Archiv der Kategorie: Fantasy / Science-Fiction

Charles Stross – Supernova

„Supernova“ ist der Titel der direkten Fortsetzung von Charles Stross‘ Debütroman „Singularität“. Der Planet Moskau liegt mit Neu-Dresden in einem wirtschaftlichen Konflikt. Anscheinend steckt Neu-Dresden hinter der Attacke, die die Sonne Moskaus in eine Supernova verwandelt und ein Volk auslöscht. Eine etwas brachiale Methode der Konfliktlösung, möchte man meinen. Und natürlich streitet Dresden alles ab, sieht sich sogar selbst als Ziel des Rückschlags: Planetenbomber liegen unsichtbar auf Kurs.

Aus „Singularität“ ist bekannt, was eine „Verbotene Waffe“ ist: Kausalitätsverletzende Tätigkeiten, darunter fallen auch Waffen, können der Wesenheit „Eschaton“ gefährlich werden, sogar seine Existenz gefährden. Es ist also sein höchstes Bestreben, derartige Fälle zu verhindern; dabei greift es bei Bedarf auch hart, aber auf gewisse Weise humorvoll durch. Seit der Singularität, dem Entstehen des Eschaton, steht die Menschheit unter dessen Geboten, jegliche Kausalitätsverletzung zu unterlassen.

Nun beginnt „Supernova“ mit einer ebensolchen, hervorgerufen durch eine Verbotene Waffe. Ein Sonnensystem wird zerstört, ein bevölkerter Planet verdampft. Das wirft sofort die Frage auf, warum das Eschaton nicht eingegriffen hat?!

Versammlungsort: Weltraum
Wednesday Child

Wednesday, ein etwa neunzehnjähriges Mädchen, wird in den Fall verwickelt. Seit früher Kindheit steht sie mit Hermann, dem uns bekannten „Agenten“ des Eschaton, in Verbindung. Hermann brachte sie dazu, die verschiedenen Fertigkeiten der Spionage zu erlernen, so dass sie die dem Moskausystem vorgelagerte Raumstation, ihre Heimat, kennt wie unsereins den Inhalt seines Kühlschranks. Bei der Zwangsräumung der Station als Folge der Supernovabedrohung stößt Wednesday mit Hermanns Hilfe auf geheime Unterlagen, die brisante Informationen über die Schuldigen an der Katastrophe enthalten. Nun steht sie selbst im Fadenkreuz der Täter. Sie flüchtet über ein Luxusraumschiff, von Hermann mit den finanziellen Mitteln ausgestattet.

Die Übermenschen

Es existiert eine Organisation, die sich selbst als „Übermenschen“ bezeichnet. Ihre Mitglieder werden militärisch höchst effizient ausgebildet, ihre Fähigkeiten über Implantate verstärkt und ihre Emotionen kontrolliert. Ziel der Übermenschen ist es, das Eschaton zu vernichten und einen eigenen Gott zu entwickeln, in den der Geist aller verstorbenen Menschen zu seiner Entwicklung eingehen soll. Zu diesem Zweck sammeln die Übermenschen mit einer geheimen Technik Geistesinhalte ihrer Mitglieder, sobald diese gegen Vorschriften verstoßen – eine geeignete Kontrolle. Diese Tätigkeit sowie ihre hinterhältigen Eroberungsfeldzüge sind allgemein unbekannt, so dass sie weitgehend ungestört arbeiten können und der Allgemeinheit höchstens unheimlich sind.
Planetenregierungen übernehmen sie, indem sie die Mitglieder in Marionetten verwandeln, zu einer Volksrevolution treiben und sich schließlich als Hilfe anbieten, so dass sie ganz „legal“ an die diktatorische Macht kommen. Dass es daraus resultierende „Erziehungslager“ gibt, in denen brutal gewirtschaftet wird, ist weitgehend unbekannt.

An Bord des Luxusraumschiffs befindet sich eine kleine Gruppe der Übermenschen, die eine als Jugendfahrt getarnte Rundreise über jene Planeten unternehmen, auf denen Exminister der Moskauer Regierung sind, die über eine ultimative Vergeltungswaffe – die Planetenbomber – verfügen. Merkwürdigerweise gibt es unerklärliche Mordfälle an diesen Ministern, die zeitlich mit der Anwesenheit des Luxusschiffes zusammenfallen.

Die UN

Auf dem Schiff befindet sich auch die Geheimdienstlerin der Vereinten Nationen Rachel Mansour, die letztens den Konflikt in der Neuen Republik (vgl. „Singularität“) klärte, mit ihrem Mann Martin Springfield, der in selbigem Fall als Agent des Eschaton arbeitete (sein Verbindungsmann war ebenfalls Hermann, der sich jetzt um Wednesday kümmert). Sie sollen versuchen, die Mordserie aufzuklären und weitere Morde zu verhindern, um die Planetenbomber nicht in fremde Hände fallen zu lassen und sie von ihrem jetzigen Vergeltungsschlag gegen Neu-Dresden abzubringen.

Konfliktlösung

Stross befleißigt sich einer klareren Ausdrucksweise als im Vorgänger, so dass sich der Übersetzer weniger mit langen Anmerkungen zu arbeiten genötigt sah. Dadurch wird zumindest eine höhere Lesbarkeit erreicht und gleichzeitig das Augenmerk des Lesers auf den Inhalt gerichtet, wohin es gehört (das ist vielleicht der Unterschied zwischen der deutschen und der Originalausgabe von „Singularität“, das ja in englischsprachigen Ländern ein großer Erfolg war). Statt übermäßig vielen Anspielungen auf gesellschaftliche Begebenheiten der Heimat, unverständlich für Ausländer, und große physikalische Erklärungen entwickelt Stross eine mehrschichtige, spannende Handlung, die auch in „normaleren“ Bahnen abläuft als „Singularität“. Dabei bleiben leider einige interessante Aspekte als lose Fäden hängen, wobei die Hoffnung auf Auflösung in späteren Romanen begraben werden muss: In einem Interview für die SF-Zeitschrift „Locus“ soll sich Stross von den beiden Romanen distanziert haben. Er würde die Sache nicht weiter verfolgen, da ihm einige Inkonsistenzen durchgegangen seien. So werden wir wohl leider weder das Festival näher kennen lernen noch uns mit dem Eschaton und der großen Bedrohung für es auseinander setzen können.

Nochmal die Übermenschen

Davon abgesehen, kreiert Stross in Supernova wieder Spitzencharaktere mit vielfältigen Eigenarten und Hintergründen, die die Eigenarten glaubwürdig machen. Höchst interessant ist die Darstellung der Organisation der Übermenschen als brutal organisierte und gedrillte Sekte. Die Mitglieder lösen sich möglichst von den groben menschlichen Emotionen, alle Taten werden von dem großen Ziel geleitet, das Eschaton zu vernichten, um der eigenen Gottheit Willen. Dabei wagt sich Stross auf ein Terrain von großem Konfliktpotenzial: Die Übermenschen erinnern mit ihrer stolzen Logik und Überheblichkeit an die Darstellung der deutschen Nazis in Hitlers Gefolgschaft. Verstärkt wird der Eindruck durch deutsche Namen für die Handelnden; so heißt die Führerin passender Weise „Hoechst“, die Soldaten Karl, Paul und Mathilde begleiten sie. Ihren Namen voran wird ein U. gestellt, was ihre Zugehörigkeit zu den „Uebermenschen“ symbolisiert. Das Wort allein ist eine Übersetzung der Herrenrasse, der Arier. Ihre Handlungen sind von ähnlicher Abscheulichkeit: In den „Erziehungslagern“ werden Menschen umerzogen, Gehirne gewaschen, Menschen erniedrigt und gequält (was wiederum nicht an die Öffentlichkeit zu kommen bestimmt ist) -> Konzentrationslager der Zukunft.

Die Ideologie wird radikal und konsequent umgesetzt – die Frage dabei ist nur die nach Stross‘ Motivation diesbezüglich. Wenn man eine Verbindung zwischen dieser Organisation und den Nazis finden kann, erhält man sofort eine vorgebildete Meinung über die Mitglieder und die Glaubwürdigkeit von gemäßigten Aussagen und Standpunkten. Eine Vereinfachung der Charakterisierung für Stross, einfach Teil seines Zukunftsbildes oder steckt mehr dahinter? Natürlich gibt es auch hier Abtrünnige, wie es diese auch zu jeder Zeit in jedem diktatorischen Reich gibt und gab.

Das Eschaton

Was verbindet „Supernova“ mit „Singularität“? Die Protagonisten Mansour und Springfield (wobei Letzterer eine sehr viel geringere Rolle innehat) sowie der Eschatonagent Hermann und das Eschaton selbst, schließlich natürlich Bezüge wie die Erwähnung der „Neuen Republik“. Das Eschaton offenbart eine Schwäche und ein paar Eigenschaften, Dinge, die zu den interessantesten Themen dieses Universums zählen. Es existiert auf verschiedenen Zeitebenen und schickt seinen „jüngeren“ Ichs Informationen aus der Zukunft, vor allem, was die Gefahr von Kausalverletzungen angeht. Dadurch müsste es eigentlich Geschehnisse wie die Supernova des vorliegenden Bandes mittels Verbotener Waffen frühzeitig erkennen und verhindern können. Dass es das nicht konnte, deutet auf eine Schwäche oder einen mächtigen Gegner hin – mächtiger, als Hermanns Meinung nach die Übermenschen sind, die eigentlich mit ihrer ideologischen Planung eines „ungeborenen Gottes“ dem Eschaton noch längst nicht gefährlich werden können.

Sind die Übermenschen etwa doch mächtiger und dem Eschaton bereits ebenbürtig, war die verbotene Supernova doch ein Zufall (herbeigeführt durch unverstandene Experimente) oder existiert noch ein Gegner im Hintergrund, den Stross erst später vorstellen wollte? Fragen, die leider wohl keine Antwort mehr finden werden, soll man den Gerüchten um sein Interview glauben.

Fazit

Supernova ist weit besser lesbar als sein Vorgänger, die Kreativität der Geschichte ist beeindruckend und verlangt eigentlich nach Fortsetzung, in dieser Unabgeschlossenheit reicht es noch nicht zur vollen Befriedigung. Immerhin besteht die Hoffnung, dass Stross seine Ideen in anderer Richtung entfalten wird.

Der Autor vergibt: (4/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (6 Stimmen, Durchschnitt: 1,33 von 5)

Köster-Lösche, Kari – Mit Kreuz und Schwert (Sachsen-Trilogie, Band 3)

[Das Blutgericht 1719
[Donars Rache 1729

Ich habe es in den vorangegangenen Rezensionen zur „Sachsen-Saga“ bereits anklingen lassen, dass mich die aktuelle Reihe von Kari Köster-Löscher nicht sonderlich aus den Schuhen gehauen hat, was vor allem mit ihrem recht abgehackten Schreibstil und dem verminderten Aufbau von echter Spannung zu tun hat. Dementsprechend wusste ich nun nicht, worauf ich mich beim dritten und letzten Band am meisten freuen sollte – auf das Buch an sich, oder doch mehr auf das Ende der Reihe, durch die ich mich anfangs wirklich gequält habe … 318 Seiten später weiß ich, dass die Wahrheit für mich persönlich wohl irgendwo dazwischen liegt, denn „Mit Kreuz und Schwert“ ist einerseits keine solch herbe Enttäuschung wie „Das Blutgericht“, andererseits aber auch nicht so gut und einigermaßen spannend erzählt wie „Donars Rache“. Dennoch werden Fans der Serie hier sicherlich ihre Freude haben, zumal sie bis zu diesem August ungefähr ein Jahr auf den letzten Teil der „Sachsen-Saga“ haben warten müssen.

_Story:_

Die Vergangenheit in der Zukunft ist für Gunhild scheinbar bewältigt, denn mittlerweile fühlt sie sich im Sachsen der Vergangenheit weitaus wohler als in der Kölner Siedlung, in der sie einmal gelebt hat. Nach einer erfolgreichen Flucht aus dem Lager der Franken, dem Glaubenskampg an der Seite von Gerowulf und der finalen Gerechtigkeit hat sie sich nun in ihrem neuen Heim niedergelassen und genießt das schlichte Leben in Sachsen. Ihr Geliebter Gerowulf ist seit einiger Zeit ihr Ehemann, und ihr gemeinsamer Sohn Helco entwickelt sich prächtig. Dennoch sind die Krisenzeiten keineswegs vorbei, denn nach wie vor kämpfen die Franken mit aller Macht um das noch nicht verloren geglaubte Sachsen. Doch auch in der Ehe von Gunhild und Gerowulf läuft nicht mehr alles zum Besten. Hinterlistige Intrigen und ein übler Verrat stellen das gemeinsame Leben auf eine harte Probe, und Gunhild zweifelt mehr und mehr daran, ob sie wirklich den Rest ihres Lebens mit Gerowulf in Sachsen verbringen möchte, oder ob sie doch lieber mit ihrem Sohn Helco in die Zukunft zurückkehren soll. Gunhild steht vor einer schweren Entscheidung, mit der sie sich nicht mehr lange Zeit lassen kann …

_Bewertung:_

Stand die Glaubensfrage in den ersten beiden Bänden noch deutlich vor der Liebesgeschichte zwischen Gunhild und Gerowulf, so nimmt diese in „Mit Kreuz und Schwert“ eine viel gewichtigere Rolle ein. Selbst die Tatsache, dass Gunhild sich bereits nach ihrer ersten Rückkehr in die heutige Zeit weiterhin nach Gerowulf sehnte, wurde von Kari Köster-Lösche nur recht knapp abgehandelt; jetzt jedoch, wo die Beziehung ersnthaft bedroht ist, ist sie das Hauptthema des ganzen Buches und degradiert den Kampf um Sachsen fast gänzlich zum Nebenschauplatz. Das wäre ja nicht weiter schlimm, nur hat die Autorin ersnthafte Probleme dabei, die aufkochenden Emotionen in Worte zu fassen und hält sich trotz der Dominanz des Themas mit Schilderungen über Gefühle ziemlich nüchtern zurück. Das erschwert wiederum den Zugang zum Buch, denn etwas Zwischenmenschliches so trocken zu beschreiben, langweilt phasenweise und wirft auch die zuletzt noch gelobte Spannung wieder zurück, denn diese ist in Teilen mal wieder kaum vorhanden.

Ebenso wird der Zwiespalt, in dem Gunhild sich zum Ende des Buches hin befindet, nur gerade mal ausreichend beschrieben. Der innerliche Konflikt, der ja nach außen hin ganz klar vorhanden ist, lässt emotionale Details vermissen, und bevor Gunhild dann richtig mit dem eigenen Gewissen zu ringen beginnt, ist die Sache auch schon wieder aufgelöst. Genau dieser hölzerne Stil ist es schließlich auch wieder, der mich an einigen Stellen der aufkeimenden Begeisterung beraubt und mich schließlich auch zu dem Urteil kommen lässt, dass Köster-Lösche mit diesem Buch eine recht durchschnittliche Serie mit einem gleichermaßen durchschnittlichen Band zu Ende gehen lässt. Ich kenne jedenfalls mehrere Dutzend lohnenswerterer HistoFantasy-Reihen, auch wenn sie sich thematisch nicht immer an tatsächlichen Begebenheiten orientieren. Die Autorin hat ihre Chance gehabt, ein solch gewagtes Thema für drei bewegende Romane zu verwenden, und meiner Meinung nach hat sie diese kaum genutzt.

Köster-Lösche, Kari – Donars Rache (Sachsen-Trilogie, Band 2)

Nachdem ich vom ersten Teil [„Das Blutgericht“ 1719 herb enttäuscht war, fiel es mir ungleich schwerer, mich noch weiter für die „Sachsen-Saga“ von Kari Köster-Lösche zu begeistern, weshalb ich die Geschichte erst einmal eine Woche lang beiseite legte, um neue Motivation zu sammeln. Unerwarteterweise kam eben jene bei der Lektüre von Band 2, „Donars Rache“, zurück, denn Köster-Lösche hat in gewisser Weise noch einmal die Kurve bekommen und es doch noch geschafft, dem Buch spannende Ansätze zu verleihen. Zum Glück …

_Story:_

Gunhild ist wieder in der Realität angekommen und berichtet ihrem Freund Günter von ihren Erlebnissen, doch der will ihr natürlich erst einmal nichts glauben und weist sie barsch ab, weil sie so lange fort gewesen ist. In diesem Moment merkt Gunhild, dass ihre Bestimmung darin besteht, ihren Geliebten Gerowulf wiederzufinden, und deshalb kehrt sie erneut in die ferne Vergangenheit zurück, um ihr Schicksal in die Hand zu nehmen. Doch bei ihrer Rückkehr gerät sie mitten in einen Glaubenskrieg zwischen Sachsen und Franken hinein. Letztere wollen ihre Kontrahenten mit aller Macht zum christlichen Glauben bekehren, was ihnen durch eine Zwangsbekehrung auch gelingt. Gerowulf, der Fürst der Sachsen, ist machtlos gegen die Macht der Gegner, und seine Männer, die auch nicht mehr an die Abwendung des Unheils glauben, zerstreuen sich in alle Winde.

Für Gunhild ist der Anblick all dessen zu viel. Sie kann das Leid der Franken nicht ertragen und beschließt daher, auf eigene Faust gegen das Verbrechen vorzugehen. Dazu nutzt sie ihre medizinischen Kenntnisse, um beim gemeinen Volk Ansehen zu erlangen. Dies nutzt sie dazu, gleichgesinnte Frauen um sich zu scharen und sie zum Widerstand gegen die christliche Eroberung anzustacheln. Gerowulfs Krieger bekommen Wind von der neuen Bewegung und schließen sich wieder ihrem alten Führer an. Mit gemeinsamer und geballter Kraft nimmt der Aufstand der Franken seinen Lauf …

_Bewertung:_

Eines vorweg: Auch in „Donars Rache“ ist Kari Köster-Lösche weit davon entfernt, stilistische Glanzpunkte zu setzen, denn nach wie vor ist ihre Art zu Schreiben recht hölzern und abgehackt. Und auch so manche Begebenheiten wie die Rückkehr von Gunhild sowie der seltsame Zwist zwischen ihr und ihrem ehemaligen Lebensgefährten Günter sind einem recht suspekt, weil sie das Buch nicht wirklich bereichern.

Dafür ist Köster-Lösche jedoch die Darstellung der Ereignisse in Sachsen viel besser gelungen, und tatsächlich entwickelt sich im Laufe der Story, speziell ab dem Moment, in dem Gunhild ihren Einfluss erkennt und geltend macht, ein guter Spannungsbogen, der bis zur letzten Seite anhält, auch wenn so manches Folgeereignis schon vorab zu erahnen war. Doch im Vergleich zu „Das Blutgericht“ werden hier nicht einfach nur gewisse Punkte lieblos aneinandergereiht, sondern die Geschehnisse gehen nahezu fließend ineinander über und können sich entfalten, ohne dass man befürchten müsste, dass ein bestimmter Handlungsabschnitt plötzlich beendet wird, weil schon der nächste sich anbahnt.

Natürlich ist „Donars Rache“ alleine deshalb noch kein literarischer Quantensprung, aber immerhin ein großer Schritt in die richtige Richtung, der wieder Laune und Lust auf mehr macht und das Lesen dieser Saga nicht zur Qual werden lässt. Meine großen Befürchtungen wurden also glücklicherweise nicht bestätigt, und ich bin doch wieder gespannt, ob Köster-Lösche die Serie zufrieden stellend zu Ende bringt und ich es anschließend nicht bereuen muss, meine Lesestunden für diese drei Bände ergebnislos geopfert zu haben. Im Falle von „Donars Rache“ habe ich dies jedenfalls nicht.

Sturgeon, Theodore – goldene Helix, Die

Ende 2003 erschien bei |Shayol| „Lichte Augenblicke“, der erste Teil einer Sammlung ausgewählter Kurzgeschichten von Theodore Sturgeon. Mehr als ein Jahr danach ist nun mit „Die goldene Helix“ der zweite und abschließende Teil erschienen. Das Vorwort stammt diesmal von Ray Bradbury und ist genauso wie die Geschichten für diese Ausgabe neu übersetzt worden.

Den Anfang macht „Der Mann, dem das Meer abhanden kam“, eine Story, in der der Erzähler den Leser direkt anspricht und uns eine Strandszene vermittelt, mit einem spielenden Jungen und einem kranken Mann, der das Meer betrachtet. Beide sind miteinander verbunden: der Alte, der an der Taucherkrankheit leidet, und der Junge, der ihm Mut zusprechen will und sich an seine eigenen Taucherfahrungen erinnert. Dabei gehen allwissender Erzähler, alter Mann und Junge ineinander über, es ist nie ganz klar, wessen Blickwinkel man gerade betrachtet. Die Geschichte erscheint wie viele andere von Sturgeon nicht als SF, auch wenn sie mit diesem Etikett versehen ist. Der Autor spielt mit Illusionen und Gedankenbildern, erst am Schluss lichtet sich der Nebel der Wahnbilder.

Bei der nächsten Geschichte mit dem Titel „Biancas Hände“ stehen genau diese im Mittelpunkt. Bianca ist ein behindertes Mädchen, das bei seiner Mutter wohnt, Ran ist ein junger Mann, der als Hilfskraft in einem Café arbeitet. Er verliebt sich, aber nicht in sie, sondern in ihre Hände. Die Geschichte beschreibt diese merkwürdige Beziehung, dabei werden immer nur ihre Hände beschrieben, der Rest des Körpers dagegen ausgeblendet. Die ganze Geschichte ist eher verstörend und man weiß nicht so recht, ob dies nun schon Horror ist oder etwas anderes.

Richtiggehend klassisch erscheint einem dagegen „Herr Costello, Held“. Die Geschichte wird uns erzählt von einem Zahlmeister, auf dessen Schiff Herr Costello mitreist. Wie sich bald zeigt, ist dieser Costello ein ehemaliger Politiker, Intrigant und Manipulator. Zunächst bringt er die Schiffsgemeinschaft auf seine Seite, zerstört alte Loyalitäten und sät Misstrauen und Zwietracht. Im zweiten Teil setzt er sein Werk auf einem Planeten fort und etabliert dort eine Kollektivgesellschaft, in der man nie einsam ist. Doch dabei scheint er in den Augen des Zahlmeisters, der uns berichtet, ein freundlicher und ehrbarer Mann zu sein.

„Es“ ist klassischer Horror. Eine einsame Farm in den USA, auf der zwei Brüder, eine Frau und ein kleines Mädchen leben. Das Grauen dagegen lauert im Wald auf seine Opfer. Das Monster ist nicht böse, es hat keine Ziele, es tötet einfach. Dabei ist die Handlung geradlinig und kommt ohne viele Schleifen oder Hintergedanken aus.

Ganz anders dagegen „Das andere Geschlecht“. Wie der Titel nahelegt, geht es um Mann und Frau und Frau und Mann und alles, was dazwischen liegt. Ein Biologe, der die Leichen eines bei einem Raubüberfall getöteten Pärchens untersuchen soll, und eine Reporterin, die daraus eine Story machen will, sind die Hauptpersonen. Doch dann sind da noch die merkwürdigen Leichen, die in Flammen aufgehen, als der Mann sein Büro verlässt. Und während er noch in dieser Nacht seine Traumfrau trifft, findet sie am nächsten Tag ihren Traummann. Um aber zu erkennen, was sie wirklich wollen, brauchen sie beide ein Wesen, das weder männlich noch weiblich ist. Letztlich geht es hier also um das altbekannte Spiel zwischen Mann und Frau, doch Sturgeon nutzt die phantastischen Möglichkeiten der SF, um noch eine Variante einzubringen.

In „Denkweise“ berichtet uns der Ich-Erzähler, ein SF-Autor, der früher als Seemann gearbeitet hat, von einem Freund mit einer ganz besonderen Art, an Probleme heranzugehen. Bezugspunkt der Handlung ist der Bruder dieses Freundes, der unheilbar erkrankt ist und dessen Körper einfach zu zerfallen scheint. Die Frage, die sich stellt: Wer ist schuld an dieser Krankheit? Wer ist überhaupt an etwas schuld? Bringt die Pistole einen Menschen um, oder der, der abdrückt?
Und was ist schlimmer: Hass oder Gleichgültigkeit? Diese Geschichte regt zum Nachdenken an, in erster Linie schockt sie aber.

„Die Fähigkeiten Xanadus“ weist dagegen wieder die Merkmale auf, an denen man SF erkennen kann. Die Menschheit hat sich über die Galaxis ausgebreitet und dabei sind die verschiedensten Kulturen entstanden, doch bei allen gibt es noch die alte Sprache, die als Verständigungsmittel genutzt wird. Nun landet ein Raumfahrer aus einer hoch technisierten Kultur auf dem Planeten Xanadu, dessen Bewohner vergleichsweise primitiv leben. Sie bauen ihre Häuser ohne Wände, sie kennen keine Regierung – und sie verrichten ihren Stuhlgang in der Öffentlichkeit. Wie sich herausstellt, ist die Kultur der scheinbaren Barbaren sogar älter als seine eigene, doch der Raumfahrer kann sich nicht erklären, warum sie so leben. Er selbst ist mit klaren Zielen gekommen: Er soll herausfinden, ob es sich für seine Welt lohnt, diesen Planeten zu erobern.

Den Abschluss bildet die namensgebende „goldene Helix“, die auch die längste Geschichte dieses Bandes ist. Eine Gruppe von Kolonisten, die auf dem Weg zu ihrer neuen Heimat ist, erwacht aus dem Kälteschlaf, nur um festzustellen, dass sie nicht mehr auf dem Raumschiff, sondern auf einem völlig fremden Planeten sind. Dorthin gebracht wurden sie von merkwürdig golden schimmernden Wesen, deren Zeichen eine goldene Helix ist. Diese Geschichte entstand im Herbst 1953, ein halbes Jahr, nachdem Watson und Crick das Doppelhelixmodell der DNS vorgestellt hatten. Sturgeon spinnt darin seine eigenen Vorstellungen über die Entwicklung der Menschheit und der Evolution aus.

Ergänzt werden die Geschichten von bibiographischen Informationen sowie einem Anhang von Hans-Peter Neumann und Hannes Riffel mit den in der englischen Sammelausgabe bisher erschienenen Texten und einer Übersicht über die auf Deutsch erschienenen Sammelbände mit Geschichten von Sturgeon sowie seiner Romane. Neben den durchgehend guten Neuübersetzungen erkennt man vor allem daran den hohen Anspruch des Verlags an die beiden Erzählbände.

Sturgeon selbst ist ein faszinierender Autor. Er schafft es, den Leser mit den ersten Sätzen neugierig zu machen, das Wichtigste kurz vorzustellen, so dass es einem vorkommt, als ob man Bescheid wüsste, nur um einige Seiten später überrascht zu werden. Und dabei gelingt ihm das Kunststück, dies alles auf wenigen Seiten auszubreiten. Er wird zu Recht als ein Meister der Kurzgeschichte bezeichnet.

Die hier ausgewählten Geschichten sind sehr unterschiedlich, SF und Non-SF wechseln sich ab. Es ist für jeden Geschmack etwas dabei, aber es wird auch jeder eine Geschichte finden, die ihm nicht zusagt. Seien es der geradlinige Horror in „Es“ oder die verwirrenden Geschehnisse in „Die goldene Helix“. Trotzdem bietet sich der Band gerade für diejenigen an, die Kurzgeschichten eher skeptisch gegenüberstehen, denn Sturgeon kann doch davon überzeugen, dass es auch auf wenigen Seiten möglich ist, vieles zu sagen, ohne dass die Geschichte bedeutungsüberladen wirkt.

_Konrad Schwenke_
|Diese Rezension wurde mit freundlicher Genehmigung unseres Partnermagazins [X-Zine]http://www.x-zine.de/ veröffentlicht.|

Köster-Lösche, Kari – Blutgericht, Das (Sachsen-Trilogie, Band 1)

„Eine unfreiwilligs Reise in die Zeit Karls des Großen“, so lautet der Untertitel zum Auftakt der dreiteiligen Sachsen-Saga von Kari Köster-Lösche, in der es um eine junge Tierärztin geht, die sich plötzlich in einer Welt einige Jahrhunderte vor ihrer Zeit wiederfindet und dort einerseits als Hexerin verachtet, gleichzeitig aber auch als Zauberin verehrt wird. Eine spannende Zeitreise verspricht die Geschichte zu werden – das glaubte ich im Voraus jedenfalls noch …

_Die Autorin:_

Kari Köster-Lösche, geboren in Lübeck, hat als Tierärztin zahlreiche wissenschaftliche Bücher veröffentlicht, bevor sie mit ihren Romanen „Die Hakima“ und „Die Heilerin von Alexandria“ zur Bestsellerautorin avancierte. Mit der Geschichte über eine Raubritterin hat sich Köster-Lösche zum ersten Mal an einer mehrteiligen Reihe versucht, die aber in Historien- und Fantasy-Kreisen weniger beachtet wurde. Mit der so genannten Sachsen-Saga versuchte sie sich 2003 dann an einem neuen Mehrteiler.

_Story:_

Die moderne Tierärztin Gunhild (hm, gibt es heute überhaupt noch solche Namen …) macht mit ihrem Lebensgefährten einen Ausflug ins Grüne in der Kölner Umgebung. Als sie dabei die Umgebung alleine näher erkundet, stößt sie gegen einen Baum und verliert für eine Sekunde die Besinnung. Als sie wieder klar sieht, liegt vor ihr ein schwer verletzter Mensch, den Gunhild zunächst für einen Schauspieler hält. Als Gunhild jedoch bemerkt, dass sich die Welt um sie verändert hat, von ihrem Freund keine Spur mehr da ist und der mysteriöse Fremde es mit seinen Ausführungen über die fränkische Kirche ernst zu meinen scheint, realisiert sie, dass sie auf unerklärliche Weise einen Zeitsprung gemacht hat.

Nachdem sie dem Fremden beim Verbinden seiner Verletzungen geholfen hat, führt er sie zurück in seine Heimat und hält sie dort als Sklavin. Sein Name ist Grimoald, und er hat sich in den Sinn gesetzt, im Dienste Karls des Großen und der Kirche die Sachsen zu bekehren. Mit seiner neuen Sklavin will er nach außen hin die macht Gottes demonstrieren, weil sie mit den Utensilien, die sie mitführt, für damalige Verhältnisse magische Dinge vollführen kann. Andererseits fürchtet Grimoald die Dame aber auch, denn aufgrund ihrer seltsamen Kräfte scheint er ihr in gewisser Weise auch unterlegen.

Gunhild fürchtet in der neuen Welt um ihr Leben und wünscht sich nichts sehnlicher, als die Rückkehr zu ihrem Geliebten und vor allem in ihre Heimat. Als der Priester immer grausamer zu ihr wird, flieht sie zu den Sachsen, die noch dem ‚alten‘ Glauben anhängen. Erst als sie dort den klugen Fürstensohn Gerowulf kennen lernt, schöpft sie neue Hoffnung und beginnt langsam, sich in ihrer neuen Umgebung zu akklimatisieren …

_Bewertung:_

Das Potenzial dieser Geschichte ist wirklich endlos, und aus der Historie der Sachsen und dem Zwiespalt der verschiedenen Glaubensinitiativen hätte man eine Menge herausholen können, alleine schon beim plötzlichen Eintauchen in die neue Welt. Die Autorin scheint das indes wenig interessiert zu haben, denn sie schildert die Ereignisse derart trocken und hölzern, dass einem schnell die Freude am Lesen vergeht. Nach 50 Seiten sieht man sich einfach so mit der Tatsache konfrontiert, dass Gunhild gegen einen Baum gelaufen ist, plötzlich in einer anderen Welt lebt und des Priesters Untergebene geworden ist. Spannung Fehlanzeige! Die gesamte Abfolge der Geschehnisse wird in „Das Blutgericht“ fast schon in Form eines Berichtes abgehandelt; ausführliche Beschreibungen, detaillierte Inszenierungen und all dergleichen findet man hingegen nur ganz, ganz selten.

Selbst die Sehnsucht nach der modernen Welt stellt Köster-Lösche nur unzureichend dar; bisweilen klingt das sogar wenig glaubhaft, so nach dem Motto „ach schade, dann kann ich wohl nicht mehr zurück, schade“. Auch als Gunhild sich dann endlich mal entschließt, den üblen Priester zu verlassen und für ihre Unabhängigkeit im Sachsen des 9. Jahrhunderts zu kämpfen, gewinnt die Geschichte nicht an Tempo; im Gegenteil, es wird eher noch langweiliger, weil selbst solch entscheidende inhaltliche Wendungen einen nicht aus der Reserve zu locken vermögen.

Ich bin jetzt schon sehr skeptisch, ob sich die Autorin in den nachfolgenden zwei Bänden noch irgendwie aus der Misere befreien kann und ihren Schreibstil insoweit ändert, dass die Thematik und das in ihr steckende Potenzial endlich mal ein bisschen Farbe gewinnt. Die anfangs noch vorhandene Vorfreude auf diese Trilogie ist aber erstmal weitestgehend verpufft und einer herben Enttäuschung gewichen.

Auf die unerfreulichen logischen Patzer möchte ich jetzt nicht mehr eingehen, das würde „Das Blutgericht“ ansonsten vollkommen in Grund und Boden stampfen. Aber einen Hineis trotzdem: Laut Kari Köster-Lösche konnten die Menschen damals zur Zeit von Karl dem Großen (vor 1.200 Jahren) schon die heutige, moderne deutsche Sprache verstehen. Aha …
Hoffentlich werden die nächsten beiden Bücher nicht zur nervigen Qual!

H. G. Francis – Das Antares-Riff (Perry Rhodan Extra 2)

Noch vor dem offiziellen Start des neuen Handlungsabschnitts „Terranova“ in der Perry-Rhodan-Serie, der mit Band 2300 beginnen wird, bringt der Verlag |Pabel Moewig| einen Sonderroman zum Auftakt des Zyklus. „Das Antares-Riff“ ist nicht nur ein Roman, sondern enthält außerdem das Hörspiel „Beinahe ein Mensch“ nach einem Roman von Hubert Haensel, ohne Frage ein Kaufanreiz, da die Verkaufsausgabe des Hörspiels etwa doppelt so viel kostet wie diese Sonderausgabe.

Angesiedelt ist der Roman offensichtlich zwischen den beiden Handlungsabschnitten „Sternenozean“ und „Terranova“, die große Gefahr durch die überlegene Wesenheit |Gon-Orbhon| ist überwunden und macht Platz für ein neues Abenteuer.

_Das Riff_

Durch den Ausfall fortschrittlichster Technik brach auf der Erde das Fernsehprogramm der privaten Sender zusammen, die öffentlichen Sender arbeiten unter der Ägide der Regierung mit am Wiederaufbau der Zivilisation. Keine guten Zeiten für einen Unterhaltungsjournalisten, wie Albion Aldograd einer ist. Er ist jedoch sicher, dass die Menschen nach Unterhaltung dürsten und der ständigen trockenen Fakten überdrüssig sind, also sammelt er Material und arbeitet an Sendungen, die er den Sendern regelmäßig und genauso erfolglos anbietet. Sein Riecher bringt ihm erschütterndes Material über gelangweilte Jugendliche, die sich auf der Suche nach Ablenkung in Todesgefahr begeben. Außerdem gerät er über eine bekannte Journalistin an gefährliche Drogengeschichten. Die beiden Themen bringt er in seinem Zorn über seinen eigenen kleinen, kaum zu finanzierenden Sender, und keine Stunde später sieht er sich einem der Unsterblichen, Reginald Bull, gegenüber, der sich für ihn und seine Ideen einsetzt.

In Bulls Auftrag bereitet Albion eine gefährliche Dokumentationsreise vor, die ihn und sein Team zum neuerdings bedrohlichen „Antares-Riff“ führt: Ein durch Weltraumstürme unpassierbares Sonnensystem in unmittelbarer Nachbarschaft der Erde, über das er berichten soll. Albions Team sammelt unglaubliche Eindrücke vor Ort, doch eine weitere Annäherung kann Albion nur mit Mühe beim Kommandanten des Raumschiffs durchsetzen, bis man plötzlich Notsignale direkt aus dem Sonnensystem auffängt. Dem kann sich kein Raumfahrer entziehen, also dringt das Schiff in die gefährliche Region vor – und macht dabei eine unerfreuliche Entdeckung, die für das Schiff, aber primär für die Menschheit große Gefahr bedeutet. Entgegen dieser Gefahr muss man der Erde Bericht erstatten …

_Francis_

Heute ist Hans Gerhard Franciskowsky, der meist als H. G. Francis veröffentlicht, einer der produktivsten, vielseitigsten und erfolgreichsten Schriftsteller Deutschlands. Einige hundert Romane hat er verfasst, darunter allein 200 für PERRY RHODAN, die größte Science-Fiction-Serie der Welt. Seine rund 600 Hörspiele erreichen zusammen die stattliche Gesamtauflage von 120 Millionen. (Quelle: perry-rhodan.net)
Seit Beginn des Jahres 2005 ist Francis nicht mehr im regelmäßigen Autorenteam der Serie vertreten, schreibt aber ab und zu einen Beitrag, wie das vorliegende „Extra“.

Francis entwickelt die Handlung durch den Kunstgriff eines neuen Charakters in größtmöglicher Eigenständigkeit, ohne Einzelheiten zum Ende des vorhergehenden Zyklus, der ja noch zwei Wochen läuft, zu verraten. Dass die derzeitige Gefahr gebannt werden wird, steht aufgrund des Seriencharakters natürlich außer Frage, daher kann man gefahrlos vorweggreifen. Der Roman steht außerhalb des direkten Serienzusammenhangs (auch wenn er schließlich den neuen Zyklus einläutet) und bemüht sich, auch für unregelmäßige Leser verständlich zu sein. Mit einem gewissen Maß an Interesse für die aktuellen technischen Fantasien der Science-Fiction wird man hier nicht überfordert. Begriffe wie „Hyperraum“, „Antigravitation“, „Traktorstrahl“ und dergleichen sind in diesem Umfeld inzwischen wohlbekannt, serieninterne Bezeichnungen wie „Syntron“ und „Hyperimpedanz“ sind für den Zusammenhang einigermaßen belanglos oder erschließen sich aus dem Kontext. Francis bemüht sich, durch einfache Beschreibungen den einen oder anderen verwirrenden Begriff zumindest für das geistige Auge sichtbar zu machen, auf der anderen Seite flechtet er die Bilder routiniert in das Konstrukt der Geschichte ein, so dass ein durchaus unterhaltsames Abenteuer entsteht.

Dass die Charaktere keine außerordentliche Tiefe haben, beeinträchtigt die Geschichte kaum. Hier geht es vordergründig um ein Bild aus dem Leben der Menschen in dieser fantastischen Zukunft als Träger der psychologischen Anreize zum Einstieg in die Serie mit dem Start des neuen Zyklus: In einem flüssigen Plauderton skizziert Francis die Gefahren, die auf Perry Rhodan und seine Gefährten zukommen, verrät aber gerade so viel, dass die Neugierde vom Leser Besitz ergreift und sich ein Hauch des faszinierenden Gefühls einstellt, das den Erfolg der Serie seit ihrer Geburt ausmacht.

„Das Antares-Riff“ ist kein außergewöhnlich guter Roman. Sein Pluspunkt ist, dass er flüssige Unterhaltung bietet, ohne durch den gewaltigen Serienhintergrund zu erschlagen. Der typische Drang nach mehr, der Seriencharakter, entsteht dabei nicht durch platte Cliffhanger (aber er entsteht), und der Roman ist tatsächlich eigenständig lesbar und befriedigend.

Romanheft: 125 Seiten

Robson, Justina – Verschmelzung, Die

Die Anforderungen der Zukunft, insbesondere in der Raumfahrt, löst die Menschheit durch extreme Anpassung: Man hat Mensch und Maschine miteinander verschmolzen und sich dadurch Möglichkeiten geschaffen, die sowohl einem zerbrechlichen Menschenkörper als auch einer robusten, aber geistlosen Maschine verschlossen geblieben wären.

Der angepasste Mensch „Voyager Lonestar Isol“, quasi eine menschliche Raumsonde, endeckt auf seinem Erkundungsflug ein außerirdisches Artefakt. Dieses entpuppt sich als Überlichtantrieb aus einem unbekannten Stoff, der es Isol erlaubt, in das Herkunftssystem des Antriebs zu reisen. Dieses ist erdähnlich und zur Besiedlung durch Menschen geeignet. Aber absolut unbewohnt. Von den Erbauern des Antriebs fehlt bis auf verlassene und vollständig leer geräumte Städte jegliche Spur.

Isol sieht in dem Planeten eine Chance für die „Angepassten“. Sie könnten auf diesen Planeten auswandern. Schon seit langen kriselt es zwischen „Unangepassten“ und „Angepassten“. Erstere stellen oft das Menschsein der Angepassten in Frage, Letztere fühlen sich ausgebeutet bis hin zur Sklaverei, aber auch den „funktionslosen“ und anfälligen Unangepassten überlegen.

Doch es gibt Zweifel an der von Isol vorgeschlagenen Welt: Sie umkreist nicht wie von Isol angegeben den Stern Zia Di Notte … sondern einen anderen, oberflächlich sehr ähnlichen. Wird Isol von dem außerirdischen Artefakt beeinflusst?

_Die Autorin_

Die Engländerin Justina Robson (* 1968) machte sich in Deutschland vor allem durch ihren zweiten Roman [„Mappa Mundi“ 176 einen Namen, der für den |Arthur C. Clarke Award| nominiert wurde. „Mappa Mundi“ wird oft als intelligenter und anspruchsvoller Science-Fiction-Thriller mit einem Hauch Cyberpunk beschrieben, der in naher Zukunft spielt. Mindestens genauso anspruchsvoll präsentiert sich dieses Buch – in dem Sinne, dass Robson dem Leser viel Konzentration und Geduld abverlangt. Denn das Prädikat „intelligent“ möchte ich diesem Roman nicht verleihen, zu unausgegoren, verzettelt und widersprüchlich präsentiert er sich dem Leser. Trotzdem wurde auch er für den |Arthur C. Clarke Award| nominiert – vermutlich dank einiger faszinierender Ideen, die Robson präsentiert.

_Viele Ideen, aber keine Linie_

Die Stärke des Romans ist die Darstellung einer fremdartigen Welt, in der normale und „angepasste“ Menschen wie selbstverständlich miteinander leben und umgehen. Die Angepassten sind oft hochspezialisiert in ihrer Form und Funktion, trotzdem sind sie im Geiste durch und durch menschlich. So gibt es eine flugzeuggroße „Passagiertaube“, in der die Anthropologin Zephyr Duquesne, die für General Machen den Planeten Isols untersuchen soll, quasi durch den After einsteigen darf. Desweiteren gibt es einen rabenähnlichen Angepassten namens Corax, der Analysen anhand seines Geschmackssinns durchführt und in Drogenhandel verstrickt ist. Dass eine von Zephyrs Internet-Bekanntschaften, mit der sie sich sehr verbunden fühlt durch ihre gemeinsame Vorliebe für Trilobiten, sich als eine Art Qualle entpuppt, verwundert da schon gar nicht mehr, amüsiert aber ungemein. Dazu kommen noch kilometergroße Terraformer-Wesen, genannt Gaiaforme, oder riesige menschliche Raumtransporter wie „Ironhorse Timespan Tatresi“. Neben den menschlichen Angepassten gibt es noch die „MekTeks“, meist technologisch aufgemotzte Menschen, aber oft auch nur niedere Tier-Maschine-Hybriden.

Bei all diesen Schilderungen fällt eines auf: So sehr die Angepassten auch an ihre Aufgabe angepasst und auf sie konditioniert sind – Isol zum Beispiel ist nahezu autistisch und kann die Einsamkeit ihrer langen Reisen so verkraften, ihr herausragendster Trieb ist ein ebenso künstlich geschaffener Entdeckerdrang -, denken und verhalten sich alle Angepassten durchweg menschlich. Sie greifen zu ihrer Repräsentation stets auf menschliche Avatare zurück, auf Bildschirmen oder als Hologramm. Dies gibt Gesprächen zwischen einer knapp hundert Meter großen Passagiertaube, die sich mit ihren Fluggästen unterhält, eine ganz eigenartige Note. Besonders wenn vogelähnliche Angepasste wie Corax mit den Geschmacksknospen ihrer Zunge etwas analysieren und tierische Verhaltensweisen mit menschlichen mischen, erhält die Geschichte einen sehr surrealen und exotischen Touch.

Das muss dem Leser aber auch reichen. Denn aus dem vermeintlichen Erstkontakt-Roman inklusive möglicher unheimlicher Beeinflussung einer Angepassten durch ein Artefakt, was zu Aufständen und Konflikten zwischen den beiden Menschenarten führen könnte, macht Justina Robson nahezu nichts. Die möglicherweise spannende Geschichte mit dem außerirdischen Artefakt dümpelt lange Zeit unbeachtet im Hintergrund, während sich Robson in der Schilderung der Beziehungen zwischen Menschen und Angepassten verliert und viele neue Fäden spinnt, ohne diese zu einem Ende zu bringen. So wachsen junge Angepasste in einer virtuellen Welt auf, in der sie u. a. auch Mensch sein können, oder was auch immer sie wollen, und wo sie die nötigen Fähigkeiten für ihre spätere Aufgabe erlernen. Viele versuchen, sich mit Drogen wieder in diese Traumwelt ihrer Jugend zu versetzen, ein andermal schildert uns Robson aus der Sicht des Angepassten Gritter, wie dieser unangepasste Menschen sieht – er wird als Mensch in eine Virtualität versetzt und fühlt sich entsetzlich schwach und hilflos.

Der Sinn dahinter? Nun, viele interessante Themen wurden angerissen, aber nicht zu Ende ausgeführt. Das trifft auf alle der vielen inkonsequenten und sich widersprechenden Abschnitte der Handlung zu. Könnte man den Entschluss der als Einzelgängerin geschaffenen Isol, sich auf einmal in diesem Ausmaß für alle einzusetzen, noch mit dem Einfluss durch das Artefakt erklären, beißt sich der dringliche Auswanderungswunsch mit der Tatsache, dass die meisten Angepassten nahtlos in die menschliche Gesellschaft integriert sind. Auf der fremden Welt selbst findet sich lange Zeit nur eines: gähnende Langweile.

Denn über den vermeintlichen Kontakt oder Konflikt mit einer außerirdischen Spezies schreibt Robson rein gar nichts. Genausowenig wird hinsichtlich der unbekannten Welt unternommen; man schickt Zephyr Duquesne hin, die leider ebenfalls nichts findet außer der erwähnten Überdosis Langweile. Auf politischer Ebene – auch diese Komponente reißt Robson an – bleibt der Konflikt zwischen unangepassten und angepassten Menschen genauso harmlos. Man unterhält sich. Es passiert nicht wirklich etwas Weltbewegendes. Der Eindruck einer eminent wichtigen Entscheidung entsteht beim Lesen des Romans erst gar nicht.

Justina Robson bedient sich im Englischen einiger blumiger Wortschöpfungen, die in der deutschen Übersetzung, die relativ holprig ist, noch seltsamer als im Original erscheinen. Einige Sätze sind nahezu sinnfrei und unfreiwillig komisch geraten. Da sich Robson einer eigenwilligen Metaphorik bedient, musste Übersetzer Dietmar Schmidt oft entsprechende deutsche Äquivalente finden oder erfinden, was unter anderem mit Händen, die sich wie thailändische Tänzer bewegen, endete. Nachkorrigiert hat offenbar niemand, denn vor Tipp- oder Sinnfehlern sowie seltsamen Satzbau strotzt das ganze Buch nur so (Bereits auf S. 9: |“… ihr Kraftstoffverbrauch geriete ins Ungleichgewicht zum Kraftstoff, der voraus für sie verfügbar war.“| – Ausgesprochen ungelenk übersetzt. S. 50 |“… um sein eigenes Frühleben aus den Akten tilgen zu lassen“| – wie wäre es mit Vorleben?).

_Fazit_

Das alles wäre zu entschuldigen durch die phantasievolle Schilderung von Menschen und Angepassten in Robsons Welt, in der Surrealität zum Alltag gehört, was mich des Öfteren zwar irritierte, aber auch in den Bann zog. Leider kann Robson ihre interessanten Ideen nicht wirklich vermitteln. Ihre beständige absolute Vermenschlichung körperlich fremdartigster Geschöpfe mag zwar eine ideologisch lobenswerte Einstellung sein, ist jedoch nicht wirklich überzeugend. Zu oft lässt sie einen Erzählstrang einfach fallen und schneidet ein anderes Thema an. Das tut der Geschichte nicht gut, sie wirkt verzettelt und unausgereift, lässt einen strukturierten Handlungsverlauf vermissen. Zumal so auch keinerlei Spannung aufkommen kann, wie man aus dem Klappentext vermuten könnte. Die Fähigkeit mancher ihrer Kollegen, ein Buch zum Pageturner zu machen, fehlt Justina Robson vollständig. Die handelnden Personen bleiben blass und austauschbar, doch das kann man verschmerzen – es geht Robson mehr um die Präsentation von Ideen an sich, ihre Personen sind dabei nur Beiwerk und Hilfswerkzeug dazu. Ihre interessanten und oft humorvollen Gedankengänge sind zweifellos erstklassig, als Schriftstellerin oder Erzählerin versagt sie jedoch kläglich.

Das Buch bietet ein geradezu stereotypisches Happyend – allerdings wurden so viele Fragen nicht beantwortet und so viele Möglichkeiten auch in dramaturgischer Hinsicht nicht ausgenutzt, dass man zwischen zwei Eindrücken schwankt: Man hätte dieses Buch entweder drastisch kürzen oder verlängern müssen. Mag man die sprachlichen Schwächen zum Teil der Übersetzung zuschreiben, die Konzeption des Romans selbst kann man nur Justina Robson anlasten. Schade; hätte sie sich nicht verzettelt und etwas mehr Esprit und schriftstellerisches Geschick bewiesen, hätte man daraus zwei bis drei gute Geschichten machen können. So bleibt es leider bei einem bemühten Sammelsurium von Ideen, die alle etwas Besseres verdient hätten als diese bestenfalls laue und zusammengestückelte Geschichte.

Homepage der Autorin:
http://www.justinarobson.com/

John Barnes – Der Himmel, so weit und schwarz

Willkomen in der Zeit nach den Mem-Kriegen

Es startet gemächlich: Ein altgedienter Alkoholiker-Cop und Psycho-Doctor setzt sich vor die imaginäre Kamera, schnappt sich einen Becher Whiskey und starrt auf seinen Bildschirm. Er erwartet eine Nachricht von einem seiner „Fälle“, von Terpsichore Melpomene Murray, die sich aus unerfindlichen Gründen nicht mehr melden mag.

Weil diese erhoffte Meldung ausbleibt, beginnt er dem Leser das Universum zu vermitteln, in dem dieser Roman spielt. Der Leser erfährt, dass eine künstliche Intelligenz jeden Menschen auf der Erde kontrolliert, dass deswegen ganze Generationen flüchten, um ein karges Leben auf dem Mars zu beginnen. Aber auch die Mars-Bewohner sind vor einer Übernahme nicht sicher: Die Künstliche Intelligenz entwickelt sich. |OneTrue| versucht, den Mars mit dem „Resuna-Mem“ zu infizieren, einem Gedankenvirus, der über eine codierte Kommunikationssequenz in die Hirne seiner Wirte gelangt, um sie unter die Kontrolle der KI zu stellen. Jegliche Information, die von der Erde auf den Mars gelangt, könnte ein Resuna-Träger sein.

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Morgan, Richard K. – Profit

Aufgemerkt! Jetzt habe ich hier das Sagen. Und alles läuft so, wie ich das will. Ich bin aus guter Familie, zwischenzeitlich leider in den Slums aufgewachsen. Doch das habe ich gerächt. Mehrfach. Denn ich bin schlauer als die anderen. Und schneller. Härter. Ich habe jeden Gegner totgefahren. Jeden. Deswegen verdiene ich das hier. |“Männer wie ich, die sind nicht mehr aufzuhalten, da kannst du machen, was du willst. Verstehst du?“|

_London in 50 Jahren_

Die ganze Welt wird vermeintlich von den Kräften des Marktes regiert (im Original heißt das Buch „Market Forces“). Doch eigentlich regiert eine hoch mobile und rücksichtslose Oligarchie. Die Gesellschaften der früheren Industrieländer haben sich ausdifferenziert: Über den breiten Massen ungesund dahinkrauchender Slumbewohner braust eine schmale Kaste von Investmentbankern daher, in großem Reichtum und großer Unsicherheit. Erreichen sie doch ihren beruflichen Aufstieg nicht allein durch harte Arbeit, sondern noch vielmehr durch ihre Fertigkeiten bei tödlich endenden Crash-Duellen auf den für sie reservierten Autobahnen. Und der Held, der da oben spricht, der ist einer von ihnen.

_Wer schreibt denn so was?_

Richard K. Morgan ist gerade 40 geworden, kommt aus der Nähe von Norwich in England, lebt in Glasgow und noch nicht allzu lange von der Schriftstellerei. Sein Debütroman „Altered Carbon“ erschien 2002 beim britischen SF-Spezialisten |Gollancz| (deutsch im September 2004 als [„Das Unsterblichkeitsprogramm“ 464 bei |Heyne|). Der Roman spielt einige Jahrhunderte in der Zukunft und bietet einen gut balancierten Mix aus traditionellem Hard-Boiled-Thriller und Hard-Science-Fiction – gar nicht soo ungewöhnlich, aber halbwegs glaubwürdig. Doch nicht die schön männliche Mischung machte das Buch zu einem gewaltigen Erfolg. Wohl eher war es die sehr sehr drastisch konsequente Schilderung von hemmungsloser Gewalt um den einsamen Helden Takeshi Kovacs – ein unmenschlich kalter, ultrabrutaler Schlächter und doch irgendwie auch mitfühlender Gelegenheitsdetektiv, Frauenversteher und Sinnsucher: Ein nach Heilung und Gerechtigkeit strebender Großserienkiller von nebenan, in wechselnden Körpern. Bei aller extrem blutigen Härte bot „Altered Carbon“ offenbar genug Einfühlmöglichkeiten und kreativ-plastisches Storytelling, um Hollywood aufmerksam und interessiert zu machen.

Morgan verhandelte gut beim Verkauf der Filmrechte. Sicher half auch der zwischenzeitlich verliehene |Philip K. Dick Award| für den besten Roman des Jahres. So konnte er sich allein mit dem Geld für die Film-Option auf „Altered Carbon“ endlich ganz dem Leben als Berufsautor zuwenden (vorher war er Englischlehrer für Nicht-Muttersprachler, immerhin 14 Jahre lang, mehrere Jahre davon jeweils in Istanbul und Madrid). Einst ein nach eigener Aussage nicht wirklich bemerkenswerter Student der philosophischen Fakultät (etwas Sprache, Abschluss in Geschichte) strebt er mittlerweile als zusätzlichen Zeitvertreib einen Master in „Development Economics“ an – doch scheint die Schriftstellerei ordentlich Geld abzuwerfen.

In schneller Folge erschienen bei |Gollancz| bis heute zwei weitere Romane um Takeshi Kovacs: 2003 „Broken Angels“ (deutsch im Juni 2005 als [„Gefallene Engel“) 1509 und Anfang 2005 „Woken Furies“ (wird zum Jahreswechsel als „Heiliger Zorn“ auch auf Deutsch erscheinen). Zudem schreibt er bei |Marvel| die Texte für die Comicbuchreihe „Black Widow“ – die muss aber in Deutschland noch herauskommen.

Genau zwischen die beiden jüngeren Kovacs-Romane fällt indes die Veröffentlichung von „Market Forces“ 2004. Und das Buch hat auch etwas mit „Development Economics“ zu tun. In der deutschen Übersetzung von Karsten Singelmann ist es als „Profit“ im April bei |Heyne| erschienen. Ach ja, die Filmrechte sind auch schon wieder für schönes Geld verkauft und der |John W. Campbell Memorial Award| 2005 für den besten Roman eingesackt …

_Der Plot_

Chris Faulkner ist um die 30 und hat gerade den Job gewechselt. Er steigt neu in die Abteilung „Conflict Investment“ der Firma |Shorn Associates| ein, ein als besonders aggressiv und erfolgreich geltendes Investmenthaus – und „Conflict Investment“ ist deren erfolgreichstes Geschäftsfeld. Es geht im Wesentlichen um die Steuerung ausgewählter Entwicklungsländer zur größtmöglichen Gewinnschöpfung. Gleich zu Beginn erhält Chris seine Firmenpistole überreicht, auf dass er möglicherweise nicht ganz sauber entschiedene Duelle auf der Autobahn sicher zum Ende bringen möge.

Etwas mulmig ist ihm hier schon, erst einmal. Das ebenfalls angebotene Firmenauto (BMW) lehnt er sogar ab, fährt er doch seit Jahren einen ganz speziell verstärkten Saab, umgebaut und gewartet von seiner schwedischen Frau Carla. Die arbeitet ganz offiziell als Mechanikerin, und ihr Vater lebt freiwillig in den Slums – eine stete Quelle für Streit in der jungen Ehe.

Bei |Shorn| findet er schnell einen Verbündeten: Mike Bryant, ein paar Jahre älter, etwas höher in der Hierarchie. Zusammen werden sie bald nach einem extralangen Arbeitstag das Nachtleben in den „Zonen“ erkunden, mit Checkpoints ausgestattete verlotterte Gegenden, in denen die Mehrheit der Bevölkerung verarmt vor sich hin vegetiert. Verständlich, dass Mikes aufgerüsteter BMW hier das Interesse einer Bande von jugendlichen Autodieben hervorruft. Relativ überraschend für Chris ist allerdings die Kaltblütigkeit, mit der Mike die mit einer Eisenstange bewaffneten Diebe mit der Firmenpistole hinrichtet. Selbstverteidigung, klar.

Die Freundschaft wird anschließend durch gegenseitige Familienbesuche in den idyllisch weit vor der Stadt liegenden Häusern gepflegt und muss sich durch allerlei gemeinsame Projekte beweisen. In mehreren Duellen auf der Straße bleibt das |Shorn|-Team siegreich, und Chris trägt entscheidende Teile dazu bei. Klar, dass möglicherweise überlebende Crash-Gegner in ihren Wracks noch schnell der Kreditkarten entledigt und erschossen werden, bevor die Polizei zum Aufräumen randarf.

Chris zerreißt sich immer mehr zwischen harten langen und langen harten Arbeitstagen und den Resten eines Familienlebens. Ja, die Brutalität zerrt an ihm, und gelegentliche Zweifel im Diktatoren-Schach des Arbeitsalltags verdichten sich immer mehr. Er überlegt sogar den Ausstieg, trifft sich mit einem UN-Bürokraten. Der garantiert Immunität gegen Kronzeugendienste über das verbrecherische Treiben von |Shorn|. Ob Chris die Option wahrnehmen wird?

Die berufliche Zerrissenheit zeigt sich schließlich am deutlichsten im Fall einer kleinen unbedeutenden Diktatur in Südamerika (Kolumbien). |Shorn| finanziert seit langem den Diktator, doch der zeigt langsam Alterserscheinungen und sein Sohn ist ein großmäuliger Psychopath. Chris freundet sich sogar mit dem wesentlichen Rebellenführer und dessen Kampf für „Gerechtigkeit“ an – eine bessere Geldanlage, und dazu noch moralisch besser?

Nicht wirklich produktiv ist in der Zwischenzeit, dass Chris nach weiteren spektakulären Straßensiegen auch noch eine Affäre mit einer sehr attraktiven Fernsehmoderatorin beginnt. Die war mal Porno-Aktrice, präsentiert aber mittlerweile eine eigene Show, in der es hauptsächlich um die fahrenden Investment-Ritter geht (die sind auch noch die Popstars der 2050er). Nebenbei hatte die Dame vorher auch noch Affäre mit Mike, und der findet die neue Entwicklung gar nicht so toll, hat er doch geglaubt, mit dem Mädel echte Liebe zu erleben. So wie sich Mike allmählich zum Rivalen und Gegner entwickelt, war es Chris’ formale Chefin schon von Beginn an. Sie fühlte sich schon bei der Einstellung von Chris übergangen, setzte ihn immer wieder auf die haarsträubendsten Duelle an. Doch zu ihrem großen Ärger hat er alle Herausforderungen gemeistert und wurde immer schwerer beherrschbar.

Zeit zur Eskalation.

Bei Investmentgesprächen in London begegnen sich Altdiktator und Rebellenführer in den Räumlichkeiten von |Shorn|. Ziemlicher Mist für Chris, haben ihn seine Gegner in der Firma mit diesem Zusammentreffen doch ernsthaft bloßgestellt. Da hilft nur noch beherztes Handeln: Im Büro, vor den Augen der Kollegen und des Rebellenführers prügelt er den Altdiktator mit einem Baseballschläger zu Tode. Das ist doch mal Einsatz für einen Kunden!

Wie das so kommen muss, hat Chris nun noch eine Menge Ärger durchzustehen, bis zum finalen Showdown: Straßenduell um eine offene Partnerstelle gegen Mike Bryant. Na, wer gewinnt das wohl? Ach ja, das Zitat zum Beginn dieser kleinen Besprechung, das stammt vom Ende des Buchs …

_Gibt es was zu mäkeln?_

So richtig viele Einwände müssen gar nicht sein. Handwerklich ist Morgans drittem Roman wenig vorzuwerfen, die Sprache ist schnörkellos direkt, einfach und mitreißend. Das großzügig mit „fuck“s angereicherte Englisch des Originals hat Singelmann eher milde übertragen, das stört aber keineswegs. Etwas seltsam mutet indes die Ausstattung des mit 13 Euro recht teuren aber zumindest großformatigen |Heyne|-Taschenbuchs an: Was soll das seltsame Bergsteiger-Porträt auf dem Titel?

Die Story ist dafür in sich weitgehend stimmig und relativ sauber ausgearbeitet. Mir scheinen ein paar Details nicht allzu plausibel. Natürlich bin auch ich nicht mit der fehlerfreien Kristallkugel ausgestattet, aber ist es wahrscheinlich, dass ein Yuppie der 2050er noch mit einem Handy telefoniert und einen Saab fährt? Wenn seine härtesten Gegner BMW und Audi fahren? Nur zur Erinnerung: Zu Beginn der 1950er-Jahre hießen die prestigeträchtigsten Automarken in den USA Cadillac oder Packard, in Deutschland waren es Mercedes oder Borgward, in Großbritannien Bentley, Rolls Royce und Daimler – von anderen Ländern ganz zu schweigen. Warum sollten sich die gerade gut laufenden Marken und Produkte noch weitere 50 Jahre halten können, vor allem wenn sich doch scheinbar die böse Ökonomie zum Schaden der Menschheit verändert?

Da sitzt auch mein wesentlicher Kritikpunkt: Die von Morgan postulierte Verelendung der Massen, die scheint mir doch ein wenig altbacken klischeehaft und äußerst unwahrscheinlich. Warum sollten sich veritable Massenproduzenten der Automobilindustrie auf einmal mit der Herstellung von ein paar Hundert Sonderanfertigungen für Investment-Eliten begnügen? Wo kommen die teuren Klamotten, die Telefone, die Neubauten, wo kommt der reichlich verzehrte Malt Whisky her, wenn doch angeblich der ganze arbeitende Mittelstand in die Slums abgesunken ist? Aber egal, ein bisschen negative Utopie darf ruhig sein, auch wenn das Teil mich nicht wirklich zum „Nachdenken“ über ach so gefährliche Globalisierungstendenzen anregt. Die Stärken von „Profit“ jedenfalls liegen woanders.

_Viel Lob_

Es gibt mindestens zwei Gründe, diesen wüst brutalen Roman zu mögen, sehr sogar.
Da ist zunächst die Charakterisierung der Figuren. Chris ist zigfacher Mörder, Ehebrecher, und in seinem Handeln eigentlich auch sonst ein ziemliches Arschloch. Und doch werden sich viele Leser mit ihm identifizieren und ihn leicht schaudernd, ja, doch, sympathisch finden. Denn eigentlich, so suggeriert Morgan geschickt, eigentlich ist er auch ein ganz normaler, patenter Bursche. Er hat immer mal wieder Skrupel, und zumindest zu Beginn seiner beruflichen Karriere auch eine gerechte Motivation (sein erstes Duell-Opfer hatte einst die Familie in Armut gestürzt). Außerdem liebt er seine Carla, doch es sind halt die Lebensentwürfe, die nicht mehr zueinander passen.

Auch heute gibt es eine Reihe Leute, die sich in hoch bezahlten Dienstleistungsberufen (größere Rechtsanwaltsfirmen, Consulting, Investmentbanking) mit überlangen Arbeitstagen und heftigster Konkurrenz herumschlagen. Und auch sie verlieren oft genug die Bodenhaftung, trennen sich von Herkunft und Familie, leben in einer teuren Parallelwelt mit merkwürdig exzessiven Ritualen (habe in der Richtung selbst schon einiges erlebt). Morgan dreht die Schraube hier nur ein ganz klein wenig weiter – und Chris bleibt äußerst glaubwürdig.

Das gilt auch für seine langsam verzweifelnde Frau Clara, den ach so skrupellosen und doch verunsicherten und heillos verliebten Mike, die eiskalten und doch sentimentalen Chefs, und und. Durchgängig sauber gezeichnetes Personal bevölkert „Profit“.

Doch es gibt noch mehr zu loben. Kommen wir endlich zur wesentlichen Stärke des Buchs, und zur größten Stärke des Richard K. Morgan: Hier gibt es ACTION Writing! In den reichlich vorhandenen schnellen Gewaltszenen, besonders bei der Schilderung der Duelle, ist es absolut unmöglich, das Buch auch nur einen Moment zur Seite zu legen. Ich ertappe mich dabei, die Zähne zusammenzubeißen, die Luft anzuhalten. Beobachte, wie Muskelanspannung und Blutdruck steigen. Wahnsinn. Morgan bekommt beinharte und absolut umwerfende Actionszenen hin, die sich auch noch bis zu ihren jeweiligen Höhepunkten permanent steigern. Großer Applaus dafür, „Profit“ schlägt so ziemlich jeden Actionfilm in der schieren Präsenz und Kraft der Gewaltszenen. Kein Wunder, dass Hollywood da Interesse zeigt.

Schnell, hart, direkt, mitreißend, toll. Natürlich sollte schon eine gewisse Bereitschaft vorhanden sein, sich auf so etwas einzulassen, doch Morgan kann hier auf ganzer Linie überzeugen. Die Gewalt ist nicht ganz so überblutig wie bei den SF-Reißern um Takeshi Kovacs, doch sie unterhält wie eine gute Achterbahnfahrt.

_Und damit zum Urteil:_

„Profit“ bietet eine trotz leichter Logikmängel ordentliche und halbwegs plausible Story, schön zur Katharsis strebend. Es gibt glaubwürdige und gut gezeichnete Charaktere. Dazu atemlos machende Actionszenen, reichlich davon. In der Summe ein höchst spannender und unterhaltsamer Roman zur nahen Zukunft, der sogar bei mehreren Szenen zum wiederholten Lesen animiert. Sicher ist er eher für eine männliche Kundschaft geschrieben, doch die sollen ja durchaus auch mal was lesen … Richard K. Morgan hat den Erfolg verdient, und auch diese Empfehlung. Wenn er so weitermacht, ist er nicht mehr aufzuhalten. Kaufen!!!

http://www.richardkmorgan.co.uk/

|Originaltitel: Market Forces
Aus dem Englischen von Karsten Singelmann
Taschenbuch, 576 Seiten
ISBN-10: 3-453-52202-8
Paperback, 576 Seiten (April 2005)
ISBN-10: 3-453-40051-8 |

Herbert, Frank – Wüstenplanet, Der (Dune 1)

Der Wüstenplanet, Dune, Arrakis … viele Namen trägt der Planet, der zum Synonym für einen mehrere Tausend Seiten umfassenden Zyklus und ein Universum, das unzählige Leser beflügelte, wurde. Mit „Dune“ gelangte Frank Herbert zu Weltruhm. Längst nicht so bekannt wie der namensgebende erste Teil des Zyklus sind die übrigen fünf Bände.

|Der junge Paul Atreides reist mit seiner Familie nach Arrakis, um dort das Lehen des Imperators in Besitz zu nehmen. Doch seine Familie wird Opfer einer Verschwörung und er muss in die Wüste fliehen. Dort trifft er auf die Fremen, die Ureinwohner von Dune. Mit ihrer Hilfe gelingt es ihm, seine Familie zu rächen und die Kontrolle über Arrakis und damit über das bekannte Universum an sich zu reißen.|

Herbert lässt vor dem Auge des Lesers ein komplexe Gesellschaft erstehen, die unzählige Systeme umfasst. Ein vielschichtiges Geflecht herrschender Häuser, im ewigen Streit um die Macht untereinander und gegen die verschiedenen Geheimgesellschaften, Technokraten und die allgegenwärtige Gilde. Und inmitten dieser Gesellschaft befindet sich der Planet Arrakis. Der einzige Fundort der Wunderdroge, die einfach nur Gewürz genannt wird. Die lebensverlängernde Substanz, ohne die die Navigatoren der Gilde nicht durch den Warp navigieren können, machen Arrakis zum wichtigsten Planeten der Galaxis.

Obwohl „Dune“ natürlich zur klassischen SF-Literatur zählt, so zeigen sich bei genauerem Hinsehen doch viele Unterschiede. Auffällig für einen SF-Roman, aber eigentlich für den Zyklus nicht offensichtlich entscheidend, ist das Verbot aller sogenannter Denkmaschinen. Nachdem [Butlers Djihad 827 in fernster Vergangenheit durch die Galaxis fegte und alle Denkmaschinen vernichtet wurden, sind alle künstlichen Intelligenzen oder Forschungen in diese Richtung verboten. Die Antwort auf diesen Umstand besteht in der Ausbildung von Menschen mit besonderen psychischen Kräften. Ein Beispiel sind die Mentaten. Menschliche Computer, die mit Hilfe bestimmter Drogen komplexe Problemstellungen innerhalb kürzester Zeit zu lösen imstande sind.

Doch auch andere Dinge unterscheiden Herberts Werk von vielem, was andere SF-Autoren hervorgebracht haben. Herbert betreibt keine Extrapolation bestehender Trends oder Projektion irdischer Probleme in eine andere Welt. „Der Wüstenplanet“ ist vielleicht in dieser Hinsicht noch am ehesten verdaulich. Stellt er doch für den SF Fan noch am ehesten vertrautes Terrain dar. Ein Held in einer Extremsituation, der allen Widerständen zum Trotz das Unmögliche schafft. Manche haben Herbert die Fortsetzung seiner Geschichte übel genommen, doch dabei übersehen sie, dass Herbert den Wüstenplaneten nie als allein stehenden SF-Roman angelegt hatte.

In den folgenden Bänden führt Herbert mehr und mehr aus, was er (trotz des Umfangs) in „Dune“ nur andeuten konnte. Nach dem Tode des Propheten schwingt sein Sohn sich zum Gottkaiser auf. Längst nicht mehr in menschlicher Gestalt, regiert Leto II. für Jahrtausende sein Reich. Spätestens mit mit dem Tod des Gottkaisers wendet sich Herbert endgültig von zentralen Hauptpersonen ab. Zwar überleben frühe Hauptdarsteller als Klone und genetische Replikate über Jahrtausende, aber zunehmend werden sie zu Marionetten in einem Spiel der Mächte, in dem längst die Spieler die Kontrolle über ihr Spiel verloren haben.

Herbert fächert seine Geschichte in unzählige Facetten auf. Jahrtausende vergehen, ganze Planeten wandeln ihr Angesicht. Die Menschheit stürzt ins Chaos und erhebt sich wieder daraus. Manch einer verliert wohl irgendwo den Faden und wird von Herberts Vision erdrückt. So wird es für viele immer schwieriger, dem Autor zu folgen und die Ideen zu begreifen, die hier so umfangreich niedergelegt wurden. Anders als zum Beispiel bei der bekannten SF-Serie „Perry Rhodan“, ändern sich die Protagonisten dramatisch. Herbert beschreibt nicht die Abenteuer einer Person, Gruppe oder auch nur einer Gesellschaft. Nein, hier wird der totale Wandel gesellschaftlicher Strukturen über Jahrtausende und den bekannten Raum hinweg beschrieben. So ist Herberts eigentliche Hauptperson auch kein Mensch, sondern vielmehr die gesamte Menschheit in ihrer komplexen Struktur.

Sicher trifft dies nicht gerade den Geschmack der meisten SF-Fans. Wer in jungen Jahren zum ersten Mal den Wüstenplaneten liest, wird vermutlich irgendwo zwischen dem zweiten und dem fünften Band entnervt aufgeben. Wer dennoch bereit ist, sich darauf einzulassen, wird in dem gewaltigen Epos mehr finden als in jedem anderen SF-Roman. Vielleicht ist das der Grund, warum sich der Wüstenplanet auch Jahrzehnte nach seinem Erscheinen noch immer solcher Beliebtheit erfreut. Die Tiefe, die Herbert in seinen Romanen erreicht, wurde auf dem Gebiet der Phantastik nur noch von sehr Wenigen, wie zum Beispiel Tolkien, erreicht. Wer aber bereit ist, sich gefangen nehmen zu lassen von den Visionen des Autors, kann sich wohl völlig in der Welt von Dune verlieren.

Für alle, die nicht ganz so weit gehen wollen, sich aber trotzdem gerne zwischen MAFEA, Tleilaxu, Mentaten und Bene Gesserit bewegen möchten, sei eine kleine Empfehlung ausgesprochen. Es erscheinen im gleichen Verlag weitere Bücher aus der Welt von Dune. Herberts Sohn Brian hat zusammen mit dem rennomierten SF-Autor Kevin J. Anderson drei weitere Bände geschrieben. Keine Fortsetzungen des Zyklus, sondern vielmehr seine Vorgeschichte. Hier dreht es sich wieder um Intrigen und Machtkämpfe zwischen Häusern und Personen. Der Leser bewegt sich also auf sicherem Boden, kann aber trotzdem versichert sein, in den vollen Genus des „Dune-Feelings“ zu kommen. Neben den „frühen Chroniken“ gibt es vom gleichen Autorenpaar auch die Vorgeschichte zur Vorgeschichte, „Die Legende“, in drei Bänden.

_Johannes Heck_
|Diese Rezension wurde mit freundlicher Genehmigung unseres Partnermagazins [buchrezicenter.de]http://www.buchrezicenter.de/ veröffentlicht.|

Clou, Dimitri – Im Zeichen des Ypsilon

Jugendbücher dürfen auch von Erwachsenen gelesen werden! Warum auch nicht, schließlich hat die ältere Generation ebenfalls einen Anspruch darauf, spannende Abenteuergeschichten goutieren zu dürfen, auch nach Verstreichen der eigenen Jugendzeit. Umso mehr, wenn es sich um ein Buch wie „Im Zeichen des Ypsilon“ handelt, in dem Dimitri Clou in einer wirklich bewegenden, wenngleich auch zunächst seltsam anmutenden Story verschiedene Einzelschicksale schildert, in die man sich auch als erwachsener Leser sehr gut hineinversetzen kann. Dabei verfolgt Clou bisweilen auch recht philosophische Ansätze und eröffnet unzählige Möglichkeiten, und das so lange, bis man sich schließlich selbst in der Gedankenwelt des Schriftstellers verloren hat und sich schließlich bei der so elementaren Frage nach dem Sinn des Lebens wiederfindet – und das auf eine Art und Weise, die wirklich jede Generation bewegt. Und damit habe ich einen Teil der Schlusszeilen bereits vorweggenommen …

_Der Autor:_

Dimitri Clou, 1959 in Aldenhoven geboren, studierte Philosophie, Germanistik und politische Wissenschaften und arbeitete nebenbei als Taxiunternehmer. Nach Abschluss seines Studiums führte er ein Globetrotterdasein in einem Rallyesport-Team, das den Weltmeistertitel erringen konnte. Seiner Familie zuliebe gab er sein Nomadenleben auf und gründete in Köln eine Kinderzeitschrift. 1992 wechselte er in die Fernsehbranche und arbeitete viele Jahre als Redakteur und Regisseur, Drehbuchautor und Produzent. Seit einigen Jahren ist er mit seiner eigenen Produktionsfirma selbstständig und wohnt mit seiner Familie in der Nähe von Köln. Zu seinen bisherigen Romanen gehört unter anderem „Das Quiz des Teufels“.

_Die Geschichte:_

Seit der Sache mit Coco hat sich der junge Finn Hasselblatt auf die Dächer und Dachböden der Stadt zurückgezogen, wo er seine Geheimnisse von der übrigen Welt am leichtesten fern halten kann. Damals gehörte er unter seinem Spitznamen „Silber“ einer Graffiti-Sprayer-Bande an und genoss unter den Freunden der Nacht einen fast schon legendären Ruf. Doch dann ist sein bester Freund auf tragische Weise ums Leben gekommen, woraufhin Finn sich vollkommen aus dem realen Leben entfernt hat und nun ein einsames aber auch sicheres Leben führt.

Eines Tages macht Finn jedoch eine seltsame Begegnung. Ein junges Mädchen wirft ihm eine versiegelte Flasche zu, erzählt ihm kurz von ihrem Schicksal und verschwindet alsbald wieder von der Bildfläche. Das Mädchen wurde von den geheimen Doktoren verfolgt, und als diese Wind davon bekommen, wo ihre Flasche hingekommen ist, ist Finn sie auch schon wieder los. Das Teil gerät schließlich in die Hände von Konstantin York, dem Leiter der nebulösen Kummerschule. Unerwartet geschehen weitere seltsame Dinge. Ein halb erfrorener Junge, der seinen Namen nicht mehr kennt, taucht aus dem Nichts auf, das Mädchem, das Finn auf dem Dach kennen gelernt hat, lässt sich mit York ein, und Finn besinnt sich irgendwann wieder seiner Vergangenheit und wird erneut unter dem Namen „Silber“ aktiv. Und über all dem thront ein rätselhaftes Amulett in der Form eines Ypsilon …

_Bewertung:_

Es dauert eine ganze Weile, bis man sich mit der Art und Weise, wie Clou die Charaktere vorstellt, vertraut gemacht hat. Mehr als die Hälfte der Zeit verwendet der Autor darauf, Rätsel aufzugeben, verschiedene Stränge miteinander zu verweben und noch mehr Rätsel aufzuwerfen. Damit einher geht allerdings auch die Gefahr, dass man irgendwann all die Details nicht mehr überblickt und anschließend beim Zusammensetzen des Puzzles so seine Probleme bekommt. Hinzu kommt der hohe philosophische Anteil, der hier die Basis für die eigentliche Handlung ist. In „Im Zeichen des Ypsilon“ geht es daher zum größten Teil darum, (lebens)wichtige Entscheidungen zu treffen, diese zu akzeptieren, ihre Folgen in Kauf zu nehmen und zugleich gar nicht weiter über eventuelle Alternativen nachzudenken. Dieses Leimotiv zieht sich quasi durch den gesamten Roman und ist eingepackt in eine abenteuerliche, spannende und teils sehr dramatische Geschichte, deren Charaktere keine echten Helden sondern sinnbildlich Menschen wie du und ich sind.

Schade ist eigentlich nur, dass es Clou zu Beginn ein wenig an Struktur fehlt, so stiftet er auf den ersten hundert Seiten einiges an Verwirrung. Welche Rolle spielt die Vergangenheit jetzt tatsächlich, wo es doch darum geht, zukunftsträchtige Entscheidungen zu treffen? Warum verfolgt Clou so manchen Ansatz nicht bis zum Ende, führt immer mehr Möglichkeiten kurz an, lässt sie aber im Endeffekt als sinnlos erscheinen? Und wieso verliert sich der Autor besonders am Ende in plakativen Metaphern und stellt so viele Dinge in Frage? Im Grunde genommen: Warum lässt er die Handlung nicht für sich sprechen und den philosophischen Teil in einem gesunden Maße daran teilhaben?

Das ist genau der Punkt, warum „Im Zeichen des Ypsilon“ ein wahrlich lesenswertes, aber in letzter Konsequenz nicht fabelhaftes Buch geworden ist. Clou stiftet manchmal einfach zu viel Chaos und misst gewissen Theorien und Metaphern zu viel Bedeutung bei – gerade für die junge Leserschaft. Dabei hat er doch wirklich sehr ausführlich die einzelnen Charaktere wunderbar eingeführt und der Geschichte Möglichkeiten gegeben, die man über mindestens die doppelte Seitenzahl sich hätte entwickeln lassen können. Hier verliert Dimitri Clou sich indes aber leider in seiner literarischen Genialität und behält am Ende nicht mehr den Blick fürs Wesentliche.

Der Autor beschreibt die verschiedenen Möglichkeiten seiner Charaktere und wirft immer wieder die Frage nach Entscheidungen auf – nur selber kommt er nicht immer auf den Punkt, drückt sich also quasi selbst um eine Entscheidung und widerlegt, wenn man so will, seine eigene These.

Dennoch, „Im Zeichen des Ypsilon“ ist ein verdammt interessantes und trotz der genannten Mängel richtig tolles Buch mit Tiefgang, dessen inhaltliche Ansätze Jung und Alt begeistern sollten. Bedingung dafür ist jedoch ein gewisses philosophisches Interesse, denn ohne dieses wird man schnell am erhöhten unterschwelligen Anspruch des Buches scheitern. Aber wenn man weiß, was man will, dann ist man hier definitiv an der richtigen Adresse!

Andreas Eschbach – Die Rückkehr (Perry-Rhodan-Roman 2295)

In der unfassbar großen Science-Fiction-Serie „Perry Rhodan“ erscheint wöchentlich ein neuer Heftroman, in dem die Handlung linear fort gesetzt wird. So erscheint es als unmöglich, in einer einzelnen Besprechung von genau einem Roman aus mittlerweile 2295 einen umfassenden Blick auf die Serie zu bieten, ohne den Rahmen dieser Rezension zu sprengen. Dieses Vorwort ist für regelmäßige Leser der Serie uninteressant, soll jedoch allen interessierten Lesern einen groben Abriss des Geschehens liefern.

_Perry Rhodan_

Perry Rhodan startete im Jahre 1971 zur ersten Mondlandung, traf dort auf Außerirdische und erhielt im Laufe seines Lebens die Unsterblichkeit. Dadurch lebt er jetzt schon seit etwa viertausend Jahren, in denen er die Menschheit zu den Sternen führte und ihr als Berater, Staatsoberhaupt und Mentor aus vielerlei Schwierigkeiten und Bedrohungen half. Im aktuellen Geschehen wird ein Großteil der Menschheit (nämlich die Bevölkerung der Erde und des Sonnensystems) von einer geistigen Macht geknechtet, Perry Rhodan und seine Mitstreiter sind weitgehend hilflos. Trotzdem gibt es natürlich Hoffnung, obwohl die Geistesmacht gerade mit überlegenen Waffen beginnt, die Sonne zu einer künstlichen Nova zu machen.

_Abriss_

Andreas Eschbach schildert in seinem zweiten Gastroman der Serie, wie Perry Rhodan der Gefahr begegnet und welche Gefühle in diesem Krieg, der tausenden Menschen das Leben kostet, die Soldaten, Zivilisten und Kommandierenden erfüllen.

Gegen die gigantischen gegnerischen Raumschiffe sind alle klassischen menschlichen Waffen machtlos, allein eine spezielle Waffe erzielt eine sichtbare Wirkung. Leider befindet sich die wichtigste Produktionsstätte, der irdische Mond, in der Hand des Gegners. Um sie wieder in Besitz nehmen zu können, müsste Perry Rhodan den Gegner im Sonnensystem besiegen, was aber ohne die neue Waffe aussichtslos erscheint. Ein Teufelskreis, den zu durchbrechen sich Eschbach mit dem Roman vornimmt.

_Andreas Eschbach_ wurde in Ulm geboren, lebt und arbeitet mittlerweile in der französischen Bretagne, nachdem er in Stuttgart vom EDV-Spezialisten zum Romanautor wurde. Seine Romane [„Die Haarteppichknüpfer“ 1556 und „Solarstation“ katapultierten ihn in die Herzen der Leser, bislang hat er zahlreiche Thriller, SF-Romane und Jugendbücher sowie einige Kurzgeschichten veröffentlicht. Im September 2005 erscheint sein neuer Thriller „Der Nobelpreis“, mit dem er keinesfalls vorhat, eben diesen zu gewinnen.
Weitere Infos: http://www.andreaseschbach.de

_“Schundheftchen“_

Vielleicht verwundert es den einen oder anderen, wenn er zufällig und völlig unbeabsichtigt im Zeitschriftenhandel zwischen den sogenannten „Schundheftchen“ eines entdeckt, das vom Konterfei des Autors Eschbach geziert wird. Vielleicht greift der eine oder andere von diesen zufälligen Entdeckern nach diesem Heftchen, denn wozu sich ein Eschbach herablässt, düfte doch wohl nicht sooo schlecht sein. Nun ja, und wenn der oder die Entdecker/in nun tatsächlich zufällig hier war und den Roman unbeachtet der großen laufenden Nummer wegen Eschbachs Namen kauft, wird er oder sie vielleicht ein wenig enttäuscht sein. Denn wie oben kurz dargestellt, handelt es sich hier um einen winzigen Baustein an einer gigantischen Serie, ähnlich einer Folge „GZSZ“ oder dergleichen.

Nichtsdestotrotz ist es ein Eschbach.

Für die Stammleser der Serie dürfte der Roman ein Highlight werden, wenn er es nicht schon ist. Dabei kommt er gar nicht mal so aufschneiderisch daher, sondern bis auf den Sondervermerk auf dem Cover, dass es sich um einen Roman von Bestsellerautor Eschbach handelt, ganz normal aufgemacht wie die anderen Hefte auch. Was ihn von ihnen unterscheidet, ist natürlich der Stil. Klar, denn jeder Schriftsteller hat seinen eigenen. Mancher Stammleser fordert vielleicht nach regelmäßigen Romanen von Eschbach in der Serie. Wäre das wirklich gut? Möglicherweise heben sich Gastromane gerade durch ihren Status als Gastroman (d. h. der Autor schreibt nicht regelmäßig seine Beiträge) von den anderen ab, die wöchentlich auf dem Tisch des Redakteurs liegen müssen und deren Autoren vielleicht irgendwann in eine bestimmte Routine verfallen. Will man das auch mit Eschbach machen, einem der kreativsten Phantastikautoren Deutschlands der heutigen Zeit?

_Fazit_

Genießt man dagegen seine anderen Werke und vielleicht hin und wieder einen (für Outsider) überraschenden und (für Serienleser) erfrischenden Wurf in der größten SF-Serie der Welt, gewinnen sicherlich alle Seiten.

Nochmal zurück zum Roman „Die Rückkehr“: Er bietet neben guter Unterhaltung ein Bruchstück der Serie aus einem anderen Blickwinkel und bringt hoffentlich das eine oder andere winzige Detail ein, das einen Serienschreiber wachrütteln und zu neuer Größe auflaufen lassen kann – ein frischer Wind.

http://www.perry-rhodan.net/

Green, Simon R. – Dunkle Fort, Das. Ein Dämonen-Roman

Simon R. Green kennen manche vielleicht noch von seinem erfolgreichen Roman „Das Regenbogen-Schwert“. Dort fiel der Amerikaner bereits durch seine Mischung aus skurriler Erzählweise und düsterer Fantasy auf und verband damit Elemente von Terry Pratchet bis hin zu den ‚handelsüblichen‘ Fantasy-Autoren dieser Zeit. Green zeichnete sich vor allem dadurch aus, in kürzester Zeit einen simplen und doch sehr spannenden Plot aufzubauen, also quasi sehr schnell auf den Höhepunkt hinzuarbeiten. Wo andere mindestens eine Trilogie brauchen, um eine eigene Welt entstehen zu lassen, legt Green ein ungeheures Erzähltempo vor, das aber sicher auch aus langjähriger Erfahrung mit dieser Materie herrührt, denn direkt nach seinem Studium in Englisch und Literatur widmete sich Green nach einer kurzen Zeit als Buchhändler phantastischen Themen und begann selber Bücher zu schreiben.

Sein aktuelles Werk heißt „Das dunkle Fort“ und wird erneut von einer sehr düsteren Atmosphäre untermalt. Leider jedoch fehlt es der Handlung an etwas Besonderem. Dieses Mal ist Green nämlich einen Schritt zu weit gegangen und hat sich eindeutig zu wenig Zeit gelassen, um der Geschichte eine Entwicklung zu ermöglichen. Detailbeschreibungen bleiben fast vollständig außenvor, was ja nicht dringend schlecht sein muss, hier aber doch sehr negativ auffällt, weil einzelne Szenarien einfach zu abgehackt beschrieben werden. Dabei hätte die Story an sich eine Menge Potenzial gehabt …

_Story:_

Nach den Dämonenkriegen herrschen an der Grenze zwischen Hagreich und Grundland weiterhin Spannungen. Eines Tages wäre es dem Herzog von Grundland beinahe gelungen, den Streit um die benachbarte Region ganz für sich zu entscheiden, woraufhin die Leute aus dem Hagreich ein Grenzfort erbaut haben. Das Ergebnis: Keine Gefechte mehr im Grenzland. Irgendwie hat das Fort die Gegner abgeschreckt, und in der Gegend ist seitdem auch wieder Ruhe eingekehrt. Doch zu lange hat man aus dem Fort nichts mehr gehört. Ranger Duncan MacNeill und seine Truppe gehen der Sache schließlich auf den Grund und wollen herausfinden, was sich genau im Fort abspielt. Die Gruppe findet das Gebäude völlig verlassen vor, und alles deutet auf ein schreckliches Verbrechen hin. Doch mithilfe der Hexe Constance finden sie heraus, dass unter dem Fort etwas Unvorstellbares lauert. Und als auch noch Gesetzlose in das Gebäude eindringen, um einen angeblichen Goldschatz zu bergen, schlagen die Mächte der Finsternis zu, und die Ranger müssen sich aus der Not heraus mit den Verbrechern verbünden. Einer nach dem anderen fällt den Angriffen der untoten Monster und Trolle zum Opfer, bis Duncan sich schließlich selbst dem finstersten aller Dämonen stellen muss …

Wie bereits angedeutet, hat der Plot an sich eine ganze Menge Potenzial: ein verlassenes, mysteriöses Gebäude, Spuren aus vergangenen Kriegen, eine Zweckgemeinschaft, die sich nicht ganz geheuer ist, und natürlich der Kampf gegen fremde Dämonen. All dies hätte sich wunderbar zu einem packenden Fantasy-Roman verarbeiten lassen. Doch Simon Green ist es nur partiell gelungen, die Geschichte auch wirklich fesselnd zu erzählen. Gerade zu Beginn verpasst der Autor es, die Leserschaft an das Buch zu binden und wirkliches Interesse für die Geschichte zu wecken. Man hat bereits ein Drittel des Buches gelesen, ist auch schon einigermaßen mit den Rahmenbedingungen vertraut, vermisst aber weiterhin die Spannung. Das liegt einerseits an Greens schlichter Schreibweise, andererseits aber auch an den abgehackten Beschreibungen, die nun wirklich gar keinen Freiraum für detaillierte Darstellungen lassen. Man weiß zwar, was passiert und warum es passiert, wird aber nicht in die Lage versetzt, die Geschichte selber so richtig mitzuerleben.

Für mich bedeutet das Lesen eines solchen Romans auch immer, ein stückweit selber Teil der Geschichte zu werden, und dieses Gefühl kann mir Green in „Das dunkle Fort“ nur relativ selten und selbst dann nur bedingt geben. Die Art und Weise, wie er an das Unterfangen herangeht, ist dabei aber auch nicht besonders günstig gewählt. Einzelne Gewaltszenen gehen zwar ein bisschen unter die Haut, verblassen aber schließlich auch wieder als Effekte, die das Buch gar nicht braucht. Von der Geschichte um die Gefährten, die sich früh für den einzig wahren Zweck zusammenraufen, will ich jetzt gar nicht erst anfangen …

Green verlässt sich zu sehr auf bekannte Stilelementen, und sobald er eigene Elemente einbringt (siehe Schreibstil), folgt darauf direkt eine Bauchlandung, weil eben Langeweile aufkommt. Die Tatsache also, dass der Autor schnell auf den Punkt kommt, muss eben nicht immer von Vorteil sein, und in diesem Fall ist sie es auch ganz klar nicht. „Das dunkle Fort“ ist daher auch bestenfalls nur ein durchschnittlicher Roman mit einzelnen wenigen Höhepunkten, einer insgesamt aber zu durchschaubaren und selten bewegenden Story. Schade um die Möglichkeiten, die sich hier geboten hätten.

Baxter, Stephen – Sternenkinder (Kinder des Schicksals 2)

Stephen Baxter (* 1957) wird heute oft als der moderne Asimov oder Heinlein gefeiert, bekannt wurde er für seine ideenreichen Science-Fiction-Romane, in denen er mit seinem fundierten naturwissenschaftlichen Hintergrundwissen glänzen kann. Er studierte in Cambridge Mathematik, ist Doktor der Ingenieurswissenschaften und lehrte einige Jahre Mathematik, Physik und Informatik, bevor er 1991 seinen ersten Roman „Das Floß“ (The Raft) veröffentlichte. Baxter arbeitet seit 1995 hauptberuflich als Autor und wurde seitdem mit zahlreichen renommierten SciFi-Preisen wie dem |Philip K. Dick Award| und dem deutschen Kurd-Laßwitz-Preis ausgezeichnet. Er ist außerdem Vize-Präsident der |British Science Fiction Association| (BSFA).

„Sternenkinder“ (Exultant) ist der zweite Band der Serie „Kinder des Schicksals“, die mit dem Band [Der Orden 1040 begann. Spielte dieser Roman noch in Vergangenheit und Gegenwart, ein eigentümlicher Mix aus Science-Fiction und historischem Roman, springt Baxter mit „Sternenkinder“ um rund 25.000 Jahre in die Zukunft – und in das „Xeelee“-Universum, in denen seine ersten Romane spielten. Kamen Fans von Science-Fiction und Action im Vorgänger erst spät oder gar nicht auf ihre Kosten, ist „Sternenkinder“ eine reinrassige, allerdings tief schürfende Space-Opera und beginnt mit einer Raumschlacht – aber Baxter wäre nicht Baxter, wenn er sich darauf beschränken würde. Die Ursprünge der mysteriösen Xeelee und des Universums selbst nimmt er in „Sternenkinder“ unter die Lupe.

|Heldentum ist antidoktrinell|

Bereits 20.000 Jahre währt die dritte Expansion der Menschheit. Man hat nicht nur die Besatzung der Erde durch die außerirdischen Qax überstanden, sondern nach dem Sieg über die Rasse der „Silbergeister“ im Oriongürtel keinem wirklichen Gegner mehr gegenübergestanden und zahllose Alien-Zivilisationen assimiliert und ausgerottet.

Sogar die Xeelee, den seit mittlerweile mehr als dreitausend Jahren bekämpften Erbfeind der Menschheit, hat man durch schiere Masse in den galaktischen Kern zurückgedrängt.

Doch nun stockt die Expansion der Menschheit. Ein Zermürbungskrieg tobt im galaktischen Zentrum, bei dem die Xeelee technologische Vorteile besitzen – ihre Raumschiffe sind in jeder Beziehung irdischen überlegen. Das tödliche Patt, welches das Blatt aller Voraussicht nach langsam, aber sicher zugunsten der Xeelee wendet, besteht nun schon seit drei Jahrtausenden. Denn beide Seiten können auf das so genannte Überlicht-Vorherwissen zurückgreifen. Überlichtschnelle Raumschiffe sind zugleich quasi Zeitmaschinen. So können die Überlebenden einer fatalen Schlacht in der Zukunft eine Nachricht in die Vergangenheit senden – und die Schlacht wird nie oder unter anderen Voraussetzungen stattfinden.

In einer solchen Situation ist es die Pflicht eines Piloten, eine Nachrichtenbake in die Vergangenheit zu senden und kämpfend unterzugehen. Doch der Pilot Pirius, ein Kindersoldaten-Veteran, der immerhin schon sagenhafte fünf Einsätze überlebt hat, stellt sich dem Gefecht mit einem überlegenen Nachtjäger der Xeelee, pfeift auf die militärische Doktrin und lockt ihn in eine Falle. Nicht nur überleben er und seine Crew, er schafft es sogar, einen Nachtjäger der Xeelee zu kapern! Doch bei der Rückkehr zu seiner Basis, um von der verlorenen Schlacht zu berichten, macht man ihm und seinem jüngeren Ich den Prozess … denn offenkundig hat Pirius sowohl gegen Befehle als auch die Doktrin verstoßen. Beide werden bestraft. Der ältere Pirius Blau wird zu einem Strafbataillon der Bodentruppen nahe der Xeelee-Front versetzt, der jüngere Pirius Rot wird milder bestraft für eine Tat, die in einer nun nicht mehr existenten Zeitlinie von ihm begangen worden wäre.

Er wird seinem Verteidiger, Kommissar Nilis, zugeteilt. Dieser hat ihn sich zur besonderen Verwendung ausgeliehen: Die Taktiken, die Pirius im Kampf gegen den Nachtjäger angewandt hat, und der erbeutete Nachtjäger selbst stellen für Nilis den Schlüssel zum Sieg über die Xeelee dar. Für Pirius Rot ist dies ein ungeheuerlicher Schock, denn den Sieg sah er bisher nur als etwas an, das in weiter Zukunft kommenden Generationen vorbehalten ist. In der verknöcherten und erstarrten menschlichen Gesellschaft ist Nilis einer der wenigen Träumer und Freidenker, die sich gegen gegen uralte Doktrinen erfolgreich auflehnen und nach neuen Wegen suchen.

Er zwingt Pirius Rot, über sich selbst hinauszuwachsen, Führungsqualitäten zu entwickeln, die ihm sein gesamtes kurzes Kindersoldatenleben lang (der jüngere Pirius ist 17, der ältere auch nur 19 Jahre alt) eingebläute Konditionierung und Doktrin zu hinterfragen, kreativ zu denken. Pirius Rot ist auch einer der wenigen im galaktischen Kern aufgewachsenen Kindersoldaten, der die Erde und das Leben auf ihr mit eigenen Augen sehen wird. Doch alleine damit ist es nicht getan: Von niederster bis höchster Ebene steht ihnen eine Jahrtausende lang gewachsene Stagnation in Politik, Militär, Forschung, Bürokratie und auf allen anderen nur denkbaren Gebieten im Weg.

|Ein kurzes Leben brennt hell|

Man würde dem Buch Unrecht tun, wenn man es auf die Probleme der menschlichen Gesellschaft und den Krieg reduzierte. Stephen Baxter hat zahllose Ideen und Konzepte in diesen Roman gepackt, so dass Abwechslung garantiert ist.

Zu Beginn wird oft zwischen Pirius Rot und Pirius Blau hin und her geblendet. Während Pirius Rot erkennt, wie luxuriös die Menschen auf der Erde verglichen mit den in Tanks gezüchteten Kindersoldaten im galaktischen Zentrum leben, die nur den Krieg gegen die Xeelee kennen, erfährt Pirius Blau, dass es noch eine Existenzstufe unter seiner gibt: Auf dem Planetoiden des Infanterie-Strafbataillons sieht er, wie viel weniger die zum „Graben und Sterben“ ausgebildeten Infanteristen vom Leben haben.

Nebenher wird die Entstehung des Quasi-Stillstands menschlicher Entwicklung und der Druz-Doktrin erklärt: Die Qax haben nach einem Aufstand von „Wigners Freunden“, einer Sekte, deren Glaube auf Erkenntnisse des Physikers Eugene Paul Wigner zurückgeht, bewusst alle historischen Bauten der Menschheit, inklusive der Städte und weiter Teile der Natur, vernichtet. Sogar die Nahrungsmittelherstellung wurde auf Nanobot-Technologien der Qax umgestellt. Die Vergangenheit der Menschheit scheint somit weitgehend ausgelöscht.

In dieser Zeit gelang es Hama Druz, seine legendären Doktrinen zu formulieren, die der Menschheit den Sieg und eine beispielose Expansion über die ganze Galaxis ermöglichten. In ihnen zählen das |Jetzt| und das Allgemeinwohl, nicht was war oder sein wird, Opferbereitschaft und strikte Befolgung von Befehlen. Die ganze Menschheit wurde auf Krieg und Überlebenskampf ausgerichtet.

Nach dem verlustreichen Sieg über die Qax und als letzter großer Hürde über die „Silbergeister“ im Oriongürtel konnte nichts den Aufstieg der Menschheit stoppen, man rottete gnadenlos alle Alien-Zivilisationen aus oder assimilierte sie mitsamt ihrer Technologien. Hier stellt Baxter einen Bezug zu seinem Roman „Der Orden“ her. Denn die radikalen Methoden der Assimilation und Auslöschung ähneln stark dem Verhalten sich bekämpfender Schwarmgesellschaften. Im gleichen Maß gingen der Menschheit aber Individualität und Kreativität verloren: Man verliert in Jahrhunderten mehr Menschen als jemals auf der Erde insgesamt gelebt haben, aber der Fortschritt, den man früher in Jahrzehnten erzielte, ist mittlerweile in ähnlichem Maß verlangsamt. Auch gibt es eklatante Technologieunterschiede zwischen den menschlichen Siedlungsgebieten, auf der Erde und im Zentrum herrscht Hochtechnologie, auf entlegenen, technologisch rückständigen Schlachtfeldern früherer Zeiten bilden sich immer öfter Koaleszenzen, Schwarmgesellschaften, heraus, die der Druz-Doktrin einer reinen, geeinten Menschheit widersprechen und erbarmungslos bekämpft werden.

Interessant sind die geduldeten Ausnahmen, die es laut Doktrin nicht geben dürfte: Das hochspezialisierte Archiv der Menschheit im Olympus Mons auf dem Mars wird von einer menschlichen Koaleszenz bevölkert – für solche Zwecke eignen sie sich einfach hervorragend, wie man dem entsetzten Pirius versichert. Dass man für die Entwicklung der Waffe gegen die Xeelee allerdings auch auf die hyperphysikalischen Fähigkeiten nachgezüchteter Silbergeister setzt, die in einer Kolonie auf dem Pluto leben, setzt dem Ganzen die Krone auf. Im weiteren Projektverlauf wird man zur Bedienung derselben gar einen Silbergeist-Ingenieur benötigen, die nach eigenen Angaben nur Kopien der ausgerotteten Geister sind, von Menschen geschaffen … Pirius bleibt dennoch misstrauisch.

Religion ist auch ein Aspekt der menschlichen Gesellschaft, den es laut der Druz-Doktrin nicht geben sollte. Doch die Kindersoldaten finden Trost in einer, wie man im Verlaufe des Buchs herausfinden wird, an quantenphysikalische Beobachtungen („Jeder bestimmte Zustand wird durch einen Beobachter bestimmt“) angelehnten Philosophie, die sich gerade in einer Gesellschaft, in der ständig Besucher und Nachrichten aus der Zukunft zurückkehren und Zeitlinien sich laufend verändern, blühen kann: „Wigners Freunde“ glauben an „die letzte Beobachterin“, die am Ende aller Zeiten steht und die Macht besitzt, sämtliche Ereignisse negativer Natur auszumerzen. Durch gute Taten hoffen die Wignerianer, der Menschheit die Gunst der letzten Beobachterin zu verschaffen, die sie dann von allem Leid erlösen wird. Der äußerst antidoktrinell und inoffiziell angenommene Name ihres ebenfalls wie Pirius Blau strafversetzten Anführers „Diese Bürde Wird Vergehen“ ist insofern Programm.

Gegen Ende des Buches geht Baxter auf die Entstehungsgeschichte der Xeelee ein. Hier liefert er auch Erklärungen, warum es – nach menschlichem Empfinden – über Jahrtausende keinerlei Kommunikation außer Waffengewalt gab, und warum man in diesen Jahrtausenden keinen einzigen Xeelee gefangen nehmen konnte. Er eröffnet zudem eine weitere Dimension des Konflikts, denn während die Menschheit die ganze Galaxis überrannte, standen auch die Xeelee in einem erfolgreichen Krieg – der von dem Spinner Peter in „Der Orden“ angesprochene Konflikt zwischer „normaler“ und dunkler Materie wird hier wieder aufgegriffen als Konflikt zwischen absolut fremdartigem baryonischem und supersymmetrischem Leben. Witzig hierbei für Leser des ersten Bandes: Der Verschwörungstheoretiker Peter hatte teilweise vollkommen Recht! Eine Kommunikation zwischen solch exotischen Lebensformen ist naturgemäß mehr als schwierig. Man bedenke, wie der Kontakt zu den in dieser Hinsicht wesentlich menschenähnlicheren Silbergeistern verlief …

_Fazit_

Selten habe ich einen Autoren mit so vielen Ideen gleichzeitig jonglieren sehen wie Baxter in diesem Buch. Dabei vergisst er aber nicht die Unterhaltung; der eigentlichen Haupthandlung zu folgen, ist sehr einfach: Nach und nach wird ein aus drei Teilen bestehendes Waffensystem entwickelt und trotz aller Hürden zum Einsatz gegen den xeeleeschen Hauptradianten Chandra, das schwarze Loch im Zentrum der Galaxis, gebracht. Für Baxter geradezu untypisch viel Action, die er vorzüglich mit dem Rest des Romans verbunden und inszeniert hat.

Baxters Theorien haben jedoch einige Haken: So wirft die Kommission für ökonomische Kriegsführung Nilis und Pirius vor, wie sie sich anmaßen könnten, ihre Idee für einzigartig und erfolgversprechend zu halten. Schließlich befasst man sich seit Jahrtausenden mit aberwitzigen Ideen von Spinnern, die letzten Endes die Menschheit wertvolle Ressourcen kosten könnten. Warum sollten also gerade sie gefunden haben, was bisher in Jahrtausenden nicht gelang?

Eine haarsträubende Argumentation, aber mit einem Funken Wahrheit: In einer unheimlich kurzen Zeitspanne erreichen Nilis, Pirius und Co. mehr als die gesamte Menschheit in Jahrtausenden. Ich kann mir ebenfalls nicht vorstellen, dass sich in einer riesigen Galaxis nicht irgendwann und irgendwo eine bahnbrechende Idee durchsetzt. Gerade weil die Menschheit zwar geeint im Krieg gegen die Xeelee ist unter der das Allgemeinwohl über das des Einzelnen stellenden Druz-Doktrin, aber überall sich hinterwäldlerische Koaleszenzen und andere menschliche Subspezies ausbreiten, kann ich mir eine solche Innovationsarmut nicht vorstellen. Zumal der Schwarm – im Großen wie im Kleinen – von Baxter als einzige gesellschaftliche Form menschlicher Evolution propagiert wird, sieht man vielleicht von „Wigners Freunden“ und der alles beherrschenden Druz-Doktrin ab.

Kurz kommt leider auch der Konflikt zwischen Pirius Rot und Pirius Blau. Rot hat seine Freundin Torec noch, während Torec Blau in einer nun nicht mehr existenten Zeitlinie den Tod im Kampf fand. Da Rot und Blau den Großteil des Romans an zwei verschiedenen Orten tätig sind und eher die Unterschiede zwischen dem Leben auf der Erde und dem Zentrum der Galaxis dokumentieren, bleibt wenig Raum für die Problematiken einer an und für sich spannende Begegnung mit einem älteren Zeitzwilling. Recht platt und enttäuschend ist auch die Rolle von Luru Parz, deren mysteriöse und vorerst unbekannte Herkunft, ihre ebenso unbekannten Motive und ihre Bedeutung für den Roman letzlich demystifiziert werden, was sie auf eine Rolle als stets stechenden Joker für Nilis reduziert, wenn alle anderen Überzeugungsmittel versagt haben.

Ohne Baxters fabelhafte Fähigkeit, schwierige Konzepte der Quantenphysik, Thermodynamik sowie die bei Überlichtflügen auftretenden zeitlichen Phänomene verdaulich und nachvollziehbar zu erklären, würde dieses Buch nicht funktionieren. Dennoch ist es keine leichte Lektüre; entgegen der oft aufgestellten Behauptung, man könne es auch ohne seinen Vorgänger „Der Orden“ lesen, rate ich davon ab. Denn gerade die Gedanken zur Druz-Doktrin und der evolutionären Entwicklung der Menschheit setzen auf der Einführung in diese Thematik im ersten Band der Serie auf. Zumal die zusammenhanglos erscheinenden Verschwörungstheorien Peters in „Der Orden“ hinsichtlich der dunklen Materie und eines Krieges im galaktischen Zentrum sich in „Sternenkinder“ ironischerweise als Volltreffer entpuppen.

Übersetzer Peter Robert hat ebenfalls ganze Arbeit geleistet. Besonders gut gefielen mir seine für unbedarfte Teutonen direkt in den Romantext geschriebenen Ergänzungen, wie man Baxters englische Rassebezeichnungen wie Qax („Khäcks“) oder Xeelee („Sili“) auszusprechen hat. Das würde ich mir auch von anderen SciFi-Übersetzern wünschen.

Herausragend an diesem Buch sind Baxters gewaltige Vorstellungskraft und seine Fähigkeit, komplexe Konzepte und Ideen verständlich an den Leser zu vermitteln. Daher sehe ich gerne über einige Ungereimtheiten wie die nicht wirklich überzeugende absolute Stagnation und die kontrastierend extrem rasant erfolgende Entwicklung und Integration dreier vollständig neuer Technologien hinweg.

The Baxterium – Die offizielle Homepage des Autors:
http://www.cix.co.uk/~sjbradshaw/baxterium/baxterium.html

Baxter, Stephen – Orden, Der (Kinder des Schicksals 1)

Der Engländer Stephen Baxter (* 1957) ist bekannt für seine naturwissenschaftlich fundierten Science-Fiction-Romane. Er studierte in Cambridge Mathematik und ist Doktor der Ingenieurswissenschaften. Er lehrte einige Jahre Mathematik, Physik und Informatik, bevor er 1991 seinen ersten Roman „Das Floß“ (The Raft) veröffentlichte. Seit 1995 arbeitet Baxter hauptberuflich als Autor und wurde seitdem mit zahlreichen renommierten SciFi-Preisen wie dem |Philip K. Dick Award| und unter anderem auch den deutschen Kurd-Laßwitz-Preis ausgezeichnet.

Was Baxter von vielen anderen Autoren „harter“ Science-Fiction unterscheidet, ist seine Fähigkeit, schwierige Fragen, Sachverhalte sowie physikalische Gegebenheiten und Theorien unterhaltsam und für Laien nachvollziehbar zu verpacken.

Dabei ist Baxter kein Technomane, der sich auf die rein technologische Weiterentwicklung der Menschheit versteift. [Evolution 282 ist – wie in seinem gleichnamigen Roman – bei ihm ebenfalls ein Thema, und dabei hört er keinesfalls bei der menschlichen Evolution auf.

|Schwestern sind wichtiger als Töchter|

Der Roman „Der Orden“ (Original: „Coalescent“) stellt den Auftakt der Serie „Kinder des Schicksals“ dar, die in dem älteren „Xeelee“-Universum Baxters angesiedelt ist. Er bereitet den Boden für das Verständnis der Folgebände wie „Sternenkinder“, die in einer weit entfernten Zukunft angesiedelt sind und vom jahrtausendelangen Zermürbungskrieg der Menscheit mit den Xeelee handeln. Ganz im Gegensatz dazu spielt dieser Roman in unserer Gegenwart – und in der römischen Vergangenheit Britanniens!

Der Computerexperte George Poole kehrt nach dem Tod seines Vaters zur Haushaltsauflösung in sein Geburtshaus nach Manchester zurück. Dabei entdeckt er ein merkwürdiges Foto, das ihn im Alter von ungefähr drei Jahren zeigt – und ein unbekanntes Mädchen, das zur Familie zu gehören scheint. Seine ältere Schwester Gina kann es nicht sein. Wer ist die Unbekannte?

George stellt Nachforschungen an, unterstützt von seinem Jugendfreund Peter, einem ehemaligen Polizisten, der seine Vorliebe für Technik und alte Science-Fiction-Romane der 60er Jahre teilt, seinen abstrusen Theorien über außerirdische Intelligenzen, die er mit gleichgesinnten „Slantern“ im Internet entwickelt hat, allerdings skeptisch gegenübersteht.

Schließlich findet George die Spur seiner Schwester Rosa, die als Kind aufgrund sozialer Nöte der Familie von einem römischen Marienorden adoptiert wurde. Was George noch nicht weiß: Er steht genauso wie seine Schwester Rosa in einer Verwandschaftsbeziehung zu diesem Orden, der auf seine Urahnin Regina zurückgeht, die im dunklen Zeitalter des Niedergangs römischer Kultur in Britannien lebte und den Orden entscheidend prägte. Einen Orden, der sich abgeschottet in den römischen Katakomben jahrhundertelang entwickelte, zu etwas, das sowohl George als auch insbesondere Peter mit Entsetzen und Unverständnis erfüllt: einer Art menschlichen Schwarms.

|Unwissenheit ist Stärke|

Wer bei Science-Fiction den Blick Richtung Himmel und Zukunft wendet, wird bei diesem Roman eine herbe Bruchlandung erleiden, denn seine Erwartungshaltung wird gewiss nicht erfüllt werden.

„Der Orden“ handelt in der Gegenwart, in der George den Geheimnissen einer düsteren Vergangenheit auf die Spur kommt. Weite Teile der Geschichte spielen im historischen Britannien der Römerzeit und stellen einen lupenrein recherchierten historischen Roman dar, in dem Georges Vorfahrin Regina eine tragende Rolle spielt. Immer wieder wechselt Baxter zwischen Gegenwart und Vergangenheit. Dabei dürften sich viele Leser fragen: Warum? Auf was will er hinaus?

Leider ist dieser tote Punkt in der Mitte des Buches ein echter Stolperstein, der auch nicht dadurch kompensiert werden kann, dass der historische Teil des Romans sehr gut und unterhaltsam geschrieben ist – Zusammenhang und Spannungsbogen fehlen hier, erst am Ende des Romans löst sich alles in Wohlgefallen auf.

Regina, auf die der ominöse Orden zurückgeht, ist die Tochter eines römischen Gutsherren in Britannien. Aber leider wird sie in schlechten Zeiten geboren: Der Vater der Familie stirbt, ihre Mutter lässt sie im Stich. Mit ihrem Onkel Aetius, einem alten Soldaten, erlebt sie den Niedergang römischer Zivilisation in Britannien. Nach dessen Tod lebt sie unter Barbaren, auch ihre Tochter Brica wächst in primitiven Verhältnissen auf.

Regina wird gar zur Geliebten von König Artorius, der mitsamt seinen Zauberer Myrddin (hier: ein Experte für die Herstellung von Eisen und Eisenwaffen) eher als historische Person denn mythische Figur dargestellt wird. Beide haben einen Traum: eine andauernde Zivilisation zu schaffen. Doch, ganz im Sinne römischer und italienischer Tradition, steht bei Regina die Familie im Mittelpunkt ihres Handelns.

Während der erfolgreiche Kriegsherr Artorius schließlich doch scheitert bei seinen Feldzügen und seine Ordnung und Zivilisation dem Niedergang anheim fällt, schafft die mittlerweile nach Rom zurückgekehrte Regina, ohne es selbst ganz zu verstehen, ein hierarchieloses, ewiges, sich selbsterhaltendes Gebilde: einen menschlichen Schwarm.

|Hör auf deine Schwestern|

Die durch Leid und Niedergang der von ihr geliebten Kultur und Zivilisation tief getroffene Regina hat instinktiv begriffen, wie sie die ihr heilige Familie bewahren kann. Auch wenn ihre Angehörigen in der Krypta inmitten der Katakomben Roms sie nicht verstehen – sie hört noch auf dem Sterbebett den Satz „Ich verstehe dich nicht, meine Liebe“ – wird ihre Gesellschaft ohne Regeln und ohne einen „ehrgeizigen Idioten“, eine Autorität wie Artorius, funktionieren.

Die Grundlagen der Schwarmgesellschaft, die sich entwickeln wird, sind einfach: Schwestern sind wichtiger als Töchter. Unwissenheit ist Stärke. Hör auf deine Schwestern.

Die einzige Regel, die Regina ihren Angehörigen auferlegt hat, und die prinzipiell überflüssig ist, ist ihr Heiligtum: Ihre drei römischen Hausgötter oder Laren, die verehrten |matres|. Analog zu den drei Holzfiguren soll es reale Mütter geben. Diese Mütter sollen immer drei oder das mehrfache von drei zählen, und nur sie dürfen Töchter gebären – alle anderen sind Schwestern, eine große Familie. Eine Familie, die so genetisch enger verwandt ist, als es sonst üblich oder möglich wäre, würden sie alle Kinder zeugen mit fremden Vätern. Sie geben ihre Gene weiter, indem sie ihrer Mutter helfen, ihre Schwestern auszutragen.

Die Stärke aus der Unwissenheit ist die Bedingung, dass der Orden nicht von einzelnen Personen abhängt, sondern sich selbst erhält. Jedes Glied dieses Schwarms hat eine spezialisierte Aufgabe, kann aber jederzeit durch ein anderes ersetzt werden. Man muss nicht wissen, warum man etwas tut; etwas, das Lucia erfahren wird.

Lucia stellt ein Mädchen dar, das zur Brüterin des Ordens werden soll, zu einer Mutter. Sie will aber gar nicht, ihr ist die Konformität zuwider, sie will etwas ganz Anderes. Auch für George und Peter ist das spezialisierte Leben als Gebärmaschine des Ordens sowie der zahllosen Mädchen des Ordens, die quasi zu geschlechtslosen Neutren mutieren, eine Horrorvision.

Der letzte Leitsatz ist, man soll auf seine Schwestern hören. Keine hat dabei eine Vormachtstellung, sondern eine Aufgabe im Schwarm, ist ersetzbar. Auch wenn sie nicht mehr wissen sollten warum, arbeitet die Familie des Ordens oder Schwarms zusammen.

Sie knüpfen engere Bande als bei Menschen üblich. Der durch die Enge in der Krypta entstandene Geruch wird wichtig, wie bei Ameisen – Pheromone übertragen Eindrücke zu den anderen Mitbewohnern, fremde Personen wie George werden beim Betreten der Krypta vom Gestank überwältigt und bemerken verstört, wie alle sie ohne ein Wort als Fremdkörper betrachten und anstarren. Neben der intensiven Wahrnehmungen von emotionalen Befindlichkeiten, verändern sich die Bewohner von Reginas Orden auch körperlich: Schon alleine die Dauer einer Schwangerschaft ist bei den Müttern wesentlich kürzer als bei normalen Menschen.

|Koaleszenz, Emergenz und Eusozialität|

Der ganze historische Teil des Romans dient somit der sanften Einführung in fremdartige Konzepte und erklärt, wie sie möglicherweise entstehen könnten. Die Prinzipien der Eusozialität und Emergenz, auf denen eine Koaleszenz, also ein menschlicher Schwarm, beruht, werden so beispielhaft und nachvollziehbar anhand von Reginas Leben unterhaltsam nahe gebracht.

Leider wird dies dem Leser erst gegen Ende des Romans klar, bis dahin mag der geneigte SciFi-Leser sich fragen, warum ein historischer Roman, wenngleich ein gut recherchierter und geschriebener, unter der Bezeichnung Science-Fiction vermarktet wird.

Die Gegenwartsebene schildert die Reaktion von George und Peter auf diesen menschlichen Schwarm. Am Beispiel Lucias, die zu einem Leben als „Brüterin“ verdammt wird, wird uns die Unmenschlichkeit dieses Konstrukts bewusst. Aber Baxter ist hier nicht einseitig moralisierend, er zählt auch Vorzüge auf, von Nähe und Geborgenheit, intensiver Zugehörigkeit und selbstloser Aufopferung, die eine menschliche Familie gewöhnlicher Prägung niemals erreichen könnte.

_Fazit_

Man kann geteilter Meinung sein, ob es klug war von Baxter, den Leser so lange im Dunkeln tappen zu lassen, besonders pure SciFi-Fans könnten von dem historischen Teil des Romans sehr gelangweilt sein. Wer hingegen historischen Romanen etwas abgewinnen kann, wird besser unterhalten. Letzten Endes ist auch die dem Roman zugrunde liegende Idee recht dünn und zudem nicht neu: Menschliche Ameisenhaufen sind in der Science-Fiction-Literatur mindestens so zahlreich wie die zahllosen menschlichen Schwarmgesellschaften der Zukunft, die Baxter uns in einem kurzen Ausblick gegen Ende des Romans in die Zukunft seines Universums schildert.

Er legt hier die Grundlage für den Folgeband „Sternenkinder“, in dem die hier beschriebenen Problematiken und Gesellschaftsformen in der Zukunft für handfeste Probleme sorgen werden.

Seit nahezu dreitausend Jahren liegt die Menschheit im Krieg mit den Xeelee, die sowohl technologisch als auch physiologisch und strategisch im Vorteil sind. Dieser Zermürbungskrieg muss zwangsweise verloren gehen, uralte Doktrinen hemmen Individualität und Kreativität, überall bilden sich Menschenschwärme in abgelegenen und vergessenen, auf sich allein gestellten Ecken der Galaxis, die von Presskommandos ausgelöscht und die Überlebenden als Kämpfer im Krieg gegen die Xeelee verheizt werden, in einer Art Mottentaktik: Die Menschen-Motten stürzen in Massen auf die Kerze, in der Hoffnung, das Licht zu ersticken …

Womit die martialische Doktrin des legendären Hama Druz „Ein junges Licht brennt hell“, einen makabaren Beigeschmack erhält.

Wenn man den „Orden“ gelesen hat, werden Zusammenhänge und Problematiken in „Sternenkinder“ begreiflicher. So kann man sich fragen, ob die Menschheit in ihrer Gesamtheit nicht als Schwarm handelt und außerirdische Rassen wie andere Schwärme bekämpft, so wie man es mit Sub-Schwärmen innerhalb der eigenen, durch Doktrinen eingeengten Gesellschaft seit Jahrtausenden tut. Denn an Individualität und Eigeninitiative fehlt es den unzähligen Menschen in ihrem riesigen, galaxienüberspannenden Menschheitsschwarm, der zwar keine extreme Form darstellt, aber durch Doktrinen in ähnliche Bahnen gedrängt wird wie der kleine Ur-Schwarm des Marienordens in „Der Orden“.

Der „Kinder des Schicksals“ genannte Zyklus zeigt auf unterhaltsame Weise Möglichkeiten der menschlichen Evolution auf. Auch wenn der „Orden“ auf einer recht simplen Idee fußt und weitgehend ein historischer Roman mit anfangs scheinbarer Zusammenhanglosigkeit zur Gegenwart und zur Science-Fiction im Allgemeinen ist, kann er, wenn man eine gewisse Durststrecke überwunden hat, faszinieren. Vor allem ermöglicht die Lektüre den vollen Genuss des Folgebands „Sternenkinder“, der sowohl klassisch-konventionelle Wünsche von Science-Fiction-Lesern befriedigt als auch eine ganze Ecke fantastischer und spannender ist.

The Baxterium – Die offizielle Homepage des Autors:
http://www.cix.co.uk/~sjbradshaw/baxterium/baxterium.html

Garry Kilworth – Tänzer im Frost

Schottische Hochland-Hasen geraten ins Visier eines gewaltigen und zudem verrückten Raubvogels, der das Nagervolk terrorisiert und dezimiert, bis ein Junghase entschlossen den Kampf gegen das Ungeheuer aufnimmt … – Tier-Fantasy der ‚erwachsenen‘ Art, d. h. ohne kitschige Verniedlichung der Figuren, die sich (weitgehend) tiergerecht in ihrer eigenen Welt bewegen: spannend trotz des nur scheinbar monotonen Feld-und-Wiesen-Umfelds.
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Lancester, Peter – Unterm Doppelmond (Die Chroniken der Anderwelten 2)

Eva, Otto und Friedrich begeben sich unter der Leitung Anders in Richtung Unterhessen, dem sagenumwobenen Land unterhalb der Erdschicht. Die Reise gerät nicht ungefährlich, da überall nicht gerade wohlgesonnene Charaktere in den dunklen Winkeln Unterhessens warten. Auch der Empfang gerät alles andere als herzlich. Für den verletzten Friedrich endet die Reise im Kerker, Eva und Otto sehen sich dahinvegetierend, ohne Habe und Dach über dem Kopf, auf der Straße wieder. Durch Unwissenheit über die Gesetze Unterhessens befinden sich auch Eva und Otto alsbald in einem saftigen Konflikt mit der Legislative des Landes. Ander kann den beiden gerade noch aus der Patsche helfen. Allerdings war es nicht das letzte Mal, dass sich kaum lösbare Probleme vor unseren Helden auftürmen …

Auch im zweiten Teil des „Chroniken der Anderwelten“-Zyklus werden die Protagonisten durch allerhand Abenteuer gescheucht. Dennoch wird der schnelle Erzählstil des [ersten Bandes 1507 gerade in der ersten Hälfte des zweiten Buchs etwas gedrosselt, in der die Gesetzeskonflikte auftreten und in der viel vor Gericht gestritten und geurteilt wird. Etwa ab der Mitte nimmt das Buch aber wieder ordentlich Fahrt auf, zieht den Spannungsbogen wie schon im ersten Band unbarmherzig an und mischt allerlei Stilelemente, von Horror über Grusel und Fantasy, zu einem stimmigen Gebräu, das die Traumthemen nach dem Einschlafen angenehm beeinflussen sollte.

Das größte Plus an Lancesters Werk ist und bleibt die Bildgewalt der Landschaften, die sich als fremde, dennoch wunderschöne Welten aus dem Nichts vor dem geistigen Auge erheben. Eine kleine Parallele sehe ich hier zu George Lucas‘ „Star Wars“-Filmen, in denen des Öfteren neue, skurrile und liebevoll gezeichnete Welten erschaffen wurden. Ähnlich gekonnt beschreibt Lancester sein Land, seine Schöpfung, die zu nicht geringem Anteil auch durch Tolkiens Schaffen beeinflusst sein sollte (aber welche Fantasy ist das heute nicht?).

Lancester verliert sich zudem nicht einzig in der Phantasie, sonderen bindet, vor allem bei den Gesetzeskonflikten, sozialkritische Fragen mit ein. Letztendlich bietet „Unterm Doppelmond“ einmal mehr spannende Unterhaltung und eine Welt, die jeder lieben wird. Man hat keine andere Möglichkeit, als gierig Seite um Seite zu verschlingen, um unsere Helden in Sicherheit zu wissen. Eine Sicherheit, die trügerisch und damit doch wieder unsicher ist. Gerade dieser Umstand gerät als wirklich quälend, denn irgendwann muss man den Roman ja mal auf die Seite legen.

Orthographisch einwandfrei zu Papier gebracht, überzeugen auch dieses Mal zudem das treffende Cover, die Schriftgröße und die Aufmachung des Buches. Lasst euch also nach Unterhessen entführen, ein Land, in dem nichts ist wie es scheint, in dem in jeder Ecke große Überraschungen warten und das im Leserhirn wie ein großer bunter Luftballon explodiert. Menschen, die mit „Herr der Ringe“ und „Krieg der Sterne“ klar kommen und denen auch ein Stück Horror und Grusel nichts ausmacht, dürften mit den „Anderwelten“-Büchern bestens unterhalten werden. Band drei kommt übrigens Ende des Jahres, die weiteren im Halbjahresrhythmus. Kaufen, es lohnt sich!

Gaborit, Mathieu – lodernde Schwert, Das (Im Reich des Feuervogels 2)

Mathieu Gaborits Saga über das „Reich des Feuervogels“ ist einer der wenigen nicht-englischsprachigen Zyklen, die in Deutschland erscheinen. Schon der erste Teil „Der scharlachrote Turm“ und entführte uns auf eine Inselgruppe, deren Reiche nicht nur die Namen von Fabelwesen wie Greif, Drache und Einhorn tragen, sondern in denen auch tatsächlich solche Wesen mit den Menschen leben, ihnen die Magie geben und sie beschützen.

Einzig die Diener der Phönixe sind in allen Ländern beheimatet, denn die Feuervögel sind zum einen mächtiger als die anderen Fabelwesen, zum anderen aber auch nur von wenigen zu kontrollieren und zu bezähmen. Zu schnell kann Chaos und Vernichtung aus deren Feuer entstehen – „das Aas“, die Nachfahren und die Essenz pervertierter Fabelwesen, der Inbegriff des Bösen, sind das beste Beispiel.

Der junge Phönike Januel hat erst vor kurzem die geschützte Zuflucht des Turms von Sedana verlassen und trägt inzwischen eine schwere Verantwortung. Denn nur er besitzt die Macht, das Böse aufzuhalten, nachdem alle Meister umgebracht wurden und die meisten Türme der Phöniken in Schutt und Asche liegen.

Unbemerkt von den anderen Reichen ist das „Aas“ bereits seit einiger Zeit auf dem Vormarsch. Der König des Aases weiß sehr wohl um Januel, der nicht nur einen Phönix der Uranfänge, sondern auch die Macht der „Welle“ in sich birgt, der Kraft alles Lebenden, die für die wandelnden Toten Gift ist. Deshalb schickt er seine Häscher aus, um den jungen Mann in seine Gewalt zu bringen, bevor dieser seine Aufgabe zur Gänze kennt und womöglich auch noch mehr als eine Handvoll Verbündete gewonnen hat.

Januel hat indessen mit anderen Problemen zu ringen. Nicht nur, dass er mit der in ihm brodelnden Kraft zu kämpfen hat und diese noch nicht ganz beherrscht, nein, man macht ihn dafür verantwortlich, dass der Kaiser des Greifen-Imperiums und sein Hofstaat ums Leben gekommen sind, und will sich an ihm rächen …

Mathieu Gaborit gelingt es, vertraute Versatzstücke der Fantasy neu anzuordnen. Er konzentriert sich auf Fabelwesen, die in den meisten angloamerikanischen Romanen gerne vernachlässigt werden und begeht nicht den Fehler, sie zu vermenschlichen oder als bloße Tiere zu betrachten, wie es ebenfalls oft genug passiert. Zudem verknüpft er die Magie auf glaubwürdige und interessante Weise mit den verschiedenen Kreaturen, wobei vor allem die Phönixe eine Rolle spielen.

Im zweiten Band „Das lodernde Schwert“ weitet er diese Mythologie ein wenig aus und nimmt sich Zeit, dem Leser das Gefüge der Kräfte auch aus der Sicht des Aases zu schildern. Indem dort ebenfalls Figuren und Geschöpfe mit Namen und Leben erfüllt werden, gewinnt der Gegner an Profil und Gewicht, und wird damit noch um so gefährlicher.

Allerdings fällt der zweite Band spannungsmäßig doch ein wenig gegenüber dem ersten Teil ab – es geschieht weniger an Action, und die Handlung wird vor allem durch die ständigen Sprünge zwischen den Handlungsebenen erzielt.
Sowohl Januel als auch das Aas halten in ihrem Vormarsch inne, sie stecken das Schlachtfeld ab und festigen die Macht in ihrem jeweiligen Bereich – was allerdings stellenweise recht langweilig wird, ähnlich wie die Ausarbeitung der magisch-mythischen Hintergründe. Wen das nicht abschreckt, der wird sicherlich weiterhin fasziniert über die Welt lesen und mehr erfahren wollen.

Um dieses Buch zu verstehen, ist der erste Band zwingend erforderlich, und da der zweite Band mit einem Cliffhänger endet, wird der Leser auch ein wenig im Raum stehen gelassen, was leider weitere leichte Abzüge in der B-Note gibt.

|Originaltitel: Les Chroniques des Feals 2: Le Fiel
Aus dem Französischen von Michael von Killisch-Horn|

_Christel Scheja_
|Diese Rezension wurde mit freundlicher Genehmigung unseres Partnermagazins [X-Zine]http://www.x-zine.de/ veröffentlicht.|

O’Neil, Dennis – Batman Begins

„Das Begleitbuch zum Film“ – oft hat man direkt schon Vorurteile gegenüber solchen Untertiteln, sind die meisten Werke solcher Machart doch arg dröge und nur eine schlechte Eins-zu-eins-Wiedergabe des cineastischen Vergnügens. Das wollten die Macher von „Batman Begins“ aber von Anfang an verhindern und verpflichteten eigens für diese Aufgabe Dennis O’Neil, der bereits als einer der bekanntesten Batman-Storyautoren in Erscheinung trat und dabei selber die bösartige Kreatur Ra’s Al Ghoul erschaffen hat.

O’Neil ist also sehr gut mit der Materie vertraut, und das zeigt sich auch im Laufe dieses Buches, welches ich schlussendlich betrachtet sogar dem ohnehin schon ziemlich starken Kinofilm vorziehen würde, nicht zuletzt, weil O’Neil hier genügend Freiraum hat, um Dialoge weiter zu vertiefen, Szenen detaillierter zu beschreiben und Übergänge fließender zu gestalten.

Selbst die unterkühlten Emotionen kommen in diesem Buch besser zum Vorschein als beim bewegten Pendant, und das überrascht mich wieder, denn trotz aller Effekte war der Kinostreifen alles andere als eine überladene Hollywood-Produktion. Für diejenigen, die den Inhalt von „Batman Begins“ noch nicht kennen, sei er an dieser Stelle noch einmal kurz zusammengefasst:

Bruce Wayne ist ein glücklicher Junge, der eigentlich schon bis zu seinem letzten Tag ausgesorgt hat. Der Sohn einer Milliardärsfamilie wächst wohlbehütet auf und führt, vom Reichtum einmal abgesehen, ein normales Leben – bis zu dem Tag, an dem er in einen Brunnen fällt und dort von Fledermäusen angegriffen wird. Diese schicksalhafte Begenung soll ihn zu einem späteren Zeitpunkt wieder einholen.

Doch dies soll nicht der letzte schreckliche Tag in seinem Leben bleiben: Ein gewisser Joe Chill ermordet seine Eltern, und Bruce bleibt als Vollwaise zurück, flüchtet jedoch aus seiner Heimat Gotham City. Lediglich für eine spätere Anhörung vor Gericht kehrt der junge Wayne zurück, kann aber auch nicht mehr eingreifen, denn noch vor Gericht wird Chill von einem Gangster zielgerichtet erschossen.

Wiederum flieht Bruce und zieht sich nach Asien in das Himalaya-Gebiet zurück, wo er unter der Aufsicht von Henri Ducard in die Kampfkünste eingewiesen wird. Das Ende seiner Ausbildung wird jedoch von einem Schatten überworfen: Im finalen Kampf gegen seinen Meister tötet Bruce seinen Ausbilder Ducard.

Langsam entdeckt Bruce die Verstrickungen, die sich hinter all dem verbergen. Er kehrt zurück nach Gotham City, wo er schon seit längerer Zeit als tot gilt. Daher gehört ihm auch nicht mehr das große Wayne-Imperium, der milliardenschwere Sitz seiner Eltern. Bruce baut sich schließlich sein eigenes Imperium auf, verschafft sich mithilfe seines Butlers Alfred und des befreundeten Lucis Fox die nötigen Materialien und beginnt schließlich, als Batman die Unterwelt von Gotham City aufzumischen. Es kommt, wie es kommen musste: Ra’s Al Ghoul und die menschliche Fledermaus stehen sich in einem finalen Showdown gegenüber.

Auch wenn man den Film bereits gesehen hat, kann ich das Buch nur empfehlen, denn hier werden so manche Details, die im Film eher untergegangen sind (so zum Beispiel die Beweggründe des verwaisten Bruce, sich aus Gotham City abzusetzen) viel mehr ausgeschmückt und erscheinen schlussendlich auch viel logischer. Überhaupt sind es die Übergänge, die im Film manchmal recht schnell an einem vorbeiflitzten, denen hier ein größeres Maß an Aufmerksamkeit geschenkt wird.

Dafür muss man aber auch in Kauf nehmen, dass das Buch vom Aufbau her ein wenig anders gestaltet ist: Wo der Regisseur im Film stets auf Rückblicke in die Vergangenheit zurückgreift, bemüht sich O’Neil um eine chronologische Abfolge, was ich aber weder besser noch schlechter finde, weil sie solcherart ebenfalls sehr gelungen dargestellt wird.

Natürlich, hat man den Film gesehen und kennt man das Ende, geht das deutlich auf Kosten der Spannung – und dennoch findet man immer wieder neue Hintergründe, die im Film nicht so genau erforscht wurden, dafür hier aber umfassend beleuchtet werden.

Im Großen und Ganzen kann man Dennis O’Neil also nur Lob aussprechen. Sowohl die erzählerische Darstellung der Charaktere als auch die spannende Beschreibung der Geschichte des jungen Bruce Wayne hat der Batman-erfahrene Autor meisterhaft bewältigt und dabei wirklich keine verborgenen Details ausgelassen. Man merkt dem Stil aber auch die Begeisterung für das Phänomen „Batman“ an, so dass es für O’Neil ein Leichtes ist, den Leser auf seine Seite zu ziehen. Entgegen aller Vorurteile an dieser Art Bücher bin ich also mehr als positiv überrascht und spreche ein weiteres Mal meine Empfehlung für dieses eigenständige Begleitbuch zu „Batman Begins“ aus.

Michael Marrak – Morphogenesis

In einem Interview für das TERRACOM, Ausgabe Juni 2004, fragte ich Michael Marrak nach dem Wesen seines neuen Romans. Er antwortete (wahrscheinlich mit einem Grinsen im Gesicht):
»Es wird […] ein sehr zynischer Roman mit einer gesunden Portion an schwarzem Humor … und knietief Blut … 😉 «
Damals konnte ich mir noch nicht vorstellen, wie tief „knietief“ wirklich ist …

Michael Marrak arbeitet als Illustrator und Schriftsteller, dabei lebt er in der weltkulturdenkmalerischen Stadt Hildesheim. Er debütierte 1997 mit seinem Roman „Die Stadt der Klage“, „Lord Gamma“ von 2000 erhielt den Kurd-Laßwitz-Preis sowie den Deutschen Phantastik-Preis als bester Roman des Jahres. 2002 erschien sein Horror-SF-Mischling „Imagon“, der ebenfalls ausgezeichnet wurde.
Weitere Infos: http://www.marrak.de.

stadt der klage

Hippolyt Krispin entdeckt in seinen privaten archäologischen Forschungen mitten in der libyschen Wüste eine Pyramide. An sich schon erstaunlich genug, aber sie besitzt außerdem einen sechseckigen Grundriss. In ihrem Zentrum stößt Krispin auf einen riesigen versiegelten Hohlraum, der unter Vakuum steht, bis Krispins Mitarbeiter die Wand durchbricht. Er verendet dabei qualvoll und blutig, denn der Unterdruckt reißt ihm sämtliche Eingeweide aus dem Körper. Niemand ahnt bisher, dass es so etwas ist wie ein Tor zur Unterwelt, dem ägyptischen Duat.

Der geöffnete Raum ist gigantisch und von einer merkwürdigen knöcheltiefen Staubschicht bedeckt, die reibungslos durch die Finger rinnt und nicht greifbar ist. In einem Ringsarkophag findet er einen goldenen Uroboros (eine Schlange, die sich in den Schwanz beißt) und erlebt bei der ersten Berührung damit eine Vision: Ein übergroßer Schlangenkopf hebt sich aus dem Staub und mustert Krispin. Sie grüßt ihn in einer sonderbaren Sprache und bezeichnet ihn als Kematef.

Krispin trifft später auf eine wunderschöne Ägypterin mit verführerischem Duft und verbringt mit ihr den Abend. Anscheinend ist sie für niemand sonst sichtbar, außerdem umgibt sie ein Geheimnis. Sie behauptet, mit einer Totenbarke aus der Totenstadt Sarara gekommen zu sein und ringt ihm das Versprechen ab, ihr einen Wunsch zu erfüllen und sie dort zu besuchen. Nach einem berauschenden Geschlechtsakt drückt sie ihm den Uroboros in die Brust, er verschwindet wie ein Lebewesen in Krispins Eingeweiden, Krispin erlebt eine grausige Vision und erwacht erinnerungslos und blutüberströmt vor seinem Hotel. Nichts ist mehr so, wie es sein muss.

eine multihölle für alle

„Morphogenesis“ ist eine Vollendung des stark gedrängten Romans „Die Stadt der Klage“. Und diese Stadt, in die es Hippolyt Krispin verschlägt, ist eine Verschmelzung aus vielen Höllenmythen, die die Menschheit im Laufe ihrer Entwicklung entwarf. Hier treffen sich Neros brennendes Rom und die fleißigen Errichter des babylonischen Turms sowie französische Gillotinierte zur gemeinsamen, ewigen Buße.

Der Prolog des Romans hätte uns vorwarnen müssen. Er ist wie ein Vorgeschmack auf die Abstrusität und die Bildauswahl des Romans, erdrückt sofort die gewachsenen Vorstellungen von Realität und Zumutbarkeit in uns und weckt eine Verwirrung, die wohl nur aus falschen Erwartungen entstehen kann. Wer den Klappentext liest und dort etwas von Pyramiden und Ausgrabung stehen sieht, erwartet gewiss nicht, sich in einem ausgebrannten Turm zwischen ekligen, sich vermehrenden Insekten und staubsaugerartigen Schwämmen wiederzufinden, gegenüber eine albtraumhafte Gestalt, und ein blutiges Stigma aus dem Rücken die Wand hinter einem verschmiert. So gerät man schon im Prolog von einem Albtraum in den nächsten, denn die erste Sequenz, die sich leicht als Traum entpuppt, mündet in den eben beschriebenen Part, der für den Erzähler offenbar die Realität ist. Pyramide? Ausgrabung? HIER??

Zum Glück beginnt das erste Kapitel nach diesem Anfangsschock „normal“ und erwartungsgemäß. Ich erinnerte mich aber beim Öffnen der Vakuumkammer und der daraus resultierenden „Entleibung“ des Mitarbeiters überdeutlich an Marraks oben zitierten Ausspruch: „… und knietief Blut …“ Mit jeder weiteren Seite entfernt sich die Erzählung von unserer Realtität und wird zu einem phantastischen Schauspiel.

Mit welchen Worten soll man diesem Buch gerecht werden? Schon die Einordnung in irgendein Genre fällt schwer – aber man versucht es trotzdem, jeder Teil in seine Schublade. Einigen wir uns auf den Oberbegriff „Phantastik“ (nicht zu verwechseln mit Fantasy, darum schreibe ich es auch weiterhin mit Ph), damit tun wir dem Werk kein Unrecht. Da wir es mit Michael Marrak zu tun haben, können wir das Buch versuchsweise mit seinen Vorgängern vergleichen. „Lord Gamma“ war eindeutige Science-Fiction mit einer kolossalen Enthüllung zum Schluss. „Morphogenesis“ ist weit abstruser, abgedrehter, aber durch den mythologischen Hintergrund nicht ganz so erschlagend – es erschlägt durch andere Aspekte. Hier geht es vordringlich um das Schicksal Hippolyt Krispins (und um unsere armen Seelen, das ist schon schockierend). „Imagon“ ließ sich schon schwerer einordnen, man nennt es Science-Horror-Thriller. Die düstere Aussicht für die Menschheit wird in „Morphogenesis“ blutiger und zynischer dargestellt, unser Augenmerk auf andere Dinge gelenkt.

Die Ausgeburt der Hölle, die durch Krispin zum Leben erweckt werden soll, wird nicht eindeutig bewertet. Ist es wirklich nur ein kleiner Ausflug aus der Hölle, wie Krispins Gegenspielerin und Gönnerin behauptet, oder erwartet uns durch diesen Pakt die Hölle auf Erden?

Im Endeffekt hat sich Marrak eine tragisch unsterbliche Figur geschaffen, die ewig durch die Gefilde der Literatur wandeln kann, um hin und wieder auf sich aufmerksam zu machen. Beneidenswert, wie Marrak schreiben kann, aber gleichzeitig Furcht einflößend: Geht sowas |ständig| in seinem Kopf umher? Da kann man gespannt sein auf die Früchte seiner Fantasie, die uns in den nächsten Jahren erwarten.

Es gibt ein Detail, eine Frage, auf deren Auflösung ich die ganze Zeit unbewusst gewartet habe. Zu Beginn seiner Bekanntschaft mit Sahia hat Krispin eine Vision, die von einer Welt aus Nervensträngen und Synapsen handelt, in der ein geschwürartiges Gebilde auf ihn zu jagt, in dem er ein schreckliches „Ding“ sieht. Danach ist Dunkelheit. Was hat er gesehen? Vermutlich war es in der Realität das Auto, das ihn traf, aber was hat er in seiner Vision gesehen? Anscheinend war es zu unwichtig, um dem Autor eine Aufklärung wert zu sein. Aber es reizt leider die Neugier und hätte darum eine Antwort verdient.

morphogenesis

Den Titel zu erklären, hieße, die Lösung des Romans zu verraten. Auch wenn man sich davor drückt, gibt es noch etwas Wichtiges festzuhalten: Um den Geist zu reinigen, bietet der Roman den perfekten Weg. „Entschlackung“ kann man es nennen, die aufgestauten unmöglichen Fantasien und abstrusen Gedanken finden hier ihren Ausdruck – und dabei wird auch noch eine spannende Geschichte erzählt! Vor allem zum Schluss drückt der Wunsch nach der Lösung, man kann kaum noch von dem Buch lassen. Was gibt es für ein besseres Argument für einen Roman? Eines muss fairerweise nochmal gesagt werden: Der Roman ist blutrünstig. Man sollte sich durchaus eine Prise schwarzen Humors zulegen, ehe man ihn liest.

Der Autor vergibt: (4/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (7 Stimmen, Durchschnitt: 1,43 von 5)

Als Orientierung für die Bewertung gilt:
– 1 Stern: Gefällt mir überhaupt nicht
– 2 Sterne: Gefällt mir eher nicht
– 3 Sterne: Unentschieden/Durchschnitt
– 4 Sterne: Gefällt mir eher gut
– 5 Sterne: Gefällt mir sehr gut