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Lake, Nick – Im Königreich der Kälte

Wem es in unseren Breitengraden im Winter noch zu warm und unweiß ist, der bekommt mit freundlicher Hilfe von Nick Lake und dem |PAN|-Verlag die Möglichkeit, in die eiskalte Antarktis zu reisen, an der Seite einer wunderbaren kleinen Heldin … „Im Königreich der Kälte“ ist das erste Buch des Autors, doch laut Klappentext sollen weitere folgen.

Light Fitzwilliam ist nicht gerade ein normales Mädchen. Ihr Vater ist ein irischer Adliger und ihre Mutter war eine Inuit. Sie selbst ist ein Albino mit schlohweißen Haaren und heller Haut. Sie lebt in Irland in einem großen Schloss, hat einen eigenen Butler und ein Geist wohnt in ihrer Hauswand. Eines Tages verschwindet ihr Vater bei einer seiner Expeditionen in der Antarktis und wird für tot erklärt. Doch Light ist fest davon überzeugt, dass er noch lebt und dass etwas nicht mit rechten Dingen zu geht.

Als sie nach der notdürftigen Beerdigung ihres Vaters (ohne Leiche) einen Waldspaziergang macht, wird sie von einem Mann fast bis nach Hause verfolgt. Sie kann es sich nicht genau erklären, aber sie hatte das Gefühl, dass der Mann nicht menschlich war. Doch Butler, ihr Vormund, zeigt sich unbeeindruckt – bis sie am gleichen Abend von dem Mann in ihrem Schloss angegriffen werden. Ein merkwürdiges Wesen – halb Eisbär, halb Haifisch – rettet sie. Es heißt Tulipak und Butler scheint sein Freund zu sein. Light hat plötzlich das Gefühl, in etwas sehr Merkwürdiges hinein zu rutschen, doch als sie und Butler beschließen, ein Schiff zu kaufen und in die Antarktis zu fahren, um Lights Vater zu suchen, muss sie feststellen, dass alles noch viel seltsamer wird. Alte Göttinnen, grausame Monster und ein kleiner Eskimojunge – in der schneeweißen, eiskalten Einöde wird das junge Mädchen erwachsen und lernt, dass das Leben mehr ist als in einem riesigen Schloss in einem langweiligen irischen Dorf zu wohnen.

Nick Lake hat mit „Im Königreich der Kälte“ ein selten wunderbares Jugendbuch geschrieben, das auch Erwachsene begeistert. Sein Witz, die tollen Hauptfiguren und die zauberhafte Handlung vor schneeglitzernder Kulisse geben der Geschichte etwas ganz Eigenes, das sie von anderen Büchern dieser Art unterscheidet.

In seinem Buch vermengt Lake Legenden und Geschichten der Inuit mit Fantastischem und einer Handlung, die zwar im Alltag spielt, aber trotzdem etwas Magisches hat. Es beginnt mit der Beschreibung von Lights Schlossleben. Sie hat einen eigenen Butler, eine Köchin und ein Rohrpostsystem in ihrer Behausung. Schon an dieser Stelle überschreitet der Autor die Grenze zwischen realistisch und fantastisch und das zieht sich so durch das ganze Buch. Ohne Berührungsängste packt er alles in seine Handlung, was er finden kann. Doch diese Menge an Personen, Wesen, Schauplätzen und Legenden ist nicht zu viel. Im Gegenteil strukturiert der Autor dies so gut, dass eine spannende Geschichte daraus entstanden ist, voller unvorhersehbarer Wendungen und Überraschungen. „Im Königreich der Kälte“ ist ein reinrassiger Abenteuerroman, allerdings erfreulicherweise ohne dabei andere Abenteuerromane zu kopieren.

So bunt wie die Handlung ist auch der Personenkreis. Auch hier verschwimmen die Grenzen zwischen Realität und Fantasie. Jede Figur hat ihre Geheimnisse und Besonderheiten, die ihr Tiefe verleihen. Die Geschichte wird aus Lights Perspektive erzählt, weshalb sie auch im Vordergrund steht. Anfangs wirkt sie wie ein normales, etwas langweiliges Mädchen, aber schnell wird klar, dass nicht nur ihre Umstände sie zu etwas Besonderem gemacht haben. Sie ist mutig und altklug, gleichzeitig sehr liebenswert und clever, doch zu allererst ist sie ein junger Mensch, noch mehr Mädchen als junge Frau. Dies weiß Lake sehr gut darzustellen, indem er den Leser durch eine kindlich-naive Brille schauen lässt, die dem Buch eine ganz eigene Note gibt.

Light hat eine recht ungewöhnliche Erziehung erhalten. Weil sie auf der Dorfschule wegen ihrem Aussehen gehänselt wurde, haben ihr Vater und Butler sie zu Hause unterrichtet. Philosophie, fremde Sprachen, Codes und Überlebenstraining – es ist kein Wunder, dass Light bei dieser Masse an unterschiedlichsten Eindrücken ein bisschen altklug wirkt. Vermengt mit ihrer naiven Weltsicht ergibt sich daraus ein wirklich reizvoller Schreibstil, der häufig an die Einfachheit eines Märchens erinnert. Als ob das nicht schon genug wäre, sprühen die Dialoge außerdem nur so vor Humor, Schlagfertigkeit und Skurrilität. Manchmal verleiten sie nur zum Schmunzeln, manchmal aber auch zu lautem Auflachen.

Alles in allem ist „Im Königreich der Kälte“ das perfekte Weihnachtsgeschenk für Groß und Klein. Light tritt mit ihrer spannenden und fantasievollen Reise in die Fußstapfen von Philip Pullmans „Lyra Belacqua“.

|Originaltitel: The Secret Ministry of Snow
Aus dem Englischen von Sabine Reinhardus
381 Seiten, Hardcover
ISBN-13: 978-3426283035|

http://www.pan-verlag.de

Read, Cornelia – Es wartet der Tod

Cornelia Reads erster Kriminalroman [„Schneeweißchen und Rosentot“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=5079 hat der Autorin viel Lob eingebracht. Mit „Es wartet der Tod“ sollte das nicht anders sein und zwar nicht nur, weil Madeline Dare wieder mit von der Partie ist.

Madeline Dare, eine achtundzwanzigjährige Frau mit ungewöhnlicher Vorgeschichte, ist Lehrerin an einer Privatschule in den Bergen von Massachusetts. Auf der Santangelo Academy sollen kriminelle, drogenabhängige und schwer erziehbare Jugendlichen wieder auf den richtigen Weg geführt werden. Doch die Methoden dazu sind fragwürdig. Dr. Santangelo, der Gründer der Schule, ist ein Exzentriker, der zu sektenartigen Ritualen neigt und der auch von den Lehrern ein völliges Aufgehen in den Regeln der Lehranstalt fordert. Regelmäßige Gruppentherapiesitzungen, Rauch- und Kaffeeverbot sind nur ein Teil dieser merkwürdigen Vorgänge.

Madeline kommen immer mehr Zweifel an der Santangelo Academy, als sie erfährt, dass Mooney und Fay, zwei ihrer Schüler, ein Kind erwarten. Mooney vertraut sich ihr an und erzählt von ihrer Angst, dass Santangelo oder Fays Eltern sie zwingen könnten, das Kind auszutragen, was sie beide nicht wollen und können. Da sie mit Beruhigungspillen voll gepumpt werden, sind die Aussichten, dass das Kind gesund ist, gering und der Ärger wäre auf jeden Fall beträchtlich. Doch bevor sie eine Lösung für das Problem finden, werden die beiden während einer Geburtstagsfeier ermordet. Jemand hat ihre Drinks vergiftet – und dabei auch den von Madeline erwischt und ihr Fays Kette in die Tasche gesteckt. Die Polizei glaubt deshalb, dass die junge Lehrerin in den Fall verwickelt ist, doch das lässt diese nicht auf sich sitzen …

Der englische Originaltitel „Crazy School“ beschreibt das Buch wesentlich besser als die deutsche „Übersetzung“. Cornelia Read bringt den Wahnsinn der Santangelo Academy gekonnt auf den Punkt: Merkwürdige Rituale, psychischer Druck, gestörte Teenager und noch gestörtere Lehrer – ohne Rücksicht auf Verluste schildert die Autorin, wie eine Privatschule aussehen könnte, wie sie sich gibt und was hinter den Kulissen abläuft. Ihre Darstellungen sind so realistisch, dass dem Leser ein Schauer über den Rücken läuft. Viele Elemente erinnern an Gerüchte und Geschichten, die man über Sekten hört, vor allem die Stellung Santangelos. Er wird als Person so unberechenbar und beklemmend geschildert, dass nicht nur Madeline es mit der Angst zu tun bekommt.

Die Handlung ist unglaublich dicht und spannend erzählt. Die Beschreibungen der Schule sind stets kurz, aber sehr intensiv und vieles vermittelt Read nicht über Erklärung, sondern indem sie es in die Handlung integriert. Der Leser erlebt es durch Madelines Augen mit – und zieht seine eigenen Schlüsse, auch was die Morde angeht. Hierbei führt Read den Leser und die Hauptperson gekonnt an der Nase herum. Sie baut Überraschungen, Sackgassen und Action ein, ohne dabei zu stark ins Krimigenre abzurutschen. Insgesamt ist die Handlung nämlich erfreulich belletristisch gehalten. Berichte über den Schulalltag, Schlagabtäusche zwischen Madeline und ihrem Ehemann und Madelines wachsende Ahnung, dass in der Schule etwas nicht stimmt, wechseln sich mit dem eigentlichen Krimigeschehen ab, überwiegen es häufig sogar. Trotzdem hat das Buch keine Längen. Es geht Schlag auf Schlag und ist unglaublich mitreißend.

Das liegt sicherlich auch an der fabelhaften Ich-Erzählerin. Madeline ist alles, was man sich als Leser nur wünschen kann: anders, überraschend, frech, schlagfertig, witzig, unterhaltsam. An dieser Stelle könnten noch eine Menge andere Adjektive stehen und selbst dann würden sie nicht ausreichen, um Madeline zu beschreiben. Von ihrem Wesen her ist sie erfrischend anders, vor allem für einen Krimi. Allein ihr Humor und ihre Schlagfertigkeit sorgen dafür, dass man das Buch nicht aus der Hand legen kann. Das gilt im Übrigen auch für andere Personen: Amüsante Dialoge sind Reads Steckenpferd. Mit „Es wartet der Tod“ kann man tatsächlich eine Menge Spaß haben. Der Roman sprüht nur so vor Energie, Wortwitzen und tollen Beschreibungen. Hinzu kommt Reads Lakonie, ihre Treffsicherheit bei der Wortwahl und ihr Abwechslungsreichtum.

„Es wartet der Tod“ ist wohl einer der überraschendsten Krimis des Jahres. Eine fantastische Hauptfigur mit viel Humor und eine Handlung, die trotz des großen Anteils an Belletristik unglaublich spannend ist – Cornelia Read sollte man im Auge behalten.

|Originaltitel: Crazy School
Aus dem Englischen von Sophie Zeitz
337 Seiten, Taschenbuch
ISBN-13: 978-3423247535|

http://www.dtv.de
http://www.corneliaread.com

Smith, Kathryn – Tochter der Träume

Träume faszinieren die Menschen seit jeher. Es gibt genug Psychologen und Forscher, die versuchen, aus dem, was wir im Schlaf erleben, etwas heraus zu lesen. Die achtundzwanzigjährige New Yorkerin Dawn Riley, die Heldin aus „Tochter der Träume“, hingegen interpretiert Träume nicht nur. Sie kann sie auch beeinflussen und sogar besuchen, denn sie ist niemand Geringeres als die Tochter von Morpheus, dem König der Träume.

Dawn arbeitet als Schlafforscherin in einem New Yorker Labor. Einer ihrer Patientin ist der Künstler Noah, ein so genannter luzider Träumer. Anders als andere Menschen kann er seine Träume willentlich beeinflussen und so einen Albtraum in einem Traum zu seinen Gunsten verändern. Dawn hofft, dass sie von ihm Informationen darüber erhält, wie sie Menschen mit Albträumen helfen kann. Einmal abgesehen davon ist Noah ziemlich gutaussehend und er flirtet manchmal mit ihr.

Doch ihre zarten Annäherungsversuche werden gestört, als Noah Dawn erzählt, dass seine Träume versuchen, ihn zu töten. Ein Traumdämon namens Karatos sucht ihn nachts heim, verspottet ihn und raubt ihm die Kraft. Karatos ist kein Unbekannter für Dawn, denn auch sie wird neuerdings von dem Dämonen im Schlaf verfolgt. Sie weiß nicht, was er will und woher er kommt, doch sie ahnt, dass sie die Antworten auf diese Fragen nur finden wird, wenn sie an den Ort zurückkehrt, den sie am meisten hasst: Das Königreich ihres Vaters, denn mit Morpheus hat sie sich zerstritten. Um Noah und sich vor dem immer stärker werdenden Dämon zu retten, reist sie im Schlaf ins Land der Träume, doch diese Reise gestaltet sich schwieriger als gedacht …

Kathryn Smith hat mit „Tochter der Träume“ einen netten Romantic-Fantasy-Roman geschrieben, der das Gewicht allerdings eher auf den ersten Teil der Bezeichnung legt. Tatsächlich durchzieht die aufkeimende Liebe von Dawn und Noah fast die gesamte Geschichte, garniert mit einigen nicht gerade züchtigen Bettszenen. Die Hauptzielgruppe ist damit klar: Wer nicht von vornherein ein gewisses Interesse an Liebesgeschichten mitbringt, dem wird dieses Buch vermutlich wenig Freude machen. Darüber hinaus schafft es die Autorin aber, den Anteil an Romantik insofern aus zu balancieren, dass „Tochter der Träume“ weder im Kitsch ertrinkt noch langweilig wird. Die Handlung an sich – die Verfolgung und Vernichtung von Karatos – ist gut aufgebaut und steigert sich zusehends. Langweilig wird dem Leser also auch zwischen den Stelldicheins der beiden Hauptfiguren nicht. Hinzu kommt die starke Präsenz des Haupthandlungsortes: New York. Smith erzählt sehr viel über diese Stadt, genauso wie über Dawns Liebe für Filme oder ihr Arbeitsleben.

Überhaupt lernt der Leser die Protagonistin ausführlich kennen. Dawn erzählt aus der Ich-Perspektive und lässt dabei nichts aus. Smith schafft es, dass man das Gefühl hat, im Buch direkt neben der sympathischen Hauptfigur zu stehen. Außerdem gelingt es ihr, Dawn auf der einen Seite zwar als ganz gewöhnliche Frau darzustellen, wie man sie vermutlich massenweise in jeder Großstadt trifft, ihr dabei aber trotzdem Ecken und Kanten zu geben. Dadurch wirkt Dawn real – realer, als man das in einem Buch des Genres vielleicht erwartet hätte.

Einziger Kritikpunkt an der Hauptperson ist ihre Geschwätzigkeit. Auf der einen Seite ist es natürlich vorteilhaft, wenn jede Situation bis ins kleinste Detail geschildert wird, doch auf der anderen Seite wird es irgendwann langweilig, wenn neu auftretende Personen mit allen passenden Farb-, Aussehens- und Geruchsattributen ausgestattet werden. Tatsächlich neigt Smith dazu, ihre Charaktere zu idealisieren. Fast jeder ist überaus hübsch, hat „schokoladenbraune“ Augen oder Augen mit einem anderen, teilweise klischeehaften Farbadjektiv und und riecht nach allen möglichen Gewürzen aus dem Küchenregal. Manchmal kann man sich an solchen Stellen das Schmunzeln fast nicht unterdrücken. Allerdings ist das noch weniger störend als die kontinuierlichen Beschreibungen von Dawns Schmink- und Ankleideritualen. Die Autorin wirft dabei mit Markennamen nur so um sich, was ziemlich befremdlich und fast schon wie Product Placement wirkt.

Abgesehen von diesem Manko ist „Tochter der Träume“ allerdings ein ziemlich anständiges Buch. Romantisch, ja, aber dank der spannenden Handlung und der netten Hauptperson ist es mehr als das, nämlich auch ein annehmbares Fantasybuch.

|Originaltitel: Before I wake
Aus dem Amerikanischen von Regina Schneider
459 Seiten, Taschenbuch
ISBN-13: 978-3426283059|
http://www.pan-verlag.de
http://www.kathryn-smith.com

Schweikert, Ulrike – Herz der Nacht, Das

In [„Der Duft des Blutes“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=4858 erzählte die deutsche Autorin Ulrike Schweikert von dem Vampir Peter von Borgo, der im Hamburg der Gegenwart sein Unwesen treibt. Wie er in die deutsche Stadt kam und wie er zumindest ein paar Jahre seines langen Lebens verbracht hat, erfährt man in „Das Herz der Nacht“:

Im 19. Jahrhundert kommt der Vampir András Petru Báthory, der sich später Peter von Borgo nennt, nach Wien. Dort wird er ein guter Freund der Fürstin Therese Kinsky, die sich von ihrem Ehemann vernachlässigt fühlt und in dem Vampir bald mehr als einen Kameraden sieht. Doch András ist da zurückhaltender, obwohl auch er sich von der schönen Frau angezogen fühlt. Zu sehr fürchtet er, dass Therese mit seinem Geheimnis nicht umgehen kann.

Zur gleichen Zeit wird Wien durch eine seltsame Mordserie erschüttert. Vor allem junge Mädchen verschwinden und werden dann mit grausam zerrissener Kehle tot aufgefunden. Nachdem András in der Nähe von zwei Tatorten gesehen wurde, fällt der Verdacht des findigen Wiener Polizeikommissär Hofbauer auf den Vampir. Schnell merkt er, dass mit András etwas nicht stimmt und beißt sich an ihm fest. Zu spät merkt András, dass es beabsichtigt war, den Verdacht auf ihn zu lenken und ihn damit in Gefahr zu bringen. Doch wer würde so etwas tun?

Anders als „Der Duft des Blutes“ ist „Das Herz der Nacht“ mehr ein historischer Roman als ein Krimi und genau das rettet ihn davor, eine ähnlich durchschnittliche Bewertung wie der Gegenwartsroman zu erhalten. Schweikert gelingt es nämlich ausgezeichnet, das Porträt der damaligen Gesellschaft mit einer gut konstruierten, durchaus spannenden Handlung zu verbinden. In bunten Farben schildert sie nicht nur die verschiedenen Sitten, Traditionen und Affären im Wien der 19. Jahrhundert, sondern auch die im Buch vorkommenden Personen. Sie erwachen zum Leben, ohne aber historisch überfrachtet zu sein. Auf sehr unterhaltsame Art und Weise erfährt der Leser etwas über die damaligen Zustände, beinahe ungestört durch untote Wesen wie András.

Vampire an und für sich spielen tatsächlich nur eine ziemlich kleine Rolle in der Geschichte. Schweikert verzichtet darauf, ein untotes Wesen ans andere zu reihen, wie das in den „modernen“ Vampirromanen manchmal der Fall ist. Ihr Bild das Vampirs ist eher klassisch. András schläft tagsüber in einem Sarg, ist überaus stark und kann sich in eine Fledermaus oder einen Wolf verwandeln. Diese Einfachheit passt gut zu der historischen Kulisse, genau wie das Gentleman-Benehmen des Protagonisten. Dieser wirkt in der Geschichte eher distanziert, vor allem, weil er den Leser nur sehr oberflächlich an seinen Gedanken und Erinnerungen teilhaben lässt. Das ist ein bisschen schade, da er bestimmt viel zu erzählen hätte.

Als Entschädigung präsentiert sich Therese dafür umso geschwätziger, was auch nicht uninteressant ist. Mit ihrem bissigen Humor beschreibt sie die Zustände der Wiener Oberschicht nicht immer freundlich, dafür aber umso interessanter. Ihre Bemerkungen und Dialoganteile sind ebenfalls häufig durch diesen Witz geprägt, was aber die einzige Stelle im Buch bleiben soll, wo es lustiger zugeht. Ansonsten schreibt Schweikert eher ruhig und gedeckt. Ihre Beschreibungen sind zwar angenehm vielfältig und detailliert, doch ansonsten beschränkt sie sich auf einen gehobenen, der historischen Epoche angepassten Wortschatz, der nur wenig Stilmittel verwendet.

Doch abgesehen davon, dass Schreibstil und Personen nicht immer mitreißend sind, ist „Das Herz der Nacht“ ein schöner historischer Roman mit einem Schuss Grusel und einer Note Krimi. Gerade für Fans von historischen Geschichten ist dieses Buch eine gute Investition.

|471 Seiten, Hardcover
ISBN-13: 978-3802582233|

http://www.egmont-lyx.de

_Ulrike Schweikert beim Buchwurm:_
[Nosferas. Die Erben der Nacht 1 5084
[Lycana. Die Erben der Nacht 2 5359
[Seele der Nacht, Die (Die Legenden von Phantásien) 1232

Smith, Lisa J. – Jägerin der Dunkelheit (Night World 3)

_|Night World| beim Buchwurm:_

Band 1: [Engel der Verdammnis 6012
Band 2: [Prinz des Schattenreichs 6013

Die Reihe „Night World“ von Lisa J. Smith siedelt voneinander unabhängige Protagonisten in einer Welt an, die der unseren ähnelt, aber von übernatürlichen Wesen besiedelt ist. In „Jägerin der Dunkelheit“ sind es die Vampire, die im Vordergrund stehen – oder besser gesagt ihre Feindin, denn Rashel Jordan ist die wohl gefürchtetste Vampirjägerin in Amerika.

Seit Rashels Mutter getötet und ihr Bruder verschleppt worden ist, ist die Neunzehnjährige auf der Suche nach dem Vampir, der ihr das angetan hat. Bislang hat sie ihn noch nicht gefunden, doch dafür hat sie eine Menge anderer Blutsauger umgebracht und mit ihrem persönlichen Zeichen versehen, das ihr den Beinamen „Die Katze“ eingetragen hat. Obwohl sie meistens alleine arbeitet, schließt sie sich den Lancers an, einer Organisation von Vampirjägern.

Doch einer ihrer Einsätze geht schief. Nyala, die Neue bei den Lancern, wird von einem Vampir überwältigt und als Rashel ihr zur Hilfe eilt, lässt sie den Vampir auch noch laufen. Warum sie dies getan hat, weiß sie selbst nicht genau, denn Quinn war ihr noch nicht mal sympathisch. Oder doch? Immerhin hat er sie fast dazu gebracht, ihre Tarnung aufzugeben. Zum Glück nur fast, denn wenig später erfährt sie, dass eine Bande aus einem Untergrundclub junge Mädchen entführt. Als sie die naive Daphne aus den Händen der Kidnapper befreit, erhält sie neue Informationen, die es ihr ermöglichen, sich selbst als Köder in die Gruppe einzuschleusen. Dort macht sie eine schreckliche Entdeckung …

Von den drei Büchern der Reihe, die bislang in Deutschland veröffentlicht worden sind, ist „Jägerin der Dunkelheit“ das düsterste und erwachsenste – und damit auch das beste. Das Motiv der Vampirjägerin wird bei Smith zwar nur sehr oberflächlich abgehandelt und kann bei weitem nicht mit einigen Dark-Fantasy-Reihen der jüngeren Zeit mithalten. Das wiederum hängt hauptsächlich damit zusammen, dass Smith auch in diesem Buch den Fokus sehr stark auf die Liebesbeziehung zwischen Rashel und Quinn ausrichtet. Im Vergleich mit den vorherigen Büchern ist die Beziehung zwar dieses Mal wesentlich komplexer und weniger romantisch, hat aber das gleiche Ergebnis: Ewige, unbesiegbare Liebe. Wer auf echte Spannung und düsteren Horror steht, sollte daher die Finger von diesem Buch lassen, denn auf diesem Gebiet hat die Autorin nicht viel zu bieten.

Rashel ist mit großem Vorsprung die beste Hauptperson bis jetzt. Während Quinn dezent an Delos aus dem zweiten Band erinnert, sucht Rashel bislang ihresgleichen. Im Vergleich mit ähnlich gearteten Büchern ist sie sicherlich noch zu oberflächlich und wenig ausgearbeitet, aber durch den düsteren Touch der Geschichte wirkt sie wesentlich erdiger. Dass sie durch das Unglück in ihrer Kindheit getrieben wird, hätte zwar noch besser ausgearbeitet werden können, aber im Großen und Ganzen ist Rashel für ein Jugendbuch ganz in Ordnung.

An Smiths Schreibstil hat sich auch im dritten Buch nichts geändert. Er ist nach wie vor angenehm und leicht lesbar, aber nicht sonderlich originell. Doch wer weiß? Nachdem sich die Autorin bereits bei der Hauptfigur gesteigert hat, passiert sowas vielleicht auch noch bei ihrer Erzählweise.

„Jägerin der Dunkelheit“ ist ohne Frage das bislang interessanteste Buch in der Reihe. Im Vergleich mit ähnlichen Geschichten zieht es immer noch den Kürzeren, aber die Autorin hat sich gesteigert. Die düstere Seite der Geschichte erinnert schon eher an den Reihentitel und die Hauptfigur ist wesentlich erwachsener. In Anbetracht der Tatsache, dass die Autorin bislang in jedem Band andere Hauptfiguren einführt, ist es aber wohl leider so, dass Rashel dem geneigten Leser so schnell nicht wieder begegnen wird.

|Originaltitel: Night World – The Chosen
Aus dem Amerikanischen von Michaela Link
253 Seiten, Taschenbuch
ISBN-13: 978-3570306352|

http://www.cbt-jugendbuch.de

Barbery, Muriel – Eleganz des Igels, Die

Sind Igel elegant? Diese Frage stellt sich unweigerlich, wenn man den Roman „Die Eleganz des Igels“ von Muriel Barbery in die Hände bekommt. Eigentlich assoziiert man mit den stacheligen Tierchen nicht unbedingt Grazie, aber die französische Schriftstellerin zeigt in ihrer leichtfüßigen Geschichte, dass der Igel mehr kann als im Garten herum zu lungern. Zum Beispiel als gelungene Metapher dienen …

Die Geschichte spielt aus der Sicht zweier Hauptpersonen. Die eine ist die zynische, ältere Concierge Renée, die sich autodidaktisch gebildet hat. Sie ist unglaublich belesen und kennt sich auch mit Filmen sehr gut aus. Doch davon weiß niemand, denn in dem Glauben, dass sich Bildung für eine Concierge nicht ziemt, versteckt sie ihr Wissen hinter einer Schutzschicht aus sorgfältig zurechtgelegten Klischees. Nur ihr Kater Leo und ihre Freundin, die portugiesische Putzfrau Manuela, wissen von ihrer Brilianz.

In dem teuren Haus, das Renée betreut, wohnt die zwölfjährige Paloma, ein hochintelligentes, sehr nachdenkliches Mädchen. Es fällt ihr schwer, sich in die Gesellschaft einzufügen und sie verbringt die meiste Zeit damit, über das Leben nachzugrübeln und sowohl ihre wohlhabenden Eltern und ihr Gebaren als auch ihre oberflächliche große Schwester Colombe zu verachten. Weil sie nicht das Gefühl hat, dass das Leben etwas für sie zu bieten hat, hat sie sich vorgenommen, sich an ihrem 13. Geburtstag umzubringen. Vorher sucht sie jedoch nach etwas, das ihr vielleicht doch einen Grund gibt, um am Leben zu bleiben. Also studiert sie die Menschen um sich herum noch intensiver. Allerdings sieht es nicht so aus, dass das was bringt.

Doch dann zieht der Japaner Monsieur Ozu in das Haus ein und plötzlich steht die Welt der beiden unterschiedlichen Protagonisten, die sich noch gar nicht kennen, Kopf. Während Paloma von Anfang an ein brennendes Interesse an Monsieur Ozu zeigt, weil sie die japanische Kultur verehrt, stellt Renée sich anfangs so dumm wie immer. Doch bald merkt Monsieur Ozu, dass Renée keineswegs die unbedarfte Concierge ist, für die sie sich gibt …

Barbery gelingt das Kunststück, ein Buch mit wenig Handlung so zu erzählen, dass man es nicht aus der Hand legen möchte. Etwas Geduld muss man dafür allerdings mitbringen, denn die Autorin macht es ihren Lesern nicht immer leicht. Auch wenn ab der Mitte etwas mehr Aktion in die Handlung kommt, dreht sich das Buch zum Großteil um die Beobachtungen und Gedanken der Hauptpersonen. Diese steckt die Autorin in ein Korsett aus gehobener Sprache und ausdrucksstarken Stilmitteln. Ihre Beobachtungen sind auf den Punkt gebracht und regen zum Nachdenken an. Ab und zu fällt es schwer, den beiden Frauen zu folgen, doch daraus entsteht dem Leser kein Nachteil. Die wichtigen Stellen, vor allem in der Handlung, sind verständlich. Insgesamt hält die Autorin ein gutes Gleichgewicht zwischen den einfacheren Beschreibungen und den komplexeren Gedankengängen von Renée und Paloma.

Dadurch, dass sie aus der Ich-Perspektive der beiden schreibt, kommt der Leser den Protagonisten sehr nahe. Sie sind leicht zugänglich, da die Autorin sie letztendlich um ihre Haupteigenschaften herum aufbaut. Während Renée frustriert ist, weil sie ihre Bildung verstecken muss (obwohl sie sich dies selbst auferlegt hat), fühlt sich Paloma verloren und missverstanden. Diese beiden Attribute weiß Barbery sehr eindringlich darzustellen. Die beiden wachsen einem ans Herzen und ihre positive Entwicklung, die mit dem Auftreten von Monsieur Ozu in Gang kommt, ist geradezu eine Erleichterung. Palomas Verzweiflung und Renées Zynismus verschwinden, Unsicherheiten kommen ans Tageslicht. Die Autorin gibt ihren Personen Raum, sich zu entwickeln, was sie nur noch liebenswerter und authentischer macht und dem Buch, wie Le Figaro auf dem Buchrücken angibt, tatsächlich einen Hauch „modernes Märchen“ verpasst.

„Die Eleganz des Igels“ ist ein wunderbares, nicht immer ganz einfach zu lesendes Buch. Es regt zum Nachdenken an und glänzt durch ausgefallene Gedankengänge und die tollen Personen. Und die sprachliche Brillianz: Der Vergleich Renées mit einem kleinen, braunen Stacheltier bringt das Wesen der Concierge mit wenigen, kongenialen Worten auf den Punkt.

|Originaltitel:| L’Élégance du hérisson|
Aus dem Französischen von Gabriela Zehnder
364 Seiten, Taschenbuch
ISBN-13: 978-3423138147|

http://www.dtv.de

Thørring, Jorun – Kein Zeichen von Gewalt

Reiche Familien mit düsteren Geheimnissen sind beileibe keine Seltenheit in der Literatur. „Kein Zeichen von Gewalt“ von Jorun Thørring ist ein weiterer Roman, der diese Konstellation aufgreift. In ihm hat Orla Os, die norwegische Sonderermittlerin bei der Pariser Polizei, ihren zweiten Auftritt.

Adam Fabre, Besitzer einer Modelagentur und Ehemann der Tochter der angesehenen Pariser Familie Tesson, verschwindet eines Tages spurlos. Anfangs glauben Orla und ihre Kollegen noch, dass er mit einer seiner Geliebten abgehauen ist, doch wenig später finden sie seinen Wagen auf einem verlassenen Parkplatz. Von Fabre finden sie zwar immer noch nichts, dafür liegt eine ermordete junge Frau auf dem Rücksitz. Sie zeigt keine Anzeichen von Gewalteinwirkung, ihre Identität scheint niemand zu kennen.

Als Orla und ihre Kollegen Fabres Familienleben und Umfeld ausleuchten, kommen einige unschöne Geheimnisse ans Tageslicht. Die Modelagentur scheint keineswegs eine Modelagentur zu sein, Fabres Sekretärin benimmt sich wie eine High Society-Lady, obwohl sie bettelarm ist, und die Vergangenheit von Fabres Schwägerin Juliette ist auch nicht ganz sauber. Hinzu kommt seine Ehefrau, eine kalte und abweisende Person, und sein Vater, der sofort einen Anwalt einschaltet und sich reichlich zugeknöpft zeigt.

Wenig später findet man Adams Leiche im Hause seines Geschäftspartners Georges Lambert. Lambert ist hingegen verschwunden. Adam und das fremde Mädchen sollen nicht die einzigen Toten bleiben …

Nicht nur das Familienmotiv in „Kein Zeichen von Gewalt“ ist schon häufig benutzt worden. Auch der Aufbau der Geschichte erinnert an viele andere Bücher. Zeitgleich finden zwei Handlungsstränge statt. Der gegenwärtige in Paris und einer, der in den 60er Jahren in Algerien beginnt und mit dem gegenwärtigen Erzählstrang nach und nach zusammen fließt. Dieses Gegeneinanderlaufen verschiedener Zeiten und die Verwurzlung eines gegenwärtigen Mordfalls in der Vergangenheit ist nichts Neues. Thørring weiß zwar sicher mit diesem Aufbau umzugehen, aber richtig spannend ist die Geschichte trotzdem nicht. Obwohl die norwegische Autorin eine Vielzahl an Verdächtigen mit dubiosem Hintergrund einführt, fehlt es an überraschenden Wendungen. Die Dichte und Intensität an möglichen Mördern macht allerdings einiges wieder wett.

Orla Os ist, wie der Name schon sagt, ursprünglich Norwegerin, lebt aber schon seit geraumer Zeit in Paris. Sie hat dort studiert und geheiratet, ist aber mittlerweile Witwe. Dieses Zusammentreffen zweier Nationalitäten gibt dem Buch einen interessanten Anstrich. Thørring lässt häufig norwegische Kultur einfließen, übertreibt es damit jedoch nicht. Ihre Hauptfigur bleibt trotzdem etwas blass. Im Vordergrund steht die Kriminalgeschichte, nicht die Ermittlerin. Da die Handlung aber gut aufbereitet ist, schmerzt dies nicht sehr stark.

Was allerdings ein bisschen schade ist, ist die Darstellung der Familien Fabre und Tesson. Sie ist doch etwas plump. Die Geheimnisse, die dem Leser als solche verkauft werden, sind in dieser Form schon häufiger vorgekommen. Die Familienmitglieder selbst sind zwar gut ausgearbeitet, aber wenig originell. Dies vermindert die Spannung und führt dazu, dass „Kein Zeichen von Gewalt“, auch dank des einfachen, sachlichen Schreibstils, gut zu lesen ist, aber nicht wirklich im Gedächtnis bleibt.

An dem zweite Buch mit der Ermittlerin Orla Os gibt es handwerklich nichts auszusetzen. Es ist gut geschrieben, die Handlung ist zwar nicht immer spannend, aber gut gemacht und auch Orla ist recht sympathisch. Allerdings fehlt es dem Buch auf weiten Strecken an Originalität.

|Originaltitel: Tarantellen
Aus dem Norwegischen von Sigrid Engeler
378 Seiten, Taschenbuch
ISBN-13: 978-3423211666|

http://www.dtv.de

Smith, Lisa J. – Prinz des Schattenreichs (Night World 2)

_|Night World| beim Buchwurm:_

Band 1: [Engel der Verdammnis 6012

Lisa J. Smiths „Night World“-Reihe hat mit einer Romanze zwischen einer Hexe und einem normalen Jungen begonnen. In „Prinz des Schattenreichs“ setzt sich die Serie wesentlich düsterer fort, denn dieses Mal ist der Geliebte kein Mensch, sondern ein Vampir …

Als Miles, Maggies großer Bruder, verschwindet, hat sie ein merkwürdiges Gefühl. Sylvia, Miles‘ Freundin, behauptet, dass er bei einer gemeinsamen Bergtour verunglückt ist, aber Maggie glaubt ihr nicht. Als sie der jungen Frau folgt, findet sie heraus, dass ihr Gefühl sie nicht getrogen hat. Mit Sylvia stimmt etwas nicht, denn anstatt um ihren verstorbenen Freund zu trauern, schmeißt sie lieber eine Party. Als Maggie sie zur Rede stellen will, wird sie übermannt und erwacht in einer Kutsche, zusammen mit einer Handvoll anderer Mädchen, die behaupten, dass sie sich in einer Parallelwelt befinden und in die Sklaverei verkauft worden sind.

Zuerst ist Maggie verwundert, doch schnell wird ihr klar, dass die Nachtwelt genauso Realität ist wie übernatürliche Wesen wie Hexen, Vampire und Gestaltwandler. Trotzdem verlässt sie ihr Mut nicht. Sie stachelt ihre Mitgefangenen zur Flucht an, doch die ist bald beendet. Sie hat sich der geschwächten Arcadia angenommen, die ebenfalls in der Kutsche war, und kommt deshalb nicht besonders weit, als einer der Wächter sie stellt. Ein blauer Blitz rettet sie und tötet den Wächter. Er stammt von Delos, dem Vampirkönig, der in ein Komplott seines Urgroßvaters verwickelt ist, der die Welt beherrschen will.

Anders als erwartet ist Delos, trotz seiner Reißzähne, kein furchterregender Anblick. Als die beiden sich das erste Mal berühren, spüren sie eine Verbindung zwischen sich: Sie sind Seelengefährten. Zum Glück! Denn nur mit Delos‘ Hilfe kann es Maggie gelingen, die Sklaven der Nachtwelt zu befreien und den Plan von Delos‘ Urgroßvater zu vereiteln. Doch ist Delos‘ Liebe stark genug, um ihr, die er als minderwertigen Mensch ansieht, zur Seite zu stehen und dabei seinen eigenen Verwandten zu verraten?

Überraschenderweise setzt der zweite Band der Night-World-Reihe nicht dort an, wo der erste aufgehört hat. Die Hauptfiguren sind andere und auch das Thema ist anders. Hexen und Engel spielen dieses Mal keine Rolle. Dafür geht es hinab in die Nachtwelt, eine mittelalterlich angehauchte Parallelwelt, die von Vampiren regiert wird. Leider versäumt es die Autorin, diese Fantasiekulisse entsprechend auszugestalten. Sie greift auf bekannte Mittel – Gestaltwandler, Vampire, Sklaven – zurück und bringt nur wenige eigene Ideen ein. Im Mittelpunkt der Geschichte stehen auch nicht die übernatürlichen Wesen, sondern Maggie, die mutig und mit Herz für andere Leute und sich selbst kämpft. Ihre Romanze mit Delos, der ebenfalls als Erzähler auftritt, nimmt weite Teile der Geschichte ein. Dass, genau wie im ersten Band der Reihe, erneut von „Seelengefährten“ die Rede ist, lässt erahnen, worauf diese Serie setzt: Tatsächlich geht es hauptsächlich um die Liebe auf harmlosem Teenagerniveau. Lisa J. Smith rettet die Geschichte aber, indem sie eine actionreiche, wenn auch nicht immer spannende Handlung bezüglich der Rettung der Sklaven einbaut.

Die Figuren sind leider typische Jugendbuchmassenware. Maggies Mut und ihre Selbstaufopferung sind zwar bewundernswert, aber etwas zu viel des Guten. Um authentisch zu sein fehlt es ihr an einer düsteren Seite, auch wenn ihre Kratzbürstigkeit in diese Richtung spielt. Delos, der gelangweilte, grausame Thronfolger, ist hingegen schon etwas besser. Seine innere Zerrissenheit wird gut dargestellt, auch wenn sie nicht besonders tief geht. Dadurch erhält das Buch auf jeden Fall einen gewissen Touch, der dem ersten Band der Serie abgegangen ist. Es ist etwas kantiger und damit auch spannender, obwohl der Schreibstil sich nicht wirklich geändert hat. Er ist nach wie vor flüssig zu lesen, aber nicht unbedingt originell.

„Prinz des Schattenreichs“ unterscheidet sich in vielen Punkten von der Vorgängergeschichte. Auch wenn immer noch eine Liebesgeschichte im Vordergrund steht, ist das Buch etwas düsterer und dadurch besser geworden.

|Originaltitel: |Night World – Black Dawn|
Aus dem Amerikanischen von Michael Link
285 Seiten, Taschenbuch
ISBN-13: 978-3570306345|

http://www.cbt-jugendbuch.de

Smith, Lisa J. – Engel der Verdammnis (Night World 1)

Lisa J. Smiths „Night World“-Serie wurde bereits 1996 in Amerika veröffentlicht. Im Zuge der grassierenden Romantic Fantasy-Welle hat sich |cbt| dazu entschlossen, die Jugendbücher auch in Deutschland zu veröffentlichen. Den Anfang macht der Band „Engel der Verdammnis“.

Gillian ist ein unauffälliger Teenager, der weder coole Freunde hat noch die richtigen Partys besucht. Das macht ihr mehr zu schaffen als sie zugibt. Eines Tages hört sie nach der Schule ein merkwürdiges Heulen aus dem Wald. Es klingt wie ein kleines Kind, doch als sie versucht, dem Geräusch auf den Grund zu gehen, fällt sie in einen Fluss und stirbt.

Doch als ihre Seele den Himmel erreicht, stellt ein wunderschöner Engel namens Angel sie vor die Wahl, wieder auf die Erde zurückzukehren. Gillian entscheidet sich dafür, aber Angel weicht, zurück im Leben, trotzdem nicht von ihrer Seite. Er wird zu ihrem täglichen Begleiter, einer beratenden Stimme im Kopf, von der niemand anders weiß. Mit Angels Hilfe schafft es Gillian, sich in ein cooles Mädchen zu verwandeln und außerdem ihren Schwarm David Blackburn um den Finger zu wickeln. Doch sie ahnt nicht, welchen Preis sie dafür zahlen muss. Als Tanya, Davids Ex-Freundin, böse Gerüchte über Gillian verbreitet, stachelt Angel sie dazu an, Tanya und ihre Mitstreiterinnen mit Magie zu verletzen. Erst spät merkt Gillian, dass Angel weit skrupelloser ist als sie glaubt und dass er noch viel mehr mit ihr vorhat …

Man merkt „Engel der Verdammnis“ an, dass es nicht Teil der Dark-Fantasy-Mode ist. Die Geschichte hat, abgesehen von ihrem Titel, nur wenig mit Vampiren, Werwölfen und Co. zu tun. Im Vordergrund stehen ganz klar Gillian, ihre Veränderung und ihre Liebe zu David. Die Zauberei und die Anwesenheit von Angel, der vielleicht doch nicht so engelsgleich ist wie zuerst gedacht, sind mehr schmückendes Beiwerk. Dementsprechend viel erzählt die Autorin aus dem Highschoolleben, doch sie bleibt dabei an der Oberfläche. Die Message, die sie dabei transportiert – nämlich, dass das coolste Mädchen zu sein nicht der Schlüssel zum Erfolg ist -, ist alles andere als neu und nicht besonders spannend. Die spärlich gesäten Dark-Fantasy-Elemente helfen der Geschichte kaum. Sie ist weder spritzig noch düster noch wirklich spannend, sondern viel mehr ein normales, romantisches Jugendbuch mit wenig Substanz, aber vielen Teeniegefühlen.

Gillian als Person wirkt wie ein Abklatsch aus anderen Jugendbüchern. Sie hat keine bedeutenden Ecken und Kanten, sondern ist das übliche Mauerblümchen, das sich über Nacht in eine |Femme fatale| verwandelt. Hier hätte man sich mehr Mut gewünscht, auch in Bezug auf David und die anderen Charaktere. Eine dezente Schwarz-Weiß-Zeichnung überschattet weite Teile der Geschichte, auch wenn die Autorin versucht, immer wieder Grautöne ins Geschehen zu bringen. Diese wirken jedoch aufgesetzt und merkwürdig pädagogisch.

Der Schreibstil von Smith ist in Ordnung. Er passt zum Genre und hat weder besonders negative Seiten noch besonders positive. Die Autorin schreibt altersgemäß, verleiht ihrer Hauptperson durch die Sprache aber keine Eigenständigkeit und der Geschichte dadurch keine zusätzliche Tiefe.

„Engel der Verdammnis“ überzeugt als Auftakt der „Night World“-Serie eher nicht. Von der Dark Fantasy, die das Buchcover verspricht, ist in der Geschichte wenig zu spüren. Lisa J. Smith bewegt sich außerdem in ausgetretenen Spuren und schafft es nicht, ihre Geschichte von anderen Jugendbüchern zu distanzieren.

|Originaltitel: Night World – Dark Angel
Aus dem Amerikanischen von Michaela Link
253 Seiten, Taschenbuch
ISBN-13: 978-3570306338|
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Harrison, Kim – Blutnacht

„Blutnacht“ ist der mittlerweile sechste Band von Kim Harrisons Reihe um die chaotische Hexe Rachel Morgan und es ist kein Ende in Sicht. Am Ende der Geschichte wirbt Heyne bereits für den siebten Band mit Titel „Blutkind“ – zum Glück! Was würde der Fan sonst ohne die wohl amüsanteste Hauptfigur des Dark Fantasy-Genres machen?

_Rachel steht vor_ den Trümmern ihres Lebens: Ihr Freund, der Vampir Kisten, ist tot; mit ihrer Mitbewohnerin Ivy, einer untoten Vampirin mit Blutdurst, läuft es im Moment auch nicht besonders gut, und sie hat in Cincinatti den Ruf weg, eine Dämonenbeschwörerin zu sein. Dabei scheint sie wenigstens an diesem Punkt Glück gehabt zu haben: Al, der Dämon, der sie seit fast einem Jahr verfolgt, wurde im Jenseits hinter Gitter gebracht.

Dummerweise ist der Dämon jedoch sehr hartnäckig. Irgendjemand schafft es, ihn nach Sonnenuntergang aus dem Gefängnis ins Diesseits zu beschwören und dort hat er natürlich nichts Besseres zu tun, als Rachel zu suchen, um sie aus dem Weg zu räumen. Immerhin pfuscht sie ihm immer wieder ins Handwerk und selbstverständlich lässt die sture Rachel seine Drohung nicht auf sich beruhen. Sie zieht los, um den Menschen ausfindig zu machen, der Al beschwört, um ihm die Möglichkeit zu nehmen, den Dämonen aus dem Jenseits zu rufen.

Kim Harrison wäre nicht Kim Harrison wenn das die einzigen Ereignisse in der Geschichte wären. In der Kirche, die Rachel und Ivy ihr Eigen nennen, geht es wie gewohnt drunter und drüber. Jenks und seine fünfzigköpfige Pixiefamilie bereitet sich für die Überwinterung in Rachels Schreibtisch vor, die Elfe Ceri von nebenan ist schwanger – und dann auch noch von Quen, dem Leibwächter von Rachels Erzfeind Trent. Tatsächlich laufen sich auch diese zwei wieder über den Weg – und dabei kommen sie weiteren Geheimnissen um Rachels Herkunft und das Ableben ihres Vaters auf die Spur …

_Dieses Buch zeichnet_ sich vor allem dadurch aus, dass Rachel ungeahnt ernste Zwischentöne anschlägt. Der Tod ihres Freundes Kisten nimmt sie immer noch mit und sie beginnt sich existenzielle Fragen zu stellen. Hinzu kommt das Problem ihrer Herkunft. Da Trents Vater Genexperimente mit ihr durchgeführt hat, ist sie sich bis heute nicht sicher, was sie eigentlich genau ist. Eine einfache Hexe ist sie nicht, denn dafür ist sie zu mächtig, doch was dann? Vielleicht schon eine Dämonin, nachdem sie durch ihren stetigen Kontakt mit diesen Wesen eine kontaminierte Aura und mehrere Dämonenmale hat? Kim Harrison stellt den inneren Zwiespalt, in dem sich ihre Hauptfigur befindet, sehr anschaulich dar, ohne dabei aber zu vernachlässigen, dass diese ein unglaubliches freches Mundwerk hat und Katastrophen magisch anzieht. Nach sechs Bänden hat Harrison mit ihrer Protagonistin mittlerweile eine Tiefe und Intensität erreicht, die andere Autoren in ihrer ganzen Karriere nicht erreichen.

Leider kommen bei dieser starken Konzentration auf die Hauptfigur Andere dieses Mal etwas zu kurz. Gerade Jenks und seine Familie, die den Leser sonst häufig erheitert haben, treten weniger auf. Dafür werden andere Figuren umso öfter eingesetzt, Rachels Mutter beispielsweise. Sie kam vorher eher selten vor, wird in „Blutnacht“ aber endlich ausführlich vorgestellt. Genau wie ihre Tochter – und alle andere Figuren im Buch – ist sie sehr sauber ausgearbeitet und sprüht nur so vor Originalität – und Geheimnissen. Es ist wirklich bewundernswert, wie die Autorin es auch nach so vielen Seiten schafft, noch Spannendes aus Rachels Vergangenheit aufzudecken.

Diese Geheimnisse bringen Schwung in die Handlung, die dieses Mal zwar nicht die üblichen Längen hat, aber trotzdem nicht wirklich zünden möchte. Ihr Kern – die Auseinandersetzung mit Al – ist ziemlich lasch und die Kämpfe zwischen den beiden werden allmählich langweilig. Immerhin werden die einzelnen Nebenhandlungen sorgfältig und trotz ihrer beträchtlichen Anzahl geordnet weiter erzählt. Sie bieten noch genug Stoff für viele weitere Bücher und es bleibt zu hoffen, dass diese dann spannender sind als „Blutnacht“.

Wobei es vermessen wäre, zu behaupten, dass Harrisons sechster Rachel-Morgan-Band wirklich schlecht ist. Die kleine Handlungspanne ist das einzige, was stört. Der Schreibstil hingegen ist das gewohnte Feuerwerk aus Schimpfwörtern, einer temperamentvollen Ich-Erzählerin, viel Fantasie und wunderbaren, umfangreichen Beschreibungen. Harrison ist sogar noch stärker als zuvor, da Rachels tiefsinnige Gedanken Platz für Metaphern und völlig neue, sanftere Töne machen.

_“Blutnacht“_ ist vielleicht nicht so gut wie einige seiner Vorgänger, vereint aber alle Vorzüge von Kim Harrison zwischen zwei Buchdeckeln: Witz, Temperament und viel Fantasie.

|Originaltitel: |The Outlaw Demain Wails|
Aus dem Englischen von Vanessa Lamatsch
702 Seiten, Taschenbuch
ISBN-13: 978-3453526167|

http://www.heyne.de
http://www.kimharrison.net

_Kim Harrison bei |Buchwurm.info|:_

[„Blutspur“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=3253
[„Blutspiel“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=4512
[„Blutjagd“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=5252
[„Blutlied“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=5897

Hendee, Barb und J. C. – Dhampir 3: Dunkelland

Band 1: [„Halbblut“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=4873
Band 2: [„Seelendieb“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=5322

Vampire einmal anders – das Autorenpaar Barb und J. C. Hendee siedelt die Untoten in eine Fantasywelt um, die eher an „Herr der Ringe“ als an „Twilight“ erinnert. „Dunkelland“ ist der dritte Band der Reihe „Dhampir“ und in ihm findet die junge Halbvampirin Magiere endlich das Geheimnis ihrer Herkunft heraus.

Zusammen mit ihren Reisegefährten Leesil, einem Halbelfen, der Weisen Wynn und dem seltsamen Hund Chap macht sich die Vampirjägerin nach Dröwinka auf, wo sie bei ihrer Tante aufgewachsen ist. Sie erfährt, dass ihre Mutter damals vom Lehnsherr des Dorfes entführt und tot zurückgebracht worden ist. Als sie den Bergfried, in dem der Mord geschehen sein soll, genauer unter die Lupe nehmen, finden sie in einem zugemauerten Kellerraum die Leichen mehrerer übernatürlicher Wesen. Ob hier der Schlüssel zu finden ist, warum Magiere halb Mensch und halb Vampir ist?

Nachdem Magiere mit den Dorfleuten aneinander gerät, reisen sie eilig weiter, denn nun möchten sie etwas über Leesils Herkunft und den Verbleib seiner Mutter erfahren. Doch als sie Halt in einem kleinem Dorf machen, sind ihre Fähigkeiten als Vampirjäger gefragt. Denn die Bewohner der Ansiedlung wirken merkwürdig still und blass und eine seltsame Mattigkeit überfällt die Reisenden, als sie den Ort betreten. Als sie wenig später den Lehnsherr Stefan treffen, erfahren sie auch, warum. Ein Untoter hat das Dorf verzaubert, als Stefan ihm nicht gehorchen wollte. Nun ist die Familie des Lehnsherren tot, er selbst kann sein Haus nicht verlassen und die Dorfbewohner werden regelmäßig von dem Untoten ausgesaugt. Eigentlich eine einfache Aufgabe für die Helden, doch es stellt sich heraus, dass dieser Untote anders ist als die, mit denen sie es sonst zu tun haben …

Der Titel der Reihe spielt auf eine Art von übernatürlichen Wesen an, die man momentan eher in urbanen Fantasy-Settings findet: Halbvampire. Tatsächlich hat das Autorenpaar seine Geschichte aber in einer komplett neuen Welt angesiedelt, die eher an Tolkiens Geschichten erinnert. Dieser Vergleich bezieht sich aber trotz des Auftretens von Elfen eher auf die Land- und Ortschaften. Abgesehen von Chap ist der Großteil der auftretenden Personen menschlich, auch wenn sich Vampire und Zauberer darunter finden. Die Kulisse hingegen ist gespickt mit Natur und einfachen Dörfern und Städten, die mittelalterliche Züge tragen. Die Autoren sehen jedoch davon ab, diese ausführlich zu beschreiben, so dass es dem Hintergrund von „Dunkelland“ ein bisschen an Originalität fehlt.

Die Handlung erinnert auch eher an Tolkien. Sie entwickelt sich langsam und wechselt das gemächliche Tempo nicht. Die einzelnen Ereignisse der Reise bauen zwar aufeinander auf, es gibt jedoch keine echte Spannungskurve. Ruhige Abschnitte wechseln sich mit etwas actionreicheren ab, verbunden durch einen dichten, intensiven Schreibstil, der die einzelnen Situationen mit knappen Worten gut zu skizzieren weiß. Ihm ist es zu verdanken, dass die Geschichte trotz der angezogenen Handbremse halbwegs interessant bleibt. Er verleiht dem Buch einen gewissen behäbigen Märchencharakter, so dass weniger die Handlung an sich als vielmehr die Gesamtgeschichte im Vordergrund steht.

Magiere ist zwar die Hauptperson im Buch, doch die Hendees räumen auch ihren Reisegefährten Platz ein. Die Perspektivenwechsel sorgen dafür, dass der Leser die Geschichte wirklich in allen Einzelheiten erfährt, doch die Charaktere bleiben blass bei diesem Vorgehen. Bestes Beispiel ist Magiere. Ihr unwirsches, häufig ruppiges Temperament wird in den Dialogen zwar immer wieder erwähnt, kommt aber in der Geschichte selbst gar nicht so rüber. Ähnlich wie Leesil, Wynn oder Chap – die Perspektive des Hundes ist eine angenehme Überraschung – bleibt sie eher blass. Die Autoren vernachlässigen es, bestimmte Charakterzüge indirekt hervorzuheben und verpassen es so, dem eigentlich ansprechenden, da schön geschriebenen Roman eine eigene Note zu verpassen.

„Dunkelland“ ist daher eine nette Fortführung der Geschichte um Magiere und ihre Freunde, aber kein wirklicher Höhepunkt. Dafür mangelt es sowohl der Handlung als auch den auftretenden Figuren an Originalität.

|Originaltitel: |Sister of the Dead|
Aus dem Englischen von Andreas Brandhorst
380 Seiten, Taschenbuch
ISBN-13: 978-3802581984|
http://www.egmont-lyx.de
[Website der Autoren]http://www.nobledead.com

Frey, James – Strahlend schöner Morgen

Los Angeles – jeder kennt die Stadt im Südwesten Amerikas, gilt sie doch schon lange als Mekka der Kunst, vor allem des Films. Doch wo Licht ist, ist auch Schatten. Wo sich Hollywoodvillen von berühmten Filmstars finden, finden sich auch Armutsviertel und gescheiterte Schauspieler. Der New Yorker Autor James Frey hat sich dieser Problematik angenommen und zeichnet in seinem Roman „Strahlend schöner Morgen“ ein Bild der Metropole Los Angeles, das diese Stadt in all ihren Facetten abbilden möchte.

Er benutzt dafür ein ungewöhnliches Vorgehen und mischt in seiner Geschichte Anteile von Dokumentation und Belletristik. Die einzelnen Kapitel werden nicht durch Überschriften abgetrennt, sondern mit kurzen Fakten über die Stadt, beginnend bei deren Gründung 1781. Daneben gibt es Kapitel, die sich nur auf Fakten beziehen, zum Beispiel die Aufzählung einzelner Gangs in Los Angeles, lustige und traurige Fakten über die Stadt, eine Zeittafel mit Naturkatastrophen.

Weite Teile des Buches werden jedoch von fiktionalen Personen bestimmt, die in Los Angeles leben und mit den dortigen Gegebenheiten konfrontiert werden. Einige dieser Personen haben nur einen Auftritt und verbleiben damit entsprechend anonym, andere begleiten den Leser bis zum Ende der Geschichte. Frey legt dabei eine große Bandbreite an den Tag. Da sind zum Beispiel Dylan und Mandy, zwei Kleinstadtteenager, die in L.A. ihr Glück versuchen; der Obdachlose Old Man Joe, der versucht, ein junges Mädchen vor ihren Zuhältern zu bewahren; Amberton Parker, ein arroganter Schauspieler, der seine Homosexualität verbirgt, um weiterhin der Star in Actionfilmen sein zu können; Esperanza, Tochter mexikanischer Einwanderer, die ihren Unterhalt als Putzfrau bei einer exzentrischen alten Dame verdient. Sämtliche dieser Erzählelemente betonen den Unterschied zwischen Arm und Reich, der in L.A. besonders drastisch zu sein scheint. Frey erzählt davon, was es heißt, in einer Stadt mit hoher Kriminalität zu leben, wie Existenzen dort zerstört werden, aber auch, wie manchmal kleine Wunder geschehen.

Eines ist klar: Nach diesem Parforceritt durch Los Angeles weiß man mehr über diese Stadt, als Hollywood einem jemals vermitteln kann. James Frey serviert seinen Lesern die ungeschminkte Wahrheit, aber er verurteilt nicht. Im Gegenteil stellt er die Personen, selbst die, die mit offensichtlicher Naivität nach L.A. kommen, sehr menschlich dar. Das Buch besteht eigentlich ausschließlich aus Personen. Es sind so viele, dass es manchmal schwer fällt, den Überblick zu behalten. Doch da nur wenige wiederholt vorkommen, gewöhnt man sich schnell an Freys Vorgehen. Er möchte keine wirkliche Handlung erzählen, sondern die Stadt der Engel so vielfältig wie möglich darstellen. Das ist ihm gelungen. Auch wenn es schwer fällt, als Laie die einzelnen Stadtteile und Informationen zu einem Ganzen zu fügen, bekommt man doch eine Ahnung davon, wie riesig und unübersichtlich L.A. sein muss – und wie es dort aussieht.

Ob man die Muße hat, ein fast 600 Seiten starkes Buch ohne Handlung zu lesen, nur um einer amerikanischen Stadt näher zu kommen, bleibt jedem selbst überlassen. Es ist das Erlebnis wert, denn neben einer Armada an Informationen, Eindrücken und Personen ist „Strahlend schöner Morgen“ auch handwerklich sehr gut gemacht. Da ist zum einen der Wechsel zwischen Fiktion und Non-Fiktion, zwischen bekannten Gesichtern und solchen, die nur einen kurzen Auftritt haben. Selbst diese verbleiben im Gedächtnis. Häufig wirken sie wie typische L.A.-Klischees – der gefallene Schauspieler, der als Kellner seinen Lebensunterhalt verdient; die Kleinstadtschönheitskönigin, die ihr Geld als Pornodarstellerin verdient; der Mann, der schon im Kindesalter in eine der Gangs aufgenommen worden ist – aber Frey schafft es, ihnen mithilfe seiner nüchternen Darstellungsweise und seines Wissens, das er während seiner Zeit in L.A. angesammelt hat, Authentizität einzuhauchen.

Bewundernswert dabei ist, dass Frey zwar durchgehend beinahe schon sachlich bleibt, seinen Schreibstil aber trotzdem auf die einzelnen Figuren, die er wiederholt einsetzt, anpasst. Eine Esperanza berichtet wesentlich verletzlicher und mit blumigerem Vokabular als zum Beispiel das Kleinstadtpärchen, dessen Erzählweise so grau und unscheinbar ist wie ihre Existenz. Sehr gelungen ist dabei vor allem die Perspektive um Amberton Park, den heimlich homosexuellen Schauspieler, der in einer Scheinehe lebt. Seine Sprache ist genauso abgehoben und gekünstelt wie sein ganzes Gehabe und eine wunderbare Persiflage auf die Schicht der reichen Leute.

Alles in allem hat James Frey ein bewundernswert umfangreiches und stilistisch gelungenes Buch geschrieben. „Strahlend schöner Morgen“ ist anders als vieles, was sich momentan in den Bestsellerlisten tummelt, und genau das macht den Reiz des Romans aus.

|Originaltitel: |Bright Shiny Morning|
Aus dem Amerikanischen von Henning Ahrens
590 Seiten, Gebunden
ISBN-13: 978-3550087677|

http://www.ullstein.de

Norman, Hilary – Rache der Kinder, Die

Kinderspiele können grausam sein. In ihrem Thriller „Die Rache der Kinder“ beschreibt die Engländerin Hilary Norman genau so eine Situation, in der aus einem Spiel Ernst wird – mit tödlichem Ausgang.

_Die Geschichte beginnt_ damit, dass vier Kinder eines Kinderheimes sich nachts aus ihren Schlafzimmern stehlen, um in einem verlassenen Hünengrab William Goldings „Herr der Fliegen“ zu lesen. Das Buch wird zu einer Art Obsession für die vier und die Rollenspiele, die sie mit dessen Hilfe spielen, werden immer drastischer. Unter der Obhut einer Kinderheimmitarbeiterin beginnen sie, die Geschichte des Buches auf das echte Leben zu übertragen.

Jahre später sind sie erwachsen, die Spiele von Jack, Roger, Simon und Piggy – nach Helden aus dem Golding-Buch – wesentlich brutaler. Ralph, die Kinderheimmitarbeiterin, ist nach wie vor ihre Anführerin, tritt aber selten selbst in Szene. Auch nicht, als ihre „Kinder“ die Journalistin Kate und die labile Laurie entführen. Sie sind die Monster dieser Spielrunde und sollen beseitigt werden. Während Kate sich eine Abtreibung hat zuschulden kommen lassen, ist Laurie die Mutter eines behinderten Jungen. Doch anstatt ihn bei sich aufzuziehen, wohnt er in einem Kinderheim.

Was die Entführer nicht wissen: Nicht alles ist so, wie es aussieht. Kates angebliche Abtreibung war eine Fehlgeburt und Laurie wurde von ihren Eltern massiv unter Druck gesetzt, das „Malheur“ namens Sam zu vertuschen …

_Hilary Norman spielt_ in ihrem Buch außergewöhnlich geschickt mit moralischen Fragen und den Nerven des Lesers. Sie erzählt die Geschichte nämlich aus mehreren Perspektiven. Sowohl die Kinder als auch Ralph als auch die beiden Opfer kommen ausgiebig zu Wort. Während die „Herr der Fliegen“-Gruppe rückblickend vor allem ihre Entstehung erzählt, berichten Kate und Laurie aus ihrem Leben. Man lernt sie als Leser gut kennen und verstehen. Während die Entführer fest davon überzeugt sind, es bei den beiden mit Monstern zu tun zu haben, ist dem Leser klar, dass die Schuldfrage in beiden Fällen nicht so einfach beantwortet werden kann. Umso mehr fiebert man mit den beiden mit, dass sie die Entführung überleben. Norman schafft damit etwas, was in vielen Büchern selten ist: Sie fesselt den Leser an den Sessel, bis er das Buch aus der Hand legen muss, weil es zu Ende ist.

Der geschickte Aufbau bleibt nicht der einzige Pluspunkt von „Die Rache der Kinder“. Die Personen sind, wie bereits erwähnt, sehr gut ausgearbeitet. Mit wenigen Pinselstrichen schafft es die Autorin, zwei sehr unterschiedliche Frauenfiguren zu schaffen, die sehr authentisch wirken. Während Kate eine selbstbestimmte, beruflich erfolgreiche Frau ist, müht sich Laurie mit ihrem Schicksal ab. Sie lebt noch immer unter der Knute ihrer Eltern, obwohl ihr kleiner Sohn ihr ans Herz gewachsen ist, doch sie findet nicht die Stärke, ihr Leben selbst zu bestimmen.

Jack, Roger, Simon, Piggy und Ralph werden hingegen nicht so ausführlich beschrieben. Die Masken, die sie während der Tat tragen, nehmen sie auch sonst nicht ab. Auch hier appelliert die Autorin an die Eigeninitiative des Lesers. Es liegt an ihm, die Schuldfähigkeit der einstigen Heimkinder zu bewerten, deren Leidenswege anfangs kurz erläutert werden. Vieles muss man dabei zwischen den Zeilen lesen, um zu merken, dass auch die Bösen in dieser Geschichte nicht wirklich böse sind.

Geschrieben ist das Buch mit einer fast tödlichen Präzision. Norman benutzt wenige Worte und kurze, abgehackte Absätze. Trotzdem schafft sie es, ein feines Netz aus Spannung aufzubauen und alles genau so rüberzubringen, wie sie es rüberbringen möchte. Durch ihre gute Wortwahl und die Intensität ihrer Sätze beginnt der Leser automatisch, selbst mitzudenken und bestimmte Parallelen zu ziehen.

_Auch, wenn die häufigen Perspektivenwechsel_ anfangs verwirren und allgemein ein zweischneidiges Schwert sind, sind sie in diesem Fall das Beste, was diesem Buch passieren konnte. Hilary Norman konzentriert sich in ihrem Thriller „Die Rache der Kinder“ auf die notwendigsten Informationen, die dennoch ein weitreichendes Gesamtbild abgeben und vor allem eines schaffen: den Leser zum (Mit)Denken zu animieren. Fantastisch!

|Originaltitel: Ralph’s Children
Aus dem Englischen von Rainer Schumacher
365 Seiten, Taschenbuch
ISBN-13: 978-3404163182|
http://www.luebbe.de

Handeland, Lori – Wolfsglut (Geschöpfe der Nacht 3)

Band 1: [„Wolfskuss“ 5012

Ausnahmsweise ist einmal die Frau die Bestie – oder zumindest ein bisschen. In Lori Handelands Romantic-Fantasy-Buch „Wolfsglut“ hütet die junge, hübsche Virologin Dr. Elise Hanover nämlich ein düsteres Geheimnis: Bei Vollmond verwandelt sie sich in einen Werwolf …

Allerdings tut sie gleichzeitig Gutes. In einem streng geheimen Labor der Organisation der „Jägersucher“ forscht sie nach einen Gegenmittel gegen das Virus, das Menschen zu Werwölfen werden lässt. Niemand weiß von ihrer Existenz, doch eines Tages taucht Nic, ihre alte Liebe, die sie vor sieben Jahren Hals über Kopf verlassen hat, wieder bei ihr auf. Er ist FBI-Agent und auf der Suche nach vermissten Personen.

Obwohl sie immer noch Gefühle für einander empfinden verhält sich Elise ihm gegenüber abweisend. Als wenig später Elises Labor in die Luft fliegt, bleibt ihnen allerdings nichts anderes übrig, als zusammen zu arbeiten. Das Labor liegt nämlich abgelegen in einem Waldstück, und als mit einer Silberkugel auf Elise geschossen wird, ist ihr klar, dass jemand weiß, was sie ist und hinter ihr her ist. Gemeinsam mit Nic flieht sie nach Winsconsin, wo Elises Chef ein Rudel von Werwölfen jagt. Doch ihre Verfolger bleiben ihnen auf den Fersen. Nic hat noch immer keine Ahnung, was Elise ist – und der Vollmond nähert sich …

_“Wolfsglut“_ bietet Romantic Fantasy mit viel Gewicht auf „Romantic“ und weniger Gewicht auf „Fantasy“. Dass einmal die Frau das Monster ist, ist eine nette Abwechslung, aber ansonsten ist Handelands Roman nicht unbedingt eine Bereicherung des Genres. Die Werwölfe werden als menschenfressende Monster dargestellt, weitere übernatürliche Wesen findet man kaum in der Geschichte. Einzig ein wenig Indianerzauber kommt noch vor, doch von der Kreatitivität einer Kim Harrison oder Patricia Briggs ist die Autorin weit entfernt.

Trotz der Werwölfe spielt das Buch in einer sehr alltäglichen Welt. Die Handlung selbst bezieht viel Dynamik aus den unausgesprochenen und später ausgelebten Gefühlen zwischen Nic und Elise. Die Jagd nach den Monsterwölfen in Winsconsin und die Verfolger, die es auf das verhinderte Liebespaar abgesehen haben, spielen auch nur eine Nebenrolle. Wirklich spannend ist die Geschichte deshalb nicht. Es gibt zwischendurch Durststrecken, vorhersehbare Ereignisse und so gut wie keine Überraschungen.

Bei den Personen konzentriert sich die Autorin auffällig stark auf Nic und Elise. Sie erzählt zwar nur aus der Ich-Perspektive von letzterer, aber alle anderen Personen spielen nur am Rande eine Rolle. Sämtliche von Elises Jägersucherkollegen werden erwähnt, aber nicht wirklich charakterisiert. Sie bleiben verschwommen und können dadurch nicht viel zur Geschichte beitragen. Elise hingegen wird recht deutlich gezeichnet, vor Allem, was ihre Vergangenheit angeht, aber auch sie hinterlässt keinen bleibenden Eindruck. Dafür mangelt es ihr an Wesenszügen, die sie wirklich von Anderen abhebt.

Das einzige, was die Protagonistin ausmacht, ist ihr dezenter Humor und ihr Erzählstil. Sie wendet sich während der Geschichte immer wieder direkt an den Leser und erklärt auch entsprechend, als ob sie genau wüsste, wer dieses Buch liest. Diese geschickt gewählte Strategie sorgt dafür, dass man sich als Leser mit Elise verbunden fühlt. Ansonsten schreibt Handeland sicher und flüssig, aber nicht besonders originell.

_In der Summe_ ist „Wolfsglut“ daher ein Buch, dass man lesen kann, aber nicht lesen muss. Wer kein Fan von romantischen Liebesgeschichten ist, wird vermutlich wenig Freude an der Geschichte haben.

|Originaltitel: Dark Moon
Aus dem Englischen von Patricia Woitynek
352 Seiten, Taschenbuch
ISBN-13: 978-3802582073|
http://www.egmont-lyx.de
[Website der Autorin]http://www.lorihandeland.com

Ilona Andrews – Die Nacht der Magie (Stadt der Finsternis 1)

Ilona Andrews klingt auf den ersten Blick wie ein ganz gewöhnlicher Autorenname. Tatsächlich verbergen sich dahinter aber zwei Menschen, nämlich ein amerikanisches Ehepaar, das gemeinsam begonnen hat, eine Dark-Fantasy-Reihe mit dem Titel „Stadt der Finsternis“ zu schreiben. Wie fruchtbar eine solche Partnerarbeit sein kann, zeigt der erste Band „Die Nacht der Magie“.

_Kate Daniels_ ist eine Söldnerin, die Magie und Kampfkunst beherrscht. Sie vertreibt magische Wesen aus Atlanta und Umgebung, die von den Wellen Magie, die die Stadt immer wieder heimsuchen, in das Leben der Menschen gespült werden. Diese Arbeit ist nicht besonders einträglich, aber Kate ist ihre eigene Herrin und keinem Arbeitgeber unterworfen.

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RICHELLE MEAD – Blutsschwestern (Vampire Academy 01)

Sie sind zwar keine Zwillinge, aber auf magische Art und Weise miteinander verbunden: Lissa und Rose sind die erwachsenere, etwas freizügigere Version von „Hanni und Nanni“. Sie wohnen im Internat St. Vladimir’s in Montana, wo sie alles Wichtige für ihr zukünftiges Leben in einer düsteren Welt voller Magie und Untoter lernen. Und wie gefährlich das sein kann, lernen sie im ersten Band der „Vampire Academy“-Reihe „Blutsschwestern“ auf brutale Art und Weise.

In Meads Welt gibt es neben normalen Menschen drei weitere „Arten“ von Wesen: Die Moroi, zu denen Lissa gehört, sind lebende Vampire, die zwar Blut brauchen, aber nicht töten; Strogoi sind tote Vampire, die die Moroi jagen und ausrotten wollen und sehr gefährlich sind; und dann gibt es noch die Wächter, zu denen Rose gehören wird, wenn sie ihre Ausbildung abgeschlossen hat. Die Aufgabe der Wächter ist es, auf die Moroi aufzupassen, damit diese den Strogoi nicht zum Opfer fallen.

Normalerweise leben Moroi und Wächter-Novizen im Internat St. Vladimir’s einträchtig nebeneinander her, doch bei Lissa und Rose ist das anders. Sie kennen sich schon sehr lange und sind durch ein magisches Band verbunden, durch das sie die Gefühle der anderen wahrnehmen können. Außerdem kann Rose sich manchmal in Lissas Gedanken hinein versetzen. Ein solches Band ist selten genug und es hilft den beiden, als jemand Anschläge auf Lissa verübt. Ein Unbekannter legt tote Tiere in ihr Zimmer, was sie in Angst und Schrecken versetzt und die wagemutige Rose alarmiert. Irgendjemand scheint es auf Lissas Leben abgesehen zu haben …

„Blutsschwestern“ ist Dark Fantasy mit einem Schuss Romantik, der genau auf die Zielgruppe jugendlicher Leserinnen zugeschnitten ist. Die Intrigen und Liebeleien auf dem Internat nehmen einen wichtigen Platz in der Handlung ein, genau wie das Liebesleben der Protagonistin und Erzählerin Rose. Diese hat damit zu kämpfen, dass sie allgemein einen etwas liederlichen Ruf hat, dass sich ihr guter Freund Mason für sie interessiert und dass sie ihren Privattrainer, den Wächter Dimitri, überaus attraktiv findet. Dimitri scheint Ähnliches für sie zu empfinden, doch er beruft sich stets auf den Altersunterschied von sieben Jahren und seine Position. Das macht das Training der Beiden nicht unbedingt einfach, besonders, da Rose manchmal sehr sturköpfig sein kann.

Daneben hat die Handlung noch einiges Anderes zu bieten: Erlebnisse aus der Vergangenheit der beiden Mädchen, eine verschwundene Lehrerin, Angriffe und Action, Magie und eine historische Gegebenheit, die für die Gegenwart sehr wichtig ist. Richelle Mead mixt in dem Buch sehr viel zusammen. Das tut der Geschichte nicht gerade gut. Es fehlt der Fokus, häufig passiert zu viel auf einmal. Gerade die Handlungselemente, die über den Internatshorizont hinausgehen, verblassen, weil sich sehr viel um das Miteinander der Schüler und Schülerinnen dreht. Das beschreibt die Autorin zwar sehr spannend und anschaulich, aber die Nebenhandlungen lenken davon ab.

Rose Hathaway, die siebzehnjährige Hauptperson, ist als solche keine schlechte Wahl. Sie ist zwar noch nicht ganz ausgereift und wirkt manchmal etwas fahl, aber auf weiten Strecken kann sie überzeugen. Das junge Mädchen ist frech, gewieft und man sollte sich nicht mit ihr anlegen. Sie ist kein braves Mädchen, besitzt aber durchaus anständige Charakterzüge. Ihr Humor und ihre Aggressivität machen sie zu einer kühnen Heldin, die den jugendlichen Leserinnen gefallen wird.

Die Identifikation mit Rose dürfte leicht fallen, da sie aus der Ich-Perspektive erzählt und ihre Gedanken und Gefühle (und manchmal auch die von Lissa) sehr lebendig und authentisch darstellt. Der Schreibstil der Autorin erinnert dabei stellenweise an den, der auch in Frauenromanen mit schlagfertigen Hauptfiguren angewendet wird. Mit ihrem bissigen Witz und der temperamentvollen Wortwahl macht Mead nichts falsch. Das Buch liest sich angenehm und schnell und Rose bekommt durch die Dialoge und Beschreibungen noch mehr Leben eingehaucht.

„Blutsschwestern“ ist ein guter Auftakt für eine Reihe von Vampirbüchern, die auf eine junge Zielgruppe zugeschnitten sind und diese vermutlich auch erreichen werden. Rose ist eine authentische und sympathische Hauptperson, deren Witz und Biss das Buch fast zu einem Vergnügen werden lassen, wäre da nicht die stellenweise etwas verwirrte Handlung. Doch die weiteren Bände von „Vampire Academy“ sollten Richelle Mead die Möglichkeit geben, dieses anfängliche Manko auszubügeln.

Originaltitel: Vampire Academy
Aus dem Englischen von Michaela Link
287 Seiten, Taschenbuch
ISBN-13: 978-3802582011

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Saintcrow, Lilith – Höllenritt (Dante Valentine – Dämonenjägerin 2)

Es scheint ein ungeschriebenes Gesetz zu geben, dass besagt, dass die Heldinnen in Dark Fantasy-Büchern immer wunderschöne, fast schon elfengleiche Wesen von großer erotischer Ausstrahlung sein müssen. Die amerikanische Autorin Lilith Saintcrow hüpft mit ihrer „Dante Valentine – Dämonenjägerin“-Serie aus der Reihe. Dante ist zwar auch überirdisch schön, doch seit sie im ersten Band mit Luzifer aneinander geraten ist, ist sie Halbdämonin. Ihre rechte Hand ist verkrüppelt, die meisten Menschen finden sie einschüchternd – doch das stört die kämpferische Einzelgängerin nicht wirklich. Dass ihr Geliebter, der Dämon Japhrimel, tot ist, hingegen schon.

_Um sich von ihrer Trauer_ abzulenken, geht Dante ihrem Job als Kopfgeldjägerin nach. Sie geht dabei ständig aufs Ganze und begibt sich in Lebensgefahr. Zusammen mit ihrem Mitarbeiter Jace, ihrem ehemaligen Geliebten, der immer noch etwas für sie empfindet, machen sie im dystopischen Saint City Verbrecher dingfest. Eines Tages wird Dante von ihrer Freundin Gabe gebeten, ihr bei einem Kriminalfall zur Seite zu stehen. Ein brutaler Mörder hat einen Menschen, eine Sexhexe und eine Nekromantin umgebracht. Dante, die in Menschengestalt selbst eine Nekromantin war, soll sich in die Leiche von Christabel Moorcock hinein versetzen. In ihrer neuen halbdämonischen Gestalt hat sie das noch nicht getan und es endet beinahe tödlich für sie, als sie es versucht.

Christabel hat jedoch vor ihrem Tod eine Nachricht hinterlassen, die nach Rigger Hall führt. Rigger Hall war Schule und Waisenhaus für Dante und andere psionische Kinder (Kinder mit magischen Kräften), die dort ausgebildet wurden, aber auch unter ihrem sadistischen Direktor und dessen Methoden leiden mussten. Die Erinnerung an diese Zeit raubt Dante fast die Kraft. Als auch noch ihr Kollege Jace getötet wird, schwört sie Rache – wer auch immer hinter den Morden steckt …

_Im zweiten Band_ der Reihe muss sich die toughe Dante mit ihrer schrecklichen Kindheit auseinandersetzen. Das ist ein sehr geschickter Schachzug. Der Leser lernt sie dadurch besser kennen und Saintcrow macht nicht den Fehler, den Leser durch schwachbrüstige Krimihandlungen, die mehr als Mittel zum Zweck dienen, zu quälen. Die Handlung ist dementsprechend spannend, da sie immer wieder neues aus Dantes düsterer Vergangenheit zu Tage bringt. Mitreißend und actionreich bietet „Höllenritt“ kaum einen Moment der Ruhe. Gepaart mit dem intensiven Einblick in Dantes Gedankenwelt entwickelt sich ein fesselnder, dichter Plot, der den Leser wahrlich auf einen Höllenritt mit nimmt.

Dies geschieht in einer Science-Fiction-Welt, die sich stark von dem unterscheidet, was andere Dark Fantasy zu bieten hat. Alles ist neu in dieser Welt. Es gibt zwar bekannte Städte- und Ländernamen, aber das gesamte Regierungssystem ist ein anderes. Die Welt wird durch Hegemonien beherrscht, es ist die Rede von einem Siebzigtagekrieg, ständig geht es um Psione, also „magiebegabte“ Menschen und andere Übersinnlichkeiten. Es gibt keine Autos, kaum die gewohnte Elektronik. Stattdessen werden Gleiter verwendet, Datbänder, Holovids – Saintcrow hat sich ihre eigene Kulisse gebastelt und weiß durch Detailgenauigkeit und Sorgfalt zu überzeugen. Der Einstieg in diese Welt erfolgt zwar etwas ruppig, aber bereits nach wenigen Seiten hat man sich an sie gewöhnt. Das Glossar am Ende des Buches ist dabei sehr hilfreich, auch wenn es ruhig etwas umfassender hätte sein können. Gerade die alltäglichen Gerätschaften werden dort kaum erwähnt, aber auch in der Geschichte nie wirklich beschrieben.

Andere Kleinigkeiten schlachtet die Autorin dafür umso mehr aus. Sie erzählt aus Dantes Ich-Perspektive und lässt kaum einen Gedanken ihrer Protagonistin aus. Einzelne Situationen beschreibt sie seitenlang, obwohl man sie auch wesentlich kürzer abhandeln könnte. Gerade der Anfang wird dadurch zu einer Qual, doch ist der Einstieg erstmal gelungen, zieht Saintcrow das Tempo an. Ihr Erzählstil wird knapper, sicherer und macht mehr Spaß. Er wird vor allem durch die düsteren, deprimierten Gedanken Dantes und ihren Humor geprägt. Beides lässt ihn unverwechselbar werden.

Das Gleiche gilt für die Protagonistin selbst. Auch sie findet sich in ähnlicher Form in keinem anderen Buch. Während sie im [ersten Band]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=5288 der Reihe noch menschlich war, hat sie sich mittlerweile in eine Halbdämonin verwandelt. Das ist eine nette Abwechslung zu all den Vampiren, Hexen und Werwölfen. Abgesehen davon hat sie auch wesentlich mehr Biss. Sie ist eine Kämpferin, sie kann sich selbst verteidigen und sie ist vor Allem emanzipiert. Sie verfällt nicht in eine besinnungslose Schwärmerei für die Reize eines attraktiven Mannes – im Gegenteil. Sie steht mit beiden Beinen im Leben, ohne dabei unweiblich zu wirken. Die Härte, die sie nach außen zeigt, und die innere Zerrissenheit, von der nur der Leser erfährt, erzeugen eine faszinierende Frauenfigur, die man als Leser gerne bei ihren Abenteuern begleitet.

_Was am Ende bleibt_ ist ein unglaublich gut gemachter, spannender, mitreißender Dark Fantasy-Roman. Dass Saintcrows Detailverliebt sie ab und an stolpern lässt, ist ein Manko, das man in Kauf nehmen muss. Allerdings ist es auch diese Kleinteiligkeit, die bewirkt, dass Saintcrows Fantasiewelt vor den Augen des Lesers zum Leben erwacht. „Höllenritt“ ist sogar noch besser als „Teufelsbraut“ und zementiert Saintcrows Platz in den oberen Rängen der Dark Fantasy-Autorinnen.

|Originaltitel: Dead Man Rising
Aus dem Englischen von Katrin Mrugalla und Richard Betzenbichler
426 Seiten, Taschenbuch
ISBN-13: 978-3802581953|
http://www.egmont-lyx.de

_Lilith Saintcrow bei |buchwurm.info|:_
[„Teufelsbraut (Dante Valentine – Dämonenjägerin 1)“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=5288

MacConnell, Michael – Killer

Michael MacConnell ist eigentlich Australier, aber das hindert ihn nicht daran, seine Thriller in Amerika, genauer gesagt in der Gegend um Boston, spielen zu lassen. „Killer“ ist der erste Roman mit der FBI-Agentin Sarah Reilly in der Hauptrolle, weitere sollen folgen.

_Sarah Reilly_ ist FBI-Agentin und versucht in einem Undercovereinsatz einem Serienkiller das Handwerk zu legen. Doch etwas kommt ihr dazwischen. Bevor sie den Verdächtigen festnehmen kann, wird er ihr von mehreren Männern abgejagt, nachdem diese sie mit einem Elektroschocker außer Gefecht gesetzt haben. Verdutzt schaut sie der Gruppe Männer hinterher und erfährt am nächsten Tag, dass ihr Verdächtiger bei einem Lagerhallenbrand ums Leben gekommen ist. Wer waren die Anderen, die sie unschädlich gemacht und den Killer mitgenommen haben?

Gleichzeitig treibt ein Serienkiller in New Hampshire sein Unwesen, der schon seit Jahren unerkannt aktiv ist. Er kopiert die Vorgehensweise anderer Killer, so dass ihm die meisten Taten nicht zugeschrieben werden können. Nur einer ist ihm auf die Schliche gekommen: Harry Reilly, Sarahs Vater und eine FBI-Legende. Seit seiner Pensionierung sammelt er im Geheimen Informationen über den skrupellosen Mörder. Als der spürt, wie Harry ihm immer näher kommt, beschließt er, zu anderen Mitteln zu greifen: Er inszeniert eine Katastrophe, während der er Harry entführt. Nun liegt es an Sarah, ihn zu finden und zu befreien, doch der gewiefte Killer macht es ihr nicht einfach …

_“Killer“_ ist ein Buch voller Überraschungen. Es beginnt zwar nicht ruhig, sondern mitten in Aktion, aber erinnert dabei noch an einen konventionellen Thriller. Erst später, wenn der Autor ohne Skrupel die sympathischsten Figuren ins Jenseits schickt, wird dem Leser klar, dass er bei Michael MacConnell auf alles gefasst sein sollte. Dadurch wird die Geschichte spannend und die Wendungen sind nicht überraschend, sondern vielmehr schockierend. Sie lassen sich selten vorhersehen und sind durch große Brutalität geprägt. Der Autor schlachtet sie allerdings nicht aus. Die Beschreibungen sind nicht zu blutig, sondern nüchtern. Doch obwohl diese Ereignisse auf weiten Strecken für Spannung sorgen, kehrt sich dieser Effekt am Ende um. Der Schluss ist konzipiert wie ein großes Finale, doch leider ist er ein wenig zu viel des Guten. Zu viele Gegenspieler an einem Ort, zu viele Wendungen und zu viel Action. Nach einem mehr als viel versprechenden Anfang schwächelt „Killer“ am Ende beträchtlich.

Die Figuren erfüllen ihren Zweck, heben sich aber nicht wirklich von Charakteren ähnlicher Bücher ab. Sarah ist ein Workaholic und lässt seit dem Tod ihrer Mutter niemanden mehr an sich heran. Ihr Kollege Drew hingegen liebt sie immer noch, nachdem die beiden eine kurze Affäre hatten. Ihr Vater stellt den etwas brummigen FBI-Veteranen dar, der den Tod seiner Frau ebenfalls nicht verwunden hat und sich deshalb in den Alkohol flüchtet. Auch wenn sie nicht wirklich interessant sind, sind die Protagonisten gelungen. MacConnell versteht es, sie eher düster zu zeichnen, wodurch sie authentisch wirken und gut in eine Geschichte passen, die von perversen Serienkillern dominiert wird.

Der Schreibstil ist entsprechend ruhig und unaufgeregt. Der Autor findet stets gute Worte, um Gefühle, Situationen und das Drumherum zu beschreiben. Dadurch, dass er ab und an die Erzählperspektive wechselt, wird das Buch abwechslungsreich. Trotzdem fehlt ihm eine gewisse Originalität im Schreibstil, um zusätzlich punkten zu können.

_“Killer“ ist ein Buch_, dessen große Stärke in der actionreichen, spannenden Handlung liegt. Die Figuren ergänzen diese gut, aber insgesamt fehlt es Michael MacConnell noch an Profil, um sich von seinen Kollegen abzuheben. Für einen Debütroman ist „Killer“ jedoch sehr gelungen.

|Originaltitel: Maelstrom
Aus dem australischen Englisch von Sabine Rissmann
409 Seiten, Taschenbuch
ISBN-13: 978-3404162826|
http://www.luebbe.de

Eileen Wilks – Verlockende Gefahr (Wolf Shadow 1)

Mit dem Aufkommen von Dark Fantasy – Büchern mit einem guten Schuss Romantik hat sich der |Lyx-Verlag| als eine verlässliche Quelle für Fans dieses Genres etabliert. Mit „Wolf Shadow: Verlockende Gefahr“ startet eine neue Reihe von Eileen Wilks, die einmal mehr Werwölfe in den Mittelpunkt rückt.

Allerdings nennen sie sich in diesem Fall Lupi und werden weniger als blutrünstige Monster als vielmehr als intelligente, verführerische Muskelmänner dargestellt. Menschen und Wölfe leben vielleicht nicht reibungslos nebeneinander, aber eine amerikanische Bürgerrechtsbewegung setzt alles daran, die Unterdrückung der Lupi abzuschaffen.

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Roszak, Theodore – Schattenlichter

Dan Brown ist vermutlich einer der bekanntesten Autoren, die in ihren Büchern Spannung mit Religion verbinden. Viele haben ihn seitdem kopiert, die meisten eher weniger erfolgreich. Einer, der schon vor Brown da war, ist der Autor und Geschichtsprofessor Theodore Roszak, auch wenn sein Roman „Flicker“ in deutscher Übersetzung erst nach Brown erschienen ist. Tatsächlich wurde das Buch, auf Deutsch „Schattenlichter“, aber im Original bereits 1991 veröffentlicht – und hat vielleicht ein größeres Publikum verdient als Browns Bücher.

_Jonathan Gates_, der Ich-Erzähler, berichtet auf über 800 Seiten darüber, wie seine Liebe zum Kino entstanden ist und wohin sie ihn letztendlich führt. Dabei beginnt alles sehr harmlos in Los Angeles Mitte der 50er Jahre. Das für sein ausgewähltes Programm berüchtigte Untergrundkino Classic wird für den jungen Jonathan ein beliebter Treffpunkt. Er verliebt sich in die spröde, attraktive Clare, die Besitzerin des Kinos, und sie nimmt sich des Jüngeren an, um ihn in der Wissenschaft des Films zu unterrichten. Clare ist dabei allerdings sehr kritisch. Kommerzielle Filme sind ihr zu dumpf, künstlerische Filme häufig zu etepetete.

Der deutsche Regisseur Max Castle ist ihr beispielsweise ein absoluter Dorn im Auge. Seine Filme sind für sie Schund, da es sich hauptsächlich um B-Movies mit Titeln wie „Das Blutschloss“ oder „Graf Lazarus“ handelt. Doch Jonathan entdeckt während des Schauens, dass die Filme wesentlich mehr sind als bloß Filme. Die Beklemmung und andere negative Gefühle die sie erzeugen, sind außergewöhnlich. Max Castle wird immer mehr zu einer Obsession für Jonathan. Er möchte herausfinden, was diesen Regisseur ausgezeichnet hat und woher die Wirkung seiner Filme kommt, welche ausgefallenen Schnitttechniken er verwendet.

Clare schlägt ihm, der Filmwissenschaften studiert hat, schließlich vor, seine Doktorarbeit über Max Castle zu schreiben. Das Problem: Seine Filme sind zum Großteil verschollen. Auf der Suche nach den wertvollen Rollen spricht er mit diversen Akteuren aus Castles Leben – und entdeckt dabei, dass dieser zu einer merkwürdigen Vereinigung gehört hat, die sich „Sturmwaisen“ nennt. Und die sehen gar nicht gerne, was er da treibt …

_Das Auffälligste_ an „Schattenlichter“ ist sein Umfang. Über 800 Seiten bringt man normalerweise eher mit Fantasy in Verbindung, doch Roszak hat nichts in dieser Richtung geschrieben. „Schattenlichter“ ist vielmehr die Bibel für jeden Filmfreund, doch auch der Laie kann das Buch ohne Probleme lesen. Roszak erklärt viel, so dass man die wenigen Fachbegriffe auch versteht. Darüber hinaus wird leicht ersichtlich, wie umfangreich die Recherchen des Autors gewesen sein mussten. Das Buch strotzt nur so vor Details, wirkt aber nie überladen. Dabei wird nicht immer ersichtlich, ob diese Details fiktiv oder wahr sind. Wer nach der Lektüre des Buchs den Namen „Max Castle“ bei Wikipedia eingibt, muss nämlich enttäuscht feststellen, dass es sich dabei um einen fiktiven Regisseur handelt. Roszak beschreibt dessen Leben und auch seine Filmografie aber so anschaulich und ausführlich, dass leicht der Eindruck entsteht, dass Max Castle wirklich einmal gelebt hat.

Der Autor lässt sich sehr viel Zeit mit seiner Geschichte. Es vergehen einige Seiten, bis Max Castle überhaupt seinen ersten Auftritt hat, denn Roszak beschreibt zuerst, wie Jonathan und Clare sich kennen lernen und wie sich ihre Beziehung entwickelt. Anders als erwartet stellen diese und andere Nebenhandlungen jedoch kein Problem dar. Sie unterstützen eher noch die Spannung, weil sie die Spur Max Castle immer wieder unterbrechen, hinauszögern oder ihr ungewollt Zunder geben. Gerade am Anfang sind die Hinweise auf Castles Verbindungen zu den Sturmwaisen sehr rar gesät. Dadurch wird die Geschichte sehr mitreißend. Als Leser ist man ständig auf der Hut, damit man auch ja keinen der kleinen Hinweise verpasst. Am Ende verzichtet Roszak jedoch auf unnötige Elemente. Er wendet sich von seiner vorherigen Herangehensweise ab und beschränkt sich auf das Wichtigste. Dieser Umschwung fällt auf, dem einen oder anderen vielleicht auch negativ, doch der Autor kann dies mit seinem sauberen Schreibstil ausbügeln.

Hauptfigur und Ich-Erzähler Jonathan braucht, genau wie die Geschichte, seine Zeit, bis sein Charakter wirklich deutlich wird. Dennoch wirkt er fast das gesamte Buch lang eher wie ein Katalysator für die Geschichte als wie eine richtige Hauptfigur. Seine Gedanken und Gefühle werden häufig durch die Ereignisse, Zusatzinformationen oder Schilderungen verdrängt. Am Anfang steht sogar Clare mehr im Mittelpunkt als er und man erfährt seinen Namen erst Seiten später. Allerdings ist dies in gewisser Hinsicht auch geschickt, bedenkt man, dass Jonathan gerade in seinen Anfangsjahren als Filmstudent sehr stark von Clare beeinflusst wurde und keine eigene Meinung hatte. Das ändert sich mit der Zeit in dem Maße, in dem er immer mehr in den Vordergrund rückt.

_Ein solches Monstrum_ von Buch kann man nur erschaffen, wenn man wirklich schreiben kann. Gerade die gemächlicheren Teile des Romans würden sonst in Orgien der Langeweile ausarten. Zum Glück schreibt Roszak von der ersten Seite bis zur letzten flüssig, angenehm intelligent und sehr abwechslungsreich. Weder Humor noch Stilmittel lenken dabei von der eigentlichen Geschichte ab. Er bleibt nüchtern, aber dennoch detailliert, so dass der Leser sich alles gut vorstellen kann.

Und der Vergleich mit Dan Brown? In Anbetracht der Tatsachen, dass Roszak unglaublich gut schreibt, die Handlung weniger reißerisch, dafür aber wesentlich realistischer ist und dass er die Spannung geschickt und langsam aufbaut, besteht keine Verwechslungsgefahr. „Schattenlichter“ ist ein großartiger Roman, der viel Zeit in Anspruch nimmt, aber auch entsprechend viel zu bieten hat.

|Originaltitel: Flicker
Aus dem amerikanischen Englisch von Friedrich Mader
878 Seiten, Taschenbuch
ISBN-13: 978-3453525740|
http://www.heyne.de