
Fritz Leiber – Der unheilige Gral (Die Abenteuer von Fafhrd und dem Grauen Mausling 1) weiterlesen

Fritz Leiber – Der unheilige Gral (Die Abenteuer von Fafhrd und dem Grauen Mausling 1) weiterlesen
Während ich darüber nachdenke, wie ich euch dieses geniale Buch schmackhaft machen kann, dudelt |VISION DIVINE|s „The Perfect Machine“ im Hintergrund. Was das mit „Sternenstaub“, dem aktuellen Roman von Adam Roberts, zu tun hat? Nun ja, auch hier spielen intelligente Maschinen, so genannte |Dottechs|, eine entscheidende Rolle. Dabei handelt es sich um Nanotechnologie in ihrer ausgereiftesten Form, denn Sinn und Zweck der so genannten |dotTech| ist es, den Wirt (z. B. einen Menschen) gesund zu halten bzw. seine Lebensqualität zu sichern. Dabei braucht sie keine Anweisungen und arbeitet vollkommen autark. Das heißt im Einzelnen, dass beispielsweise Wunden schneller heilen und die Lebensdauer eines Menschen vervielfacht wird, was wiederum zur Folge hat, dass Lebenserwartungen von neunhundert bis tausend Jahren keine Seltenheit darstellen.
Genau diese Technologie wird dem Protagonisten des Buches, Ae, zur Strafe entrissen. Dieser „wohnt“ auf einem Knaststern, weil er mehrere Menschen auf dem Gewissen hat und somit als letzter Verbrecher der Galaxis gilt. Ihm zur Seite steht eine Aufseherin, aber das ist auch schon das einzig Wahre auf diesem Planeten. Alles andere ist künstlich: der Himmel, die Wiese, die Bäume und der See. Eine Flucht ist so gut wie unmöglich, und trotzdem bekommt Ae eines Tages die Möglichkeit, dieser Tristesse zu entfliehen. Eine Stimme in seinem Kopf, eine so genannte K.I. (Künstliche Intelligenz) ist der einzige Kontakt zwischen ihm und seinen Auftraggebern. Diese unterbreiten ihm einen Deal, der´s in sich hat: Ae muss alle Lebewesen auf einem Planeten liquidieren und hat danach die Möglichkeit, bis zum Ende seiner Tage in Freiheit zu leben. Die Tatsachen liegen dabei klar auf der Hand: Entweder verkümmert er bis zum Ende seiner Tage auf dem Knaststern, oder hat die Möglichkeit, mit Gewissensbissen in Freiheit zu leben. Da Ae vordergründig über kein Gewissen verfügt, stimmt er dem Deal zu.
Das ist der Zeitpunkt, ab dem das „Abenteuer“ seinen Lauf nimmt. Denn der Ausbruch aus dem Gefängnis erweist sich ohne die Dottech als mehr als schwierig. Mit mehr Müh und Not als gedacht, gelingt ihm doch die Flucht, und er findet sich auf dem Raumschiff des Wheah Agifo3acca wieder. Von dort aus reist er dann weiter zu anderen Planeten, immer mit dem Hintergedanken im Kopf, dass seine Auftraggeber von ihm die Ausführung der schier unglaublichen Tat erwarten. Geplagt von einem schlechten Gewissen, stellt Ae eigenhändig Nachforschungen an und dabei den Auftrag zunehmend in Zweifel.
Wie lange dauert es, bis sein Ausbruch aus dem Gefängnis aufgedeckt wird? Wie nah sind ihm seine Verfolger auf den Fersen? Und die alles entscheidende Frage: Springt Ae über seinen Schatten und nimmt für seine persönliche Freiheit den Tod von Millionen Menschen in Kauf?
Adam Roberts ist meiner Meinung nach ein sehr guter und spannender Sci-Fi-Roman gelungen. Angesichts der Tatsache, dass die Nanotechnologie mittlerweile immer öfter in den Medien auftaucht und als Zukunftstechnologie angesehen wird, sind seine Ausführungen auch gar nicht mal so unrealistisch. In Briefform auf einen Stein geschrieben, trägt der Erzählstil ebenfalls dazu bei, die Spannung konstant oben zu halten. Wer weiß, vielleicht wird in hundert oder hundertfünfzig Jahren über Adam Roberts ähnlich visionär wie heute über Jules Verne gesprochen … Das ist natürlich alles noch Zukunftsmusik, aber Fakt ist, dass mit „Sternenstaub“ ein gelungener Sci-Fi-Roman seinen Weg in die Bücherregale gefunden hat. Und daran kann man wirklich nicht rütteln.
Was das Buch selbst angeht, so befindet sich am Ende ein Glossar, das die gängigen eher unbekannten Begriffe im Roman noch einmal erklärt. Eine gute Ergänzung, aber wer das Buch aufmerksam durchliest, für den dürfte das Glossar eher überflüssiger Natur sein.
China Miéville gewann im Jahr 2003 mit seinem Roman [„Perdido Street Station“ 695 den Kurd-Laßwitz-Preis als bestes fremdsprachiges Werk der Phantastik. Nicht zuletzt dank der herausragenden Eva Bauche-Eppers, die Miévilles bildgewaltige und mit antiquierten Ausdrücken gespickte Sprache so vorzüglich in das Deutsche übertragen hatte, dass sie mit dem Preis für die beste Übersetzung ausgezeichnet wurde. Sie übersetzte auch diesen Roman genauso ausgezeichnet wie seine Vorgänger.
Der politisch stark links und anti-autoritär orientierte Miéville führt den Leser mit „Der Eiserne Rat“ zurück in den Moloch New Crobuzon. Auf Bas-Lag ist seit den Ereignissen um den Weber rund um den Hauptbahnhof Perdido Street Station rund eine Generation vergangen, die kapitalistische und brutale Herrscherschicht New Crobuzons hat sich jedoch nicht verändert: Man führt Handelskriege und treibt die Erschließung des Hinterlands mit Eisenbahnlinien voran.
Gewerkschaften und Arbeiter haben in New Crobuzon keine Macht und keine Rechte, Polizeigewalt hält die Massen in Schach, das Gesetz wird allzu oft vom Gesetz des Stärkeren, von dem die Machthaber ausgiebig Gebrauch machen, außer Kraft gesetzt. Auch die Bahnarbeiter haben nichts zu lachen, insbesondere „Remade“, bestrafte Verbrecher, die oft mit Maschinen oder Tieren auf groteske Weise verschmolzen wurden, werden von ihnen willkürlich und gewissenlos behandelt. Einer der Bautrupps rebelliert schließlich: Die Freudenmädchen, Remade und andere Unzufriedene der untersten Schichten streiken, nachdem die Lohnzahlungen ausbleiben, und überwältigen schließlich die mit Härte reagierenden Aufseher New Crobuzons.
„Der Eiserne Rat“ entsteht, eine Gruppe von Verfemten, die gegen New Crobuzon erfolgreich revoltiert und überlebt hat – eine Seltenheit und im Laufe der Jahre Stoff für Legenden, ein Symbol der Hoffnung für die Außenwelt. Der Rat flüchtet vor den Schergen der Stadtväter in entlegenste Gebiete Bas-Lags, in denen sich immer mehr Flüchtlinge dem auf seinen sukzessiv verlegten und wieder abgebauten Schienen immer weiter fortstrebenden Zug anschließen.
Das wollen auch die Flüchtlinge um Cutter und den Golemisten Judah Low, nicht ahnend, dass der Rat sich von dem Idealbild, das man sich von ihm macht, weit entfernt hat: Auch der Rat hatte regelrechte Kriege in manchen Gebieten seiner Reise zu schlagen, man ist auch längst nicht so autark, wie man glauben möchte, Mängel werden immer öfter offenkundig. Zusätzlich schwächen interne Konflikte den Rat, viele der Gründer des Rats sind mittlerweile verstorben und die neue Generation versteht nicht mehr die Ideale ihrer Eltern und wovor sie geflüchtet sind.
Anders als der ausschließlich in New Crobuzon spielende Roman „Perdido Street Station“ oder der an Moby Dick angelehnte und auf hoher See spielende [„Die Narbe“ 591 wurde „Iron Council“ für die Übersetzung nicht auf zwei Bände aufgeteilt und hat einen wesentlich politischeren Einschlag. Das Szenario erinnert dieses Mal an den „Wilden Westen“; so jagen New Crobuzoner Milizen in der Art amerikanischer Kavallerie nach Verbrechern und Indianern – in diesem Fall sind es Flüchtlinge und einheimische Kaktus-Männer oder ähnliche Fantasiegestalten Miévilles – in einer eindeutig negativen Art und Weise als Todesschwadron.
An seltsame Mensch-Tier- oder Mensch-Pflanze/Mensch-Maschine-Mischwesen ist man von Miéville gewöhnt, allerdings steigert er dieses Mal sowohl die Anzahl als auch die Art dieser Wesen hin zum Grotesken, das dampfgetriebene Kanonenpanzernashorn, der Transportleviathan, aus dessen Bauch Dampfpanzer am Strand anlanden, oder brennende Wohnhäuser auf den Rücken getöteter Riesenschildkröten, aus deren Panzern sie herausgefräst wurden, sollten Beispiel genug sein. Auch hinsichtlich der Charakterentwicklung bleibt China Miéville seiner Linie treu und steigert seinen Stil ins Extreme: Ob nun Isaac Dan dar Grimnebulin oder Bellis Schneewein, sie waren Nebenfiguren im großen Zusammenspiel einer ganzen Welt, wurden von den Ereignissen gesteuert und nicht umgekehrt. Sie standen für Konzepte und Ideale oder dienten wie im Falle von Bellis als Beobachter, hatten aber keinen Einfluss auf die Entwicklung in der Art einer klassischen Heldenfigur. Diese gibt es in diesem Roman ebenfalls nicht, einzig Judah Low könnte man herausheben, auf ihn werde ich in Zusammenhang mit der Gesellschaft des Eisernen Rates aber noch näher eingehen. Politik und Massenpsychologie sowie soziale Aspekte regieren die Handlung, Einzelschicksale werden zwar erwähnt, sind jedoch im Großen und Ganzen bedeutungslos für die Handlung, was das Eintauchen in die wie erwähnt immer groteskere Welt Bas-Lags erschwert.
Noch nie schlug sich Miévilles sozialistische Ader dermaßen in seinem Werk nieder wie in „Der Eiserne Rat“. Klassenkampf und Unterdrückung sowie Flucht in die vermeintliche Freiheit sind die Themen dieses Romans; dieses Mal rückt der Autor soziale Aspekte in den Vordergrund und behandelt kritisch die Probleme einer sozialistisch angehauchten Gesellschaft: Einige wenige starke Führerfiguren ragen aus der Masse der Gleichberechtigten heraus, auch wenn der Eiserne Rat wesentlich humaner zu seinen Bürgern ist und ihnen wirkliche Gleichberechtigung anstelle von Unterdrückung und Bespitzelung bietet – ein Gegensatz zu ehemaligen kommunistischen Ostblockstaaten. Man könnte noch weiter gehen und die Mängel an Material und vielen anderen Dingen mit der Planwirtschaft oder der generellen Effizienz sozialistischer Systeme vergleichen, bis hin zu der Rückkehr des Zuges nach New Crobuzon am Ende des Buchs, an dem man gegen einen gemeinsamen Gegner die geliebte Stadt verteidigt. Eine reuige Rückkehr zum Kapitalismus?
Hier kann man geteilter Meinung sein. Hat „Der Eiserne Rat“ wirklich diese Botschaft? Ich glaube nicht, dass ein Sozialist wie Miéville grundsätzliche sozialistische Ideale in Frage stellen will. Er zeigt dafür auf, wie soziodynamische Entwicklungen das Beste und das Schlechteste im Menschen zum Vorschein bringen; so steigt die Prostituierte Ann-Hari zu einem der führenden Mitglieder des Eisernen Rats auf, hält all die unterschiedlichen Gruppen zusammen. Judah Low hingegen, ein anderes Gründungsmitglied, reist lange Zeit ohne den Rat durch die Welt und entwickelt eine andere Vision dieser Gesellschaft, sieht ihre Schattenseiten und verfällt der Hybris, sich auch aufgrund seiner überragenden Fähigkeiten als Golemist (daher auch der Name – entliehen von Rabbi Judah Loew aus Gustav Meyrinks [„Der Golem“) 1205 als die Hauptfigur des Rats und schlussendlich der ganzen Geschichte zu sehen. Sein Einfluss ist nicht wirklich in diesem Maß gegeben, doch der Leser verfällt ähnlich Low, aus dessen Sicht die Handlung recht häufig beleuchtet wird, in diese Annahme. Trotz seiner Macht und Bedeutung setzen sich die Bürger des Rats durch; er kann diesen Prozess nicht aufhalten und nur begrenzt steuern.
Die Schwäche des Romans liegt nicht in seinen Ideen, sondern in der Erzählweise. Cutter und andere Flüchtlinge sind zu Beginn auf der Flucht vor der Miliz. Warum? Was suchen sie? Bis die Geschichte zum Eisernen Rat kommt und Judah Low sich dem Leser überraschenderweise als Mitbegründer des Rats offenbart, bleibt vieles unklar. Die extrem grotesken Gestalten Miévilles und brutalste Bilder der Gewalt, niedergemetzelte Hirten und Rebenschweine (auf deren Rücken Reben wachsen) sind zwar beeindruckend in ihrer Intensität, tragen aber nicht zur Haupthandlung bei. Diese ist das Problem des Buchs. Miéville bietet hier wesentlich weniger als in den Vorgängern. Wer erwartet, dass die Welt Bas-Lag erweitert wird, wird enttäuscht. Nichts Neues, nur neue Extreme in Gewalt und ein massives Problem mit dem Fokus der Geschichte. Wir erfahren erst nach der Mitte der Buchs, was viele Menschen zur Flucht aus New Crobuzon treibt und wie die Verhältnisse in der Stadt sind; dies wird nur grob angerissen: Pogrome und Kampf gegen die selbstherrlich herrschende Oligarchie. Doch das Schicksal der Revolutionäre Ori und Toro vermag nur sporadisch zu fesseln, die fehlende Identifikation mit Figuren, deren Hintergrund erst im Nachhinein bekannt wird, ist ein Problem des Stilmittels, dem Leser Motivation und Ziele der Figuren lange vorzuenthalten; dasselbe Problem hat bereits der Beginn der Geschichte mit seinem Mangel an Information und der beschränkten Sichtweise des einfachen Flüchtlings.
Dann erst setzt unvermittelt die aus der Rückschau erzählte Geschichte des Rats ein, die von der Idee hochinteressant ist und vorzüglich dargestellt wird, jedoch nicht ausreicht, um das Buch zu füllen. Die Konflikte, die zur Rückkehr des Zugs in die Stadt führen, die von ihren Feinden bedroht wird und innerlich fatalerweise im Zustand des Bürgerkriegs ist, sind allerdings wesentlich nachvollziehbarer als weite Teile der Geschichte zuvor.
So sehr ich mit Miévilles Ideen rund um den Eisernen Rat sympathisieren mag und seine bildgewaltige Sprache schätze, seine Charaktere sind mittlerweile so blass, dass jegliche Identifikation schwer fällt. Die so geschaffene Distanz zur Handlung steht im starken Kontrast zu der bildgewaltigen Sprache, die den Leser in die Welt hineinzieht und aufgrund ihrer übertrieben grotesken Figuren oft auch wieder abstößt. Miéville hat seine Geschichte schlecht erzählt: Erst am Ende des Romans konnte ich sie würdigen, im Nachhinein. Spannung sucht man vergebens, viel zu zäh liest sich dieses vom Thema her doch eigentlich sehr viel versprechende Buch. Träumerei tritt hier an die Stelle guten Erzählens. Das Buch startet langsam und schwach und schafft es nicht, den Leser wirklich zu fesseln und zu begeistern. Erst gegen Ende gewinnt die Handlung an Fahrt, das Finale regt zum Nachdenken an. Miéville hätte sich auf eine oder zwei Handlungen konzentrieren sollen; solcherart kann nur die Handlung um den titelgebenden Eisernen Rat gefallen, alles andere ist Beiwerk und wird oft sehr lieblos im Plot mitgeschleift. So hat Cutter ein homosexuelles Verhältnis zu Judah Low, das jedoch nicht so innig erwidert wird, wie er möchte. Das wird so blutleer erzählt, dass man sich fragt, ob Cutter und Low „Quotenschwuchteln“ sind, denn dieser Aspekt der Geschichte läuft wie so vieles leider völlig ins Leere und Bedeutungslose. Einige wenige starke Abschnitte können leider nicht die fragwürdige Erzählweise aufwiegen. Die Handlung entwickelt sich schwerfällig, kein Vergleich zu „Perdido Street Station“ oder „Die Narbe“; diese Geschichte braucht zu lange, um sich zu entfalten und ist bei weitem nicht so fantastisch wie die der Vorgänger – und nicht annähernd so unterhaltsam.
Homepage des Autors:
http://www.chinamieville.co.uk/
Fanseite im Stil der New Crobuzoner Untergrundzeitung:
http://runagate-rampant.netfirms.com/
Reichlich anderthalb Jahre hat es gedauert, bis die ungeduldig erwartete Fortsetzung von [„Ilium“ 346 (Heyne, 2004) nunmehr erschienen ist – keine sehr lange Zeit, wenn man den veritablen Umfang (960 Seiten!) des neuen Bandes und die aufwendige Übersetzungsarbeit berücksichtigt. Peter Robert, der schon „Ilium“ übersetzt hatte, hat diese gewiss nicht leichte Aufgabe in sprachlich-stilistischer Hinsicht hervorragend gemeistert. Leider ist das auch schon das einzig Positive, was aus Sicht des Rezensenten zu „Olympus“ gesagt werden kann.
„Ein epochales Werk – nach seinem preisgekrönten Roman ‚Ilium‘ stellt Dan Simmons mit ‚Olympus‘ einmal mehr unter Beweis, dass er der bedeutendste mythenschaffende Schriftsteller unserer Zeit ist“, verkündet vollmundig der Verlag auf dem Rücktitel – ein Anspruch, dem das vorliegende Werk leider zu keinem Zeitpunkt gerecht werden kann. Angeblich erzählt das Buch die Geschichte von Thomas Hockenberry, Philosophie-Professor und Homer-Experte aus „Ilium“, weiter, was jedoch nur sehr eingeschränkt der Fall ist, denn Hockenberry spielt in der Fortsetzung eine eher untergeordnete Rolle. Andere Protagonisten wie der Altmensch Harmann und seine schwangere Freundin Ada werden weitaus intensiver und liebevoller geschildert, wie sich insgesamt das Geschehen weitgehend auf die „alte“ Erde verlagert.
Bezog „Ilium“ seinen Charme aus dem Gegensatz zwischen der zumeist nur angedeuteten Hochtechnologie einer fernen Zukunft und dem antiken Gemetzel zwischen Griechen und Trojanern, wobei die Götter eine sehr undurchsichtige und deshalb geheimnisvolle Rolle spielten, so versteht es der Autor in der Fortsetzung nicht, weiter mit diesem Pfund zu wuchern. Zwar geht die Schlacht weiter – blutiger als je zuvor, nachdem die Menschen ihren Kampf gegen die Götter aufgegeben haben und der Kampf um „Ilium“ in scheinbar geordneteren Bahnen seine Fortsetzung nimmt (allerdings ohne den „Göttervater“ Zeus, der von Hera in eine Falle gelockt und in einen Dauerschlaf versetzt wurde), auf Dauer langweilen die exzessiven Schlachtszenen jedoch nur noch, zumal die zahlreichen Wendungen des Geschehens willkürlich und aufgesetzt erscheinen.
Inzwischen haben sich die Moravecs (von Menschen konstruierte roboterähnliche Entitäten mit künstlicher Intelligenz) auf den Weg in Richtung Erde gemacht, da sie dort den Ursprung des Konflikts vermuten. Mit an Bord sind der von Ilium entführte Odysseus und (zeitweise) Thomas Hockenberry, dessen Rolle bis zuletzt unklar bleibt. Ebenso undurchsichtig erscheint das Geschehen auf der alten Erde, wo sich die Voynixe (ehemals dienstbare Roboterwesen) gegen die Altmenschen erhoben haben und diese zu Hunderten massakrieren. Harman, Daeman und Ada überleben den Angriff zunächst, allerdings scheint ihre Lage zunehmend aussichtslos, zumal sich zusätzlich zur Voynix-Plage eine ebenso mächtige wie übelwollende Gottheit namens Setebos auf Mutter Erde niedergelassen hat und einen Zufluchtsort der Altmenschen nach dem anderen unter tödlich-blauem Eis ersticken lässt. Auch der Magier Prospero ist wieder mit von der Partie, ebenso wie die blutgierige Kreatur Caliban, der bereits der überwiegende Teil der so genannten „Nachmenschen“ zum Opfer gefallen ist.
Einer bzw. eine dieser Nachmenschen hat allerdings in einem Sarkophag auf dem Gipfel des Himalaya überlebt, und es bleibt Harman im Rahmen einer äußerst rätselhaften Mission vorbehalten, diese jüngere Version der „ewigen Jüdin“ Savi wiederzuerwecken. Die junge Frau namens Moira verfügt über im Wortsinne unglaubliche Fähigkeiten, die – wie sich später herausstellt – zu großen Teilen auch den Altmenschen zur Verfügung stehen. Die Erklärung bleibt vage, sowohl von genetischer Manipulation als auch von Nanotechnologie ist die Rede, was z. B. angesichts der Fähigkeit zum „Freifaxen“ (sich an einen beliebigen Ort versetzen) mehr als fragwürdig erscheint.
Überhaupt benutzt der Autor die spektakulärsten wissenschaftlichen Ideen der Neuzeit ohne erkennbare Skrupel oder den Versuch einer seriösen Begründung. Es wimmelt von Bran-Löchern, alternativen Universen, Logosphären-Avatars und sogar den guten alten Black Holes in Miniaturausführung, die Dan Simmons zu einem pseudowissenschaftlichen Cocktail mischt, der sich mit zunehmender Länge des Werkes als unverdaulich erweist. Spätestens nach der Hälfte des Buches fragt sich der Leser ernsthaft, was denn das Ganze nun eigentlich soll, und die Antwort – so man denn überhaupt von einer solchen sprechen kann – fällt leider alles andere als befriedigend aus und offenbart einen gewissen Hang des Autors zur Metaphysik. Zu den metaphysischen Schrecken gesellt sich dann auch noch menschliche Bosheit, die zu allem Überfluss auch noch in ein ideologisches Gut-Böse-Raster gepresst wird.
Wie nach dem 11. September offenbar modern und mehrheitsfähig, sind es die bösen Moslems, die die Erde mittels einer Seuche fast vollständig entvölkert haben und nur durch unsere Helden daran gehindert werden können, die alte Erde sozusagen post mortem mittels einiger hundert Schwarzer Löcher in eine Staubwolke zu verwandeln. Derartige ideologisch-politische Konstrukte mögen bei Near-Future-Szenarien ihre Berechtigung haben; bei einer Handlung, die angeblich mehrere tausend Jahre in der Zukunft spielen soll, wirken sie etwa so glaubwürdig wie ein Mongolensturm auf den Asteroidengürtel und alles andere als „mythenschaffend“.
Beinahe noch ärgerlicher ist die Neigung des Autors, mittels exzessiver Sex- und Gewaltszenen ein Publikum zu erreichen, das wohl sonst keine Bücher lesen würde. Die entsprechenden Organe haben zumeist Unterarmlänge (nur kein Neid) und Körpersäfte werden mindestens literweise ausgeschüttet bzw. mit Hieb und Stichwaffen extrahiert. Die Figur des Achilles wird vermutlich einzig aus diesem Grund so ausgiebig geschildert, denn sinnvoll erscheinen die Aktivitäten des Achäerhelden zu keinem Zeitpunkt.
Leider ist dieses Fazit der weitgehenden Sinnfreiheit des Gesamtwerkes das Einzige, was dem geneigten Rezensenten nach der Lektüre der fast 1000 Seiten geblieben ist. Normalerweise werden inhaltliche Defizite bei Dan Simmons‘ Büchern durch ein hohes Maß an Spannung kompensiert (was bei „Ilium“ durchaus noch der Fall war), doch auch die fehlt bei „Olympus“ über weite Strecken. Die Protagonisten sind erstens zu zahlreich, um Interesse an den Geschicken des Einzelnen aufkommen zu lassen, und der letztendliche Erfolg der Unternehmungen der „Guten“ scheint von Beginn an wenig zweifelhaft. So stellt sich „Olympus“ am Ende als eine ärgerliche Kombination von Seitenschinderei, Spannungsarmut, Pseudowissenschaftlichkeit und ideologischer Determiniertheit dar, mit der der Autor der genialen Hyperion-Gesänge weder sich noch dem Publikum einen Gefallen getan hat.
|gelesen von [Frank W. Haubold]http://www.cis-gate.de/homepages/haubold/home.htm
Übertragung aus der alten in die reformierte Rechtschreibung durch den Editor|
Das |Zeitalter der Wandlung|:
Band 1: [Nebelriss 473
Band 2: [Flammenbucht 1280
Band 3: _Schattenbruch_
Band 4: [Splitternest 4027
Markolf Hoffmann setzt mit „Schattenbruch“ seine Tetralogie „Das Zeitalter der Wandlung“ fort. Lebensechte Charaktere und Sprachgewandheit zeichnen sein Werk aus, und „Schattenbruch“ stellt keine Ausnahme dar. Erneut beweist Markolf Hoffmann wortgewaltig, wie man einer Geschichte und ihren Charakteren Leben einhauchen kann.
Der Kampf um die magischen Quellen der Welt Gharax zwischen den Menschen und den echsenartigen Goldéi entpuppte sich als eine uralte Fehde zwischen zwei Magiern, Mondschlund und Sternengänger, deren Netz aus Lüge und Verrat das der weltlichen Herrscher noch bei weitem übertrifft. Der junge Kaiser Uliman Thayrin hat den „Silbernen Kreis“ seiner Fürsten und Ratgeber ermordet, nur Baniter Geneder hat überlebt und wird von ihm zum Unwillen seiner Zweck-Gemahlin, Königin Inthara von Arphat, die von Baniter einen Sohn erwartet, festgehalten.
Das magische Verlies der Schriften unter der alten Hauptstadt Vara, eine Quelle der Magie, erwacht zudem zu grausigem Leben, seine Schatten treiben die Bewohner in den Wahnsinn, sie reißen sich selbst die Augäpfel aus den Höhlen und sterben. An anderer Stelle erreichen Aelarian Truarc und sein Leibdiener Cornbrunn den mysteriösen Schattenbruch, Baniters entführte Gemahlin Jundala fährt mit den Südseglern einem ungewissen Schicksal auf dem geheimnisvollen Südkontinent entgegen. Laghanos und Nhordukael, die Auserwählten der beiden legendären Zauberer, bereiten sich derweil auf die entscheidende Auseinandersetzung vor. Kaiser Uliman wird zusätzlich mit einer unwillkommenen Überraschung konfrontiert: Sein wahnsinniger Vater Akendor lebt und drängt sich zusätzlich in den Machtkampf zwischen Inthara, Uliman und den Schatten des Verlieses hinein …
„Schattenbruch“ ist mit 343 Seiten der bisher kürzeste Teil des „Zeitalters der Wandlung“. Man kann ihn guten Gewissens als Brückenband zum abschließenden Band des Zyklus, „Splitternest“, verstehen. Die Handlung wird zwar vorangetrieben, Entscheidungen fallen in diesem Band allerdings keine. Stattdessen wird der Leser mit neuen Mysterien konfrontiert: Besteht ein Zusammenhang zwischen dem vermeintlich harmlosen Schattenspieler, dem Schattenbruch und den Schatten des Verlieses? Der sagenhafte Südkontinent zeigt sich ebenfalls vorerst nur in Gestalt vorgelagerter Inselgruppen – alles andere bleibt dem Folgeband vorbehalten.
Spielerisch und ausgelassen zeigt sich Markolf Hoffmann bei Aelarian Truarc und Cornbrunn samt ihren Kieselfressern Grimm und Knauf; ihre fröhlichen Eskapaden lockerten bereits [„Flammenbucht“ 1280 auf und auch dieses Mal sorgen sie für einen angenehmen Kontrast zu den düsteren Fürsten Sithars. Leider bleibt nicht viel Raum für eine Charakterentwicklung Uliman Thayrins; der junge Kaiser kann dennoch Kälte und Furcht ausstrahlen, ein zentrales Thema dieses Romans: Die Schatten aus der Tiefe Varas sorgen für wohlige Schauder. Ein wenig enttäuscht war ich von dem ungewöhnlichen Ende des Rachefeldzugs der Kämpferin Ashnada, eine interessante Wendung der Geschichte, die mir jedoch nicht wirklich stimmig erschien. Allerdings illustriert sie vortrefflich die verworrenen Loyalitäten im Netz der Lügen und Täuschungen der beiden Zauberer und der Herrscher der Welt Gharax. Das Tempo, mit dem Hoffmann Intrigen spinnt und Handlungsfäden in Richtung Finale hin entwickelt, sorgt auch dafür, dass Laghanos, wie bereits in den Vorgängern, kaum in Erscheinung tritt, Nhordukael und die Goldéi treten dieses Mal ebenfalls kürzer.
Das Grauen der Entfesslung der Quellen hat Markolf Hoffmann exzellent und innovativ eingefangen, hier kann er mit tollen Bildern und seiner sprachlichen Finesse auftrumpfen. Seine sonst so starken Charaktere leiden dieses Mal jedoch unter den häufigen Wechseln der Handlungsebene; das sorgt für eine gewisse Distanz zu den Figuren, mit denen man in den Vorgängern wie zum Beispiel mit einem Baniter Geneder noch mitfiebern konnte. Alles in allem ist „Schattenbruch“ aber eine gelungene Fortsetzung der Reihe, die leider viel zu viele Fragen offen lässt und neue aufwirft, die auf den Abschlussband „Splitternest“ neugierig machen. Es würde mich nicht wundern, wenn dieser aufgrund der Komplexität der Handlung und der vielen noch offenen Fragen zum Zweiteiler werden würde.
Offizielle Homepage des Autors:
http://www.nebelriss.de/
[Unser Interview mit Markolf Hoffmann]http://www.buchwurm.info/artikel/anzeigen.php?id=34
Terra Incognita setzt die Geschichte der Invasion der britannischen Inseln durch die angelitische Kirche im Jahr 2656 fort und ist der abschließende Roman der Duologie „Der Schwur des Sommerkönigs“, die mit [Terra Nova 1533 vielversprechend begann.
Die Autoren Thomas Plischke und Verena Stöcklein schufen im ersten Band eine sehr intensive Atmosphäre, die von der Faszination des |Engel|-Rollenspieluniversums von |Feder & Schwert| genährt wurde. Der Krieg der gottesgläubigen Angeliten gegen die |Traumsaat| genannten Dämonen des Teufels, schön |Herr der Fliegen| genannt, und die Britonen, deren Glaube an heidnische Götzen der keltischen Sagenwelt Grund für den Kreuzzug des Riesenschiffes |Terra Nova| mitsamt seinen Templer- und Engelsscharen war, bietet eine willkommene Abwechslung zu an |AD&D| angelehnten Fantasyszenarien mit Elfen, Zwergen und Orks.
Die Handlung wird aus der Sicht zweier Gruppen erzählt, zum einen der kleinen Engelsschar um ihren Anführer Lumael, einem Michaeliten, und aus der Joels, einem Sarieliten, der zusammen mit dem Sterblichen George als Geheimagent im Dienste des Herrn in Britannien spioniert. Im ersten Band wurden die Unterschiede zwischen Angeliten und Britonen herausgearbeitet, wobei man sich bei Historie und Mythologie freizügig bediente. So werden die Engel in Roma Aeterna ausgebildet, kämpfen im Himmel über Nürnberg gegen die Dämonen der Hölle, während die Britonen dem Sommerkönig huldigen und altkeltische Rituale praktizieren, aber im Gegensatz zu den Angeliten moderner Technologie gegenüber aufgeschlossen sind und sie auch einsetzen: Sie können für den kranken George Insulin herstellen und besitzen Feuerwaffen, während die Angeliten in den seltensten Fällen lesen und schreiben können. Dafür haben sie die Engelsscharen des Herren; die Gabrieliten oder Todesengel mit ihren Flammenschwertern machen in |Terra Incognita| ihrem Namen alle Ehre. Die Landschaft Europas ist ebenso faszinierend verfremdet worden: Der Meeresspiegel hat sich gehoben und so entstanden die hier wörtlich zu nehmenden britannischen Inseln, andere Teile Britanniens versanken. London ist im |Engel|-Universum eine Insel, ebenso wie Dover. Die im Umschlag befindliche Karte zeigt das sehr schön, allerdings sollte man sich nicht daran stören, dass das höher gelegene Oxford eine Küstenstadt ist und London dennoch nicht versunken ist.
Der Rollenspielcharakter der Engelsschar wird weniger betont als im ersten Teil, allerdings ist dies nicht als Fortschritt zu sehen. An Stelle der Anführer-, Krieger-, Heiler- und Bogenschütze-Rollenbilder treten jetzt interne Konflikte mit dem neuen Mitglied der Schar, dem Todesengel Doriel. Diese sind zwar gut geschildert, schaffen aber nicht dieselbe Atmosphäre wie die Vorstellung des faszinierenden |Engel|-Universums im ersten Band. Joel und George brechen unverständlicherweise die Verfolgung des Sommerkönigs ab und schließen sich stattdessen Widerstandskämpfern um Robin von Locksley (bekannter als Robin Hood) an. Diese Passage ist jedoch recht kurz und es zeigt sich eine fatale Schwäche des abschließenden Bandes: Ein Buch mit vielen interessanten und für Rollenspieler sicher inspirierenden Versatzstücken, aber kein Roman mit einer geschlossenen Handlung.
Das ist sehr schade, denn an Atmosphäre, Ideen und Charakteren mit Potenzial mangelte es nicht. Das Autorenduo hätte sicher noch viel mehr schreiben können, aber dieser Band ist der letzte der Reihe, und er hinterlässt so einen schalen Nachgeschmack. Das Ende ist überhastet, es werden neue Figuren kurz vor Schluss eingeführt; ich gewann den Eindruck, es folge noch ein dritter Band. Stattdessen wird der gelungen mystisch und geheimnisvoll aufgebaute Sommerkönig lieblos abserviert, geradezu ein Hohn angesichts des Cliffhangers des ersten Bandes, der hier ein großes Geheimnis versprach. Mir kam es vor, als ob man einfach nicht den Platz hatte, die Geschichte des Sommerkönigs zu Ende zu erzählen.
|Terra Incognita| kann nicht wie sein Vorgänger auf den Bonus des Neuen, des atmosphärischen Engel-Universums setzen, sondern muss eine Geschichte in dem faszinierend eingeführten Szenario erzählen, um bestehen zu können, tut dies aber nicht. Das überhastete Ende lässt einige leckere Brocken zurück, die der Rollenspielfreund als Häppchen schlucken kann, eine abgerundete Geschichte erhält er jedoch nicht.
http://www.feder-und-schwert.com/
Band 1: [„Zauberbann“ 892
Band 2: [„Drachenschwur“ 909
Band 3: [„Schattenpfad“ 1386
Band 4: [„Himmelsriss“ 1815
Band 5: [„Nachtkind“ 1982
Mit sehr viel Freude, gleichzeitig aber auch einigen Tränen ob des Endes dieser fantastischen Fantasy-Reihe, habe ich diesem Moment entgegengeblickt. Endlich ist der letzte Band der „Chroniken des Raben“ auf den Markt gekommen und die wiederum dreimonatige Durststrecke seit dem letzten Buch „Nachtkind“ vergangen. Seit dem Beginn der Serie hier in Deutschland im September 2004 verschlinge ich nun schon die Bücher um das legendäre Söldnergespann und ihre Abenteuer in der Fantasy-Welt in Balaia und bin dabei auch zu der Meinung gelangt, dass James Barclays Serie im Hinblick auf die eher kompakte phantastische Literatur – dazu gehören zum Beispiel nicht die ewig langen Tad-Williams-Epen – die wohl beste und spannendste Story überhaupt bietet. Daher bin ich auch sehr erleichtert über die Tatsache, dass „Elfenmagier“ nicht die letzte Geschichte um den Raben ist. In „Die Legenden des Raben“ werden die Chroniken schon im Mai dieses Jahres eine deutschsprachige Fortsetzung erfahren, deren zweiter Teil ebenfalls schon angekündigt wurde, und zwar für den September dieses Jahres. Und schon jetzt kann man gespannt sein, ob Barclay das hohe Niveau noch einmal wird erreichen können. Aber bei solchen Superhelden braucht er sich eigentlich keine Sorgen zu machen. Aber gut, das ist alles noch Zukunftsmusik, widmen wir uns lieber der aktuellen Veröffentlichung, sprich dem großen Finale in Band 6.
_Story_
Die Hafenstadt Arlen steht kurz vor der Invasion. Sowohl das Kolleg der Dordovaner als auch die Abgesandten aus Lystern unter der Führung von General Darrick sind auf der Suche nach Erienne, deren Tochter auf einer fernen Insel das magische Gleichgewicht der Kollegien durcheinander gebracht hat und zur Gefahr für ganz Balaia geworden ist. Und tatsächlich gelingt es Selik, dem Anführer der Schwarzen Schwingen, die sich wiederum mit den Dordovanern verbündet haben, die Raben-Magierin gefangen zu nehmen und mit dem Elfenschiff |Meerulme| in See zu stechen.
Währenddessen beratschlagen sich Denser, Ilkar und der Unbekannte Krieger darüber, wie es gelingen kann, aus dem Gefängnis auszubrechen. Die Antwort folgt auf den Fuß; Hirad Coldheart eilt seinen ehemaligen Verbündeten und im Streit geschiedenen Kumpanen zur Hilfe. Gemeinsam beleben sie den Raben neu und schließen sich mit dem desertierten Darrick zusammen, um die Streitmacht der Dordovaner aufzuhalten. Doch diese scheint viel zu mächtig, und bereits in Arlen kommt es zu heftigen Gefechten, bei denen der Unbekannte schwer verletzt wird. Dennoch gelingt es dem Team, ein Schiff zu entern und die Verfolgung aufzunehmen. Mit an Bord: der Gestaltenwandler Thraun, der in der Abgeschiedenheit des Waldes mit seinem Wolfsrudel gelebt hat und nach dessen Tod langsam aber sicher wieder menschliche Züge annimmt. Jedoch ist auch sein Leben in Gefahr, und schon seit Tagen regt er sich nicht mehr.
Für den Raben gilt es jetzt, Erienne noch schneller zu befreien, denn das Leben einiger ihrer Mitstreiter hängt von einer zügigen Heilung ab, die nur die verratene Magierin aus Dordover gewährleisten kann. Es beginnt ein Wettlauf auf hoher See, der für beide Gruppen zusätzlich durch die immer wieder aufkeimenden Unwetter behindert werden, welche durch die unkontrollierten Energien aus Lyannas Mana entfacht werden. Und wenn Denser und Erienne nicht rechtzeitig ihre Tochter erreichen und nach alter Überlieferung das Gleichgewicht mit einer magischen Formel wieder herstellen, droht ganz Balaia der Untergang – selbst wenn einer von ihnen dabei den sicheren Tod finden wird …
_Meine Meinung_
Nach dem vierten Band wagte sich James Barclay zeitversetzt noch einmal an eine neue Rahmenhandlung, die er nun auch schon im letzten Band wieder zu Ende bringt. Gab es damals noch einen Zeitsprung, der im Buch eine Periode von circa sechs Jahren umfasste, setzt der Autor die Geschichte im „Elfenmagier“ unmittelbar fort und landet dabei auch direkt in einem brutalen Kampfszenario inmitten der ansonsten so friedlichen Hafenstadt Arlen. Und mit diesem Gefecht beschäftigt sich Barclay schließlich auch ziemlich lange, geht näher auf die einzelnen Duelle ein und zeigt erneut ein sehr gutes Gespür für die Darstellung von Schwertkämpfen und magischen Waffen. Meines Erachtens hätte man aber dennoch diese umfangreiche Beschreibung ein wenig kürzen können und sich stattdessen am Ende ein wenig ausführlicher über die genauen Hintergründe der gesamten Handlung auslassen sollen. Man muss das Buch gelesen haben, um diese Aussage zu verstehen, denn es ist schon so, dass sich der Autor nach dem finalen Showdown ein wenig kurz fasst. Aber wer weiß, vielleicht knüpft ja das nächste Buch schon nahtlos hier an …
Ansonsten ist „Elfenmagier“ wiederum ein makelloser Vertreter dieser Reihe und zeigt den Raben in bester Form. Die Differenzen untereinander sind überwunden und man kämpft wieder stolz Seite an Seite gegen das verräterische Kolleg aus Dordover mit seinem Anführer Vuldaroq und gegen den Anführer der Schwarzen Schwingen, Selik, von dem man eigentlich schon glaubte, er sei tot. Besonders Erienne hat mit ihm schon seit langer Zeit eine Rechnung offen, schließlich war er derjenige, der einst ihre beiden Söhne umgebracht hat. Aus diesem Grunde ist das wahre Böse in „Elfenmagier“ auch klar definiert und wird fast ausschließlich auf die Schultern von Selik übertragen. Während es eigentlich andere sind, die die Hauptlast des Kampfes gegen den Raben auf sich nehmen, steht er als Symbol für die Verlogenheit der ehemals befreundeten Kollegien, gegen das man nach und nach eine echte Abscheu entwickelt. Alleine für seine Charakterisierung verdient Barclay großen Applaus.
Weiterhin sehr schön beschrieben ist der Zwiespalt im Gemüt der Raben-Magier. Denser und Erienne sind sich dessen bewusst, dass einer von beiden sich für den Fortbestand der einen Magie und zugunsten des Weiterlebens ihrer Tochter Lyanna opfern muss. Doch auch ein weiterer Magier hat hart mit sich kämpfen, nämlich der unscheinbare Ilkar. Lyanna zu retten, hieße gleichzeitig, die Magie seines Kollegs aufzugeben, und im entscheidenden Moment bekommt der Elf aus Julatsa diesbezüglich arge Zweifel.
Im Vergleich zu anderen Büchern über den Raben sind die Rollen der Charaktere in „Elfenmagier“ wieder gerechter verteilt. Heimliche Helden wie Denser und Hirad werden nicht mehr bevorzugt und sind den anderen gegenüber – speziell nach dem dummen Streit vor der Ankunft in Arlen – gleichgestellt. Erienne übernimmt zwar eine übergeordnete Hauptrolle, aber dies liegt auch am Verlauf der Geschichte und ihrer Entführung, infolge derer sie zur begehrtesten Person in ganz Balaia wird. Ansonsten kommen hier alle Mitglieder des Raben (ausgenommen Thraun) in gleichem Maße zum Zuge, und das gab es eigentlich schon seit dem ersten Band nicht mehr.
Alles in allem ist „Elfenmagier“ sicherlich eines der actionreichsten Bücher der Serie. Im Gegensatz zum eher Charakter-bezogenen Vorgängerbuch wird der Großteil dieses Bandes von kriegerischen Handlungen bestimmt und entschieden. Barcley baut einen sehr gelungenen Spannungsbogen auf, der in einem unvermeidbaren, finalen Showdown ausartet, bei dem sich die Zukunft von ganz Balaia entscheidet. Wie es ausgeht …? Nun, das muss sich jeder selber erarbeiten. Nur so viel: Es ist ein sehr überraschendes Ende, das der Autor aber unter Umständen auch gebraucht hat, um einen etablierten Rahmen für die demnächst erscheinende Fortsetzungs-Reihe zu schaffen. An meiner erneuten Begeisterung hat sich demnach auch nichts geändert. Einmal mehr fasziniert von der Welt der Rabenkrieger, fiel es mir von Seite zu Seite schwerer, dem Ende entgegenzutreten, und ich kann meine Erleichterung darüber, dass dieses Ende nicht endgültig ist, schon kaum mehr in Worte fassen. All das spricht sicherlich dafür, wie genial und beeindruckend „Die Chroniken des Raben“ sind, und ich bin mir jetzt schon sicher, dass ich mir eines Tages die gesamte Erzählung noch mal von Anfang an durchlesen werde. Aber ich schweife ab. Wer sein Desinteresse an dieser Serie bislang immer damit begründet hat, dass sie noch nicht komplett erhältlich ist, wird jetzt keine Ausrede mehr finden und ist in die Pflicht genommen. Ein Meisterwerk der modernen Fantasy-Literatur steuert in „Elfenmagier“ seinem vorläufigen Ende entgegen und sollte mit sofortiger Wirkung in jede gut sortierte Sammlung aufgenommen werden. Mr. Barclay, Sie haben ein wahrhaft göttliches Werk vollbracht!
_Frankie comes from Hollywood._
Schamlos und doch voller Respekt hat sich Hollywood-Produzent und Skiakrobat Frank Beddor an das Wunderland angepirscht, er hat es dermaßen auf den Kopf gestellt, dass es nur noch wenig mit der schwebenden Niedlichkeit zu tun hat, mit der Lewis Carrol seine jungen Leser zu verzaubern beabsichtigte.
„Das Spiegellabyrinth“ ist der Auftakt zu einer Trilogie, die die „wahre“ Geschichte um das Wunderland erzählt, mit all den blutigen und gewalttätigen Details um die Herzkönigin und ihre Tochter, mit allen scheußlichen Fakten um die Farbfamilien und die Bürgerkriege, die sie anzettelten.
_Erwischt, Lewis Caroll!_
Reverend Charles Dodgson, seines Zeichens Autor unter dem Pseudonym Lewis Carroll, bekommt im Prolog dieses Buches erst einmal ein solches gegen den Kopf geworfen – bildlich gesprochen. Welches? Sein eigenes. Von wem? Von seiner Protagonistin. Alice Lidell ist nämlich zutiefst empört darüber, wie der Geistliche ihre Geschichte verniedlicht hat, wie er sie zu einem netten Kinderbuch verstümmelt hat, das alles enthält, nur nicht die betrübliche Geschichte der jungen Prinzessin, die die moderne Welt irrtümlicherweise als „Alice im Wunderland“ kennt …
Also muss die junge Alice das eben selbst besorgen: Zunächst, so klärt sie den Leser auf, ist ihr wirklicher Name nicht Alice, sondern Alyss, und die Welt, der sie entrissen wurde, kennt keine Grinsekatze, keine Hutmacher, keine knubbeligen kleinen Kartensoldaten und kein weißes Kaninchen.
Stattdessen gibt es da Nanik Schneeweiß, einen äußerst scharfsinnigen Albino-Gelehrten, der sich ziemlich darüber mokieren würde, wenn er wüsste, dass ihn ein britischer Autor als Kaninchen skizziert hat, es gibt Todesschwadronen gedrillter Kartensoldaten, die mehr können als putzig auszusehen, statt eines Hutmachers gibt es Mac Rehhut, eine klingenschwingende Einmann-Armee mit dem Auftrag, Prinzessin Alyss mit dem Leben zu beschützen, und die Grinsekatze … nun ja, sagen wir es so: Alleine für diese Bezeichnung würde Lewis Caroll den qualvollsten aller Tode sterben, den sich diese mit neun Leben bewehrte Killermaschine ausdenken könnte.
_Aber von Anfang an …_
Wunderland ist ein politisches Pulverfass, die Vier Farben (Karo, Bube, Kreuz und Herz) sind Herrscherdynastien mit ausgeglichenem Kräfteverhältnis, ständig schwelen Konflikte zwischen ihnen, und nicht selten entladen sie sich in Bürgerkriege. Im Augenblick aber wird der Frieden durch Königin Genevieve gesichert, Herrscherin der Herzdynastie und Mutter von Prinzessin Alyss.
Als ob der Ärger zwischen den Herrscherdynastien nicht schon genug wäre, bedroht auch noch Redd den Frieden von Wunderland: Die böse Schwester von Königin Genevieve wurde ihrerzeit von der Thronfolge ausgeschlossen, weil sie sonst mit schwarzer Imagination das ganze Wunderland zerstört hätte. Die derartig Gehörnte sieht das natürlich völlig anders und strebt nun mit unersättlichem Hass nach dem Thron, um den sie sich betrogen wähnt.
Unglücklicherweise wählt Redd den Geburtstag von Prinzessin Alyss für ihren Ursurpationsversuch … voll ins Schwarze, könnte man sagen: Sie überrascht ganz Wunderland an empfindlicher Stelle, und die wahre Thronerbin muss Hals über Kopf vor Redds Häschern fliehen, die ihr nach dem Leben trachten. Alyss verliert sich auf ihrer Flucht in einem antiquierten London und versucht verzweifelt wieder zurückzufinden, aber der Einzige, der ihrer Geschichte Glauben schenkt, ist besagter Revererend Dodgson … Währenddessen formieren sich die Überlebenden des Angriffes zu einer Rebellion, um Redd wieder vom Thron zu stoßen.
_Alyss and the Furious._
„Das Spiegellabyrinth“ gibt schon von der ersten Seite an mächtig Gas, stellt das Carollsche Universum mit freudiger Häme auf den Kopf und karikiert seine Elemente mit knochentrockenem Humor (So macht sich der sprechende Wald über die „Grinsekatze“ lustig, weil die sich voller kätzischer Wasserscheu weigert, Alyss durch den Tränensee zu folgen … Schon mal einen großmäuligen Flieder beim Stänkern betrachtet? Köstlich!)
Bei dem Popcorn-Drive bleibt es dann auch. Von Anfang an ist klar, wohin die Geschichte steuert: Alyss verliert in unserer Welt ihre Fähigkeit, Dinge durch Imagination zu beeinflussen, und sie verliert schließlich den Glauben an Wunderland selbst. Redds Terrorherrschaft hingegen dezimiert die Rebellen einschneidend, nur ihre Hoffnung auf die Rückkehr der Prinzessin gibt ihnen noch Kraft, und Mac Rehhut setzt alles daran, sie zu finden, um sie auf den alles entscheidenden Kampf vorzubereiten.
Schade, dass sich der Zauber der ersten Seiten zum Schluss hin verflüchtigt. Zwar hält die Story ihre Geschwindigkeit, aber der Entdecker-Anreiz bleibt auf der Strecke, und, was noch viel bedauerlicher ist, der Humor auch. Wo man Anfangs noch über die schwarzhumorig dargestellte Funktionsweise Wunderlands kichern kann, regieren zum Schluss wilde Effekt-Orgien, deren Ausgang wenig überraschend ist. Liebe und Krieg, Hoffnung und Wut steuern gegenseitig auf einen Showdown zu, wie man ihn von Hollywood erwarten würde. Nun, seine Wurzeln kann Monsieur Beddor eben nicht verleugnen.
Trotz dieses Wermutstropfens bleibt „Das Spiegellabyrinth“ einen Besuch wert. Es ist sozusagen „The Fast and the Furious“ für die Fantasy-Literatur: Nicht so viel fürs Hirn, aber umso mehr fürs Auge; ironisch lockere Vollgas-Unterhaltung eben. Ganz mag ich mich den Begeisterungsstürmen der Presse zwar nicht hingeben, aber ein gutes Buch bleibt es dennoch.
http://www.dtv.de/special__beddor/flash/alyss__new.htm
Sie schürt Hoffnungen und Befürchtungen zugleich, die Pressestimme des |Time Magazine|, die vorne auf dem Buchdeckel von Susanna Clarkes Debütroman „Jonathan Strange & Mr. Norrell“ prangt: |“Ein Meisterwerk, das Tolkien Konkurrenz macht.“| Da mag der geneigte Fantasy-Leser einerseits auf ein höchst unterhaltsames Lesevergnügen hoffen, aber andererseits schwingen bei einem Tolkien-Vergleich immer auch starke Zweifel mit. Welcher Autor konnte einem solchen Vergleich bislang überhaupt standhalten? War so ein Vergleich schon mal irgendwann in der jüngeren Literaturgeschichte wirklich angemessen?
Auch im Fall von „Jonathan Strange & Mr. Norrell“ ist dieser Vergleich äußerst problematisch, schürt er doch leicht eine überzogene Erwartungshaltung, die am Ende eigentlich nur enttäuscht werden kann. Susanna Clarke ist nicht J.R.R. Tolkien, und mit Mittelerde, Hobbits und unsichtbar machenden Ringen hat ihr Roman schon mal gar nichts zu tun. Der Vergleich mit Tolkien kann sich also nur auf anderer Ebene abspielen und meint wohl auch eher den Einfallsreichtum der Autorin und den Umfang und Phantasiegehalt des Werkes – und nicht zuletzt eine entscheidende Grundsubstanz des Romans, die quasi das Salz in der Suppe ist: Magie.
Bücher über Zauberer sind zurzeit der letzte Schrei, und wer denkt da nicht gleich an einen gewissen bebrillten Teenager, der seit Jahren sämtliche Bestsellerlisten unsicher macht. Doch auch damit hat „Jonathan Strange & Mr. Norrell“ nur wenig gemeinsam. Susanna Clarke bewegt sich mit ihrem Debüt in einem recht eigentümlichen Umfeld – sozusagen dem historischen Fantasy-Roman. „Jonathan Strange & Mr. Norrell“ wirkt über weite Strecken wie ein historischer Roman, ergänzt um eine saftige Prise Magie und Zauberei.
Angesiedelt ist die Geschichte am Beginn des 19. Jahrhunderts in einem alternativen England. Der Leser erfährt zunächst einmal, wie es um die englische Zauberei (die offenbar auf Dekaden voller Ruhm und Glanz zurückblicken kann) bestellt ist. Zauberei wird nur noch theoretisch praktiziert (was der aufmerksame Leser sicherlich gleich als Widerspruch reklamieren möchte). Zauberei betreibt man nicht durch Zauberei, sondern nur, indem man wie ein wahrer Gentleman darüber diskutiert und sie studiert. Zu dieser Zeit betritt ein einscheinbarer älterer Herr die Bühne der Zauberei und stiftet einige Unruhe, indem er tatsächlich zaubert: Mr. Norrell.
Mr. Norrell ist sehr bemüht, der englischen Zauberei wieder zu Glanz und Ehre zu verhelfen, aber ebenso fest entschlossen, alle anderen Zauberer zu Stümpern und Scharlatanen zu degradieren, denn schließlich kann sich kein Zauberer mit ihm selbst messen. Mr. Norrell sieht sich selbst mehr oder weniger als den einzigen wirklichen Zauberer im ganzen Königreich an. Und so versteht es sich fast von selbst, dass er sich darum bemüht, seine Künste in den Dienst seiner Majestät zu stellen, um im Kampf gegen Napoleon von Nutzen zu sein.
Gleichzeitig nimmt Norrell, ganz gegen seine eigennützige und eigenbrötlerische Art, einen äußerst talentierten Schüler auf: Jonathan Strange – ein Mann, der das Talent dazu hätte, seinen Meister irgendwann zu überflügeln. Gemeinsam arbeiten Strange und Norrell im Auftrag der englischen Regierung daran, die englischen Truppen im Krieg gegen Napoleon zu unterstützen. Strange lernt schnell und wird schon recht bald alleine nach Spanien geschickt, um Lord Wellington und seine Truppen vor Ort tatkräftig zu unterstützen. Strange und Norrell verhelfen so der englischen Zauberei zu neuem Ruhm.
Doch je weiter Strange seine Kenntnisse vertieft, desto weiter entfernt er sich auch von seinem Lehrer Mr. Norrell. Zwischen den beiden bahnen sich erste Schwierigkeiten an, und als Strange seine von Norrell differierenden Ansichten zur Zauberei öffentlich kundzutun beginnt, entsteht ernsthafte Rivalität …
Was Susanna Clarke mit ihrem Debüt erschaffen hat, ist ein wahrhaftiger Schmöker. 1024 eng bedruckte Seiten – ein Buch wie geschaffen für ausgiebige Schmökerabende vor dem prasselnden Kaminfeuer. Susanna Clarke schafft es, dass man das Buch trotz des immensen Umfangs recht zügig durchliest. Leichtfüßig schickt sie den Leser durch die 69 Kapitel – erheitert und unterhält, fesselt und fasziniert.
Clarke gibt dem Ganzen den Anstrich eines historischen Dokuments. Gewitzt fügt sie immer wieder Fußnoten als Belege des Erzählten an, die auf historische (selbstverständlich fiktive) Zauberliteratur verweisen und erzählt im Kleingedruckten am Seitenende so manche lustige und unterhaltsame Anekdote. Das sprengt manchmal ein wenig den Rahmen einer verträglichen Fußnotengestaltung und kann sich, wie in einem Fall, auch schon mal über fünfeinhalb Seiten ziehen. Manchen Leser mag das irritieren, und auch für meinen Geschmack hätten es ruhig etwas weniger Fußnoten sein können, zugunsten von mehr in den Text eingebetteten Erklärungen, aber bei diesem Roman gehört dies offenbar zur besonderen Note, und bei einem Buch dieses Umfangs hat man sich auch daran irgendwann gewöhnt und stört sich kaum noch an dieser Eigenart.
Insgesamt neigt Susanna Clarke zu einem recht ausschweifenden, intensiv beschreibenden Erzählstil. Auf den ersten Seiten mag man noch so manches Mal denken, sie könne sich ruhig etwas kürzer fassen, aber schon nach wenigen Kapiteln ist man dann so sehr in die Atmosphäre eingetaucht, dass es einem gar nicht mehr auffällt. Insofern geht Clarkes stilistische Rezeptur auf. Sie beschreibt ausführlich, plastisch und mit einer Fülle an Adjektiven und kreiert so im Laufe der Kapitel eine dichte und intensive Atmosphäre.
Diese intensive Atmosphäre braucht der Leser auch besonders. Es ist nicht immer unbedingt die Handlung, welche die Lektüre vorantreibt. Clarke lässt sich Zeit, Entwicklungen aufzuzeigen, Bezüge herzustellen und den Leser in aller Ruhe die Protagonisten und die Geschehnisse beobachten zu lassen. So gesehen braucht der Spannungsbogen ausgesprochen lange, um die Intensität zu entwickeln, die den Leser dann zum Ende hin wirklich fesselt. Es sind vor allem die Atmosphäre und Clarkes gewitzte und ironische Art zu erzählen, die man anfangs mögen muss, um sich voll auf das Buch einlassen zu können. Wen Clarke damit aber anspricht, den dürfte sie dann auch direkt begeistern können.
„Jonathan Strange & Mr. Norrell“ ist ein Roman, der vor allem durch den alles durchziehenden Witz und die stets durchschimmernde Ironie wunderbar zu lesen ist. Vieles erzählt Susanna Clarke mit einem Augenzwinkern, und gerade bei den Beschreibungen der diversen Figuren kommt die Ironie nicht zu kurz. Jede Figur hat so ihre skurrilen Eigenheiten und die Autorin versteht sich einfach darauf, solcherlei Dinge wunderbar plastisch zu beschreiben.
Inhaltlich ist „Jonathan Strange & Mr. Norrell“ ein recht vielschichtiger Roman. Zum einen beschreibt er die damalige Zeit sehr gut. Die politischen Umstände vor dem Hintergrund der Zeit Napoleons werden dank der Tätigkeit der beiden Zauberer in den Diensten seiner Majestät ausführlich beleuchtet. Auch die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen kommen nicht zu kurz. Norrell verkehrt in der feinen Londoner Gesellschaft, und dieser Bezug ist es auch, der schon so manchen Leser und Kritiker an Jane Austen hat denken lassen.
Die besondere Würze aber ist natürlich die Zauberei. Auch wenn sie manchmal etwas überzogen wirken mag, wenn Strange zum Beispiel während des Krieges gegen Napoleon eine ganze Stadt auf einen anderen Kontinent verlegt, so wirkt sie ansonsten eben doch so, wie man es sich am ehesten als realistisch vorstellen kann. Es bleibt alles sehr geheimnisvoll, hat aber auch einen etwas elitären Charakter und vor allem viel mit dem Wälzen alter Bücher zu tun. Geradezu wissenschaftlich betreiben Strange und Norrell ihre Zauberei – sehr zum Missfallen der feinen englischen Gesellschaft, die sich die Zauberei irgendwie spektakulärer und als passende Erheiterung für so manche langweilige Dinnerparty vorgestellt hatte.
Auch die düsteren Elemente fehlen in Clarkes Roman nicht. Je weiter Strange seine Zauberei voranbringt, desto mehr dunkle und unbekannte Wege tun sich auf. Immer wieder wird auf den Rabenkönig angespielt, der im Mittelalter den Norden Englands regiert haben soll und der gleichzeitig der König des Elfenreiches war. Wahnsinn, wieder auferweckte Tote, Besuch von geheimnisvollen Elfen, Menschen, die in das Elfenreich entführt werden – der Roman steckt voller Phantasie und origineller Einfälle, die teils düster, teils aber auch einfach skurril sind.
Bleibt unterm Strich festzuhalten, dass „Jonathan Strange & Mr. Norrell“ ein ausgezeichneter Schmöker für alle diejenigen ist, die atmosphärische und phantasievolle Romane lieben. Manch einer mag Längen in der Handlung beanstanden, ich für meinen Teil finde es aber viel mehr erstaunlich, wie locker und flott man dieses mehr als tausendseitige Werk verschlingen kann. Man braucht schon einen Sinn für Clarkes feinsinnige Ironie und ihre augenzwinkernden Beschreibungen, aber wer über einen solchen verfügt, der wird reichlich belohnt.
„Jonathan Strange & Mr. Norrell“ ist schon ausgesprochen phantasievolle Lektüre, die sich vermutlich am ehesten als historischer Fantasy-Roman einordnen lässt. Gerade auch in Anbetracht der Tatsache, dass es sich um einen Debütroman handelt, handelt es sich um ein wirklich lesenswertes Buch, dem man die meisten seiner kleinen Schwächen gerne verzeiht.
http://www.jonathanstrange.de/
Im Jahr 2045 ist es so weit: Außerirdische fliegen die Erde an! Sie reisen an Bord eines riesigen Pyramidenraumschiffs an, hüllen sich aber in tiefes Schweigen. Die Erdmenschen ergreifen die Initiative, doch als sich ein „Begrüßungskomitee“ aufmacht, die Pyramide anzufliegen, setzt es sich nicht aus kernig-stoppelhaarigen NASA-Astronauten zusammen. An Bord der “Nostradamus” befindet sich eine Multikulti-Crew, die ihre Anweisungen – man lese und staune! – vom deutschen (!) Raumfahrtkonzern „Space Cargo“ erhält. (Das ist wahre Science-Fiction!) Kapitän John Nurminen und seine Mannschaft haben den Auftrag, die außerirdischen Gäste zu begrüßen und, sollte niemand zu Hause sein, die Geheimnisse ihres Pyramidenschiffes zu erkunden – zum Wohle des Mutterkonzerns und der Menschheit: in genau dieser Reihenfolge.
Die Mission ist schwierig und stellt ihre Mitglieder vor nie gekannte Probleme. An Bord der „Nostradamus“ herrscht wenig von dem weihevollen Eifer, der Forschern und Entdeckern in den Geschichtsbüchern nachträglich gern zugeschrieben wird. Die Mannschaft ist bunt zusammengewürfelt und arbeitet (noch) nicht harmonisch zusammen. Kapitän Nurminen hat kein Mitspracherecht bei der Zusammenstellung der Crew; „Space Cargo“ stellt ihn vor vollendete Tatsachen. Mehr als die Tatsache, die historische Mission mit einer Mannschaft anzutreten, die in ihrer Mehrheit die Erde niemals verlassen hat, beunruhigt Nurminen die Tatsache, dass man ihn zwingt, dies an Bord eines Schiffes zu tun, das wenig mehr als ein Prototyp ist. Der Antrieb der „Nostradamus“ ist revolutionär – jedenfalls in der Theorie, denn praktisch wurde er noch nicht unter Dauerbelastung getestet. Das ficht seinen geistigen Vater, den knarzig-genialen Professor Schmidtbauer, allerdings nicht an. Schließlich ist er höchstpersönlich mit von der Partie und wird dem Kapitän schon zeigen, welche Knöpfe er zu drücken hat. Da schreckt es den gebeutelten Nurminen nicht mehr, als er entdeckt, dass seine neue Bordärztin eine ehemalige Geliebte ist, von der er sich im Streit getrennt hat, und sich zum Dienst auch eine Parapsychologin mit dem schönen Namen Halbmond sowie ein Nexialist melden, der von allem ein bisschen, aber nichts richtig versteht und dadurch nach Ansicht des Konzern prädestiniert ist für die Kontaktaufnahme mit einer außerirdischen Intelligenz.
Allerdings ist es fraglich, ob die „Nostradamus“ ihr Ziel jemals erreichen wird. Die Konkurrenz-Konzerne von „Space Cargo“ gedenken nicht, sich ausbooten zu lassen. Sie schicken eigene Schiffe aus. Der Vatikan ist davon überzeugt, dass am Steuer der Pyramide der Antichrist höchstpersönlich sitzt, der komfortabel anreist, um endlich sein Reich des Bösen auf der Erde zu errichten. Die Außerirdischen sind gar nicht so fremd im Sonnensystem, denn auf dem Mars wurden schon vor einigen Jahren Pyramidenbauten gesichtet, die stark an die Form des nun georteten Raumschiffs erinnern; die Entdeckung wurde aus politischen Gründen geheim gehalten. „Space Cargo“ selbst scheint ein falsches Spiel mit der Mannschaft der „Nostradamus“ zu treiben und sehr viel interessierter an der Erprobung des neuartigen Antriebs als an der Erforschung der Pyramide zu sein, und, und, und … Die Ränke und Intrigenspiele auf der Erde und im Weltall scheinen kein Ende zu finden, und mittendrin steckt immer die „Nostradamus“ – ein hilfloser Spielball divergierender, undurchsichtiger Interessen und einer Technik, die sich verhängnisvoll zu verselbständigen beginnt …
„Googol“ – eine Space Opera aus deutschen Landen, die eigene Wege geht; ein Unikum auf einem schon lange weitgehend nivellierten SF-Buchmarkt, der durch angelsächsische Autoren und Endlosserien à la „Star Trek“ oder „Battletech“ geprägt wird: eine Überraschung, mit der wohl niemand gerechnet hat, und deren Wiederkehr sechs Jahre nach der Erstausgabe mit einer „überarbeiteten“ Neuauflage versucht wird.
H. D. Klein erfindet mit seinem ziegelsteinschweren Opus das Rad nicht neu, aber das verlangt ja auch niemand. Selbst wenn sich das Erstaunen, dass es ein Buch wie „Googol“ tatsächlich geben kann, ein wenig gelegt hat, bleibt die Freude an einer spannenden, trotz ihrer Umfangs ohne gravierende Längen erzählten Geschichte. Offensichtlich gibt es doch kein Gen, das nur Amerikaner oder Briten befähigt, einen lesenswerten SF-Roman zu Stande zu bringen (dessen Held nicht Perry Rhodan oder Rhen Dark heißt …). Klein hat sein Thema und seinen Stoff im Griff. Die von ihm zum Einsatz gebrachte Technik wirkt überzeugend. Besonders positiv macht sich indes sein Entschluss bemerkbar, das Hauptgewicht eben nicht auf die „harte“ Science-Fiction zu legen, wie dies im Umfeld der Erforschung außerirdischer Artefakte im SF-Roman allzu oft geschieht, sondern die Menschen in den Vordergrund zu stellen – „Menschen“ wohlgemerkt, nicht eindimensionale „Helden“ und „Schurken“. John Nurminen beispielsweise müht sich redlich, die übernommene Aufgabe erfolgreich durchzuführen. Für ihn ist es ein schmerzlicher Prozess, als er zum einen herausfindet, dass er eindeutig überfordert ist. Schlimmer wirkt sich die Entdeckung aus, vom „Space Cargo“-Konzern, dem er bisher vertraut und für den er sein Bestes gegeben hat, belogen und ausgenutzt worden zu sein; eine Erkenntnis, die um so bitterer wirkt, als Nurminen sich eingestehen muss, dass die entsprechenden Zeichen schon lange an der Wand gestanden haben: Er wollte sie einfach nicht sehen.
Unter diesen Umständen ist es zu verschmerzen, dass das Rätsel der Außerirdischen in „Googol“ niemals eine echte Auflösung erfährt. Sie dienen ihrem Autor als „McGuffin“, wie Alfred Hitchcock es genannt hat: als Katalysator, der die Handlung in Schwung bringt, um anschließend nebensächlich zu werden. Dazu kommt die uralte Einsicht, dass ein Rätsel, dessen Auflösung man allein dem Leser überlässt, einen um so stärkeren Eindruck hinterlässt. So sind die Außerirdischen letztlich tatsächlich gar nicht so wichtig.
Einige wenige Schwachpunkte gibt es gleichwohl doch. So ist das Bild einer im Würgegriff skrupelloser Wirtschaftskonzerne gefangenen Erde nicht nur ein wenig abgegriffen. Es wurde auch schon wesentlich schärfer und konsequenter und dadurch überzeugender gezeichnet. (Man denke nur an William Gibsons „Neuromancer“-Trilogie oder – um einen echten Klassiker zu nennen – Frederik Pohls und Cyril M. Kornbluthes „Eine Handvoll Venus und ehrbare Kaufleute“/“The Space Merchants“ von 1953.) Auch in seinem Bemühen, sich von der anglo-amerikanischen „Konkurrenz“ um jeden Preis abzugrenzen, ist Klein ein Stück zu weit gegangen: Seine Zeichnung der Mannschaft der „American Gothic“ und besonders ihres Captains ist womöglich satirisch gemeint, geht aber weit über die Grenzen der Karikatur hinaus.
Zu vermerken sind schließlich gewisse stilistische Schwächen oder besser Eigenarten, die wahrscheinlich nicht ausbleiben können bei einem Werk dieses Umfangs und einem Autor, an dem die Jahre der Perry Rhodan/Atlan/Terra Astra & Co-Monokultur nicht spurlos vorübergegangen sein können. Aber das sind nur Marginalien; es überwiegt die Freude an einem ambitionierten und gelungenen Roman – kein Meisterwerk, aber grundsolides Lesefutter, oft ein gutes Stück oberhalb des Durchschnitts.
Ach ja: Was ist eigentlich ein „Googol“? Den Mathematikern unter uns wird dieses Wort womöglich nicht unbekannt sein, denn es bezeichnet eine Zahl, die so unvorstellbar groß ist, dass es den Fachleute sogar schwer fiel, einen Namen für sie zu finden: eine Zehn, gefolgt von einhundert Nullen. Klingt noch nicht sehr eindrucksvoll, gewinnt aber an Gewicht, führt man sich vor Augen, dass die gesamte Anzahl aller Protonen des Universums auf eine Zehn mit achtzig Nullen geschätzt wird. (Edward Kasner, der das Googol in den 30er Jahres des 20. Jahrhunderts „erfand“, wandte sich für die „Taufe“ übrigens an seinen neunjährigen Neffen, der ahnungslos ein wahrhaft großes Wort gelassen aussprach und damit in die Wissenschaftsgeschichte einging.) Das Googol wird als erstes Zahlwort diesseits der Unendlichkeit, für das es keine Entsprechung mehr in „unserer“, der sichtbaren Welt gibt, definiert. Damit qualifiziert es sich nachdrücklich als Titel für einen Science-Fiction-Roman und mag gleichzeitig ein Wortspiel bilden, das die Erfahrungen seines Autors beschreibt, für einen mehr als tausendseitigen fantastischen Roman aus Deutschland in Deutschland einen Verlag zu finden.
Anmerkung: Für April 2006 ist die Fortsetzung „Googolplex“ bei |Heyne| angekündigt.
Die alte Sage vom Rattenfänger ist im Anhang dieses Buches abgedruckt. Sie umfasst nicht einmal eine Seite. Rund 370 Seiten dagegen beanspruchen die 18 Geschichten, die das Thema variieren. Auf Einladung des Herausgebers Bernd Rothe, eines gebürtigen Hamelners, lieferten beim BLITZ-Verlag 18 AutorInnen, die in verschiedenen Bereichen des Phantastischen zu Hause sind, ihren Beitrag zu dem ewig jungen Stoff ab. Entstanden ist eine lesenswerte Anthologie, die bekannten und weniger bekannten Namen auf den Spuren einer der bekanntesten deutschen Sagengestalten folgt.
In der Tat bietet der kleine Ausgangstext viele verschiedene Ansatzpunkte für Phantasien und Phantastisches. Da sind erstens die menschlichen Protagonisten: der Rattenfänger, ein Spielmann, ein Outlaw, aber vielleicht auch der Teufel; das saturierte Bürgertum, das ihn um seinen Lohn betrügt; die Kinder dieser Bürger. Schon vor x Jahren lieferte der Liedermacher Hannes Wader seine Version des Geschehens, die den Rattenfänger entteufelt und die Karten neu mischt – einige der AutorInnen folgen dieser Lesart, am deutlichsten Stefanie Bense („Schattenschläger“, die Eingangsgeschichte) und Frank W. Haubold („Der Puppenmacher von Canburg“, immer wieder lesenswert, ein Highlight des Bandes). – Zweitens wäre da die Idee, es doch auch einmal aus der Perspektive der Ratten zu versuchen – am eindrucksvollsten gemeistert von Barbara Jung in „Die Königin und ihr Gardist“. – Drittens bietet das Wort „Rattenfänger“ in seiner übertragenen Bedeutung wundervolle Ansatzpunkte, für die Satire etwa; wer aber könnte die in einem solchen Forum besser meistern als Christian von Aster („Niederfrequenzmanipulation oder Des großen Rattenfänger Trick“)? Aber auch Christian Schönwetter liefert zu dieser Lesart eine gute Story ab („Die Rattenfänger sind in der Stadt!“). – Sodann haben wir natürlich das Thema des Betrugs und der darauf folgenden Rache (u. a. in Armin Rößlers SF-Geschichte „Der Verlorene“ umgesetzt). Hybriden Gestalten aus Ratte und Menschen entstehen in Alisha Biondas „Mephisto“, wobei auch das Teuflische und das Erotische zum Tragen kommen, oder in Dominik Irtenkaufs „Der Lichtfänger“, eine Geschichte, die in nahezu schwelgerischen Bildern ein hier oft präsentes weiteres Thema ausschmückt: das des Verfalls nicht nur einer Stadt, sondern auch der sozialen Bindungen zwischen den Menschen. Vielleicht ist dieses Motiv nicht das eigentliche Zentrum der ursprünglichen Rattenfänger-Sage, in der Anthologie jedoch rückt es in den Fokus vieler Erzählungen.
Blieben noch zwei besondere Beiträge zu erwähnen: Marc-Alastor E.-E.s dunkeldüstere Vampir-Novelle „Nicht ohne Wut, sei vom Lamm das Blut“, welche sprachlich exorbitant die Sage vom Bingener Mäuseturm mit der Hameln-Geschichte und dem Vampirmotiv verquickt, und Markus K. Korbs spannende Horror-Story „Rattenfänger GmbH“, die durch eine außergewöhnliche Hauptfigur und durch einen Showdown in dunklen Gängen überzeugt (Leser mit Ratten- und Klaustrophobie seien vor ihr dringlichst gewarnt).
Auch die übrigen, hier aus Platzgründen nicht genannten VerfasserInnen leisten durchaus Solides, so dass diese Anthologie insgesamt bestens unterhält. BLITZ-Stammillustrator Pat Hachfeld gibt jeder Geschichte per Titelblatt ein eigenes Gesicht; die Autoren zeigen Gesichter in der abschließenden Galerie. Gesamtprädikat: lohnenswert!
http://www.blitz-verlag.de/
© _Peter Schünemann_
Neun Monate sind seit dem Fall der Vervunmakropole auf Verghast vergangen. Doch noch immer sind Spannungen zwischen den Tanithern und den Vergasthitern, die sich damals freiwillig dem „Ersten und Einzigen Tanith-Regiment“ angeschlossen haben, an der Tagesordnung und drohen, die aktuelle Mission zu überschatten.
Die Schrein- und Heimatwelt der Heiligen Sabbat, Hagia, wurde von Chaos-Anbetern infiltriert und weitgehend besetzt, zahlreiche Reliquien und Heiligtümer sind in die Hände des Feindes gefallen. Gaunts Geister sollen im Verbund mit anderen imperialen Streitkräften die Abtrünnigen vernichten, um die symbolisch bedeutsame Welt zu retten. Als der anfänglich erfolgreiche erste Vorstoß in die Hauptstadt Doctrinopolis und gegen die heilige Zitadelle in einem Debakel endet, gibt die militärische Führung allein den ungeliebten Tanithern die Schuld daran, dass nun eine unermesslich große Flotte aus Chaos-Raumschiffen auf den Planeten zusteuert.
Während die übrigen imperialen Truppen und die planetare Herrscherklasse von Hagia evakuiert werden, schickt Marschall Lugo die Tanither und eine Pardus-Panzer-Kompanie auf ein neues Himmelfahrtskommando: Als so genannte Ehrengarde sollen sie die heiligsten Reliquien Sabbats aus einer Feste tief in den verschneiten Bergen vor dem Zugriff der Kultisten in Sicherheit bringen. Der Weg führt die Kämpfer durch unwegsame Regenwälder und vom Feind besetzte Dörfer, vorbei an Flüchtlings- und Pilgerströmen; und hinter jedem Baum könnte ein Hinterhalt liegen, jeder Mensch ein Attentäter sein.
Doch nicht alle Tanither sind mit von der Partie. Einige müssen verwundet in Doctrinopolis zurückgelassen werden, darunter auch der hünenhafte Bragg, der geniale Corbec, Dorden, der Arzt, und Bran Daur von den Verghastitern. Als diese einen seltsamen, unterschwelligen Ruf spüren, der von der Bergfeste auszugehen scheint, und in ihren Träumen immer wieder das Wort „Sabbatmärtyrer“ auftaucht, machen sie sich trotz ihrer Verletzungen in einem fast schrottreifen Panzer an die Verfolgung der einige Tagesmärsche entfernten Ehrengarde.
Nachdem die ersten beiden der „Gaunt´s Ghosts“-Romane lesenswert waren, der dritte aber äußerst eintönig mit vielen Mängeln im Detail daherkam, bietet dieser vierte Band sowohl Licht als auch Schatten.
Im Entwerfen unterschiedlicher Schlachtenszenarien, der Erläuterung von Taktiken und Strategien (ungeachtet derer Realitätsnähe) und dem Schaffen einer düsteren, blutigen Schlachtfeldatmosphäre erweist sich Abnett nach wie vor als wahrer Meister, wobei sein Hang, sich in eintönigem Kanonendonner und Lasergewehr-Gewitter zu verlieren, unverkennbar ist. Dennoch setzt er in diesem Roman genug Akzente – z. B. im Panzergefecht um das kleine Dorf Bhavnager oder den Handlungsbogen um die „Verfolger“ -, um nicht mit endlosen, immer gleich anmutenden Kämpfen zu langweilen.
So fähig er in der Darstellung authentischer Action ist, so schwach ist der Autor im Aufbau vielschichtiger, glaubwürdiger Charaktere und eines befriedigend, plausiblen Abschlusses der Geschichte. Einmal mehr lassen zahllose Figuren keinen Raum, irgendeine von ihnen genauer zu beleuchten, gibt Abnett den zentralen Protagonisten (Larkin, Bragg, Corbec, Rawne, Mkoll, etc.) keine Gelegenheit, aus ihren schon bekannten -und mittlerweile langweilig-vorhersehbaren Verhaltensmustern auszubrechen; und bedauerlicherweise zeichnet sich für die neu ins Regiment integrierten Verghastiter (Daur, Kolea u. a.) eine ähnliches Schicksal „schematischer Einfallslosigkeit“ ab. Der Einzige, der mal wieder etwas mehr Aufmerksamkeit des Autors auf sich zieht, ist Gaunt. Allerdings ist dessen Charakterentwicklung, die Flucht in den Alkohol und das An-den-Tag-legen verhaltener Verzweiflung, vollkommen „out of character“.
Ein weiteres Problem, welches am Horizont auftaucht, ist die Integration der Verghastiter in den tanithischen Hintergrund. Die besondere Fähigkeiten des „Ersten und Einzigen“ im Tarnen, Täuschen, Anschleichen und Erkunden ergeben sich unmittelbar aus den Lebensbedingungen auf der untergegangenen Heimatwelt. Und nun will uns Abnett weismachen – indem er das Problem nicht thematisiert -, die Stadtmenschen der Vervunmakropole seien ein gleichwertiger Ersatz für die gefallenen Geister.
Unbefriedigend ist auch diesmal wieder das Auftreten der Antagonisten: eine uniforme und zudem stupide und dumm agierende Masse von Chaosanbetern auf der anderen Seite der Frontlinie und vom Ehrgeiz zerfressene Offiziere in Reihen des Imperiums.
Ist es denn so schwer insbesondere den Chaosanhänger ein Gesicht zu geben und sie rational agieren zu lassen? Immerhin infiltrieren sie Welten, bauen militärische Infrastrukturen auf und malen ihre Panzer hübsch limonengrün an. Wieso verhalten sie sich in Kämpfen wie Idioten – und damit ist nicht „unlogisch“ oder „unvorhersehbar“ gemeint, sondern „dumm wie Schwarzbrot“? Dieses intellektuelle Stigma dürfte auch die Chaos-Spieler unter den Warhammer-40.000-Tabletop-Anhängern kaum zu Freudensprüngen veranlassen.
Zu den ganz großen Ärgernissen dieses Romans gehört das Abnett-typische Finale, über das man besser keine Worte verlieren sollte. „Reset-Button“ und „aus heiterem Himmel“ müssen deshalb genügen.
Um mit einem positiven Aspekt abzuschließen: Endlich erfährt man, woher der Sabbat-Kreuzzug seinen Namen hat, und man erhält weitere Einblicke in die theokratische Organisation des Imperiums sowie die Absonderlichkeiten der Heiligen-Verehrung.
Licht und Schatten halten sich die Waage: Drohende Eintönigkeit wird durch mitreißende Schlachtenbeschreibungen durchbrochen, interessante Hintergrundinformationen werden durch Unlogik, Vorhersehbarkeit und ein indiskutables Ende relativiert.
|Originaltitel: Honor Guard
Originalverlag: Games Workshop
Übersetzt von Christian Jentzsch|
© _Frank Drehmel_
|Diese Rezension wurde mit freundlicher Genehmigung unseres Partnermagazins [buchrezicenter.de]http://www.buchrezicenter.de/ veröffentlicht.|
Charles L. Fontenay wurde 1917 geboren. Er schrieb nach seinem Abschluss für einige Magazine und mauserte sich währenddessen zum Chefredakteur einer amerikanischen Tageszeitung. Nebenher widmete sich Fontenay den verschiedensten Hobbys; er malte, war als Philosoph aktiv, spielte Schach und errang einen Meistertitel im Taek Wan Do. Seine Karriere als Buchautor sollte allerdings nicht von langer Dauer sein; insgesamt schrieb Fontenay nur drei Science-Fiction-Romane, von denen zwei nach der Erstveröffentlichung auch den Weg nach Deutschland fanden. Der letzte hingegen, „Die Jahrtausendflut“, blieb bis zuletzt ein gesuchtes Sammlerstück, das nur in der Originalausgabe zu haben war.
Vor einiger Zeit hat sich schließlich der BLITZ-Verlag dieses Buches angenommen und es im Rahmen der hauseigenen |Magic Edition| erstmals in deutscher Sprache aufgelegt, dies jedoch in leicht überarbeiteter Form, denn der Autor selber hat den Inhalt in gewissen Punkten an das aktuelle Tagesgeschehen angepasst, um die Geschichte auch für die heutige Zeit noch relevant zu machen.
_Story_
In nicht allzu ferner Zukunft ist die Erde einer mächtigen Bedrohung durch die Natur ausgesetzt. Die globale Erwärmung hat allerorts Folgen hinterlassen, so dass durch das ständige Schmelzen der Gletscher und der Pole der Meeresspiegel erheblich angestiegen ist. Die Erdbevölkerung ist sich darüber im Klaren, dass eines Tages die gesamte Landschaft von den Wassermassen überflutet werden wird, doch sie ist noch nicht darauf vorbereitet, dass dieser Tag schon der heutige sein könnte …
Die Erde droht nämlich mit einem Meteoriten zusammenzustoßen, der bei seinem Aufprall eine gewaltige Flut nach sich ziehen würde. Den Berechnungen nach soll dieser Himmelskörper mitten im Atlantischen Ozean aufschlagen und die angrenzenden Länder sollen durch die übermächtige Sturmflut bereits nach wenigen Minuten verschlungen werden. Und tatsächlich: Das Unglück ist nicht mehr abzuwenden und die gesamte Welt steht vor ihrem Untergang.
Mittendrin im totalen Chaos: eine Gruppe von sechs Menschen (von denen drei aber eine eher untergeordnete Rolle spielen), die versuchen, der Jahrtausendwelle zu entrinnen und während ihrer Flucht um ihr Leben kämpfen. Doch nicht nur die Katastrophe selber wird zur schier unausweichlichen Bedrohung; auch die überlebenden Mitmenschen werden im brutalen Überlebenskampf zu Gegnern, die in ihrer Todesangst jegliche Skrupel ablegen und jenseits jeglicher Moral ihre eigene Haut retten wollen. Auch in dieser Sechsergruppe bilden sich zwei Parteien mit unterschiedlichen Motiven. Der Wissenschaftler Brand Caravel versucht das Beste aus der Situation zu machen und somit auch den Weg des allgemeinen Wohles zu gehen – sofern dies möglich ist. Ihm entgegen stellt sich der skrupellose Geschäftsmann Ashley Garland, der auch nach dem urplötzlichen Verfall seines Unternehmens die altbewährten Strategien beibehält und lediglich auf sein eigenes Wohl schielt. Die Übrigen stehen nun vor der Entscheidung, wem sie folgen sollen – dem kompromisslosen Unternehmer oder doch dem sozial motivierten Wissenschaftler. Und währenddessen werden die apokalyptischsten Visionen immer mehr zur Realität …
_Meine Meinung_
Naturkatastrophen von astronomischem Ausmaß waren zur Entstehungszeit dieses Romans eigentlich noch kein Thema, über das sich die Wissenschaft, geschweige denn die Bevölkerung ausführlich Gedanken gemacht hat. Doch durch das wachsende Bewusstsein über die Folgen der globalen Erwärmung und nicht zuletzt aufgrund der verheerenden Tsunami-Flutwelle aus dem vorletzten Jahr hat die Welt selber erfahren müssen, wie mächtig die Natur infolge des Raubbaus von Menschenhand geworden ist. Insofern ist die Thematik dieses Buches mittlerweile aktueller denn je, auch 40 Jahre, nachdem Charles L. Fontenay diesen lange Zeit verschollenen Roman verfasst hat.
Sehr positiv fällt auf, dass sich der Autor trotz des verhältnismäßig geringen Seitenumfangs recht detailliert auf die Thematik einlässt, sowohl im Hinblick auf das Ereignis an sich als auch bezogen auf die Charaktere, die im Buch eine wesentliche Rolle spielen. Die Katastrophe als solche und auch ihre Auswirkungen auf die Zivilisation werden sehr ausführlich dargestellt und weichen in ihrem Facettenreichtum gar nicht mal so weit von den jüngsten, real geschehenen Horrorszenarien ab. Ob dies jetzt daran liegt, dass der Autor die Geschichte im Nachhinein noch mal überarbeitet hat, vermag ich nicht zu sagen, jedoch ist es schon sehr erschreckend, welch authentisches Bild sich bei der Schilderung der Ereignisse ergibt. Dies gilt auch für die Darstellung der gesellschaftlichen Konflikte, die sich innerhalb des sehr knappen Zeitrahmens nach der Katastrophe ergeben; Menschen ringen mit allen erdenklichen Mitteln um ihr Leben und vergessen dabei jegliche moralischen Werte; das eigene Leben steht über allem, das Wohl der Gesamtbevölkerung ist hingegen gar nichts mehr wert. Aus einer Milliardenbevölkerung wird eine gewaltige Ansammlung von Einzelkämpfern, von denen sich jeder selbst der nächste ist, und wer dann doch versucht, an die Vernunft zu appellieren wie in diesem Fall Brand Caravel, der senkt seine Überlebenschancen mit einem Mal um einen drastischen Prozentsatz.
Das einzige Problem an diesem Buch ist lediglich, dass sich Fontenay nicht wirklich darauf einschießen kann, was nun das genaue Thema des Buches ist: die Entstehung der Naturgewalt oder die Folgen für das menschliche Miteinander, geprägt durch Personen wie Ashley Garland, Jimmy Haggard und Brand Caravel. Trotz umfassender Beschreibung versäumt der Autor es nämlich irgendwann, sich auf beide Themen gleichermaßen intensiv einzulassen. Gerade die Lösung im Bezug auf die Hauptpersonen ist im Endeffekt ein wenig unbefriedigend, zumal man eigentlich schon erahnen kann, wer mit seiner weiteren Vorgehensweise Erfolg haben wird. Aber auch der Konflikt zwischen Ashley und Brand wird nicht auf angemessenem Level ausgetragen und lässt die erforderliche Brisanz vermissen.
Dafür kann Fontenay allerdings mit tollen Szenenbeschreibungen glänzen, in denen seine Berufung als Journalist voll und ganz durchkommt. Sehr eindrucksvoll sind diesbezüglich die Schilderungen über die letzten Momente von New York, bevor die Stadt komplett von den Wassermassen vernichtet wird. Der Anschlag auf das World Trade Center hinterließ ein Bild des Schreckens und der Trauer, das man nie vergessen wird, und daran knüpft der Autor hier nahtlos an. Beim Lesen bekommt man eine echte Gänsehaut, die potenziell noch viel öfter hätte auftreten können, hätte sich Fontenay mehr auf diese Stärken konzentriert. Dies ist aber leider nicht der Fall, und so fehlt es dem Buch letztendlich auch an dem gewissen Etwas, sozusagen an der nötigen Würze und schließlich auch am erforderlichen Tiefgang, der prinzipiell – man beachte den schon erwähnten Detailreichtum – möglich gewesen wäre. Es mangelt der Geschichte weitestgehend an Konsequenz, d.h. der Autor führt die vielen Andeutungen und Ansätze nicht adäquat aus, und dadurch büßt „Die Jahrtausendflut“ trotz eigentlich sehr gutem Inhalt einiges an Klasse ein.
Fazit: Gute Unterhaltung: ja, intensive Atmosphäre: jein, tatsächlicher Tiefgang: nein.
http://www.blitz-verlag.de/
Isaac Asimov bemühte sich gegen Ende seiner Schaffenszeit, seine beiden großen Steckenpferde, die Robotergeschichten mit ihren Gesetzen der Robotik und die Geschichte der Menschheit mit der Foundation-Trilogie, zu einer zusammenhängenden, umfassenden Erzählung zu verknüpfen. »Das galaktische Imperium« wurde so zum vierten Band des erweiterten Foundation-Zyklus und bildet den endgültigen Übergang von den Robotergeschichten zur galaktischen Menschheitsentwicklung mit Hilfe der Psychohistorik.
Zweihundert Jahre nach Elijah Baleys letztem Fall auf Aurora, in dessen Verlauf er den Erdenmenschen einen neuen Anlauf für die Besiedlung der Galaxis ermöglichte, droht eine neue Krise: Die Spacer, die in ihrer von Robotern behüteten Zivilisation verharren, sehen ihre Macht über die Erdenmenschen durch die neuen Siedler bedroht, die allein durch ihre Masse zur Gefahr werden könnten. Der oberste Robotiker macht den hinterhältigen Plan eines seiner Kollegen zu dem seinen, der darauf abzielt, die Erde als Zentrum der Siedlerbewegung zu vernichten.
Inzwischen scheinen die Bewohner des letzten von Spacern besiedelten Planeten, die Solarianer, einen eigenen Plan zu verfolgen. Ihre Bevölkerung war schon immer die niedrigste aller Spacerwelten, und in dieser Krisenzeit haben sie ihren Planeten plötzlich verlassen.
Die bekannten Roboter Daneel und Giskard sehen sich vor die schwierige Aufgabe gestellt, nach den Gesetzen der Robotik zu handeln und die Menschen zu beschützen und gleichzeitig die Vernichtung der Erde durch Menschen zu verhindern. Sie als intelligenteste Roboter machen sich Gedanken um die Zukunft der gesamten Menschheit, was ursprünglich die Kapazität von Positronengehirnen übersteigt.
In typischer Weise entwickelt Asimov die Geschichte um seine Protagonisten, wobei diesmal ein deutlicher Schwerpunkt auf Daneel und Giskard und ihren inneren Konflikt zwischen ihren Erkenntnissen bezüglich der Menschheit und der Robotikgesetze gelegt wird. Es ist erstaunlich, über welchen Zeitraum (seiner Lebenszeit) und welchen Umfang (zehn, ursprünglich noch mehr, inzwischen zusammengelegte, Bände) er den großen Bogen spannt. Dass dem Leser dabei nicht langweilig wird, da er (in dieser Ausgabe nicht zuletzt wegen der wirren Veröffentlichungsstrategie des Verlags) die Romane wahrscheinlich nicht in chronologischer Reihenfolge gelesen hat und somit Details der Zukunft, auf die Asimov hinarbeitet, bereits kennt, ist ein Merkmal des Unterhaltungswerts der Geschichte und Asimovs Fähigkeit, spannende und verstrickte Abenteuer zu schreiben.
Ein wichtiger Punkt des Stils sind die langen Unterhaltungen, die einen Großteil der Geschichte ausmachen. Hier wird Stellung bezogen, Handlungen werden rückblickend dargestellt, neue Rätsel ausgestreut oder alte gelöst, und der Leser denkt mitunter zusammen mit den Protagonisten in die völlig falsche Richtung oder meint, Hintergründe noch vor ihnen durchschaut zu haben.
Geschickt flicht Asimov Fäden ein, die bereits in späteren Romanen gelöst wurden, und erklärt zum Beispiel, wie Daneel und Giskard zu ihren außergewöhnlichen Fähigkeiten kommen. Bereits in vorangehenden Bänden wird angedeutet, dass nicht der geniale Hari Seldon (siehe Foundation Bände 7, 8) auf die Idee mit der Psychohistorik kam, sondern diese ein wichtiges Anliegen ursprünglich Giskards und ausgefeilter Daneels ist, wozu auch im vorliegenden Roman deutliche Grundsteine gelegt werden. Daneel, der durch Elijah Baley noch an dessen Sterbebett in Richtung Menschheit beeinflusst wurde (»ein einzelner Faden ist nichts im Gegensatz zum ganzen Gewebe«), schafft es sogar, sich selbst endgültig das Nullte Gesetz der Robotik einzuprogrammieren und es den ursprünglichen drei Gesetzen voranzustellen: Ein Roboter darf der Menschheit nicht schaden oder durch Untätigkeit zulassen, dass ihr Schaden widerfährt. Demzufolge wird die Unverletzbarkeit von Individuen der Abstraktion der Menschheit untergeordnet, was für den Einzelnen durchaus zur Gefahr werden könnte.
Es ist schwierig, darüber zu urteilen, aber ging Asimov vielleicht etwas zu weit, als er den Robotern die Macht zusprach, sich über die zum Schutz der Menschen eingesetzten Drei Gesetze hinwegzusetzen? Sollte es einem Roboter, und sei er noch so intelligent, zustehen, über die Zukunft der Menschheit zu entscheiden und damit vielleicht Einzelne zu gefährden? In dem Zusammenhang lässt er seine Roboter eine brisante Idee fassen:
[…] Wir müssen eine wünschenswerte Spezies formen und sie dann schützen, damit wir uns nicht wieder gezwungen sehen, zwischen zwei oder mehr unerwünschten Alternativen wählen (d.h. welcher unerwünschten Menschengruppe ihr Schutz gelten soll!) zu müssen. […] (Seite 492f)
Bei diesem Satz kann den Leser Unbehagen befallen, denn was wäre das für eine Menschheit, die nach den Wünschen von Robotern geformt ist? Ähnliches Unbehagen beschleicht einen ganz zum Ende des Zyklus, doch es soll nicht zu viel vorweggenommen werden.
Was den Roman gegenüber seinen Vorgängern so besonders macht, ist die gewisse Überlegenheit der Roboter gegen die Menschen; so spielte Daneel in den Bänden Foundation 2 und 3 zwar eine wichtige Rolle, dominiert wurden die Geschichten aber von Elijah Baley. Jetzt, nach Baleys Tod, bemüht sich Daneel um die Denkweise der Menschen allgemein und der Baleys im Besonderen, um der Menschheit möglichst perfekt dienen und sie schützen zu können. Dabei wird er in seinen Gedanken, Gefühlen und seiner Handlungsweise immer menschlicher, und darum wirkt es auch menschlich tragisch, als er sich seiner Aufgabe endgültig allein gegenübergestellt sieht.
Ein den anderen Bänden ebenbürtiger Beitrag zum großen Foundationuniversum.
Der Foundation-Zyklus im Überblick
1. Meine Freunde, die Roboter
2. Die Stahlhöhlen
3. Der Aufbruch zu den Sternen
4. Das galaktische Imperium
5. Die frühe Foundation-Trilogie
6. Die Rettung des Imperiums
7. Das Foundation-Projekt
8. Die Foundation-Trilogie
9. Die Suche nach der Erde
10. Die Rückkehr zur Erde
Im dritten Teil der „Magic Edition“ vom BLITZ-Verlag darf sich nun erstmals ein deutscher Autor im Bereich des Übersinnlichen versuchen. Peter Schmidt, so sein Name, hat bereits dreimal den Deutschen Krimipreis einheimsen können und ist für sein Gesamtwerk 1994 mit dem Literaturpreis Ruhrgebiet geehrt worden. Im Laufe seiner Karriere als Schriftsteller haben sich seine Prioritäten jedoch immer mehr verschoben. Schmidt hat seine Vorliebe für Science-Fiction-Themen immer mehr in den Vordergrund gestellt und sich diesem Gebiet auch seit seinem recht erfolgreichen Genre-Debüt „Vorwärts“ ausnahmslos gewidmet. „Endzeit“ ist bereits seine fünfte Science-Fiction-Erzählung, mit Sicherheit aber nicht seine beste …
_Story_
Inmitten einer Großstadt macht der Wissenschaftler Alexander Born eine grausame Entdeckung: Ein überdimensionales, fliegendes Etwas treibt in der Dunkelheit sein Unwesen und stürzt sich urplötzlich auf eine hilflose Passantin, die schließlich vom als Flugsaurier entlarvten Tier verspeist wird. Born meldet den Vorfall umgehend den Behörden, wird aber dort nicht für voll genommen. Der bekannte und gerade für den Nobelpreis nominierte Wissenschaftler wird stattdessen für verrückt erklärt und abgewiesen. Weil er jedoch nicht an eine bloße Illusion glaubt, sucht er am nächsten Abend die nahe liegende Umgebung ab und stößt auch tatsächlich wieder auf das vorzeitliche Wesen. Born muss allerdings erkennen, dass er dem Urvieh alleine nicht gewachsen ist und begibt sich dabei in große Gefahr. In letzter Minute kann er dem Saurier noch entkommen.
Bei der Suche nach Unterstützung entscheidet sich Born schließlich dafür, die Presse einzubeziehen, die aus der Geschichte ja auch eine sensationelle Story drehen könnte. In Gestalt der gebildeten Reporterin Linda Meyer trifft er schließlich auf eine Person, die ihm glaubt, und gemeinsam gelingt es dem neu verbündeten Team tatsächlich, das Wesen einzufangen. Bei der Ursachenforschung stößt Born dann auf einige dunkle Kanäle; er vermutet, dass sein direkter Konkurrent und ehemaliger Kollege Dr. Haderer infolge einer zielgerichteten Gen-Manipulation für das Auftauchen des Wesens verantwortlich ist. Doch bevor er sich hiermit ausführlicher befassen kann, taucht plötzlich ein weiterer Flugsaurier auf – und dieses Mal ist das Wesen nicht alleine …
_Meine Meinung_
„Jurassic Park“ – klarer Fall, dass einem dieser Gedanke bei der Betrachtung dieser Inhaltsangabe als Erstes kommt. Und in der Tat weist Schmidts aktueller Roman deutliche Parallelen zu Michael Crichtons Bestseller auf. Jedoch besteht zwischen der mehrfach verfilmten Edel-Story und dem hier zur Kritik vorliegenden Roman ein gehöriger Klassenunterschied, denn Peter Schmidt schafft es nicht mal annähernd, eine ähnlich intensive Atmosphäre zu entfachen wie das als Inspiration dienende Original. Im Gegenteil; trotz des zweifellos rasanten Tempos basiert das Buch auf viel zu vielen Ungereimtheiten. Natürlich stellt die Bedrohung durch die Urzeit-Geschöpfe eine Gefahr für die gesamte Bevölkerung dar, doch wieso setzt sich diese überhaupt der Gefahr aus? Immerhin treiben die Flugsauriern nur in einem lokal einzugrenzenden Gebiet ihr Unwesen, es wäre also ein Leichtes, aus dieser Stadt zu fliehen und sich somit in Sicherheit zu bringen. Während die Protagonisten bei „Jurassic Park“ auf der Insel quasi gefangen und somit auch jederzeit angreifbar waren, bestehen für die Menschen in diesem Buch genügend Schlupflöcher, um der drohenden Gefahr zu entgehen – und sei es, dass man einfach in der heimischen Wohnung bleibt. In dieser Hinsicht sind die Hintergründe von „Endzeit“ recht unbefriedigend eingefangen und die vermeintlichen Lösungsstrategien recht unlogisch dargestellt worden.
Nicht abzustreiten ist indes, dass Schmidt ein Verständis dafür hat, wie man die aus einer immensen Gefahr abzuleitende Action inszeniert. Gerade bei der Darstellung des apokalyptischen Endzeit-Szenarios bzw. beim finalen Gefecht zwischen den angerückten Militär-Einheiten hat sich der Autor echte Mühe gegeben und auch sehr gute Resultate erzielt.
Dem entgegen bleiben die Hauptcharaktere in diesem Buch blass. Der erfahrene Wissenschaftler Born zum Beispiel taugt als Actionheld nur bedingt; seine Tochter hingegen, die ebenfalls eine tragende Rolle in diesem Roman einnimmt, würde sich hierzu schon besser eignen, kommt aber irgendwie nicht richtig zum Zuge. Bleiben ein Polizist, der irgendwie nie Herr der Lage ist, und die sicherlich motivierte Reporterin, die aufgrund ihrer Stellung aber ebenfalls nicht zur Heldin avancieren kann. Und unter dieser Voraussetzung leidet das Buch letztendlich auch; man findet keine Identifikationsfiguren, ganz anders noch als bei „Jurassic Park“, wo sich quasi jede Altersklasse ihren Helden aussuchen konnte. Bei „Endzeit“ gibt es sowas indes nicht.
Dass die Story zudem wenige eigene Elemente beinhaltet, nimmt dem schwächelnden Inhalt schließlich auch den letzten Halt. Peter Schmidt versucht zwar direkt zu Beginn, durch einen selber gestellten Vergleich mit dem großen, preisgekrönten Vorbild den Verdacht ein wenig abzuweisen, doch alles in allem ist „Endzeit“ dann doch eine leicht abgewandelte und bei weitem nicht derart fesselnde Kopie von „Jurassic Park“. Und dies schließt auch die erwarteten, bis auf die Genmanipulation aber im Grunde genommen gar nicht vorhandenen Science-Fiction-Elemente ein.
„Endzeit“ ist moderne Horror-Fantasy auf höchstens durchschnittlichem Niveau und muss nicht einmal von begeisterten Anhängern der „Magic Edition“ aus dem BLITZ-Verlag angetestet werden; in diesem Genre gibt es nämlich eine stattliche Anzahl weitaus empfehlenswerterer Romane.
http://www.blitz-verlag.de/
Band 1: [„Der Ruf“ 1945
Band 2: [„Die Belagerung“ 1979
In meinen vorherigen Rezensionen zu dieser Reihe hatte ich mich bereits ausführlich über den zwiespältigen Eindruck, den diese Trilogie bis dato hinterlassen hatte, geäußert. Und daran soll sich auch mit dem letzten Teil von „Die Rückkehr der Erzmagier“ nichts mehr ändern; Troy Dennings Geschichte um den Schattenmagier Melegaunt und den Elfen Galaeron hat auch im finalen dritten Teil weiterhin viele temporeiche Passagen, gleichermaßen aber auch wieder einige Hänger, die der Spannung zwischenzeitlich den Nährboden entziehen.
_Story_
Die Lage um die Stadt Immereska ist immer noch sehr brisant; weiterhin ist man der Bedrohung durch die dämonischen Phaerimm ausgesetzt, und auch die Bewohner der schwebenden Stadt Umbra rechnen sich noch Chancen auf den Sieg in dieser Dreifrontenschlacht aus. Der Schutzwall um die Stadt wird immer schwächer, und durch eine furchtbare Naturkatstrophe werden die umliegenden Ländereien samt ihrer Truppen dem Erdboden gleich gemacht. Doch auch die Umbravar sind infolge der heftige Gefchte in ihrer Zahl stark dezimiert worden und verfügen kaum noch über Reservetruppen.
Für die Elfen spitzt sich die Lage zu; die Rettung durch weitere Soldaten wartet außerhalb des magischen Ringes von Immereska, doch sollte man auf diese Unterstützung zurückgreifen, stärkt man gleichzeitig auch wieder die Macht der Phaerimm, die dann wieder ihre Sprüche wirken könnten. Um sich der Feinde dennoch zu entledigen, entwickeln die Elfen gemeinsam mit den verbündeten Vaasi einen Hinterhalt, mit Hilfe dessen sie die Phaerimm in geringen Mengen besiegen können. Ihre Anführerin Keya ist gleichzeitig Galaerons Schwester, und ihre Waffe ist das gefürchtete Schattenschwert, das sich als das nützlichste Mittel im Kampfe gegen die Feinde herausstellen soll.
Während Keya mit ihrer Truppe der kalten Hand die Phaerimm bekämpft, begibt sich Galeron in die schwebende Stadt, in der immer noch die Menschenfrau Vala gefangen gehalten wird. Auch der mysteriöse Malik, der aufgrund eines Eides dazu verdammt ist, stets die Wahrheit zu sprechen, hält sich hier als Berater des Anführeres der Umbravar auf. Auf Galeron ruhen jetzt die letzten Hoffnungen, denn er alleine ist es, der die Schlacht an den drei Fronten zugunsten der Allianz der freien Völker wenden und entscheiden und gemeinsam mit seinen mächtigen Verbündeten die Bedrohung von Faerun abwenden kann. Allerdings bleibt ihm nicht mehr viel Zeit, die Umbaravar zu besiegen, denn auch an anderer Stelle gelangt der Krieg in seine entscheidende Phase …
_Meine Meinung_
Ich habe gerade beim Verfassen der groben Inhaltsangabe bemerkt, wie hektisch diese geraten scheint, aber genau diese Hektik wird vom letzten Teil dieser Trilogie auch vermittelt. Das Buch ist im Vergleich zu seinen beiden Vorgängern zwar weitaus temporeicher, doch ist dies bei der Masse an unterschiedlichen Szenarien auch dringend erforderlich gewesen. Der Haken an der Sache ist jedoch die angesprochene Hektik, die sich durch die Fülle an entscheidenden Handlungsschwerpunkten ergibt. Wenn ich mich nun an den ersten Teil „Der Ruf“ zurückerinnere, wirkt das alles ziemlich paradox.
In diesem Band hatte Denning noch übermäßig lange damit zugebracht, die Handlung auf Trab zu bringen, weil ihm die ewig währende Einleitung wichtiger erschien. Und genau dieser dort verschenkte Raum fehlt ihm nun im letzten Teil. Der Autor ist gezwungen, die Dreifrontenschlacht, Galaerons heimliche Liebesgeschichte und dazu die Einführung von neuen Charakteren unter einen Hut zu bekommen, was ja eigentlich noch problemlos vonstatten gehen könnte. Doch gleichzeitig hat er auch noch die schwere Aufgabe zu erfüllen, sich neue Wendungen für den Krieg zwischen Umbravar, freien Völkern und Phaerimm auszudenken, damit diese Schlacht auch weiterhin spannend bleibt und sich die diesbezüglichen Handlungen nicht wiederholen.
Beim Zusammenfügen dieser elemantaren Einheiten gerät Troy Denning jedoch ins Wanken, und dadurch, dass er trotzdem immer noch versucht, der Geschichte neue Nuancen zu verleihen, ohne dass es ihm gelungen ist, andere Stränge auch mal abzuschließen, entwickelt sich irgendwann ein Wust an Details und ausstehenden Konflikten, den er anschließend in der verbliebenen Zeit gar nicht mehr zufrieden stellend auflösen kann.
Auf der anderen Seite muss man dem Autor aber auch einige Stärken attestieren. So gefallen vor allem die Beschreibungen der Kämpfe in diesem Buch – vielleicht auch, weil Denning hier aus Zeitgründen viel schneller auf den Punkt kommt und so die Geradlinigkeit des Krieges viel besser einfängt. Auch die größer angelegte Szene, in der es zur Versammlung des Rates der Allianzen kommt, ist sehr gut dargestellt und erfüllt wegen der spannungsgeladenen Stimmung auch tatsächlich die Rolle einer Schlüsselszene.
Leider aber mangelt es dem Buch an solchen Highlights, so dass manch anderer Knackpunkt eher unsinpiriert wirkt. Störend hierbei erweist sich schließlich noch, dass der Autor am Ende irgendwie noch versucht, seine Erzählung mit wichtigen Fantasy-Elementen zu füllen. Die Einbeziehung von Drachen hätte man sich beispielsweise sparen können, zumal ihr Auftritt auch irgendwie nicht zum gesamten Plot passen will.
Es gibt wirklich eine Reihe von vermeidbaren Unstimmigkeiten, die so eigentlich gar nicht nötig gewesen wären, hätte sich Denning in den entscheidenden Momenten (sprich vorrangig im ersten Band) nicht an Belanglosigkeiten aufgehalten und die Story von Anfang an in angemessenem Tempo vorangebracht. Doch seine einstige Unentschlossenheit wird spätestens hier zu einem selber herbeigeführten Dilemma, aus dem er sich auch nicht mehr befreien kann. Vielleicht wäre ein vierter Teil eine Lösung gewesen, um die Geschichte auch adäquat und eben nicht derart hektisch zu Ende zu bringen, doch dies ist letztendlich eh nur Spekulation. Es ist eben nur schade um das zweifellos vorhandene Potenzial der Geschichte, die in anderem Rahmen sicherlich weitaus heller glänzen würde. Abraten möchte ich interessierten Lesern von diesem Buch daher nicht, aber man sollte sich schon bewusst machen, dass es im Fantasy-Bereich genügend Alternativen gibt, bei denen nicht alles sinnlos verkompliziert wird. Mein Fazit daher: Gute Story, durchwachsene Umsetzung.
http://www.feder-und-schwert.com/
Michael Stackpole setzt in „Der Kampf um die alte Welt“ nahtlos fort, was er in [Das verlorene Land 1036 begonnen hat.
Die Mitglieder der Familie Anturasi stehen erneut im Brennpunkt der Ereignisse: Der alte Patriarch Qiro Anturasi ist zum Mystiker der Kartografie geworden; was er auf einer Karte einzeichnet, wird Realität – so hat er im Süden aus dem Nichts einen neuen Kontinent, vermutlich das „verlorene Land“, auf das der Titel des ersten Bandes anspielt, mitsamt seinen monströsen Bewohnern erschaffen. Die Seele seiner ermordeten Tochter Nirati findet dort ebenfalls Zuflucht. Leider scheint er unter dem Einfluss des Vanyesh-Prinzen Nelesquin zu stehen, der seinen Feldzug gegen die verschollene Kaiserin Cyrsa, der vor Jahrhunderten den Kataklysmus auslöste, fortführen will.
Keles Anturasi wird auf Rache für die vermeintlich tote Tyressa sinnend in die Dienste des Prinzdynasten Pyrust gepresst, während sein Bruder Jorim nicht nur von den Tetcomchoa als Gott verehrt wird, sondern tatsächlich göttliche Fähigkeit gewinnt! Die Gruppe um die Schwertkämpfer Moraven Tolo und Ciras Dejote teilt sich auf; während Moraven die in Erumvirine einfallenden Monsterhorden vom Südkontinents Qiros bekämpft, findet Ciras auf seiner Suche nach Kaiserin Cyrsa eine Zufluchtsstätte ihrer Erzfeinde, der Vanyesh, und steigt in den Rang eines Mystikers des Schwertkampfes auf.
Währendessen spekuliert Dynast Pyrust darauf, dass ihm die Invasion Erumvirines die Gelegenheit gibt, Helosunde auszubluten und zugleich seinem Gegner Cyron den Todesstoß zu versetzen.
Stackpole überraschte mich mit diesem Roman. Der Schwerpunkt liegt völlig anders als erwartet. Wer einen Entdecker-Roman erwartet, wird enttäuscht werden. Stattdessen mutieren ein halbes Dutzend Hauptpersonen zu Mystikern, entpuppen sich als lebendige Figuren der Legende oder werden gleich gar zu Göttern! Wozu eigentlich? Plötzlich verschiebt sich die Handlung von einer Entdeckungsreise zu einem uralten Konflikt zwischen Kaiserin Cyrsa und den Turasynd oder vielmehr auf einmal den Vanyesh. Dieser Bruch in der Erzählung ist irritierend und wird durch permanent den Schauplatz wechselnde kurze Kapitel noch verstärkt.
Der fehlende Fokus sorgt auch dafür, dass kein Charakter wirklich hervorstechen kann. Alle wirken gleichermaßen bieder und sind sich sehr ähnlich, alle Dynasten sind wahrlich Herrscher machiavellistischer Prägung, die zu stark an Heerführer oder Bösewichter aus anderen Stackpole-Romanen erinnern, ohne je die Chance zur Eigenständigkeit zu erhalten.
Das setzt sich mit Nebencharakteren und allen Anturasis inklusive ihrer Liebschaften fort. Insbesondere die Beziehung von Keles zu Tyressa wirkt nutzlos und aufgesetzt, der perverse Folterer und Mörder Junel wird in diesem Roman ebenfalls sang- und klanglos entsorgt. Hier fehlt es an Stringenz, ein bunter Eintopf aus Ideen, zusammengeklaubt aus allen möglichen Werken Stackpoles.
Weltenentwurf war noch nie Michael Stackpoles Stärke, aber er hat in seinen „Düsterer Ruhm“-Romanen bewiesen, wie gut er die Ideen anderer Autoren in seine Welten einpassen und weiterentwickeln kann. Dass er Serien Impulse geben kann, hat er in „BattleTech“ mit den Clans bewiesen, ebenso in seinen Romanen im „Star Wars“-Universum. Ohne Regeln neigt er zum Ausufern; dieser Roman und leider vermutlich wohl die ganze Serie scheitern daran. So wird der Beginn der Invasion Erumvirines aus der Perspektive von Dunos geschildert, ein kurzes Kapitel, das isoliert zwischen an völlig verschiedenen Punkten der Welt handelnden Kapiteln steht. So kommt keine apokalyptische oder bedrohliche Stimmung auf; es verärgerte mich zudem, dass ich mich erst wieder durch die unheimlich ermüdend vorgetragenen strategischen Erwägungen von Pyrust durchkämpften musste, bevor es dann mit Jorim Anturasi weiterging.
Fragwürdig sind ebenso die übermäßig vielen abgeschmackten Konstruktionen; selten wurde der Deus Ex Machina so überstrapaziert wie in diesem Roman. Der Gott ist hier übrigens wörtlich zu nehmen! Mittlerweile hat sich bereits die Hälfte der Hauptpersonen in Götter verwandelt, andere sind zu Meistern und Mystikern aufgestiegen und andere erinnern sich schließlich, dass sie ja eine Person der Legende sind. So etwas kann nicht überzeugen. Hier droht die Handlung jegliche Bodenhaftung zu verlieren, zumal es an Identifikationsfiguren oder starken Charaktern an sich sowieso schon mangelt.
Der Konflikt zwischen den Vanyesh und Kaiserin Cyrsa (die ebenfalls überraschend wieder auftaucht) sowie den Resten ihres ehemaligen Imperiums wird die Handlung in Zukunft bestimmen. Wer einen Entdecker- oder Seefahrer-Roman im Fantasy-Genre sucht, sollte stattdessen Paul Kearney’s Trilogie „Die Königreiche Gottes“, erster Band „Hawkwoods Reise“, lesen. Stackpole legt derzeit eine schöpferische Pause ein, ein Folgeband ist noch nicht angekündigt. Hoffentlich steigt auch er in den Rang eines Mystikers der Schreibkunst auf, denn dieses verzettelte Chaos zu einem vernünftigen Ende zu bringen, wird nicht einfach sein.
Homepage des Autors:
http://www.stormwolf.com/
David Brin gilt durch seine wissenschaftlich fundierten Romane als einer der großen Science-Fiction-Schriftsteller unserer Zeit, er wird von Verlagen gern in eine Reihe mit Isaac Asimov, Robert Heinlein und Arthur Clarke gestellt. Seine erste Romantrilogie aus dem »Uplift«-Universum sorgte für Furore und brachte ihm einige renommierte Preise ein.
Der vorliegende Roman »Copy« ist keinem Zyklus zugeordnet, sondern erzählt eine eigenständige Geschichte aus einer näheren Zukunft, die unter einem gigantischen Kulturschock leidet. Der Roman erhielt keinen ersten Platz in den wichtigen amerikanischen Preisverleihungen, Brin selbst rückt dieses Ergebnis auf seiner Homepage davidbrin.com ins rechte Licht: Während bei vier Preisverleihungen (Hugo Award, Locus Award, John W. Campbell Award, Arthur C. Clarke Award) je vier unterschiedliche Romane den ersten Platz belegten, war der universelle zweite Platz eben Brins »Copy«.
In naher Zukunft kommt es zu einer revolutionären Erfindung, mit deren Hilfe eine Kopie der eigenen Erinnerungen und Seele in eine Tonnachbildung des eigenen Körpers übertragen werden kann. Die Kopie (der sogenannte »Dit« oder »Dito«) wird gebrannt und erhält ein kurzes, nur einen Tag währendes Pseudoleben, das normalerweise dazu genutzt wird, anfallende Erledigungen für den Realmenschen zu übernehmen. Der Kopie bleibt als Hoffnung auf Kontinuität nur die Möglichkeit, am Ende des Tages per Inload auf die Realperson zurück überspielt zu werden, die dadurch die Erinnerungen der Erlebnisse erhält.
Wie alle kommunikativen Erfindungen erfährt auch diese Duplikationstechnik den Missbrauch durch fast alle Bereiche, vordringlich in der Pornografie: Mit einer Kopie Sex zu haben oder zwei Kopien miteinander schlafen zu lassen, um die Erinnerungen zu inloaden, ist ein weit verbreitetes Vorgehen der sich langweilenden Bevölkerung.
Albert Morris ist Privatdetektiv, spezialisiert auf Copyrightverbrechen. Seine Ditos kommen unabhängig voneinander einer komplizierten Geschichte auf die Spur, die zum Teil wie eine unheimliche Verschwörung aussieht, im Endeffekt aber etwas ganz anderes bedeutet. Involviert ist unter anderem die große Firma »Universal Kilns«, deren Betreiber gleichzeitig die Erfinder der Technik sind und nun Rohkörper an alle Menschen verkaufen. Es scheint, als hätte UK neue Techniken entdeckt und würde sie der Öffentlichkeit vorenthalten: Um wie viel angenehmer wäre eine »Fernprägung« der Kopien, die es erlauben würde, gleichzeitig an wirklich weit voneinander entfernten Orten handeln zu können? Oder was würde eine Verlängerung des Dito-Lebens für die Gesellschaft bedeuten? Oder die Möglichkeit, fremde Erinnerungen zu inloaden?
Diese und andere Fragen beschäftigen Alberts Ditos, die im Auftrag unterschiedlicher Interessengruppen ermitteln und sich in einem Strudel umbrechender Ereignisse befinden. Und die Wahrheit hat etwas mit Alberts einmaliger Fähigkeit im Prägen zu tun: Seine Ditos enthalten die hochwertigste Seelenprägung, die vorstellbar ist – sie sind quasi er.
Konsequent verarbeitet David Brin Mythologie, Religion und einen großen Menschheitstraum und schafft etwas Neues, eine Geschichte, die äußerst spannend, hervorragend recherchiert und in ihrem Plot beinahe beängstigend ist, so dass sich das Buch wie von selbst liest. Dabei wird erst bei näherem Nachdenken klarer, in welcher Weise er sich aus den Geschichten der Menschheit bedient. Die Tonmenschen sind offensichtlich jüdischen Golems nachgebildet, gebrannt und gebranntmarkt durch ihre Farbe, die ihre Qualität und Fähigkeiten ursprünglich verdeutlichen sollte, sich aber weiter entwickelte zu einem Element der Täuschung und des Protzens.
Fehlprägungen führen zu so genannten »Frankies« – ausgeartete Schöpfungen wie jene Frankensteins, die sich nicht im Sinne ihres Schöpfers verhalten. Gefährlich wird so etwas selten: Durch die Ditotechnik kam es zu einer unhaltbaren sozialen Katastrophe, der weitgehenden Arbeitslosigkeit. Nach Brin pendelte sich eine Gesellschaft aus, in der die Menschen großteils von staatlichen Geldern leben und ihre Golems für sich handeln lassen. Die gigantische Langeweile führte zu verschiedenen, nicht selten perversen Hobbies, unter anderem die Jagd. Veröffentlicht ein Realmensch seinen Dito als Frankie, gibt es genug Jäger, die sich seiner annehmen.
Ton: Der Werkstoff der Geschichte. Es spielen steinzeitliche Tonfiguren als Beginn der Kommunikation ebenso eine Rolle wie babylonische Tontafeln oder chinesische, unglaublich real aussehende Kriegernachbildungen, die dem ersten Kaiser nach seinem Tode dienen sollten. Schon damals eine Art von Prägung? Brin knüpft ein fast unüberschaubares Netz der Realitätsbezüge und verliert dabei nie den Sinn für die Geschichte selbst, hangelt sich mit unerwarteten Wendungen und humorvollen Erlebnissen seiner Ditos (die auch mal durch einen Fluss waten und in ihrer tönernen Auflösung von Fischen attackiert werden) an dem Gerüst der Erzählung entlang zu einer Lösung, die der Komplexität und Ideenvielfalt gerecht wird. Die weltlichen Aspekte der Geschichte führen in voller Ausnutzung zu einem transzendenten Punkt. Dies wirkt keinesfalls einfallslos und konstruiert, sondern ist die konsequente Entwicklung der Geschichte um den Ton, als Weiterführung der realen Vergangenheit über die vorstellbare Romangegenwart in die Zukunft, die aus der perfekten Ausnutzung der Ditotechnik resultiert.
Der Leser sieht, dass ein Dito eine Seele hat, denkt und handelt wie ein Mensch. Da kommen Gedanken wie Gleichberechtigung, Wahlberechtigung und dergleichen völlig menschlich an, denn die Ditos werden in der Öffentlichkeit wie »Untermenschen« behandelt, oder wie die Roboter futuristischer Romane. Aber was würden einem Wesen, das bestenfalls einen Tag überlebt, derartige Freiheiten bedeuten?
Besondere Erwähnung gebührt Andreas Brandhorst als Übersetzer des Romans – eine so spannende und flüssige Übertragung ist eine hervorragende Leistung, an der man auch Brandhorsts Qualitäten erkennen kann.
Der Roman liest sich nicht wie eine Utopie, er ist vielmehr ein spannender Thriller, dessen Welt auf eine Art geschildert wird, dass man eintaucht und sich in dieser Zukunft befindet, in der Tonmenschen und Brennöfen (die sogenannten Kilns) Realität sind. Der Originaltitel »Kiln People« bedeutet »Brennofen-Menschen« oder »gebrannte Menschen« und ist in sich schon doppeldeutig. Und so liest sich auch der Roman. Es werden »Produkte« mit der eigenen Seele für Tätigkeiten benutzt, die für eine reale Person nie in Frage kommen würden. Zumindest Alberts Ditos betrachten diese Problematik mit einer amüsanten Selbstironie und verleihen der Erzählung dadurch einen sympathischen Charakter. Mit einem tränenden und einem lachenden Auge verfolgt man zeitweise die Geschehnisse, denn für den Leser ist ein Dito trotz dessen eigener Gedanken, mit denen er seine eigene Minderwertigkeit akzeptiert, ebenso menschlich oder oft noch menschlicher als die wenigen Realpersonen, denen man im Roman begegnet und die sich wenig bis gar nicht engagieren, sondern das Leben ihren Kopien überlassen.
»Copy« ist unbestreitbar ein Highlight des Jahres.
Band 1: [„Die Welt des Spielers“ 2141
Das Verschwinden von Daran d’Sorcs Turm hat die Gefährten um Thuon voneinander getrennt.
Thuon, der in eine Figur des ewigen Spiels eingeschlossene Frankari und der Zwerg Thauremach konnten den Turm rechtzeitig verlassen. Bruss und Ilara dagegen wurden mit fortgerissen in eine Welt, die sich ständig verändert. Erst nach und nach wird erkennbar, dass sie auf die Ebene der Waage geraten sind, wo die ewige Schlacht tobt. Doch die Schlacht ist nicht unbedingt ein Problem. Jedenfalls nicht im Vergleich zur Gegenwart Äopes …
Thorich ist inzwischen klar geworden, dass er sich seiner Haut nicht mehr sicher ist, so lange er in Vanada und in Dirians Nähe ist. Am liebsten würde er sich aus dem Staub machen und Thuon suchen. Stattdessen wird er von einer Horde Ishiti entführt und zu Innis gebracht. Innis besteht darauf, dass Thorich ihn nach Ish begleitet. Dort angekommen, erfahren sie, dass ein fremder Mythane namens TrondasKhyn in die Stadt gekommen ist und erneut auf Menschenopfer drängt! Die Geschöpfe, die er aus der Finsternis beschwört, bringen das Grauen über E’lil …
Immerhin gelingt es Thorich, mit heiler Haut davonzukommen. Er weiß aber auch, dass die Geschehnisse in Ish wolsische Truppen auf den Plan rufen werden, und auf Kriegsdienst hat er keine Lust. Also verkrümelt er sich nach Sambun in Kanzanai. Um an ein ordentliches Schwert zu kommen – die kananaischen Krummschwerter liegen ihm nicht – , lässt er sich auf ein gefährliches Abenteuer ein: Er entführt die Tochter eines Kaufmanns aus dem Frauenturm des Palastes! Die Schwester des Fürsten macht sich auch gleich mit aus dem Staub, sie will den Mann nicht heiraten, den der Fürst ihr bestimmt hat. Jetzt hat der Fürst ziemlichen Ärger am Hals, denn der enttäuschte Bräutigam bezichtigt ihn des Verrats. Und zu allem Übel hat ein gewisser TrondasKhyn fest vor, in Sambun erneut zu versuchen, was ihm in Ish missglückt ist …
Der zweite Band des Magira-Zyklus besteht aus zwei Teilen. Während der erste Teil hauptsächlich die Geschehnisse des ersten Bandes zum Abschluss zu bringen scheinen, eröffnet der zweite Teil einen neuen Abschnitt. Die Verbindung zwischen beiden bilden die Gestalt des Mythanen TrondasKhyn sowie die Tatsache, dass wolsische Truppen auf dem Weg nach Norden sind. Diese Ausbreitung der Geschehnisse, ihre Auswirkung auf andere Länder, bildet den roten Faden, an dem sich die Handlung von einem Kontinent zum nächsten ausbreitet wie die Kreise auf der Oberfläche eines Teiches, in den ein Stein geworfen wurde: die Entführung Ilaras. So stellt sich bald heraus, dass nichts von dem, was im ersten Band passierte, abgeschlossen ist! Alles ist eine lange Reihe von Verkettungen.
Neu am zweiten Teil ist: Er spielt in einer anderen Gegend der Welt Magira. Ein anderes Volk taucht auf, mit eigenem Aussehen, eigenen Namen, eigener Kultur und Geschichte. Nicht, dass Hugh Walker darauf übermäßig einginge. Im Grunde wird aus all den Einzelheiten nur eine deutlich herausgehoben, während alle anderen Kleinigkeiten am Rande bleiben: die Angst der Kantussa vor der Wiederkehr der Toten.
Auch die neu auftretenden Charaktere – der Fürst und sein Gegenspieler, die Prinzessin und der Spielmann – sind nur knapp umrissen. Von ihren Gedanken und Gefühlen erfährt der Leser nichts, Hugh Walker definiert seine Protagonisten nach dem, was sie tun und wie sie es tun. Das Hauptaugenmerk liegt dabei auf dem Fürsten von Sambun, der trotz der Knappheit sehr deutlich gezeichnet ist. Der Spielmann und vor allem die Prinzessin werden noch ein Stück fortschreitender Handlung brauchen, um denselben Grad an Lebendigkeit zu erreichen. Aber die Geschehnisse in Kanzania sind ja beleibe noch nicht abgeschlossen.
Der erste Teil setzt ziemlich nahtlos an der Stelle an, an der der letzte Band endete. Er beschreibt Thorichs Weg nach Ish sowie die Geschehnisse dort, und unmittelbar daran angeschlossen die Erlebnisse von Bruss auf der Ebene der Waage. Der Endpunkt von Bruss‘ Odyssee vermittelt den Eindruck, dass beide Stänge irgendwie miteinandern verbunden sind. Wie im ersten Band Ilara, verschiebt auch Bruss das Gewicht auf der Waage zugunsten des Lebens, Ilara hingegen scheint diesmal zugunsten der Finsternis zu wirken. Die Tatsache, dass sie Äopes Ring trägt, der untrennbar mit ihr verbunden ist, verleiht der Göttin Macht über sie.
Wie genau die Ereignisse um Thorich einerseits und Bruss und Ilara andererseits tatsächlich miteinander zusammenhängen, ist nicht ohne Weiteres erkennbar. Die Ebene der Waage ist, vor allem was die Seite der Finsternis betrifft, ein Reich des absoluten Chaos. Aber auch die Seite des Lebens ist nicht immer leicht zu verstehen, denn die Äbhängigkeiten der beiden von einander sind vielfältig. Dies ist die philosophische Ebene des Buches, die den abstrakten Begriff „Kampf zwischen Gut und Böse“ sozusagen in ein konkretes Gleichnis überträgt. Wider Erwarten wird das Verständnis der Zusammenhänge dadurch nicht einfacher. Generell lässt sich sagen, dass das, was sich auf der Waage abspielt, von allem am schwierigsten zu lesen ist.
Selbst die Ebene der Realität liest sich leichter, obwohl Laudmann mit seinen stetigen Andeutungen auch nicht immer einfach zu verstehen ist. Seiner Aussage nach ist es ihm gelungen, sich von der Figur Frankaris, zu der ihn der Autor innerhalb Magiras gemacht hat, zu trennen. Wie er das gemacht hat, würde mich brennend interessieren, genauso die Frage, wie es einer Romanfigur möglich sein sollte, etwas gegen den Willen des Autors zu bewirken.
Kein Zweifel, die Beziehung zwischen Laudmann, dem Autor und der von ihnen erschaffenen Welt ist eine ganz besondere! Bei Laudmann, dessen Manie ihn oft genug am Rande des Wahnsinns entlang führt, ist das nicht weiter verwunderlich, der Autor selbst kann sich dieser fiebrigen, unerbittlichen Zwanghaftigkeit aber offensichtlich auch nicht ganz entziehen. Offenbar steht er ebenfalls bereits mit einem Bein in seiner eigenen Schöpfung. Es scheint, diese Welt der Fantasy hat ein gewisses Eigenleben entwickelt, und so sehr beide Männer auch glauben mögen, sie könnten die Ereignisse dort kontrollieren, so ist es doch offensichtlich, dass auch die Welt selbst die beiden kontrolliert und beeinflusst, ihre Macht, die so absolut scheint, relativiert! Die Grenzen zwischen Traum und Realität verschwimmen zusehends!
Manche Schriftsteller packen ihre Geschichten, vor allem Historienromane, in eine zweite Handlung ein, eine Art Rahmen meist wissenschaftlicher Natur, der der eigentlichen Geschichte einen Hauch von Authentizität vermitteln soll, als hätten die beschriebenen Ereignisse tatsächlich stattgefunden, und zwar genau so wie dargestellt. Walker geht einen ähnlichen Weg, nur in die entgegengesetzte Richtung: In seiner Rahmenhandlung, den Gesprächen zwischen Laudmann und dem Autor, macht er das Unmögliche wirklich, holt die Fantasie in die Realität und erreicht damit dasselbe wie die anderen, nur viel effektiver! Er holt Magira ins Wohnzimmer des Lesers!
Magira gehört zu denjenigen Büchern, die Geduld erfordern. Seine Faszination braucht Zeit, um sich zu entfalten. Für sich betrachtet, mögen die Charaktere sowie ihre bestandenen Abenteuer ein wenig flach wirken. Allerdings sind die verschiedenen Kulturen Magiras nicht allein auf Walkers Fantasie zurückzuführen, sondern auch auf die seiner Mitspieler, insofern bestehen also auch urheberrechtliche Probleme. Abgesehen davon aber erhält Magira seine Tiefe durch die zusätzlichen Ebenen, vor allem die der Waage. Hier kann man auch nicht einfach drüberlesen. Die Prinzipien, die der Waage zugrunde liegen, sowie Laudmanns Gedankengänge erfordern tatsächlich Konzentration, um sie nachzuvollziehen. Beim nächsten lockeren Abenteuer, sei es Thorichs oder Thuons, kann der Leser sich dann wieder erholen. Magira ist ein wenig wie die Wogen des Meeres, ein ständiges Auf und Ab. Es mag nicht ununterbrochen richtig spannend sein. Aber es wird auch niemals wirklich langweilig.
http://www.mythor.de
http://www.follow.de
Dieser Band beinhaltet die Heftromane Band 47/48 der Serie und erschienen erstmals im Jahre 1977.
_Formicatio – Welt des Unheils_
Ches Morgan beginnt sich langsam aber sicher zu erinnern – an sein Leben als Björn Hellmark. Als der AD-Inspektor und sein Freund und Partner Frankie Lane auf einem ihrer Patrouillenflüge im Weltraum ein Schiffswrack finden, welches mit hunderten von Siedlern vor 150 Jahren spurlos verschwand, trifft Ches im Innern des Wracks auf Asymeda. Björn kennt die Tempeldienerin von seinem Abenteuer auf der Welt Tschinandoah. Asymeda klärt Björn über seine Identität auf und hilft ihm sich zu erinnern, dabei erklärt sie ihm auch, dass er sich in einem Traumgefängnis seines Todfeindes Molochos befindet.
Die gesamte Welt, in der er als Chester Morgan lebt, ist eine erdachte Welt des Dämonenfürsten, die dieser dazu nutzt, Menschen zu quälen und sie ihrer Identität zu berauben. Asymeda nutzt ein magisches Feld, um ihr Gespräch mit Björn vor Molochos zu verbergen, und zieht sich daraufhin zurück. Björn macht sich wieder als Chester daran, das Schiffswrack zu untersuchen, und trifft auf Dr. Herold (siehe Band 21 [„Das Blutsiegel“), 2202 der als unförmiger Fleischberg sein Dasein fristen muss. Doch damit ist das Grauen noch nicht zu Ende. Chester Morgan wird durch ein Dimensionstor auf eine andere, fremde Welt geworfen: Formicatio. In dieser Dimension herrschen Riesenameisen und terrorisieren die verschwundenen Siedler des Raumschiffwracks. Doch die Wahrheit ist noch viel grausamer …
_Die Parasitengruft_
Björn Hellmark trifft auf Formicatio, der Welt der Riesenameisen, unerwartet auf zwei alte Freunde: Camilla Davis, das Medium, und Alan Kennan, einen hellseherisch begabten jungen Mann. Gemeinsam geraten sie in die Gewalt von Insektenmenschen. Die Anführerin, eine berückend schöne, menschliche Frau, nimmt Björn mit in ihren Palast, während Camilla und Alan in Minen schuften müssen, wo ein seltsames, poröses Gestein abgebaut wird. Dieses Gestein dient dazu, die einzige weißmagische Bastion auf Formicatio zu neutralisieren, welche Molochos noch immer an der uneingeschränkten Herrschaft hindert: Die Parasiten-Gruft. Die Herrscherin des Insektenvolkes, Shiane, sieht in Björn eine Gestalt aus ihren Träumen, welche sie zu erlösen vermag, denn sie wurde von Molochos verflucht und ihr Volk muss in den Minen für die Insektenmenschen arbeiten.
Derweil bereitet Molochos auch auf der Erde einen Schlag gegen Hellmark und seine Freunde vor: Frank Holesh, der junge Parapsychologe im Dienste Richard Patricks, wird von dem Dämonenfürsten mit unglaublicher Macht ausgestattet, welche ihm alle Wünsche zu erfüllen vermag. Er lockt ihn in den Keller einer Farm, wo er ihn endgültig zu seinem Diener macht. Nach und nach lockt Frank alle Mitglieder des Forschungskreises um Richard Patrick in den Keller, um sie zu Dienern des Dämonenfürsten zu machen …
Rasant geht Dan Shocker’s Zyklus um das Blutsiegel weiter, und gleichzeitig kehrt der Autor in gewohnter Weise zu seiner Mischung aus Horror und Fantasy zurück. Die Ideen, die er dabei entwickelt, sind so bizarr und fantasiereich, dass man richtig spüren kann, wie viel Spaß es Dan Shocker gemacht haben muss, sich in dieser Serie gedanklich mal so richtig auszutoben. Riesenameisen, die sich Schlachten mit Menschen liefern, eine Traumwelt des Dämonenfürsten und lebende Skelette sind dabei nur die Eckpfeiler der Story, die dem Leser kaum Zeit zum Atmen lässt, so schnell entwickeln sich die Dinge. In einer Nebenhandlung kann man übrigens mitverfolgen, wie Richard Patrick, ein Freund Hellmarks, auf der Erde eine Forschungseinrichtung für Parapsychologie einrichtet und mit zunächst fünf ausgesuchten Wissenschaftlern in Betrieb nimmt. Bei einem ersten Einsatz entpuppt sich die Farm einer von seltsamen Visionen geplagten Witwe als Verbindung zu Molochos’ Blutsiegel.
Der zweite Roman des Buches bildest den Abschluss der kleinen Saga innerhalb des großen Zyklus um Björn Hellmark und ist auch gleich der spannendste und rasanteste Teil. Atmosphärisch und temporeich erzählt Dan Shocker die Geschichte, und besonders Björns maßloser Hass seinem Erzfeind gegenüber wird hervorragend wiedergegeben. Ein wenig Tragik fließt mit dem Schicksal der Herrscherin Shiane in den Roman mit ein, auch wenn der Begriff Lykanthrop für sie nicht der richtige zu sein scheint, denn als Wolf tritt sie ja nicht in Erscheinung. Mit der Storyline um Frank Holesh bindet der Autor ein wenig von der klassischen Faust-Geschichte in die Handlung ein.
Mit diesem Band beendet Dan Shocker Björn Hellmarks Odyssee um das Blutsiegel und Formicatio und zieht dabei noch einmal alle Register seines Könnens. Ganz nebenbei wird schon der Grundstein für neue spannende Abenteuer gelegt, denn mit dem Samen des Molochos entstehen dem Dämonenjäger neue Gegner aus den eigenen Reihen. Der Dämonenfürst selbst hat sogar einen eigenen fulminanten Auftritt als Drache, auch wenn der große Kampf zwischen ihm und Hellmark alias Macabros noch ausbleibt. Darüber hinaus erhält Björn auch sämtliche Waffen und Artefakte zurück, welche er bei seinem Sturz in das Blutsiegel verloren hat.
Gemeinsam mit [Band 21 2202 der liebevoll aufgemachten Buch-Edition von „Macabros“ bildet „Die Parasitengruft“ einen eigenständigen kleinen Zyklus und lässt sich dank des Glossars und der Ausführungen des Autors ohne weiteres unabhängig von den anderen Bänden lesen.
Mit den Innenillustrationen hat sich Pat Hachfeld selbst übertroffen, gehören sie doch zu den überzeugendsten Werken seines Schaffens. Das vielfarbige Titelbild wurde hingegen dem ursprünglichen Heftroman 45 „Das Geheimnis der grauen Riesen“ entliehen, der in dem Band 21 „Das Blutsiegel“ neu aufgelegt wurde. Seitens des Verlags eine nicht unkluge Wahl, denn die Cover der Heftromane 47 und 48 vermögen nicht zu überzeugen.
Dan Shocker präsentiert hier Fantasie vom Feinsten, die sich ihren eigenen Weg ebnet. Dabei verzichtet er auf Orks, Trolle und Elfen und lässt die gängigen Genre-Klischees außen vor.
http://www.blitz-verlag.de/
_Florian Hilleberg_