Ein Mann mit außergewöhnlicher Gabe
In der Hitze des Hochsommers überquert Seft, ein begnadeter Feuersteinhauer, die Große Ebene, um den Ritualen beizuwohnen, die den Beginn des neuen Jahres anzeigen. Beim Markt zur Sommersonnenwende will er einige seiner Steine eintauschen und Neen suchen, das Mädchen, das er liebt. Neens Familie lebt in Wohlstand und bietet Seft in ihrer Gemeinschaft von Hirten Zuflucht vor seinem brutalen Vater und seinen aggressiven Brüdern.
Eine Priesterin, die an das Unmögliche glaubt
Joia, Neens Schwester, ist eine Priesterin mit Vision, eine geborene Anführerin. Schon als Kind sieht sie der Zeremonie zur Sommersonnenwende wie gebannt zu. Sie träumt von einem wundergleichen neuen Monument, errichtet aus den größten Steinen der Welt.
Ein Monument, das eine Zivilisation prägen wird
Joias Vision von einem großen Steinkreis inspiriert Seft und wird zu ihrem gemeinsamen Lebenswerk. Doch als Dürre die Erde plagt, wächst das Misstrauen zwischen Hirten, Ackerbauern und Waldbewohnern – und eine grausame Gewalttat führt zu offenem Krieg …
Mein Eindruck:
Alles beginnt mit einem Übersetzungsfehler. Im Original steht religionsfrei das Kürzel „b. c. e.“ über dem ersten Kapitel, was dem deutschen „v. u. Z.“ entspricht. Und ich dachte immer, dass heutzutage alles neutraler formuliert wird und niemand mehr „v. Chr.“ benutzt, weil unsere Zeitrechnung nicht die aller ist.
Dann aber gehts los, episch gehts das. Und wir werden mit so vielen Charakteren, Gruppierungen und Familien konfrontiert, dass eine Übersichtseite wirklich prima gewesen wäre. Es ist ja schön, dass Ken Follett so viel Fantasie hat, so vielen Personen Leben einzuhauchen, aber ich war als Leser doch hin und wieder etwas überfordert.
So gewaltig wie die Idee der Priesterin in diesem Buch ist, statt der gerade abgebrannten Kultstätte eine aus Stein errichten zu lassen, so groß ist auch der Erzählstil. Und Ken Follett lässt sich Zeit … passend zum Unterfangen. Es dauert eine ganze Weile bis hier alles in Fahrt kommt und die Geschichte nicht mehr ganz so langsam ist. Auf der anderen Seite ist das aber auch passend zu der Geschwindigkeit, in der die vielen Helfer die schweren Steine über eine enorme Distanz transportieren … ziehen … mussten.
Die wichtigsten Charaktere dieses Romans haben für mich genug Tiefe gehabt, damit ich sie mir in meinem Kopfkino bildlich vorstellen konnte. Auch die Konflikte und Auseinandersetzung zwischen den Gruppen und Menschen haben sich echt angefühlt. Wie ich auch das Gefühlsleben der Figuren nachempfinden konnte. Und um Gefühle gehts hier auch.
Follett provoziert prüde und intolerante Leser, wenn er gleichgeschlechtlichen Sex mit einbaut und halt auch eine weibliche Priesterin. Im Vorfeld wurde darüber spekuliert, ob sich das Buch daher in den USA schlechter verkaufen würde. Aber, Follett meinte, er würde sich mehr Sorgen darüber machen, dass sich die Menschen dort das Buch nicht leisten könnten, aufgrund der ganzen Steuererhöhungen in letzter Zeit.
Der Autor:
Ken Follett zählt zu den erfolgreichsten Autoren der Welt. Von seinen achtunddreißig Romanen wurden mehr als 198 Millionen Exemplare in über achtzig Ländern und in vierzig Sprachen verkauft. Seine Karriere begann Ken Follett nach seinem Studium jedoch zunächst als Reporter und Mitarbeiter eines kleinen Londoner Verlags. Seinen Durchbruch als Schriftsteller erlebte der 1949 als Sohn eines Finanzbeamten geborene Waliser mit der Veröffentlichung von DIE NADEL, einem Spionagethriller aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs. Er brachte ihm 1979 den EDGAR AWARD für den besten Roman der MYSTERY WRITERS OF AMERICA ein und ist nach wie vor eines seiner beliebtesten Bücher. (Verlagsinfo)
Mein Fazit:
Was vor 4500 Jahren wirklich in Südwestengland passiert ist, das wissen wir nicht. Aber, Ken Follett hat eine Idee, wie es gewesen sein könnte. Und die stellt er uns in diesem epischen Roman vor. Sehr gut recherchiert, sehr detailliert ausgeschmückt und mit einer Besetzung, für deren Abspannliste man im Kino eine ordentliche Zeit nachsitzen müsste.
Und wieder hat er es durch seine Erzählkunst geschafft, dass ich mich wie ein Teil der Gemeinschaft gefühlt habe. Dass ich vor Ort bin, dass ich zuschaue, dass ich mitfühle, dass ich eine Weile in dieser Zeit leben durfte.
Die vielen Beziehungen und Spannungen, die Konflikte und Auseinandersetzungen, alles fühlte sich echt an.
Mich hat die Reise in die Jungsteinzeit bestens unterhalten, denn ich mag diese langsame Erzählweise, mit der Ken Follett an seine Geschichten herangeht. Und es müssen nicht immer Kathedralen erbaut werden. Ein Steinkreis, errichtet von einfachen Menschen, reicht da schon aus.
Gebundene Ausgabe: 672 Seiten
Originaltitel: Circle of Days
Aus dem Englischen von Rainer Schumacher und Dietmar Schmidt
1. Auflage, September 2025
www.luebbe.de
Der Autor vergibt: