetzten anmutig erheben wie schillernde Schmetterlinge über Ursumpf. Ab und zu hat man das Gefühl, Mucha schieße hier über das Ziel hinaus: Manchmal ist es ein bisschen zuviel des Guten. Ganz so abgehoben spricht dann wohl doch niemand. Aber die Grundidee der kreischenden Gegensätze, das Aufreiben der Erhabenheit am Gewöhnlichen, Widerlichen, Eiskalten – das ist brillant erdacht und brillant gelungen.

Wenn es auch sonst nicht einfach ist, „Papierkrieg“ zu einzuordnen, kann ich doch eine Tatsache erzählen, die Ihnen vielleicht bei der Entscheidungsfindung (Lesen oder Nichtlesen?) helfen wird: Wenn ich auch noch immer keine Ahnung habe, wie ich den Krimi eigentlich finde, so kreisen meine Gedanken doch auch nach dem Lesen noch viel um die Geschichte. Und das hat einen ganz eigenen Wert.

|Broschiert: 372 Seiten
ISBN-13: 978-3839210543|
[www.gmeiner-verlag.de]http://www.gmeiner-verlag.de

Dünschede, Sandra – Todeswatt

_Inhalt:_

Anfang 2000: Alle sind im Börsenfieber. Menschen, die sich wenig bis gar nicht damit auskennen, stürzen sich mit Begeisterung in den Aktienhandel, und die Kurse steigen höher und höher. Träume von unendlichem Reichtum scheinen in greifbare Nähe gerückt. Doch am 11. März 2000 ist damit Schluss, die Kurse stürzen in den Keller und nehmen reihenweise kleine Anleger mit, die nun oft genug alle Ersparnisse verlieren. Was für eine Katastrophe!

Man sucht verzweifelt nach jemandem, dem man die Schuld geben kann, und in dem kleinen Städtchen Risum-Lindholm ist dieser jemand Arne Lorenzen, der Bankberater. Wie vielen Leuten hatte er nicht das Geld aus den Taschen gezogen – jedenfalls kommt es den Leuten im Nachhinein so vor.
Dummerweise kann man Arne gar keine Vorwürfe mehr machen: Er liegt tot im Watt vor der Insel Pellworm. Hatte da jemand, der durch Lorenzens Beratung seine Ersparnisse verloren hat, Rache genommen? Vielleicht der Fuhrunternehmer Sönke Matthiesen, der nun aller Wahrscheinlichkeit nach Insolvenz anwenden muss? Oder handelt es sich um eine Verwechselung?

Kommissar Thamsen zerreißt sich zwischen den Ermittlungen und seinen Vaterpflichten. Tatsächlich kommt es ihm nicht ganz ungelegen, dass sich die Freunde Tom, Marlene und Haie in den Fall einmischen. Dass sie nicht auf den Kopf gefallen sind, haben sie bereits in früheren Fällen unter Beweis gestellt, und Thamsen profitiert von den Informationen, die die drei ihm liefern. Aber dann scheint es nur eine Möglichkeit zu geben, den Täter zu überführen, und die Beteiligten lassen sich auf eine gefährliche Scharade ein …

_Kritik:_

Sandra Dünschede entführt ihre Leser dahin, wo man das Salz im Wind riechen kann. Sie beschreibt die Orte des Geschehens so plastisch, dass man sie genau vor Augen hat – inklusive der Pensionen und Ferienhäuschen, die einen zurückführen zu Urlaubserinnerungen.

Schön gemacht ist auch die Beschreibung des Mikrokosmos’ Dorf: Wie den Fremden das Misstrauen entgegenschlägt, wie man jederzeit Hilfe finden, aber auch keinen Schritt tun kann, ohne dass es jeder weiß. Das Elend des vielfachen finanziellen Verlusts in so kleiner Gemeinschaft unmittelbar verdeutlicht zu sehen, gibt dem Leser schon zu schlucken. Die Platt schnackenden Einwohner steigen wunderbar authentisch von den Seiten auf, und die Geschichten und Aberglauben der Region sind gekonnt und unaufdringlich mit in den Plot der Kriminalgeschichte mit eingebunden.

Auch die Bürokratie und das Kompetenzgerangel zwischen den einzelnen Polizeistellen sind schön nachgezeichnet und wirken ausgesprochen enervierend. Nur die Auflösung hat mir persönlich nicht so gut gefallen, da mir die Ausarbeitung weniger dezidiert erschien als bei verschiedenen anderen Spuren. Allerdings ist das vermutlich Geschmackssache. Stilistisch gibt es nichts zu beanstanden. Die mundartlichen Stellen der wörtlichen Rede sind interessant gemacht und die Charaktere glaubwürdig gezeichnet. Die möglichen Motive sind glaubwürdig, und die Verwicklungen, die die Ermittlungen ans Tageslicht bringen, sind manchmal nur allzu menschlich.

_Fazit:_

Wer mal auf einer Nordseeinsel gewesen ist, wird so einiges wieder erkennen in Sandra Dünschedes Roman. Wer noch nicht auf einer war, möchte möglicherweise nach der Lektüre hin: Die Einsamkeit, die Weite und die einfachen Strukturen wirken fast meditativ und ausgesprochen verlockend.

Da die Charaktere alle mit ihren eigenen kleinen und größeren Sorgen zu kämpfen haben, erscheinen sie menschlich und natürlich, und man fühlt unwillkürlich mit ihnen. Es ist der dritte Fall, den Kommissar Thamsen, Tom, Marlene und Haie zusammen bearbeiten, und in dieser Zeit können einem die fiktiven Personen schon durchaus sympathisch werden.

Alles in allem handelt es sich bei „Todeswatt“ um einen gut ausgearbeiteten Krimi, der in einer liebevoll detailreich gezeichneten Umwelt angesiedelt ist. Wen also die Sehnsucht nach Nordfriesland packt, wer die Folklore dort mag, wer das Meer rauschen hören und nebenher einen Mordfall knacken möchte, der ist mit der Lektüre dieses Buches gut beraten.

|Broschiert: 327 Seiten
ISBN-13: 978-3839210581|
[www.gmeiner-verlag.de]http://www.gmeiner-verlag.de
[www.sandraduenschede.de]http://www.sandraduenschede.de

Everett, Daniel – glücklichste Volk, Das

_Inhalt:_

Daniel Everett machte sich als junger Mann auf, um den Pirahã-Indianern am Amazonas den christlichen Glauben nahezubringen. Jahrzehnte später liefert er ein faszinierendes Werk ab, in dem er die fremdartige Kultur und speziell die eigentümliche Sprache der Pirahã schildert.

Die Menschen sind zäh, fit und lachen viel und gerne. Sie schlafen und essen wenig und leben fast ausschließlich für den Moment. Einen Chef, Häuptling oder König kennen sie nicht – die Gemeinschaft ist es, die zählt, und ihre Strafen sind äußerst wirksam. Die Pirahã kennen keine Zahlen, führen ein extrem umweltbezogenes Leben, kommunizieren mit Geistern und zweifeln alles an, wofür es keine lebenden Augenzeugen gibt.

Speziell letzterer Punkt macht es natürlich so gut wie unmöglich, ihnen die Geschichte des vor zweitausend Jahren geborenen Heilsbringers beizubringen: Wer denn diesen Jesus gesehen habe? Oh, was, kein Freund von dir? Danke – dann lieber nicht. Wie wenig diese ruhige, selbstgenügsame Gesellschaft und der für seine Aufgabe brennende, blutjunge Missionar am Anfang zusammen passen, kann man sich lebhaft vorstellen.

Aber langsam wächst Everetts Interesse an den Pirahã. Was ihm anfangs fragwürdig erschien, weil es seinen eigenen Konventionen widersprach, kommt ihm mit der Zeit immer vernünftiger vor. Und allmählich hinterfragt er immer mehr Dinge, die er als gegeben angenommen hatte, weil er mit ihnen aufgewachsen war, und verwirft, was ihm falsch erscheint. Im Zuge dieses „Entrümpelns“ bleibt auch sein Glaube auf der Strecke: Er soll Menschen, die glücklicher und zufriedener sind als die Bürger der modernen Gesellschaft, beibringen, dass sie verloren seien, um sie erretten zu können? Das ergibt keinen Sinn mehr: Der Bekehrer wird zum Bekehrten.

_Kritik:_

Everett zaubert faszinierende Bilder vor das Leserauge. Die Urtümlichkeit des Dschungels und die uns so schwierig erscheinende Einfachheit der Pirahã entführen in eine völlig andere Welt. Die Tatsache, dass Everett halb eine Erzählung und halb einen Forschungsbericht inklusive Fotos abliefert, vermittelt ziemlich genaue Vorstellungen.

Mit dem ehemaligen Missionar und Sprachwissenschaftler macht man die ersten Schritte auf unbekanntes Terrain, steht hilflos vor Problemen, ist geängstigt, fasziniert, abgestoßen oder angezogen. Auch das behutsam wachsende Verstehen ist nachvollziehbar dargestellt, und man folgt Everett gern auf seinen verschlungenen Pfaden in die fremde Kultur. Man darf allerdings nicht vergessen, dass Everett Wissenschaftler ist und Pirahã eine Sprache, die wenigen anderen Sprachen gleicht. Die krassen Unterschiede zu allgemein bekannten Sprachen werden zu verdeutlichen versucht, was natürlich eine Menge Raum einnimmt.

Tatsächlich ist es aber wohl fast unmöglich, so etwas wie den Knacklaut schriftlich korrekt wiederzugeben. Der dritte Teil des Buches, der sich mit der Sprache beschäftigt, wirkt nach den abenteuerlicheren ersten beiden etwas trocken, weil man längst vergessen hat, dass es sich hier ja eigentlich um ein Sachbuch handelt. Wenn man sich aber erst einmal wieder darauf eingelassen hat, ist die Andersartigkeit des Pirahã ebenso faszinierend wie die Kultur und das Leben derer, die es sprechen.

_Fazit:_

Daniel Everett hatte das Glück, Dinge zu erleben, die den eigenen Horizont sprengen. Natürlich tun sie das immer, ob man nun gerade darauf vorbereitet ist oder nicht, was sicherlich manchmal – sagen wir: anstrengend sein kann. Die Chance aber, sein ganzes Leben unter einem anderen Blickwinkel zu betrachten und den eigenen Standpunkt ändern zu können, ist wahrscheinlich viel weniger Menschen gegeben als allgemein angenommen. Allein das macht schon Wert, dieses Buch zu lesen.

Dass hier außerdem Dinge aufgezeichnet werden, die die Sprachwissenschaft, wie sie bisher war, komplett in Frage stellen und allgemeingültige Theorien ins Wanken bringen, ist dann noch einmal eine ganz andere Geschichte. Alles in Allem ist „Das glücklichste Volk“ ein Gänsehautbuch, das den Blick auf die Welt zu verändern im Stande ist, ob man den geschilderten Situationen nun mit Verständnis gegenüber steht oder nicht. Everett schreibt keine Fiktion, er schreibt davon, wie es ist. Und die Exotik der Denkweise und der Prioritäten der Pirahã gehen auf jeden Fall unter die Haut. Lesen Sie es, Sie werden es nicht bereuen.

|Gebundene Ausgabe: 414 Seiten
Originaltitel: Don’t Sleep, There Are Snakes
ISBN-13: 978-3421043078
Aus dem Englischen von Sebastian Vogel|
[www.randomhouse.de/dva]http://www.randomhouse.de/dva
[daneverettbooks.com]http://daneverettbooks.com

Köstering, Bernd – Goetheruh

_Inhalt:_

Hendrik Wilmut, frankfurter Literaturdozent und Goethe-Kenner, wird von seinem Cousin Benno in seinen ehemaligen Heimatort Weimar gerufen. Benno hatte am Telefon nichts sagen wollen, und Hendrik ist tatsächlich neugierig. Was ihn erwartet, ahnt er allerdings nicht, und er ist wie vor den Kopf geschlagen, als er erfährt, dass im Goethehaus Diebstähle stattgefunden haben. Offensichtlich ging der Täter sehr planvoll vor, da es sich bei den gestohlenen Stücken nur um Originale handelt.

Nach jedem Diebstahl lässt der Dieb Benno, der für die Stadt Weimar tätig ist, ein Zitat aus einem Werk Goethes zukommen – zeitlich und zu den Umständen des Diebstahls so passend, dass es der reine Hohn für die Männer ist, die ihn jagen.
Hendrik soll mit seinem Wissen über Goethe weiterhelfen: Welche Stellen genau sind es, die der Unbekannte zitiert? Und gibt es nähere Zusammenhänge mit den Beutestücken?

Schnell wird klar, dass die Diebstähle nicht beim normalen alltäglichen Publikumsverkehr entwendet worden sein können. Das Goethe-begeisterte Phantom verfügt also über Mittel und Wege, die nicht jedem zugänglich sind.
Hendrik ist entsetzt über die Entweihung seines Lieblingsmuseums und stürzt sich mit Feuereifer in die Arbeit. Er kommt dem Dieb geistig relativ nahe, befindet er sich doch in einer ähnlichen Umlaufbahn um den letzten Universalgelehrten wie der Kriminelle. Doch je mehr der Dozent erfährt, desto unheimlicher wird ihm der Fall. So vieles, was der Unbekannte tut, erscheint ihm falsch und blasphemisch.

Und als wäre das alles nicht schon genug, muss er sich nun auch noch lebensumwälzenden Fragen stellen, die teils mit seiner Jugendfreundin Hanna und teils mit seiner Arbeit zusammenhängen…

_Kritik:_

Köstering führt seine Leser nach Weimar und zeichnet ein liebevoll-detailreiches Bild des Goethe-Hauses und der Umgebung. Durch Hendriks Recherche und die Ränke des Diebes erfährt der Leser nebenher jede Menge über Goethe als Dichter, als Menschen und als Mythos. Zahlreiche Zitate des großen Mannes vermitteln seine geistige Nähe in seiner einstigen Heimatstadt. Das ist schön gelungen und macht Spaß zu lesen.

Allerdings krankt „Goetheruh“ an Längen. Jeder, aber auch jeder Schritt, jeder Gedanke, jeder Schwindelanfall, jede Regung Hendrik Wilmuts wird mit einem Wortschwall geschildert und lassen den Dozenten und zivilen Polizeiberater als echten Leisetreter erscheinen. Natürlich ist er nicht der Mann fürs Grobe, natürlich wurde er als Gehirn zur Sonderkommission gebeten, aber man kann es auch übertreiben. An Stelle seiner Jugendliebe Hanna beispielsweise wäre die Unterzeichnete längst durchgedreht. In Hendriks Kopf liegen Dinge immer wundervoll klar dar, wie es scheint, aber an der Umsetzung hapert es offensichtlich, wenn nicht mehrere Tage Anlaufzeit vorhanden sind.

Zumindest kam es mir so vor – vielleicht liegt es aber auch nur daran, dass kaum etwas der Phantasie des Lesers überlassen bleibt, weil alles ausformuliert wird. So etwas nimmt natürlich Zeit in Anspruch. Weniger wäre in diesem Fall einfach mehr gewesen, hätte dem Roman etwas mehr Tempo und Spannung verleihen können.

_Fazit:_

„Goetheruh“ ist grundsätzlich für jeden Literaturfan empfehlenswert. Die Anspielungen auf Goethe selbst sind liebevoll ausgearbeitet und zeugen von emsiger Vorarbeit und einem profunden Wissen seitens Köstering. Auch die Details aus dem medizinisch-psychologischen Bereich zeugen von akribischer Recherche.

Wem allerdings die Verbundenheit zum alten Meister fehlt, der wird mit diesem Krimi sicherlich seine Probleme bekommen. Auf Grund seiner Sperrigkeit und der Tatsache, dass Köstering durch Beschreibungen und Introspektion immer wieder die Bremse zieht, wenn sein Fall Fahrt aufnimmt. Allerdings ist „Goetheruh“ Bernd Kösterings Krimi-Erstling. Bisher schrieb er Fach- und Sachbücher. Bestimmt ist die Umstellung von Tatsachenschilderung zu Fiktion, Reiz und Lockung von Andeutungen und Tempo nicht ganz einfach.

Da diverse Grundlagen viel versprechen und Übung bekanntlich den Meister macht, lohnt es sich wohl also dennoch, ein weiteres Auge auf Kösterings Werke zu haben. Vielleicht verlieren sich diese kleinen Makel im Laufe der Zeit.

|Broschiert: 374 Seiten
ISBN-13: 978-3839210451|
[www.gmeiner-verlag.de]http://www.gmeiner-verlag.de