Archiv der Kategorie: Fantasy / Science-Fiction

Dekker, Ted – Black: Die Geburt des Bösen

_Handlung_

Thomas Hunter dachte eigentlich, er wäre nur ein einfacher, erfolgloser junger Mann. Doch plötzlich versucht man ihn umzubringen. Er überlebt den Anschlag, doch während seiner Ohnmacht hat er merkwürdige Träume von einem schwarzen Wald mit rotäugigen Fledermäusen. Von da an ändert sich sein Leben rasant, denn die Träume werden immer häufiger und realistischer, sodass er nicht mehr zwischen Realität und Traum unterscheiden kann. Sobald er in der einen Welt einschläft, wacht er in der anderen auf und umgekehrt.

Richtig beängstigend wird das Ganze aber, als er in seiner vermeintlichen Traumwelt erfährt, dass diese wohl die Zukunft unserer heutigen Welt ist, die durch einen Virus, den so genannten Raison-Virus, der aus einem über die Luft übertragbaren Impfstoff mutiert sein soll, beinahe komplett entvölkert wurde. Als er dann wieder aufwacht, fällt er aus allen Wolken: Morgen soll in Bangkok der neue Raison-Impfstoff vorgestellt werden. Nachdem er kein Gehör bei den amerikanischen Behörden findet, nehmen er und seine Schwester das Heft selber in die Hand.

_Der Autor_

Ted Dekker ist dafür bekannt, christliche Themen in Horrorromanen und Thrillern zu einer Einheit zu verbinden. Von Dekker, der in Indonesien aufwuchs und danach als Marketingdirektor arbeitete, sind bisher [„Das Haus“ 3673 und „Kind des Himmels“ in Deutschland erschienen. Bislang hat er weltweit über 1,7 Millionen Bücher verkauft. Heute lebt er in Colorado.

_Mein Eindruck_

Mit „Black: Die Geburt des Bösen“ ist der erste Teil der Trilogie sehr vielversprechend gestartet, die dann mit „Red: Der Tod des Meister“ und „White: Der Kreis schließt sich“ ihren Abschluss finden wird. Dekker versteht es wirklich, seinen Leser zu fesseln, denn er spart nicht mit unerwarteten Wendungen. Selbstverständlich sticht die Idee, dass Thomas Hunter sich in zwei verschiedenen Welten (oder Zeiten?) befindet, und durch Einschlafen zwischen diesen wechselt, heraus, denn tödliche Viren, welche die Menschheit ausrotten, sind beileibe keine neue Idee, wenngleich sie immer noch einen großen Reiz auf den Leser ausübt. Dies in Kombination mit Zeitreisen dürfte spätestens nach dem Erfolg des Films „12 Monkeys“ keinem mehr gänzlich unbekannt zu sein. Doch kommt dort die Person, die das Drama verhindern will, aus der Zukunft, wohingegen der Protagonist bei „Black“ versucht, seine eigene Welt in seiner eigenen Zeit zu retten, indem er von der Zukunft träumt.

Die vermeintliche Traumwelt strukturiert Dekker allerdings recht simpel. So steht auf der einen Seite der schwarze Wald mit seinen bösartigen Kreaturen, den Shaitaiki, schwarzen Fledermäusen, mit ihrem bösen Herrscher Taleh, und dem entgegen steht ein bunter Wald mit vielen Früchten und zahmen Tieren, in dem die wenigen überlebenden Menschen und die Roush, weiße Fledermäuse, mit ihrem gütigen Herrscher Eljon leben. Hier sind die Parallelen zwischen Paradies und Hölle augenscheinlich, was auch noch dadurch bestärkt wird, dass Taleh versucht, die Menschen dazu zu bringen, von seinen verbotenen Früchten zu essen, die dem, der sie verzehrt, Wissen geben sollen – der Sündenfall in Vollendung. Weitere Ähnlichkeit zur christlichen Mythologie: Die einzigen beiden Roush, die namentlich genannt werden, heißen Michal und Gabil. Von hier aus ist es nicht weit zu den Erzengeln Michael und Gabriel.

Halten wir also fest: Dekker bemüht sich nicht besonders, seine christlichen Wurzeln zu verbergen. Dessen muss sich der Leser bewusst sein, bevor er sich an diese Trilogie heranmacht. Wer damit nicht klarkommt, sollte also besser die Finger davon lassen.

Die technische Handarbeit beherrscht Ted Dekker durchaus sehr gut. Der Roman liest sich sehr angenehm und vor allem sehr kurzweilig. Die Spannungskurve wird immer wieder geschickt aufgebaut, woran auch die beiden Parallelhandlungen einen großen Anteil haben. Auch streut Dekker immer wieder sehr gelungene Ideen ein, mit denen er den Leser wirklich zu überraschen versteht.

Der Protagonist Thomas Hunter ist Dekker zudem gut gelungen. Er ist ein leicht chaotischer Tausendsassa, der, genau wie übrigens auch Dekker selbst, in Südostasien aufwuchs und jetzt in den Staaten lebt. Was mich ein wenig gestört hat, ist, wie oft Thomas einfach so einschläft. Man könnte fast meinen, er leide unter Narkolepsie („Schlafkrankheit“ oder auch „Schlummersucht“ genannt). Natürlich ist mir klar, dass er am Ende jedes Kapitels einschlafen muss, damit es in der jeweils anderen Welt weitergehen kann, aber Dekker macht es sich hier etwas zu einfach. Zudem stößt mir das reine Schwarzweiß-Denken etwas sauer auf. Dass Dekker auch in der „normalen“ Welt einfach zwischen Gut und Böse unterscheidet, ist eine Angewohnheit, die sich besonders häufig US-amerikanische Autoren angewöhnt haben. Hier macht er sich ebenfalls die Sache zu einfach, indem er zu teilweise polemischen Schlagwörtern greift. Zum Glück ist solche Polemik nicht so sonderlich häufig zu finden, als dass es sich negativ auf den Roman auswirken würde.

_Fazit_

Wer sich von der christlichen Mythologie nicht abschrecken lässt, bekommt einen sehr erfrischenden Fantasy-SciFi-Thriller-Mix serviert, der einen gelungen Auftakt der Trilogie bildet. „Black: Die Geburt des Bösen“ leidet zwar unter einigen kleinen Schwächen, ist aber trotzdem durchaus sehr lesenswert und spannend.

Brendow Verlag

Hoffmann, Horst – Sternenkind (Titan-Sternenabenteuer 29)

_Story_

Nachdem das Verhältnis zwischen den Emo-Rebs und den gefühlsberaubten Cadschiden wieder in die rechte Bahn gelenkt wurde, machen sich der Lariod Dorlog, sein Gefährte Arlog und das Team der |Titan| auf die Suche nach dem Ursprungsvolk der Einäugigen. In Wythan, dem Heimatplaneten der Cadschiden, angekommen, bietet sich ihnen jedoch ein Bild des Grauens; die gesamte Welt liegt nach einem Angriff der Weltraumfresser in Schutt und Asche und wird derweil von einigen Mutanten beherrscht.

Vanessa Modesta und ihre Crew müssen ganze Arbeit leisten, um die Wythaner und das in der Prophezeiung des Lariods erwähnte Sternenkind aufzuspüren, mit dessen Hilfe die Cadschiden und die Wythaner wieder zu einem Kollektiv verschmelzen sollen. Unter Anleitung des jüngsten und letzten Nachfahren der Wythaner reisen sie auf einen von Vanessa ‚Destiny‘ getauften Planeten, in dessen Kristallwelten das verbliebene Kollektiv der urtümlichen Vorfahren sich versteckt hält. Allerdings ist die Bedrohung, die ihnen dort entgegenschlägt, noch weitaus brutaler als die Gefahren auf Wythan …

_Persönlicher Eindruck_

Die stetige Berg- und Talfahrt im Rahmen der „Titan-Sternenabenteuer“ macht auch vor dem neuesten Band „Sternenkind“ keinen Halt. Nachdem der Social-Fiction-Abschnitt der Serie mit dem letzten Band „Dorlog“ vorläufig zugunsten des Starts einer neuen Weltraumsaga abgeschlossen wurde, gelang es Horst Hoffmann in besagter Episode, wieder eine Geschichte zu entwerfen, die sich ganz nahe am gefeierten Ursprung der nunmehr 29-teiligen Reihe orientierte. Und selbst wenn „Dorlog“ hier und dort noch einige geringfügig zu bewertende Schönheitsfehler aufwies, so durfte man endlich wieder in eine hoffnungsvolle Zukunft blicken, weil die unliebsamen Schmonzetten zwischen Shalyn Shan und Monja ebenso vorbei schienen wie die völlig ausgelatschten Pfade, die solch vergleichsweise dümmliche Gestalten wie Wernher von Witzleben bis zuletzt beschritten hatten.

Aber es wäre natürlich zu schön, würde man das relativ gute Niveau der letzten Geschichte in der Fortsetzung dann auch mal konsequent halten. Selbst dem wohl besten derzeitigen „Titan“-Schreiber Hoffmann ist nämlich in „Sternenkind“ eine ganze Reihe an Peinlichkeiten und Schönheitsfehlern unterlaufen, die nicht nur den generellen Plot ad absurdum führen, sondern auch jeden zuvor aufgebauten Spannungsbogen im rasanten Tiefflug wieder durchbrechen. Hinzu kommt, dass die Entwicklungen in „Sternenkind“ von Seite zu Seite unglaubwürdiger erscheinen und man gerade im Schlussdrittel den Eindruck bekommt, der weitere Verlauf der Story würde nur zur Füllung des (dazu noch bescheidenen) Seitenumfangs dienen. An Ideen mangelt es nämlich ganz gewaltig, was den Autor dazu veranlasst, nach dem Abschluss des ersten Horror-Szenarios auf Wythan gleich noch eine vollkommen ähnliche Situation auf Destiny zu schaffen, in der er sich zudem auch noch mehrfach zitiert. Ob das hätte sein müssen? Des Weiteren hat sich Hoffmann scheinbar auch vom platten Liebesgesäusel seiner Kollegen anstecken lassen. Die bisweilen noch hitzige Affäre zwischen Vanessa Modesta und Sebastian Blenkov artet heuer völlig aus und wird vom überzogenen Pathos fast erstickt. Nicht zu vergessen die Momente, in denen der Leser seine Helden bereits tot wähnt, diese aber wieder mal wie durch ein Wunder der finsteren Bedrohung trotzen konnten. Gerade Letzteres wird in „Sternenkind“ bis zum Erbrechen ausgereizt und entzieht der Geschichte zum Schluss dann auch das letzte Fünkchen Authentizität.

Dass die Mini-Serie innerhalb der „Titan-Sternenabenteuer“ mit diesem Band in einem mäßigen, völlig unspektakulären Finale bereits ihr Ende findet, setzt der Negativ-Entwicklung schließlich die Krone auf. Mensch, da hat der Autor endlich mal wieder einen Hintergrund mit Potenzial aufgestellt, nur um ihn im Eiltempo wieder zu zerstören. Sollte dies die Masche des aktiven „Titan“-Teams sein – und so scheint es mir angesichts der merkwürdigen Qualitätsschwankungen zwischen den letzten Ausgaben –, dann kann ich das mittlerweile weder lustig finden noch irgendwie begrüßen. Und so ist der Kontrast in diesem Fall wohl auch noch am schwersten zu tolerieren. Nach dem besten Band der letzten Monate folgt mit „Sternenkind“ der vorläufige Tiefpunkt der neueren „Titan“-Veröffentlichungen. Traurig, aber leider wahr!

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Nuyen, Jenny-Mai – Nocturna – Die Nacht der gestohlenen Schatten

Vampa ist seit neun Jahren vierzehn. Und er hat seine Erinnerungen verloren, selbst die an seinen wirklichen Namen. Das Einzige, woran er sich aus der Zeit vor den letzten neun Jahren erinnert, ist ein gesichtsloser Mann mit Zylinder, der ihm eine Geschichte erzählte. Seine – Vampas – Geschichte, und mit jedem Wort der Erzählung verschwand ein Teil dieser Geschichte aus seinem Gedächtnis und wanderte in das Dritte Buch. Seither ist er auf der Suche nach diesem Dritten Buch. Er will seinen Namen und seine Erinnerungen wiederhaben. Denn ohne sie ist er kein Mensch, kann weder leben noch sterben …

Apolonia dagegen hat ganz andere Probleme. Vor kurzem ist die Buchhandlung ihres Vaters abgebrannt, was diesen den Verstand gekostet hat. Da Apolonias Mutter vor einigen Jahren gestorben ist, bleibt dem Mädchen nun nichts anderes übrig als bei ihrer Tante und ihrem Onkel zu wohnen. Seither löchert sie den mit der Klärung des Falles betrauten Polizeiinspektor nahezu täglich nicht nur mit Fragen nach dem Fortschritt der Ermittlungen, sondern auch mit ihrer Theorie einer Zaubererverschwörung!

Tigwid wiederum ist in die ganze Sache aus purer Neugier hineingeschlittert. Er hat ein paar ungewöhnliche Fähigkeiten, zum Beispiel kann er Dinge bewegen, ohne sie zu berühren, und er kann mit Tieren sprechen. Und er will unbedingt wissen, woher diese Fähigkeiten kommen. Was er nicht weiß: Auch ihm wurden Erinnerungen genommen …

Schon bald stellt sich heraus, dass die hartnäckigen Fragen und Nachforschungen der drei auf denselben Punkt zielen. Einen Punkt, der sie schon bald in große Schwierigkeiten bringt …

Der dominierende Charakter unter den dreien ist Apolonia. Sie ist nicht nur von wohlhabender Herkunft, sie ist auch sehr intelligent. Das hat eine scharfe Zunge und eine gehörige Portion Arroganz zur Folge. Sie ist überzeugt davon, dass ihre Mutter keines natürlichen Todes starb, und dass der Brand im Geschäft ihres Vaters und dessen jetziger Gesundheitszustand damit zusammenhängen. Sie fühlt sich bestohlen, ihrer Familie und ihres Zuhauses beraubt und sinnt auf Rache. Daß sie tatsächlich einen Teil der Wahrheit herausfindet, liegt allerdings mehr an ihrem Mut als an ihrer Intelligenz. Und Letztere kann sie auch nicht davor bewahren, letztlich doch ihren Gegnern auf den Leim zu gehen …

Tigwid ist ein Straßenjunge, der von Diebstählen lebt und von Botengängen für einen der städtischen Unterweltbosse. Ein echter Überlebenskünstler, dem man nur schwer die gute Laune verderben kann. Er besitzt eine gesunde Portion Misstrauen, einen durch seinen Lebenswandel geschulten, sicheren Instinkt und außerdem Köpfchen.

Über Vampa gibt es nicht besonders viel sagen, denn durch den Verlust seiner Erinnerungen ist ihm seine Persönlichkeit abhanden gekommen. Er strahlt vor allem Leere und Kälte aus, was seine Umgebung ziemlich einschüchtert.

Ein interessanter Charakter war Apolonias Tante Nevera, die zunächst wirkt wie eine oberflächliche, egozentrische dumme Gans. Wie sich im Laufe der Geschichte herausstellt, hat sie es aber in sich. Und die Entwicklung vollzieht sich ganz allmählich und ohne Knacks.

Mit anderen Worten, auch in ihrem dritten Buch ist Jenny-Mai Nuyen die Charakterzeichnung wieder gut gelungen. Zwar sind die Figuren nicht ganz so eindringlich geraten wie in ihren ersten Büchern, das mag aber auch daran liegen, dass Tigwid und vor allem natürlich Vampa ein mehr oder weniger großer Teil ihres Ichs fehlt. Trotzdem waren auch Vampas Leblosigkeit und seine Reaktion auf das Buch mit Tigwids Geschichte sehr gut gemacht.

Auch die Grundidee, auf der das Buch basiert, fand ich sehr ungewöhnlich und faszinierend. Eine Gruppe magisch Begabter, die sich die Dichter nennen, stiehlt den Menschen ihre Erinnerungen, um damit Bücher zu schreiben. Diese Bücher üben einen einzigartigen Zauber auf den Leser aus, und zwar deshalb, weil sie echte Gefühle beinhalten. Die Dichter behaupten, dies sei der einzige Weg, andere an den eigenen Gefühlen teilhaben zu lassen, und ihre Taten brächten Liebe und Glück in die Welt und seien deshalb zum Wohle der Menschheit.

Die Originale der Bücher werden mit dem Blut desjenigen geschrieben, dessen Erinnerungen sie enthalten sollen. Worte, die mit Blut geschrieben wurden, besitzen noch eine weitere Eigenschaft, die den Kopien fehlt: Ihren Worten wohnt die Macht inne, so tief in den Geist des Lesers einzudringen, dass er sie für seine eigenen hält. Auf diese Weise können die Dichter Menschen manipulieren, in den Wahnsinn treiben, sogar töten. Daran ist unschwer zu erkennen, dass die Dichter durchaus noch andere Ziele haben, als nur für ihre genialen literarischen Werke bewundert zu werden und ein Vermögen damit zu verdienen.

Um gegen einen solchen Gegner zu bestehen, müssen natürlich die Hauptfiguren der Geschichte auch mit entsprechenden Fähigkeiten ausgestattet sein. So stellt sich schon bald heraus, dass auch Apolonia mit Tieren sprechen kann, und zwar wesentlich besser als Tigwid. Außerdem erhalten sie Unterstützung vom Treuen Bund der Kräfte, ebenfalls magisch begabten Leuten, die die Dichter bekämpfen.
Und dann ist da noch die Polizei, die logischerweise von all dem überhaupt nichts glaubt!

So kommt es, dass es nahezu unmittelbar, nachdem Apolonia ihr Elternhaus verlassen hat, um Tigwid zu folgen, ziemlich drunter und drüber geht. Von allen möglichen Seiten werden die drei verfolgt, getrennt, entführt. Das sorgt zunächst einmal für eine Menge Trubel, spannend wird es aber erst, als Apolonia ins Wanken gerät und nicht mehr weiß, welcher Seite sie glauben soll.

Leider empfand ich gerade diesen wilden Trubel als etwas hektisch und chaotisch. Irgendwie verläuft der Erzählfluss in diesem Teil des Buches nicht ganz glatt, auch wenn er so amüsante Nebensächlichkeiten bot wie die Verbrüderung von Tigwids betrunkenem Boss und Dotti, der mindestens genauso betrunkenen Inhaberin der geheimen Gangsterkneipe.

Auch die physikalische Erklärung der magischen Talente der Motten, wie hier die Zauberer genannt wurden, hakelt etwas. Abgesehen von dem unglücklich gewählten Wort Magnetismus glaube ich nicht, dass die elektrischen Gehirnströme von Erinnerungen sich in irgendetwas von denen anderer Gedanken unterscheiden. Strom ist Strom.

Unterm Strich bleibt zu sagen, dass mir dieses Buch von Jenny-Mai Nuyen recht gut gefallen hat, wenn auch nicht ganz so gut wie ihre ersten beiden. Den Handlungsaufbau fand ich zunächst nicht so gelungen, später wurde es besser. Die Charakterzeichnung war nicht ganz so intensiv, aber immer noch sehr glaubwürdig und anschaulich. Und für die kleinen Knackse entschädigt die ausgefallene Thematik der Geschichte. Mit anderen Worten: Auch wenn es nicht ganz an die beiden Vorgänger heranreicht, ist auch dieses wieder ein sehr gutes Buch der jungen Autorin.

Jenny-Mai Nuyen stammt aus München und schrieb ihre erste Geschichte mit fünf Jahren. Mit dreizehn wußte sie, dass sie Schriftstellerin werden wollte. „Nijura“, ihr Debüt, begann sie im Alter von sechzehn Jahren. Inzwischen ist sie neunzehn und studiert Filmwissenschaft an der New York University.

Gebundene Ausgabe 580 Seiten
ISBN-13: 978-3-570-13337-8

www.jenny-mai-nuyen.de/
www.randomhouse.de/cbjugendbuch/index.jsp

Der Autor vergibt: (4.5/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (9 Stimmen, Durchschnitt: 1,44 von 5)

Ubukata, To – Implosion (Mardock-Trilogie 3)

Band 1: [„Kompression“ 2695
Band 2: [„Expansion“ 3363

_Das Geheimnis der 1800 Seiten._

Das Ursprungsmanuskript der Mardock-Trilogie umfasste 1800 Seiten, hieß es stets, und da es die deutschen Übersetzungen gerade mal auf gute 1000 Seiten bringen, stellt sich dem neugierigen Leser natürlich die Frage: Wo ist der Rest abgeblieben? Von |Heyne| gekürzt? Bei der Übersetzung verloren gegangen? Cora Hartwig, die Übersetzerin der Mardock-Trilogie, hat das Geheimnis dann gelüftet: Das Ursprungsmanuskript der Mardock-Trilogie umfasste 1800 Seiten, wurde dann aber u. A. vom Autor selbst kräftig gekürzt, ehe es überhaupt veröffentlicht wurde.

Außerdem muss bei solchen Seitenangaben beachtet werden, dass die japanische Normseite 17 Zeilen und 40 Anschläge umfasst, während es bei der deutschen Normseite 30 Zeilen und 60 Anschläge sind (eine Normseite entspricht der Standardformatierung, in der Manuskripte bei Verlagen einzureichen sind, wie jede(r) Nachwuchsautor(in) gequält nickend zu bestätigen weiß). Auch diese Information verdanke ich Frau Hartwig und möchte mich an dieser Stelle nochmals herzlich bei ihr bedanken!

_Showdown A-go-go Baby!_

Nun denn, zurück nach Mardock, wo der Leser in „Kompression“ und „Expansion“ eine rasante Achterbahnfahrt durchlebt hat: Im ersten Band durfte der geneigte Leser Rune Balot kennenlernen, die minderjährige Zwangsprostituierte; man war dabei, als sie von Shell Septinos beinahe umgebracht wurde, als sie von zwei Rechtsanwälten aufgegriffen wurde, als sie zu einer biotechnologischen Kampfmaschine umgebaut wurde, als sie ihre Fähigkeiten zu beherrschen lernte, als sie von Shell Septinos und seinen brutalen Häschern gejagt wurde, als Action im Buch eine neue, vorstellungssprengende Dimension erreicht hat.

Im zweiten Band dann begab man sich mit Rune Balot auf die Suche nach Motiven: Wer ist Shell Septinos, ihr Beinahe-Mörder? Wer ist Dimsdale Boiled, die schier unüberwindliche Kampfmaschine im Dienste von Septinos? Was treibt die beiden an? Was hat die October Company damit zu tun? Ein vergeistigter Trip war das, bis zu dem Punkt, da Rune Balot das Casino von Shell Septinos betritt, um dort einen wahren Glücksspiel-Thriller zu erleben, der eine völlig neue Spannungserfahrung vermittelt hat.

Die Spannung ist also groß – wie wird sich das alles im abschließenden Band der Mardock-Trilogie auflösen? Noch immer befinden wir uns im Casino von Shell Septinos, noch immer muss Rune Balot durch geschicktes Glücksspiel an die wichtigen Eine-Million-Dollar-Chips herankommen, da auf diesen die Erinnerungen von Septinos gespeichert sind – seine Motive, seine Verbindungen zur October Company und seine ganze schmutzige Vergangenheit. Wo Rune im zweiten Band noch beim Poker und beim Roulette bestehen musste, gilt es nun, die statistischen Geheimnisse des Black Jack zu ergründen und gegen das Casino einzusetzen.

Außerdem muss Balot gegen die Anwälte der October Company bestehen und natürlich ein letztes Gefecht mit der irrsinnigen Kampfmaschine Dimsdale Boiled austragen. Die perfekte Gelegenheit also, um an der Action des ersten Bandes anzuknüpfen und die angedeuteten Tiefgründigkeiten des zweiten Bandes auszuloten.

_Schwacher Schluss einer starken Trilogie._

Auch in „Implosion“ hat es Ubukata geschafft, dem unkundigen Leser einen völlig neuen Blickwinkel auf das „Glücksspiel“ zu gewähren, und es macht einen Heidenspaß, Rune Balot beim Black-Jack-Spielen zuzusehen. Aber diesmal hat es Ubukata überstrapaziert, denn ein Kartenspiel von 213 Seiten bei einer Story von 342 Seiten ist definitiv zu lang. Natürlich bekommt Rune einen würdigen Gegner, natürlich werden ihre Fähigkeiten ausgereizt und ohne jeden Zweifel war es ganz und gar nicht einfach, dieses Kartenduell zu choreographieren, ohne die Regeln der Wahrscheinlichkeit allzu schwer zu verletzen. Aber irgendwann liest man nur noch Zahlen, liest „Hit“, „Stay“, „Bust“, „Split“ oder „Double Down“, ohne dass man Runes Strategie tatsächlich noch folgen könnte. Trotzdem reißt es einen noch mit, keine Frage, aber die Ermüdungserscheinungen bleiben nicht aus.

So freut man sich denn, dass sich während der letzten Seiten ein actionbetonter Showdown abzeichnet, aber – leider – auch dieser kommt nicht ohne Ermüdungserscheinungen aus. Wo in „Kompression“ Rune Balots Kampf gegen die fürchterliche Bandersnatch-Gang Maßstäbe gesetzt hat, mit einem atemberaubenden Actionspektakel, wie ich es in einem Buch nicht für möglich gehalten hätte, schleppt sich „Implosion“ mit einem konventionellen Zweikampf zum Ende. Noch immer ist es beeindruckend, wie Ubukata Geschwindigkeit vermittelt, wie er die Explosionen förmlich spürbar macht, aber es bleibt dennoch bei einem blassen Nachbild der Action des ersten Bandes.

Eigentlich hätte „Implosion“ ein gewaltiger Schlussakkord sein können, der einen neuen Blickwinkel auf die Ereignisse der ersten beiden Bände erzeugt, der mit neuen Ideen den Leser erneut verblüfft, der wiederum mit den Konventionen spielt und sich über sich selbst erhebt. Stattdessen erfährt der Leser nichts brüllend Neues, der Tauchgang in die Erinnerung von Septinos liefert einem nichts, was man nicht ohnehin schon vermutet hätte, und anstatt im Showdown mit den Konventionen zu brechen, liefert Ubukata schlicht und ergreifend Action-Standard.

Es ist überaus schade: Wo die ersten beiden Bände noch Hunger auf mehr machten, bricht in „Implosion“ sämtliche aufgebaute Spannung zu einem Sammelsurium aus Klischees zusammen und hinterlässt den faden Eindruck einer Story, die sich tatsächlich auf einem Bierdeckel zusammenschreiben ließe. Natürlich hat Ubukata auch hier gute Ideen verarbeitet, seine Szenen sind spritzig, rasant und kompakt – es ist nicht sein Stil, dem die Puste ausgeht, sondern die Story. Auf der Zielgeraden macht sie schlapp. Die Erwartungen werden nicht erfüllt. Unter dem Strich bleibt dennoch ein solides Zukunfts-Abenteuer, das man sich durchaus zulegen kann. Alles andere würde ja auch keinen Sinn machen, denn die ersten beiden Bände sind und bleiben unbedingt empfehlenswert! Und, na ja, schwache Trilogie-Schlusspunkte hat die Phantastik-Anhängerschaft ohnehin schon längst zu verkraften gelernt: Matrix, Fluch der Karibik, Spider-Man …

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Jordan, Sherryl – Avala – Die Zeit des Adlers

Seit Avala denken kann, ist ihr Stamm auf der Flucht vor den Soldaten des Kaiserreichs Navora. Das Einzige, was die Menschen der Shinali aufrechthält, ist ihr unerschütterliches Vertrauen in eine alte Prophezeiung, die die Zeit des Adlers vorhersagt. Eine Zeit, in der sich die bisher verfeindeten Stämme der Igaal und der Hena mit den Shinali versöhnen werden, um gemeinsam das verlorene Land für die Shinali zurückzugewinnen. Als Avala an ihrem sechzehnten Geburtstag ihr Erwachsenwerden feiert, eröffnet ihr der Stammespriester, dass sie dazu bestimmt ist, die prophezeite Einheit zwischen den Stämmen der Steppe herbeizuführen!

Avala scheut vor diesem Gedanken zurück. Denn die Einigung der Stämme und die Forderung nach der Rückgabe ihrer alten Weidegründe bedeutet Krieg gegen Navora. Avala aber ist Heilerin, und der Gedanke, Schmerzen zuzufügen anstatt zu lindern, ist ihr ein Gräuel. Sollte sie sich jedoch der Prophezeiung verweigern, bedeutet das den Untergang für ihr eigenes Volk und auch für das der Hena und Igaal … Avala muss sich entscheiden!

Sherryl Jordan hat ihre Geschichte in der Ich-Form erzählt und in vier Teile gegliedert, von denen der letzte im Vergleich recht kurz ausgefallen ist und deshalb eher einem langen Epilog gleicht als einem eigenständigen Erzählteil. Der erste Abschnitt berichtet von Avalas Herkunft und ihren ersten Bemühungen bei den Igaal, der zweite von ihrem Aufenthalt in Ravinath, der dritte von ihrer Rückkehr zu den Igaal und dem Aufstand.

Avala steht – schon aufgrund der gewählten Erzählform unvermeidlich – im Zentrum der Ereignisse. Sie ist bereits mit einem gewissen Erwartungsdruck aufgewachsen, das liegt an ihrer ungewöhnlichen Herkunft. Ihr Vater war ein navoranischer Heiler, der sich um der Shinali – und einiger anderer Missstände – willen mit seinem Kaiser überworfen und dafür mit dem Leben bezahlt hat. Von ihm hat Avala nicht nur ihre Gabe des Heilens, sondern auch gewisse seherische Fähigkeiten geerbt. Allerdings sind ihre Gaben zunächst nur grob geschult. Sie ist noch jung und trotz ihres guten Willens und ihrer Begabung nicht gegen Rückschläge und Enttäuschungen gefeit. Größere Sicherheit gewinnt sie erst, als ihre Fähigkeiten in Ravinath gezielt ausgebildet werden. Rhetorik gehört allerdings nicht dazu; Avala beeindruckt ihre Umgebung vor allem durch ihre schonungslose Ehrlichkeit.

Mudiwar, der Häuptling der Igaal, ist trotz allem ein harter Brocken, an dem Avala sich beinahe die Zähne ausbeißt. Er glaubt, wenn er sich dem Kampf gemäß der Prophezeiung anschließt, wird er sein Volk unnötig in Gefahr bringen. Vor der Tatsache, dass sein Volk längst massiv unter den Angriffen und Sklavenjagden der kaiserlichen Soldaten zu leiden hat, verschließt er die Augen. Diesem Dickschädel hat die junge, unerfahrene Avala nicht viel entgegenzusetzen, erst der gereiften und selbstbewussten Avala gelingt es, mit ihm fertigzuwerden.

Der eigentliche Bösewicht der Geschichte, Kaiser Jaganath, gehörte einst zu den weisen Männern, die Avala ausgebildet haben. Er kann ungeheuer echte Illusionen erschaffen, so echt, dass die Menschen, die in diese Illusionen hineingeraten, sogar daran sterben können, allein weil sie glauben, die Trugbilder seien echt. Das scheint aber seine einzige Fähigkeit zu sein, denn außer ihr und einer lügnerischen Zunge setzt er keinerlei Waffen gegen Avala ein. Letztlich besiegt Avala ihn quasi mit einem Fingerschnippen, einem einfachen, aber in seiner Wirkung brillanten medizinischen Kniff.

Die Methode war in der Tat so hervorragend einfach, dass ich mich fragte, warum Avala sich zuvor überhaupt Jaganaths Sermon angehört hat! Selbst der Dramaturgie hat dieses Zögern nicht gedient, denn die Zeit, die Jaganath dadurch gewinnt, vertut er wie gesagt mit wirkungslosen Tricks und Lügen. Das Duell zwischen den beiden, das der Höhepunkt der gesamten Handlung hätte sein können und sollen, ragt in keiner Weise aus dem übrigen Geschehen heraus.

Spannung ist ohnehin etwas, das dem Buch fehlt. Zwar sind Avalas erste Bemühungen erfolglos, da sie aber nicht unter Zeitdruck steht, wirkt sich dieser Aspekt nicht auf den Spannungsbogen aus. Dasselbe gilt für die Ausbildung in Ravinath, die sich um ein halbes Jahr verzögert. Erst, als Avala Mudiwar überzeugt hat, sich dem Aufstand anzuschließen, kommt die Sache in Fahrt. Dann aber läuft alles so reibungslos und glatt, dass der Leser, anstatt mitzufiebern, sich mit einem trägen Lächeln zurücklehnt und gelangweilt zuschaut, wie alles unausweichlich ins Happy-End mündet.

Nun ist ein Happy-End ja nicht unbedingt etwas Schlechtes. In diesem Fall jedoch erfüllt es sämtliche Klischees, die Hollywood zu bieten hat.
Außer einem bisschen Neid dreier Gleichaltriger Avala gegenüber scheint es bei den Shinali keinerlei Konflikte zu geben, und selbst davon ist bei Avalas Rückkehr zu ihrem Volk nichts mehr zu spüren. Alle haben sich ach so lieb.

Ähnliches gilt für die Meister, die Avala in Ravinath unterrichteten. Alle sind sie unendlich gütig, weise und liebevoll. Im schlimmsten Fall sind sie traurig oder bekümmert. Keiner von ihnen zeigt jemals Regungen wie Zorn oder auch nur Bitterkeit angesichts der Tatsache, dass sie sich bereits seit siebzehn Jahren vor dem Kaiser verstecken müssen. Auch hier gibt es keinerlei Konflikte.

Das alles wird noch übertrumpft von dem, was nach der Rede eines Meisters auf dem großen Platz der navoranischen Hauptstadt geschieht. Tatsächlich fallen sich da – nicht einmal eine Woche nach den Kämpfen! – alle Angehörigen der vier bis dahin verfeindeten Völker in einem großen Akt der Vergebung gegenseitig um den Hals. Selbst wenn man berücksichtigt, dass der Kaiser bei seinem Volk höchst unbeliebt war und ein Teil seiner Anhänger nach der Niederlage geflohen ist, ist das unglaubwürdig. Immerhin wurden im Zuge des Umsturzes auch sämtliche Sklaven befreit. Irgendwo muss es einfach so etwas wie Unzufriedenheit oder Gemurre gegeben haben. Und in einem Heer von zwanzigtausend Steppenkriegern und vor allem unter den Sklaven muss es einfach ein paar gegeben haben, deren Hass auf die Navoraner zu groß war, um einfach so in der Versenkung zu verschwinden.

Dazu kommt, dass die Geschichte in einer ziemlich schmalzigen Art geschrieben ist. Das gilt vor allem für den Abschnitt über Ravinath. Ständig geht es darum, wie liebevoll und gütig ihre Familie, ihre Freunde, die Meister sind, wie behütet und geliebt Avala sich fühlt, wie sie ständig gesegnet, liebevoll berührt und umarmt wird. Selbst auf dem Weg durch die unterirdischen Tunnel des Kaiserpalastes fühlt Avala sich von einer liebevollen Gegenwart geführt, mit der wohl ihr verstorbener Vater gemeint ist. Selbst im Hinblick auf Avalas seherische Fähigkeiten war das doch etwas dick aufgetragen! Stellenweise ist es vor lauter klebrigem Zucker fast unmöglich, die Seiten umzublättern.

Logische Ungereimtheiten taten ein Übriges. Mudiwar ist Häuptling des Klans der Elche, eines recht kleinen Klans innerhalb des Volkes der Igaal. Wie kommt es, dass die Igaal sich dem Kampf nicht anschließen, solange er nein sagt, und es dann doch tun, sobald er ja sagt? Haben die anderen Klane der Igaal keine Häuptlinge, und haben die nichts mitzureden? Avalas Strategie sieht vor, durch ein Täuschungsmanöver vor den Stadttoren einen Teil der kaiserlichen Soldaten von der Stadt abzuziehen, damit sie nicht zur Stelle sind, um den geplanten Sklavenaufstand niederzuschlagen. Gleichzeitig aber wird der Zeitplan für den Umsturz so festgelegt, dass der Sklavenaufstand im Palast und der Hauptstadt losgehen soll, bevor die Feldtruppen vor den Stadttoren auftauchen, zu einem Zeitpunkt also, an dem sich das kaiserliche Militär noch in der Stadt befindet. Als der Sklavenaufstand dann losbricht, rennen die einzelnen Soldaten nach Hause zu ihren Familien, um diese zu verteidigen, anstatt unter dem Kommando ihrer Vorgesetzten geschlossen gegen die Aufständischen vorzugehen, wie man es von einer Armee erwarten würde.

Mit anderen Worten: Wenn es sich bei diesem Buch um einen Film gehandelt hätte, dann hätte ich es als Soap bezeichnet: inhaltlich eher seicht, spannungsarm und furchtbar kitschig. Logische Brüche sowie die rosaroten Brille, hinter der sich alles abspielt, bewirken, dass sowohl Handlung als auch Charaktere – selbst diejenigen, die nicht so enttäuschend ausgefallen sind wie Jaganath – völlig ins Unglaubwürdige abgleiten. Sherryl Jordan hat schon Besseres geschrieben.

_Sherryl Jordan_ lebt in Neuseeland und hat bereits eine ganze Anzahl Jugendbücher verfasst, von denen auch einige ausgezeichnet, aber nicht alle ins Deutsche übersetzt wurden. Erschienen sind bei uns außer „Avala – Die Zeit des Adlers“ und [„Jing-Wei und der letzte Drache“ 1464 unter anderem „Tanith, die Wolfsfrau“, „Flüsternde Hände“ und „Der Meister der Zitadelle“, wo die Vorgeschichte zu den Ereignissen in „Avala“ erzählt wird.

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Catherine Webb – Satan – Retter der Welt

Band 1: „Lucifer – Träger des Lichts“

Nachdem Seth, Odin und Jehova am Ende des ersten Bandes tatsächlich die drei Schlüssel gefunden haben, hat Sam alias Lucifer ein ernstes Problem. Zwar können die befreiten Pandora-Geister ihm nicht direkt etwas anhaben, wie sich jedoch nur zu bald herausstellt, brauchen sie das auch gar nicht. Stattdessen konzentrieren sie sich auf seine bisherigen Verbündeten und schneiden Sam damit von jeglicher Unterstützung ab. Ein harter Schlag für jemanden, der zwar seine unmittelbaren Kämpfe stets allein ausgetragen hat, bei den Vorbereitungen derselben allerdings auf ein Netzwerk an Kontakten zurückzugreifen pflegte. Schnell gerät Sam in immer größere Bedrängnis.

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Barclay, James – Drachenlord (Die Legenden des Raben 5)

|Die Chroniken des Raben|:
[„Zauberbann“ 892
[„Drachenschwur“ 909
[„Schattenpfad“ 1386
[„Himmelsriss“ 1815
[„Nachtkind“ 1982
[„Elfenmagier“ 2262

|Die Legenden des Raben|:
[„Schicksalswege“ 2598
[„Elfenjagd“ 3233
[„Schattenherz“ 3520
[„Zauberkrieg“ 3952

_Story_

Noch während der Rabe sich dazu entschließt, endgültig in den Ruhestand zu treten, greifen die Wesmen nach jahrelanger Abwesenheit wieder an und führen einen vernichtenden Schlag gegen das geschwächte Kolleg von Xetesk aus. Dessen Anführer Dystran sieht sich in verzweifelter Lage dazu genötigt, einmal mehr die Dimensionsmagie zu bemühen, und öffnet in einer letzten Defensivmaßnahme das Portal zur Dimension der Dämonen.

Zwei Jahre später: Ganz Balaia wird von Dämonen heimgesucht; die letzten Überlebenden der Kollegien verschanzen sich in Kalträumen, die sie vor den Seelenräubern schützen und ihnen einen letzten Hort vor der drohenden Vernichtung bieten. Doch die Dämoen werden von Tag zu Tag stärker und konzentrieren das balaianische Mana, um das Land in Kürze zu unterwerfen und die dort lebenden Menschen und Elfen auszurotten.

Hirad, der mit den Elfen nach Calaius gegangen war, erfährt als Erster von der Bedrohung. In einem Traum begegnet er Ilkar und erfährt über dessen Bruder Rebraal vom Schicksal, das selbst der Welt der Toten droht, wenn die Dämonen die Dimension von Balaia übernehmen. Sofort wird ihm klar, dass nur eine Maßnahme zur Rettung Balaias ergriffen werden kann: Der Rabe muss rekrutiert werden und in seiner sicherlich letzten großen Schlacht alle Kräfte des Landes an sich binden, um die Dämonen auszurotten.

_Meine Meinung_

James Barclay vollführt im fünften Band der „Legenden des Raben“ ähnliche Winkelzüge wie einst zur Zeit der sechsteiligen „Chroniken des Raben“. Kurz vor Ende der Serie und in direkter Folge an einen sinngemäß abgeschlossenen Handlungsstrang beginnt er eine Geschichte auf einer gänzlich anderen Ebene und sucht mitunter auch ein wenig künstlich – so scheint es zunächst – nach verbliebenem Futter für die Anhänger seiner berüchtigten Söldnertruppe.

Allerdings schließt sich von nun an endgültig der Kreis, den zu zeichnen der Autor bereits in seinem allerersten Raben-Roman begonnen hatte. Die ersten Begegnungen mit den anderen Dimensionen, die meist nur kurz angedeuteten Mysterien um die Welt der Dämonen, dazu die zuletzt noch unbefriedigende Unordnung im Streit der Kollegien untereinander und natürlich die (hier erst vollzogene) abrupte Auflösung der Rabentruppe verlangten nach weiterer Aufklärungsarbeit, um das gesamte Konstrukt rund zu bekommen.

Jedoch ist der Einstieg dieses Mal besonders schwer; der Rabe scheint seinen Frieden gefunden zu haben und distanziert sich vom Chaos in Balaia. Während Thraun und Hirad den Elfen nach Calis gefolgt sind, ist der unbekannte Krieger gemeinsam mit Darrick, Erienne und Denser in den Schoß seiner Familie zurückgekehrt, wo Erienne erfolgreich mit der Magie des Einen arbeitet und langsam aber stetig lernt, sie zu beherrschen. Als Hirad dann plötzlich auftaucht und von der neuen Bedrohung berichtet, ist man sich uneins, ob man ein letztes Mal für die Rettung Balaias kämpfen soll. Der Wille ist gebrochen, die Routine verblasst und die Ausstrahlung trotz der scheinbar kurzen Zeit von gerade mal zwei Jahren völlig glanzlos abgestumpft.

Doch in der Not bleibt den Rabenkriegern keine Wahl – und so geht es in eine weitere Schlacht, der die Truppe ebenso skeptisch gegenübersteht wie der Leser. Denn dieses Mal kämpft nur noch eine kleine Bastion der Menschen gegen einen schier übermächtigen Feind. Und auch wenn man insgeheim auf die Unterstützung der Drachen hofft und vertraut, so ist das Chancenverhältnis selbst dann, wenn die Kollegien sich doch noch ein letztes Mal vereinen sollten, äußerst schlecht.

Über die Entwicklung des neuen Plots findet man somit langsam wieder zum Glanz alter Tage zurück. Zwar fällt die Identifikation mit dem spürbar gealterten Raben diesmal ungleich schwerer, und darüber hinaus ist die Story in diesem Fall auch ein ganzes Stückchen komplexer, aber sobald der Funke übergesprungen ist und man erst einmal wieder die Tragweite all dessen, was Barclay hier aufgezäumt hat, erkannt hat, ist die Begeisterung sofort wieder geweckt. Und trotzdem: Ein wenig Skepsis bleibt, weil unterschwellig die Meinung haften bleibt, der Autor klammere sich hier an seinen letzten Rettungsanker, um die Faszination um seine nunmehr legendären Söldner aufrechtzuerhalten. Kurz vor Ende der Serie holt er nämlich noch einmal weit aus und kramt einige Ideen hervor, die potenziell Stoff für eine ganze weitere Chronik aufbieten, aber schlussendlich doch in gerade mal zwei Büchern aufgearbeitet werden müssen.

Der bezeichnende Titel des nächsten und bislang letzten Romans „Heldensturz“ lässt daher auch Schlimmes vermuten. Erst einmal gilt es nämlich schon in Kürze, Abschied von den Helden zu nehmen; weiterhin liegt die Furcht nahe, dass es kein schöner Abschluss für die Truppe sein wird, und als Letztes fragt man sich, ob Barclay tatsächlich diesen inhaltlich radikalen Weg einschlagen musste, um das endgültige Finale einzuläuten. Im Grunde genommen verbaut er nämlich somit jegliche Hoffnung darauf, dass der Rabe auch später noch literarisch existieren kann. Und dies nun Schwarz auf Weiß zu erkennen, ist für den seit nunmehr drei Jahren faszinierten, begeisterten Anhänger wahrscheinlich die schlimmste Erkenntnis eines schwer verdaulichen, zu Beginn etwas zwiespältig zu betrachtenden Buches. Aber viel wichtiger ist dennoch die überwiegend positive Seite des mit dem etwas irreführenden Titel „Drachenlord“ bezeichneten Romans, nämlich dass James Barclay einmal mehr beweist, dass er in Sachen phantastischer Dramaturgie nach wie vor unschlagbar ist. Die Art und Weise, wie sich das aktuelle Werk nämlich entwickelt, ist nämlich einfach nur phänomenal!

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Barclay, James – Zauberkrieg (Die Legenden des Raben 4)

|Die Chroniken des Raben|:
[„Zauberbann“ 892
[„Drachenschwur“ 909
[„Schattenpfad“ 1386
[„Himmelsriss“ 1815
[„Nachtkind“ 1982
[„Elfenmagier“ 2262

|Die Legenden des Raben|:
[„Schicksalswege“ 2598
[„Elfenjagd“ 3233
[„Schattenherz“ 3520

_Story_

Der Rabe entkommt dank mehrerer Schicksalswendungen den Katakomben von Xetesk und hinterlässt in den geheimen Räumen des Kollegs eine Spur der Verwüstung. Nichtsdestotrotz ist sich der Oberste Magier des dunklen Kollegs der baldigen Alleinherrschaft über Balaia sicher, da die Forschungen zur Dimensionsmagie derart fortgeschritten sind, dass man bereits in Kürze einen Spruch wirken kann. Die Generalprobe hinterlässt dabei ein Bild der Grausamkeit; mit einem Sturm werden die angreifenden Truppen aus Lystern und Dordover fast gänzlich ausgelöscht.

Siegessicher treibt Dystran seine Armeen nach Julatsa, um dort die Bergung des Herzens, des Kerns des julatsanischen Manas, zu verhindern und das Gleichgewicht zugunsten der xeteskianischen Magie zu verändern. Doch auch der Rabe reitet in seinem möglicherweise letzten Gefecht nach Julatsa, fest entschlossen, Ilkars letzten Wunsch zu erfüllen und das Kolleg neu zu beleben. Doch die Zeit verrinnt, denn Xetesk marschiert mit neuen magischen Waffen, und die Defensive Julatsas scheint völlig unvorbereitet. Und währenddessen ringt der Rabe außerdem noch mit dem Schicksal von Erienne, die der Kraft der Magie des Einen mehr und mehr unterworfen wird.

_Meine Meinung_

In einem seiner letzten Romane um den Bund des Raben entwirft James Barclay bereits ein Szenario, welches bis zur letzten Seite einem opulent ausgemalten Finale gleicht und einem solchen auch völlig würdig erscheint. Wieder einmal mischt der Autor rührende menschliche Emotionen mit den treffendsten Stilmitteln der modernen Fantasy und setzt einmal mehr auf die Aussagekraft eines mit magischen Waffen ausgetragenen Krieges. Anders jedoch als bei der letzten großen Schlacht in „Himmelsriss“ bekämpfen die Balaianer sich in diesem Fall gegenseitig.

Unter der Herrschaft Dystrans versucht vor allem Xetesk, endgültig die Vormachtstellung zu erlangen, und treibt die Forschungen um die Dimensionsmagie mit ungeheurem Tempo voran. Denser, einst selber im dunklen Kolleg tätig, ahnt bereits, welche Mächte sich in den Katakomben seiner ehemaligen Heimat regen, ist aber zu sehr mit dem Schicksal seiner Gattin Erienne beschäftigt, um die ersten Warnzeichen richtig zu deuten, so dass der ultimative Schlag unmittelbar bevorsteht, vom Raben aber nicht als solcher wahrgenommen wird.

Unterdessen planen auch die Kollegien in Lystern und Dordover, gemeinsam an die Macht zu gelangen, und machen nicht nur Jagd auf den Raben und Erienne, sondern versuchen derweil auch, Xetesk vorzeitig auszuschalten. Allerdings erahnen weder Heryst noch Vuldaroq, die beiden Anführer der Kollegien, die Pläne des jeweils anderen und bilden infolge dessen keine verschworene Gemeinschaft. Doch ihre Chancen stehen sowieso denkbar schlecht, denn ihre erste Angriffswelle, die noch stattfinden soll, als der Rabe in Xetesk für Chaos sorgt, endet in einer Katastrophe. Die Dimensionsmagier des dunklen Kollegs wirken den blauen Sturm und zerstören um die Mauern der Stadt herum alles und jeden, der die Gefahr nicht rechtzeitig erkennt.

Erst hier wird dem Raben bewusst, wie schlecht es bereits jetzt um Balaia steht. Sollte schließlich auch noch Julatsa erobert werden, käme das dem Untergang des gesamten Kontinents gleich. Aus dieser Motivation heraus und im Bestreben, Ilkars letzten Willen zu berücksichtigen, stürmen sie gemeinsam mit den Elfen nach Julatsa. Doch bereits auf dem Weg dorthin realisieren Denser, Hirad, Thraun, Darrick, der unbekannte Krieger und die gescholtene Erienne, dass ihre neue Aufgabe schier unmöglich erscheint – selbst für den kampferprobten, legendären Raben.

„Zauberkrieg“ ist bis dato sicherlich das spannendste und somit auch beste Buch in der Reihe der „Legenden des Raben“ und bringt darüber hinaus ganz klar auf den Punkt, warum Barclays Fantasy schlichtweg magisch ist. Die Art und Weise, wie er Schicksale beschreibt, ganz unerwartete Wendungen in die Handlung integriert, Situationen völlig aussichtslos erscheinen lässt und selbst die waghalsigsten Schlachtszenarien absolut glaubwürdig aufbaut, ist auf obersten Niveau gehalten und problemlos auf eine Stufe mit legendären Autoren wie Tolkien und Martin zu setzen. Hinzu kommt diese faszinierende Charakterisierung der einzelnen Protagonisten, die Darstellung ihrer gänzlich individuellen Motive und schlussendlich ihr gesamtes Handeln, welches jede(n) einzelne(n) von ihnen zu unvergleichlichen Identifikationsfiguren avancieren lässt, denen man auf jedem Pfad und auf jeder noch so gefährlichen Reise folgen möchte. Natürlich lassen sich auf diesem Wege Parallelen zu den Gefährten um den Ring nicht ausschließen, doch legt Barclay viel mehr Wert darauf, jeden einzelnen Charakter als ganz besonderes Unikat innerhalb dieser Serie auftreten zu lassen und eben nicht nur als Teil der Gruppe – in „Zauberkrieg“ phasenweise deutlicher denn je zuvor.

Dies evoziert andererseits jedoch auch einen Zustand des Bedauerns, was die Nachlese betrifft. Die Geschichte des Raben geht mit den nächsten beiden Büchern vorerst zu Ende und damit auch die Historie der meines Erachtens faszinierendsten, beeindruckendsten Fantasy-Kompanie, die auf diesem Gebiet ein Autor hervorgebracht hat. Mit „Zauberkrieg“ bekommt man bis hierhin noch einmal ein Gourmetstück des hochwertigen Epos‘ geboten, ein Buch, das mit allen elementaren Versatzstücken der gesamten Geschichte garniert wurde. Und einen Roman, der fesselt wie nur wenige andere Bücher in diesem Genre!

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Dennis Foon – Die Rückkehr der Novakin (Das Vermächtnis von Longlight, Band 3)

Das Vermächtnis von Longlight:

Band 1: „Die Stunde des Sehers“
Band 2: „Die Stadt der vergessenen Kinder“

Roan hat sich endlich dafür entschieden, die Rettung seiner Schwester Stowe ihrem Lehrmeister Willum und Mabatan anzuvertrauen. Er selbst hat sich zu den Apsara aufgemacht, jenen Amazonen, zu denen auch Saints Gefährtin Kira gehört. Von dort aus will er die Bewohner des Flusslandes gegen Darius einen. Doch das ist leichter gesagt als getan: Die Hhroxhi oder Bluttrinker können sich nicht einigen, ob sie Roan unterstützen sollen oder nicht, der Streit droht das Volk zu spalten. Die Bewohner der Oase wollen zwar Darius stürzen, die Vernichtung des Staubs, die Roan anstrebt, aber unbedingt verhindern. Der größte Teil der Gouverneure, die die Metropolis mit Rohstoffen und Lebensmitteln versorgen, kann nicht für den Aufstand gewonnen werden, und Roans Sabotageakte werden durch eine geheimnisvolle neue Waffe sabotiert, die unbedingt ausgeschaltet werden muss, soll der Aufstand erfolg haben. Am schwersten jedoch fällt Roan die Zusammenarbeit mit den Brüdern …

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Carol Berg – Tor der Verwandlung (Rai-Kirah-Saga 1)

Seyonne ist seit sechzehn Jahren Sklave im derzhischen Kaiserreich. Nach all diesen Jahren des Elends und der Erniedrigung ist er ein gebrochener Mann, dessen einziges Ziel es ist, weitere Misshandlungen so gut wie möglich zu vermeiden. Doch dann wird er an den Kronprinzen verkauft, und schlagartig ändert sich alles! Nicht nur, dass dieser Fremdling das Feadnach in sich trägt, eine Art helles Licht und Zeichen dafür, dass er zu Großem bestimmt ist; Seyonne entdeckt, dass der Botschafter des benachbarten Volkes der Khelid von einem Dämon besessen ist. Und Seyonne ist der Einzige, der fähig ist, die Gefahr zu erkennen. Aber welcher adlige Derzhi hört schon auf einen Sklaven?

Die Handlungsträger

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Sapkowski, Andrzej – letzte Wunsch, Der (Geralt-Saga, Vorgeschichten 1)

_Die Geralt-Saga:_

Vorgeschichte: _1_ [Der letzte Wunsch 3939
Vorgeschichte: _2_ [Das Schwert der Vorsehung 5327

_Roman 1_: [Das Erbe der Elfen 5334
_Roman 2_: [Die Zeit der Verachtung 5751

Geralt von Riva ist ein Hexer. Einer jener mühsam herangezogenen Mutanten, die mittels ihrer Fähigkeiten in Kampf und Magie Jagd auf gefährliche Ungeheuer machen. Und als sei diese Jagd nicht schon anstrengend genug, muss er sich auch noch mit der äußerst mäßigen Begeisterung seiner Mitmenschen herumschlagen. Vielerorts werden nicht ganz menschlichen Leuten wie ihm Hass und Verachtung entgegengebracht, anderswo wiederum hat man sich mit den Monstern der Umgebung gewissermaßen arrangiert. Und die Mächtigen scheinen bei der Erteilung ihrer Aufträge regelmäßig zu vergessen, dass unliebsame Personen nicht automatisch zu den gefährlichen Monstern zählen …

_Andrzej Sapkowskis Protagonist_ ist ein ungewöhnlicher Kerl.

Geralt nimmt seinen Beruf sehr ernst. So ernst, dass er nicht nur die Menschen von der Bedrohung durch Ungeheuer befreit, sondern möglichst auch die Ungeheuer selbst, falls sich das machen lässt. Trotzdem hat er einen ziemlich schlechten Ruf, und das kommt nicht nur daher, dass er sich immer wieder mit den Mächtigen anlegt. Obwohl er noch relativ jung zu sein scheint, wirkt er leicht verbittert und müde, weniger im Kampf mit den Monstern als im Umgang mit den Menschen, denen er begegnet. Unterschwellig hat man den Eindruck, dass Geralt seine Arbeit und die damit verbundene Ablehnung zum Halse raushängt. Doch die Gelegenheit, etwas anderes zu werden, lässt er ungenutzt verstreichen.

Vielleicht resultiert diese Widersprüchlichkeit aus der knappen Erzählweise. Geralt hat so gut wie keine Vergangenheit. Über seine Ausbildung fallen ein paar vage Andeutungen, über die Zeit davor erfährt der Leser gar nichts. Möglicherweise sind diese Informationen im nicht übersetzten ersten Band enthalten. Andererseits verleiht dieser Mangel an Vorleben Geralt ein gewisse Etwas, eine Art geheimnisvolle Aura, die durch seine kühle, wortkarge Art noch unterstrichen wird. Und um das Maß voll zu machen, haftet ihm offenbar ein Schatten an, ein bedrohliches Schicksal, das auf ihn wartet.

Das klingt jetzt vielleicht alles ziemlich dick aufgetragen. Aber Sapkowski hat das gesamte Buch einzig und allein an der Figur des Geralt aufgehängt. Also muss diese auch einiges hergeben. Und das tut sie. Sie ist fähig genug, um als Held aufzutreten, aber nicht perfekt. Das ein düsteres Geheimnis mit ihr verbunden ist, macht sie interessant und außergewöhnlich, sie bleibt aber in ihrem Denken und Fühlen jederzeit menschlich.

Noch bemerkenswerter als die Hauptperson ist der _Handlungsverlauf_.

Die Geschichte besteht zum größten Teil aus Rückblenden. Der Teil der Ereignisse, der zum Zeitpunkt der eigentlichen Erzählung spielt, ist mit „die Stimme der Vernunft“ überschrieben und erstaunlich dünn. Dabei dient er durchaus nicht nur dazu, die einzelnen Kapitel der Rückblenden miteinander zu verbinden. Offenbar hat Geralt – abgesehen von diversen Herrschern und Fürsten, die er verärgert hat – auch ein paar ernst zu nehmende Feinde. Die Zusammenhänge zwischen dem dunklen Schatten seines Schicksals und diesen Feinden, und ob auch seine Vergangenheit damit zusammenhängt, ist bisher nicht klar. Was diese Dinge angeht, hält Sapkowski sich stark zurück. Offenbar soll dieser Erzählstrang den roten Faden für die folgenden Bände bilden, weshalb der Autor nicht zu viel verraten wollte.

Ungleich ausführlicher sind dafür die Rückblenden ausgefallen, und sie bilden eine recht bunte Mischung. Hier kommt so ziemlich alles vor: Inzest, Rache, Vertreibung, Verwünschung, Diebstahl und Dämonenbeschwörung. Die gelegentlichen Ähnlichkeiten mit der Märchenwelt der [Brüder Grimm 3456 ist gewollt. Im Gegensatz zu Cecilia Dart-Thornton (|Die Feenland-Chroniken|) begnügt Sapkowski sich jedoch nicht damit, sie einfach zu rezitieren, nein, er baut sie unmittelbar in seinen Kontext ein, und das auf eine saloppe Art und Weise, die ich sehr amüsant fand. Und das sind nicht die einzigen Anspielungen, die sich hier finden.

Gewürzt wurde dieser Cocktail mit einer Prise trockenen Humors und einer gehörigen Portion Action – schließlich wird hier gegen Monster gekämpft, da geht es ziemlich zur Sache, allerdings bei weitem nicht so blutig oder eklig, wie man bei dieser Thematik befürchten könnte.

_Insgesamt_ eine sehr abwechslungsreiche Sache. Viele überraschende Wendungen sorgen dafür, dass keine der diversen Monsterjagden gleich abläuft. Der knappe Erzählstil lässt weder detaillierte Beschreibungen der Umgebung noch intensive Charakterzeichnungen zu – Sapkowskis Charakterzeichnung bezieht ihre Faszination mehr aus dem interessanten Entwurf als aus der Intensität der Darstellung -, kommt dafür aber der Action zugute. Die Intelligenz und Anpassungsfähigkeit des Protagonisten verhindert, dass die ganze Sache in pures Hauen und Stechen abgleitet. Und die Grundhandlung bietet einige Geheimnisse und Rivalitäten und macht neugierig, sowohl auf den Rest der Serie. Wer also eine Vorliebe für ein schnelles Erzähltempo, Schwertkämpfe, Raufereien und dunkle Geheimnisse hat, ist hier richtig.

_Andrzej Sapkowski_ ist Literaturkritiker und Schriftsteller und nebenbei Polens bekanntester Fantasy-Autor. „Der letzte Wunsch“ ist der zweite Band seines Hexer-Zyklus, der trotz großen Erfolgs bisher nicht vollständig ins Deutsche übersetzt wurde. Sinnigerweise fehlt – wie oben bereits angedeutet – ausgerechnet der erste Band! Dafür diente der Zyklus als Grundlage für einen Kinofilm und eine Fernsehserie sowie für das polnische Rollenspiel |Wiedźmin|. Auch ein Computerspiel ist in Arbeit.

Nach der Trilogie um Geralt den Hexer hat Andrzej Sapkowski einen weiteren Fantasy-Zyklus geschrieben, der auf Deutsch überhaupt nicht erhältlich ist. Erst die |Narrenturm|-Trilogie um die Abenteuer des jungen Medicus Reinmar von Bielau scheint es komplett in die deutschen Buchläden zu schaffen. Der letzte Band „Lux Perpetua“ ist für Dezember dieses Jahres avisiert.

http://www.der-hexer.de
http://hexer.wikia.com
http://www.dtv.de
http://www.sapkowski.pl
http://www.thewitcher.com

_Andrzej Sapkowski auf |Buchwurm.info|:_

[„Das Schwert der Vorsehung“ 5327 (Geralt-Saga, Band 2)
[„Das Erbe der Elfen“ 5334 (Geralt-Saga, 1. Roman)
[„Narrenturm“ 1884
[„Gottesstreiter“ 3367
[„Lux perpetua“ 4568

Briggs, Patricia – Drachenzauber

Ein Unglück kommt selten allein, sagt man. Das scheint auch für Ereignisse zu gelten, die auf harmlosere Art bemerkenswert sind. Auf jeden Fall lässt sich nicht leugnen, dass Wardwicks jüngere Schwester Ciarra gerade an jenem Tag in den Abwasserkanal von Burg Hurog geflüchtet und Wardwick auf der Suche nach ihr auf die Höhle mit den Drachenknochen und den jungen Oreg gestoßen ist, an dem sein Vater Fenwick den tödlichen Reitunfall hatte.

Nun ist Wardwick also Hurogmeten, der Herr von Burg Hurog, das heißt, er wird es sein, sobald er volljährig ist. Aber er hat kaum Zeit, das Erbe seines Vaters anzutreten. Nur wenige Tage nach der Beerdigung taucht eine entflohene Sklavin in Hurog auf, und natürlich dauert es nicht lange, bis auch ihre Verfolger vor der Tür stehen und sie zurückfordern. Als Wardwick sich weigert, die Frau herauszugeben, kommt es zum Eklat …

Charaktere

Wardwick, genannt Ward, ist idealistisch, ehrenhaft, stur und eine ausgeprägte Beschützernatur. Das macht ihn für nahezu alle, die sich um ihn sorgen, geradezu unerträglich. Er ist aber auch einfühlsam und intelligent, was zu zeigen er bisher mit großem Erfolg vermieden hat, um nicht von seinem Vater als Rivale empfunden und umgebracht zu werden. Seine hervorragend vorgetäuschte Dummheit bringt ihn allerdings auch in gehörige Schwierigkeiten, denn der Hochkönig hat eine Neigung, unliebsame Personen ins Asyl, eine Art Irrenanstalt, sperren zu lassen, und Wards Scharade bietet den dafür denkbar besten Vorwand.

Vorerst ist allerdings nicht der Hochkönig Jakoven sein Problem, sondern Kariarn, der König von Volsag. Er sammelt magische Artefakte, um seine Macht zu vergrößern, und giert deshalb nach den Drachenknochen in der Höhle unter Burg Hurog. Kariarn ist nicht unbedingt größenwahnsinnig. Wenn man sich ihm nicht widersetzt, kann er geradezu kumpelhaft sein. Das ändert aber nichts daran, dass er absolut skrupellos ist.

Jakoven dagegen ist nicht nur skrupellos und machthungrig, er ist auch grausam und tückisch. Während Kariarns Anhänger ihm aus freiem Willen folgen, benutzt Jakoven Magie, Folter und Erpressung, um sich die Menschen gefügig zu machen, wobei seine Erpressung nicht die geradlinige Art Kariarns hat, der seine Gegenüber vor die einfache Wahl stellt: Gehorsam oder Tod. Jakovens Angriff kommt immer von hinten!

Angenehm an Patricia Briggs Charakterbeschreibung ist, dass alle ihre Figuren relativ durchschnittlich geblieben sind. Beide Bösewichte sind menschlichen Grenzen unterworfen. Sie können ihre Gegner nicht durch schiere Übermacht niederwalzen, wie es die bösen, machtgierigen Zauberer in der High Fantasy gerne tun, und sind deshalb gezwungen zu taktieren und sich gewissen politischen Gegebenheiten zu beugen.

Wardwick ist zwar der vollkommene Typus eines Helden, aber auch er ist ein gewöhnlicher Mensch und beschützt die Seinen nicht, weil ein Held prinzipiell die Welt vor dem Untergang rettet, sondern weil er an den Leuten hängt, eine persönliche Bindung zu ihnen hat. Dies und die Tatsache, dass die Autorin den Hinweis auf Wards Heldentum selbst immer wieder augenzwinkernd anbringt, schüttelt jeden Gedanken an Klischee ab.

Das gilt auch für die Handlung. Der Eindruck vom Tsunami-Effekt, von der nur durch ein Wunder aufzuhaltenden, absoluten, alles vernichtenden Katastrophe, die das Gros der Fantasy so gern bemüht, fehlt hier völlig. Es sind kleinere Widrigkeiten, mit denen Ward sich herumschlagen muss, aber deshalb nicht weniger folgenreich für die Bevölkerung. Auch hier werden zwei Tyrannen gestürzt, allerdings nicht durch einen Akt überbordender Selbstaufopferung. Zugegeben, Zähigkeit gehörte durchaus zu den Eigenschaften, die nötig waren, um mit den beiden Antagonisten fertig zu werden, doch es hielt sich innerhalb der Grenzen dessen, was ein Mensch leisten kann.

Die Handlung bleibt dadurch näher am Leser. Ward ist niemand, zu dem man mit offenem Munde aufsieht, seine Geschichte keine, der man mit weit aufgerissenen Augen folgt. Diese Geschichte könnte auch einem von uns passieren. Vorausgesetzt natürlich, es gäbe ein paar nette Zutaten in unserer Welt.

Eine davon sind Drachen. Zu meiner Überraschung hielten sich diese mythischen Wesen allerdings sehr im Hintergrund. Der hauptsächlich vorkommende Drache ist Oreg, Wards Zauberer. Da Oreg aber hauptsächlich in menschlicher Gestalt unterwegs ist, neigt der Leser dazu, in ihm weniger den Drachen als den Zauberer zu sehen. Was der Faszination dieser Figur allerdings keinen Abbruch tut.

Eine weitere sind die Zwerge, die allerdings auch eher selten auftauchen. Der Hauptvertreter dieses Volkes ist Axiel, der aber wie Oreg ein Mischling ist und deshalb so menschlich wirkt, dass man seine Herkunft die meiste Zeit über vergisst.

Und dann ist da natürlich noch die Magie als solche. Angenehm ist auch hier wieder, dass selbst Oreg, mit dem kaum ein anderer Zauberer mithalten kann, nicht über unbegrenzte Fähigkeiten verfügt, sowohl im Hinblick auf die Menge der magischen Kraft, die ihm zur Verfügung steht, als auch bezüglich dessen, was er damit bewirken kann.

Mit anderen Worten, Patricia Briggs hat hier einen Roman abgeliefert, dem zwar das bombastische Weltuntergangspanorama fehlt, der aber genug Geheimnisse, Ränke, Verrat, List und Gegenlist bietet, um zu keiner Zeit Langeweile aufkommen zu lassen, dessen Charakterzeichnung wohltuend frei von Übersteigerung und Klischee bleibt, und der trotz dieser vornehmen Zurückhaltung dennoch genug Ideen bietet, um den Hauch von märchenhaftem Zauber zu entfalten, der Fantasy auszeichnet. Es hat Spaß gemacht, dieses Buch zu lesen.

Noch eine positive Überraschung jenseits der Erzählkunst der Autorin bescherte dem Leser der Verlag. Zur Abwechslung wurde hier mal nicht zerstückelt – wobei man der Gerechtigkeit halber feststellen muss, dass |Heyne| nicht zu dieser Unart neigt -, sondern es wurden zwei Romane in einem Buch zusammengefasst. Die Leistungen des Lektorats waren dafür nicht ganz von der gewohnt hohen Qualität. Gelegentlich stolperte ich doch über Fehler, die nicht immer nur als einfache Tippfehler durchgehen.

Patricia Briggs schreibt bereits seit fünfzehn Jahren Bücher. Neben Einzelromanen wie „When Demons Walk“ oder „The Hob’s Bargain“ schrieb sie eine Reihe von Mehrteilern – wie die |Sianim|-Serie oder die |Raven|-Duologie – und wirkte in Anthologien mit, darunter „Silver Birch, Blood Moon“ und „On The Prowl“, das im August dieses Jahres auf Englisch erscheint. Einige ihrer Bücher sind bereits wieder |out of print|. Auf Deutsch ist bisher nur „Drachenzauber“, das die beiden Hurog-Bände beinhaltet, erhältlich. Der erste Band der Mercedes-Thompson-Serie „Ruf des Mondes“ soll im November dieses Jahres in die Buchläden kommen.

Taschenbuch 800 Seiten

Originaltitel: „Dragonblood“ und „Dragonbones“

Deutsch von Regina Winter

ISBN-13: 978-3453523098

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Stackpole, Michael A. – Zum Helden geboren

Unüberwindbar mutet die Bannmauer für jeden an, der zum ersten Mal vor ihr steht. Ein magischer Wall zum Schutz des Imperiums. Denn während das imperiale Reich die alles einnehmende Ordnung verkörpert, ein System, das nach strikt geordneten Bahnen und Regeln verläuft, für deren Einhaltung seine Bewahrer bis in den Tod gehen, fließt hinter der Mauer das ungezügelte Chaos. Wer die Mauer von der imperialen Seite betrachtet, kann nicht anders, als sie als ein Meisterwerk zu bezeichnen, das die Stärke und Einheit des Imperiums symbolisiert. Auf der anderen Seite jedoch, wo das Chaos herrscht, wirkt sie bedrohlich und einengend – als die Umzäunung eines Gefängnisses, dem es zu entkommen gilt.

Viele Dämonen sind an der Mauer gescheitert und umgekommen, als sie versucht haben, diese zu durchdringen. Doch die Chaosmächte geben nicht eher auf, bis sie die Wände der Ordnung eingerissen haben. Immerhin haben sie einen bedeutsamen Vorteil auf ihrer Seite: Ihre wilde, ungeordnete Taktik entspringt einem Geist, in den sich die imperialen Kräfte niemals hineindenken können.

Und so ist es nur eine Frage der Zeit, bis die Schwachstelle der Bannmauer überwunden ist. Vraska, ein Brutkind aus den Lenden eines legendären Dämonenfürsten, überlebt den Vorstoß eines Tages. Als erster Dämon betritt er die Welt der Menschen und will sie fürchten lehren für all die Jahre hinter der dem Wall.

_Zum Autor_

Michael A. Stackpole hatte sich mit Romanen für die |Star Wars|- und |Mechwarrior|-Buchreihen einen Namen gemacht, bevor er mit |Düsterer Ruhm| eine eigene Fantasysaga kreierte. Mit „Zum Helden geboren“ legt er ein Einzelwerk vor, das in keiner der früheren Welten spielt, durch die Verknüpfung von düsterer Endzeit mit klassischen |Sword and Sorcery|-Elementen jedoch wie ein Mix aus den bisher bekannten Settings daherkommt. „Zum Helden geboren“ erschien bereits 2002 im |Heyne|-Verlag, fünf Jahre nach der amerikanischen Ausgabe, und ist nun bei |Piper| mit neuem Cover wiederveröffentlicht worden.

_Inhalt_

Lachlan, ein junger Mann, der von allen nur Locke genannt wird, wächst in einem kleinen Ort namens Felsenschnell in der Provinz Garik auf. Zusammen mit seinen zwei Brüdern wird er von seinem Großvater Audin aufgezogen und zum Krieger ausgebildet. Sein Großvater ist hart, doch immer fair und handelt im besten Gewissen, seine Jungs zu starken Persönlichkeiten zu machen. Er soll eines Tages durch die Lande ziehen und die dämonischen Bedrohungen bekämpfen – so, wie es auch Lockes Vater Cardew einst getan hat. Bei einer Mission durch die Chaoslande kam dieser jedoch nie zurück und hinterließ seine Söhne in der Obhut des Großvaters. Obwohl das genaue Verbleiben Cardews bis zum heutigen Tag ungeklärt geblieben ist und niemand genau weiß, welch Schicksal ihm im Chaos zuteil wurde, gehen alle von seinem Tod aus. Bis auf Locke, den, obwohl er seinen Vater nie persönlich kennen gelernt hat, die Hoffnung antreibt, seinen Vater eines Tages doch noch lebend zu finden.

Die Hoffnung, nicht zuletzt aber auch seine List und sein Geschick sind es, die es Locke ermöglichen, einen Wettkampf gegen seine körperlich überlegenen Brüder zu gewinnen. Sein Großvater Audin hat den Wettbewerb veranstaltet, um den Besten von ihnen in seinem Namen in die Hauptstadt Herakopolis zu schicken. Dort veranstaltet der Imperator ein großes Fest, auf dem Locke seine Großmutter Evadne begleiten und Audin vertreten soll.

Der Abschied fällt Locke schwer, doch als er seine Heimat verlassen und sich einer vorbeiziehenden Karawane angeschlossen hat, beginnt er, aus dem Schatten seines Großvaters zu treten und sich all jene Fertigkeiten anzueignen, die ihn Audin nicht lehren konnte. Auf der Karawane lernt er den rauen, aber ehrlichen Roarke kennen, der ihm viel von der Welt und den Dämonen erzählen kann. Und das Chaos ist auf der Reise bereits viel gegenwärtiger, denn einige weitere Gefährten, die schon in den Chaoslanden gekämpft haben, weisen Entstellung auf, die sich in aus der Haut wachsenden Stacheln oder Fangzähnen manifestiert haben. Trotz der offensichtlichen Gefahren, die das Chaos birgt, treibt Locke immer mehr der Wunsch, selbst zur Bannmauer aufzubrechen und auf der anderen Seite nach seinem Vater zu suchen. Zu dem Zeitpunkt weiß er allerdings noch nicht, dass er diesem Wunsch bereits sehr viel näher ist.

Schließlich trifft Locke in der Hauptstadt ein, in der er seine Großmutter besucht und sich mit ihren Bediensteten, vor allem der lebensfrohen Marija, anfreundet. Während diese ihm Stadt zeigt, erfährt Locke, dass ein dem Chaos nahestehender Mann samt seiner Familie grauenvoll ermordet, ausgeweidet und anschließend verspeist worden ist. Zudem erfährt er, dass ein Dämon von einer Gruppe Krieger nach Herakopolis verfolgt worden ist, dort jedoch untertauchen konnte. Das Geflecht zieht sich allmählich zusammen. Doch noch immer ist nicht klar, ob es sich tatsächlich um einen Dämonen handelt, denn die Bannmauer gilt weiterhin für Dämonen als unpassierbar.

Als letztendlich auf dem großen Fest des Imperators mitten im Eröffnungstanz ein bösartiger Zauberer erscheint und das Chaos verbreitet, und kurze Zeit später auch der Dämon auftaucht, ist Locke sich seines Ziels gewiss: Er will in die Chaoslande gehen und dort das Übel an der Wurzel bekämpfen. Nicht nur für sich, nicht nur für seinen Vater, sondern für die ganze Menschheit. Denn er ist zum Helden geboren.

_Bewertung_

„Zum Helden geboren“ fängt verheißungsvoll an. Ein junger Mann, der sich unter seinen älteren Brüdern benachteiligt fühlt, bekommt durch den Sieg eines von seinem Großvater ausgerufenen Wettstreits die Chance, seine Familie auf dem Fest des Imperators zu vertreten und die Welt kennenzulernen. Ebenso wie Locke, jener besagte junge Mann, lernt auch der Leser die Welt Schritt für Schritt kennen. Zunächst nur das Dorf, dann auf der Reise in die Hauptstadt die Verstrickungen um das Chaos, die durch die Geschichten der Karawanen-Reisenden vor dem geistigen Auge Kontur gewinnen, und schließlich die Hauptstadt selbst, die sich als farbenfroher Gegensatz zur Einöde und tristen Kargheit des übrigen Landes präsentiert.

Doch während die Handlung weiter in der Hauptstadt verläuft und sich nur gemächlich, und zwar viel zu gemächlich entfaltet, beginnt die düstere, zunächst gelungen anmutende Fassade der Welt zu bröckeln, die letztendlich doch nur eine leicht abgewandelte Variante des ausgelutschten Gut-gegen-Böse-Schemas in Form von Imperium und Chaos darstellt. Stackpole gelingt es nicht mehr, den Leser mitzureißen, und kann die Erwartungen, die er durch die drohenden Konflikte der ersten Seiten aufbaut, nicht mehr einhalten. Die Geschichte flacht zu einem Einheitsplot ab, der jegliche überraschenden Wendungen verliert und ab dem Fest des Imperators in der Mitte des Romans zielgerichtet auf das bereits zu erahnende Finale zusteuert.

Anstatt die Spannung zu halten, die den Leser durch die Augen des Protagonisten Locke in Form von Geschichten über die Welt jenseits Felsenschnells und dem Chaos an den Roman zu fesseln beginnt, verliert sich der Autor in Nebensächlichkeiten und merkt erst viel zu spät, dass er wieder auf die Haupthandlung zusteuern muss. Während ihm dies nach 250 Seiten bewusst wird, mag der ein oder andere Leser schon abgesprungen sein. Derjenige, der weiterliest, erfährt tatsächlich eine Steigerung. Allerdings nur eine kleine, die keine bewegenden Plotwendungen mehr enthält und ein Ende abliefert, das den Roman entsprechend abschließt, aber nicht befriedigt.

„Zum Helden geboren“ hätte deutlich mehr Potenzial gehabt, denn Stackpole kann allein durch mitreißende Dialoge Stimmung aufbauen. Er braucht keine seitenlangen Landschaftsbeschreibungen, um die Welt entstehen zu lassen. Der schwache Plot lässt jedoch die guten Ansätze verblassen und den Roman im Mittelmaß versinken.

http://www.piper-verlag.de/boulevard/

_Michael A. Stackpole auf |Buchwurm.info|:_

[„Das verlorene Land“ 1036 (Saga der neuen Welt 1)
[„Der Kampf um die alte Welt“ 2238 (Saga der neuen Welt 2
[„Geisterkrieg“ 145 (Mechwarrior Dark Age 1)
[„Der große Kreuzzug“ 748 (Düsterer Ruhm 6)
[„Der Weg des Richters“ 1047
[„Es war einmal ein Held“ 1672
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Irvine, Ian – Spiegel der Erinnerung, Der (Die drei Welten 1)

Llian steht kurz davor, das zu erreichen, wofür er die letzten fünfzehn Jahre gelernt und gearbeitet hat: ein Meisterchronist zu werden. Doch seine Variante der |Großen Geschichte der Düsternis| stößt nicht nur auf Begeisterung. Wistan, der Direktor des Kollegiums, zweifelt Llians Beweise zwar nicht öffentlich an, lässt sie aber auf schnellstem Weg in der Versenkung verschwinden und versucht, Llian mundtot zu machen. Als ihm das nicht gelingt, schickt er ihn kurzerhand mit einem halsbrecherischen Auftrag ins Gebirge. Er soll eine junge Frau namens Karan aufspüren und nach Thurkad bringen …

Karan ist zwar noch eine junge Frau, hat aber schon mehr erlebt als manch anderer. Da sie eine alte Schuld zu begleichen hat, lässt sie sich dazu überreden, einem Magister im fernen Süden ein magisches Artefakt, den |Spiegel von Aachan|, zu stehlen. Von diesem Augenblick an hetzen die Schergen des Magisters sie unablässig durch den halben Kontinent. Und nicht nur das: Karan plagt die Gewissheit, dass sie den Spiegel keinesfalls in die falschen Hände geben darf, wenn sie nicht entsetzliches Unheil auf die ganze Welt herabbeschwören will. Aber wem soll sie den Spiegel anvertrauen?

_Charaktere_

Karan ist erstaunlich zäh. Als Empfindsame, das heißt jemand, der alle Empfindungen – auch die anderer – um ein vielfaches stärker wahrnimmt als normale Menschen, scheint sie nicht besonders belastbar. Tatsächlich gab es in ihrer Familie genügend Beispiele für geistige Labilität und Wahnsinn. Andererseits wirkt die hartnäckige Verfolgungsjagd offenbar stabilisierend auf Karan, sie lernt Selbstbeherrschung, und auch ihr Körper wird gestählt. Ohne es zu ahnen oder zu wollen, schleift der Magister Yggur die junge Frau zu einer ernst zu nehmenden Waffe.

Llian ist von Karan so verschieden wie überhaupt nur denkbar. Mehr als die Hälfte seines Lebens hat er damit verbracht, seine Nase in Bücher zu stecken. All seine Begeisterung gilt Geschichten und Historien, ansonsten ist er nahezu völlig lebensuntauglich, ein schwärmerischer Träumer ohne nennenswerten Bezug zur Realität. Karan zumindest empfindet ihn eher als nutzlos und lästig. Allein seine Stimme scheint sie zu mögen. Die bedeutendste seiner Fähigkeiten dagegen geht nahezu völlig unter: Wenn Llian Karan im Arm hält, kann sie schlafen, ohne zu träumen!

Beide Hauptpersonen sind gut getroffen und angenehmerweise nicht statisch, sondern sie entwickeln sich. Das gilt vor allem für Karan. Überhaupt hat Irvines Charakterzeichnung den Vorzug, dass sie zum einen komplett auf Typen verzichtet – keine Elfen, keine Zwerge oder sonstige Wesen, die festen Definitionen unterliegen und daher nur wenig Variationsmöglichkeiten offen lassen – und zum anderen kein zementiertes Gut und Böse kennt. Selbst Karans Verfolgern, die durchaus ungewöhnlich aussehen und auch ungewöhnliche Fähigkeiten besitzen, hat der Autor menschliche Züge belassen.

_Handlung_

Das wirkt sich auch auf die Handlung aus. Schon im ersten Band, der sich hauptsächlich mit Llians Verbannung und Karans Flucht befasst, deutet sich eine hohe Komplexität an. Gleich der erste Gegner, mit dem die Heldin es zu tun bekommt, zeigt Schwächen wie Sorge, Angst und Schmerz. Da er nicht allein durch pure Machtgier, Bosheit oder irgendeinen Wahn definiert ist, ist der Leser in der Lage, seine Beweggründe zu verstehen und seine Argumentation nachzuvollziehen. Wie im wirklichen Leben ist es so, dass eben nicht immer nur einer Recht hat und alle anderen Unrecht. So sind Karan und Idlis nur deshalb Feinde, weil Karan sich einer Verpflichtung nicht entziehen konnte, die ursprünglich überhaupt nichts mit Yggul und den Seinen zu tun hatte.

Ygguls Beweggründe sind allerdings bisher als einzige etwas detaillierter dargestellt. Sein größter Gegner Mendark sowie die Auftraggeberin des Diebstahls Faelamor sind bisher noch nicht persönlich aufgetaucht. Und Wistan begründet die Verbannung Llians lediglich damit, seine Geschichte bringe das Kollegium in Gefahr. Warum dies der Fall sein sollte, darauf geht er leider noch nicht genauer ein.

Dasselbe gilt für die Ausarbeitung der Historie, die eine enorme Rolle spielt. Nur ein Ausschnitt dieser Vergangenheit wird genauer beleuchtet, in Llians Geschichte, mit der er den Unwillen Wistans auf sich zieht. Alles andere bleibt äußerst bruchstückhaft, angefangen bei dem Grund für die Ächtung der Zain, zu denen Llian gehört, über die verschiedenen Bündnisse und Gegnerschaften während des Krieges bis hin zu dem geheimnisvollen Spiegel, dessen Bewandtnis bisher keiner kennt. Das macht die ganze Sache stellenweise etwas verwirrend und auch ein klein wenig unbefriedigend.

Letztlich jedoch vergisst der Leser diese kleinen Unannehmlichkeiten recht schnell, denn nachdem die Hauptpersonen eingeführt sind, legt der Autor ein recht hohes Erzähltempo vor. Karan gönnt er kaum eine ruhige Minute, und nachdem Llian sie endlich gefunden hat, geht es ihm natürlich kein Deut besser. Jedes Mal, wenn der Leser glaubt, nun hätten sie ihre Verfolger endlich abgehängt, tauchen diese plötzlich wieder auf. Und jedes Mal entkommen die Flüchtlinge nur knapp. Das Kunststück dabei ist, dass kein einziges Mal der Eindruck von Wiederholung entsteht.

Mitten in Karans und Llians Überlebenskampf bricht das Buch dann auf einmal ab. So abrupt, dass ich mich schon fragte, ob hier ein Verlag wieder mal ein Buch einfach in zwei Teile gehackt hat. Ob das tatsächlich der Fall ist, wird sich zeigen.

_Das Lektorat_ hatte Rechtschreib- und Satzbaufehler diesmal ziemlich im Griff. Gestolpert bin ich dafür über die Szene im Wirtshaus von Tullin, wo Tee und Würzwein ein wenig durcheinandergeraten sind. Ansonsten las das Buch sich flüssig.

_Alles in allem_ ist „Der Spiegel der Erinnerung“ ein vielversprechender Einstieg in einen Zyklus ohne feste Schemata oder Schwarz-Weiß-Effekte, mit einer umfangreichen Vorgeschichte, die sich noch ein wenig mehr entfalten darf, und einer bewegten, temporeichen Handlung. Wer mal etwas anderes als die übliche High-Fantasy lesen will, hat hier die Chance auf ein wenig Abwechslung.

_Ian Irvine_ ist Doktor für Meeresbiologie und hat einen Großteil des südpazifischen Raums bereist. Die Idee zu seinem Drei-Welten-Zyklus entstand bereits während des Studiums. Die damals entstandenen Karten und Skizzen dienten später als Basis für die Ausarbeitung, die inzwischen zwei Tetralogien umfasst und noch weiter ausgebaut werden soll. Abgesehen davon hat Ian Irvine den Öko-Thriller „Human Rites“ geschrieben sowie den Zyklus |Runcible Jones|. „Der Spiegel der Erinnerung“ ist das erste seiner Bücher, das auf Deutsch erschienen ist. Der zweite Band mit dem Titel „Das magische Relikt“ ist ab August dieses Jahres erhältlich.

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Horst Hoffmann – Dorlog (Titan-Sternenabenteuer 28)

_Story_

Eine Flotte der Cadschiden hat kurz vor der Landung auf der Erde einen verheerenden Unfall. Das Schiff ihres Anführers Dorlog explodiert kilometerweit über der Oberfläche und fordert mehrere Opfer. Der verletzte cadschidische Emoreb schlägt sich indes zu einer gläubigen Farmer-Familie durch und erholt sich von den Folgen der Katastrophe. Doch Dorlog verliert sein Ziel nicht aus den Augen – und hinterlässt innerhalb der Familie, die ihn gepflegt hat, ein Bild des Grauens.

Unterdessen reist die Besatzung der |Titan| unter der Leitung von Vanessa Modesta nach Cadschid, um mehr über die neueste Technik des Volkes zu erfahren. Bei ihrer Ankunft bietet sich ihnen jedoch ein furchtbarer Anblick. Die Cadschiden stehen im Krieg, auf der einen Seite die ’normale‘ Unterzahl, auf der anderen Seite die Emotionsrebellen, die alles daransetzen, die verlorenen Gefühle wiederzuerlangen. Ihre Hoffnung beruht auf Dorlog, der vor kurzem zur Erde entsandt wurde, um die Menschheit mit der neuesten Technik völlig ihrer Gefühle zu berauben. Und während die Crew der |Titan| auf Cadschid noch ums nackte Überleben kämpft, droht der Erdbevölkerung ein Leben als seelenlose Zombies – es sei denn, es geschieht noch ein Wunder.

_Persönlicher Eindruck_

Innerhalb dieser Reihe muss man mal ganz deutlich eine Lanze für Horst Hoffmann brechen. Sowohl sprachlich als auch inhaltlich gehören seine Beiträge zu den „Titan-Sternenabenteuern“ zu den Highlights der Serie, so auch die aktuelle Episode „Dorlog“, die sich ein ganzes Stück weit vom Social-Fiction-Background der letzten Romane löst und die |Titan| wieder dorthin führt, wo sie Science-Fiction-Fans seit beinahe zwei Jahren wieder gerne sehen würden, nämlich auf Abenteuerreisen durchs Weltall. Hoffmann setzt weder auf Pseudo-Erotik noch auf belanglose, überstrapazierte Liebschaften und schon gar nicht auf eigenartigen Humor, wie ihn Kollege Parzzival unlängst immer wieder überflüssigerweise bemühte. Stattdessen steht in seinem neuen Roman die Action wieder im Vordergrund, und dies auch sehr, sehr ausgeprägt.

Bereits auf den ersten Seiten macht der Autor unmissverständlich klar, dass es in „Dorlog“ nicht zimperlich zugehen wird. Der kompromisslose Überfall des obersten Emotionsrebellen und Titelgebers auf die unschuldigen Familienmitglieder ist ziemlich heftig und will erst mal verarbeitet werden. Brutal schlachtet sich Dorlog durch ein rückständiges Dorf streng religiöser Ländler und kreiert so ein erstes Bild von der bevorstehenden, neuen Bedrohung. Ähnlich verhält es sich auch auf dem von Krieg gezeichneten Heimatplaneten des auf Eroberungszug befindlichen Emorebs; Cadschid ist stark verwüstet, der Bürgerkrieg zeigt deutliche Spuren und entzweit das ursprüngliche Volk des Planeten. Das Warten auf den Lariod, den einzig wahren Beschützer und Heilsbringer, scheint den meisten überflüssig und zu distanziert. Die Cadschiden nehmen stattdessen selber das Heft in die Hand und hoffen auf ihre Eskorte auf der Erde, die ihnen einen Überschuss an Gefühlen auftreiben soll, koste es, was es wolle.

So spitzt sich die Lage an beiden Orten zu, bis einige völlig überraschende Wendungen den Plot völlig auf den Kopf stellen. Dorlog wird von der Familie, die er brutale dezimiert hat, aufgrund der religiösen Überzeugung verschont und erfährt somit die wahre Liebe. Er hat das Gefühl entdeckt, nach dem die Cadschiden seit Ewigkeiten gesucht haben, und ist überzeugt, dass er damit seinen Planeten retten und den Krieg beenden kann. Doch Dorlog wird von seinen Kollegen mittlerweile für tot erklärt, nachdem sein letztes Lebenszeichen in weiter Ferne liegt. Sein Stellvertreter Ormagor schwingt sich auf, das zu beenden, wofür die Abgesandten auf die Erde gekommen sind. Und da Ormagor ein regelrechter Fanatiker ist, sind ihm alle Mittel recht. Ohne dass die Welt es erahnt, ist sie in größter Gefahr.

Es ist auf jeden Fall mal angenehm, über die Dauer eines gesamten Romans von der Affäre zwischen Shalyn Shan und Monja sowie allen damit verbundenen Peinlichkeiten verschont zu bleiben. Zwar fragt man sich, warum der in „Krakentanz“ gesponnene Plot nun jäh unterbrochen wird und man plötzlich zwei völlig neue Stränge eröffnet, ohne den vorherigen abgeschlossen zu haben, doch nach den ständigen inhaltlichen Wiederholungen der letzten Ausgaben der „Titan-Sternenabenteuer“ sind diese erfrischenden Umschwünge überaus willkommen und führen die Serie endgültig aus der Misere heraus.

Hoffmann vollzieht einen gewagten, aber durchweg gelungenen ‚Back to the Roots‘-Schritt, der zwar hier und dort etwas weniger glaubwürdig erscheint (so kauft man der durch Dorlogs Attentate verwitweten Jessi keinesfalls ab, dass sie dem Cadschide seine Taten verzeiht), aufgrund der prima dargestellten Action und dem deutlich angehobenen Sprachniveau jedoch problemlos zum besten „Titan“-Gehversuch seit langer Zeit avanciert. „Dorlog“ bringt endlich wieder die |Titan| ins Spiel und führt das beliebte Schiff nach längerer Abstinenz wieder durch die Sternenreiche. Hoffen wir einfach mal, dass die hier getätigten Ansätze den alten, fast schon vergessenen Rahmen wieder kitten und auch künftig endlich wieder klassische Science-Fiction geboten wird. Nr. 28 ist ein weiterer Schritt in die richtige Richtung!

Taschenbuch ‏ : ‎ 158 Seiten
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Novik, Naomi – Drachenbrut (Die Feuerreiter Seiner Majestät 1)

Drachen gehören seit jeher zum Standardrepertoire der Fantasyliteratur. Uralt, weise, mächtig und tödlich, Hüter von Horten voller magischer Schätze, wohlwollend oder blutrünstig, und stets faszinierend. Die amerikanische Autorin Naomi Novik (* 1973) jedoch macht Drachen zu intelligenten, sprechenden und treuen Verbündeten der Menschen, und versetzt sie in die Zeit der Napoleonischen Kriege. Als „Die Feuerreiter Seiner Majestät“ sichert das Luftkorps gemeinsam mit der Royal Navy die englische Luft- und Seeüberlegenheit im Ärmelkanal und verhindert so die Invasion durch Napoleons Truppen.

Dem englischen Kapitän Will Laurence ist das Kriegsglück hold: Es gelingt ihm, eine französische Fregatte zu kapern, deren Besatzung sich trotz hoffnungsloser Lage verbissen zur Wehr setzt. Der Grund ist ihre seltene und wertvolle Fracht: ein Drachenei, das kurz vor dem Schlupf steht. Dies bringt Laurence in arge Nöte, denn ein Drache muss nach seiner Geburt sofort gebunden und angeschirrt werden. Doch das bedeutet, einen seiner Offiziere an das Luftkorps zu verlieren. So wichtig und unverzichtbar Drachen für die Sicherheit Englands auch sind, ist der Dienst im Luftkorps wenig geachtet und eine wahre Lebensaufgabe, weshalb kein Gentleman sich um diese zweifelhafte Ehre reißt. Doch der kleine Drache schlüpft noch auf dem Schiff, und er erwählt Laurence …

Dies bedeutet für Laurence den Verzicht auf eine glänzende Zukunft in der Marine, ebenso den Verlust seiner Verlobten. Sein Vater zeigt sich ebenfalls ungehalten. Doch findet er in dem von ihm |Temeraire| (die |HMS Temeraire| deckte Lord Nelsons |Victory| in der Schlacht von Trafalgar) getauften Drachen einen wundersamen und intelligenten Gefährten, weit mehr als ein nützliches Tier, zu dem er bald tiefe Zuneigung und Liebe empfindet. Gemeinsam mit Temeraire wird er vom britischen Luftkorps zum Drachenreiter ausgebildet, der viel zu früh seine ersten Luftkämpfe mit französischen Drachen bestehen muss. Auch wenn Temeraire nicht ganz das Kampfgewicht der größten britischen Drachen erreicht, ist er etwas ganz Besonderes, denn er ist ein chinesischer Drache vorerst unbestimmter Art – wie sich später herausstellt, ein Geschenk des chinesischen Kaiser an Napoleon persönlich. Temeraire kann seine Fähigkeiten bald eindrucksvoll zur Schau stellen, denn Verrat und Intrige führen zu einer gefährlichen Situation: Die Invasion Britanniens droht, und es ist an Lord Nelson und den Feuerreitern Seiner Majestät, diese Bedrohung abzuwenden.

_Ein Offizier und Gentleman und sein edler Drache_

Naomi Novik setzt zwei Schwerpunkte in „Drachenbrut“: Die Beziehung zwischen Temeraire und Will Laurence sowie die soziale Sonderstellung des Luftkorps in der konservativen britischen Gesellschaft nehmen den Großteil des Romans ein, Luftkämpfe in der Art früher Jagdflieger als „Helden der Lüfte“ finden sich erst gegen Ende des Romans. Trotz der oft heftigen Kämpfe wird die Brutalität des Krieges weitgehend ausgeblendet, Bodenangriffe feuerspeiender Drachen findet man nicht, stets kämpfen sie gegen andere Drachen, während ihre Besatzungen den anderen Drachen zu entern versuchen und ihn beziehungsweise seinen Kapitän mit vorgehaltener Pistole zur Aufgabe zwingen.

Will Laurence ist ein echtes Musterbeispiel eines britischen Offiziers. Treu und pflichtbewusst, mutig und tapfer sowie mit einem ausgeprägten Gerechtigkeitsempfinden versehen, ist er der geborene Held. Sein Drachen steht ihm da kaum nach: Temeraire gehört zu den intelligentesten Drachen überhaupt, zudem zeichnet er sich durch grenzenlose, uneingeschränkte und rührende Liebe und Treue zu Laurence aus. Diese Beziehung ähnelt der zwischen Flipper, Lassie und ihren menschlichen Partnern, hat aber auch aufgrund der Sprachfähigkeit und Intelligenz Temeraires durchaus etwas von einer perfekten Ehe/Partnerschaft, welche den Reitern meist aufgrund des intensiven Pflege- und Zuwendungsbedarfs ihrer gigantischen Schützlinge verwehrt ist.

Diese Mischung erscheint merkwürdig, aber Temeraire und Laurence sind zweifellos eines der liebenswertesten und faszinierendsten Gespanne, über das ich je gelesen habe. Interessant ist auch die Stellung der Drachenreiter in der britischen Gesellschaft: Sie werden als Sonderlinge betrachtet, der enge Umgang mit einem Tier wird vom Adel sehr skeptisch gesehen, was des öfteren Laurence‘ Groll erregt. Untereinander pflegen die Drachenreiter einen lockereren Umgangston als in der Marine, dennoch gibt es auch bei ihnen – und bei ihren Drachen – feste Hierarchien und recht komplexe Umgangsformen und Etikette, die dem Roman einen Hauch von Stil und Klasse eines vergangenen Zeitalters verleiht.

_Große Drachen, kleine Drachen_

Eine ausführliche Drachenkunde darf in diesem ersten Band der Tetralogie um die Feuerreiter Seiner Majestät natürlich nicht fehlen. So haben die Briten mit den mächtigen Königskupfer-Drachen zwar die größten Drachen, mit entsprechender Tonnage (sie werden entsprechend in der Art von Linienschiffen im dichtesten Getümmel eingesetzt), aber es fehlt ihnen an feuerspeienden Drachen, wie sie die Franzosen oder Spanier zum Beispiel mit dem Flamme-de-Gloire besitzen. Das britische Luftkorps dagegen kann mit den Langflüglern auftrumpfen, schnellen und säurespeienden Drachen mittlerer Größe, die gewöhnlich auf weibliche Reiterinnen bestehen – der Grund, warum es im Luftkorps auch Pilotinnen gibt, was Laurence aufs Tiefste verwundert, denn das gefährliche Drachenreiten ist in seinen Augen alles andere als „Lady-like“.

Temeraire selbst ist ein nicht genau klassifizierbarer Sonderfall; er besitzt mehr Krallen an den Klauen als europäische Drachen und ist somit ein chinesischer Drache, dessen besondere Fähigkeiten vorerst verborgen bleiben. Neben ungewöhnlich hoher Intelligenz und Sprachbegabung ist er auch ein exzellenter Flieger und kann in der Luft auf der Stelle stehen, was sonst nur kleineren Sturzflüglern (eine Art Sturzkampfbomber) vorbehalten ist. Kleinere Graulinge und Winchester-Drachen werden meistens zu Kurierflügen eingesetzt; viele französische Drachen sind gewöhnlich nachtaktiv und deshalb gegenüber Lichtblitzen empfindlich.

_Die Helden der Lüfte_

Eine gehörige Suspension of Disbelief ist bei der etwas arg romantisierenden Kriegsführung mit Drachen nötig: Die Drachen fliegen in Formationen am Himmel, und obwohl es „Bomber“ gibt, liegt Naomi Noviks Augenmerk ausschließlich auf den Luftkämpfen zwischen Drachen und ihren Besatzungen. Die Drachen selbst sind recht empfindlich – ein Scharfschütze kann einen Drachen mit einem gezielten Schuss auf Entfernung töten, deshalb tragen sie eine Art Kettenpanzerung, aber einer Kanonenkugel kann kein Drache widerstehen. Auf direkte und wohl eher brutale Beschreibungen der Wirkung eines feuerspeienden Drachen auf Schiffe oder eines Säureregens auf ungeschützte Soldaten am Boden lässt sich Naomi Novik nicht ein; der Tod eines Drachen ist auch die absolute Ausnahme, mehr als schwer verwundet und unter Tränen wieder gesundgepflegt wird hier kein Drache. Sehr verwunderlich ist auch, warum diese oft hochintelligenten Geschöpfe so sehr die Nähe des Menschen suchen und in seinen Kriegen auf verschiedenen Seiten kämpfen. Die Treue eines Drachen zu seinem Reiter, und in den meisten Fällen umgekehrt ebenso, ist absolut.

_Fazit:_

Laurence und Temeraire sind einfach faszinierend. Ich hätte nicht erwartet, dass eine wie beschrieben etwas schwer zu verdauende Verbindung der Kriege des napoleonischen Zeitalters mit Drachen mich so fesseln könnte. Die Faszination des Romans entsteht aus der Verbindung von Stil und Klasse britischer Offiziere mit einem absolut faszinierenden gefährlichen und überaus fähigen Schoßtierchen, womit ich Temeraire keinesfalls gerecht werde. Meine einzigen Kritikpunkte sind die recht braven Verharmlosungen und Verniedlichungen kriegerischer Auseinandersetzungen sowie die Frage, ob die Faszination, einen Drachen als Freund und Gefährten zu haben, auf Dauer unterhalten kann. Naomi Novik bedient hier gezielt Träume nach einem faszinierenden (Tier-)Gefährten. Als historisch exakt würde ich diese Saga, wie so oft behauptet wird, auch nicht bezeichnen, bereits im ersten Band weicht Novik, abgesehen von den Drachen, erheblich von historischen Tatsachen ab, insbesondere bei der Schlacht von Trafalgar.

„Drachenbrut“ hat mir trotz dieser Kritikpunkte ausgezeichnet gefallen; das ungewöhnliche Szenario ist ungemein reizvoll, voller ungewöhnlicher und interessanter Charaktere, die mir oft ein wenig zu perfekt und liebenswert erschienen. Ein Subplot über einen Kapitän, der seinen Drachen nur aufgrund seiner Herkunft bekam und ihn schlecht behandelt, zielt in die andere Richtung und drückt auf die Tränendrüse des Lesers.

Auch Regisseur Peter Jackson („Der Herr der Ringe“, „King Kong“) ist bekennender Fan von Temeraire: Seine Produktionsfirma hat die Rechte erworben, er selbst bezeichnet die Verfilmung als groß angelegtes Projekt – „groß“ lässt aus seinem Munde einiges erwarten! Eine angemessene Darstellung der innigen Beziehung zwischen Temeraire und Laurence dürfte sich als große Herausforderung erweisen.

In der Folge wird sich die Serie schnell in Richtung eines noch exotischeren Handlungsorts bewegen: China. Der chinesische Kaiser ist nicht allzu glücklich darüber, dass sein wertvolles Geschenk in die Hände eines gewöhnlichen britischen Marineoffiziers gefallen ist …

Offizielle Homepage der Autorin:
http://www.temeraire.org/

Deutsche Fanseite:
http://www.temeraire.de/

Website des Verlags:
http://www.cbj-verlag.de

deWitt, Carl A. – Krone von Lytar, Die

Seit Jahrhunderten lebt das Dorf Lytara in Frieden. Die wenigen Schwerter, die die Menschen besitzen, sind eingemottet. Denn einst brachte das Volk der Lytarer Angst und Schrecken über die Welt, bis die Götter in ihrem Zorn die Stadt Lytar dem Erdboden gleichmachten und ihre Bewohner nahezu ausrotteten.

Doch eines Tages wird Lytara unerwartet von fremden Soldaten überfallen. Belior, der Herrscher eines fernen Reiches, giert nach der alten Macht und Magie Lytars, der die Nachfahren jenes Volkes längst abgeschworen haben: der Krone Lytars. Aber wie sollen sich die Lytarer gegen die feindliche Übermacht wehren, wenn nicht mit Hilfe der uralten magischen Artefakte, die noch immer im Wald verborgen liegen? Und wie sollen sie diese benutzen, ohne erneut all die Übel heraufzubeschwören, die sich um keinen Preis wiederholen dürfen?

Auf der Suche nach Antworten machen Garret, Tarlon, Elyra und und Argor sich auf den Weg in den Wald von Lytar. Ein gefährliches Unterfangen, denn ihnen droht nicht nur die Entdeckung durch die Soldaten Beliors, in dem verdorbenen Wald streifen auch unzählige Monster umher …

Ein wenig merkt man Carl deWitts Roman die Vorliebe des Autors für Rollenspiele an. Das zeigt sich bereits an der Zusammensetzung der Gruppe:

Garret ist ein hervorragender Bogenschütze. Wie könnte es auch anders sein, wo sein Vater doch der Bogenmacher des Dorfes ist. Abgesehen davon ist er ein begabter Fährtenleser und sehr gut im Verstecken und Davonlaufen. Was keineswegs heißen soll, dass er feige wäre, im Gegenteil. Sein angeborener Sturkopf lässt ihn auch noch im Weglaufen einen Weg finden, sein Ziel trotzdem zu erreichen. Und seine nahezu unentwegt gute Laune stützt massiv die Moral der anderen.

Denn vor allem Argor neigt gelegentlich zu Missmut und Schwarzseherei. Vielleicht liegt es daran, dass er ein Zwerg ist. Auf jeden Fall hat er eine unüberwindbare Abneigung gegen Magie, die ihn gelegentlich mit dem aufgeschlosseneren Garret in Konflikt bringt. Andererseits ist Argor vor allem eines: treu. Und so folgt er seinen Freunden, wenn auch mit wenig Begeisterung, auf einen Maultierrücken, durch die Luft, ja selbst ins Wasser!

Tarlon ist – sehr vereinfacht ausgedrückt – Holzfäller, und schwingt seine Axt mit bemerkenswerter Präzision, nicht nur gegen Bäume. Im Gegensatz zu Elyra ist er der Meinung, dass die Krone Lytars in Beliors Händen keinesfalls Frieden für Lytara bedeuten würde! Er ist der schweigsame Denker der Gruppe, der hauptsächlich mit Beobachten und Zuhören beschäftigt ist.

Elyra ist der widersprüchlichste Charakter. Sie ist eine Halbelfe und als Findelkind bei der Sera Tylane, der Heilerin des Dorfes aufgewachsen. Tod und Schmerzen, die so plötzlich über ihre stille Heimat hereingebrochen sind, haben sie zutiefst entsetzt, sodass sie am liebsten die Krone Lytars den Angreifern überlassen würde, um das alles schnellstmöglich zu beenden. Das hält sie aber nicht davon ab, mit stählerner Entschlossenheit eigenhändig einen Attentäter umzubringen. Elyra handelt ganz aus dem Bauch heraus und verlässt sich dabei völlig auf die Führung durch Mytral, die Göttin, der sie dienen möchte.

Im Großen und Ganzen also ein recht gängiger Charakterentwurf. Immerhin sind die Figuren nicht steif oder hölzern geraten, wenn auch die Szene, in der Elyra sich von Argor und Knorre verabschiedet, ehe sie in den Keller des Staudammes hinuntersteigen, vielleicht ein wenig übertrieben wirkt. Die Personen als solche sind recht sympatisch, nicht nur aufgrund ihrer Eigenheiten, sondern auch durch die Tatsache, dass es unter ihnen keinen echten Anführer gibt. Die Gruppe agiert als Ganzes und ergänzt sich.

Und auch die Nebenfiguren besitzen alle ein paar Eigenheiten, die sie sehr menschlich und damit echt wirken lassen.

Die Handlung dagegen würde ich nicht als typisch für Rollenspiele bezeichnen. Die Suche bedeutet in diesem Fall keine Reise durch die halbe Welt zu irgendeinem Orakel oder Weisen oder Zauberer. Hier bedeutet Suche das Graben in Ruinen, in der Vergangenheit. Die Protagonisten brechen also nicht auf und sind monatelang unterwegs, vielmehr handelt es sich um mehrere kurze Expeditionen in die nähere Umgebung, von denen sie immer wieder in ihr Dorf zurückkehren. Die Handlung bleibt also stets mit dem Ursprungsort verknüpft.

Die Antworten sind allerdings noch sehr bruchstückhaft. Und vorerst bleibt auch die Bedrohung durch die fremden Invasoren noch eher im Hintergrund. Trotz einiger Abenteuer im Verdorbenen Wald – wie dem Kampf mit wilden Hunden, gefräßigen Insekten und ähnlichem – bleibt die Spannung die meiste Zeit auf eher mittlerem Niveau. Die einzelnen Hindernisse werden ein wenig zu glatt und problemlos abgefertigt. Erst gegen Ende zieht der Autor den Spannungsbogen etwas straffer an.

Etwas mehr Ausarbeitung hätte auch die Überlieferung der Lytarer vertragen. Zweimal werden die jungen Leute in den Wald geschickt, um bestimmte Orte zu suchen: den schlafenden Mann und den Turm eines Magiers. Aber niemand erklärt den Freunden, woher das Wissen um diese Orte kommt, zumal die Bibliothek abgebrannt ist! Das Gleiche gilt für die geheime Kammer im Keller des Wirtshauses. Das ist alles noch ein wenig schwammig geraten.

Gut gefallen hat mir die Idee, alles von einem Geschichtenerzähler berichten zu lassen. Die gelegentlichen Einwürfe des Zuhörers waren so eingearbeitet, dass sie nicht störten, und ein paar zarte Andeutungen lassen vermuten, dass auch diese Rahmenhandlung noch von Bedeutung sein wird. Sie macht neugierig …

Überrascht hat mich der Schluss, wo Elyra vom Frieden singt, als wäre die endgültige Schlacht schon geschlagen. Dabei sitzt Belior noch immer in seinem Königreich, und es ist unwahrscheinlich, dass er nach den Ereignissen dieses Buches plötzlich von seiner Suche nach der Krone ablassen wird. Das Ende schreit geradezu nach einer Fortsetzung, wie auch die diversen Andeutungen und unbeantworteten Fragen! Und auch, wenn die Autoreninfo lediglich von einem „weiteren Titel in Arbeit“ spricht, dürfte es sich dabei ziemlich sicher um einen zweiten Band zur „Krone von Lytar“ handeln.

Der Leser kann also getrost davon ausgehen, dass dieses Buch erst der allmähliche Auftakt zu einer größeren Sache war. Immerhin sind der Bösewicht und seine Schergen bisher nur mäßig in Aktion getreten. Die Fortsetzung darf dann, was die Abenteuer angeht, gern noch ein wenig verwickelter werden, und was die Vergangenheit angeht, noch ein wenig fundierter.

Carl A. deWitt ist ein Pseudonym. Der Autor ist gelernter Flugzeugmechaniker mit einem nachfolgenden Studium der Elektrotechnik und Informatik. Tagsüber arbeitet er als Systemprogrammierer, abends restauriert er mit Begeisterung Autos und Motorräder, und nachts schreibt er. „Die Krone von Lytar“ ist sein erster Roman.

Taschenbuch 640 Seiten
ISBN-13: 978-3-939-67404-7

http://www.fredeboldundfischer.de/

Der Autor vergibt: (3.5/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (3 Stimmen, Durchschnitt: 2,33 von 5)

Okonnek, Evelyne – Rätsel der Drachen, Das

Evelyne Okonnek ist sicherlich dem einen oder anderen ein Begriff, da sie mit ihrem Roman [„Die Tochter der Schlange“ 2419 2006 den Wolfgang-Hohlbein-Preis gewann. Ein Jahr später legt sie mit dem eigenständigen „Das Rätsel der Drachen“ nach.

Der junge Pachiro ist der einzige Sohn des reichen Kaufmanns Khandir. Sein Vater würde ihn gerne als seinen Nachfolger sehen, doch Pachiro widmet sich lieber der Musik und der Dichterei. Außerdem hat er ein besonderes Verhältnis zu Sylat, der Adoptivtochter seines Vaters. Das schweigsame Mädchen macht sich mit seiner finsteren Art keine Freunde, doch Pachiro akzeptiert und liebt sie so, wie sie ist.

Eines Tages erfährt Pachiro von einem Hausangestellten, dass sich in den Elendsvierteln der Hafenstadt Yannah seit Jahren ein Feuerdämon herumtreibt, der Menschen tötet und Häuser anzündet. Die Tatsache, dass sein Vater einst vom Fürsten eingekerkert wurde, weil man ihn für den Feuerdämonen hielt, bringt Pachiro, der noch ein halbes Kind ist, durcheinander. Er beschließt, diesen Fleck aus der Vergangenheit von Khandir zu tilgen und zieht mit Sylat los, um den Feuerdämonen zu stellen.

Es dauert Jahre, bis sie dem mysteriösen Wesen endlich ein Stück näher kommen. Gleichzeitig offenbart sich, dass der Feuerdämon näher mit Pachiros eigenem Schicksal und dem seiner Familie verbunden ist, als er glaubt …

Evelyne Okonnek hat ein unheimlich dichtes, komplexes Buch verfasst, das vor allem durch seine Vielfalt und Erzähldichte verblüfft. Die Handlung, die sich über mehrere Jahre zieht und aus drei verschiedenen Perspektiven berichtet, ist unglaublich angefüllt mit Details, Nebengeschehen, dem Innenleben der Charaktere und der eigentlichen Handlung. Okonnek gelingt es, diese verschiedenen Dinge zu ordnen und in eine Reihe zu bringen. Man merkt, dass die Autorin weiß, wovon sie redet. Alles ist unglaublich durchdacht und zusammengerafft, so dass es kaum Längen gibt. Einzig in der Mitte des Buchs scheint sich die Geschichte ein wenig zu verlieren, da die Suche nach dem Feuerdämon kurz in den Hintergrund rückt. Außerdem fehlt an einigen Stellen ein stufenförmiger Handlungsaufbau, der die Spannung mit Sicherheit noch gesteigert hätte.

Als sehr geschickt erweist sich die Anordnung der drei Perspektiven, die in jedem Kapitel in einer festgelegten Reihenfolge auftauchen. Den Großteil nimmt Khandirs Familie an, vor allem natürlich der Held Pachiro. Außerdem lässt Okonnek noch einen zwielichtigen Matrosen, der eine Schar von geflohenen Sklaven um sich scharrt, und zwei Personen namens Myzlat und Tych zu Wort kommen. Myzlat und Tych tauchen allerdings nur sehr kurz und nur in Dialogform auf. Sie reden über ein bestimmtes Mädchen, das in Gefahr ist, ohne etwas Genaues zu sagen. Auch der Matrose streut immer wieder Wissen ein, das dem Leser fehlt. Dadurch merkt selbiger, dass etwas im Gange ist, was er nicht überblicken kann. Okonnek spinnt diese spannende Konstellation bis zum Ende durch und wartet dort mit einem überraschenden, magischen Finale auf.

Die Preisträgerin siedelt ihre Geschichte in einer Welt an, die mehr durch ihre Vielfalt und Originalität als durch besonders viel Magie überzeugt. Im Gegenteil stehen mehr die realistischen Charaktere im Vordergrund. Genau wie die Personen, ist auch die Kulisse im Buch unglaublich durchdacht und ausstaffiert. Ohne zu langweilen, schildert Okonnek detailliert Zimmereinrichtungen und Schauplätze in bunten Farben. Sie greift auf einen großen Wortschatz und viel Wissen zurück und schafft es dadurch, wunderbar ausgereifte Bilder im Kopf des Lesers entstehen zu lassen.

Ähnliches gilt für die Charaktere, die aufgrund des langen Zeitraumes der Geschichte viel Platz haben, um sich zu entwickeln. Ihre wohldurchdachten Vergangenheiten und spezifischen Charakterzüge lassen sie lebendig wirken. An dieser Stelle seien Pachiros drei kleine Schwestern erwähnt, die jede eine sehr eigene Note aufweisen. Beghild zum Beispiel ist ein dickes Kind mit einer Vorliebe für Gebäck und Kochrezepte, die sie in einem Buch sammelt, das voller Marmeladenflecke ist. Durch solche winzigen Details wirkt „Das Rätsel der Drachen“ an einigen Stellen mehr wie einer dieser großen Familienromane als wie ein Fantasybuch, und das ist durchaus nicht negativ gemeint. Die Liebe und Sorgfalt, die die Autorin in die Zeichnung ihrer Charaktere investiert, sorgt nämlich dafür, dass sie unglaublich menschlich wirken.

Mit der gleichen Durchdachtheit, mit der sie Plot, Charaktere und Kulisse des Buches kreiert hat, geht Evelynne Okonnek auch an die schriftliche Umsetzung heran. Ihr Schreibstil ist dicht, flüssig und gefällt durch seine märchenhafte, aber dennoch sehr erwachsene Stimmung. Der Wortschatz ist gehoben, ohne unnötig kompliziert zu sein, und die Satzkonstruktionen sind anspruchsvoll, ohne zu überfordern.

Die gut gesetzten Worte verweben die Geschehnisse mit den wunderbaren Persönlichkeiten und der prallen Fantasywelt von „Das Rätsel der Drachen“. Evelynne Okonnek beweist damit, dass sie würdig ist, in der Hohlbein-Reihe „Meister der Fantasy“ zu erscheinen. Die anspruchsvolle Arbeitsweise der Autorin hebt sie wohltuend von vergleichbaren Schriftkünstlern des Genres „Drachenfantasy“ ab.

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Krock, Jeanine – Venuspakt, Der

Nuriya und ihre Schwestern sind etwas Besonderes: sie stammen von Feen ab. Aber während Estelle und Selena mit ihrem Erbe keine Probleme haben, lehnt Nuriya ihre Magie ab und hat sie im hintersten Winkel ihres Selbst eingemauert. Bis sie auf Kieran trifft. Der gutaussehende Vampir mit der ausgeprägten Aura von Arroganz und Gefährlichkeit bringt einige ungeahnte Wesenszüge in ihr zum Vorschein. Selbstvertrauen gehört allerdings nicht so sehr dazu. Das liegt vor allem an seinem unmöglichen Benehmen, das mal von eisiger Distanz, mal von unterdrückter Leidenschaft geprägt ist.

Was Nuriya nicht weiß: Sie selbst ist eine Auserwählte, vom Feenvolk dazu bestimmt, den Pakt zwischen Feen und Vampiren zu erneuern und so den Frieden zwischen beiden Völkern zu garantieren. Nur dass da einige Feen und Vampire überhaupt keinen Wert auf die Erneuerung des so genannten Venuspaktes legen …

|Charaktere|

Nuriya ist ein etwas widersprüchlicher Charakter. Einerseits ist sie eher schüchtern und wenig selbstbewusst, unter anderem deshalb, weil sie sich zum einen hässlich findet und zum anderen ihre Magie nicht mag, die trotz aller Verweigerung einen Großteil ihres Wesens bestimmt. Andererseits faucht sie wie eine Wildkatze, wenn ihr etwas nicht passt, und liefert sich mit einer Meisterin fernöstlicher Kampfkunst ein ebenbürtiges Duell! Diese Mischung aus Mauerblümchen und trotzigem Kobold entwickelt einen ganz eigenen Charme.

Kieran dagegen fällt fast ein wenig ins Klischee ab. Er ist natürlich überaus sexy, überaus mächtig und überaus dominant. Und natürlich befindet sich unter dieser Machistoschale ein empfindsames und sehr einsames Herz. Was ihn vor dem endgültigen Abschied bewahrt, ist die frei von Kitsch und Pathos erzählte Rückblende auf seine gescheiterte Ehe. Und auch die Darstellung seiner inneren Zerrissenheit im Zusammenhang mit Nuriya ist der Autorin gut gelungen.

Der Bösewichte gibt es diesmal zwei, wobei die eine eher wie ein verzogenes Kind wirkt, obwohl sie die größere Macht von beiden besitzt. Der andere dagegen kann ebenso viel Arroganz und Machogehabe vorweisen wie Kieran, allerdings auf eine weit unangenehmere Art und Weise. Er gehört zu der Sorte Männer, für die die Zurückweisung durch eine Frau automatisch das Recht bedeutet, an allen weiblichen Wesen der Welt grausame Rache zu nehmen. Dabei liegt ihm natürlich in keiner Weise etwas an irgendeiner Frau, sondern lediglich daran, Macht über andere zu haben. Charaktere wie diesen findet man ziemlich häufig.

Die Charakterzeichnung insgesamt kann man durchaus als stimmig und gut bezeichnen, auch wenn Kieran und sein Gegenspieler doch ein wenig arg in derzeit gängigen Schablonen hängen geblieben sind. Durch Rückblicke in die Vergangenheit wurden Gedanken, Gefühle und Handlungsweisen aller wichtigen Figuren nachvollziehbar, die einzelnen Personen haben durchaus ein eigenes Profil.

|Erzählwelt|

Der Hintergrund ist abwechslungsreicher geraten als der Personenentwurf. Jeanine Krock hat der Welt der Vampire eine regelrechte Organisation gegeben, die ein wenig an mafiöse Strukturen erinnert. Es gibt einen Rat, dem sowohl die Gesetzgebung als auch die Gerichtsbarkeit obliegen, für die schmutzige Vollstreckungsarbeit gibt es dann Leute, die man damit beauftragen kann. Die Mitglieder des Rates gehören diversen Clans und Familien an, die unterschiedlich mächtig sind. Was dieses System von der Mafia unterscheidet, ist, dass hier nicht persönliche Bereicherung im Vordergrund steht, sondern die Bewahrung der Existenz der – ja, man könnte sagen: Untergrundgesellschaft. Dazu gehören nicht nur Vampire und Feen, sondern zum Beispiel auch Werwölfe; wobei zu erwähnen ist, dass, obwohl die Feen hier als Vertreter des Lichts auftreten, sie deshalb durchaus nicht alle gut und freundlich sind. Vielmehr entspricht ihre Ausarbeitung eher dem keltischen Vorbild von Wesen, die keine echten Gefühle kennen und sich im Grunde nur um ihre eigenen Belange scheren.

Der geschichtliche Hintergrund dieser Gesellschaft wird nur kurz angerissen, was nicht weiter verwundert, denn die Autorin erzählt ihre Geschichte auf nur 230 Seiten, in denen Nuriya nicht nur erst einmal vom Venuspakt erfahren muss, sondern sich auch noch mit dessen Gegnern herumschlagen und den Kampf gewinnen muss. Trotzdem findet die Autorin Zeit, einige Verwicklungen anzulegen und Nuriya ein paar Dummheiten begehen zu lassen, wie ihre Bewacher an der Nase herumzuführen oder sich einfach heimlich davonzustehlen. Dass eine davon sie letztlich in eine höchst gefährliche Situation bringt, war abzusehen. Das hat nicht nur den Spannungsbogen gestrafft, sondern auch dazu geführt, dass ich mich über die Heldin ziemlich geärgert habe, aber meist ist es eben doch so, dass die Dramaturgie über die Vernunft siegt!

|Insgesamt|

Nun bin ich ja wahrhaftig nicht der Experte, was Vampirromane angeht. Genau genommen war „Der Venuspakt“ mein allererster, und ich habe keine Ahnung, was Liebhaber dieses Genres üblicherweise von ihrer Lektüre erwarten. Ich kann deshalb nur von mir selbst ausgehen und als Anhaltspunkt lediglich die Bücher von Anne Bishop heranziehen, die sich aufgrund ihres düsteren Weltentwurfs am ehesten mit Jeanine Krocks Geschichte vergleichen lassen. Das Ergebnis war, dass „Sebastian“ und der Zyklus der Schwarzen Juwelen mir noch ein bisschen besser gefallen haben. Obwohl ich den „Venuspakt“ wirklich nicht schlecht fand, empfand ich den Erzählstil von Anne Bishop intensiver und eindringlicher, ihre Charaktere lassen sich in keine Schubladen stecken, und ihre Welten sind noch ein gutes Stück ungewöhnlicher als im „Venuspakt“, der im Grunde in unserer Welt spielt, nur eben verborgen im Untergrund.

So ist „Der Venuspakt“ zwar vielleicht nicht der ultimativ geniale Vampirroman, aber er ist in sich stimmig, spannend und interessant zu lesen. Nicht mein absoluter Favorit, aber trotzdem ein sehr gutes Buch.

Was den Verlag angeht, so hat er ein wirklich wunderschönes Cover entworfen, das in diesem speziellen Fall nicht unerheblich zu meinem Interesse am Inhalt beigetragen hat. Das Innenleben war allerdings nicht so toll, was nicht an der erzählten Geschichte lag, sondern am schlechten Lektorat. Da standen Hauptwörter in der Einzahl, obwohl die dazugehörigen Eigenschaftswörter in der Mehrzahl standen, stellenweise fehlten Wörter, ja sogar ganze Teilsätze. Dabei musste das Buch nicht einmal übersetzt werden. Das muss besser gehen.

_Jeanine Krock_ stammt aus Braunschweig und war in den Achtzigern viel in der Punkszene unterwegs, schrieb für Gothic- und Vampir-Fanzines. Sie war viel auf Reisen, war als Kostümbildnerin und in der Modelbranche tätig. Ihre Vorliebe für Vampire, Schottland und verwinkelte Burgen haben sich ebenso wie ihre Kontakte zur Gothic-Szene in ihren Büchern bemerkbar gemacht. Außer „Der Venuspakt“ hat sie den Roman „Wege in die Dunkelheit“ verfasst sowie an diversen Anthologien mitgeschrieben.

Autorin


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Guy Gavriel Kay – Die Fürsten des Nordens

Ein Wanderer durch die Kulturen

So könnte man Guy Gavriel Kay bezeichnen, der sich während seiner Schreibkarriere seit 1984 stets an anderen Kulturen angelehnt hat, um seinen Fantasy-Zyklen ein lebendiges Universum zu bieten. Wo sich sein „Sarantium“-Zyklus an der Spätantike orientierte, widmete er sich mit „Die Herren von Fionavar“ dem europäischen Mittelalter, um im „Tigana“-Zyklus die Renaissance zu behandeln. Nicht überraschend also, dass sich Kay mit dem abgeschlossenen Roman „Die Fürsten des Nordens“ wiederum einer anderen Kultur zuwandte, nämlich, wie der Name schon sagt, der des Nordens, um aus der Welt der Wikinger, der Angelsachsen und Kelten Spannendes zu erzählen.

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