
„American Psycho“, das ist die Geschichte von Patrick Bateman: 27, Angestellter an der Wall Street, steinreich, intelligent und natürlich gut aussehend. Pat hat einen undefinierbaren Job, bei dem er an einem Designerschreibtisch sitzt und seine Sekretärin rumkommandiert. Doch dieser Job ist längst nicht sein Lebensmittelpunkt. Viel wichtiger ist es, abends mit Arbeitskollegen und schicken Begleitungen in angesagten Restaurants zu sitzen, einen gestählten Körper zu haben und die morgendliche Talk Show nicht zu verpassen. Bald wird klar, dass Pat Batemans Leben eine furchtbar öde Routine ist, die den Protagonisten gleichzeitig unter ständigen Leistungsdruck setzt. Denn an der Wall Street zählen nichts als Statussymbole. „In“ sein ist alles. Verpasst zu haben, dass dieses oder jenes Restaurant mittlerweile out ist, ist ein unverzeihlicher Fauxpas. Einen Fehler im Dresscode zu machen, ist ebenso katastrophal. Immer |up to date| sein, was Mode und Trends angeht, wird für Pat zur Lebensaufgabe.
Doch Bateman bricht auf ganz eigene Art aus diesem Trott aus. Der aalglatte und perfekte Yuppie mutiert nachts zum total durchgeknallten Serienkiller, der Frauen, die er „Girls“ nennt, scharenweise auf brutalste Weise umbringt. Und das ist gerade der Knackpunkt des Romans. Während sich der Leser damit abgefunden hat, dass es sich bei „American Psycho“ um ein Buch bar jeder Handlung handelt, fällt plötzlich Batemans kranke Psyche wie ein Orkan über die bisher so geradlinige und vorausschaubare Erzählung her. Er lädt sich Nutten ein, er verführt Dates und sein Charme und sein Geld wiegen sie alle in falscher Sicherheit. Bis er anfängt, sie tagelang zu foltern und zu quälen. Und nicht nur die Frauen müssen Höllenqualen ausstehen. Auch der Leser wird nicht geschont, denn Ich-Erzähler Bateman badet sich in diesen Orgien, er erspart dem Leser kein Detail und rückt den Frauen mit Bohrmaschinen, Ratten, Kleiderbügeln und Bolzenschussgeräten zu Leibe. Selbst Hartgesottene werden da an die Grenzen ihrer Zumutbarkeit gelangen, Zartbesaitete werden wahrscheinlich mehr als einmal versucht sein, das Buch ganz zur Seite zu legen.
Allerdings ist in „American Psycho“ nicht alles wie es scheint. Ist Bateman tatsächlich ein Serienmörder? Warum wird er dann nicht von der Polizei gejagt? Warum fällt niemandem etwas auf? Warum vermisst niemand die verschwundenen Frauen? Denn Tatsache ist, dass Bateman ungestört weiterhin an seinem Schreibtisch sitzt, in teuren Restaurants isst, Koks schnupft und teure Anzüge kauft. Vielleicht spielen sich seine Ausraster also nur in seiner Phantasie ab? Vielleicht ist das die einzige Möglichkeit, die es für ihn gibt, aus der starren New Yorker Upperclass auszubrechen? Die Gedanken sind frei, so heißt es. Vielleicht sind Batemans durch und durch kranke Gedanken der einzige Ort, an dem er ein unverwechselbares Individuum sein kann und nicht der uniforme und austauschbare Angestellte, der er tagsüber ist. Ellis lässt alle Möglichkeiten offen und stellt die Realität von Batemans Erzählung mal in Frage, um sie einige Seiten später wieder zu bestätigen.
Was nun wahr und was imaginiert ist, bleibt sich am Ende gleich. Beide Batemans, der angepasste Wall-Street-Yuppie wie der brutale Schlächter, haben letztendlich eines gemeinsam: Sie sind auf ihre Weise entmenschlicht. Tagsüber ist Bateman jeder eigenen Emotion beraubt, sämtliche Ansichten und Meinungen werden von Medien und noch erfolgreicheren Yuppies diktiert. Bateman ist ein Roboter, ein Sklave seines Umfelds, der zwar diffus an seiner Situation leidet, deren Vorteile jedoch so schätzt, dass er an seinem Leben nichts ändern mag. Der nächtliche Bateman fühlt zwar, jedoch nur in der Extremsituation der Folter und des Mords. Hier empfindet er tatsächlich Freude, Erfüllung und Glück. Doch diese Gefühle sind so weit entfernt von gesunder Menschlichkeit, dass er sich selbst nicht als ihr Teil wahrnimmt.
„American Psycho“ ist ein auf mehreren Ebenen anstrengendes Buch. Auf der einen Seite dreht es ständig im Kreis. Die sich immer wiederholenden Beschreibungen von Dinners, von Outfits, von Markennamen ermüden und langweilen. Dieser Effekt ist natürlich von Ellis gewollt und verstärkt noch die Schockmomente, die einsetzen, wenn Bateman zur Tat schreitet und ein Girl mit in sein Apartement nimmt. Der Roman schlägt dauernd in eines dieser beiden Extreme aus: Langeweile und Abstumpfung und dann wieder Schock und Angewidertsein. Dieser Kontrast verlangt dem Leser einiges ab, lohnt aber die Anstrengung am Schluss doch unbedingt. Ellis’ Botschaft lässt sich kaum deutlicher formulieren, er überlässt kaum etwas der Phantasie des Lesers. Und gerade diese Deutlichkeit ist einer der Haupteffekte des Romans.
Taschenbuch: 548 Seiten
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