Archiv der Kategorie: Horror & Unheimliches

Shocker, Dan – Vampir, Der (Larry Brent, Band 7)

_Der Sarg des Vampirs_

Die Angst um das Leben seiner beiden Töchter Estelle und Anna-Maria beherrscht das derzeitige Leben des Herzog de Avilla. Aus diesem Grund hat er die PSA um dringende Unterstützung gebeten, so dass Larry Brent nach Spanien zu dem Anwesen des Adligen reist, welches sich in der Nähe eines verschlafenen Bergdorfes inmitten der Sierra de Guadeloupe befindet.

Hier erfährt X-RAY-3 von einer gespenstischen Legende über die folgenschweren Ereignisse, welche sich vor ca. 200 Jahren in derselben Gegend zugetragen haben sollen. Ein Zigeuner namens Sarkom hatte sich in Carmen, die Tochter eines Vorfahren von de Avilla, verguckt, doch diese wollte sein Liebe partout nicht erwidern. Darauf kam es zur Auseinandersetzung zwischen Sarkom und dem eigentlichen Angetrauten des Mädchens, welche damit endete, dass der Zigeuner von dem Edelmann getötet wurde. Die trauernde Sippe des Ermordeten setzte den Leichnam an einem einsamen Waldrand in der Sierra mit dem Versprechen bei, dass diese Tat nicht ungesühnt bleiben würde – speziell schon aus dem Grund nicht, da in dem Sarg angeblich ein wahrhaftiger Vampir liege.

Und tatsächlich werden kurz darauf Carmen de Avilla und ihre jüngere Schwester mit seltsamen Bisswunden am Hals tot aufgefunden, womit ein unheimlicher Fluch seinen Anfang nehmen sollte. Von diesem Tag an verschwinden alle 37 Jahre junge Mädchen aus dem Dorf, bis letztendlich wieder eine Tochter aus der Familie de Avillas von dem Vampir getötet wird. Entsprechend gehören Estelle und Anna-Maria zu den potenziellen Opfern, wenn man der Legende Glauben schenken will.

Larry stellt die tatsächliche Existenz dieses Vampirs jedoch infrage, selbst als er durch den Dorfbewohner Sanchos erfährt, dass bereits wieder ein junges Mädchen an dem alten Grab des Vampirs abhanden gekommen ist. Die beiden Männer machen sich noch in derselben Nacht auf den Weg durch die Sierra de Guadeloupe und erforschen die düstere Grabstätte. Unverhofft fallen sie einer fanatischen Zigeunergruppe in die Hände, die dem Vampir Sarkom treu ergeben ist, und als der leibhaftige Blutsauger vor dem PSA-Agenten steht, muss auch dieser seine Zweifel gezwungenermaßen beiseite räumen.

Am Ende wartet eine große Überraschung auf alle Beteiligten, und das Geheimnis um eine alte Legende wird endlich gelüftet …

Diese fast schon klassisch anmutende Schauergeschichte um die Legende des Vampirs Sarkom hüllt sich in eine leise und dennoch absolut mitreißende Atmosphäre. Die raue Natur der Sierra de Guadeloupe, der Waldrand, das verschlafene Bergdorf und die etwas primitiv erscheinenden Dorfbewohner, welche sich in ihren Häusern hinter den geschlossen Vorhängen verschanzen, um der drohenden Gefahr nicht ins Gesicht blicken zu müssen, tun für die richtige Stimmung ihr Übriges.

Ich hatte großen Gefallen daran, mit Larry und Sancho durch die leergefegten nächtlichen Straßen zu spazieren, hinaus über die nebligen Äcker zu wandern bis zu dem düsteren, überwucherten Grab am Waldesrand. Hinzu kommt das Rätselraten darüber, was sich tatsächlich hinter dieser Zigeunerlegende verbirgt – haben wir es mit einem leibhaftigen Vampir zu tun oder sind Larrys Zweifel an dessen Echtheit trotz aller blutigen Indizien berechtigt? An dieser Stelle beweist Dan Shocker wieder seinen unverwechselbaren Ideenreichtum und serviert uns die Auflösung in einem tragischen, wohldurchdachten Finale mit dem passenden Aha-Erlebnis. Dabei manövriert er den Spannungsbogen von Anfang an in einer schnurgeraden präzisen Linie bis zu eben diesem Punkt und verzichtet diesmal gänzlich auf jegliche Nebenhandlungsstränge, die diesen Fluss womöglich hätten stören können.

Struktur stimmt, Handlung stimmt, Atmosphäre stimmt, und die Geschichte büßt nur geringfügig ein, weil es eben doch das kleine kitschige Zwischenspiel mit diesem hübschen Zigeunermädel gibt. Ihre kompromisslose und risikofreudige Zuneigung zu unserem Helden wurde dann doch etwas zu plump herbeigeführt und hinterließ einen sehr klischeehaften Nachgeschmack. Dieses Einsprengsels „Romantik“ hätte es wirklich nicht bedurft …

_Das Geheimnis der Knochengruft_

Etwas außerhalb von Paris steht das Schloss des seltsamen Vicomte de Moulliere. Drei junge Mädchen, die der ältere Herr als Hausgehilfen angestellt hatte, sind auf ungeklärte Art und Weise verschwunden. Yvette Revlon, die letzte Vermisste, arbeitete undercover für eine Geheimorganisation, welche sich unter anderem brennend für die Forschungen de Moullieres zu interessieren scheint.

Mittlerweile ist auch die PSA auf die seltsamen Ereignisse in dem Schloss aufmerksam geworden und bringt zwei ihrer besten Agenten ins Spiel. Larry Brent macht sich auf die Suche nach einer gewissen Claudia Pascal. Sie soll ebenfalls als Hausmädchen bei dem Vicomte gearbeitet haben, doch noch teilt sie das Schicksal ihrer Genossinnen nicht – noch nicht, denn bevor Larry die junge Dame – welche an den drastischen Folgen einer Art Verstrahlung zu leiden scheint – ausgiebig befragen kann, wird auch sie von einem Unbekannten ermordet.

Morna Ulbrandson schleust sich als Anwärterin auf die freie Hausmädchen-Stelle in Schloss Moulliere ein. Schon bei ihren ersten Nachforschungen stößt sie auf einige unheimliche Gegebenheiten in dem verwinkelten Gemäuer. In einem fensterlosen Anbau ist ein Terrarium untergebracht, welches mit allerlei mutierten Pflanzen und Tieren vollgestopft scheint. Zusätzlich widmet sich der Vicomte in seinem verborgenen Labor diversen Forschungen im Bereich der Strahlenforschung, welche sicherlich nicht für die Öffentlichkeit bestimmt sind. Schreckliche Schreie aus dem Gewölbe zeugen von dem Horror, der sich im Keller des Schlosses abspielen muss.

Es dauert nicht lange, bis Morna das Rätsel um das grausige Schicksal der verschollenen Hausmädchen und die Knochengruft lösen kann, doch dieses Wissen soll sie ihr Leben kosten …

Der durchgeknallte Pseudo-Wissenschaftler schlägt wieder zu, nur dass sein Themengebiet diesmal gar nicht ganz so abwegig ist, außer dass die Folgen der Strahlenverseuchung dann doch ziemlich übertriebene Züge annehmen. Da löst sich das Fleisch in Minuten von den Knochen und lässt von den bedauernswerten Opfern nur noch die blanken Gerippe übrig. Sicherlich Horror pur – vor allem die tatsächlich in ihrem grausigen Zustand noch lebende Irene Duval, welche als mordlüsternes Skelett durch die Gewölbe von Schloss Moulliere spukt, sorgt für den entsprechenden Schockeffekt. Dazu kommt dieses Terrarium der Mutanten, verursacht durch die Folgen der Strahlenforschung; ebenfalls ein Glanzstück aus Dan Shockers Trash-Kiste.

Auch wenn man stellenweise dann doch etwas über die haarsträubenden Theorien schmunzeln muss, welche sich hier zusammenfügen, bekommt man wieder mal einen netten Mystery-Thriller serviert. Hier und da fehlt mir etwas die fesselnde Atmosphäre, da plätschert die Handlung gelegentlich etwas eintönig durch das Schloss, um dann aber doch wieder durch ein paar Spannungsmomente aufgefangen zu werden.

In der ersten Story werden wir also mit einer klassischen Schauergeschichte verwöhnt – die Jagd auf einen Vampir in einer rauen, wildromantischen Landschaft. Anschließend schlägt die moderne Wissenschaft zu, welche mal wieder auf die schiefe Bahn geraten ist und ohne Rücksicht auf das menschliche Leben ihren teuflischen Forschungen nachgeht. Zwei Themengebiete, die man immer wieder mal in der Larry-Brent-Serie findet, denen Dan Shocker dennoch jedes Mal eine ganze eigene ansprechende Färbung verleiht.

Apropos Färbung: Pat Hachfeld hat wieder zugeschlagen und beiden Geschichten seinen ganz eigenen Stempel aufgedrückt – diesmal mit einer Detailtreue und Dynamik, die mir sogar noch besser gefällt als seine symbolisch angehauchten Werke. Der Vampir und das verhüllte Gerippe sind zwei hervorragende Exemplare.

Für das Cover wurde Lonatis Meisterwerk für „Der Sarg des Vampirs“ gewählt, was eine löbliche Entscheidung ist. Das Original-Cover der zweiten Geschichte verrät dann doch einfach zu viel über „Das Geheimnis der Knochengruft“.

Dann sollte ich noch die kleinen Ausbesserungen und Anpassungen erwähnen, die der |BLITZ|-Verlag in Angriff genommen hat. Nicht nur die fahrlässigen Rechtschreib- und Logikfehler aus der Vorlage sind ausgemerzt worden, sondern man hat auch den Zeitrahmen überarbeitet. Spielte „Der Sarg des Vampirs“ im Original noch im Jahre 1981, so wird hier die Handlung in das Jahr 1999 verlegt, was man in Anbetracht der Neuauflage dieser Serie absolut positiv unterstreichen kann. Man darf also weiterhin gespannt sein …

http://www.BLITZ-Verlag.de

Wilson, Charles – Sharks! Gefahr aus der Tiefe

An der Küste des US-Staates Mississippi, dort, wo der gleichnamige Fluss sein riesiges Delta bildet, bevor er in den Golf von Mexiko und damit ins offene Meer mündet, treibt ein Untier sein Unwesen. Die ersten beiden Opfer sind zwei Kinder, und dann erwischt es zwei Fischer, bevor die Behörden aufmerksam werden.

Matt Rhiner von der Küstenwache beschäftigt seit einiger Zeit eine Reihe eigentümlicher Wrackfunde vor der Küste; die Schiffskörper sehen aus, als seien sie auf offener See in eine Schrottpresse geraten. Admiral Vandiver, der Direktor des US- Marinenachrichtendienstes, liebäugelt dagegen mit einer abenteuerlichen Theorie: Was wäre, wenn der sagenhafte Megalodon, eine Haifischart, von der die Wissenschaft vermutet, dass sie mehr als 30 Meter Länge erreichte, nicht wie bisher vermutet vor Millionen von Jahren ausgestorben ist, sondern in der unerforschten Tiefsee überleben konnte und nun durch eine Laune der Natur in die flachen Küstengewässer vertrieben wurde?

Leider hält sich Vandiver, der nicht ohne Grund um seinen Ruf bangen müsste, wenn die Marine von seinem Steckenpferd (bzw. Monsterhai) erführe, sehr bedeckt. Trotzdem ordnet er eine Untersuchung an, weiht aber nur seinen Neffen, den Leutnant zur See Douglas Williams, in seine Theorie ein und schickt ihn an die Küste, um sich dort quasi inkognito umzusehen. So bleibt die Bevölkerung ungewarnt und ahnungslos, während sich einige wahrlich ungeheuerliche Gäste aus der Urzeit der Küste nähern …

Willkommen im Haifischbecken des Fast-Food-Unterhaltungsromans, wo es gilt, möglichst viele Leser zu schnappen, bevor sie merken, dass sie einem Raubfisch in die Falle gegangen sind, der es auf ihr Geld abgesehen hat. Dann ist es meist zu spät, und das Opfer bleibt belämmert und um eine trübe Erfahrung reicher mit einem Buch in der Hand zurück, das es zu Hause verschämt in eine möglichst dunkle Ecke des Regals schiebt.

Dies ist das Biotop, in dem Geschöpfe wie der Autor Charles Wilson prächtig gedeihen. Er hat noch niemals in seiner offensichtlich recht erfolgreichen Karriere einen eigenen Gedanken gehabt und ist stets prächtig damit gefahren, erfolgreiche Vorbilder einfach abzukupfern. Auf seiner Veröffentlichungsliste finden sich außer den \“Sharks\“ das obligatorischen Garn vom dämonischen Serienkiller (\“Ein stiller Zeuge\“) sowie gleich zwei dreiste Rip-offs des Preston/Child-Bestsellers \“Relic – Museum der Angst\“ (\“Ahnherr des Bösen\“ und \“Expedition ins Grauen\“), wobei sich der Autor auch großzügig bei Philip Kerr (\“Esau\“) und selbstverständlich Michael Crichton (\“Congo\“) bedient.

Für \“Sharks!\“ plündert Wilson nun einen anerkannten Klassiker (natürlich ist Peter Benchleys \“Der weiße Hai\“/\“Jaws\“ von 1974 gemeint) und eine echte Gurke (Steve Altens \“Meg – Die Angst aus der Tiefe\“/\“Meg\“, 1997; zwei Jahre später kongenial schundig fortgesetzt mit \“Höllenschlund\“/\“The Trench\“). Man muss ihn schon wieder bewundern, denn wer außer einem wahrlich unerschrockenen Geist würde es wagen, dieses ausgefahrene Gleis anzusteuern? Die Geschichte vom bösen Hai, dem Monster, das aus der Tiefe kommt, den Menschen dort angreift, wo er fremd ist und daher verletzlich, und dadurch beinahe instinktive Urängste weckt, lässt sich nur geringfügig variieren: Hai taucht auf – frisst Schwimmer, Angler, Taucher – wird entdeckt und gejagt – frisst mindestens einen der Häscher – wird gestellt & nach hartem Kampf erlegt. Welche Abweichungen sind von diesem Plot schon möglich? Peter Benchley hat es selbst einmal versucht und dabei den eigenen Klassiker anscheinend auf die Schippe genommen, als er in \“Shark\“ (\“White Shark\“, auch \“Peter Benchley\’s Creature\“, 1995) einen Nazi-\’Wissenschaftler\‘ Menschen- und Haifisch-Gene mischen und ein Ungeheuer erschaffen ließ, das sogar auf dem festen Land umhergeistern konnte.

Wilson ist freilich nicht so souverän. Er geht auf Nummer sicher, und das heißt: mehr Haie, und größer werden sie auch. Nur kennen wir auch die Geschichte vom Baby-Monster, das in die Enge getrieben wird, was seine ungleich größeren Eltern auf den Plan ruft, ebenfalls nur zu gut. Seien wir außerdem ehrlich: Was ist erschreckend an einem 60 (!) Meter langen Hai? Das ist ein derartig übertriebenes Angstbild, dass es sich sofort in sein Gegenteil und damit ins Lächerliche verkehrt.

Der Leser, der vom \“Weißen Hai\“ noch nie gehört haben sollte, wird sich freilich recht gut unterhalten fühlen. Die zusammengeklau(b)ten Versatzstücke montiert Wilson zu einem routiniert geschriebenen Abenteuergarn. Die obligatorische Liebesgeschichte und die Kind-in-Gefahr-Szene fehlen ebenso wenig wie allerlei pseudowissenschaftliche \’Erklärungen\‘ dafür, wieso plötzlich ausgerechnet vor der Mündung des Mississippi luftschiffgroße Urzeithaie auftauchen.

Den schwachsinnigen \’deutschen\‘ Titel hat \“Sharks!\“ freilich nicht verdient. Hier ist Charles Wilson mit \“Extinct\“ (= \“Auslöschung\“) eine viel schönere und dem Rummelplatzcharakter der Geschichte angemessene Kopfzeile eingefallen.

Hohlbein, Wolfgang – achtarmige Tod, Der (Der Hexer von Salem 4)

Band 1: [„Die Spur des Hexers“ 4081
Band 2: [„Der Seelenfresser“ 4141
Band 3: [„Engel des Bösen“ 4206

„Der achtarmige Tod“, der vierte Band in der neu überarbeiteten „Der Hexer von Salem“-Reihe von Wolfgang Hohlbein, stellt so etwas wie einen Wendepunkt dar. Die ersten drei darin enthaltenen Heftromane schließen nämlich den ersten Zyklus, namentlich den Dagon-Zyklus, innerhalb der Serie ab und legen zugleich den Grundstein für den darauf folgenden und ebenfalls in diesem Band beginnenden Zyklus um die sieben Siegel der Macht.

Aus den Einzelepisoden sind folgenübergreifende Geschichten geworden, die dem Hexer nur zugute kommen. Denn obwohl das Schema vergleichbar bleibt und Robert Craven weiterhin in jeder Episode gegen einen neuen Schurken bestehen muss, ist die Bedrohung durch die wirklich gefährlichen cthuloiden Wesen und einen fast unbezwingbar anmutenden Magier namens Necron durch die Verknüpfung mehrerer Folgen greifbarer geworden. Doch pulpig bleibt es, und so fährt auch „Der achtarmige Tod“ eine Mischung aus Horror, Action und Humor auf, die mit einem Augenzwinkern aufgenommen werden sollte und sich selbst nicht als Meilenstein der anspruchsvollen Literatur versteht, sondern schlicht und ergreifend unterhalten möchte.

_Inhalt_

Im letzten Band haben sich die Ereignisse bereits zugespitzt, nun steuert alles auf ein breit angelegtes Finale zu, das sich über drei Folgen erstreckt. Seinen Höhepunkt findet dieses in „Krieg der Götter“, in dem Craven und seine Verbündeten Nemo (kein Geringerer als der Kapitän des U-Bootes Nautilus), Howard und Rowlf gegen Dagon selbst bestehen müssen, und das während eines Vulkanausbruchs auf der Insel Krakatau. Einmal mehr wird die Handlung also vor dem Hintergrund einer historischen Begebenheit gesponnen, die für sich genommen bereits genug Potenzial geboten hätte. Mit dem Ausbruch begnügt sich der Hohlbeins „Hexer“ aber freilich nicht, denn nichts ist mehr, wie es scheint, und während die Welt um Craven herum sprichwörtlich zu explodieren beginnt, entpuppen sich viele Weggefährten als seelenlose Marionetten böser Götter oder – zum Glück wendet sich nicht alles zum Schlechten – einige vermeintliche Feinde als plötzliche Verbündete. Die Welt steht jedenfalls auf dem Kopf und der Spannungsbogen, mit dem über drei Folgen hinweg der begrenzte Schauplatz der Insel ausgenutzt wird, um einen Endkampf zu schildern, der über das Fortbestehen oder das Ende der Menschheit bestimmt, wird bis zum finalen Paukenschlag gehalten.

Natürlich kann das Ende der Welt verhindert werden. Aber auch an einem Robert Craven geht so ein Kampf nicht spurlos vorüber. Es ist geschwächt und braucht von den zurückliegenden Ereignissen ein wenig Abstand. Daher begibt er sich in „Die Hand des Dämons“ nach Kalifornien. Urlaub nehmen und faul in der Sonne liegen kann und will er aber nicht, denn obwohl Dagon zurückgeschlagen worden ist, haben die Feinde nur eine Schlacht verloren. Der Krieg geht weiter. Um die Machenschaften des dunklen Magiers Necron, der den Untergang der Insel Krakatau überlebt hat, ausfindig zu machen, sucht Craven nach Hinweisen, die auf seine Drachenburg deuten. Jene Burg, so vermutet Craven, die Necron als Zufluchtsstätte und als Stützpunkt dient, von dem aus er Schrecken über die ganze Welt verbreitet.

Der Hexer beginnt seine Suche in dem Örtchen Arcenborough, nicht zuletzt deshalb, weil er Teilhaber einer dort ansässigen Firma ist. Doch anstatt in dem Dorf in aller Ruhe die weiteren Schritte zu planen, entpuppt sich die Fabrik, die nicht im Zentrum seines eigentlichen Interesses stand, als wahre Ausbeutungsmaschine der dort beschäftigten Arbeiter – Marx hätte für sein Manifest kein besseres Beispiel für die Schattenseite des Kapitalismus wählen können. Während Craven also versucht, die Situation der Arbeiter zu verbessern, kommen ihm einmal mehr Kultisten in die Quere. Immerhin, das ergibt sich als einzige positive Folge, muss er nun nicht mehr nach ihnen suchen. Schließlich kann er sich darauf verlassen, dass dort, wo Kultisten auftauchen, auch Necron nicht weit sein kann.

Nach diesem Setting – man möchte fast von einem leicht gesellschaftskritischen Setting mit allerdings weiterhin nicht ganz ernst gemeintem Unterton sprechen – geht es in der Episode „Der Zug, der in den Albtraum fuhr“ in eine ganz andere Richtung, nämlich in die der glorreichen Cowboys. Der wilde Westen ruft und der Hexer lässt sich nicht zweimal bitten. Natürlich sind auch hier schleimige Monster und wahnsinnige Gottesanbeter nicht weit entfernt, doch die Gefahren lauern auch in schießwütigen Banditen, einem aufgebrachten Indianerstamm und, damit der Mix noch ein bisschen bunter wird, in einem Dinosaurier, der sich in einem Berg versteckt hat und es gar nicht mag, wenn man seine Ruhe stört.

_Bewertung_

Man kann vom „Hexer“ halten, was man will, doch dass Wolfgang Hohlbein, Frank Rehberg und die weiteren Mitautoren sich nicht davor scheuen, die Genres gnadenlos zu mischen, durch den Kakao zu ziehen und trotz aller Situationskomik noch eine übergreifende, spannende Haupthandlung aufzubauen, die alle Episoden miteinander verknüpft, sei ihnen hoch anzurechnen. Natürlich geht dabei so einiges schief, die historischen Fakten werden gerne über den Haufen geworfen und der Geschichte angepasst, so dass die Verbindungen dann doch ab und an arg konstruiert erscheint. Der Mut, neue Wege zu gehen, Epochen, Kulturen, Settings sowie fiktive und tatsächlich existierende Persönlichkeiten zu kombinieren, lässt über die kleinen Schönheitsfehler allerdings hinwegsehen, denn mit den ersten Folgen des Zyklus um die sieben Siegel erreicht die Serie des „Hexers von Salem“ ihren erzählerischen Höhepunkt.

Die Autoren wissen, wohin die Reise gehen soll, und Hohlbein kann sich für die ein oder andere Episode etwas zurücknehmen und anderen Schreibern den Vortritt lassen. Die Einfälle, mal die schlechten Arbeitsbedingungen in einer typisch zeitgenössischen Firma einzuweben, dann wiederum in den wilden Westen zu wechseln, wissen zu gefallen. Damit einher geht jedoch gleichfalls die Verpflichtung, auch in den folgenden Episoden immer abstrusere Ideen einzuflechten, um den Lesern Neues bieten zu können. Denn obwohl, wie schon beschrieben, der Hexer mit diesem Sammelband den Höhepunkt markiert und einige der besten Folgen der gesamten Serie enthält, kann die Romanreihe im späteren Verlauf nicht mehr an diese Qualität anknüpfen. Die Serie verliert sich, auch wenn in diesem Band noch nicht viel darauf hindeutet, in einem Netz aus Zeitsprüngen, wechselnden Epochen und Handlungen, die zwar als Einzelfolgen gesehen durchaus überzeugen können, dem „Hexer“ aus heutiger Sicht betrachtet jedoch langfristig eher geschadet als geholfen und schließlich zu seiner Einstellung als Heftromanreihe geführt haben.

„Der achtarmige Tod“ sei jedoch noch einmal empfohlen, denn er schließt den Dagon-Zyklus überzeugend ab und begibt sich dann mit dem Zyklus um die sieben Siegel auf eine experimentelle, mitunter spannende, in den folgenden Bänden jedoch mehr und mehr abstrusere Richtung. Sammlern der vollständigen Ausgabe sollte das natürlich egal sein, allen anderen seien die Geschichten in diesem Band noch ans Herz gelegt, bevor es dann mit den Folgebänden leider bergab geht.

http://www.bastei-luebbe.de/
http://www.hohlbein.net/

Shocker, Dan – Im Leichenhaus (Larry Brent, Band 8)

_Um Mitternacht im Leichenhaus_

Der Komponist Henry Olander verunglückt mit seinem Wagen auf einer Küstenstraße tödlich. Seine junge Witwe Karen möchte nach dessen Beerdigung nicht alleine sein, daher bietet ihre beste Freundin – die Schauspielerin Judy Bartmore – der Trauernden an, die nächsten Tage bei ihr und ihrem Ehemann Ernest zu verbringen.

Judy möchte am selben Abend noch ein paar Sachen für Karen aus dem Haus des Verstorbenen holen, als sie im Kleiderschrank auf eine Leiche stößt. Bevor sie sich jedoch näher mit dem Toten befassen kann, wird sie von einem Unbekannten betäubt, und der Angreifer sowie der Körper des Ermordeten sind nach ihrem Erwachen spurlos verschwunden.

Von diesem Moment an hat es wohl jemand auf das Wohlbefinden der Schauspielerin abgesehen. Ein anonymer Anrufer droht ihr permanent mit dem baldigen Tod, und ein gesichtsloser Mann entführt sie eines Nachts in ein Leichenhaus, in dem sie zu allem Überfluss mit dem ermordeten John Taylor konfrontiert wird; einem entwischten Häftling, der sich in an diesem makaberen Ort verstecken wollte, dort aber anscheinend von einer nicht ganz so toten Leiche niedergestochen wurde. Glaubte die Bartmore anfänglich noch, dass ihr ihre ohnehin schon angegriffene Psyche einen bösen Streich spielt, werden die Angriffe auf die Dame zusehends heftiger.

Letztendlich muss auch Larry Brents Schwester Miriam, die in Salisbury zusammen mit der Bemitleidenswerten an einer Theaterpremiere arbeitet, feststellen, dass man ihrer populären Schauspielkollegin tatsächlich nach dem Leben trachtet. Als Miriam beinahe selbst dem unheimlichen Gesichtlosen zum Opfer fällt, wird umgehend X-RAY-3 eingeschaltet, welcher sowieso bereits mit der gesamten Familie Brent in Salisbury weilt, um der Premierenfeier seiner Schwester beizuwohnen.

Larry deckt ein unglaubliches Komplott auf und wird am Ende mit einer gewaltigen Überraschung konfrontiert …

Ein wenig zu durchsichtig erschienen mir der klassische Autounfall und der mögliche Unfalltod einer gewissen Person, welches wie schon öfters einen Rattenschwanz an ominösen Ereignissen nach sich ziehen musste. Schon gleich auf den ersten Seiten stellte sich die Frage: Na, ist denn unser lieber Mr. Olander auch wirklich umgekommen? Erinnerungen an solche Geschichten wie „Die Treppe ins Jenseits“ (BLITZ-Band 3 „Die Todestreppe“) oder einfach nur „Die drei ??? und das Gespensterschloss“ ließen hier doch berechtigte Zweifel am Ableben Henry Olanders aufkommen.

Dennoch bastelt Shocker einen atmosphärisch absolut ansprechenden und gut durchdachten Grusel-Krimi zusammen, der mit einigen richtig stimmungsvollen Szenerien bestückt wird. Vor allem die schleichende Bedrohung gegen Judy Bartmore, die ebenso ahnungslos scheint wie der Leser, bereitet einige Stunden Vergnügen. Auch das nächtliche Treiben im Leichenhaus mit dem seligen Taylor und der wandelnden Leiche sorgen für die gewisse Portion Grusel.

Ab der Hälfte der Geschichte blickt man dennoch im Gegenteil zur gebeutelten Judy recht schnell hinter die Kulissen dieses düsteren Komplotts und ahnt, dass der Übeltäter am Ende wohl nicht allzu paranormal aussehen dürfte.

Alles in allem zwar nicht |der| Riesenknaller, aber eine passende Lektüre für einen nebligen kalten Herbstabend mit einer Tasse Tee oder einem Gläschen Whisky und dem obligatorischen Kürbis auf dem Fensterbrett …

_Im Todesgriff der Schreckensmumie_

Die siebenköpfige Expeditionsgruppe des englischen Gelehrten Eldin Jameson in Helwan (Ägypten) wird nach dem erfolgreichen Auffinden der Grabkammer der vierarmigen Hohepriesterin Khto-Ysiro anscheinend von einem schrecklichen Fluch verfolgt. Vier Teilnehmer aus dem Forscherteam sind seit der Rückkehr bereits verstorben, wobei die eigenartigen Todesfälle in der Öffentlichkeit als Unfälle abgetan werden. Jameson selbst gilt als verschwunden.

David Gallun alias X-RAY-1 ist von dieser Theorie nicht überzeugt und beauftragt den PSA-Agenten X-RAY-17 mit den entsprechenden Nachforschungen. Es haben sich Hinweise darauf ergeben, dass die Mumie der Priesterin aus der Pyramide in Helwan nach London geschmuggelt wurde. Bevor die PSA jedoch an präzisere Hinweise gelangen kann, wird X-RAY-17 ebenfalls ermordet.

Umgehend werden Larry Brent und Iwan Kunaritschew auf den Fall angesetzt. Zufälligerweise konnten sie schon im Vorfeld einen gewissen Professor Bunter – ebenfalls ein Mitglied der Jameson-Expedition – auf der Straße vor einem Mordanschlag bewahren. Larry wird nach London geschickt, um dort für die Sicherheit der beiden überlebenden Gelehrten zu sorgen und mehr über die wahren Beweggründe der Expedition herauszufinden.

Iwans Weg führt nach Ägypten zu der Pyramide der Priesterin Khto-Ysiro, wo er sich zusammen mit dem PSA-Vertrauten Achman durch das beklemmende Labyrinth der Grabkammer kämpfen muss. Hier treffen sie auf die treuen und wiedererwachten Anhänger der geheimnisumwitterten Priesterin, die sich selbst auch als die Anhänger der Schwarzen Göttin bezeichnen. Sehr schnell stellt sich heraus, dass diese Gottheit und die Priesterin zu ein- und derselben Person geworden sind und dass diese Dame durch die Handlungen der Jameson-Expedition wieder zum Leben erweckt worden ist, wie es die alten Schriften bereits vorausgesagt haben.

In London muss sich Larry auch tatsächlich mit der leibhaftigen Khto-Ysiro herumschlagen und kann dabei nicht verhindern, dass er selbst in ihren tödlichen Bann gerät …

Die titelgebende Mumie ist kein modriger, in Bandagen gewickelter Leichnam, sondern eine wohl recht ansehnliche Dame, die aufgrund einer Missbildung mit vier Armen bestückt ist. Dan Shocker geht in diesem Fall mal wieder recht fantasievoll und innovativ zu Werke.

Nur eben die tatsächliche Handlung ist nicht allzu einfallsreich und neuartig. Da laden die Expeditionsteilnehmer einen tödlichen Fluch auf sich, weil sie mal wieder trotz aller Warnungen in der Grabkammer einer ägyptischen Prominenz zugange waren. Natürlich muss nun einer nach dem anderen sein Leben lassen. Auch die obligatorischen Anhänger dieser Dame und ihre recht wirren Riten wollten mir nicht wirklich schmecken – hatte ich schon mal erwähnt, dass ich keine Sekten-Storys mag?

Einfach zu konstruiert und übers Knie gebrochen gestalteten sich die Ereignisse in der Pyramide, wobei mir die beklemmende Atmosphäre da unten in dem engen Grabmal mit seinen vielen, düsteren Gängen hingegen ganz gut gefallen hat.

Zusätzlich hatte ich immer wieder den Eindruck, als ob Shocker selbst nicht so genau wusste, wie er denn die Existenz der Khto-Ysiro nun tatsächlich erklären soll; er verfängt sich zunehmend in den wildesten Theorien, welche sich aber nur schwerlich zu einem einheitlichen Bild verweben lassen. Und genau diese vielen Facetten werden dann abrupt und Hals über Kopf einem schnellen Ende zugeführt – schade!

_Insgesamt_

Und wieder sind in diesem Band zwei gänzlich unterschiedliche Abenteuer aus dem Larry-Brent-Universum verpackt. Zuerst ein düsterer Mystery-Thriller und anschließend eine klassische Gruselgeschichte, die mit altägyptischer Mumien-Magie verquickt wird. Der |BLITZ|-Verlag hat natürlich sein vorbildliches Lektorat auf den Text angesetzt, Sätze aus der Originalvorlage wie „… Vom Speiseraum aus führte eine Tür in eine Art Rumpelkammer, die als Lift getarnt war …“, die zu unfreiwilliger Komik führten, wurden entsprechend korrigiert oder zum Vorteil des Leseflusses gelegentlich auch entfernt.

Die Geschichte „Im Todesgriff der Schreckensmumie“ wird sogar mit einem zusätzlichen Anfang bestückt. Hier werden vor den dramatischen Ereignissen um Jerome T. Pratch zusätzlich auch die Todesfälle von Frank Burling und Professor Harris beschrieben.

Pat Hachfeld hat diesmal zwei wirklich sehr ansprechende Illustrationen zum Besten gegeben – keine metaphorischen oder symbolträchtigen Werke, sondern die nahezu lebensechte Wiedergabe von Larrys Gegenspielern aus der jeweiligen Handlung.
Beide Geschichten zählen zwar leider nicht unbedingt zu den besten der Serie, dennoch lassen sich hier allemal ein paar Stunden netter Unterhaltung in einem ansprechenden Rahmen für einen dunklen Herbstabend ausfüllen …

http://www.blitz-verlag.de

Ketchum, Jack – Beutezeit

Privat und beruflich arg gestresst, beschließt die Lektorin Carla eine Auszeit und mietet sich in Dead River – einem kleinen Ferienort an der Ostküste des US-Staates Maine – eine ruhig und abseits gelegene Holzhütte. Damit die Eingewöhnung nicht so schwerfällt, lädt sie ihre Schwester Marjie, ihren Freund Jim und ihren Ex-Freund Nick ein. Marjie bringt ihren momentanen Lebensgefährten Dan mit, während Nick mit Laura zusammen ist.

Des Nachts kommt sich Carla manchmal beobachtet vor, doch sie schiebt dies auf die Nervosität der ehemaligen Großstädterin. Das wird sich rächen, denn an anderer Stelle erkennt Sheriff Peters, dass Ungutes in Dead River umgeht. Eine Touristin wird halbtot aus dem Meer gezogen. Sie gibt zu Protokoll, von einer Gruppe verwilderter, in Tierfelle gehüllter Kinder und Jugendlicher überfallen worden zu sein, die sie buchstäblich gejagt und über eine Klippe getrieben haben.

Sollte etwas dran sein am Fluch von Catbird Island, einer vor der Küste gelegenen Insel, auf der im 19. Jahrhundert einige Menschen spurlos verschwunden sind? Haben diese etwa eine von Zeit, Zivilisation und Gesetz vergessene Kolonie gegründet, auf deren Speiseplan nicht nur die Wildtiere des Waldes, sondern auch die Touristen von Dead River stehen? Peters recherchiert und muss feststellen, dass in seinem Revier schon lange mehr Menschen verschwinden, als die Statistik es gestattet. So beschließt er, der Sache auf den Grund zu gehen.

Für Carla und ihre Gäste ist es da leider schon zu spät. Sie müssen feststellen, dass ihre Hütte inmitten des ‚Jagdreviers‘ der Wilden steht, die sich hocherfreut über die frische Beute hermachen …

Im Zeitalter brachialer Horrorfilme wie „Saw“, „Wrong Turn“ oder „Seed“ ist es kaum zu glauben, aber dennoch wahr: Als Jack Ketchum 1980 seinen Roman „Off Season“ vorlegte, erhob sich ein Sturm der Entrüstung. Viel zu explizit sei seine Geschichte vom Überlebenskampf einer in der Wildnis gefangenen Touristengruppe mit einer Rotte vertierter Menschenfresser, mahnte bereits der Verlag, der das Manuskript immerhin angekauft hatte. (Die Irrfahrt des Manuskripts beschreiben Horror-Experte Douglas E. Winter in einem Vorwort und Autor Ketchum in einem Nachwort zur Ausgabe von 1999.)

Diese Reaktion überrascht, markieren die Jahre um 1980 doch eine Ära, in der wahrlich schonungslose Filme wie „The Texas Chainsaw Massacre“ (1974; Regie: Tobe Hooper), „The Hills Have Eyes“ (1977; Regie: Wes Craven) oder „Mother’s Day“ (1980; Regie: Charles Kaufman) entstanden, die auf ähnlichen Plots basierten. Aber Ketchum beging eine Sünde, die ihm nicht verziehen wurde: Er lotete nicht nur allzu schonungslos die Abgründe aus, die sich in der menschlichen Seele auftun können, sondern verweigerte seinen Lesern ein Happy-End. Das ist nach Ansicht politisch korrekter Vordenker und selbsternannter Tugendbolde freilich zu meiden; das reale Grauen muss nach ihrer Auffassung symbolhaft durch Umschreibungen getarnt werden, hinter denen sich empfindsame Leser verschanzen können, und im Finale hat ‚das Gute‘ zu siegen (wobei das Niedermetzeln der ‚Bösen‘ dazu keinesfalls im Widerspruch steht).

Vor einem Vierteljahrhundert war ein Verstoß gegen diesen Kodex dem Debütanten Ketchum unmöglich. Also erschien eine zusammengestrichene und entschärfte Fassung, die nichtsdestotrotz für Aufsehen sorgte, obwohl sie der Verlag rasch und unauffällig aus dem Verkehr zog. Die Story ließ sich zum Verdruss der „moral majority“ einfach nicht ihrer Widerhaken berauben, während liberal denkende Zeitgenossen auch im kastrierten Text noch die moralische Sprengkraft erkannten.

„Off Season“ wurde zum Mythos, und 1999 war die Zeit endlich für eine „Unexpurgated Edition“ gekommen. Allerdings hatte der Verfasser das Original zwei Jahrzehnte zuvor frustriert in den Abfall geworfen. Jack Ketchum musste sein Buch quasi aus dem Gedächtnis rekonstruieren. „Off Season“ von 1999 ist deshalb nicht identisch mit dem ursprünglichen Text, zumal der Verfasser die Gelegenheit nutzte, die Geschichte zu überarbeiten.

Bissig ist sie nun wieder. Im 21. Jahrhundert kann „Off Season“ freilich keine Offenbarungen mehr bieten. Die Zeit hat diesen Roman eingeholt. Wer begreifen möchte, welchen Schock er den Lesern von 1980 zumuten sollte, muss entweder die Existenz von Filmen wie „Wrong Turn (1 u. 2)“, „The Hills Have Eyes“ (gemeint sind die Neuverfilmungen, Teil 1 u. 2) oder „Texas Chainsaw Massacre“ bzw. „TCM: The Beginning“ vergessen oder sich bewusst machen, dass „Beutezeit“ eine der Hauptquellen ist, aus denen die jungen Wilden des aktuellen Horrorfilms ihre Inspiration schöpfen.

Dennoch geht es knochenknackend hart und blutspritzend eklig zu. Ketchum redet nie um die Dinge herum – er schildert sie detailgetreu und weigert sich abzublenden. Er lässt uns keine Möglichkeit zum Entkommen, wir müssen mit ihm und den gequälten Figuren den blutigen Weg bis zu seinem Ende gehen.

Dabei schwelgt Ketchum nicht in Metzeleien um der Metzeleien willen, sondern verfolgt einen Zweck mit der Darstellung expliziter Scheußlichkeiten. Das erkennt der Leser schon an einem Gefühl, das sich in den oben genannten Filmen nur selten oder gar nicht einstellt: Unbehagen. In „Beutezeit“ wird nicht zur gruselvergnüglichen Unterhaltung gemordet. Der Tod und vor allem das Sterben sind bei Ketchum schmutzig, ekelhaft, erschreckend. Nicht einmal die im Horrorfilm beliebte ‚Erlösung‘ – das Monster tötet, deshalb ‚dürfen‘ seine Opfer noch gewaltsamer zurückschlagen – gönnt er uns. Der Verweigerung des Happy-Ends geht das Rühren an grundsätzlichen Tabus voran: Nachdem sie ausgiebig von ihren Peinigern geschunden wurde, entdeckt Marjie die eigene, bisher tief in ihrer Seele begrabene Ader für Grausamkeiten. Sie wehrt sich nicht nur, sondern gibt diesem Drang nach, verwandelt sich letztlich selbst in eine Wilde.

Diese Volte, die Ketchum zudem meisterlich in knappe aber eindringliche Worte zu fassen vermag, ist harter Tobak. „Beutezeit“ endet nach dem obligatorischen Gemetzel an den Außenseitern wie gesagt nicht mit einem Happy-End. Der Schrecken lebt in den Überlebenden fort, und niemand weiß, ob oder in welcher Gestalt er erneut ausbrechen wird: ein starkes Ende.

In drei Gruppen gliedert Ketchum seine Figuren, und die ihnen innewohnende Dynamik stellt er trotz der Kürze des Romans sorgfältig dar. Der Blickwinkel wechselt, die Gruppen bleiben bis zum Finale getrennt. Bis dahin machen ihre Mitglieder Erfahrungen, die sie physisch und psychisch zeichnen werden.

Beides trifft natürlich in erster Linie auf die bedauernswerten sechs Urlauber zu, die sich genau dort einquartieren, wo sie fehl am Platze sind. Carla und Marjie, Jim und Nick, Laura und Nick repräsentieren durchschnittliche Männer und Frauen um die 30. Die ersten großen Stürme des Lebens liegen hinter ihnen, sie haben in der Gesellschaft ihre Plätze gefunden. Der Trip in den Wald bereitet ihnen nur insofern Sorgen, als sie die Fortsetzung alter Streitigkeiten fürchten.

Die Attacke der Kannibalen zerstört sämtliche Lebensregeln, die sie erlernt zu haben glauben. Sicherheit ist eine Fiktion, der Zufall dagegen ein mächtiger Faktor. Die starke Carla stirbt, ihre ‚kleine‘, als ’schwach‘ charakterisierte Schwester überlebt nicht nur, sondern entwickelt einen Selbsterhaltungstrieb, der nahtlos in Mordlust übergeht.

Die drei Männer dieser Gruppe ‚versagen‘ in ihrem ‚Auftrag‘, die Frauen zu ‚beschützen‘ – ein weiterer Affront gegen Leser, die eine traditionelle Rollenverteilung schätzen. Nick kommt ihm zwar nach, doch die ‚Belohnung‘ bleibt aus – er findet ein absurd überflüssiges Ende (das Ketchum aus Romeros Filmklassiker „Night of the Living Dead“ ‚übernommen‘ hat, wie er offen zugibt).

Die Gruppe der Polizisten wird dominiert vom Veteranen Peters. Er kennt und liebt seinen Job, obwohl ihm bewusst ist, dass er ihm zumindest körperlich nicht mehr gewachsen ist. ‚Seine‘ jungen Beamten sind noch nicht so weit, sagt er sich, und ahnt dabei nicht, dass auch er überfordert ist, als er das wahre Grauen trifft. Am Ende haben Peters und seine Leute voller Wut und Angst und nackter Mordlust unter den Kannibalen gewütet wie 1968 US-Soldaten im südvietnamesischen My-Lai – eine Anspielung, die Ketchums Leser 1980 sehr wohl registriert haben dürften. Peters bleibt seelisch zerstört zurück und gibt seinen Job auf.

Kannibalen sind es, die „off season“, d. h. außerhalb der offiziellen Urlaubs- oder Jagdsaison, Angst und Schrecken verbreiten. Ketchum gelingt es, sie gleichzeitig abstoßend und – es mag absurd klingen – ‚unschuldig‘ zu zeichnen. In ihrer isolierten Welt haben die Kannibalen nicht nur ihre Nische gefunden, sondern sich dort gemäß ihren Vorstellungen recht behaglich eingerichtet. Sie waren niemals Teil der menschlichen Gemeinschaft und kennen deshalb deren Gesetze und Regeln nicht. Sie haben eigene entwickelt, die wie eine Mischung aus Steinzeit und Ghetto anmuten. Was ihre Opfer als grausam empfinden, ist für sie normal. Das Leben in der Wildnis ist hart und kurz, und es hat diese Gruppe geprägt. Touristen sind für sie nur eine weitere Jagdbeute, die in ihrem Gepäck zusätzlich willkommene Gaben tragen. ‚Zeitvertreib‘ bedeutet Folter und Mord, doch würde man einer Katze solche Motive unterstellen, weil sie mit einer Maus spielt?

Kompromisslos bis in den Tod wehren sich die Kannibalen gegen ihre Angreifer. Sie können gar nicht anders, haben es nie anders gelernt. Schon die Kinder haben den alltäglichen Kampf ums Überleben verinnerlicht. (Übrigens begegnete man „Off Season“ auch deshalb so feindselig, weil Ketchum Kinder als Killer darstellte und sie bestialische Tode sterben ließ.) Deshalb fliehen selbst im Angesicht der finalen Übermacht nicht, obwohl sie die Möglichkeit haben, sondern greifen an. (Gleichwohl ist Jack Ketchum auch nur ein Mensch: Gegen gute Bezahlung wrang er sich 1991 mit „Offspring“ eine Fortsetzung zu „Off Season“ aus dem Hirn: Einige gefräßige Kannibalen-Kinder haben überlebt und terrorisieren eine neue Generation von Touristen …)

Letztlich ist es die Normalität des monströsen Geschehens, die beeindruckt: Das Aufeinandertreffen der drei Gruppen fällt so aus, wie es außerhalb Hollywoods ausfallen musste. Tod und Verderben trifft sie alle, die Grenzen zwischen Tätern und Opfern verschwimmen. Das wollte Jack Ketchum seinen Lesern begreiflich machen, und das ist ihm – zuverlässig unterstützt von Übersetzer Friedrich Mader – wahrhaftig gelungen! Dass womöglich ein schaler Geschmack zurückbleibt, ist gewollt: Manche Medizin schmeckt bitter, aber sie wirkt.

Dass „Jack Ketchum“ ein Pseudonym ist, daraus machte Dallas William Mayr (geb. 1946) nie ein Geheimnis. Er wählte es nach eigener Auskunft nach dem Vorbild des Wildwest-Outlaws Thomas „Black Jack“ Ketchum, der es Ende des 19. Jahrhunderts sogar zum Anführer einer eigenen Bande – der „Black Jack Ketchum Gang“ brachte, letztlich jedoch gefangen und aufgehängt wurde.

Im Vorwort zur deutschen Erstausgabe von „The Girl Next Door“ (dt. [„Evil“) 2151 weist Stephen King außerdem darauf hin, dass „Jack Ketch“ in England der Spitzname für den Henker war und sich als Pseudonym für Mayr wesentlich besser anbietet, denn: „Immer klappt die Falltür auf, immer zieht sich die Schlinge zusammen, und auch die Unschuldigen müssen baumeln.“

Als Jack Ketchum durchlief Mayr diverse ‚Karrieren‘ als Schauspieler, Sänger, Lehrer, Literaturagent, Handlungsvertreter usw. – die typische Vom-Tellerwäscher-zum-Millionär-Laufbahn à la USA, nur dass Mayr nie wirklich seinen Durchbruch schaffte, da er sich als reichlich sperriger Schriftsteller erwies, der lieber im Taschenbuch-Ghetto verharrte als der Bestsellerszene Mainstream-Zugeständnisse zu machen – kein Wunder für „ein früheres Blumenkind und früheren Babyboomer, der erkannte, dass 1956 Elvis [Presley], Dinosaurier und Horror sein Leben retteten“. (So liest es sich jedenfalls in Mayrs ‚Biografie‘ auf seiner Website http://www.jackketchum.net.) Noch heute ist der Autor stolz auf eine Kritik der „Village Voice“, die sein Romandebüt „Off Season“ 1980 als „Gewaltpornografie“ verdammte.

Die Literaturkritik musste Mayr alias Ketchum inzwischen als unkonventionellen, aber fähigen Schriftsteller zur Kenntnis nehmen. 1994 gewann seine Story „The Box“ einen „Bram Stoker Award“, was Ketchum 2000 mit „Gone“ wiederholen konnte. Zudem wurde Ketchum mehrfach nominiert. Längst wurde auch Hollywood aufmerksam auf sein Roman- und Kurzgeschichtenwerk, das indes ob seiner Kompromisslosigkeit vor allem im plakativ Sexuellen prüden US-Amerika vor Problemen steht. Nach „The Girl Next Door“ entstand 2007 unter der Regie von Gregory Wilson und nach einem Drehbuch von Phil Nutman und Daniel Farrands ein eindrucksvoller, nicht leicht zu goutierender Spielfilm.

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Dan Shocker – Die Gruft (Larry Brent, Band 31)

Die Gruft der bleichenden Schädel

Zwei Jahre ist es her, als die Expedition des Wissenschaftlers Frank Hamshere zu einem noch relativ unerforschten Gebiet am Kinabalu in Borneo aufbrach, um dort intensive Nachforschungen über einen mysteriösen Eingeborenenstamm anzustellen. Seitdem gelten die Teilnehmer dieses Unternehmens als verschollen.

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Ketchum, Jack – Beutezeit

Die junge Lektorin Carla hat sich in die Einsamkeit der Wälder von Maine zurückgezogen, um einmal richtig auszuspannen. Zu diesem Zweck lädt sie zugleich ihren Geliebten Jim ein sowie ihre Schwester Marjie mit deren Freund Dan und ihren Ex-Freund Nick mit dessen Geliebten Laura. Die Stimmung ist ausgelassen und fröhlich, bis die Katastrophe über die sechs Menschen hereinbricht. Eine Familie verwilderter, degenerierter Kannibalen macht seit Jahren die Gegend unsicher und hat sich ausgerechnet jene Wälder als Jagdrevier auserkoren. Carla und ihre Freunde sind für die Menschenfresser die ideale Beute, und so beginnt eine Nacht des Grauens für die jungen Leute …

Der Roman ist bereits über 25 Jahre alt und erinnert wohl nicht ganz zufällig an Filme wie [„The Hills Have Eyes“]http://www.powermetal.de/video/review-911.html oder „Wrong Turn“. Mittlerweile ist man als Freund des härteren Horrors an solche Szenarien gewöhnt, und dennoch ist dieses Buch verstörend und grausam. Das Unterbewusstsein des Lesers ist zu einer viel eindringlicheren Auseinandersetzung mit der Thematik gezwungen, als es bei einem Film möglich ist, der nach gut 100 Minuten in der Regel vorbei ist. Vor einem Vierteljahrhundert waren derartige Storys jedoch noch eine echte Rarität, und so verwundert es nicht, dass Ketchum sein Manuskript ein wenig entschärfen musste. Die vorliegende Version ist jedoch die unzensierte Fassung des Romans und wird vom Verlag nicht zu Unrecht in der Reihe |Heyne Hardcore| publiziert.

Der Roman beginnt mit einer Hetzjagd, bei der eine Frau von einer Horde wilder Kinder gejagt und wirklich nur in letzter Sekunde gerettet wird, indem sie sich über die Klippen ins Meer stürzt, wo sie völlig verstört und schwerverletzt geborgen wird. Eine Szene, die durch ihren brutalen Charakter sehr real und bedrohlich wirkt, aber auch in anderen Werken gut darin vorkommen könnte. Auch auf den nächsten hundert Seiten, auf denen die Personen vorgestellt werden und man einen ersten Einblick in die Gesellschaftsstruktur der Wilden bekommt, sind noch nicht sonderlich hart und gewalttätig, so dass man sich unweigerlich fragt, wieso dieses Buch in der Reihe |Heyne Hardcore| erscheint und Psycho-Autor Robert Bloch sogar mit dem Satz zitiert wird: „Eines der erschreckendsten Bücher, die ich je gelesen habe.“

Bis dahin ist das Buch zwar auch spannend und kurzweilig geschrieben und man muss sich nicht durch zähe Einleitungskapitel quälen, aber der angepriesene Hardcore-Schrecken beginnt erst im dritten Teil – und zwar richtig. Der Terror bricht schlagartig und ohne Vorwarnung über die Menschen herein, und selbst der Leser, obwohl er das nahende Unglück bereits hautnah miterlebte, wird überrascht davon, wie schnell und brutal die Kannibalen zuschlagen. Was dann folgt, ist eine Belagerung der Überlebenden, die nicht ohne Grund an George A. Romeros Kultfilm „Die Nacht der lebenden Toten“ erinnert. Im Nachwort schreibt Ketchum, dass dieser Vergleich durchaus gewollt war, nur dass seine Opfer eben nicht durch Untote bedroht werden, sondern durch Menschen, die sämtlicher Zivilisiertheit beraubt nur noch instinktgetriebene Bestien sind. Und hier liegt auch das Erschreckende, Verstörende des Romans verborgen. Das Grauen ist real und der Schrecken kein aus dem Grab auferstandener Toter, kein blutgieriger Vampir aus Transsylvanien und auch kein zottiger Werwolf, sondern eine Bande Zurückgebliebener, die ihre Leidenschaft für menschliches Fleisch entdeckt hat. Wer vermag zu sagen, was in der Einsamkeit riesiger Wälder alles auf den Menschen wartet?

Die Folterungen und Gräueltaten sind realistisch und schonungslos, und der entsetzte Leser weiß, dass außerhalb seines Bettes, seiner Badewanne oder seines Wohnzimmers, wo immer er auch gerade dieses Buch liest, Menschen solche Qualen durchaus erlitten haben und erleiden werden. Und warum eigentlich immer die anderen? Was sollte einen selbst vor einem solchen Schicksal bewahren? Und wie würde man selbst in einer solchen Situation reagieren? All diese Fragen beschäftigen bei der Lektüre des Romans.

In einem Buch, welches seine Figuren und Charaktere so lebensecht nahebringt, wie Ketchum dies gelingt, ist es unumgänglich, dass man sich mit der einen oder anderen Person identifiziert, und dann hat man das Problem, sich mit dem auseinanderzusetzen, was diese Leute im Roman erdulden müssen oder wozu sie gezwungen werden. Und für all diejenigen, die meinen zu wissen, wie es ausgeht, sei an dieser Stelle verraten, dass es sicherlich ganz anders enden wird. Ketchum zeigt, wie das Leben spielt, für Hollywood-Phantasien ist dabei kein Platz. Menschen reagieren hier menschlich; das gilt selbst für den zurückgebliebenen, kannibalischen Aggressor.

Der Leser wird nach diesem Horror-Trip glücklicherweise von einem Nachwort des Autors aufgefangen, so dass er mit seinen Gedanken und Emotionen nicht allein gelassen wird und erfährt, wieso und weshalb der Autor diese und jene Formulierung wählte und was er damit versucht hat auszusagen. Im Vorwort berichtet Douglas E. Winter über den Roman, darüber, was er empfand, als er ihn las, und was sich hinter einer so grausamen, ja menschenverachtenden, Geschichte verbirgt.

Das Cover ist fast schon gediegen, zeigt lediglich den muskulösen Arm eines Mannes mit einem blutigen Jagdmesser in der Hand. Doch die riesigen blutroten Lettern des Titels schleudern dem Betrachter ihre Botschaft mitten ins Gesicht: Jetzt ist „Beutezeit“, und wie die Opfer im Roman wird der Leser zur Beute der unerträglichen Spannung, bis zuletzt muss man weiterlesen, selbst wenn man die Gewaltdarstellungen nicht gutheißen will, aber man muss einfach wissen, ob die fiesen Menschenfresser am Ende nicht das erhalten, was sie verdienen.

_Fazit:_ Ein verstörender, gewalttätiger Horror-Roman, der einen echten und durchaus denkbaren Schrecken für den Leser bereithält. Ein Buch, welches zu Recht in der Reihe |Heyne Hardcore| erschienen ist und zeigt, wie dünn die Fassade der Zivilisation wirklich ist.

|Originaltitel: Off Season
Übersetzer: Friedrich Mader
285 Seiten|

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_Florian Hilleberg_

Heitz, Markus – Kinder des Judas

Leipzig, 2006: Die Krankenschwester Theresia besitzt die Fähigkeit, den baldigen Tod anderer Menschen vorherzusehen. Sie überwacht die Sterbenden und ruft kurz vor dem Ableben die Angehörigen herbei. Für die Patienten ist sie die Seele des Krankenhauses, wie ein Engel, der Trost in den letzten Stunden spendet. Niemand ahnt, dass Sia ein Doppelleben führt. Sie ist eine scheinbar alterlose Unsterbliche, eine Vampirin, die dem Bündnis der „Kinder des Judas“ angehört und bereits über dreihundert Jahre alt ist. Neben ihrem Beruf als Krankenschwester nimmt sie an illegalen Gladiatorenspielen teil, die sie dank ihrer übermenschlichen Kräfte nie verliert. Um ihr Gewissen zu ordnen, schreibt sie ihre Geschichte auf.

Das Osmanische Reich, um 1670: Die achtjährige Jitka lebt mit ihrer Mutter im serbischen Gebiet, das von den Türken beherrscht wird. Jitkas Mutter wird nach einer Intrige von den Besatzern gefangen genommen und getötet, dem Mädchen gelingt die Flucht auf den Hof des Lehnsherren. Bald darauf nimmt ihr totgeglaubter Vater Karol sie bei sich auf, dem sie zuvor nie begegnet ist. Er ist ein edel aussehender Wissenschaftler, der eine abgelegene Mühle bewohnt. Das wissbegierige Mädchen fasst Vertrauen und wird in den folgenden Jahren von ihm unterrichtet.

Mit vierzehn Jahren erfährt Jitka, die sich nun Scylla nennt, dass ihr Vater einem Geheimbund von Forschern angehört, in den sie ebenfalls eintreten soll. Scylla muss jedoch erkennen, dass die Mitglieder nicht nur Wissenschaftler, sondern auch Vampire sind – und sie selber ebenfalls. Als sie die wahren Ziele der „Kinder des Judas“ erfährt und sich von dem Bund lossagt, gerät die junge Frau in einen Zwiespalt, der sie und ihre große Liebe in höchste Gefahr bringt …

In „Ritus“ und „Sanctum“ widmete sich der Autor den Werwölfen, in „Die Kinder des Judas“ stehen Vampire auf dem Programm. Mit Vampiren verbindet man gewöhnlich schwarz gekleidete Blutsauger, die Knoblauch und Kreuze ebenso wie das Sonnenlicht meiden und nachts Jagd auf Menschen machen. Mit einigen Klischees wird hier aufgeräumt, sodass auch Vampirkenner gut unterhalten werden.

_Originelle Vampirdarstellung_

Die „Kinder des Judas“, denen Scylla angehört, distanzieren sich von den anderen vampirhaften Wesen, die wahllos über Menschen und Tiere herfallen. Die Gier nach Blut ist ihnen allen eigen, aber sie bemühen sich, diese Sucht zu unterdrücken. Wer dennoch seiner Schwäche nachgibt, zeichnet seine Opfer mit drei Kreuzen, die für die römische Zahl Dreißig stehen und an ihren verehrten Stammvater Judas erinnern, der einst für dreißig Silberlinge seinen Herrn Jesus Christus verriet. Ungewöhnlich, aber umso interessanter ist die ausgeprägte Religiosität und Christus-Verehrung der Vampire. Nicht nur, dass sie das Kreuz nicht fürchten, sie tragen es zumeist sogar selber. Judas ist in ihren Augen kein Verräter, sondern ein notwendiges Mosaikstein in der Heilsgeschichte, denn ohne sein Handeln wäre Christus nicht auferstanden – damit verfolgen die Anhänger eine gerade in der Neuzeit immer populärer gewordene Ansicht, die dennoch im ersten Moment irritiert, zumal wenn sie von Vampiren vertreten wird. Wer sich als „Judaskind“ bezeichnet, ist in Augen der ahnungslosen Bevölkerung ein Gottesverräter. Auch die Forschungen der Vampire, bei denen sie Leichname aus Friedhöfen bergen und sezieren, um anatomische und biologische Studien zu betreiben, werden missinterpretiert. Die eingelegten Körperteile stammen nach Vermutungen der Menschen von Lebenden, die grausam zu Tode gequält werden, an Forschungen mag hier niemand glauben, zu weit verbreitet ist das Bild vom menschenreißenden Vampir, der mit dem Teufel im Bund ist.

_Interessante Hauptfiguren_

Beide Erzählstränge drehen sich um Scylla, die als kleines Mädchen noch Jitka heißt, sich später nach der Rächerfigur aus der griechischen Mythologie umbenennt und im einundzwanzigsten Jahrhundert den Namen Theresia trägt. Das Hauptaugenmerk liegt auf der Vergangenheit. Der Leser verfolgt, wie die wissbegierige Jitka heranwächst, wie sie unter dem sorgsamen Blick ihres geheimnisvollen Vaters zu einer Gelehrten reift, deren Leben sich vorwiegend in der Bibliothek und im Labor abspielt. Furchtlos wie eine Medizinerin seziert sie bereits als junges Mädchen tote Menschen und lernt mit großer Begeisterung fremde Sprachen.

Trotzdem ist sie alles andere als eine farblose Streberin. Je älter sie wird, desto eingeengter fühlt sie sich in der abgelegenen Mühle. Daraus ergibt sich fast zwingend eine Liebelei mit dem gleichaltrigen Hirtenjungen Giure. In jugendlicher Naivität erhoffen sich die beiden eine gemeinsame Zukunft, ohne dass sie ahnen, dass Scyllas Vater diese Verbindung niemals dulden könnte. Scylla bleibt stets eine mutige Einzelkämpferin, die dennoch ihre Mühen damit hat, zwischen den Fronten zu stehen. Glaubhaft werden ihre Zwiespälte geschildert, sowohl die der jungen Frau im 17. Jahrhundert, die gerade von ihrem Vampirwesen erfahren hat, als auch die der Leipziger Krankenschwester, die immer noch mit ihrer jahrhundertealten Vergangenheit ringt.

Ein weiterer interessanter Charakter ist Scyllas Vater. Von klein auf glaubte Jitka, ein Jugendfreund ihrer Mutter, der als Soldat gefallene Radomir, sei ihr Vater gewesen, bis plötzlich Karol Illicz vor ihr steht und sie bei sich aufnimmt. Seine vornehme Kleidung samt Weißhaarperücke verwirren sie, auch seiner Angabe, dass er viele Jahre krank gewesen sei und sich daher nicht eher melden konnte, mag sie nicht recht trauen. Andererseits fühlt sie sich rasch geborgen bei ihrem noch fremden Vater, der der einzige Mensch geblieben ist, dem sie noch vertrauen kann. Je älter sie wird, desto mehr stören sie die Geheimnisse, die ihr Vater offensichtlich vor ihr bewahrt, obwohl sie gleichzeitig ahnt, dass er sie zu ihrem eigenen Schutz nicht in alle Dinge einweiht.

Eine äußerst bedrohliche Figur ist Marek, Scyllas Halbbruder, der sich ihr gegenüber zunächst charmant und ehrerbietig erweist, ehe sich herausstellt, dass er sexuelle Absichten hegt. Marek, der Scylla einst als Retter in der Not erschien, wird zu ihrem Todfeind und verfolgt seine Schwester über Jahrhunderte hinweg, bis es zur unvermeidlichen Konfrontation kommt. Die Liebesgeschichte zwischen Scylla und dem Deutschen Viktor von Schwarzhagen wird angenehm kitschfrei erzählt und tritt ohnehin erst spät im Buch in Erscheinung.

_Fokus auf Vergangenheit_

Historienfreunde kommen auf ihre Kosten dank des Erzählstranges, der zurück ins 17. Jahrhundert führt und dort größtenteils auf Gebiete des Osmanisches Reiches. Auch wenn die Kriege und die Politik der damaligen Zeit nur am Rand angesprochen werden, wird der Leser in den Aberglauben und die Lebensgewohnheiten der Menschen eingeführt. Adelige Schlösser werden ebenso zum Schauplatz wie Zigeunerwagen, und das Leben unter der türkischen Besatzung wird nicht romantisiert. Historische Personen wie der Medicus Glaser und der Obrist D’Adorno werden ebenso eingebunden wie die tatsächliche Vampirpanik 1732 in Medvegia, in der unerklärliche Todesfälle auf Vampire zurückgeführt und eine offizielle Untersuchungskommission eingeleitet wurden.

Die Sprünge in die Gegenwart fallen kürzer aus, sind aber trotz des vertrauten Terrains nicht weniger geheimnisvoll. Sia, deren Wunden sich sofort regenerieren und deren Schnelligkeit der von Menschen weit überlegen ist, tritt nachts maskiert zu illegalen Gladiatorenkämpfen an, die weltweit ausgestrahlt werden und die eine Atmosphäre morbider Faszination verbreiten.

_Wenige Schwächen_

Anzukreiden ist dem Roman in manchen Phasen eine unausgewogene Einteilung, was die Ausführlichkeit betrifft. Während viele Begebenheiten sehr detailliert geschildert werden, herrscht an anderer Stelle übertriebene Knappheit vor. Dies gilt besonders für den Teil, der Scyllas Erkenntnis folgt, dass sie eine Vampirin ist. Gleich mehrere Jahre ihres folgenden Lebens werden auf wenigen Seiten abgehandelt, ihre Entwicklung und ihr neuer Lebensstil kaum erläutert, sodass ein zu harter Sprung erfolgt. Ähnlich verläuft es kurz vor Schluss, als Scylla in wenigen Sätzen ihren Lebenslauf über gut zweihundert Jahre rekapituliert. Einmal fällt eine unrealistische Reaktion Scyllas auf, als ihr Vater gerade mit knapper Not einem tödlichen Angriff entkommen ist und sie sofort sehr nüchtern erscheint. Für empfindsame Gemüter geht es sicherlich an vielen Stellen zu blutig zu, die Kämpfe und Vampirjagden werden ohne Beschönigung formuliert, allerdings sollte jeder Phantastik-Leser ohnehin damit rechnen.

_Als Fazit_ bleibt ein sehr unterhaltsamer Vampirroman, der geschickt Historie und Horror miteinander verbindet. Der Vampirmythos wird abseits Graf Draculas und der üblichen Klischees erzählt und stellt eine interessante Hauptfigur in den Mittelpunkt. Wie schon in den Werwolf-Romanen „Ritus und „Sanctum“ werden Ereignisse aus der Vergangenheit und der Gegenwart miteinander verknüpft. Negativ fallen nur einige Stellen auf, in denen im Gegensatz zur sonstigen Ausführlichkeit die Ereignisse einiger Jahre zu knapp wiedergegeben werden.

_Der Autor_ Markus Heitz, geboren 1971, studierte zunächst Germanistik und Geschichte, ehe er als freier Journalist zu arbeiten begann. 2003 gelang ihm der Durchbruch als Schriftsteller mit dem Fantasyroman „Die Zwerge“. Es folgten zwei Fortsetzungen, der vierte Teil ist für 2008 angekündigt. Weitere Werke sind u. a. die Werwolf-Romane „Ritus“ und „Sanctum“.

http://www.pakt-der-dunkelheit.de/
http://www.knaur.de/

|Markus Heitz auf Buchwurm.info:|

[Interview mit Markus Heitz]http://www.buchwurm.info/artikel/anzeigen.php?id=56
[„Schatten über Ulldart“ 381 (Die Dunkle Zeit 1)
[„Trügerischer Friede“ 1732 (Ulldart – Zeit des Neuen 1)
[„05:58“ 1056 (Shadowrun)
[„Die Zwerge“ 2823
[„Die Zwerge“ 2941 (Hörbuch)
[„Die Rache der Zwerge“ 1958
[„Der Krieg der Zwerge“ 3074
[„Die dritte Expedition“ 2098
[„Ritus“ 2351 (Buch)
[„Ritus“ 3245 (Hörbuch)
[„Sanctum“ 2875 (Buch)
[„Sanctum“ 4143 (Hörbuch)
[„Die Mächte des Feuers“ 2997

Schreiber, Joe – Untot

Sue Young beginnt sich beruflich wie privat endlich in ihr neues Leben einzufinden. In Boston, US-Staat Massachusetts, lebt sie allein mit ihrer einjährigen Tochter Veda, nachdem Phillip, Ehemann und Vater, den sie schon seit ihrer Kindheit in dem kleinen Flecken Gray Haven kennt, sie vor 18 Monaten verlassen hat.

An einem unfreundlichen Winterabend stürzt Sues kleine Welt neuerlich in sich zusammen. Am Telefon meldet sich ein unbekannter Mann, der sie mit der Nachricht schockiert, Veda und ihr Kindermädchen Marilyn gekidnappt zu haben. Er will kein Geld, sondern fordert Sue auf, sich unverzüglich auf den Weg nach Gray Haven zu machen. Sollte sie sich weigern oder die Polizei verständigen, wird er Veda umbringen.

Sue geht kein Risiko ein. Obwohl in Panik, befolgt sie die Anweisungen des Entführers, der drakonische Strafen für jede Verzögerung oder Abweichung von seinen Befehlen androht. Dass er meint, was er sagt, weiß Sue spätestens dann, als der Mann ihr bei einem Zwischenstopp die Leiche von Marilyn ins Auto setzt.

Zu diesem Zeitpunkt ist Sue allerdings längst zu einem noch tieferen Grauen zurückgekehrt. Sie hatte einen guten Grund, Gray Haven den Rücken zu kehren. Im Sommer 1983 haben sie und Philipp, damals noch Kinder, einen berüchtigten Kindermörder gestellt, umgebracht und die Leiche unter einer Brücke begraben. Sie wurde nie gefunden, bis mehr als zwei Jahrzehnte später der Kidnapper Sue zwingt, die sterblichen Überreste zu bergen und in ihren Wagen zu schaffen, woraufhin die Irrfahrt durch die Nacht weitergeht bis zu einem kleinen Ort an der neuenglischen Atlantikküste.

Zwar versucht Jeff Tatum, ein Teenager aus Gray Haven, die Pläne des Mörders zu durchkreuzen. Er kennt ihn als Isaac Hamilton, einen Serienkiller aus dem Totenreich, und er will dessen Treiben endlich beenden. Sue soll ihm dabei helfen, aber Hamilton ist allgegenwärtig, und er & seine toten Schergen reisen nicht nur schnell, sondern sind auch unerbittlich …

Wo ist er geblieben, der echte, blanke Horror, der kein subtiles Grauen durch Andeutungen und huschende Spukgestalten verbreitet, sondern hart und deutlich die Mächte der Finsternis bei ihrer blutigen Arbeit zeigt? Im Film ist er so präsent wie nie, doch in der phantastischen Literatur fristet er ein Mauerblümchendasein. Unfreundliche Kritiker hassen ihn und haben ihn sofort im Visier, wenn er sein hübsch-hässliches Haupt erhebt. Die Phantastik soll ihr Genre-Ghetto verlassen, gefälligst ‚erwachsen‘ und präsentabel werden, und da stört er gewaltig, denn das wird und will er nie.

Leider sind die meisten Autoren, die sich dem eigentlichen Horror widmen, höchstens Zeilenschinder, die sich und ihre Geschichte durch pure Unfähigkeit nicht nur der Kritik, sondern auch der Lächerlichkeit preisgeben. Nicht viele fähige Schriftsteller lassen es krachen, ohne um ihren Ruf zu bangen, und diejenigen, die es dennoch wagen, zahlen ihren Preis dafür. Dabei kann es ungemein unterhaltsam sein, wenn das Böse sich brachial seinen Weg bahnt. Wieso haben Schlagetots wie Jason Vorhees, Michael Myers oder Freddy Krueger wohl so viele Fans? In diese Runde reiht sich Isaac Hamilton mit seiner Flinte und seiner Vorliebe für zerschossene Augäpfel würdig ein.

Buchstäblich geradlinig erzählt Schreiber seine Geschichte: Sie folgt einem Kurs, der von der Landkarte vorgegeben wird. Die Idee, dass sich Tote wecken lassen, indem ihr ‚Erwecker‘ – in unserem Fall weiblichen Geschlechts – einer bestimmten Fahrtroute folgt, ist fast originell. Vor allem funktioniert sie, denn von Ort zu Ort steigert Schreiber die Intensität, mit der die Toten sich melden.

Dass die unfreiwillige ‚Assistentin‘ des Bösewichts nicht aus der Reihe tanzt, garantiert die Entführung ihrer Tochter. Die Platzierung in der Schublade „Muttertier“ (s. u.) sichert diesen Teil der Handlung und sorgt für zusätzliche Spannung: Wird der grässliche Unhold dem armen Baby wehtun?

Die Antwort soll hier ausbleiben, doch vermutlich genügt die Andeutung, dass Schreiber im Finale seiner Horrorgeschichte einerseits die Munition ausgeht, während er andererseits gewaltigen Pulverdampf verbreitet: Dosierte er den Schrecken bisher sorgfältig, so lässt er ihm nunmehr sämtliche Zügel schießen. Er übertreibt es maßlos, lässt Zombiehorden umhertorkeln, den bitterbösen Hamilton spuken und den Wintersturm rasen. Trotz der geballten übernatürlichen Übermacht kann Sue obsiegen, doch wie sie das schafft, wirkt keineswegs überzeugend.

Selbstverständlich – so muss man heute leider sagen – folgt im letzten Absatz der unlogisch aus der Luft gegriffene, aber gern benutzte Ätsch-Bätsch-Twist, der suggeriert, dass der Schurke gar nicht ausgeschaltet ist, sondern sein übles Spiel umgehend fortsetzen wird: Ring frei für Runde zwei bzw. eine Fortsetzung. Schade, dass Schreiber diesen flauen Trick anwendet.

„Untot“ ist das literarische Gegenstück zu einem Zwei-Personen-Stück. Die schauspielerische Herausforderung wird bei einer eventuellen Verfilmung darin liegen, dass die weibliche Hauptperson beinahe die gesamte Handlung allein bestreiten und auf die zunächst nur per Telefon eingespielten Attacken ihres Gegenspielers reagieren muss.

Einer jungen Mutter wird ihr Kind entführt, um sie zu Handlungen zu zwingen, auf die sie sich sonst niemals einlassen würde; damit sie spurt, droht der Kidnapper immer wieder, dem Kind etwas anzutun: Das funktioniert als Treibriemen für eine eher brachiale als raffinierte Geschichte, denn der Verfasser kann sich auf uralte Klischees stützen: Selbstverständlich wird Susan ihrem Peiniger wortgetreu Folge leisten, denn schließlich ist sie eine Mutter, und als solche – so suggeriert Schreiber – kann sie gar nicht anders. Also bemüht er sich erst gar nicht, der Geschichte eine zweite Ebene zu schaffen, die z. B. Susan beim ernsthaften Versuch zeigt, dem Kidnapper ihrerseits eine Falle zu stellen. Als unfreiwillige Heldin, die dem Hamilton-Spuk endlich ein Ende setzt, wirkt sie deshalb nicht gerade authentisch.

Angst und Not eines unter Druck gesetzten Menschen weiß Schreiber dagegen gut darzustellen. Wie so oft ist die Reise deshalb interessanter als das Ziel. Das schließt Isaac Hamilton ein. Als überlebensgroßer und (scheinbar) unüberwindlicher Gegner leistet er solange einen guten Job, bis Schreiber ihn reden lässt. Als Hamilton damit erst einmal begonnen hat, kann er gar nicht mehr aufhören. Er quatscht und quatscht, bis er sein Geheimnis gelüftet hat. Anschließend stellt er sich in der finalen Schlacht zwischen Gut (Sue) und Böse für ein Gespenst mit mehrhundertjähriger Erfahrung im Schurken & Tücken auch noch denkbar tölpelhaft an. Leider ist Hamilton außerdem nur böse und überhaupt nicht originell, was seine Unzulänglichkeiten umso deutlicher offenbart.

Selbstverständlich ist solche Kritik zu streng und eigentlich fehl am Platz. „Untot“ ist Lesefutter, womöglich Trash. Dennoch fängt die Geschichte vielversprechend an und bleibt auch im Hauptteil spannend. Deshalb mischt sich in die Nachsicht des Rezensenten – der schließlich auch Leser ist – ein wenig Frustration und Zorn: Das mit dem Finale müssen Sie noch lernen, Mr. Schreiber. Ansonsten vielen Dank für ein paar rasante Lesestunden – und Hut ab vor der Entscheidung, diese Geschichte auf nicht einmal 300 Seiten zu erzählen, statt sie wie heute üblich auf das Doppelte oder Dreifache auszuwalzen!

Joe Schreiber wurde in Michigan geboren. In seinen jungen Jahren war er überaus reiselustig, lebte in Alaska, Wyoming und Nordkalifornien, bevor ihn das Familienleben sesshaft werden ließ. Nunmehr arbeitet Schreiber hauptberuflich als Mathematiklehrer an einer Schule in Palmyra (US-Staat Pennsylvania), ist verheiratet und Vater zweier Söhne. „Chasing the Dead“, seinem Romandebüt von 2006, folgte inzwischen „Eat the Dark“.

Selbstverständlich hat Schreiber eine [Website,]http://chasingthedead.blogspot.com die er mit einem Blog kreuzt. Dies zu durchschauen, ist ein wenig kompliziert, denn originellerweise schreibt nicht „Joe Schreiber“ die Einträge, sondern ein (fiktiver und) reichlich unheimlicher Zeitgenosse namens „Jeff“.

http://www.bastei-luebbe.de

Lebbon, Tim – 30 Days of Night. Roman zum Film

_Story_

Barrow, Nordalaska, tiefster Winter: Wie in jedem Jahr laufen die Vorbereitungen für die 30-tägige Dunkelperiode auf Hochtouren. Ein ganzer Monat ohne Sonne steht bevor und treibt den größten Teil der Bevölkerung in den klimatisch freundlicheren Süden, um so Depressionen und dem Gefühl vollkommener Nutzlosigkeit vorzubeugen. Nur ein kleiner Teil der Einwohnerschaft, darunter auch Sheriff Eben Oleson und seine ehemalige Freundin Stella, bleiben in der Ruhe der Nacht zurück, in freudiger Erwartung auf das wiederkehrende Sonnenlicht.

Doch schon in den ersten Stunden der Dunkelheit ereignet sich Merkwürdiges in Barrow; das Stromnetz ist lahmgelegt, Maschinen werden sabotiert, und obendrein entdecken Olseon und seine Leute auch noch die massakrierten Leichen einiger Schlittenhunde. Als schließlich auch die erste Menschenleiche gefunden wird, wächst in Eben das Misstrauen, bis ihm mit einem Mal die fürchterliche Gewissheit kommt, dass seine Heimatstadt von einer äußerst brutalen Vampirhorde überfallen wurde und alles Leben dem Untergang geweiht ist. 30 Tage müssen die Überlebenden in der Finsternis der Nacht durchhalten – 30 Tage voller Schrecken, Angst und Panik!

_Persönlicher Eindruck_

Nach den jüngsten Erfahrungen im Bereich von literarischen Spiel- und Kinoadaptionen ist in mir eine anhaltende Skepsis diesem Metier der Belletristik gegenüber gereift, die sich auch im Vorfeld der Auseinandersetzung mit „30 Days of Night“ nicht verdrängen ließ. Ersten Vorberichten zufolge erwartete den Leser ein äußerst freizügiges Metzelfest, ganz in der Tradition der üblichen Hack-&-Slay-Geschichten aus der Traumfabrik Hollywood, ohne dabei die visuelle Effizienz der Leinwandproduktionen nutzen zu können.

Knapp 300 Seiten später sind derartige Befürchtungen jedoch längst ad acta gelegt; das Buch zum aktuellen Kinowerk von David Slade versetzt die Leserschaft nämlich von der ersten Seite an in diesen prickelnden Zustand, welcher gerade dann nicht mehr loszulassen vermag, wenn man sich bereits als Teil der in diesem Falle ziemlich heftigen Handlung fühlt – und genau dies geschieht in Tim Lebbons Comic- und Filmadaption relativ zügig.

Die Erzählatmosphäre, die der Autor heraufbeschwört, ist schlichtweg brillant, unter anderem herbeigeführt durch kompakte Cliffhanger am Ende der Kapitel, völlig unerwartete Sprünge in den einzelnen Szenarien und dir Strukturierung der Charaktere und ihrer Gemütszustände. Natürlich lässt Lebbon sich dabei nicht unwesentlich von typischen Genre-Standards beeinflussen, gerade was die Darstellung des Bösen betrifft, das im verlassenen Barrow natürlich genau den Nährboden antrifft, den es zur allgemeinen Verbreitung benötigt. Und dennoch ist in „30 Days of Night“ so manches irgendwie anders; das Setting ist in diesem Sinne zwar nicht ungewöhnlich, aber aufgrund der tollen Szenenbeschreibungen auf ganz spezielle Weise besonders. Aber auch die Erzeugung der ganz unterschiedlich strukturierten Spannungsmomente wird nach und nach zur ernsthaften Demonstration schreiberischen Könnens, dokumentiert in der wahrhaftig packenden Flucht der Protagonisten, die in Barrow vor nichts und niemandem mehr sicher sind.

Darüber hinaus hat sich der Autor auch bemüht, die wenigen, gewohnt oberflächlichen Emotionen einigermaßen homogen in die Handlung einzubauen, was ihm auch in vielen Passagen erstaunlich gut gelungen ist. Die Beziehungskiste zwischen Stella und Eben ist hierin zwar nicht inbegriffen, auch wenn sie zum Schluss eine unerwartete Wendung nimmt, sondern vielmehr die einzelnen Schicksale, die in den 30 Tagen während Barrows scheinbarem Untergang auf die Hauptdarsteller zukommen. Freunde, Nachbarn und weitere Nahestehende fallen dem blutrünstigen Akt der Zerstörung chancenlos zum Opfer, und auch wenn dies standardisierte Teilaspekte einer Horror-Geschichte sein mögen, so gehen sie uns in „30 Days of Night“ (vielleicht auch wegen der bewegenden Umschreibung) recht nahe. Und genau dies sind Punkte, die den Roman sowie die gesamte Idee zu diesem Grusel-Schocker außergewöhnlich und faszinierend machen.

In diesem Sinne sei darauf hingewiesen, dass Tim Lebbon entgegen aller Erwartungen keinesfalls bloß ausgelutschte Horror-Klischees bemüht, sondern auf Basis bekannter Genre-Elemente eine durchweg mitreißende, überaus spannende Erzählung inszeniert, deren Unterhaltungswert das gewohnte Niveau derartiger Romane bei weitem übersteigt. Auch ohne die effektreichen Darstellungen auf der Leinwand schafft der Autor es mühelos, diese tödliche Story mit Leben zu füllen und die Leserschaft in Atem zu halten – und das ist definitiv ein ganzes Stück mehr, als man vorab erwarten durfte. Für mich persönlich ist „30 Days of Night“ ein echter Geheimtipp und mitunter einer der besten Romane, die genrespezifisch dieser Tage den Markt füllen. Was bleibt also mehr, als abschließend eine ganz klare Empfehlung auszusprechen …

http://www.30daysofnight.com/
http://www.paninicomics.de

Butcher, Jim – Grabesruhe (Die dunklen Fälle des Harry Dresden 3)

Band 1: [„Sturmnacht“ 3168

Der Magier Harry Dresden und sein Freund Michael Carpenter, ein Angehöriger der „Ritter vom Kreuz“, müssen sich immer mehr Übergriffen von Geistern aus dem Niemandsland erwehren. Scheinbar wird die Grenze zwischen dem Geisterreich und der realen Welt immer durchlässiger. Zudem bekommt Harry mächtigen Ärger mit seiner Patentante Lea, einer bösen Fee aus dem Niemandsland, die der Magier einst austrickste. Doch das sind noch die geringsten Probleme von Dresden, denn die Geisterangriffe sind nichts mehr als Folgeerscheinung.

Der Geist eines vor ein paar Wochen von Harry und Michael getöteten Dämons sinnt auf Rache und bedroht alle, die an der Aktion beteiligt waren. Plötzlich schweben Harry Dresden und seine Freunde in tödlicher Gefahr, denn ihr Gegner kommt in der Nacht und während des Schlafs, ist überaus mächtig und äußerst böse. Darüber hinaus tritt er auch noch dem hiesigen Vampir-Clan auf die Füße und sieht sich alsbald einer wirklich wütenden Armee hungriger Blutsauger gegenüber …

Harry Dresdens drittes Abenteuer ist im Gegensatz zu seinen beiden Vorgängern weitaus komplexer und actionbetonter ausgefallen. Zu den Horror-Elementen kommt nun auch ein nicht unbeträchtlicher Teil Fantasy hinzu. Darüber hinaus wird der Leser auch mit einigen neuen Charakteren konfrontiert, die allerdings nicht langsam eingeführt, sondern sofort ins Geschehen integriert werden. So steht Harry nun ein treuer Freund namens Michael zur Seite, der nicht nur sehr gläubig ist, sondern darüber hinaus zu einem Ritterorden gehört und ein magisches Schwert besitzt, mit dem er gegen Geister und Dämonen kämpft. Michael ist allerdings auch ein liebender Familienvater und seine Frau Charity ist alles andere als angetan von den Ausflügen, die ihr Mann mit Harry Dresden unternimmt. Harry selbst bekommt mehrfach unangenehmen Besuch von seiner Patentante Lea, einer bösen Fee aus dem Niemandsland, die noch für viel Wirbel sorgen wird. Die Rolle von Murphy und ihren Kollegen ist dagegen recht spärlich ausgefallen. Dafür aber gibt es ein Wiederlesen mit der Vampirin Bianca, welche bereits im ersten Band „Sturmnacht“ eine Rolle spielte und nun zu einer Hauptperson avanciert, welche dem Magier Dresden einigen Ärger bereitet. Doch nicht alle Vampire wollen Harry an die Gurgel. Thomas vom weißen Hof der Blutsauger stellt sich sogar auf die Seite des Magiers, wenn auch nicht ganz uneigennützig.

Der Roman ist äußerst temporeich, humorvoll und dennoch dramatisch geschrieben worden. Wieder berichtet Dresden aus der Ich-Perspektive seinen Kampf gegen die finsteren Mächte. Dabei kommen er und seine Freunde nicht ohne Blessuren davon und in diesem Roman werden bereits einige Weichen für die nächsten Geschichten gestellt, die immer mehr ineinander greifen werden. Allerdings bewegt sich das Buch in Hinsicht auf Harrys Nehmerqualitäten oftmals zu sehr am Rande der Glaubwürdigkeit. Wie bereits bei „Wolfsjagd“ muss Dresden auch in diesem Roman einiges einstecken, hat aber kaum Gelegenheit dazu, sich wirklich auszuruhen. Das führt dazu, dass er sich mit Hilfe seiner magischen Kräfte und einiger übermenschlicher Anstrengungen seiner Gegner erwehren muss. Doch Magie und Willenskraft sind nicht schier unerschöpflich. Ab und zu sollte sich der Schriftsteller ein wenig zügeln. Weniger ist häufig mehr, und bei zu viel Action kommt dann oft die Atmosphäre zu kurz, die aber im vorliegenden Buch dank einiger sehr eindringlicher Szenen, wie dem Kampf auf dem Friedhof und dem Fest der Vampire, trotzdem vorhanden ist.

Bewundernswert ist auf jeden Fall die Gratwanderung Butchers zwischen den einzelnen Genres. „Grabesruhe“ ist Horror-Roman, Fantasy-Geschichte und Komödie gleichermaßen, wobei die Elemente der letztgenannten Gattung wohldosiert eingesetzt wurden und die Story niemals ins Lächerlich ziehen.

Die Aufmachung ist dem Verlag wieder grandios gelungen und die Gestaltung der einzelnen Bücher in jeweils einer anderen Farbe eine sehr originelle Idee. Dieses Mal wurde das Cover in einem düsteren Blau gehalten und zeigt eine unheilschwangere Wolkenwand, vor der sich die Silhouetten zweier Grabkreuze drohend erheben. Wirklich sehr stimmungsvoll und treffend.

_Fazit:_ Dramatisch-kurzweiliger Fall für Harry Dresden, der dem Magier im wahrsten Sinn des Wortes alles abverlangt. Die Handlung wird immer verschachtelter und in dem vorliegenden Roman geschehen entscheidende Dinge, welche für die nächsten Bücher von großer Bedeutung sein werden. Wer Horror-Storys mit einem gehörigen Schuss Ironie und Humor zu schätzen weiß, sollte sich die dunklen Fälle des Harry Dresden nicht entgehen lassen.

http://www.knaur.de
http://www.jim-butcher.com/
http://www.wizardsharry.com/

_Florian Hilleberg_

Heitz, Markus – Kinder des Judas

_Handlung_

|2007 in Leipzig|

Theresa Sarkowitz ist eine Krankenschwester, die den sterbenden Patienten zur Seite steht. Aber sie ist noch mehr, denn sie bestreitet außerdem noch unter dem Kampfnamen Hel illegale Vollkontakt- Kämpfe, die übers Internet verkauft werden. Dort ist sie seit einer Ewigkeit ungeschlagen, und selbst die stärksten Männer können ihr nicht standhalten. Das ist auch nicht verwunderlich, denn sie ist kein normaler Mensch: Sie ist eine Vampirin, ein Kind des Judas. Doch schon bald beginnt ihre Vergangenheit sie einzuholen.
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Dan Simmons – Terror

Der Suche nach einer Nordwestpassage, die eine Seefahrt zwischen Europa und Asien entlang der Nordkante des nordamerikanischen Kontinents ermöglicht, hat Sir John Franklin sein Leben geweiht. Er sieht sich als kühnen Entdecker und Eroberer im Dienst des britischen Königreiches, nachdem er bereits mehrfach die polaren Regionen dieses Planeten erkundet hat. Franklin ist ein typisches Produkt seiner Epoche und seines Standes – ein Mann, der fest davon überzeugt ist, einer ‚besseren‘ Klasse Mensch anzugehören, deren Willen sich die Natur zu beugen hat.

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DeCandido, Keith R. A. – Resident Evil: Extinction

_Story_

Nachdem das T-Virus Racoon City völlig dezimiert hat, scheint die gesamte Menschheit sich in blutdurstige Zombies verwandelt zu haben. Nur noch eine kleine Schar Überlebender ist imstande, sich der Invasion der Bestien zu entziehen und ohne wirkliches Ziel vor der grausamen Bedrohung zu fliehen. Auch Carlos Oliveira und die Amazone Claire haben sich einem Trupp Flüchtiger angeschlossen und hoffen, irgendwo dennoch eine Kolonie zu finden, in der sich ihnen Schutz und Hoffnung bietet.

Bei einem Angriff mutierter Krähen lernen sie die mysteriöse Alice kennen und schließen sich ihrem Konvoi an; es geht das Gerücht um, dass Alaska einen sicheren Zufluchtsort bietet, allerdings ist es durch die Wüste Nevadas bis in den Norden des Kontinents noch eine ewige Reise. Carlos und Claire schöpfen aus diesem neuen Hoffnungsschimmer dennoch Mut, der ihnen jedoch in jeder weiteren Konfrontation mit den mordlüsternen Zombiebruten immer mehr genommen wird. Lediglich Alice will von derartigen Zwischenfällen nichts wissen. Fest entschlossen, die Umbrella-Organisation für ihre Verbrechen büßen zu lassen, startet sie einen weiteren Rachefeldzug. Allerdings ist Chefwissenschaftler Isacs bestens vorbereitet und schickt unterdessen seine Häscher auf die womöglich letzte Hoffnungsträgerin dieser Erde.

_Persönlicher Eindruck_

Dank der fantastisch aufspielenden Milla Jovovich und zwei bislang wirklich sehr interessanten Storys konnte sich die Kino-Adaption des Videospiel-Hits „Resident Evil“ in den vergangenen Jahren als eine der besten Zombie-Verfilmungen der Moderne etablieren und bewies wider alle Skepsis, dass die Hintergrundgeschichten von einschlägigen PC-Games mitnichten für eine Verfilmung zu wenig Potenzial bieten würden. Zwar waren „Apocalypse“ und das Debütwerk im weitesten Sinne brutale Slasher mit einem Hang zur Überproduktion von Untoten, doch gelang es den beiden Regisseuren Alexander Witt und Paul Anderson im Rahmen dessen immerhin, eine wirklich taugliche Handlung unterzubringen, die nicht bloß auf das effektreiche Schlachtfest ausgelegt war.

Sowohl die Gradlinigkeit der Action-Sequenzen als auch die Kreation eines weiteren ordentlichen Plots sind auch Merkmale der neuesten „Resident Evil“-Produktion mit dem Titel „Extinction“, die Ende des vergangenen Monats wieder die Herzen der Horror-Gemeinde höher schlagen ließ. Jovovichs dritte Monsterhatz markiert den bisherigen Höhepunkt des scheinbar noch nicht erschöpften Fundus‘ der Serie und scheint in Sachen Gemetzel ebenfalls neue Rekorde aufzustellen. Derweil versucht der offizielle Roman zum Kino-Event, die Atmosphäre und die grundlegende Stimmung des Streifens adäquat zu adaptieren – was überraschenderweise auch sehr gut funktioniert hat.

Vorab sollte jedoch erst einmal erwähnt werden, dass „Extinction“ alleine schon wegen der Ursprungsgeschichte kein wirklich anspruchsvoller Roman werden konnte. Wer den Film bereits angeschaut hat, wird um die brutalen Szenen und die ständige Action der Handlung wissen und muss seine Erwartungen diesbezüglich ein wenig herunterschrauben. Schließlich kann gerade in diesem Beispiel die literarische Vorstellungskraft nicht die effektreiche Leinwandinszenierung ersetzen. Nichtsdestotrotz bekam Keith R. A. DeCandidio wieder ausreichend Gelegenheit, sich als einer der besten Autoren dieser Materie zu beweisen. Wie auch schon in unzähligen anderen PC-Adaptionen, gelingt ihm eine realistisch anmutende Inszenierung, die sehr nahe mit dem Geschehen des Films in Verbindung steht, sich jedoch gerade zu Beginn durch einzelne Retrospektiven und Zukunftsaussichten entscheidend erweitert. DeCandido wählt darüber hinaus auch einige verborgene Szenen in seinem Roman und durchbricht somit einige Grenzen, die das gleichnamige audiovisuelle Spektakel nur kurz streift. Dies wäre letztendlich sogar eine berechtigte Begründung, sich auch nach Genuss der Leinwandproduktion noch einmal mit dem Buch auseinanderzusetzen, da es verschiedene Inhalte noch etwas präziser angeht, dafür allerdings auch starke Einbußen bei der Darstellung der Action-Sequenzen hinnehmen muss – doch dies war bei der Aufarbeitung der Thematik auch nicht anders zu erwarten.

Andererseits muss man aber natürlich auch der Tatsache ins Auge sehen, dass die Handlung ziemlich stark auf die gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Alice, ihren Gefährten und den Bestien ausgerichtet ist und in diesem Spielraum eine gewisse Flexibilitätseinschränkung eben schon an der Tagesordnung ist. Dies macht sich aber gottlob insofern nicht wirklich negativ bemerkbar, alsdie Spannungskurve trotz allem steil nach oben zeigt und die Story aufgrund der absolut fehlenden Transparenz und Vorhersehbarkeit für Überraschungen jeglicher Art gut ist – und dies wirklich bis zur letzten Seite.

Daher kann man zusammenfassend auch von einer wirklich sehr ordentlichen Umsetzung sprechen, die natürlich – so sollte es bei einem ‚Roman zum Film‘ auch sein – hauptsächlich die Inhalte des Effektfeuerwerks, welches Ende September auf die Leinwand kam, wiedergibt, darüber hinaus jedoch alle möglichen Freiräume für eine Fülle unvorhergesehener Details nutzt. „Resident Evil: Extinction“ ist ein Event – im Kino, aber auch in literarischer Form!

http://www.paninicomics.de

|Siehe ergänzend dazu auch:|
[„Resident Evil – Die Umbrella-Verschwörung“ 1813
[„Resident Evil 9 – Tödliche Freiheit“ 3481

Jack Ketchum – Beutezeit

Drei junge Paare planen eine Urlaubswoche in einem abgelegenen Ferienhaus in Maine. Die taffe Carla ist schon früher angereist und richtet das Haus her. Sie erwartet ihren neuen Freund, den Schauspieler Jim, mit dem sie eine oberflächliche Beziehung führt, ihren Exfreund Nick, dem sie immer noch freundschaftlich verbunden ist, mit dessen neuer Flamme Laura sowie ihre ruhigere Schwester Marjie mit deren neuem Partner Dan. Trotz ihrer Verschiedenheit stehen sich die beiden Schwestern sehr nah.

Jack Ketchum – Beutezeit weiterlesen

Preston, Robert / Child, Lincoln – Maniac – Fluch der Vergangenheit

Von seinem ebenso bösartigen wie verrückten und genialen Bruder Diogenes als Mörder, Verschwörer und Verräter gebrandmarkt, wurde Aloysius Pendergast in das gefürchtete Bundesgefängnis von Herkmoor im US-Staat New York eingeliefert. Von missgünstigen FBI-Kollegen, die den unkonventionell vorgehenden Spezialagenten stets hassten, unter Ignorierung diverser Menschenrechte übel in die Zange genommen, gedenkt Pendergast den Kampf gegen Diogenes keineswegs aufzugeben, zumal ihm dessen bedrohliche Ankündigungen weiterer Verbrechen noch in den Ohren klingen. Der Gefangene kann sich auf seine Freunde ‚draußen‘ verlassen. Lieutenant Vincent D’Agosta, Pendergasts ‚Chauffeur‘ Proctor und der brillante Profiler Eli Glinn arbeiten fieberhaft an einem Plan zur Befreiung.

Derweil geht im „New York Museum of Natural History“ zum wiederholten Male ein Monster um. Wie üblich ist das Haus in Geldnöten, soll eine spektakuläre Ausstellung Besucherströme anlocken. In einem seit 1935 sorgfältig vermauerten Kellerraum der riesigen Anlage findet sich das Grabmal des altägyptischen Wesirs Senef, der um 1400 vor Christus regierte. Um seine letzte Ruhestätte ranken sich allerlei unerfreuliche Legenden von einem Fluch, die von denen, die besagtes Grab für die Ausstellung vorbereiten sollen, selbstverständlich abgetan werden.

Doch dann beginnt der Tod umzugehen. Techniker und Wächter gehören zu den ersten Opfern, die entweder schrecklich verstümmelt oder gar nicht aufgefunden werden. Wie üblich mauert die Museumsleitung, die schlechte Publicity mehr fürchtet als das grausige Ende unwichtigen Personals. Laura Hayward, Leiterin der Mordkommission, sieht das naturgemäß anders. Auch Reporter Bill Smithback ist wie immer am Ball. Die Naturwissenschaftlerin Margo Green könnte ein wenig Licht in die Sache bringen, doch sie liegt nach einem Mordanschlag noch im Krankenhaus und wurde gerade von ihrem Vorgesetzten Hugo Menzies, dem Chef der Ethnologischen Abteilung des Museums, durch eine Injektion ins Koma versetzt.

Hinter all dem könnte nur Pendergast die Hand seines Bruders erkennen, aber als er endlich wieder in Freiheit ist, muss er erkennen, dass Diogenes seine Ränken noch viel weiter als befürchtet getrieben und Zweifel im innersten Kreis seiner Feinde gesät hat. Und falls doch etwas schieflaufen sollte, hütet Diogenes ein Geheimnis, das den guten Aloysius in einem neuen, recht düsteren Licht erscheinen ließe …

In zahlreichen Tonlagen hat Ihr Rezensent sich in den vergangenen Jahren über Freud‘ und Leid verbreitet, die von den Pendergast-Romanen des bienenfleißigen Autorengespanns Preston & Child ausgehen. Eine weitere Strophe hinzuzufügen, ist ehrlich gesagt ermüdend, denn auch dieses Mal weichen Handlung oder Figurenzeichnung kein Jota vom Bewährten, aber leider auch Bekannten ab.

Das hauptsächliche Publikum der Fließband-Thriller von Preston & Child rekrutiert sich aus den jüngeren Generationen, wenn man sich die heutzutage leicht zugänglichen Kommentare der überwiegend zufriedenen Leserschaft anschaut. Noch leicht zu begeistern und ohne Wissen um die klassischen und trivialen Vorbilder, die von den Autoren geplündert wird, fehlen ihm außerdem Wunsch oder Willen, das leicht gestrickte Garn einer näheren Prüfung zu unterziehen.

So betrachtet, hat „Maniac“ durchaus seine Meriten. Wieder einmal rollt schnell und spannend ein durchgestyltes Geschehen ab. Während „Dark Secret“ als Mittelteil der Aloysius-und-Diogenes-Trilogie quasi ‚offen‘ beginnen und ausgehen musste, werden im dritten Teil endlich die zahlreichen offenen Enden zu einem festen Knoten zusammengeführt.

Wem reine und – wir werden gleich mehr darüber erfahren – kühl konstruierte Unterhaltung genügt, der wird sich erfreut durch das Endprodukt lesen (was ein überaus luftig gestaltetes Druckbild mit nicht allzu vielen und augenfreundlich groß gedruckten Buchstaben zusätzlich erleichtert). Die so gestimmten Konsumenten mögen getrost die nächsten Absätze überspringen. Sie interessiert es sicherlich nicht, wie geschickt (oder dreist – das hängt vom Standpunkt des Betrachters ab) sie von Preston & Child aufs Kreuz gelegt werden.

„Maniac“ präsentiert sich mehr noch als die ohnehin zunehmend zum Selbstplagiat neigenden früheren Bände der Pendergast-Serie als „Best-of“ schon mehrfach in Anspruch genommener Situationen und Schauplätze. Wieder einmal muss das „New York Museum of Natural History“ als Ort des Geschehens herhalten. Die dunklen, tüchtig eingestaubten und mit obskuren Präparaten und vergessenen Ausstellungsobjekten vollgerümpelten Katakomben dieses Hauses gaben für „Das Relikt“ eine Kulisse ab, die so grandios einschlug, dass die Autoren sich seither denkfaul allzu gern wieder hier einnisten, obwohl der daraus resultierende Überraschungseffekt längst dahin ist.

Bisher haben sich Preston & Child ausgleichend mit der Variation ihrer vorgestanzten Story-Elemente einige Mühe gegeben. Das ersparen sie sich dieses Mal ebenfalls: Der Höhepunkt des Romans – Diogenes sperrt die High Society von New York in ein unzugängliches Grabgewölbe ein und lässt sie mit einer Mischung aus High Tech und Mumbo Jumbo effektvoll das Zeitliche segnen, während sich die Guten verzweifelt Einlass zu schaffen versuchen – ist eine schamlose Eins-zu-eins-Kopie des „Relikt“-Finales. (Geht’s noch schlimmer? Aber immer! Wie weiland Sherlock Holmes mit Dr. Moriarty an den Reichenbachfällen, ringt auch Diogenes schließlich am Rande eines Abgrunds mit einem Todfeind.)

Bis es so weit ist, müssen wir uns durch einen erschreckend langweiligen Mittelteil quälen. Er ist der Vorbereitung von Pendergasts „Prison Break“ aus einem B-Movie-Gefängnis gewidmet, das von psychotischen Irren bewohnt und von Butzemann-Sadisten geleitet wird. Währenddessen scharwenzelt Diogenes zwischen diversen Schurkentaten um die blasse Constance herum, ringt Knurr-Cop D’Agosta um seine Ehe, die in dieser Geschichte völlig überflüssige Margo Green um ihr Leben und ein ebenso nebensächlicher Smithback um die Wahrheit, die wie üblich von einer intriganten Museumsleitung im Verbund mit skrupelloser Polit-Prominenz verschleiert werden soll. Niemand hat aus den Museumsmorden der Vergangenheit etwas gelernt; exakt dieselben Fehler werden begangen, endlose Streitgespräche geführt und sogar die Langmut hirngedimmter Leser über Gebühr strapaziert. Derweil springt die Handlung ständig von einem Schauplatz zum nächsten; sie bricht nach dem Cliffhanger-Prinzip dort ab, wo es spannend wird, und kehrt erst später dorthin zurück: ein klassischer Kniff, der freilich zum billigen Trick degeneriert, wenn er so inflationär wie hier zum Einsatz kommt.

Schade, denn es begann eigentlich recht vielversprechend. Der Fluch der Pharaonen zieht als Aufhänger einer auf Turbulenz gebürsteten Geschichte auch heute noch. Preston & Child verstehen zudem die handwerkliche Seite ihrer Arbeit. Sie belegen in einzelnen Passagen, wie spannend sie zu schreiben vermögen. Leider ignorieren sie zunehmend die Verpflichtung, ihren Romanen wenigstens einige Tropfen Inspiration hinzuzufügen und so aus Reißbrett-Mysterien richtige Thriller zu machen.

Die Wiederholung des sattsam Bekannten setzt sich selbstverständlich in der Figurenzeichnung fort. Aus „Relic“/“Das Relikt“ und „Attic“ treten Anthropologin Margo Green und Reporter Bill Smithback auf, der zusammen mit einer weiteren alten Bekannten, der Archäologin Nora Kelly, auch in „Thunderhead“ oder „Ice Ship“ Abenteuer erlebt; Profiler Eli Glinn kommt gleichfalls vom „Ice Ship“. Längst gibt es einen eigenen Preston-und-Child-Mikrokosmos, dessen Bewohner immer wieder im Rampenlicht tanzen müssen. (Unter www.prestonchild.com/faq/pangea stellen ihn die Verfasser übrigens en detail vor.) Wie sinnvoll das jeweils ist, bleibt Nebensache. Bill Smithback und vor allem Margo Green bleiben in „Maniac“ jedenfalls, wie schon erwähnt, höchstens Statisten, die ihren anscheinend obligatorischen Gastauftritt geben.

Pendergast bleibt Pendergast. Dieses Mal muss er Farbe bekennen und Gefühle zeigen, was ihm schlecht steht. Superhelden mit Schwächen wirken menschlicher, was allerdings geschickter in Szene gesetzt werden muss als hier. Schlimmer als Aloysius muss jedoch Diogenes Federn lassen. Sein monumentaler, 15 Jahre (!) vorbereiteter, unfassbar komplizierter Masterplan entpuppt sich als Rache eines Kindes, das vom eifersüchtigen Brüderlein hereingelegt wurde, welches sich dafür nie entschuldigt hat … Drei dicke Buchbände haben Lincoln & Child uns nicht nur ein kriminelles Superhirn suggeriert, das letztlich nicht nur mit heißer Luft gefüllt ist, sondern auch ein lächerliches Ende findet.

Ähnlich unglaubhaft – und damit angemessen – schildert das Autorenduo das weitere Schicksal von Constance, deren schon oft mit dem Zaunpfahl herbeigewunkenes ‚Geheimnis‘ endlich enthüllt wird. Sie muss aktiv werden und sich von der grauen Maus zur globetrotternden Rachegöttin mausern, damit sie im (bereits geschriebenen) Folgeband gemeinsam mit Pendergast den Mysterien dieser Welt nachforschen kann.

Ebenso flach geraten erwartungsgemäß alle in „Maniac“ auftretenden Figuren, an deren oft schlimmen Schicksal wir deshalb keinen Anteil nehmen. Ein Roman ist auch im 21. Jahrhundert etwas anderes als ein Drehbuch, ein Comic-Book oder ein Computerspiel. Dies wird das Autorenduo selbstverständlich für zukünftige Werke nicht berücksichtigen – wieso auch? Sie haben sich ihr Publikum entweder herangezogen oder sich ihm angepasst und liefern zuverlässig und regelmäßig, wonach es giert. Ist dagegen etwas einzuwenden, sind doch alle (oder die Mehrheit) damit glücklich? Natürlich nicht. Insofern ist eine Kritik wie diese, die andere – nennen wir sie ‚klassische‘ – Qualitätsmaßstäbe anlegt, vielleicht nur der sprichwörtliche und übertriebene Kanonenschuss auf ein Spatzenhirn …

Douglas Preston wurde 1956 in Cambridge, Massachusetts geboren. Er studierte ausgiebig, nämlich Mathematik, Physik, Anthropologie, Biologie, Chemie, Geologie, Astronomie und Englische Literatur. Erstaunlicherweise immer noch jung an Jahren, nahm er anschließend einen Job am American Museum of Natural History in New York an. Während der Recherchen zu einem Sachbuch über „Dinosaurier in der Dachkammer“ – gemeint sind die über das ganze Riesenhaus verteilten, oft ungehobenen Schätze dieses Museums – arbeitete Preston bei St. Martin’s Press mit einem jungen Lektor namens Lincoln Child zusammen. Thema und Ort inspirierten das Duo zur Niederschrift eines ersten Romans: „Relic“ (1994; dt. „Das Relikt – Museum der Angst“).

Wenn Preston das Hirn ist, muss man Lincoln Child, geboren 1957 in Westport, Connecticut, als Herz des Duos bezeichnen. Er begann schon früh zu schreiben, entdeckte sein Faible für das Phantastische und bald darauf die Tatsache, dass sich davon schlecht leben ließ. So ging Child – auch er studierte übrigens Englische Literatur – nach New York und wurde bei St. Martins Press angestellt. Er betreute Autoren des Hauses und gab selbst mehrere Anthologien mit Geistergeschichten heraus. 1987 wechselte Child in die Software-Entwicklung. Mehrere Jahre war er dort tätig, während er nach Feierabend mit Douglas Preston an „Relic“ schrieb. Erst seit dem Durchbruch mit diesem Werk ist Child hauptberuflicher Schriftsteller. (Douglas Preston ist übrigens nicht mit seinem ebenfalls schriftstellernden Bruder Richard zu verwechseln, aus dessen Feder Bestseller wie „The Cobra Event“ und „The Hot Zone“ stammen.)

Selbstverständlich haben die beiden Autoren eine eigene Website ins Netz gestellt. Unter http://www.prestonchild.com wird man großzügig mit Neuigkeiten versorgt (und mit verkaufsförderlichen Ankündigungen gelockt).

Die Pendergast-Serie …
… erscheint in Deutschland gebunden sowie als Taschenbuch im |Droemer Knaur|-Verlag:

(1994) „Relic“ (dt. Relic – Museum der Angst / Das Relikt – Museum der Angst)
(1997) „Reliquary“ (dt. Attic – Gefahr aus der Tiefe)
(2002) „The Cabinet of Curiosities“ (dt. [Formula – Tunnel des Grauens) 192
(2003) „Still Life with Crows“ (dt. [Ritual – Höhle des Schreckens) 656
(2004) „Brimstone“ (dt. [Burn Case – Geruch des Teufels) 1725
(2005) „Dance of Death“ (dt. [Dark Secret – Mörderische Jagd) 2809
(2006) „The Book of the Dead“ (dt. Maniac – Fluch der Vergangenheit)
(2007) „The Wheel of Darkness“ (noch kein dt. Titel)

http://www.droemer.de

Dolittle, Dolly (Hg.) – Noch mehr Gespenster

18 Kurzgeschichten zeugen von der Präsenz der Gespenstergeschichte in der ganzen Welt, wobei der außereuropäische Raum nur punktuell und exemplarisch Berücksichtigung findet; trotzdem bietet diese primär dem 19. Jahrhundert verhaftete Sammlung eine gute Übersicht, die dem am Genre interessierten Gruselfreund eine spannende Lesereise durch die Spuknächte diverser Kontinente und Länder beschert.

_Inhalt_

|Statt eines Vorworts:|
_Heinrich Heine (1797-1856): Doktor Ascher und die Vernunft_ (1826), S. 11-15 – Ein verstorbener Gelehrter erläutert um Mitternacht dem entsetzten Freund, wieso es keine Gespenster geben kann …

_Washington Irving (1783-1859): Der Student und die fremde Dame_ („The Adventure of the German Student“, 1824), S. 16-24 – Im Paris der Revolutionszeit verliert ein junger Mann sein Herz an eine schöne Frau, die freilich schon eines anderen Körperteils verlustig ging …

_Alexander Puschkin (1799-1837): Der Sargmacher_ („Grobovshchik“, 1830), S. 25-37 – Im Suff lädt der Sargmacher seine ‚Kunden‘ ein, die ihm gern um Mitternacht ihre Aufwartung machen …

_Heinrich von Kleist (1777-1811): Das Bettelweib von Locarno_ (1810), S. 38-42: Ein hartherziger Adelsmann wird vom Gespenst einer misshandelten Frau ins Verderben gestürzt …

_Ignaz Franz Castelli (1781-1862)*: Tobias Guarnerius_ (1839), S. 43-68 – Perfekt klingt eine Geige erst, wenn ihr eine menschliche Seele eingepflanzt wird, was den genialen Instrumentenbauer jedoch schon bald reut …

_Edgar Allan Poe (1809-1849): Die Tatsachen im Falle Waldemar_ („The Facts in the Case of M. Valdemar“, 1845), S. 69-82 – Spektakulär verläuft ein wissenschaftliches Experiment, in dessen Verlauf ein Sterbender in Trance versetzt wird …

_Nikolai Gogol (1809-1852): Der verhexte Platz_ („Zakoldovannoe mesto“, 1832), S. 83-96 – Ein russischer Bauer will dem Teufel einen Schatz abringen, was sich als höchst schwierige Herausforderung erweist …

_Pu Sung Ling (1640-1715): Das Wandbild_ (?, 17. Jh.), S. 97-100 – Ein verliebter Mann findet die Frau seines Lebens ausgerechnet als Motiv auf einem verzauberten Wandbild, was wie zu erwarten ernste Schwierigkeiten heraufbeschwört …

_Yakumo Koizumi (d. i. Lafcadio Hearn, 1850-1904): Die Päonienlaterne_ („The Peony Lantern“, 1899), S. 101-128 – Als sich der Geliebte dem Gespenst seiner verstorbenen Braut nicht freiwillig im Jenseits anschließen will, zieht diese andere, unangenehm klingende Saiten auf …

_Gottfried Keller (1819-1890): Die Geisterseher_ (1881), S. 129-163 – Eine ratlose Jungfrau zwischen zwei heftig werbenden Galanen überlässt einem Gespenst die Entscheidung, wen sie heiraten wird …

_Iwan Turgenjew (1818-1883): Gespenster_ (?, 1864), S. 164-202 – Eine kurze, aber heftige und sehr gesundheitsschädliche Liebe entbrennt zwischen einem reichen Gutsbesitzer und einer schönen Gespensterfrau …

_Ambrose Bierce (1842-1913/14): Eine Sommernacht_ („One Summer Night“, 1906), S. 203-205 – Was macht ein Grabräuber, der nachts auf dem Friedhof einen irrtümlich lebendig begrabenen Zeitgenossen entdeckt …?

_O. Henry (d. i. William Sydney Porter, 1862-1910): Das möblierte Zimmer_ („The Furnished Room“, 1906), S. 206-216 – Es übt aus überzeugenden Gründen einen selbstmörderischen Einfluss auf seinen Mieter aus, was ihm die geldgierige Hausherrin freilich verschwiegen hat …

_Guy de Maupassant (1850-1893): Der Horla_ („Le Horla“, 1887), S. 217-261 – Eine unsichtbare Kreatur nistet sich erst im Haus und dann im Geist eines Mannes ein, der den Kampf um seine Freiheit mit drastischen Mitteln aufnimmt …

_Amadou Hampate Ba (1900/01-1991): Der Peulh und der Bozo_ (?, 1949), S. 262-273 – Ein schlauer Dieb raubt in der Maske eines Gespenstes die tumben Bewohner eines Dorfes aus und narrt anschließend noch einen etwas klügeren Verfolger …

_Anton Tschechow (1860-1904): Der schwarze Mönch_ („Chernyi monakh“, 1894), S. 274-325 – Ein Philosoph schöpft intellektuell und persönlich Kraft aus der Begegnung mit einem Gespenst, das sich als Ausgeburt seiner Fantasie zu erkennen gibt …

_Tania Blixen [d. i. Karen Dinesen, 1885-1962): Die Geschichte eines Schiffsjungen_ („The Sailor Boy’s Tale“, 1942), S. 326-343 – Als er auf hoher See einen Falken rettet, ahnt der Schiffsjunge nicht, dass ihm dies einst das Leben retten wird …

_Walter de la Mare (1873-1956): Die Prinzessin_ („The Princess“, 1955), S. 344-362 – Ein Knabe verliebt sich in eine Frau, die er tot wähnt, bis er einer uralten Vettel begegnet, die ihm eine unvergessene Lektion über das Leben erteilt …

Nachweis – S. 363/64

* Diese Kurzgeschichte wird hier fälschlich Honoré de Balzac zugeschrieben.

_Einige Anmerkungen zu dieser Sammlung_

Nachdem Mary Hottinger in den ersten beiden Teilen der „Gespenster“-Trilogie die Geisterwelt der britischen Inseln Revue passieren ließ, wirft Dolly Dolittle, die ihr als Herausgeberin folgte (Hottinger starb 1978), diverse Schlaglichter auf das überirdische Treiben der übrigen Welt.

Selbstverständlich blieb die Freude an der guten, d. h. gruseligen Gespenstergeschichte nicht auf den angelsächsischen Sprachraum beschränkt. Wo Menschen leben, waren und sind Geister niemals fern. Hat man sich zunächst vor ihnen gefürchtet, lässt man sich später von ihnen unterhalten. „Noch mehr Gespenster“ verdeutlicht, dass es dabei je nach Ländern und Leuten Unterschiede gibt. Während die Motive, die den Menschen sich fürchten lassen, sich erwartungsgemäß ähneln, kann die Form (für deutsche Leser) oft erstaunlich fremd wirken. Das kann zum einen an der zeitlichen Differenz liegen. Pu Sung Ling schrieb „Das Wandbild“ im Japan des späten 17. oder 18. Jahrhunderts, d. h. in einer nicht nur kulturell überaus fremdartigen Welt. Schon die Art der Darstellung ist ganz anders als in der Gespenstergeschichte, die wir kennen und für die offensiv inszenierte Spannung ein integrales Element ist. (Yakumo Koizumis‘ „Päonienlaterne“ ist dagegen die zwar geschickt realisierte und gut übersetzte, aber eben doch pseudo-historische ‚Imitation‘ eines englischen Schriftstellers.)

Fremd wirkt auch Amadou Hampate Bas Geschichte vom Peulh und dem Bozo, obwohl sie zu den jüngeren Erzählungen dieser Sammlung zählt und im 20. Jahrhundert entstand. Aber es irritiert, wie vertraut Menschen und Geister hier miteinander umgehen. Auch im modernen Afrika ist die Zeit noch präsent, als Diesseits und Jenseits wie selbstverständlich nebeneinander existierten und ihre Bewohner Kontakt pflegten. (Leider spart Doolittle die südamerikanische Phantastik völlig aus, die in dieser Hinsicht interessante Variationen bzw. Ergänzungen liefern könnte.)

In Europa hat die eng mit dem Fortschritt der Naturwissenschaften verwobene geistig-kulturelle „Aufklärung“ dem deutlich früher ein Ende gesetzt. Heinrich von Kleist und Ignaz Franz Castelli bedienen ein Publikum, das nicht mehr an ‚echte‘ Gespenster glaubt. Jene, die in dieser Frage unentschlossen sind, verspottet Heinrich Heine herrlich boshaft und voller Witz in „Doktor Ascher und die Vernunft“. Ende des 19. Jahrhunderts ist die Gespenstergeschichte zum literarischen Genre und ‚reif‘ genug geworden, sich parodieren oder mit anderen Genres mischen zu lassen. Gottfried Keller schickt seine beiden „Geisterseher“ durch eine durchaus spannend und gruselig geschilderte Spuknacht, deren Ereignisse anschließend als sehr irdisch aufgeklärt werden. Tania Blixen greift auf den Sagenschatz ihrer skandinavischen Heimat zurück und erzählt eher lyrisch als erschreckend. Jenseits des Atlantiks findet Edgar Allan Poe eine Möglichkeit, die altehrwürdige Gespenstergeschichte mit der aufgeklärten Moderne zu kombinieren.

Nikolai Gogol bettet in „Der verhexte Platz“ eine turbulente und urkomische Geistergeschichte meisterlich in den reichen Kosmos russischer Volkssagen ein, in denen Religion und Aberglaube eine die Gespenstergeschichte inspirierende Verbindung eingehen. Alexander Puschkin legt mit „Der Sargmacher“ eine wunderschöne Gruselfarce vor, die das Genre niemals lächerlich macht.

Beeindruckend modern und in ihrer beängstigenden Wirkung trotz ihres Alters ungeschmälert sind Geschichten wie O. Henrys „Das möblierte Zimmer“ oder Iwan Turgenjews „Gespenster“. Das Grauen wird hier nicht mehr ‚erklärt‘, die Figuren, die hier von Phantomen heimgesucht werden, haben sich keines Vergehens oder Verbrechens schuldig gemacht, das eine solche Strafe verdiente. Das Übernatürliche besitzt ein Eigenleben – und es ist unberechenbar, was es noch exotischer und natürlich erschreckender wirken lässt.

[„Der Horla“ 584 von Guy de Maupassant belegt eine weitere Entwicklungsstufe der Gespenstergeschichte. Das Grauen kommt nicht mehr aus einem imaginären, jenseitigen Totenreich, sondern wurzelt in der Psyche des Menschen selbst. Der namenlose Protagonist erlebt eine der schlimmsten Erfahrungen überhaupt: Sein eigenes Hirn lässt ihn im Stich, liefert ihm Eindrücke, die mit der Realität nicht übereinstimmen. Der Horla mag ein Geist sein, doch ebenso schlüssig ist seine Deutung als Ausfluss einer Geisteskrankheit. Die nachhaltige Wirkung dieser Geschichte wird verstärkt durch das Wissen, dass de Maupassant sehr genau wusste, worüber er schrieb. Er erlebte und beschrieb, wie er buchstäblich den Verstand verlor. Sechs Jahre später starb er im Wahnsinn; sein persönlicher Horla hatte ihn erwischt!

Weniger grimmig schlägt Anton Tschechow in dieselbe Kerbe. Auch seine Figur ‚erschafft‘ ein Gespenst, das ihm jedoch nicht schadet, sondern ihn zu künstlerischer Kreativität ermuntert und ihm Zufriedenheit schenkt. Erst als der so ‚Besessene‘ den Beschwörungen seiner Mitmenschen folgt, seinen „Schwarzen Mönch“ verleugnet und ein in jeder Hinsicht ’normaler‘ aber langweiliger Zeitgenosse wird, beginnt sein Niedergang.

Ambrose Bierce geht wie üblich einen Schritt weiter. In seiner Story gibt es nie einen Zweifel an der Abwesenheit übernatürlicher Wesenheiten. Nur Menschen treten auf, und sie schaffen es ohne jede geistige Nabelschau, sondern allein durch ihr Handeln, die Leser frösteln zu lassen. Ähnlich ergeht es den beiden Figuren in Walter de la Mares Story. Das ‚Gespenst‘ ist lebendig und doch ein Phantom, das die verlorene Jugend verkörpert.

Abschließend ein offenes Wort an die Leser dieser Zeilen, das auch als Warnung verstanden werden darf: „Noch mehr Gespenster“ ist inhaltlich wie formal ‚anders‘ als „Gespenster“ und „Mehr Gespenster“. Der Horror kommt hier auf Katzenpfoten, und oft bleibt er sogar gänzlich aus. Rächende, hässliche, drastisch herumspukende Nachtmahre der vordergründigen Art trifft man höchstens in den Storys von Irving, Poe und vielleicht Henry. Ansonsten ist Spuk für die Verfasser etwas Allegorisches, das für sehr menschliche Wesenszüge und Konflikte steht. Das ist oft harte Kost, die den Freunden des Heul-und-Rumpel-Horrors à la Koontz oder Lumley zu beißen geben dürfte.

Freilich sind manche der vorgestellten Geschichten objektiv langatmig, weil nicht zeitlos, sondern einfach nur altmodisch, abschweifend oder aus heutiger Sicht schlecht getimt. Das Risiko muss man eingehen, verlässt man allzu ausgetretene Pfade, um – hier in der Phantastik – neue Wege zu beschreiten. Nicht jede dort gemachte Entdeckung ist sensationell, doch interessant und anregend ist so eine Tour allemal!

_Die „Gespenster“-Trilogie des |Diogenes|-Verlags:_

(1956) „Gespenster: Die besten Gespenstergeschichten aus England“ (hg. von Mary Hottinger)
(1978) [„Mehr Gespenster: Gespenstergeschichten aus England, Schottland und Irland“ 3833 (hg. von Mary Hottinger)
(1981) „Noch mehr Gespenster: Die besten Gespenstergeschichten aus aller Welt“ (hg. von Dolly Dolittle)

http://www.diogenes.de/

Hohlbein, Wolfgang – Engel des Bösen (Der Hexer von Salem 3)

Band 1: [„Die Spur des Hexers“ 4081
Band 2: [„Der Seelenfresser“ 4141

Die vollständige Ausgabe der „Hexer von Salem“-Reihe aus der Feder von Wolfgang Hohlbein geht in die dritte Runde. Mit „Engel des Bösen“ liegt wieder ein dicker Schinken von über 700 Seiten mit Abenteuern rund um Robert Craven und seine Verbündeten im Kampf gegen die Großen Alten vor. Das Layout der einzelnen Bände ist schön aufeinander abgestimmt, im Vergleich zu den Sammelbänden aus den 90ern aber mit eher tristem Cover versehen. Lediglich durch die unterschiedliche Farbgebung sind die Bände voneinander zu unterscheiden. Worauf es ankommt, ist aber natürlich der Inhalt, und der kann in Band drei mit einigen Änderungen aufwarten. Die Vorworte zu den einzelnen Episoden stammen nicht mehr von Hohlbein, sondern von Frank Rehfeld, der ebenfalls bei der Erstveröffentlichung im Heftroman-Format unter dem gemeinsamen Synonym des Robert Craven einige Romane zur Hexer-Reihe beigesteuert hat. Leider sind seine Anmerkungen nicht ganz so aufschlussreich wie die des Hexer-Vaters Hohlbein, doch immerhin geben sie Aufschluss über die Bedeutung der in „Engel des Bösen“ versammelten Geschichte. Schließen nämlich die ersten drei Episoden den Handlungsstrang der in Band zwei „Der Seelenfresser“ begonnenen Ereignisse noch ab, so beginnt mit „Dagon – Gott aus der Tiefe“ in diesem Sammelband der erste richtige Zyklus, der sich von den eher auf Einzelgeschichten ausgerichteten ersten Bücher unterscheidet, auch wenn diese natürlich auch schon eine fortlaufende Geschichte gebildet haben.

Zwar hat der Hexer schon früher die Bekanntschaft mit monströsen Wesen gemacht, die mehr oder weniger stark an Lovecrafts Cthulhu-Mythos angelehnt sind, mit Dagon trifft der Hexer aber nun auf einen der Großen Alten, der um einiges stärker und bedrohlicher ist als seine bisher aufgetauchten Dienerrassen, die spätestens unter Einsatz magischer Waffen zur Strecke gebracht werden konnten. So erscheint der Schritt nur logisch, das Potential zu nutzen und den Gegner nicht in einem hastigen Finale zu verbraten. Vielmehr wird der Feind aufgebaut und anhand einer in der Vergangenheit spielenden Folge eingeführt (ja, der Hexer kann natürlich auch mittels magischer Tore durch die Zeiten reisen, was leider zum Ende der Serie hin immer abstrusere Formen annimmt, aber so weit ist es ja noch nicht). Umso größer ist dann der Schock darüber, wie aus dem einst ebenbürtigen Geschöpf ein bösartiger Gott geworden ist, der nicht ohne weiteres zur Strecke gebracht werden kann. Der Schlüssel zum Erfolg liegt also nicht unbedingt in der Gegenwart verborgen, wenn man schon in der Zeit hin und her reisen und die Schwächen seines Gegners herausfinden kann. Vorhang auf also für den Zyklus um die Sieben Siegel der Macht, der in „Engel des Bösen“ beginnt und bis zur letzten Hexer-Folge andauert.

_Inhalt_

Bevor der Gott aus der Tiefe seinen Auftritt erhält, müssen sich Robert Craven, Howard (die literarische Version H. P. Lovecrafts), dessen Diener Rowlf und weitere Verbündete gegen einen Rattenmenschen zur Wehr setzen, der durch seine Fähigkeit, sich in hunderte kleiner Nager zu verwandeln, äußerst schwer zu bekämpfen ist. Zudem übertragen die Ratten schwere Krankheiten, mit denen sich die Helden herumplagen müssen. Dass der Rattenmann nur ein Mittel zum Zweck ist, finden sie erst später heraus. Shub-Niggurath, ein grauenhaftes Wesen von entsetzlicher Gestalt, hat seine Finger, pardon: Tentakel im Spiel, um den Hexer zu beseitigen. Die Spur führt schließlich zu einem entlegenen Tempelberg, viele Millionen Jahre vor der Zeitrechnung. Ein Tyrannosaurus Rex ist da noch das kleinste Übel, das auf die Gruppe wartet. Denn vor Menschengedenken, und nun vor dem Angesicht der Helden, existiert dort eine außerirdische Rasse, die sich blutigen Ritualen verschworen hat. Nur wenn der Hexer die Verbindung zu diesem Krater mit der Gegenwart unterbrechen kann und lebend zurückkehrt, kann er die Erweckung Shub-Nigguraths verhindern und für Ruhe sorgen – zumindest kurzfristig. Denn wenig später erhebt sich in „Der Clan der Fischmenschen“ der schon erwähnte Dagon aus seinem feuchten Reich.

Kapitän Bannermann tritt an Robert Craven heran. Er war es, der ihn damals (nachzulesen in Band eins) von Amerika nach London brachte. Auf der Überfahrt wurde das Schiff von Yog-Sothoth angegriffen, Roderick Andara, der Vater Roberts, starb. Bannermann war es zu verdanken, dass der Hexer lebend bis nach London kam. Nun berichtet der Kapitän, der sich von dem Untergang seines Schiffes erholt hat, von neuen Angriffen. Doch er weiß nicht, wer genau dahintersteckt. Zusammen machen sich die beiden nach Aberdeen auf, zu einem abgelegenen Örtchen an der schottischen Küste. Die Dorfbewohner weisen ihnen die kalte Schulter und geben ihnen den Ratschlag, wieder zu verschwinden. Doch der Hexer lässt sich nicht einschüchtern und untersucht die dortige Reederei. Bannermann wird entführt, als es zu einem Angriff von Shoggothen kommt. Doch der Hexer steht nicht ganz alleine dar, denn ein ihm bis dahin fremder Mann namens Nemo, Kapitän des Unterseebootes |Nautilus|, kommt ihm zu Hilfe.

Auch hier beweist Hohlbein wieder eindrucksvoll, wie man geschickt literarische Figuren, in dem Fall aus der Repertoire von Jules Verne, einbauen kann. Der pulpige Horror vermischt sich hier mit der Phantastik des ausklingenden 19. Jahrhunderts, wo U-Boote alles andere als gewöhnliche Fortbewegungsmittel waren. So lässt sich auch erahnen, wohin die Reise geht. Nemo bringt Craven nämlich in sein Schiff und kann ihn tief unter die Wasseroberfläche bringen, dorthin, wo sich Dagon versteckt hält und seine Schoggothen aussendet. Eine Unterwasserschlacht steht an, die noch einige Überraschungen bereithält. Denn wie bereits erwähnt, ist dies nur die erste Begegnung des Hexers mit dem Wasserwesen, und viele weitere werden noch folgen.

_Bewertung_

Die Fortführung der Geschichte, die allmählich von in sich abgeschlossenen Episoden zu einem übergreifenden Zyklus heranwächst, tut dem „Hexer von Salem“ gut. Zwar bleibt der literarische Anspruch wie bisher auf höchstens durchschnittlichem Niveau, schließlich bleibt das Konzept kurzer Heftromanfolgen hinsichtlich der Elemente eines packenden Einstiegs, des schnellen Spannungsaufbaus und des Finales oder zumindest eines spannenden Cliffhangers ungebrochen, doch der sich darüber hinaus über mehrere Folgen erstreckende Plot weiß zu überzeugen und lässt über die Schwächen hinwegsehen. Neben dem schon in der Serie etablierten Howard versprühen Gestalten wie Kapitän Nemo zudem einen ganz eigenen Charme, der sowohl heute wie auch bei seiner Erstveröffentlichung in den 80ern den Reiz der Serie ausmacht und ausgemacht hat. Der Hexer-Stil hält sich nicht an den von Lovecraft, der gerade durch das Unbeschriebene Grauen hervorgerufen hat. Ebenso wenig kann der Hexer eine Phantastik-Geschichte aus der Feder Jules Vernes sein, obwohl Robert Cravens Abenteuer in derselben Zeit angesiedelt ist. Hohlbein (und seine Mitautoren) hätten dabei nämlich nur versagen und im Vergleich mit den großen Namen den Kürzeren ziehen müssen. Vielmehr vermischen die Autoren unverblümt die Genres, nehmen sich ein wenig vom Cthulhu-Mythos, verbinden ihn mit Pulp und Action und lassen hin und wieder literarische oder zeitgenössische Figuren auftauchen, um sich vor ihren Ikonen zu verbeugen, ohne sie kopieren zu müssen. Der Mix, der niemals mehr will als lediglich unterhalten, macht das aus, was den Erfolg des Hexers begründet hat.

Da lassen sich dann auch logische Fehler, oftmals unmotiviert eingeführte Nebenfiguren, die nur zum Ableben überhaupt ein paar Sätze sagen dürfen, und sich wiederholende Handlungsabläufe der bereits erwähnten Reihenfolge schneller Einstieg – Spannungsaufbau – Finale verschmerzen. Wer sich nicht daran stört, dass Lovecraft im „Hexer“ nicht als der depressive Schriftsteller auftritt, der er in Wirklichkeit war, und über ein paar Ungereimtheiten hinwegsieht, wird auch mit „Engel des Bösen“ seine Freude haben.

http://www.bastei-luebbe.de

|Siehe ergänzend auch unsere Rezensionen zu den Hörbuchfassungen der Hexer-Reihe:|

[„Auf der Spur des Hexers“ 511
[„Als der Meister starb“ 917
[„Als der Meister starb (Gespenster-Krimi 02)“ 1214
[„Das Haus am Ende der Zeit“ 1116
[„Tage des Wahnsinns“ 2103
[„Der Seelenfresser“ 2886
[„Die Chrono-Vampire“ 3095

Hohlbein, Wolfgang – Seelenfresser, Der (Der Hexer von Salem 2)

Band 1: [„Die Spur des Hexers“ 4081

Robert Craven hat sich mit seinem Erbe abgefunden und den Kampf gegen die Großen Alten aufgenommen. Doch er besitzt bei weitem noch nicht das Talent seines Vaters Roderick, der die Gabe einst auf ihn übertragen hat. Zwar hat er sich vieles selbst beizubringen versucht, doch um die die magischen Fähigkeiten weiter zu stärken, kehrt er nach Amerika zurück. Genauer gesagt nach Arkham, in die Stadt, die der Ursprung allen Übels ist.

Mit „Der Seelenfresser“ liegt der zweite Band der überarbeiteten „Der Hexer von Salem“-Reihe vor, die bei |Bastei Lübbe| mit neuem Cover und Hintergrundinformationen von Autor Wolfgang Hohlbein versehen ist, der zwischen den Episoden der einst als Romanhefte herausgegebenen Geschichten einen Blick zurück in die Vergangenheit wirft, um interessante und skurrile Anekdoten der Leserschaft mitzuteilen. So versteht sich die Neuauflage vor allem als Sammelband für die Fans, die den Hexer nun in kompletter und chronologisch richtiger Reihenfolge vorfinden. Doch ebenso können Leser, die über Robert Craven bisher noch nichts gelesen haben, die Faszination nachvollziehen, die Hohlbeins Hexer durch seinen pulpigen Stil in Verbindung mit dem cthuloiden Horror zu einem seiner beliebtesten Werke hat werden lassen.

_Inhalt_

Die im ersten Band „Die Spur des Hexers“ enthaltenen Heftromane entstammen noch aus der Reihe „Gespensterkrimi“. In „Der Seelenfresser“ beginnt mit „Das Erbe der Dämonen“ die erste auch als Romanheft unter dem Namen des Hexers veröffentlichte Geschichte. Kein Wunder also, dass Hohlbein als Schauplatz für den Auftakt Arkham und Innsmouth auserkoren hat, zwei fiktive, von Lovecraft erdachte Ortschaften, die zum Grundstein des Cthulhu-Mythos geworden sind.

Robert Craven kommt, nachdem er lange Zeit in London gelebt hat, nach Arkham, wo er sich eine Bleibe in einem kleinen Hotel besorgt – Aufsehen erregen will er auf keinen Fall. Doch es ist nichts so, wie es scheint. Das Hotel stellt sich als Illusion heraus und Craven, der in Wirklichkeit in einer Abbruchbude nächtigen möchte, fällt beim Aufsuchen des Badezimmers in ein tiefes Loch. Im Dunkeln wartet bereits ein schleimiges Tentakelwesen. Als Retter in letzter Sekunde tritt ein Mann namens Shannon auf den Plan, der das Monster mit Shoggotensternen vertreiben kann.
Craven zeigt sich dankbar, doch er verrät dem Fremden nicht seinen wahren Namen, denn Shannon scheint sich mit dem Kampf gegen die finsteren Mächte auszukennen und Craven ist nicht sicher, ob er wirklich auf der richtigen Seite steht. Der Hexer will erst mehr über Shannon erfahren, bevor er selbst seine wahre Identität preisgibt.

Dazu hat er schon wenig später Gelegenheit, denn der nächste Angriff ist Shannon gewidmet, und dieses Mal ist es Craven, der sich rettend dazwischenwirft. Doch dann muss er erkennen, wer seinen Begleiter zu töten versucht hat: Es ist der Geist Roderick Andaras, seines Vaters. Shannon verrät Craven, dass er hinter genau diesem Mann – oder vielmehr Geist – her ist, denn vor vielen Jahren soll er eine schreckliche Tat in Innsmouth verübt haben. Craven ist hin- und hergerissen und weiß nicht, wem er vertrauen soll. Hat sein Vater eine Tat verübt, für die er sich geschämt hat, und aus diesem Grund einst Amerika Richtung London verlassen wollen? Oder unterliegt Shannon in Wahrheit einem Irrtum, der sich in den Absichten Roderick Andaras getäuscht hat? Die Antwort, so schließt Craven, muss in dem Nahe gelegenen Städtchen Innsmouth zu finden sein. Und so macht er sich auf, um herauszufinden, was wirklich passiert ist.

Die Handlung versteht sich als indirekte Fortsetzung zu den Geschehnissen, die in der ersten Episode, „Die Spur des Hexers“, nachzulesen sind. Die Ereignisse verknüpfen das Schicksal zwischen Roderick und Robert und bilden den Grundstein für viele der nachfolgenden Geschichten. Zumal „Das Erbe des Dämonen“ nur einen der insgesamt neun Heftromane darstellt, die in dem Sammelband „Der Seelenfresser“ zu finden sind. In „Cthulhu lebt!“ etwa wird Craven mit seinem größten Gegenspieler Necron konfrontiert, der bereits seinem Vater das Leben schwergemacht hat. Immer wieder kann er entwischen und neue Bosheiten austüfteln. Vor allem seine Gaben, die denen des Hexers ebenbürtig bzw. sogar überlegen sind, machen ihn zu einem der gefährlichsten Kontrahenten.

Zum Glück kann Craven auf die Hilfe diverser Verbündeter zurückgreifen. An erster Stelle steht sicherlich Howard (genau, H. P. Lovecraft höchstpersönlich), Unterstützung findet er aber ebenso von dem hünenhaften Rowlf. Kontakt macht Craven in „Der Seelenfresser“ auch zum ersten Mal mit den Templern. Sie stehen zwar im Grunde auf derselben Seite und haben sich dem Ziel verschworen, die Welt von allem Abschaum zu befreien, doch die Mittel, um dieses Ziel zu erreichen, unterscheiden sich stark von denen des Hexers. So steht mit den Templern eine dritte Partei auf dem Plan, die nicht so einfach dem Schema Gut-Böse zuzuordnen ist. Das Auftreten literarischer oder zeitgenössischer Persönlichkeiten bildet schließlich das i-Tüpfelchen und lässt den Leser immer wieder über die Anspielungen schmunzeln.

_Bewertung_

„Der Seelenfresser“ führt das gelungene Konzept des ersten Bandes fort. Die Heftromane, in chronologischer Reihenfolge, sind je nach Thematik zu einer größeren Geschichte zusammengefasst. Diese werden jeweils in einem kurzen Vorwort von Wolfgang Hohlbein kommentiert. Eine nette Mischung also aus Hintergrundinformationen für diejenigen, die es interessiert, und geballten Abenteuern rund um den Hexer von Salem. Wer „Die Spur des Hexers“ mochte, wird auch diesen Band lieben, denn Hohlbein weicht nicht wirklich von seinem bisherigen Stil ab. Die Geschichten präsentieren sich weiterhin als pulpiges Actionfeuerwerk mit einigen Wendungen, einem Schuss Komik und einem Schuss Horror.

Subtil wie das große Vorbild Lovecraft geht Hohlbein dabei nicht wirklich vor. Das muss und will er aber auch gar nicht. Die Romane lesen sich flott weg und können, sofern man die Genremischung mag, gut unterhalten. Literarische Glanzleistungen kann man nicht erwarten, ebenso wenig wie tiefgehende Charakterzeichnungen und –beziehungen. Es kommt viel eher auf den Gesamteindruck ein, und der ist, trotz unterschiedlicher Qualität der einzelnen Folgen, für eine Heftromanserie hoch.

Da übersieht man dann auch gerne, dass die Spannungsbögen arg kurz geraten sind und die vielen Höhepunkte und Cliffhanger ab und an dazu führen, dass vor lauter dramatischen Ereignissen die Dramatik irgendwann auf der Strecke bleibt. Dies ist nun einmal dem Format des Heftromans zuzuschreiben, der natürlich von Folge zu Folge eine zumindest in gewissen Bereichen abgeschlossene Handlung präsentieren muss, ohne alle offenen Fragen aufzulösen. Sei es drum; der Hexer bietet kurzweilige Unterhaltung und kann sie, dank guter Zusammenstellung, in diesem Sammelband gegenüber früheren Fassungen sogar noch etwas steigern.

http://www.bastei-luebbe.de

|Siehe ergänzend auch unsere Rezensionen zu den Hörbuchfassungen der Hexer-Reihe:|

[„Auf der Spur des Hexers“ 511
[„Als der Meister starb“ 917
[„Als der Meister starb (Gespenster-Krimi 02)“ 1214
[„Das Haus am Ende der Zeit“ 1116
[„Tage des Wahnsinns“ 2103
[„Der Seelenfresser“ 2886
[„Die Chrono-Vampire“ 3095