Nach langen Jahren im Gefängnis schlägt sich Ex-Polizist Travis Chase als Bauarbeiter durch. Seinen Jahresurlaub verbringt er auf einer Wanderung durch die Urwälder des US-Staates Alaska. Dabei stößt er auf eine bruchgelandete Passagiermaschine der US-Regierung. An Bord: viele tote Geheimdienstler und die First Lady der USA. Sie schrieb mit letzter Kraft einen Brief, in dem sie den Finder zur patriotischen Pflichterfüllung aufruft. Die Maschine transportierte das „Flüstern“, eine außerirdische Entität, die Schurken unbedingt in ihren Besitz bringen wollen. Unweit der Absturzstelle foltern sie die Agentin Paige Campbell (jung, hübsch, Single), die das „Flüstern“ verstecken konnte, bevor sie geschnappt wurde.
Alle Beiträge von Michael Drewniok
Franziska Latell/Werner Sudendorf (Hgg.) – Fritz Langs Metropolis

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Brian Keene – Die Verschollenen

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Reginald Hill – Ein nasses Grab

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E. C. R. Lorac – Stille Wasser

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Ketchum, Jack – Schwestern, Die
_Das geschieht:_
Arizona 1848: Der Westen der noch jungen USA ist nicht nur wild, sondern auch kaum erschlossen. Die schier unendlich weite Landschaft steckt voller Gefahren und Geheimnisse, bietet aber denen, die sich diesen Herausforderungen stellen, viele Möglichkeiten, zu Geld oder Ruhm zu kommen.
Marion T. Bell ist ein Reporter, der nach dem mexikanisch-amerikanischen Krieg (1846-48) in Arizona gestrandet ist und die Erinnerung an erlebte Gräuel im Alkohol ertränkt, bis er sich mit dem Revolvermann John Charles Hart anfreundet. Dieser nimmt den jungen Mann unter seine Fittiche und überredet ihn, mit ihm und seinem Partner Mother Knuckles Mustangs zu fangen.
Der harte aber ruhige Alltag des Trios findet ein Ende, als sie in der Prärie die junge Mexikanerin Elena finden. Sie wurde zusammen mit ihrer Schwester Celina von Paddy Ryan und seinen Spießgesellen entführt und ins geheime Lager der grausamen Valenzura-Schwestern verschleppt. Eva, Maria und Luzia lassen im Grenzraum der USA und Mexiko junge Frauen entführen, um sie als Liebessklaven zu verkaufen. Wer nicht spurt, stirbt als Menschenopfer zu Ehren jener alten Dämonengötter, zu deren Dienerinnen sich die Schwestern ernannt haben.
Elena konnte flüchten, musste aber Celina zurücklassen. Als sie wieder zu Kräften gekommen ist, will sie zurückkehren, um ihre Schwester zu befreien. Hart, Bell und Mother wollen ihr helfen – und geraten in einen nur zu realen, blutigen Höllenpfuhl …
_Cowboys gegen böse Geister?_
Warum sollte ausgerechnet der US-Westen des 19. Jahrhunderts eine geisterfreie Zone (gewesen) sein? An allen möglichen und auch unmöglichen Orten dieser Welt sowie zu allen Zeiten trieben Spukgestalten ihr Unwesen. Da außerdem gewaltsam zu Tode gekommene Zeitgenossen sichere Brutstätten für rachsüchtige Gespenster sind, ist besagter Westen gerade prädestiniert für zünftige Gruselgeschichten. In der Tat schrieb bereits Ambrose Bierce (1842-1913/14), der die große oder zumindest turbulente Zeit des Wilden Westens selbst miterlebt hatte, spannende, stimmungsvolle und vor allem unheimliche Storys, die in dieser Zeit und Landschaft spielen.
Trotzdem stutzt nicht nur der europäische Leser, wenn es um Cowboys phantastisch wird. Ist es der Schatten von John Wayne, der noch heute von Wolke 7 auf die Reinheit des Western-Genres pocht und nur die bekannten Geschichten von Viehzüchtern, Revolvermännern, Bardamen und natürlich Indianern gestattet? Eine offizielle Vorschrift ist dies nicht, aber der Western wird doch vergleichsweise selten spielerisch mit anderen Genres gemischt.
|Nichts ist bösartiger als der Mensch|
Auch Jack Ketchum bleibt mit seiner ‚Geisterwestern-Novelle‘ zurückhaltend. Ihm geht es ohnehin höchstens marginal um Dämonen oder andere übernatürliche Gestalten. In erster Linie spielt sich der Horror – typisch für Ketchum – ungeachtet der historischen Kulissen nicht nur im Diesseits ab, sondern wird von den Menschen selbst entfacht.
Um den Boden für seinen Historien-Horror zu bereiten, öffnet Ketchum mit „Die Schwestern“ zunächst die Augen für die ‚Vorgeschichte‘ der USA. Bevor diese 1776 unabhängig wurden, erforschten, besiedelten und beraubten europäische Siedler Nordamerika (und den Südkontinent natürlich ebenfalls) bereits seit über 250 Jahren. Die Ureinwohner beider Amerikas blickten auf eine Geschichte zurück, die viele Jahrtausende in die Vergangenheit reichte – Raum und Zeit für eigenständige und üppige Dämonen-, Geister- und Monster-Dynastien gab es also mehr als genug.
Damit verbanden sich Erinnerungen an Menschenopfer, Kriegsgräuel und andere Grausamkeiten, die sich die Menschen gegenseitig antun. Folgerichtig fällt es Ketchum leicht, die phantastischen Elemente zu dämpfen. Er erspart uns Quetzalcoatl & Co., die aus dem Götterhimmel springen und von unseren Cowboys mit einem Kugelhagel empfangen werden. Ketchum geht viel einfacher, raffinierter und heimtückischer vor. In dieser bizarren Geschichte stecken durchaus übernatürliche Aspekte. Der Autor lässt sie jedoch wie nebenbei einfließen, wodurch sie wesentlich eindringlicher wirken.
|Überforderte Gringos in feindlicher Fremde|
Ketchum hat das Terrain für sein Garn nicht nur gut gewählt, sondern auch perfekt vorbereitet. Das mexikanisch-amerikanische Grenzland lag 1848 noch jenseits einer „american frontier“, die in voller Bewegung war. Obwohl Siedler von Osten und Westen in den Kontinent vordrangen, gab es weiterhin Regionen, die völlig unerschlossen waren. Recht und Gesetz blieben fromme Wünsche.
Mehr als einmal nimmt Ketchum Bezug auf den Krieg zwischen Mexiko und den USA, eine erbitterte, auf beiden Seiten von Brutalität und Unmenschlichkeiten geprägte Auseinandersetzung. Sie bereitet den Boden für den ‚realen Horror‘, dem Ketchum den Vorzug gibt. Wenn die Valenzura-Schwestern die phantastische Seite der Furcht verkörpern, ist Paddy Ryan das Produkt einer grausamen Wirklichkeit.
|Erbarmen ist Schwäche|
Auf ihre Weise sind auch John Charles Hart und William T. Bell Opfer. Beide haben sie am Krieg teilgenommen, haben Opfer bringen müssen und leiden unter den Folgen. Anders als Ryan haben sie das Grauen nicht angenommen und verinnerlicht. Zumindest Hart ist genretypisch jedoch tiefer gezeichnet, als der verschlossene Mann sich anmerken lässt: Sein finaler Amoklauf wirkt kaum überraschend.
Zu den bitteren Zutaten, aus denen Ketchum seine Horror-Suppe bereitet, gehört der allgegenwärtige Rassismus. Zwar rettet Hart die den Valenzuras entflohene Elena, aber er achtet sie nicht oder verachtet sie sogar. Als ‚Begründung‘ nennt er einmal seine Kriegserlebnisse, was Elena nicht gelten lässt. Sie dringt zum Kern unter den Ausflüchten durch: Mexiko ist die Beute dessen, der sie sich nehmen kann. Das schließt nicht nur das Land und seine Bodenschätze, sondern auch seine Bewohner und hier vor allem die Frauen ein. Nicht nur die USA mischen – mal verschämt, mal verlogen – in diesem schmutzigen Spiel mit. Die mexikanische Regierung ist korrupt und macht gemeinsame Sache mit denen, vor denen sie ihre Bürger schützen sollte. Ketchums scheinbar simple Story beinhaltet eine Menge Subtext.
|Novelle oder Luftballon?|
Was seine Novelle freilich nicht hergibt, ist ihre Erhöhung zum ‚richtigen‘ Buch. Die literarische Form und der Seitenumfang verhindern es. Das eine lässt sich ignorieren, das andere buchstäblich bemänteln: Der eigentliche, an sich schon durch großzügige Absätze und Leerseiten in die Länge gezogenen Haupttext umfasst gerade 75 Seiten. Hinzu kommen ein Vorwort des Verfassers, ein Interview, das Christian Endres mit Ketchum geführt hat, und ein Nachwort, in dem ebenfalls Endres über Jack Ketchum und sein Werk informiert.
Dieses Beiwerk ist interessant für Leser, die gern einen Blick hinter die Kulissen der gerade gelesenen Geschichte werfen und ihren Verfasser besser kennenlernen wollen. Dennoch bleibt die Tatsache, dass „Die Schwestern“ ein kaum hundertseitiges Büchlein ergeben. Hier gilt es an den alten aber weisen Spruch „Klasse statt Masse“ zu erinnern.
Die dicken Ketchum-Brocken – seine Romane – hat sich der Heyne-Verlag geschnappt. Für die ‚Kleinen‘ bleiben die Brosamen. Ein „Ketchum“ ziert derzeit jedes Verlagsprogramm. „Die Schwestern“ stellen ganz sicher kein Abfallprodukt dar. Den Leser erwartet ein ‚echter‘ Ketchum. Dafür muss er jedoch einen Preis entrichten, für den er sonst ein ‚richtiges‘ Buch erwerben kann. Bleibt zu hoffen, dass es über den Unterhaltungswert der Geschichte und die zugelieferten Infos hinaus mit ihren weiteren Pfunden wuchern kann: der sorgfältigen und lesenswerten Übersetzung und dem schlichten aber ‚handgemachten‘ Cover eines handwerklich hochwertigen Paperbacks.
_Autor_
Dass „Jack Ketchum“ ein Pseudonym ist, daraus machte Dallas William Mayr (geb. 1946) nie ein Geheimnis. Er wählte es nach eigener Auskunft nach dem Vorbild des Wildwest-Outlaws Thomas „Black Jack“ Ketchum, der es Ende des 19. Jahrhunderts sogar zum Anführer einer eigenen Bande – der „Black Jack Ketchum Gang“ brachte, letztlich jedoch gefangen und gehängt wurde. „Jack Ketch“ lautete zudem in England der Spitzname für den Henker.
Als Jack Ketchum durchlief Mayr diverse ‚Karrieren‘ als Schauspieler, Sänger, Lehrer, Literaturagent, Handlungsvertreter usw.: die typische Vom-Tellerwäscher-zum-Millionär-Laufbahn à la USA, nur dass Mayr nie wirklich seinen Durchbruch schaffte, da er sich als reichlich sperriger Schriftsteller erwies, der lieber im Taschenbuch-Ghetto verharrte als der Bestsellerszene Mainstream-Zugeständnisse zu machen. Noch heute ist der Autor stolz auf eine Kritik der „Village Voice“, die sein Romandebüt „Off Season“ (dt. „Beutezeit“) 1980 als „Gewaltpornografie“ verdammte.
Die Literaturkritik musste Mayr alias Ketchum inzwischen als unkonventionellen aber fähigen Schriftsteller zur Kenntnis nehmen. 1994 gewann seine Story „The Box“ einen „Bram Stoker Award“, was Ketchum 2000 mit „Gone“ wiederholen konnte. Zudem wurde Ketchum mehrfach nominiert. Längst wurde auch Hollywood aufmerksam auf sein Roman- und Kurzgeschichtenwerk, das ob seiner Kompromisslosigkeit vor allem im plakativ Sexuellen dem prüden US-Amerika Problemen bereitet.
|Taschenbuc: 99 Seiten
Originaltitel: The Crossings (Forest Hills/Maryland : Cemetery Dance Publications 2003)
Übersetzung: Ben Sonntag
Cover: Timo Kümmel
ISBN-13: 978-3-941258-24-2|
[atlantisverlag.wordpress.com]http://atlantisverlag.wordpress.com
[www.jackketchum.com]http://www.jackketchum.com
_Jack Ketchum auf |Buchwurm.info|:_
[„Evil“ 2151
[„Beutezeit“ 4272
[„Amokjagd“ 5019
[„Blutrot“ 5488
[„Beutegier“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6045
[„The Lost“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6924
Iles, Greg – Adrenalin
_Das geschieht:_
Penn Cage ist Bürgermeister der alten Stadt Natchez, die im US-Staat Mississippi am Ufer des gleichnamigen Flusses liegt. Früher war er Bezirksstaatsanwalt und hat Schurken gejagt, was ihm noch heute im Blut liegt, weshalb er umgehend hellhörig wird, als ihm Tim Jessup, ein alter Freund Unglaubliches berichtet: An Bord der „Magnolia Queen“, eines schwimmenden Casinos, das auf dem Mississippi dümpelt und der Stadt gutes Geld in die Kasse schwemmt, sollen illegale Hundekämpfe stattfinden und minderjährige Mädchen zur Prostitution gezwungen werden. Noch schlimmer: Jonathan Sands, der nur scheinbar honorige Geschäftsführer, frisiert die Geschäftsbücher und betrügt Natchez um Steuergelder!
Dummerweise hat Sands sich gut abgesichert. Bei dem Versuch, belastende Beweise zu sichern, wird Jessup erwischt, gefoltert und schließlich ermordet. Zuvor ist es ihm freilich gelungen, seinem Mörder nicht nur eine DVD zu stehlen, die dessen Untaten dokumentiert, sondern diese auch so zu verstecken, dass Sands sie nicht findet. Dies soll Cage übernehmen: Sands lässt seine Maske fallen und droht dem Bürgermeister mit grässlichen Toden für sein Töchterlein Annie, die Eltern und alle lieben Freunde, wenn Cage nicht besagte DVD binnen 24 Stunden herbeischafft.
Leider hält Sands Natchez fest in seinem Würgegriff. Seine Schergen haben die Polizei unterwandert, überwachen Telefon und Internet und sind auch sonst überall wachsam präsent. Der verzweifelte aber tapfere Mann mag sich solcher Schurkentücke trotzdem nicht beugen. Glücklicherweise steht Cage nicht gänzlich allein: Siehe, da ist Caitlin Masters, seine ehemalige und noch immer heimlich Geliebte, die nicht nur wunderschön, sondern auch eine unbestechliche Enthüllungs-Journalistin ist! Zusammen mit einigen kernigen Jungs bietet man Sands & Co. die Stirn, was für die üblichen Rückschläge und spannende Rettungen in aller-allerletzter Sekunde sorgt!
_Mainstream ists, wenns vor allem kracht_
Nichts erwärmt das Herz des realitätsgeschädigten Lesers stärker als die Geschichte vom einsamen aber unverdrossenen Jedermann, der dem unmoralischen, höhnischen, übermächtigen Bösewicht so richtig in den Arsch tritt! Wer gerade wirklich finster gestimmt ist, weil das Finanzamt, der Chef, die Schwiegermutter oder andere gesichtslose aber unangreifbare Lästlinge nerven, sieht es gern, wenn dem Schurken das Fell buchstäblich über die Ohren gezogen wird; friedlichere Leser mögen dies zwar auch, schätzen es aber, wenn dem politisch korrekt ein Feigenblatt vorgeschoben wird. Deshalb betont Penn Cage stets die Notwendigkeit, grundsätzlich das Gesetz walten zu lassen; Gewalt darf nur ins Spiel kommen, wo Justizia nicht nur blind, sondern auch hilflos weil durch das eigene Regelwerk gefesselt ist. (Damit es im Finale trotzdem zu einem epischen Akt der Selbstjustiz kommen kann, muss der Verfasser den Lumpen selbstständig und buchstäblich ins Maul des Todes stolpern lassen.)
Der Gerechte steht nicht nur im US-Western meist allein. Es ist per se spannend (und beruhigend vorbildlich), wenn jemand, der nüchtern betrachtet ohne Chance ist, im Dienst der guten Sache nicht das Hasenpanier, sondern die Initiative ergreift. Köpfchen gegen Kapital, Korruption & Kampfkraft: Wie diese Rechnung wider Erwarten aufgeht, ist immer wieder spannend zu beobachten.
Für die Schaffung dieser Spannung ist der Erzähler zuständig. Greg Iles weiß, wie man sie schürt. Leider bringt er sie nie zur Zündung. „Adrenalin“ bietet dem martialischen deutschen Titel zum Trotz nur Schriftsteller-Dienst nach Vorschrift. Obwohl der Plot selbst denkbar simpel ist – was kein Nachteil sein muss -, walzt ihn der Verfasser auf unglaubliche 650 Seiten aus. Um dies zu schaffen, bündelt Iles bewährte Situationen, Orte und Figuren, die er routiniert zum Scheinleben erweckt.
|Aus der Bratpfanne mitten ins Feuer|
Ständig geschieht Aufregendes; dies bemüht sich der Autor uns jedenfalls zu suggerieren. Dabei subtil zu sein, ist Iles‘ Sache nicht. Er schreibt Romane, die nicht zum Denken anregen, sondern ausschließlich unterhalten sollen. Dabei bedient er sich gern der Methoden des Fernseh-Krimis. Konspirative Treffen finden um Mitternacht auf dem Friedhof statt. Bedrohliche Präsenz korrupter Gesetzeshüter wird durch nächtlich blinkende Polizei-Blaulichter signalisiert. Anwälte sind per se verdächtig. Die schöne Caitlin demonstriert journalistische Glaubwürdigkeit, indem sie ihrem Ex-Gefährten in der Pressekonferenz zwar sinnlose aber scharfe Fragen stellt. Als sie den Lumpen in die Falle geht, ist sie bei ihren intensiven Ausbruchsversuchen zufällig völlig nackt. Nach einiger Zeit reizt solche Unverfrorenheit unwillkürlich die leserlichen Lachmuskeln.
Viele Seiten widmet Iles der Aushebung seiner „No Expendables“. Nach und nach findet eine kleine aber feine Schar um Cage zusammen. Seine Verbündeten eint neben der Liebe zur Gerechtigkeit und den USA das unkonventionelle Auftreten. Durch harte und ehrliche Arbeit zu Wohlstand oder gar Reichtum gekommen, bleiben sie dennoch Männer des Volkes, denen dreiste Strolche ein Dorn im Auge sind, da sich der wahre US-Amerikaner auf Politiker, Juristen und ähnliche Wortverdreher besser nicht verlässt, sondern auf die Stimme seines Herzen (und seine Fäuste) hört, die ihm zuverlässig sagt, wie man mit Problemen der beschriebenen Art umgeht.
Also ergreift man selbst die Initiative. Sands und seine Schergentruppe werden geschickt (früher benutzte man das Wort „pfiffig“) unterwandert und ausgehebelt. Gleichzeitig zeigt man auch den allzu übereifrigen und das Recht verbiegenden Terroristenjägern – FBI, Justizministerium, Heimatschutz – die rote Karte. Die scheinbare Omnipräsenz des Bösen erweist sich als Schreckgespenst in einer Welt, die zumindest in ihrer literarischen Inkarnation den Mutigen obsiegen lässt.
|Rückschläge gehören zum Siegesmarsch|
650 Buchseiten bieten mehr als genug Raum für ein ständiges Hin und Her. Natürlich sind die Finsterlinge misstrauisch. Wenn die Gutmenschen allzu schnell Boden gut zu machen drohen, hebt Iles einfach den Schatten der Unwissenheit über bösen aber blöden Augen und lässt die Schufte kurz erblicken, was ihre Gegner gerade trickreich einfädeln. Sofort werden Gegenattacken geritten, die das Finale erneut in die Ferne rücken lassen.
Dumm, dass die Helden stets mit einer auf den Rücken gebundenen Hand kämpfen müssen. Stets stolpert ein – meist weibliches – Opfer den Widerlingen vor die Füße, um als Geisel missbraucht oder umgebracht zu werden; das eine soll den Leser vor Sorge, das andere vor Entrüstung zittern lassen. Diese Reaktion erfolgt allerdings eher pflichtschuldig, da Iles stets anzudeuten scheint, dass besagte Opfer für ihr Schicksal selbst die Schuld tragen, da sie schwach oder zumindest nicht so smart wie Cage und seine Mitstreiter sind.
Manchmal sind die Guten schlicht langweilig wie Cages altmodisch ehrpussliger Dad oder seine klammernde Tochter. Man sieht Sands Augen förmlich leuchten, wenn er sich an der Familie, dem Salz der US-Erde, zu vergreifen droht – so böse, dass sich der Leser das Lachen schon wieder kaum mehr verbeißen kann. Das lenkt von der Frustration ab, den üblichen Umtrieben eines Schurken im Cäsarenwahn beiwohnen zu müssen, der seine Eroberungs- und Rachepläne so überkompliziert und lahm umsetzt, dass er niemals obsiegen wird.
Wie es sich für einen Bilderbuch-Schuft gehört, steht Sands ein tückischer Schlagetot zur Seite, der dieses Mal sogar erst nach seinem Chef ins Gras beißen muss. Weil doppelt genäht nach Iles‘ Meinung besser hält, wird Sands außerdem von einem bösen Hund begleitet, den der Autor Tücke & Hinterlist förmlich ausdunsten lässt, wenn er ihn bellfrei und gern in der Dunkelheit auf Menschenjagd schickt.
|Old Man River|
Natchez ist eine real existierende Stadt, und Greg Iles ist ihr Bürger. Ob man dort über seine recht spezielle Art der Außenwerbung erfreut ist, kann an dieser Stelle nicht beantwortet werden. Iles kennt ’seine‘ Stadt und ihre Geschichte; er nutzt dieses Wissen zur Schaffung plastisch wirkender Schauplätze. Allerdings gleitet er dabei leicht ins Schwafeln und erneut ins Klischee ab. Die Südstaaten der USA sind vor allem dort, wo der Mississippi in Sichtweite ist, Heimat lauter, grober, schlauer, rassistischer, scheinheiliger, korrupter Zeitgenossen, die gern in alten Plantage-Villen mit Säulen-Fassaden residieren. Immer ist es heiß und schwül, selten fehlt ein Ausflug in moosig-schimmelige, von Reptilien, Moskitos u. a. fiesen Kreaturen heimgesuchte Sümpfe.
Iles hält sich strikt an diese und ähnliche Vorgaben. Er verschneidet sie mit weiteren Klischees, zu denen hier die chinesische Mafia gehört, die sich dräuend in die ohnehin ob der asiatischen Konkurrenz nervösen Vereinigten Staaten schummelt. Dazu gehören eine schöne, aber mysteriöse Halb-Asiatin und ein vertierter Triaden-Boss: Noch immer sieht der US-Leser offenbar ’seine‘ China-Schurken in bewährter Dschingis-Khan- & Fu-Manchu-Tradition gern un-heimlich, undurchschaubar und unaufhörlich im Untergrund wimmeln & an den Grundfesten des |American Way of Life| nagen.
Wenigstens in der fiktiven Welt enden solche Aktionen mit dem blutnasigen Aufprall am blanken Schild des Helden. Geschunden aber ungebrochen wettert dieser mit seinen Gefährten die Attacken der Bösewichte ab, bis diese ihr Pulver verschossen haben. Opfer bleiben dabei nicht aus, doch das stärkt die Moral und bietet die willkommene Gelegenheit für Tragik und Gefühlsausbrüche, mit denen der Verfasser die Vorbildfunktion seiner Guten unterstreichen kann.
Nach turbulenten 650 Seiten ist der typische Iles-Leserkunde zufrieden und die Welt wieder in Ordnung. Sie war auch vorher nie wirklich in Gefahr, sondern immer nur Bühne für sauber aber aalglatt gedrechselte Action mit (mühsam) gezügeltem |Law & Order|-Unterton. Wem solche Hausmannskost schmeckt, wird mit „Adrenalin“ einmal mehr zufrieden sein.
_Autor_
Greg Iles wurde 1960 als Sohn eines US-Botschaftsarztes im deutschen Stuttgart geboren. Als die Dienstzeit des Vaters endete, ging die Familie in die Vereinigten Staaten zurück, wo Iles in Natchez, Mississippi, zur Schule ging und an der University of Mississippi studierte.
Nach seinem Abschluss (1983) spielte Iles mehrere Jahre in einer Rockband. Anfang der 1990er Jahre arbeitete er an einem ersten Roman. 1993 erschien „Spandau Phoenix“, ein Historien-Thriller um den deutschen Kriegsverbrecher Rudolf Hess. Obwohl Iles schnell auch in Deutschland erfolgreich veröffentlicht wurde, blieb sein Erstling hierzulande ohne Übersetzung.
Greg Iles ist ein fleißiger Autor. Jährlich bringt er ein vielhundertbändiges Werk auf den Buchmarkt. Er schreibt Thriller ohne bzw. mit vor allem vorgeblichem Tiefgang, die sich routiniert der einschlägigen Klischees bedienen und damit ideale Kandidaten für die Bestsellerlisten der lesenden Welt sind.
|Taschenbuch mit Klappenbroschur: 653 Seiten
Originaltitel: The Devil’s Punchbowl (New York : Scribner 2009)
Übersetzung: Bernd Rullkötter
ISBN-13: 978-3-404-16542-1
Als eBook: Januar 2011 (Bastei-Lübbe-Verlag)
ISBN-13: 978-3-8387-0234-6|
[www.luebbe.de]http://www.luebbe.de
[www.gregiles.com]http://www.gregiles.com
_Greg Iles bei |Buchwurm.info|:_
[„Infernal“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=122
Lansdale, Joe – Wälder am Fluss, Die
_Das geschieht:_
Marvel Creek, ein schlammiges Dörfchen irgendwo im Osten des US-Staats Texas. Wir schreiben das Jahr 1933. Die Menschen sind arm, ihr Leben ist hart und einfach. Die Familie Crane gehört zu den Glücklichen; ihre Farm ernährt sie, man kann sogar ein Auto fahren. Vater Jakob verdient als Frisör dazu. Außerdem ist er der Constable der Gemeinde; einen ‚richtigen‘ Polizisten gibt es nicht.
Jakob ist beliebt und geachtet, pflegt aber nach Ansicht der rechtschaffenen weißen Bevölkerung allzu freundlichen Umgang mit den Schwarzen. Sieben Jahrzehnte nach dem Ende der Sklaverei gelten die „Nigger“ weiterhin als Menschen zweiter Klasse. Sie haben sich zu ducken, sonst reiten des Nachts die „Kluxer“ auf und lehren den Unruhestifter mit brutaler Gewalt, wo sein Platz ist – ganz unten in der sozialen Pyramide nämlich.
Harry, der elfjährige Sohn des Constables, findet am Flussufer die grässlich verstümmelte Leiche einer schwarzen Frau. Sie wurde ermordet und geschändet. Für das weiße Establishment gilt die Frau nur als Niggerhure, Ermittlungen sollen daher unterblieben. Jakob fürchtet das Auftreten eines sadistischen Lustmörders, der wieder zuschlagen könnte. Harry dagegen verdächtigt den „Ziegenmann“, eine satyrähnliche Legendengestalt, die in den dichten Wäldern um Marvel Creek ihr Unwesen treiben soll. Die alte Miss Maggie munkelt vom Teufel, der höchstpersönlich die Dorfgemeinschaft heimsuche.
Es gibt Spuren, die alle drei Annahmen bestätigen. Immer begleitet von seinem Sohn, ermittelt Jakob unbeirrbar gegen Mörder, Monster und Mobmenschen. Er nähert sich dem Zentrum des Schreckens, bis er es endlich aufgespürt hat und es sich gegen ihn und seine Familie wendet …
_Ein Thriller als Offenbarung_
Selten noch erfährt der langjährige und eifrige Leser von Kriminalromanen eine Offenbarung. Allzu tief ausgefahren sind die Geleise, auf denen die Werke vor allem der Bestseller-Könige (und Königinnen) am Leserauge vorbeirollen. In der Mainstream-Suppe schwimmen nur wenige Fettaugen und viel zu oft wird die gleiche Fertigmischung aufgekocht. Man hungert geradezu nach einem Leckerbissen, einer Ablenkung. Hier wird sie uns von einem großartigen Schriftsteller zuteil, der hierzulande noch immer das Kainsmal des „Geheimtipps“ tragen muss.
„Die Wälder am Fluss“ ist eine wilde, aber in sich völlig harmonische Mischung diverser Genres. Krimi, Horror, Historie: Der Autor spielt jede Karte aus und behält doch immer ein As im Ärmel. Lansdale macht es sich und uns nicht einfach. Er zeigt eine Welt, in der Diskriminierung als völlig normal betrachtet wird und wie Hitze, Armut und Knochenarbeit zum Alltag gehört. Der wahre Horror braucht keine Peitschen schwingenden Plantagenfürsten oder den Ku-Klux-Klan. Lansdale macht uns klar, worin er wirklich besteht: Die schwarzen Bürger haben ihre Rolle akzeptiert. Sie verharren in ihrer Sklavenrolle, weil ihnen keine Alternative gewährt wird.
|Vergangenheit ohne Nostalgie|
Daher beunruhigt es die Weißen viel mehr, dass Jakob Crane nach dem Mörder einer „Niggerfrau“ fahndet, als ob er es mit einem ‚richtigen‘ Menschen zu tun hätte. Das gefährdet in ihren Augen die alte Ordnung. Tatsächlich plagt die „Herren“ ständig die Furcht, dass jene „Nigger“, die sie für intelligenzarm und feige halten, das ihnen auferlegte Joch abwerfen an ihre Seite treten und sie womöglich von ihren Pfründen verdrängen, weil sie tatsächlich tüchtiger und erfolgreicher sind, wenn man sie nicht niederhält. Auf dass diese Gefahr abgewendet wird, sind sie sogar bereit, das Wüten eines Serienmörders zu dulden. Die Hauptsache ist, dass in den „Bottoms“ des Originaltitels, die einen Ort bezeichnen, dessen Name sehr zutreffend mit „Bodensatz“ zu übersetzen ist, alles bleibt, wie es war und ist.
Dieser dumpf schwelende Konflikt allein böte Stoff für eine spannende Geschichte. Lonsdale geht viel weiter. Er erzählt zusätzlich einen Krimi, der überzeugend den inzwischen reichlich angestaubten Plot vom besessenen Serienkiller der gewählten Kulisse anpasst. Der Verstand ist es, der im Guten wie im Bösen Grenzen sprengt; das gilt auch 1933. Überhaupt spielt die Atmosphäre mindestens dieselbe Rolle wie die Handlung.
Während wir lesen, sehen wir vor unserem geistigen Auge die Crane-Farm, Marvel Creek, den „Ziegenmann“, die „Niggerstadt“ Pearl Creek. Jeden Schauplatz erweckt Lansdale zum Leben, ohne dabei die Story zu vernachlässigen. Man kann nur staunen, wie sparsam und effektiv der Verfasser seine Worte setzt. Die gleichzeitig realistische wie phantastisch-märchenhafte Intensität seiner Geschichte ist wie ein Schlag in die Gesichter jener flachsinniger, seelenloser Schreibautomaten, deren Machwerke palettenweise von den Höfen moderner Buchfabriken in die Abverkaufs-Filialen gekarrt werden.
|“Coming-of-Age“-Thriller|
„Die Wälder am Fluss“ ist ein Kriminalroman im Gewand einer Geschichte über das Erwachsenwerden. Der Mörder ist primär ein Katalysator, der die Handlung in Gang bringt und hält. Nur die Folgen seiner Taten werden offenbar, er selbst bleibt unsichtbar und wirkt dadurch umso nachdrücklicher: Über der ländlichen Idylle von Marvel Creek lastet ein düsterer Schatten. Dass er lange nicht wirklich auffällt, liegt an dem Bösen, das den ’normalen‘ Menschen hier innewohnt.
Harry Crane steht an der Grenze zum Mann. Dazu gehört, dass er die Welt nicht mehr so hinnimmt, wie sie ihm bisher erschien: schwarz und weiß, einfach strukturiert, regiert von Erwachsenen, die schon wissen, was sie zu entscheiden haben. Nun lernt Harry schmerzhaft, dass diese ideale Bild nicht der Realität entspricht. Im echten Leben gibt es Ziegenmänner und Mörder. Vor allem aber gibt es Rassisten, Lügner, Feiglinge, die mit Angst und Terror über andere Menschen herrschen, deren einziges ‚Verbrechen‘ in ihrer Hautfarbe liegt.
So muss Harry lernen, seinen Platz in dieser Welt zu finden. Als Leitfigur dient ihm der Vater. Jakob Crane ist ein einfacher Mann, der eigentlich gut nach Marvel Creek passt. Es gibt nur einen gewichtigen Unterschied: Er mag die farbige Bevölkerung nicht verachten und unterdrücken. Ein dunkler Punkt in seiner Vergangenheit hat ihn umdenken lassen; Harry muss erfahren, dass auch sein verehrter Vater kein von Schuld freier Mensch ist.
|Menschen unter Druck|
Als Kriminalist ist Jakob ein Amateur. Zwar besitzt er die grundsätzlichen Tugenden eines Ermittlers: Er ist offen und bereit dazu zu lernen. Ein guter Polizist wird er dennoch niemals sein, so wie er auch stets ein armer Farmer bleiben wird. Dafür ist er ein guter Vater, der – Lansdale vermag es fabelhaft in die Handlung zu integrieren – seinem Sohn mehr lehrt als ihm selbst bewusst ist.
Erst spät in unserer Geschichte taucht Harrys resolute Großmutter auf. Sie passt leider nicht recht ins Ambiente. Selbstbewusst ist sie, diese Grandma June. Sagen lässt sie sich wenig, freundet sich demonstrativ mit der alten Miss Maggie an, lacht dem Pöbel ins Gesicht. Wieso gelingt ihr, woran Jakob scheitert? Einfach weil sie laut und dreist ist? So ganz mag uns das nicht überzeugen.
Die Bevölkerung von Marvel Creek ist einig in ihrer wirtschaftlichen Not. Niemand wird von der Wirtschaftskrise verschont, sodass es keinen Neid auf erfolgreichere Nachbarn gibt: Diese existieren einfach nicht. Es gibt die üblichen Faulpelze und Querulanten, die man indes kennt und mit denen man sich arrangiert.
|Die Hauptsache ist, nicht selbst unten zu stehen|
Eigentlich könnte das Leben in Marvel Creek also angenehm sein, gäbe es da nicht die andere Seite dieser Menschen: ihren bedingungslosen Rassismus, den sie als solchen niemals erkennen würden. Die Arbeit ist hart, die Sommer sind heiß, Kinder haben zu gehorchen – und Nigger sind minderwertige, latent gefährliche Wesen; keine Ahnung, was sich der Herrgott dabei dachte, sie uns aufzuerlegen, aber es ist geschehen und jetzt tun wir unsere Pflicht, indem wir sie kontrollieren und züchtigen.
Und so mutiert die Bürgerschaft von Marvel Creek ansatzlos zum Mob, wenn sie sich und ihre Familien von den nur geduldeten farbigen ‚Nachbarn‘ bedroht fühlen. Eindringlich beschreibt Lansdale die Mechanismen dieser Verrohung. Schon die Kutte des Ku-Klux-Klans verwandelt alltägliche Zeitgenossen in eine anonyme Macht, die sich gern hinreißen lässt, im Schutz der angemaßten Herrschaft ihren niederen Instinkten nachzugeben. Reißt man ihnen die Kapuze vom Kopf, kommt meist ein ganz normaler Mensch zum Vorschein, der aus einem bösen Traum zu erwachen scheint.
|Übers Ziel hinausgeschossen?|
Doch im Verlauf der Lektüre erwacht leises Misstrauen. Können denn Hass und Verachtung wirklich so tief verwurzelt sein, dass nur der Anblick eines „frechen Niggers“ die weißen Bürger quasi reflexartig zur Henkersschlinge greifen lässt? Hier fehlt dem deutschen Leser das historische Hintergrundwissen über das Zusammenleben von Weiß und Schwarz in der US-amerikanischen Provinz. Man möchte nicht immer das Schlimmste annehmen, deshalb mag es sein, dass Lansdale es in dieser Beziehung zum Wohle seiner Geschichte übertreibt.
Schließlich ist es ebenso unwahrscheinlich, dass es ausgerechnet in Harry Cranes Welt einen frühen Profiler für Serienmorde gibt. Lansdale kann hier die Balance zwischen fiktiver Realität und Spekulation nicht halten. Auch die Identität des „Ziegenmanns“ ist wohl nur für den unerfahrenen Thriller-Leser eine Überraschung. Solche Kritik muss indes sacht bleiben, denn den Gesamteindruck vermag sie nicht zu trüben, zumal ein fulminantes Finale, das an Dramatik und Schauder kaum zu übertreffen ist, die Story mit Höchstgeschwindigkeit auf die Zielgerade bringt.
_Autor_
Joe Richard Harold Lansdale wurde 1951 in Gladewater im US-Staat Texas geboren. Als Autor trat Lansdale ab 1972 in Erscheinung. Gemeinsam mit seiner Mutter veröffentlichte er einen Artikel, der viel Anerkennung fand und preisgekrönt wurde. Mitte der 1970er Jahre begann er, sich der Kurzgeschichte zu widmen. Auch hier stellte sich der Erfolg bald ein. Lansdale wurde ein Meister der kurzen, knappen Form. In rasantem Tempo, mit einer unbändigen Freude am Genre-Mix und am Auf-die-Spitze-Treiben (dem „Mojo-Storytelling“) legte er Story auf Story vor. (Man beachte in „Die Wälder am Fluss“ Lansdales Hommage an den „Zauberer von Oz“: Dorothy reist in einem Tornado nach Oz und trifft auf eine Hexe. Lansdale lässt in einem Sturmwirbel einen tumben Farmer im Plumpsklo eine verweste Leiche treffen.)
Texas, sein Heimatstaat, war und ist die Quelle seiner Inspiration – ein weites Land mit einer farbigen Geschichte, erfüllt von Mythen und Legenden. Lansdale ist fasziniert davon und lässt die reale mit der imaginären Welt immer wieder in Kontakt treten. In seinen Geschichten ersteht der Wilde Westen wieder neu. Allerdings kann es durchaus geschehen, dass dessen Bewohner Besuch vom Teufel und seinen Spießgesellen bekommen. Es könnten auch Außerirdische landen.
Nach zwei Lansdale-Kurzgeschichten entstanden Kurzfilme („Drive-In Date“, „The Job“). Kultstatus erreichte Don Coscarellis Verfilmung (2002) der Story „Bubba Ho-tep“: Ein alter Elvis Presley und ein farbiger John F. Kennedy jagen eine mordlustige Dämonen-Mumie. Lansdale schrieb außerdem Drehbücher für diverse Folgen der Serien „Batman: The Animated Series“ und „Superman: The Animated Series“.
Der private Joe R. Lonsdale lebt mit seiner Frau Karen und den Kindern heute in Nacogdoches, gelegen selbstverständlich in Texas. Er schreibt fleißig weiter und gibt ebenso fleißig Kurzgeschichtensammlungen heraus. Außerdem gehören Lansdale einige Kampfsportschulen, in denen diverse Künste der Selbstverteidigung gelehrt werden.
|Taschenbuch: 366 Seiten
Originaltitel: The Bottoms (New York : Mysterious Press 2000)
Übersetzung: Mariana Leky
Neuauflage: Februar 2011 (DuMont Verlag)
ISBN-13: 978-3-8321-6152-1|
[www.dumontverlag.de]http://www.dumontverlag.de
[www.joerlansdale.com]http://www.joerlansdale.com
John Cassells – Der Nebelkreis

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Preston, Douglas/Child, Lincoln – Fever – Schatten der Vergangenheit
_Die |Pendergast|-Serie:_
Band 1: „Relic – Museum der Angst“
Band 2: „Attic – Gefahr aus der Tiefe“
Band 3: [„Formula – Tunnel des Grauens“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=192
Band 4: [„Ritual – Höhle des Schreckens“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=656
Band 5: [„Burn Case – Geruch des Teufels“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=1725
Band 6: [„Dark Secret – Mörderische Jagd“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=2809
Band 7: [„Maniac – Fluch der Vergangenheit“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=4249
Band 8: [„Darkness – Wettlauf mit der Zeit“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=5681
Band 9: „Cult – Spiel der Toten“
Band 10: _“Fever – Schatten der Vergangenheit“_
Band 11: „Cold Vengance“ (noch ohne dt. Titel)
_Das geschieht:_
Während eines Besuches im Stammsitz seiner aussterbenden Familie nimmt Aloysius Pendergast, Spezialagent des FBI, erinnerungsvoll jene Jagdbüchse zur Hand, die zwölf Jahre zuvor verhängnisvoll versagte. Damals gehörte sie seiner Gattin Helen, mit der Pendergast eine Jagdsafari im afrikanischen Sambia unternahm. Dort wurden sie gebeten, einen Löwen zu erlegen, der zum Menschenfresser geworden war. Die Jagd endete tragisch, denn Pendergast wurde von dem wütenden Tier schwer verletzt und Helen getötet, nachdem ihre Büchse versagte.
Nun erkennt Pendergast, dass dieses Gewehr sabotiert und Helen in eine Falle gelockt wurde. Voller Zorn beschließt er, den Mörder zu stellen und zu richten. Doch die Fährte ist nach vielen Jahren längst kalt. Pendergast bittet seinen Freund Lieutenant Vincent D’Agosta von der Polizei New York um Hilfe. Dieser lässt sich vom Dienst freistellen und begleitet Pendergast auf eine Menschenjagd, die ihn erst nach Afrika, kreuz und quer durch den Süden der USA und schließlich beinahe auf den Friedhof führt.
Die Sucher rekonstruieren Helens seltsame Wege in den letzten Monaten ihres Lebens. So fahndete sie fieberhaft nach dem verschollenen Bild eines berühmten Tiermalers, stahl zwei konversierte Bälge einer ausgerotteten Vogelart und schließlich einen lebendigen Papagei. Vor allem finden Pendergast und D’Agosta überall dort, wo Helen aktiv wurde, Belege für Ausbrüche unerhörter Genialität, denen mörderischer Irrsinn folgte.
Irgendwo in den Tiefen eines Sumpfes in Louisiana kreuzen sich alle Spuren. Dorthin macht sich Pendergast auf. Er wird schon erwartet – von Helens Mörder, der sehr gute Gründe hat, den FBI-Agenten zu stoppen, wobei Mord nur die geringste Schuld ist, die er auf sich geladen hat …
_Geschüttelt |und| gerührt_
Abenteuer und Routine: zwei Begriffe, die man eigentlich nicht miteinander kombinieren möchte. Wie dies zumindest unterhaltungsliterarisch möglich ist, beweisen uns Douglas Preston & Lincoln Child seit vielen Jahren mit ihrer Serie um den FBI-Agenten Aloysius X. L. Pendergast. In „Fever“ modifizieren sie behutsam – dazu unten mehr – das Konzept, ohne es jedoch in Frage zu stellen; wer durchschnittlich zwei neue Romane pro Jahr veröffentlicht, neigt nicht dazu, erfolgreich Bewährtes in Frage zu stellen.
Auch „Fever“ ist deshalb die übliche Schnitzeljagd. Der Leser besucht mit seinen Helden pittoreske Schauplätze und wird mit flach aber farbenfroh gezeichneten Figuren konfrontiert. Vor allem die Schurken sind überlebensgroß, allgegenwärtig und brandgefährlich. Trotzdem wird ihnen zuverlässig im großen Finale das Handwerk gelegt. Bis es soweit ist, spult das Autorenduo sein Programm ab, wobei der Faktor Geschwindigkeit eine nicht zu unterschätzende Rolle spielt. Er trägt den Leser über logische Löcher und Unwahrscheinlichkeiten hinweg, sodass erst nach der Lektüre – über die deshalb nur ein Rezensent nachdenken sollte – diverse Fragezeichen aufleuchten. Wie bescheuert muss beispielsweise ein Mörder sein, der einem Löwen die Mähne rot färbt und zum Menschenfresser dressiert, statt einen ‚Unfall‘ zu inszenieren? Es KLINGT aber toll, und um des Effektes willen dreht unser Autorenduo jederzeit gern der Realität den Rücken zu. (Hat denn in zwölf Jahren wirklich |niemand| Helens Flinte kontrolliert?)
Zumal Preston & Child zwar Routiniers aber auch Profis sind. Soll heißen: Sie machen sich ihren Job zwar so einfach wie möglich, doch sie verstehen ihr Handwerk. „Fever“ liest sich deshalb trotz unzähliger Klischees sehr unterhaltsam, konzentrieren sich dabei auf die zentrale Handlung und belassen es bei nur einem Nebenstrang, der als Investition in die Zukunft zu werten ist, da er rein gar nicht mit dem „Fever“-Geschehen zu tun hat.
|Trilogie des (hoffentlich nicht allzu) Offensichtlichen|
Mit „Fever“ starten Preston & Child die „Helen“-Trilogie. Es ist nicht der erste Dreisprung der Serie. In „Burn Case“, „Dark Secret“ und „Maniac“ trat Pendergast 2004 bis 2006 gegen seinen tückischen Bruder Diogenes an. Schon damals stellte sich zumindest der kritische Leser die Frage, ob wirklich drei Bände notwendig waren, diesem Strolch – so genial er angeblich war – den Garaus zu machen. Die Antwort lautete „Nein“, doch deutet eine Trilogie Bedeutungsschwere an und nötigt den Leser zudem, zum Anschlussband zu greifen, weil er den Ausgang der Geschichte erfahren möchte.
In der Tat scheinen primär verkaufstaktische Motive hinter der „Helen“-Trilogie zu stehen. Wer Pendergasts Gattin ins Jenseits beförderte, wird in Teil 1 geklärt und gerächt. Die Erklärung ist nach den vielen komplizierten Rätseln enttäuschend banal, was ein weiterer Grund für die ‚Fortsetzung‘ sein könnte: Warte ab, Leser, da kommt noch mehr, und wenn du die vollen drei Bände durchhältst, wirst du mit einem echten Mysterium belohnt!
Nur: Glaubt das eigentlich wirklich jemand? Schon in der „Diogenes“-Trilogie leimten Preston & Child drei nur oberflächlich kombinierte Abenteuergeschichten zusammen, die auch ohne Oberthema Bestand gehabt hätten. Entsprechend setzen die Autoren für „Cold Vengeance“, den zweiten Band des „Helen“-Dreiteilers, die Grundstory auf den Anfang zurück. Zur einzigen Verbindung wird das Überleben der grauen Schurken-Eminenz im Hintergrund. Nicht einmal deren Identität ist ein Geheimnis; Preston & Child setzen uns früh über sie in Kenntnis. Ein Cliffhanger soll den Spannungsbogen vollenden: Besagter Schuft lädt den ahnungslosen Pendergast auf eine Jagdexpedition ein, die er nicht überleben soll. Wie soll dieser abgegriffene Trick funktionieren, da wir doch sehr genau wissen, dass Pendergast überleben wird? Schließlich gibt es noch einen dritten Teil, in dem er antreten muss.
|Wall der scheinbaren Wunder|
Schatzsuche und Indizienforschung in vergessenen Tunnelgewölben, verfallenden Mordhäusern, musealen Lagerräumen, alligatorverseuchten Sümpfen: Wieder einmal verschlägt es den feingeistigen Pendergast an seltsame Orte, die der Leser fesselnd findet, weil er selbst sich dort nicht plagen muss. Preston & Child verstehen es, solche Schauplätze in einfachen Worten plastisch darzustellen. Sie lassen dazu die Formensprache des Films einfließen, sodass diese Passagen sich in Szenen verwandeln, die vom geistigen Auge ausgestattet und abgespielt werden. Da Mysterium auf Mysterium folgt, fallen die faulen Tricks nicht stark ins Gewicht: Angedeutete Wunder entpuppen sich als Fehlinterpretationen, Sackgassen und vor allem Nebelkerzen, mit der die Handlung in die Länge gezogen wird.
Die echten Überraschungen halten sich in Grenzen. Pendergasts rechte Hand D’Agosta wird auf halber Buchstrecke durch eine Kugel bis auf Weiteres außer Gefecht ge- und durch seine Lebensgefährtin Laura Hayward ersetzt, die dem Leser aber ebenfalls bekannt ist: Preston & Child siedeln nicht nur die „Pendergast“-Serie, sondern auch ihre davon unabhängigen Romane in einem gemeinsamen Kosmos an. Das Figurenpersonal ist dadurch flexibel, Lieblinge können jeweils dort eingesetzt werden, wo sich ihr Publikum über sie freut: Preston & Child gehen auch hier sehr ökonomisch vor.
|Schlag auf Schlag|
Pendergast selbst zeigt in „Fever“ Gefühle und Nerven. Die Autoren haben den Agenten als geheimnisvollen Alleskönner mit Teflon-Persönlichkeit eingeführt. Je öfter Pendergast auftritt, desto näher müssen Preston & Child ihm buchstäblich zu Leibe rücken und ihm neue Charakterzüge andichten, ohne die ursprüngliche Überlegenheit völlig aufzuweichen – ein Seiltanz, dem das Duo keineswegs immer gewachsen ist. Der Pendergast in „Fever“ wird allzu offensichtlich in seine Rächer-Rolle gepresst. Sie steht ihm nicht, und entsprechend schlecht wird sie deshalb vermittelt.
Echte Ausfälle, d. h. peinliche Passagen, die den Leser zum Fremdschämen zwingen, bleiben uns dieses Mal bis auf eine Ausnahme erspart. Die hat es freilich in sich, müssen wir doch eine Bande vertierter Rednecks dabei beobachten, wie sie die schöne Laura zum Striptease zwingen. (Pendergast erteilt den geilen Lümmeln später eine Lektion, denn für solche Gefühlswallungen fordert der US-Mainstream zuverlässig Strafe.)
Obwohl Preston & Child regelmäßig Solo-Romane vorlegen und darüber hinaus gemeinsam eine zweite Serie um den Ermittler Gideon Crew gestartet haben, bleibt der Veröffentlichungsrhythmus der „Pendergast“-Romane gewahrt. Der Mittelband der Trilogie erscheint 2011, mit dem Abschluss ist 2012 zu rechnen. Ob sich die auf 1500 Seiten in die Länge gezogenen Abenteuer tatsächlich zu einer ‚runden‘ Gesamtgeschichte fügen werden, bleibt abzuwarten. „Fever“ ist als Trilogie-Starter nur bedingt gelungen. Als kunterbuntes Abenteuer kann der Roman allerdings überzeugen; er ist sogar besser als die meisten „Pendergast“-Thriller der Vorjahre geraten.
_Autoren_
Douglas Preston wurde 1956 in Cambridge, Massachusetts geboren. Er studierte ausgiebig, nämlich Mathematik, Physik, Anthropologie, Biologie, Chemie, Geologie, Astronomie und Englische Literatur. Erstaunlicherweise immer noch jung an Jahren, nahm er anschließend einen Job am „American Museum of Natural History“ in New York an. Während der Recherchen zu einem Sachbuch über „Dinosaurier in der Dachkammer“ – gemeint sind die über das ganze Riesenhaus verteilten, oft ungehobenen Schätze dieses Museums – arbeitete Preston bei St. Martin’s Press von einem jungen Lektor namens Lincoln Child zusammen. Thema und Ort inspirierten das Duo zur Niederschrift eines ersten Romans: „Relic“ (1994; dt. „Das Relikt – Museum der Angst“).
Wenn Preston das Hirn ist, muss man Lincoln Child, geboren 1957 in Westport, Connecticut, als Herz des Duos bezeichnen. Er begann schon früh zu schreiben, entdeckte sein Faible für das Phantastische und bald darauf die Tatsache, dass sich davon schlecht leben ließ. So ging Child – auch er studierte übrigens Englische Literatur – nach New York und wurde bei St. Martins Press angestellt. Er betreute Autoren des Hauses und gab selbst mehrere Anthologien mit Geistergeschichten heraus. 1987 wechselte Child in die Software-Entwicklung. Mehrere Jahre war er dort tätig, während er an den Feierabenden mit Douglas Preston an „Relic“ schrieb. Erst seit dem Durchbruch mit diesem Werk ist Child hauptberuflicher Schriftsteller. (Douglas Preston ist übrigens nicht mit seinem ebenfalls schriftstellernden Bruder Richard zu verwechseln, aus dessen Feder Bestseller wie „The Cobra Event“ und „The Hot Zone“ stammen.)
|Gebunden: 529 Seiten
Originaltitel: Fever Dream (New York: Grand Central Publishing/Hachette Book Group USA 2010)
Übersetzung: Michael Benthack
ISBN-13: 978-3-426-19891-9
Als eBook: Januar 2011 (Droemer Verlag)
ISBN-13: 978-3-426-40745-5|
[www.prestonchild.com]http://www.prestonchild.com
[www.droemer-knaur.de]http://www.droemer-knaur.de
_Douglas Preston und Lincoln Child bei |Buchwurm.info|:_
[„Riptide – Mörderische Flut“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=71
[„Burn Case – Geruch des Teufels“ (Hörbuch)]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=2193
[„Der Canyon“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=4243
[„Dark Secret – Mörderische Jagd“ (Hörbuch)]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=4124
[„Credo – Das letzte Geheimnis“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=5770
[„Das Patent“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=701
Henry Holt – Die Tongabohne

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Frank Festa (Hg) – Das rote Zimmer. Lovecrafts dunkle Idole II

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Mahr, Kurt – Geisterschiff CREST IV (Perry Rhodan – Taschenheft 10)
_Das geschieht:_
Im September des Jahres 2436 musste Perry Rhodan, Großadministrator des „Solaren Imperiums“, sein Flaggschiff CREST IV in der Galaxis M 87 zurücklassen. Die Maschinen sollten das gewaltige, 2500 Meter durchmessende Schiff knapp unter Lichtgeschwindigkeit beschleunigen und automatisch in die weit entfernte Heimat-Milchstraße zurücksteuern – ein Ziel, das erst in 27 Mio. Jahren erreicht sein würde.
Doch Rhodan hat die CREST IV nie vergessen. Als ein Jahrtausend später die Technik soweit fortgeschritten ist, dass einst unermessliche Entfernungen mit Ultra-Langstreckentriebwerke gemeistert werden können, schickt der dank seines Zellaktivators unsterbliche und weiterhin amtierende Großadministrator 3437 das Spezial-Raumschiff HAMPTON T aus. Unter dem Kommando von Major Lennox Hatt soll die Besatzung die CREST IV suchen und bergen.
Erst 1000 Lichtjahre hat das Schiff seit 2436 zurückgelegt. Doch als die HAMPTON T jenen Sektor im Randgebiet von M 87 erreicht, den es inzwischen erreicht haben müsste, ist es verschwunden. Hatt nimmt die Spur dort auf, wo die CREST IV zu ihrer letzten Reise startete: auf dem Planeten Homeside. Dort war es 2436 noch zum Gefecht zwischen den Raumfahrern und den Rrhaal gekommen, die das Schiff an sich bringen wollten.
Was die kristallinen, an große Felsbrocken erinnernden Rrhaal mit der CREST IV planten, konnte damals nicht mehr ermittelt werden. Offensichtlich sind die seltsamen Wesen in einem zweiten Anlauf erfolgreicher gewesen und haben das alte Schiff an sich gebracht. An dem neuen Besitzverhältnis wollen sie nicht gerüttelt wissen, wie Hatt und die 200-köpfige Besatzung der HAMPTON T leidvoll erfahren – oder gibt es vor allem ein massives Kommunikationsproblem …?
_Interessante Fußnote zu einer endlosen Zukunfts-Historie_
1968 schilderte Kurt Mahr im „Perry-Rhodan“-Heftroman 368 („Von Galaxis zu Galaxis“), wie Perry Rhodan und seine Mitstreiter im Zuge der Auseinandersetzungen mit den „Konstrukteuren des Zentrums“ von Bord der CREST IV gehen mussten. Während diese noch über weitere 31 Hefte tobten, geriet das Flaggschiff der solaren Flotte in Vergessenheit; es landete mit unzähligen anderen ungelösten Rätseln im Windschatten einer SF-Serie, die im Jahre 2011 ihr 50-jähriges Bestehen feiern konnte.
Dies bedeutet: 50 x 52 Hefte, denn „Perry Rhodan“ erschien und erscheint wöchentlich. Hinzu kommen zahlreiche weitere Serien, die im PR-Kosmos spielen. Dazu gehören insgesamt 415 „Planetenromane“, die zwischen 1964 und 1998 veröffentlicht wurden. Hier fanden die Autoren die Gelegenheit, offene Fragen der Heft-Handlung aufzugreifen und im Rahmen eines Taschenbuches zu beantworten.
„Geisterschiff CREST IV“ erschien erstmals 1979. Kurt Mahr selbst kam auf die elf Jahre zuvor geschilderten Ereignisse zurück. Er verfasste einen Roman, der problemlos 2011 neu veröffentlicht werden konnte, da er die Handlung nicht eng an die Vorgeschichte anschloss, sondern eine weitgehend neue Geschichte ersann, die sogar mit der PR-Historie nur locker verzahnt ist, was sie als ’normales‘ Science-Fiction-Abenteuer goutierbar macht.
|2,5-km-Stahlkugel als MacGuffin|
Was einerseits von Vorteil ist, da Mahr auf diese Weise das Korsett einer weitgehend in Vergessenheit geratenen Serien-Vergangenheit sprengt, ärgert andererseits durch den ‚Missbrauch‘ einer Episode, die offensichtlich nur als Anreiz dient, Leser für ein ansonsten anspruchsarmes SF-Garn zu interessieren. Die CREST IV ist das Pendant zum „MacGuffin“ der Alfred-Hitchcock-Thriller: Sie wird zum Auslöser einer Handlung, für die sie selbst ohne große Bedeutung bleibt.
Fast ist die gesamte Geschichte schon erzählt, als endlich die CREST IV gefunden wird; ganz nebenbei, nachdem der Verfasser zuvor viele Seiten mit Schilderungen füllte, wie man im unendlichen Weltall nach einem riesigen Raumschiff fahndet. Es überrascht leider nicht, dass Mahr für das CREST-Mysterium eine denkbar lapidare, den Leser in keiner Hinsicht zufriedenstellende ‚Auflösung‘ findet: Nachdem aufwendig eine Expedition organisiert wurde, deren Kostspieligkeit mehrfach Erwähnung findet, um ein zwar altes aber unbeschädigtes und wertvolles Schiff zu bergen, wird dieses quasi als Andenken verschenkt. Irrationaler oder dümmlicher geht es kaum, was die Auftraggeber Hatt & Co. nach der Rückkehr zweifellos klargemacht haben dürften …
Das Urteil fällt gnädiger aus, ruft man sich ins Gedächtnis, dass „Perry Rhodan“ und damit auch „Geisterschiff CREST IV“ pure Trivial-SF ist. Hier geht es nur bedingt um Handlungstiefe. Die Schilderung eines bunten, simpel strukturierten, auch im Halbschlaf zu genießenden Abenteuers war das Primär- und Alleinziel des Verfassers. Die CREST wird zum Aufhänger, der das Interesse des Ziel- gleich Kaufpublikums wecken soll: So funktioniert die Welt der (deutschen) Trivial-Unterhaltung, die zudem von Autoren bedient wird, die keine Zeit haben, Themen oder Figuren zu vertiefen, da sie nicht selten monatlich oder gar wöchentlich ein neues Taschenbuch oder einen neuen Heftroman produzieren.
|Von A nach B nach C nach D …|
„Geisterschiff CREST IV“ liest sich als Folge wenig harmonisch aufeinander aufbauender Episoden, die in ihrer Gesamtheit einen Roman von Taschenbuchlänge ergeben. Den roten Faden bildet die CREST IV, und die spielt wie schon erwähnt kaum eine Nebenrolle. Stattdessen spult Mahr ein SF-Routineprogramm ab, das zusätzlich darunter leidet, dass er Bekanntes aufwärmt und das ‚Neue‘ sich als ranzige Routine erweist. Die Suchfahrt in die immerhin 32 Mio. Lichtjahre entfernte Galaxis M 87 wirkt wie ein Wochenendausflug, auf dem Planeten Homeside verteilt man Glasperlen (!!) an ‚primitive Eingeborene‘ und nimmt endlos an einer obskuren Zeremonie teil, bevor der Verfasser auch diesen Handlungsstrang hastig abhakt und eine neuerliche Spritztour ins All ansetzt, wo die Untersuchung des Rrhaal-Ursprungs-‚Felsens‘ eher knapp ausfällt, weil die vorgeschriebene Zahl von 160 Romanseiten beinahe erreicht ist.
Wie üblich in der Trivial-SF ist die Exotik der Zukunft hauptsächlich Behauptung. Der Physiker Mahr schlägt sich in diesem Umfeld relativ wacker; er beschreibt plastisch und nicht ganz anspruchslos Phänomene, die eine Suche nach der CREST IV, die sich im Dilationsflug befindet, stark verkomplizieren. Das Schiff treibt nicht bewegungslos im All, sondern bewegt sich mit einer Geschwindigkeit, die sich entsprechend Einsteins Relativitätstheorie auf Zeit und Raum nachhaltig auswirkt. Auch über die Verbreitung von Funk- und Ortungssignalen macht sich der Kommunikations-Spezialist Mahr Gedanken, die in der physikalischen Realität verwurzelt sind. Vor diesem Hintergrund fällt die Eindimensionalität des Geschehens umso stärker und negativer auf.
|Bootsmänner und -frauen der Zukunft|
Ungeachtet der Tatsache, dass man vermutlich auch zukünftig die geistige Elite der Menschheit in die Tiefen des Universums hinausschicken wird, verhalten sich die drei Hauptfiguren unserer Geschichte – ihre 179 Begleiter/innen bleiben gänzlich unerwähnt oder anonyme Statisten – wie müßige Gäste auf dem Raumschiff, das sie angeblich kommandieren. Wenn sie Befehle geben, dann zeichnen sich diese eher durch Geistesblitze oder den berühmt-berüchtigten „gesunden Menschenverstand“ als durch Fachkenntnis aus.
Zwischendurch bleibt mehr als genug Zeit für Zwischenmenschlichkeit jener besonders plumpen Art, für die der deutsche Heftroman gefürchtet ist. Mahr achtet insofern auf Gleichberechtigung, als er Männlein und Weiblein denselben pubertären Umgangston aufzwingt. Für sein Geschick in der Gestaltung glaubwürdiger Gefühlsregungen war er nie berühmt. Glücklicherweise war ihm dies bewusst; er hielt sich in der Regel zurück und beschränkte sich darauf, Menschen in exotischen Umgebungen zu schildern; einfach beschreiben, was sie taten und dabei dachten, konnte Mahr gut – und besser als hier, was „Geisterschiff CREST IV“ trotz (und letztlich wegen) des vielversprechenden Titels als holprige Plätscher-SF enttäuschen lässt.
_Autor_
Kurt Mahr wurde am 8. März 1934 als Klaus Otto Mahn geboren. Nach dem Abitur und einem unterbrochenen Studium der Physik begann er zu schreiben. Die blühende Leihbuch- und Heftroman-Szene dieser Jahre bot dem Anfänger Möglichkeiten. Mahn war ein fleißiger Autor. Die Einkünfte ermöglichten es ihm, sein Studium abzuschließen. Parallel dazu schrieb er weiter; um bei seinen Dozenten nicht in Misskredit zu geraten, wählte er als neues Pseudonym „Kurt Mahr“. Unter diesem Namen erschien 1961 „Atom-Alarm“, der fünfte Band der gerade gestarteten Heftroman-Serie „Perry Rhodan“. Kurt Bernhardt, Cheflektor des Moewig-Verlags, und Chef-Autor K. H. Scheer hatten das Nachwuchstalent in jenes Team aufgenommen, das diese Serie nach festen Exposé-Vorgaben schrieb.
Mahr blieb PR-Stammautor, obwohl er noch im Dezember 1962 in die USA übersiedelte. In den nächsten zehn Jahren arbeitete er für verschiedene Unternehmen 1972 kehrte er nach Deutschland zurück, schrieb wieder und verstärkt nur noch für „Perry Rhodan“. Dabei blieb es, obwohl Mahn 1977 erneut in die USA ging. Nach dem Tod von Willi („William“) Voltz übernahm er 1985 gemeinsam mit Ernst Vlcek bis 1991 die Exposé-Redaktion. Kurt Mahr blieb PR-Autor bis zu seinem frühen Tod am 27. Juni 1993; er starb an den Folgen eines schweren Sturzes.
Die Verbindung von trivialer aber spannender Handlung vor einem aus naturwissenschaftlicher Sicht nicht gar zu unlogischen Hintergrund war Mahrs Markenzeichen. Typisch waren allerdings auch die Eindimensionalität der Figuren und das Beharren auf konservativen Gesellschafts- und Wirtschaftsmodellen. Mahr-Figuren wirken dort ‚lebendig‘, wo sie in wissenschaftlicher Arbeit aufgehen. Wenn die Mischung stimmte, gelangen dem Verfasser solide Unterhaltungsromane, die der Zeit erstaunlich gut standhalten.
|Taschenheft: 161 Seiten
Deutsche Erstausgabe: Januar 1979 (Erich Pabel Verlag/Perry-Rhodan-Planetenroman 191)
Cover: Johnny Bruck
[keine ISBN]
Diese Neuausgabe: Januar 2011 (Pabel-Moewig Verlag/Perry-Rhodan-Planetenromane, Taschenheft 10)
Cover: Dirk Schulz
ISBN-13: 419-1-5975-0390-9 10010|
[Autorenhomepage]http://www.vpm.de
_Perry Rhodan auf |Buchwurm.info|:_
[„Die Sternenarche“ 769 (Perry Rhodan – Lemuria 1)
[„Der Schläfer der Zeiten“ 871 (Perry Rhodan – Lemuria 2)
[„Exodus der Generationen“ 886 (Perry Rhodan – Lemuria 3)
[„Der erste Unsterbliche“ 949 (Perry Rhodan – Lemuria 4)
[„Die letzten Tage Lemurias“ 1021 (Perry Rhodan – Lemuria 5)
[„Die längste Nacht“ 1137 (Perry Rhodan Lemuria 6)
[„Die Lebenskrieger“ 2189 (Perry Rhodan PAN-THAU-RA 1)
[„Die Trümmersphäre“ 2468 (Perry Rhodan PAN-THAU-RA 2)
[„Die Quantenfestung“ 3050 (Perry Rhodan PAN-THAU-RA 3)
[„PERRY RHODAN: Odyssee“ 3240
[„Die Kaiserin von Therm“ 3241 (Perry Rhodan Silberband 94)
[„Die Rückkehr“ 1611 (Perry-Rhodan-Roman 2295)
[„Das Antares-Riff“ 1706 (Perry Rhodan Extra 2)
[„Perry Rhodan – Das Rollenspiel“ 2925 (Grundregelwerk)
[„Sternenozean“ 5831 (Hörspielserie, Teil 1-25)
[„Das gestrandete Imperium“ (Perry Rhodan – Der Posbi-Krieg 1)“ 6081
[„Perry Rhodan – Silber Edition 24: Die Para-Sprinter“ (Hörbuch) 6330
[„Perry Rhodan – Silber Edition 25: Brennpunkt Andro-Beta“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6492
[„Perry Rhodan: Der Posbi-Krieg“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6394
[„Perry Rhodan – Silber Edition 74: Konzil der Sieben“ (Teil 1)]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6560
[„Perry Rhodan – Silber Edition 74: Konzil der Sieben“ (Teil 2)]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6614
[„Perry Rhodan – Silber Edition 74: Konzil der Sieben“ (Teil 3)]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6666
[„Perry Rhodan – Silber Edition 74: Konzil der Sieben“ (Teil 4)]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6721
[„Die Zeitstadt“ (Perry Rhodan – Andromeda 6) (Lesung)]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6740
[„Konzil der Sieben“ (Perry Rhodan – Silber Edition 74) (Lesung)]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6743
[„Die Laren“ (Perry Rhodan – Silber Edition 75, Teil 1) (Lesung)]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6775
[„Die Laren“ (Perry Rhodan – Silber Edition 75, Teil 2) (Lesung)]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6824
[„Die Laren“ (Perry Rhodan – Silber Edition 75, Teil 3) (Lesung)]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6880
[„Die Laren“ (Perry Rhodan – Silber Edition 75, Teil 4) (Lesung)]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6916
E. Richard Johnson – Es kocht in Käfig 5

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Richard Stark – Irgendwann gibt jeder auf [Parker 19]

Jonathan Stagge – Barmherziger Tod

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Kilborn, Jack – Angst
_Das geschieht:_
Safe Haven im US-Staat Wisconsin ist ein Städtchen mit 907 Einwohnern. Hier bleibt man gern unter sich. Sheriff Arnold Streng steht kurz vor der Pensionierung und amtiert 40 Fahrminuten entfernt, was dieses Mal von Nachteil ist: Ein Helikopter stürzt in den Wald und hinterlässt scheinbar nur Leichen. Aber noch während Feuerwehr und Sheriff zur Unglücksstelle ausrücken, springen vier böse Männer und eine ebensolche Frau aus dem Wrack: In ihren früheren Leben waren Bernie, Santiago, Taylor, Ajax und Logan sadistische Psychopathen und Serienkiller, die in diversen Gummizellen oder Todeszellen schmorten.
Doch seit die USA im Krieg mit allerlei Schurkenstaaten stehen, sind Gesetze nur noch Makulatur, wo sie mit der gerechten Sache kollidieren. Auf der Suche nach billigen und effizienten Waffen lief unter Leitung von General Tope das streng geheime Militär-Projekt „Red-op“ an: Entbehrliche Lumpen werden hirnmanipuliert und biotechnisch ‚verbessert‘, um hinter feindlichen Linien zu morden, zu vergewaltigen und anderen Schrecken zu säen.
Zu Topes Schrecken wurden seine Zöglinge nun in den USA aktiv. Schleunigst wird Safe Haven von der Außenwelt abgeriegelt, denn nichts darf an die Öffentlichkeit dringen, die nie verstehen will, dass ein Krieg auch Opfer erfordert. „Red-op“-Mediziner Ralph Stubin soll vor Ort die teuren Mordstrolche einfangen. Allerdings kocht er schon lange sein eigenes Terror-Süppchen: Das gruselige Quintett sucht in seinem Auftrag nach Warren Streng, dem Bruder des Sheriffs, der sich als Global-Gangster im Ruhestand in Safe Haven niedergelassen hat und ein lukratives Geheimnis hütet.
Während sich die „Red-op“-Killer durch Safe Haven schlachten, formiert sich Widerstand: Der Sheriff, Feuerwehrmann Josh VanCamp und Kellnerin Fran Stauffer kriegen zwar ständig kräftig aufs Maul, aber US-unverdrossen versuchen sie weiter, der Gerechtigkeit zum Sieg zu verhelfen …
_Kein Klischee gerät in Vergessenheit!_
Der Weg ist das Ziel, und das heißt bei Jack Kilborn „Unterhaltung“. Anspruch, Originalität oder wenigstens Variation sind Elemente, die in diesem Zusammenhang keine Rolle spielen. Der Verfasser kann uns sogar eine ganze Weile erfolgreich vorgaukeln, dass wir auf sie verzichten bzw. Standards und Stereotypen sie ersetzen können. Also entwirft er eine simple Hit-and-Run-Story, die er mit einschlägigen Szenen und Figurenmustern aus unzähligen Kino- und Fernsehfilmen der Kategorien B und C auskleidet.
Neu stellt er sich einzig der Herausforderung, grausige Folter- und Mord-Schnetzeleien zu ersinnen, die er aber – darin ist er ein Meister (glaubt er) – so be- oder besser umschreibt, dass wirklich erschreckende Details angedeutet bleiben. Dies ist wohl auch besser, denn wird mit aufgeblendeten Scheinwerfern gekillt, wirkt der Schrecken so grotesk, dass er abstrakt wird: Was Santiago mit den unglücklichen Mortons anstellt, ist wesentlich erschreckender als der vor allem logistisch komplizierte Massenmord (wo stapeln wir bloß die vielen Leichen?) an der trickreich zusammengelockten Dorfbürgerschaft.
|Zu viele Wiederholungen|
„Angst“ benötigt keine Geheimnisse. Wer da im Wald und auf der Heide mörderisch munkelt, wird vom Verfasser en passant erläutert. Die schon erwähnte Unterhaltung soll allein aus dem Katz-und-Maus-Spiel der Guten & Bösen entstehen. Es läuft jedoch durchweg nach dem berüchtigten Schema F ab. Auf der einen Seite verfolgen die fünf „Red-op“-Mutanten ihre Mission. Dass sie dabei stur und einfallsarm vorgehen, kann man nicht ihnen vorwerfen; schließlich wurden ihre Hirne in ferngesteuert bootfähige Festplatten verwandelt, die sie in reine Erfüllungsgehilfen verwandeln.
Auf ihrem Weg zum einprogrammierten Ziel fallen sie wie geplant über die ahnungslosen Bürger von Safe Haven her. Zwar gibt sich Kilborn Mühe (s. o.) und denkt sich diesbezüglich immer neue Gräuel aus, doch es hilft nichts: Nach dem fünften, sechsten oder zehnten Folter-Mord wirds langweilig. Schlimmer noch: Der Leser beginnt zu grinsen, weil er merkt, wie Kilborn immer stärker aufs Gaspedal tritt, um durch hohes Tempo die ständigen Wiederholungen zu verschleiern.
Diese werden noch wesentlich augenfälliger, sobald sich unsere Helden formieren. Sie haben im Grunde keine Chance, die sie trotzdem wacker nutzen: Kilborn reitet die uralte Moral vom Sieg der Gerechtigkeit. Zwar müssen solche guten Menschen auf dem Weg dorthin tüchtig bluten, dürfen aber ausgleichend auf Seelenfrieden, Erlösung oder wenigstens einen gemeinschaftsnützlichen Tod hoffen.
|Zu viele Unwahrscheinlichkeiten|
In fachkundiger Dosierung ist dieses Konzept erträglich. Bei Kilborn ist es kontraproduktiv. Lang und breit stellt er uns fünf ohnehin moralfreie Unmenschen vor, die dank Hightech in superstarke, unverwundbare, unüberwindliche Kampfmaschinen verwandelt wurden. Ihre ‚Gegner‘: ein alternder Sheriff, ein überforderter Feuerwehrmann, eine hübsche Kellnerin mit dem Mutterherz einer Löwin. Mitgeschleppt wird ein zehnjähriger Junge, der unbelehrbar wie ein lebensmüder Lemming immer dorthin rennt, wo es besonders gefährlich ist; wundert es, dass diese Nervensäge von einem zum Kotzen niedlichen Mischlingshund namens „Woof“ begleitet wird?
Zurück zum Thema: Die „Red-op“-Kämpfer machen Bürger zu Hunderten nieder, und eine bis an die Zähne bewaffnete Spezialeinheit der US-Army hält ihnen keine Minute stand. Das gerade skizzierte Grüppchen stellt sich den Mord-Soldaten wieder und wieder in den Weg, entkommt ihnen zuverlässig, fügt ihnen kräftige Blessuren zu und stiehlt ihnen die Ausrüstung. Nachdem dies mehrfach genau so geschah und sich fortsetzt, verfliegt die Langeweile des Lesers; er lächelt auch nicht mehr, sondern schreit vor Frustration und Ärger.
|Das Prinzip der „letzten Sekunde“|
Wieder sitzt einer unserer Helden hoffnungslos in der Falle. Alle Auswege sind versperrt, das Bein steckt in einem Loch fest, Flammen schlagen am Hintern hoch, und grinsend reckt der gerade für bedrohliches Auftreten eingeteilte Killer ihm oder ihr die Faust mit dem Ausbein-Messer entgegen. Der Sack ist zu – und dann schneidet Kilborn einfach ein Loch hinein, durch das besagter Held wider sämtliche Logik entschlüpft. Das ist Willkür und verhöhnt den Leser, der diese Masche als Methode erkennt, diesen Roman auf Länge zu bringen. Schematisch flanscht Kilborn Modul an Modul, bis es Zeit für das Finale wird. Erst dann dürfen auch Hauptfiguren sterben.
Dumm, dass die einem herzlich gleichgültig sind. Kilborns Schurken sind als Menschenfresser, Brandstifter oder Frankensteins Monster so übertrieben böse, dass es erneut ins Lächerliche umschlägt. Die Helden sind eindimensionale Pappkameraden, die in ihrem eindimensionalen Reden und Handeln nicht minder hirnmanipuliert wirken wie die „Red-op“-Kämpen.
|Kanonenfutter nach Abklatsch-Technik|
Bis es final ans Eingemachte geht, lässt Kilborn viele Bürger über diverse Klingen springen, nachdem er sie uns kurz vorgestellt und ans Herz gelegt hat. Der Versuch missglückt, denn die guten Menschen von Safe Haven sind schlicht und ergreifend Dorftrottel. Woof ist nur ein dummer Hund, doch welche Entschuldigung können sie geltend machen? Die Verheißung eines Lottogewinns lässt sie kollektiv in die Falle der „Red-op“-Meuchler stürzen, wo sie gierig zur Schlachtbank drängen. Als Individuen sind sie notorisch begriffsstutzig und immer bereit, ihren Mördern vor die Füße zu stolpern. Trotzdem versucht Kilborn, uns die Dörfler als liebenswerte Zeitgenossen zu verkaufen, deren Schicksale ganz schrecklich sind. Weit gefehlt – als es beispielsweise den tumben Hilfsfeuerwehrmann Erwin oder seine nervige Verlobte Jessie Lee erwischt, sind dies Momente echter leserlicher Erleichterung!
Diese steigert sich, als das Buchende naht. Wenigstens das Finale bringt noch einige spannende Momente. Dennoch bleibt ein fader Nachgeschmack und „Angst“ das Produkt eines routinierten und fleißigen aber wenig inspirierten Autors. Der Titel dieses ersten in Deutschland erschienenen Kilborn-Werkes benennt deshalb auch jenes Gefühl, das sich angesichts der Möglichkeit einstellt, in den nächsten Monaten und Jahren öfter auf die Erzeugnisse dieses Verfassers zu stoßen …
_Verfasser_
Jack Kilborn wurde 1970 als Joseph Andrew Konrath in Skokie, einem Vorort von Chicago, US-Staat-Illinois, geboren. Nach dem College schrieb er zwölf Jahre nie veröffentlichte Romane. Erst mit „Whiskey Sour“, dem ersten Band einer Krimi-Serie um Jacqueline „Jack“ Daniels vom Chicago Police Department, fand er 2004 einen Verleger.
Konrath ist für sein ausgeprägtes Talent der Selbstvermarktung bekannt. Gemeinsam mit der Autoin Julia Spencer-Fleming pries er 2006 im Rahmen eines Mailings 7000 US-amerikanischen Bibliothekaren seine Werke an. Konrath ist ein Pionier als eBook-Autor. Exklusiv für das Amazon-Kindle veröffentlicht er immer wieder Kurzgeschichten und Romane. Am College of DuPage in Glen Ellyn, Illinois, lehrt er kreatives Schreiben.
Während er unter seinem Geburtsnamen weiterhin Kriminalgeschichten veröffentlicht, wählte Konrath 2008 für sein Debüt als Horror-Autor das Pseudonym „Jack Kilborn“. In schneller Folge schrieb er – oft mit Co-Autoren – weitere Gruselromane und Kurzgeschichten. 2011 kam „Joe Kimball“ als Verfasser einer Serie jugendorientierter SF-Romane hinzu. J. A. Konrath lebt und arbeitet in Schaumburg, ebenfalls einer Vorstadt von Chicago.
|Taschenbuch: 398 Seiten
Originaltitel: Afraid (London : Headline 2008/New York : Grand Central Publishing 2009)
Übersetzung: Wally Anker
ISBN-13: 978-3-453-52797-3|
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Van Vogt, Alfred Elton – unheimliche Raumschiff, Das
_Das geschieht:_
Nachdem entsprechende Untersuchungen ergaben, dass die Sonne sich, das Sonnensystem und damit die Erde zerstören wird, wurde das riesige Raumschiff „Hoffnung der Menschheit“ gebaut. Seine Insassen sollen sich auf einem der Planeten des mehr als vier Lichtjahre entfernten Alpha-Centauri-Systems niederlassen und auf diese Weise die Menschheit vor der völligen Vernichtung bewahren.
Aufgrund eines Konstruktionsfehlers erreicht die „Hoffnung der Menschheit“ nie die vorgesehene Reisegeschwindigkeit. Bis das Ziel erreicht ist, vergehen viele Jahrzehnte. Das Raumschiff verwandelt sich in eine fliegende Stadt. Neue Generationen wachsen heran. Sie kennen die Erde nur aus Filmen und den Erzählungen ihrer Eltern. Der eigentliche Zweck der Reise droht in Vergessenheit zu geraten. Meuterei droht, aber Captain John Lesbee hält die Zügel mit straffer Hand.
Endlich ist Alpha Centauri erreicht. Allerdings sind die Planeten dieses Sternsystems für eine Besiedlung untauglich. Statt umzukehren, lässt Lesbee den fernen Sirius ansteuern. Auch dort ist die Irrfahrt nicht zu Ende. Im Inneren der „Hoffnung“ herrscht längst ein mühsam kontrollierter Bürgerkrieg. Der Stuhl des Kommandanten wird in der Regel durch die Ermordung des Vorgängers neu besetzt. Intrigen und Misstrauen bestimmen den Schiffsalltag.
Nach der Begegnung mit einem intelligenten Robotervolk kann die „Hoffnung“ endlich wie vorgesehen Lichtgeschwindigkeit erreichen. Nach mehr als einem Jahrhundert ist der Rückflug möglich, aber aufgrund der dabei auftretenden Zeitverzögerung kehrt man nur sechs Jahre nach dem Start auf die Erde zurück und löst dort eine globale Krise aus …
_Problemen fliegt man nicht davon_
Das Generationsraumschiff ist als Motiv der Sciencefiction so beliebt, dass es dort ein eigenes Subgenre mit bemerkenswerter Titelanzahl darstellt. Das Thema selbst ist älter, weil nicht von der Platzierung in der Zukunft abhängig. Die Isolation einer einsamen Insel genügt, sodass mit einigem Wagemut ein roter Faden zwischen „Robinson Crusoe“ und „Das unheimliche Raumschiff“ gespannt werden kann.
Unabhängig vom abenteuerlichen oder utopischen Beiwerk geht es in erster Linie um den Menschen oder, um genau zu sein, den Menschen in einer Krise, die ihn auf die Grundsätzlichkeiten des Lebens zurückwirft. Das Raumschiff wird zum perfekten Versuchslabor, denn während Robinson immerhin hoffen konnte, eines Tages von einem Schiff gerettet zu werden, ist man im Weltall von dieser Möglichkeit abgeschnitten. Auch die Besatzung der „Hoffnung der Menschheit“ – ein Name voller unfreiwilliger Ironie, wie die Handlung belegt – ist auf sich allein gestellt.
Wie werden sich die auf sich konzentrierten Menschen verhalten, wie wird ihre Gesellschaft sich entwickeln? Van Vogt wählt die pessimistische (oder realistische?) Variante: Die Besatzung schleppt einerseits die unbewältigten Probleme der Erde mit sich, während sie andererseits neue Bedrückungen ausbrütet.
|Autorität wird zu Absolutismus|
Van Vogt postuliert eine Raumfahrt, die sich in einen unendlichen Kleinkrieg verwandelt. Die Generationen kämpfen gegeneinander, und als die Älteren ausgeschaltet sind, beginnen sich ihre Nachfahren zu bekriegen. Sie sind so beschäftigt mit ihren Konflikten, dass sie kaum registrieren, wenn sich außerhalb ihrer fliegenden Heimat Wichtiges ereignet. Jeder Zwischenstopp bringt die „Hoffnung der Menschheit“ an ferne Orte, die von fremden Zivilisationen bevölkert werden. Diese werden entweder ignoriert, beschossen oder anderweitig vor die Köpfe – falls vorhanden – gestoßen. Kommunikation schließt van Vogt beinahe kategorisch aus; eine seltsame Haltung für einen SF-Autoren.
Freilich geht es ihm bevorzugt um andere Dinge. Mit bemerkenswerter Detailtreue entwirft van Vogt ein Gesellschaftsmodell, das wie selbstverständlich der Demokratie eine Abfuhr erteilt. Bereits der erste Captain mutiert zum Monarchen, der absolutistisch die Geschicke seines ‚Volkes‘ – der Besatzung – lenkt, seinen Sohn als Erb-Nachfolger einsetzt und Widerstand scheinbar legal aber tatsächlich brutal bricht.
Der moralische Verfall beschleunigt sich: Schon Lesbee III. wird zum Usurpator, der seinen Thron – den Kapitänsstuhl – gewaltsam an sich reißt. So geht es weiter; jeder Captain umgibt sich mit einer Privatarmee, während er die Frau (oder Frauen) seines Vorgängers übernimmt: Eine weibliche Selbstbestimmung ist in van Vogts Konzept der Zukunft erst recht nicht vorgesehen.
Die ständigen Revolten sind für den Leser ermüdend, weil sie stets nach demselben Muster ablaufen. Erst im letzten Drittel weitet van Vogt die Geschichte zur ‚echten‘ Sciencefiction. Die „Hoffnung der Menschheit“ verwandelt sich in „Das unheimliche Raumschiff“ des deutschen Titels. Endlich kommt jener Einfallsreichtum zum Vorschein, der den frühen van Vogt auszeichnete. Er schert sich nicht oder nur scheinbar um physikalische Realitäten, sondern schildert fantasievoll Phänomene, die den Zustand der Überlichtgeschwindigkeit begleiten könnten.
|Aus drei mach einen …|
Während der Leser diesen Teil der Geschichte als triviales aber unterhaltsames Spektakel genießt, mag er sich wundern, wie wenig das letzte Drittel zum Rest der Handlung passt. Schon die Begegnung mit der Roboter-Zivilisation stellt einen Bruch dar. In der Tat lesen wir mit „Das unheimliche Raumschiff“ eine jener berühmten bzw. berüchtigten |fix-up-novels|, in denen van Vogt ältere Kurzgeschichten kombinierte und durch neue Zwischentexte mehr oder weniger kunstvoll miteinander verleimte.
Für „Das unheimliche Raumschiff“ vergriff er sich an „Centaurus II“ (1947, kein dt. Titel), „The Expendables“ (1963, dt. „Rebellion im Sternenschiff“ bzw. „Die Entbehrlichen“) und „Rogue Ship“ (1950, auch: „The Twisted Man“, dt. „Das verhexte Schiff“). Den zeitlich wie thematisch schlecht miteinander korrespondierenden Storys setzte er ein originalverfasstes Finale an, das allerdings an eine am Boden hastig zusammengedrehte Papiertüte erinnert, die ihren Inhalt nur notdürftig hält.
So bleibt „Das unheimliche Raumschiff“ eher als Kuriosum denn als gelungener SF-Roman in Erinnerung. Van Vogt klebt einerseits an der Wunder-‚Wissenschaft‘ der „Goldenen Ära“ dieses Genres, während er andererseits die durchaus erkannten Veränderungen nicht nachvollziehen kann. Eine |fix-up-novel| ist wohl nicht der richtige Schritt auf diesem Weg, aber van Vogt blieben zwanzig weitere Schriftsteller-Jahre, in denen er erschütternd überzeugend unter Beweis stellte, dass er noch wesentlich schlechtere Romane schreiben konnte.
_Autor_
Alfred Elton van Vogt wurde am 26. April 1912 im kanadischen Winnipeg als Sohn eines aus den Niederlanden immigrierten Rechtsanwalts geboren. Als der Vater seinen Job verlor, ging Alfred von der Schule ab und verdiente Geld als Hilfsarbeiter. Nebenbei schrieb er Hörspiele, melodramatische Kurzgeschichten und Romane sowie Ende der 1930er Jahre auch Sciencefiction. Seine erste Kurzgeschichte „Vault of the Beast“ (dt. „Der Turm der Bestie“) erschien 1939 in „Astounding Science Fiction“.
Ebenfalls 1939 heiratete van Vogt die Autorin Edna Mayne Hull (1905-1975), mit der er eng zusammenarbeitete. Einen ersten Erfolg feierte er 1939 mit der Story „Black Destroyer“, dem er 1940 den zunächst in Magazin-Fortsetzungen erschienenen Roman „Slan“ folgen ließ. „Slan“ ist programmatisch für van Vogts Werk. Immer wieder stellt er Einzelgänger mit besonderen geistigen und körperlichen Fähigkeiten in den Mittelpunkt, die einen zunächst aussichtslosen Kampf gegen übermächtige Gegner, das Schicksal oder die Naturgesetze führen. Sein Einfallsreichtum und sein Talent, diese an sich simplen Supermann-Geschichten in einen flamboyanten Stil zu fassen, ließen ihn zu einem Top-Autoren des |Goldenen Zeitalters| der Sciencefiction aufsteigen.
Doch auf dem Höhepunkt seiner Popularität wandte sich van Vogt Ende der 1940er Jahre von der SF ab. Er wurde zu einem frühen Jünger des Sekten-Gurus L. Ron Hubbard (1911-1986), dessen Dianetik-‚Lehre‘ er zunächst unterstützte, bis Hubbard sie als Grundlage seiner |Scientology|-Sekte instrumentalisierte. Van Vogt kehrte 1957 zur Literatur zurück, doch er fand den Anschluss an eine inzwischen stark veränderte SF nicht mehr. Übel nahm man ihm auch das Prinzip der |fix-up-novel|: Van Vogt fasste ältere Storys zu Romanen zusammen und ging dabei oft recht brachial vor.
Obwohl van Vogt bis 1987 regelmäßig veröffentlichte, blieb sein Spätwerk tief im Schatten der frühen Jahre. Das Wissen um die Tatsache, dass wenig später die Alzheimer-Krankheit bei ihm festgestellt wurde, wirft ein neues Licht auf diesen Niedergang. Van Vogts letzter ‚Erfolg‘ war die erfolgreiche Klage gegen das Filmstudio |20th Century Fox|, das ihm 50.000 Dollar für die unrechtmäßige Aneignung der Figur Ixtl aus dem Roman „The Voyage of the Space Beagle“ (1950; dt. „Die Weltraumexpedition der „Space Beagle“) als Vorlage für den Blockbuster „Alien“ (1979; „Alien – Das unheimliche Wesen aus einer fremden Welt“) zahlte. Am 26. Januar 2000 starb van Vogt an den Folgen einer Lungenentzündung.
|Taschenbuch: 222 Seiten
Originaltitel: Rogue Ship (Garden City/New York : Doubleday 1965)
Deutsche Erstausgabe: 1966 (Wilhelm Heyne Verlag/SF 06/3078)
Übersetzung: Wulf H. Bergner
176 S.
[keine ISBN]
Neuausgabe (geb.): 1983 (Hohenheim Verlag/Edition SF)
Übersetzung: Thomas Schlück
232 S.
ISBN-13: 978-3-8147-0032-8
Derzeit letzte (TB-) Ausgabe: 1986 (Bastei-Lübbe-Verlag/SF Bestseller 22093)
ISBN-13: 978-3-404-22093-9|
[www.luebbe.de]http://www.luebbe.de
_Bücher von und mit A. E. van Vogt bei |Buchwurm.info|:_
[„A. E. van Vogt – Der Autor mit dem dritten Auge“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=3579
[„Die besten Stories von 1942“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=3701
Fasquelle, Solange – Trio Infernal
_Das geschieht:_
Sie haben sich nicht gesucht, doch wahre Schurken finden sich manchmal selbst: Philomena Schmidt und ihre Schwester Kathrin verschlägt es nach dem Ersten Weltkrieg aus Bayern ins südfranzösische Marseille. Von ehrlicher oder gar harter Arbeit halten sie wenig, was den moralfreien Rechtsbeistand Georges Sarret aufhorchen lässt. Den ehrgeizigen aber im sozialen Abseits stehenden Mann drängt es in die Politik. Dieser Aufstieg ist jedoch teuer, denn seine Verbündeten muss Sarret sich kaufen. Das notwendige Geld verschafft er sich durch Veruntreuungen und Versicherungsbetrug. Geschick und ein guter Leumund haben ihn nie in Verdacht geraten lassen.
Die Schmidt-Schwestern sind bald nicht nur beide seine Geliebten, sondern auch willige Komplizen. Sowohl Philomena als auch Kathrin heiraten beide deutlich ältere und gut versicherte Männer, die wenig später das Zeitliche segnen. Als der Ex-Priester Chambon, ein weiterer Helfershelfer, Sarret zu erpressen beginnt, ist sein Todesurteil gesprochen. Mit Hilfe der Schwestern lockt der Anwalt nicht nur Chambon, sondern auch dessen Lebensgefährtin in eine angemietete, vorteilhaft einsam gelegene Villa. Dort werden beide umgebracht, die Leichen mit Schwefelsäure aufgelöst und die Reste entsorgt. Anschließend macht Sarret den Besitz der Chambons zu Geld.
Da niemand ihnen auf die Schliche kam, werden weitere Verbrechen geplant. Doch die Schwestern und der Anwalt werden gierig und leichtsinnig. Außerdem bricht ein Streit um Beute-Anteile aus. Allerdings ist man einander nach zahlreichen Untaten auf Gedeih und Verderb verbunden. Das rächt sich, als nach Jahren die Polizei endlich misstrauisch wird. Die Mühlen der Justiz mahlen jedoch langsam, was dem infernalischen Trio die Möglichkeit gibt, noch einmal neue kriminelle Höhen zu erklimmen …
_Zu absurd, um nicht wahr zu sein_
Dies ist eine jener Geschichten, die so absurd ablaufen, dass sie einfach wahr sein MÜSSEN. Wie die Autorin in ihrer täuschend naiven Ausdrucksweise gleichsam nebenbei deutlich macht, ist dem freilich keineswegs so: Während man es heutzutage schnell entlarvt hätte, boten die zeitgenössischen Verhältnisse dem Treiben des infernalischen Trios einen idealen Nährboden. Freilich ist die menschliche Dummheit unsterblich. Geht man davon aus, dass Gier, moralfreie Skrupellosigkeit und nicht die Lust aber der Wille zum Mord zeitlose Phänomene sind, könnte unser Trio unter Berücksichtigung der veränderten Grundvoraussetzungen womöglich doch erfolgreich ‚arbeiten‘.
Fest steht, dass sich die von Solange Fasquelle geschilderten Ereignisse in den Jahren 1918 bis 1934 tatsächlich zugetragen haben. Die Autorin stützt sich auf Primär- und Sekundärquellen. Dennoch ist „Trio Infernal“ nur bedingt eine |True-Crime|-Story. Fasquelle berücksichtigt die Fakten, ohne sich von ihnen fesseln zu lassen. Für „Trio Infernal“ werden Sarret, die Schmidt-Schwestern und alle, die ihren Weg kreuzen, zu Romanfiguren. Fasquelle macht sich die meist nur unter Hervorhebung ihrer kriminellen Aktivitäten beschriebenen Personen zu Eigen. Sie vertieft ihre Charaktere, indem sie ihnen, die mit ihren überlieferten Original-Äußerungen vor allem ihre Köpfe retten wollten, Gedanken und Worte gibt: So könnte, so müsste es gewesen sein, als das Trio noch unter sich und mit zahlreichen Übeltaten beschäftigt war.
|Gerade die Kleinen wollen nach oben|
Die Gelegenheit war günstig: Nach dem Ersten Weltkrieg kamen lange verkrustete Systeme endgültig ins Rutschen. Nicht länger war die Herkunft für den Sozialstatus ausschlaggebend. Auch ’neues‘ Geld konnte jetzt den Aufstieg bringen. Wichtig war und blieb dabei die individuelle Einbettung in ein soziales Netz. Georges Sarret hätte die ersehnte Karriere gelingen können. Er stolperte nicht über seine politischen Ambitionen, sondern über seinen – im Doppelsinn – kriminellen Leichtsinn.
Solange Sarret seine Fassade als Bieder- und Ehrenmann aufrecht erhalten konnte, blieb er quasi sakrosankt. Fasquelle schildert vordergründig witzig, dabei aber auch gallig, wie die Polizei nicht das verdächtige Treiben Sarrets, sondern den Gedanken, einen prominenten Mann mit Mord und Leichenbeseitigung in Verbindung zu bringen, für ungehörig hält und verwirft. Als Sarret seinen Schwager umbringt und sich als Täter praktisch auf dem Silbertablett anbietet, greift erneut die Prämisse, dass nicht sein kann, was nicht sein darf: Das neue Establishment beansprucht alte Privilegien.
Im Gegensatz dazu sind die Bedürfnisse der Schmidt-Schwester menschlicher. Sie wollen die Armut und vor allem die Stufe der grauen, öden Dienstboten-Existenz hinter sich lassen. Was zunächst verständlich wirkt, wird von Fasquelle erneut ironisch relativiert: Sobald Philomene und Catherine gelungen ist, wonach sie strebten, verwandeln sie sich in Ebenbilder genau jener Gesellschaftsdamen, die sie zuvor verflucht hatten. Geblieben ist ihnen nur die Furcht vor dem Rücksturz ins Proletariat, den sie deshalb um wirklich jeden Preis verhindern wollen.
|Das vom Teufel getriebene Trio|
Großmannssucht und Angst: Diese beiden Pfeiler stützen das Fundament, auf dem das „Trio Infernal“ knapp zehn Jahre stabil ruht. Fasquelle schildert Sarret, Philomene und Catherine als grundsätzlich alltägliche Zeitgenossen, die höchstens rücksichtsloser und dabei ehrlicher als ihre Mitmenschen vorgehen. Fatal wird es, als diese drei Personen zueinanderfinden. Ein auch von Fasquelle nicht georteter Katalysator lässt aus kleinen Ganoven Kapitalverbrecher werden.
Sie haben sich wie gesagt nicht gesucht aber gefunden, und sie ergänzen einander mit fataler Präzision. Während die Verfilmung stark auf den erotischen Aspekt der Beziehung setzt, konzentriert sich Fasquelle auf die Geldgier als primär verbindenden Faktor. Damit dürfte die Verfasserin die nüchterne Wahrheit besser beschreiben als Drehbuchautor und Regisseur Francis Girod. Sie hält sich an die überlieferten Quellen, und womöglich wahrt sie auch eine Zurückhaltung, die Girod auf dem Weg zum forcierten Film-Skandal scheute und scheuen musste.
Vor allem im Mittelteil gelingt Fasquelle die Schilderung eines Trios, das durch die Ignoranz des geblendeten Establishments eigentlich plumpe Verbrechen begeht, deren Gelingen die drei Personen anstachelt, es immer weiter zu treiben, bis das Glück sie verlässt – und verlassen muss, da die letzten Verbrechen so dreist und unbekümmert inszeniert werden, dass die Entdeckung nicht nur unausweichlich wirkt, sondern tatsächlich ist.
|Abruptes Absturz mit bösem ‚Happy End’|
Die historische Realität, der Fasquelle sich verpflichtet fühlt, wirft ihr einen dramaturgischen Knüppel zwischen die Autorenbeine. Das Ende des Trios kommt zwar, weil es kommen musste, aber es erfolgt dennoch so abrupt, dass ein geschickter Autor es in die Länge ziehen würde. Im letzten Drittel lässt Fasquelle ohnehin die Sorgfalt vermissen, mit der sie bisher die Ereignisse mit Leben erfüllt hat.
Dabei erfasst sie sehr wohl die neuerliche Ironie, die dem Untergang des Trios innewohnt: Die Schmidt-Schwestern, die nach und nach zu bloßen Helfershelfern des immer unerschrockener betrügenden Sarret herabgesunken zu sein schienen, zeigen vor Gericht wesentlich mehr Geschick als ihr alter Meister. Sie nutzen das zeitgenössische Vorurteil, Frauen seien geistig so simpel gestrickt, dass sie leicht verleitet und beherrscht werden können, mit einer Meisterschaft, die genau dies drastisch widerlegt.
Als der Tag der Abrechnung schließlich gekommen ist, bleiben die Köpfe der cleveren Schmidt-Schwestern auf ihren Schultern, während der intelligente und gebildete, alle Register seiner juristischen Kunst ziehende Sarret das Nachsehen unter der Guillotine hat. Begünstigt auch durch ein Sozial- und Rechtssystem, das auf die intellektuelle Zweitklassigkeit der Frau bestand, um sich in selbstzufriedener Wahrung traditioneller Verhältnisse zu wiegen, an denen möglichst nicht gerüttelt werden sollte, trugen die beiden „schwachen Frauen“ den Sieg davon. Insofern bekommen Sarrets letzte überlieferte Worte eine Doppelbedeutung: |“Ich bin Opfer einer Ungerechtigkeit“|. Da hat er – Ironie in buchstäblich letzter Sekunde – durchaus Recht.
|“Trio Infernal“ – der Film|
1974 inszenierte der ehemalige Journalist und spätere Produzent und Drehbuchautor Francis Girod (1944-2006) mit „Trio Infernal“ sein Regiedebüt. Er raffte die sich über ein Jahrzehnt erstreckenden Ereignisse, wich im Finale von der Realität ab und lud seine Geschichte mit aus zeitgenössischer Sicht ‚perversem‘ Sex auf. Mit Michel Piccoli (Sarret), Romy Schneider (Philomene) und Mascha Gonska (Catherine) besetzte Girod die Hauptrollen mit Darstellern, die optisch deutlich attraktiver wirkten als ihre historischen Vorbilder.
Girod gelang ein inhaltlich wie formal überragender Film, der die Gesellschaftskritik der Romanvorlage deutlich überhöhte. Sicherheitshalber setzte der Regie-Neuling zusätzlich auf den Skandal. Die Beseitigung der Leichen nach dem Doppelmord wird bei ihm zur rabenschwarzen Komödie, die den Zuschauer zwischen Übelkeit und Gelächter schwanken lässt. Als sich Jahre später der Skandal-Effekt verflüchtigt hatte, wurde „Trio Infernal“ als Klassiker des (französischen) Films anerkannt.
_Autorin_
Solange Fasquelle wurde 1933 als Tochter der Schriftstellerin und Frauenrechtlerin Edmée de La Rochefoucauld geboren. Dem Vorbild der Mutter folgend, wurde auch die Tochter Autorin. Sie schrieb 25 Bücher, darunter Historienromane, Sachbücher und 1971 den auf Tatsachen basierende Kriminalroman „Le trio infernal“, mit dem sie nicht nur auf literarischer Ebene Aufsehen erregte, als 1974 der gleichnamige Film durch die drastische Darstellung von Mord und Sex zu einem Skandal-Erfolg wurde.
|Hardcover: 192 Seiten
Originaltitel: Le Trio Infernal (Paris : Presses de la Cité 1971)
Übersetzung: Irène Kuhn u. Ralf Stamm
ISBN-13: 978-3-9403-5720-5|
[www.lilienfeld-verlag.de]http://www.lilienfeld-verlag.de








