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Meydan, Lena – Clan der Vampire

Lena Meydan – das klingt wie eines dieser Fantasy-Pseudonyme, unter denen amerikanische Autorinnen ihre Vampirromanzen unters lesende Volk bringen. Und tatsächlich ist Lena Meydan – entgegen der Tatsache, dass es eine Webseite mit Kurzbio und Steckbrief gibt – ein Pseudonym, hinter dem sich die drei russischen Schriftsteller Alexey Pehov, Elena Bitschkowa und Natalja Turtschaninowa verbergen. Eigentlich ein unnötiger Schachzug, genießt russische Fantasy hierzulande doch spätestens seit der Wächter-Trilogie einen durchaus guten Ruf. Außerdem heißt es über Lena Meydans Roman „Clan der Vampire“, er sei für den internationalen Markt umgeschrieben worden. Man dachte wohl, sich auf dem internationalen Parkett dem momentan gängigen niedrigen Niveau wenigstens annähern zu müssen. Glücklicherweise ist das nicht gelungen. Denn auch wenn der englische Titel „Twilight Forever Rising“ das Buch mit Gewalt in die Meyer-Ecke drängen will und auch der deutsche Klappentext versucht, das Gewicht auf die Liebesgeschichte zu legen, so handelt es sich bei „Clan der Vampire“ doch keineswegs um eine rührselige Vampirschmonzette. Wer also aufgrund des Marketings die Finger von diesem Roman lässt, verpasst unter Umständen ein gutes Buch.

Tatsächlich hat „Clan der Vampire“ (der russische Originaltitel ist „Kindret“) dafür einiges mit dem Rollenspiel „Vampire – The Masquerade“ zu tun. Diese geistige Verwandtschaft tragen die drei Autoren als Banner offensichtlich auf dem Buchdeckel: „Kindred“ (bzw. deutsch „Clan der Vampire“ – dafür ein Bonuspunkt für die korrekte deutsche Übersetzung) war eine kurzlebige Serie, die auf dem Rollenspiel fußte. Dass Vampire sich in Clans, also bestimmte Familien, unterteilen, die verschiedene Eigenschaften besitzen und sich in menschliche Politik und Wirtschaft einmischen, ist der gedankliche Grundpfeiler des Romans. Protagonist ist Darrel Dachanawar, ein Telepath, der für seinen Clan andere Vampire, aber gern auch menschliche Geschäftspartner aushorcht. Während die Moskauer Vampire – oder Blutsbrüder, wie sie sich selbst nennen – menschliche Emotionen und Handlungsmuster kaum noch nachvollziehen können, hält sich Darrel gern in der Welt der Menschen auf. Dabei begegnet ihm Lorraine, mit der ihn bald eine zarte Romanze verbindet. Doch eine Verbindung zwischen einem Menschenmädchen und einem Vampir kann nicht lange gut gehen. Schon gar nicht, wenn die Balance der verschiedenen Familien ohnehin gestört ist und jeder mit geschickt eingefädelten Intrigen versucht, die Oberhand zu gewinnen.

Doch „Clan der Vampire“ handelt nicht nur von Darrel. Seine Geschichte ist zwar der rote Faden, der sich durch den Roman zieht. Doch daneben erfährt der Leser noch ganz viel über andere Vampirfamilien und deren Oberhäupter. Die Erzählperspektive wechselt häufig. Mal folgt man Miklosch Balsa, dem Oberhaupt der Tschornis, mal Paula, einer Feriartos. Zusammen ergeben all diese Geschichten dann ein großes Mosaik. Das heißt aber auch, dass sich die Handlung nur langsam entschlüsselt. Als Leser muss man Geduld mitbringen. Nicht nur braucht es eine Weile, bis man all die verschiedenen Familien und ihre wichtigsten Figuren auseinanderhalten kann, auch spielen sich viele Handlungsstränge parallel ab und ergeben erst am Ende des Buches Sinn. Wer diese Geduld aufbringt wird allerdings belohnt: „Clan der Vampire“ ist – trotz der abgekupferten Grundidee – ein originelles und vor allem spannendes Buch. Und gerade die zahlreichen Erzählperspektiven stellen sicher, dass jeder Leser einen Charakter findet, der ihn persönlich anspricht.

So gibt es zwar durchaus eine Liebesgeschichte zwischen Darrel und Lorraine, doch diese ist eben nur ein kleines Mosaiksteinchen im großen Ganzen – „Clan der Vampire“ ist keineswegs ein Liebesroman. Mancher Leser interessiert sich vielleicht eher für Miklosch, das schmale, blonde Oberhaupt der Tschornis, der gern komponiert und einen Hygienetick hat, aber gleichzeitig unglaublich brutal sein kann und sich eine ganze Armee von Söldnern hält. Oder vielleicht doch lieber Christoph, der französische Ritter, der in einer Wohnung lebt, die er alle drei Monate komplett umräumt und der Leichen wiederwecken kann. Jede Figur wird mit der gleichen Liebe zum Detail dargestellt – niemand ist einfach nur gut oder böse, einfach nur schwarz oder weiß. Und es ist genau diese differenzierte Darstellung, die „Clan der Vampire“ so lesenswert macht.

Was ein wenig zu kurz kommt – gerade für einen deutschen Leser – ist das Setting. „Clan der Vampire“ spielt in einem fast kontemporären Moskau (die russische Originalausgabe gibt über jedem Kapitel einen Tag im Jahr 2004 an, in der deutschen Ausgabe wurde diese genaue zeitliche Verortung weggelassen). Leider jedoch spielt Moskau als Ort der Handlung kaum eine Rolle und wäre, wenn nicht einige bekannte Gebäude oder Straßen erwähnt würden, sogar vollkommen austauschbar. Stattdessen entführen die Autoren in Clubs und Restaurants, die so hipp und beliebig sind, dass sie sich auch in jeder anderen Großstadt dieser Welt befinden könnten. Das ist ein bisschen schade, würde ein gut beschriebener Handlungsort doch ungemein zur Atmosphäre des Romans beitragen. Vampire in einem finsteren Moskau? Wer kann da widerstehen?

Natürlich muss auch dazu gesagt werden, dass dieser Roman der Auftakt zu einer Tetralogie ist. Deshalb endet „Clan der Vampire“ mit einem ordentlichen Cliffhanger. Das Autorentrio hat sich viel Zeit genommen, eine Romanwelt aufzubauen und zu gestalten. Wie im Schachspiel werden die verschiedenen Figuren platziert und zueinander in verschiedenen Beziehungen gestellt. Im Verlauf des Romans gibt es erste Schachzüge, doch wird sich erst in den Fortsetzungen zeigen, in welche Richtung das Spiel sich entwickelt. Die Familien stehen am Beginn eines Kriegs um die Vorherrschaft. Wer daraus als Sieger hervorgeht, wird sicher erst der vierte Band zeigen. Hoffen wir, dass der deutschsprachige Markt nicht zu lange auf die Fortsetzungen warten muss. Es passiert heutzutage schließlich nicht mehr allzu häufig, dass originelle, düstere und unterhaltsame Vampirliteratur veröffentlicht wird. Ein echter Pageturner!

|Taschenbuch: 560 Seiten
Originaltitel: Kindret, Krownye bratja
ISBN-13: 978-3453266902|
[www.randomhouse.de/heyne]http://www.randomhouse.de/heyne

Dierssen, Oliver – Fledermausland

Es war einmal vor nicht allzu langer Zeit, dass der Heyne Verlag einen Schreibwettbewerb ins Leben rief: „Schreiben Sie einen magischen Bestseller“ hieß der Slogan und gesucht waren Manuskripte zu den Themen Fantasy, Mystery und Science Fiction. Mit über 1400 eingereichten Manuskripten wurde der Verlag praktisch erschlagen – und mehrere Büros sicher bis an die Schmerzgrenze zugemüllt. Doch nach heroischer Sichtung der Papierberge wurden fünf Finalisten ausgewählt. Oliver Dierssen mit seinem Roman „Fledermausland“ war einer davon.

Heyne hat nun eben diesen Roman mit einer putzig-trotteligen Fledermaus auf dem Cover (und fast schon in Großdruck – die Brillenträger der Republik bedanken sich herzlich) herausgebracht und bewirbt ihn als den „definitiven Vampirroman für die Generation Praktikum“. Das klingt zwar lustig, aber macht auch misstrauisch – schließlich führen die Superlative von Verlagswerbesprüchen in der Regel immer zu Enttäuschungen. Und tatsächlich stellt sich bei der Lektüre heraus, dass „Fledermausland“ nicht wirklich ein Vampirroman ist. Und ein Praktikum macht auch niemand.

_Stattdessen geht es_ um Basti. Man könnte ihn als sympathischen Loser bezeichnen, denn er hängt ein bisschen in den Seilen. Seinen Zivildienst hat er in einem Otterzentrum absolviert und eigentlich sollte er sich jetzt für einen Studienplatz bewerben. Doch so richtig bekommt er das nicht auf die Reihe, denn die Bewerbungen stauben in seiner Nachttischschublade einfach so vor sich hin. Immerhin wohnt er nicht mehr zu Hause, aber das auch nur, weil seine Eltern ihm monatlich Geld zukommen lassen, von dem er die Miete seiner bescheidenen Bleibe bestreiten kann. Ansonsten arbeitet er in einem Asiashop – Integration mal umgekehrt. In seiner Freizeit ist er in Kim verknallt, doch die hat sich gerade von Andi getrennt und ist dementsprechend spröde. Sie widersetzt sich Bastis tolpatschigen Annäherungsversuchen ein ums andere Mal, obwohl Basti praktisch seine ganzen Ersparnisse auf den Kopf haut, um sie wiederholt ins Kino ausführen zu können. Und zu allem Überfluss lebt er auch noch in Hannover. Hannover! Was soll da schon Spannendes passieren?

So einiges, wie Basti bald feststellen soll. Nachdem nämlich eines Nachts eine Fledermaus durch sein geöffnetes Schlafzimmerfenster fliegt und ihm Panikattacken beschert, nehmen die Dinge ihren Lauf. Als er einen Notruf absetzt („Hilfe! Fledermaus in meinem Zimmer!“) erscheint nicht das DRK, sondern der MAD. Einige Tage später ist plötzlich seine Wohnung blitzblank und ein russischer Hausgeist nistet sich unter der Spüle ein. Die GEZ in Form dreier Kampfzwerge verhört ihn wegen seinem Kontakt zu Kim (und natürlich wegen seiner unangemeldeten Rundfunkgeräte). Und ja, es gibt Vampire, Uno spielende Zombies und am Schluss ein Happy End.

Als dann aber Kim plötzlich verschwindet und klar wird, dass sie wegen Kontakts mit einem Hominiden vor Gericht gestellt wird, macht sich Basti auf, um seine Kim heldenhaft zurück zu gewinnen.

_Das klingt alles_ nach ziemlich viel Buch, gerade für einen Debutroman. Tatsächlich hat man auf den 500 Seiten jedoch kaum Gelegenheit, sich zu langweilen. Das liegt zum Einen am Ich-Erzähler Basti und den Gedanken und Beobachtungen, die Dierssen ihm in den Mund legt. Das liest sich alles flüssig, unglaublich kurzweilig und stellenweise flapsig. Kurzum: Dierssens Stil macht einfach Spaß, vor allem, weil er trotz des betont umgangssprachlichen Erzähltons präzise Beobachtungen und überraschende Details in seine Handlung einfließen lässt.

Und zum Anderen liegt es ganz einfach daran, dass Dierssen sich bei allerlei Mythen bedient und diese augenzwinkernd neuinterpretiert. Denn Basti lebt zunächst in unserer „ganz normalen“ Welt, bis Vampire, Zwerge und Dämonenkatzen in diese wohlbekannte Realität einbrechen. Er wehrt sich lange gegen die Erkenntnis, dass es solcherlei Dinge tatsächlich geben könnte und daraus erwächst die Komik des Romans. Klar, thematisch liegt das irgendwo zwischen [„American Gods“ 1396 und „Neverwhere“ (Dierssen lässt einen Charakter sogar „Willkommen in der Unterwelt“ sagen). Der Roman ist allerdings stark auf deutsche Befindlichkeiten zugeschnitten. Das geht bei der GEZ los und hört bei der Bielefeld-Verschwörung auf.

Für einen Erstlingsroman liest sich „Fledermausland“ erstaunlich flüssig. Sicher, ein paar Szenen hätten gekürzt (oder gelöscht) werden können – so führt beispielsweise der obligatorische Elternbesuch in Bastis Wohnung nirgendwohin. Doch lässt sich nicht leugnen, dass Dierssen ein begabter Erzähler ist, dem es gelingt, humorige Fantastik für den deutschen Sprachraum mit originellen oder gar kauzigen Charakteren auf die Beine zu stellen. Einzig Kim bleibt etwas blass und erscheint mehr und mehr wie ein ferner Schwarm und nicht wie die unsterblich Geliebte, für die Basti mehr schlecht als recht Kopf und Kragen riskiert (er ist eben kein geborener Held).

_Bleibt zu hoffen_, dass Dierssen auch in Zukunft mit so guten Romanideen gesegnet ist!

|Taschenbuch: 448 Seiten
ISBN-13: 978-3453266636|

Harris, Charlaine – Ein Vampir für alle Fälle

_Charlaine Harris auf |Buchwurm.info|:_

|Sookie Stackhouse|

1. „Dead Until Dark“ ([„Vorübergehend tot“, 788 2006, ISBN 3937255141
2. „Living Dead in Dallas“ ([„Untot in Dallas“, 939 2006, ISBN 393725515X)
3. „Club Dead“ ([„Club Dead“, 1238 2005, ISBN 3937255168)
4. Dead to the World ([„Der Vampir, der mich liebte“, 2033 2005, ISBN 3423244747)
5. „Dead as a Doornail“ ([„Vampire bevorzugt“, 3157 2006 ISBN 342324545X)
6. „Definitely Dead“ ([„Ball der Vampire“, 4870 )
7. „All Together Dead“ ([„Vampire schlafen fest“, 5450 )
8. _“From Dead to Worse“ („Ein Vampir für alle Fälle“)_

„Wenn das hier ‚Der Herr der Ringe‘ wäre…“ So beginnt „Ein Vampir für alle Fälle“, der achte Band in Charlaine Harris‘ ebenso unterhaltsamer wie erfolgreicher Romanreihe um die gedankenlesende Südstaatenkellnerin Sookie Stackhouse. Tja, wenn dieser Roman „Der Herr der Ringe“ wäre, gäbe es wohl viel mehr Herumgelaufe und Schwertgeschwinge, aber viel weniger Witz und Erotik. Auf welche Komponenten er mehr Wert legt, muss jeder Leser allerdings selbst entscheiden. Sookie Stackhouse jedenfalls bietet in gewohnter Manier wieder eine flotte Handlung mit einem umfangreichen Arsenal an übernatürlichen Charakteren, erzählt mit spitzer Zunge von der Ich-Erzählerin Sookie.

Und wenn es sich hier tatsächlich um „Der Herr der Ringe“ handeln würde, begänne das Buch sicherlich nicht mit einer Hochzeit. Einer Doppelhochzeit sogar! Harris nimmt sich die Zeit, Sookie ein wenig das kleinbürgerliche Ambiente von Bon Temps genießen zu lassen, mit einer spießbürgerlichen Hochzeit im Garten, Kleidern mit vielen Rüschen und in schreienden Farben und einer total durchschnittlichen Feier. Daran ändern auch die Vampire nichts, die ebenfalls eingeladen sind. Im Gegenteil, sie köpfen einfach eine Flasche teures französisches Blut (von echten Adligen – ein ganz edler Tropfen) und freuen sich ihres Unlebens. Doch als die Feier schon fast vorbei ist, macht Sookie dann doch noch eine Entdeckung. Halb im Gebüsch versteckt sieht sie nämlich einen unglaublich schönen Mann, der sich wenig später als ihr Urgroßvater heraus stellt. Niall Brigant ist doch tatsächlich ein Elf und ganz erpicht darauf, seine Urenkelin endlich kennen zu lernen. Sookie ist ziemlich baff, aber auch hingerissen und erfreut – schließlich hat sie außer ihrem missratenen Bruder Jason ja keine leiblichen Verwandten mehr. Und so führt Harris eine neue übernatürliche Komponente ins Sookie-Universum ein. Zwar kamen schon vorher Elfen vor (Sookie hat nämlich eine Elfe als Schutzengel), doch mit Nialls Auftauchen eröffnen sich natürlich ganz neue Möglichkeiten. Doch steckt die Beziehung zwischen Sookie und Niall in „Ein Vampir für alle Fälle“ noch in den Anfängen. Die beiden beschnuppern sich, Niall taucht immer wieder auf. Doch einen ganzen Handlungsstrang darf er noch nicht füllen. Das wird sich Harris sicherlich für einen der nächsten Bände aufsparen – schließlich ist Niall ausreichend geheimnisvoll und auch ambivalent angelegt, um später voll ins Geschehen einzugreifen.

Statt dessen findet Sookie sich bald in einem Krieg zwischen konkurrierenden Werwolfrudeln wieder. Zwar hat sie mit Alcide Herveaux, ihrem Ex, eigentlich nichts mehr zu tun. Doch sie ist immer noch eine Freundin des Rudels, und so landet sie eher unbeabsichtigt zwischen den Fronten. Und als wäre das nicht genug, sieht es auch bei den Vampiren nicht friedvoller aus. Sophie-Anne Leclerq, die Königin von Louisiana, wurde bei dem Bombenanschlag in Dallas schwer verletzt und ist immer noch so geschwächt, dass der König von Nevada seine Chance sieht, Louisiana ohne große Gegenwehr übernehmen zu können. Doch kann so etwas ohne Blutvergießen über die Bühne gehen? Werden sich die Vampire von Louisiana nicht gegen eine solche feindliche Übernahme wehren?

Mittlerweile hat Charlaine Harris‘ Universum ungeahnte Ausmaße angenommen. Es gibt zahllose Charaktere und Nebenschauplätze, denen wenigstens ein bisschen Raum zugestanden werden muss. Das führt zu einigen Problemen in der Erzählung und verhindert leider über weite Strecken, dass man als Leser das Gefühl hat, einer zielgerichteten Handlung zu folgen. So hat man schon Schwierigkeiten, die Haupthandlung überhaupt auszumachen: Ist es der Werwolfkrieg, der Vampirkrieg oder das Auftauchen von Sookies Urgroßvater? Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass eine überzeugende Haupthandlung fallen gelassen wurde zu Gunsten vieler Fäden, die aus vergangenen Bänden übrig geblieben waren und die nun weiter gesponnen und neu verknüpft werden. Teilweise scheint es tatsächlich so, als hätte Harris ihr umfangreiches Personal per Liste abgehakt, um auch sicherzustellen, dass jeder Charakter der nun doch sehr umfangreichen Serie wenigstens einmal kurz vorkommt. Das führt jedoch dazu, dass die Romanhandlung sehr episodisch daherkommt und man als Leser zwischen all den Handlungssträngen und Charakteren reichlich verloren herumspringt.

Da wäre zum Beispiel Quinn, Sookies eigentlich Aktueller (ein Wertiger). Quinn ist seit dem Bombenanschlag verschwunden. Nicht verschollen, denn Sookie hat ja noch mit ihm gesprochen, doch hat er sich danach einfach nie wieder gemeldet. Was soll sie davon halten? Und wird er irgendwann wieder auftauchen?

Ähnlich ergeht es Sookies Mitbewohnern Amelia, die Besuch von ihrer Hexenvorgesetzten bekommt und sich einen Rüffel dafür abholen darf, dass sie einen Bettgenossen in eine Katze verwandelt hat (ohne zu wissen, wie sich das wieder rückgängig machen lässt). Außerdem bekommt Amelia Besuch von ihrem Vater und fängt eine Affäre mit Erics rechter Hand Pam an.

Auch Eric dreht meistens Däumchen. Er darf das Treffen zwischen Sookie und Niall arrangieren und mutiert zum Vieltelefonierer, als die Übernahme durch den König von Nevada droht. Er scharwenzelt von Zeit zu Zeit um Sookie herum, doch bewegt sich die (Nicht)Beziehung der beiden weder vor noch zurück. Beziehungen und Nichtbeziehungen sind jedoch Harris‘ Stärke. Alles Zwischenmenschliche (oder auch „Zwischenübernatürliche“ – aber das ist ein ziemliches Wortmonstrum) gelingt ihr spielend und bei dem umfangreichen Personal ihres Buches gibt es natürlich reichlich Möglichkeiten, Figuren miteinander agieren zu lassen. Trotzdem bleibt „Ein Vampir für alle Fälle“ in Liebesdingen ziemlich blass – weder bewegen sich die Beziehungen zwischen Sookie und ihren diversen Verehrern in irgendeine Richtung, noch wird ein neuer Mann an ihrer Seite eingeführt.

So plätschert die Handlung über weite Strecken dahin und bietet nur vereinzelte actiongeladene Höhepunkte. Der Großteil des Romans besteht dagegen aus häuslicher Routine und Alltagssituationen. So darf der Leser beispielsweise Sookie beim Einkaufen, beim Ausleihen von Büchern und beim Kirchgang begleiten. Dass das nicht wirklich spannend ist, ist ein nahe liegender Gedanke. Dabei ist es keineswegs so, dass Harris‘ ihr Schreibtalent abhanden gekommen wäre. Sie erzählt mit gewohntem Witz und flottem Charme, so dass nebensächliche Szenen nicht vollkommen irrelevant erscheinen. Trotzdem, dem Roman fehlt ein zentraler Konflikt, der sich durch die gesamte Handlung zieht und den Leser bei Laune hält. Statt dessen werden viele einzelne Handlungselemente abgearbeitet, was dazu führt, dass der Roman ziellos wirkt. Schade.

|Taschenbuch: 384 Seiten
ISBN-13: 978-3423211482
Originaltitel: From Dead to Worse
Übersetzer: Britta Mümmler|

Sands, Lynsay – Ein Vampir zum Vernaschen

Lucern ist Schriftsteller und ein absolut repräsentativer Vertreter seiner Spezies: Er ist ein einzelgängerischer Eigenbrötler, der außerhalb seiner Familie keine sozialen Kontakte pflegt und sich stattdessen in seinem Haus verschanzt, ohne wenigstens sporadisch an der Welt teilzunehmen. Außerdem ist er ein Vampir (was vielleicht für Schriftsteller nicht unbedingt typisch ist), aber das nur nebenbei.

Früher hat Lucern Sachbücher zu verschiedenen historischen Themen geschrieben, doch irgendwann beschloss er dann, in einzelnen Romanen die Lebens- und Liebesgeschichten seiner Familie zu Papier zu bringen. Das hat ihn zu einem Star unter den Romanzen-Schriftstellern gemacht, und jede kleine Buchhandlung, Bibliothek und Ladenkette in den USA und Kanada möchte Signierstunden mit ihm. Und da kommt Kate C. Leever, ihres Zeichens Lucerns Lektorin, ins Spiel. Wiederholt versucht sie, Lucern davon zu überzeugen, dass er mehr mit seinen Fans interagieren sollte, doch Lucern lehnt jedes Mal wortkarg ab und ignoriert Kate ansonsten gekonnt. In einer letzten Verzweiflungstat fliegt Kate von New York nach Toronto, um Lucern persönlich davon zu überzeugen, dass er auf Lesetour gehen sollte. Natürlich hat sie ihren Besuch vorher schriftlich angekündigt, doch da Lucern seine Post höchstens einmal im Monat öffnet, ist er reichlich überrascht, als plötzlich seine Lektorin vor der Tür steht.

Natürlich können sich beide zunächst nicht leiden, doch mit etwas Hilfe von Lucerns kupplerischer Mutter wird dem Armen dann doch noch ein Public-Relations-Termin aufgedrückt, und zwar die riesige, mehrere Tage dauernde |Romantic Times Convention|, bei der sich Fans, Verlage und Schriftsteller in einem Hotel treffen.

Lucern ist alles andere als begeistert, und das, obwohl Kate und ihr Kollege Chris einzig zu seinem Wohl und seiner Unterhaltung zur Verfügung stehen und ihn geradezu babysitten, damit er auch nichts hat, worüber er sich beschweren könnte. Kate und er kommen sich näher, sie findet heraus, dass er nicht nur über Vampire schreibt, sondern tatsächlich einer ist, es kommt zu einigen Verwicklungen, und am Schluss darf Autorin Lynsay Sands ein tief empfundenes „Happy End“ unter ihre Paranormal Romance mit dem nicht gerade effektvollen deutschen Titel „Ein Vampir zum Vernaschen“ setzen.

„Ein Vampir zum Vernaschen“ ist eigentlich der dritte Teil von Sands „Argeneau-Serie“, doch |Egmont LYX| hat sich entschieden, den Roman als Band zwei zu veröffentlichen. Das ist für alle Puritaner unter den Buchliebhabern sicher ärgerlich, praktisch macht es allerdings kaum einen Unterschied, in welcher Reihe man die Bücher liest. Zwar tauchen immer wieder die gleichen Charaktere auf – nämlich die Mitglieder der Familie Argeneau -, doch behandelt jeder Roman die Liebesgeschichte einer anderen Figur. So ist es relativ gleichgültig, mit welchem Band man einsteigt.

Sicher, Lynsay Sands hat eine astreine Paranormal Romance geschrieben, und das Genre ist alles andere als ein Garant für literarische Qualität. Auch Sands‘ Bücher sind letztlich nichts weiter als Gebrauchsliteratur, die sofort ihren Reiz verliert, sobald man das Buch zugeklappt hat. Doch muss man Sands auch zugestehen, dass sie einige Ideen hat, die ihren Roman über das Einerlei der Liebesromane herausheben, wobei sie genügend schriftstellerisches Geschick besitzt, diese Ideen auch überzeugend umzusetzen. Damit ist „Ein Vampir zum Vernaschen“ eine definitive Verbesserung gegenüber dem Vorgänger [„Verliebt in einen Vampir“. 5796

So ist ihr erzählerischer Grundaufbau, nämlich den Roman im literarischen Betrieb anzusiedeln, geradezu metaliterarisch und sorgt wiederholt für Schmunzler und Aha-Effekte. Die Convention, auf die sie Lucern und Kate schickt (eher keine Konferenz, wie uns die Übersetzung weismachen will – das lässt den Leser an einen akademischen Anstrich glauben, den es so nicht gibt), existiert tatsächlich. Sie wird jährlich von der Zeitschrift |Romantic Times| ausgerichtet und ist ein Ort, wo man Fans und Autoren gleichermaßen treffen kann. Es gibt Kostümbälle, Signierstunden und offensichtlich auch die Möglichkeit, sich mal die ganzen gut gebauten Männer in natura anzuschauen, die sonst die Buchcover schmücken. Auch Kathryn Falk, die Gründerin der |Romantic Times|, kommt in einer kleinen (aber durchaus charmanten) Nebenrolle vor. Theoretisch macht dieses ungewöhnliche Setting den Roman für all jene interessanter, die die |Romantic Times| und deren Convention kennen, doch das wird wohl für kaum einen deutschen Leser zutreffen. Und trotzdem ist Sands‘ Einblick in den Schnulzenmarkt kurzweilig und auch humorig.

Da kann man ihr auch fast verzeihen, dass sie natürlich für ein Publikum schreibt, das eine ganze bestimmte Vorstellung von seinen Heldinnen und Helden hat, und dass ihre Liebesgeschichte dadurch natürlich einen formelhaften Anstrich bekommt. So ist ihre Heldin selbstverständlich unglaublich unabhängig und tough, in Liebesdingen aber eher schüchtern und unbedarft. Der Held dagegen scheint zunächst so viel Emotion wie ein Stein zu haben, erweist sich letztlich aber als Vampir mit einem Herzen aus Gold.

Die Unabhängigkeit und Lebensgewandtheit ihrer Heldin Kate äußert sich hauptsächlich darin, dass sie spleenige und völlig abwegige Ideen hat, wie zum Beispiel die, in eine Blutbank einzubrechen – komplett mit Skimasken und einem Rucksack voller Werkzeug aus dem Baumarkt. Als Lucern sie dann bittet, draußen zu warten, fühlt sie sich in ihrer Ehre gekränkt: „Das hier war ihre Idee gewesen; sie wollte verdammt sein, wenn sie draußen in einer Gasse wartete und die Hände rang wie eine dieser zimperlichen Heldinnen in einem altmodischen Roman.“ Eine solche Heldin wäre zwar nicht nach Kates Geschmack gewesen, sie hätte Lucern aber auch in weit weniger Schwierigkeiten gebracht und so beweist die taffe und selbstbestimmte Heldin eigentlich nur eines: nämlich, dass ihre Unabhängigkeit nur Fassade ist und allen mehr gedient wäre, wenn sie sich weniger einmischen würde.

Von diesen misslichen Details einmal abgesehen, kann man mit „Ein Vampir zum Vernaschen“ durchaus Spaß haben – ein empfehlenswerter Schmöker für eine laue Sommernacht.

|Originaltitel: Single White Vampire
Ins Deutsche übertragen von Regina Winter
380 Seiten, kartoniert
ISBN-13: 978-3-8025-8172-4|
http://www.egmont-lyx.de

Cole, Kresley – Nacht des Begehrens

Schon der Klappentext zu Kresley Coles Paranormal Romance „Nacht des Begehrens“ sorgt für unfreiwillige Komik: „Auf der Suche nach ihren Wurzeln reist Emmaline Troy durch Europa. Ihre Mutter war eine Walküre und ihr Vater ein Vampir (…). Die Halbvampirin wuchs wohlbehütet bei ihren Walkürentanten auf.“ Ja, da ist tatsächlich von Walkürentanten die Rede, und wer naiv genug ist zu glauben, dass es schlimmer nicht kommen kann, der darf sich gern Kresley Coles Roman zu Gemüte führen und sich eines Besseren belehren lassen.

Emmalines Walkürentanten sind nämlich lange nicht die einzig schillernde Gattung übernatürlicher Lebewesen, denn Cole verortet ihren Roman im „Mythos“. Mit Mythos bezeichnet sie eine Art geheime Parallelwelt, die bevölkert ist von allem, was sich unterschiedliche Kulturen so ausgedacht haben: Vampire, Werwölfe, Hexen, Geister, Walküren. Diese Zusammenstellung ihres Personenkreises wirkt natürlich total wahllos, vor allem da die Übernatürlichkeit der Charaktere nur auf den Effekt abzielt und für die Handlung kaum eine tiefere Bedeutung hat.

Doch von Anfang an: Emma ist – wie gesagt – halb Vampir und halb Walküre. Ihre Eltern hat sie nie kennengelernt, stattdessen ist sie bei einer Schar manischer Walküren in New Orleans aufgewachsen. Nun, mit satten siebzig Jahren, beschließt sie, mehr über ihren unbekannten Vater herauszufinden, und reist zu diesem Zwecke nach Paris, wo sie sich trotz ihrer immensen Geldreserven mehr schlecht als recht durchschlägt – offensichtlich sind ihre Tanten schreckliche Glucken, die Emma bisher vor der Welt „beschützt“ haben, was sie nun ziemlich hilflos aussehen lässt. Prompt nimmt auch der Werwolf Lachlain ihre Witterung auf und macht sich an die Verfolgung. Denn natürlich ist Emma seine Gefährtin, die Frau der Frauen, die eine, die er unbedingt haben muss. Wie überraschend! Er verschleppt sie in ihr eigenes Hotelzimmer und Strippenzieherin Cole biegt es so hin, dass Emma den attraktiven Wüstling nach Schottland zu seinem Landsitz fahren will/muss – und das, obwohl er sie gegen ihren Willen festhält und sie wiederholt fast vergewaltigt. Muss Liebe schön sein!

Emma wehrt sich zunächst gegen ihre aufkeimenden Gefühle für Lachlain. Doch der Leser kann sich gewiss sein, dass sie im Verlauf des Romans doch noch Lachlains Annäherungsversuchen erliegen und sich schließlich seiner überwältigenden Männlichkeit ergeben wird. Wenn Cole nach zwei Dritteln des Romans all das obligatorische Sie-liebt-ihn-nicht-sie-liebt-ihn-doch hinter sich gebracht hat, fügt sie noch ein wenig Action und eine Prise völlig vorhersehbarer Plot-Twists ein. Ja, und das ist es dann auch schon gewesen mit „Nacht des Begehrens“. Außer, man möchte auch noch die anderen sechs Bände der Reihe lesen, aber das ist wohl nur ganz Hartgesottenen zu empfehlen.

Cole schreibt in der bequemen Komfortzone der Paranormal Romance, in der die Frauen jungfräulich und hilflos und die Männer aggressiv und dominant sind. Die Liebe muss in solchen Romanen etwas Schicksalhaftes haben – Männlein und Weiblein werden von einer (unbenannten) höheren Macht zu Pärchen zusammengewürfelt und müssen sich dann irgendwie miteinander arrangieren, bis sie feststellen, dass sie ja doch ganz gut miteinander auskommen und sich – tada! – tatsächlich unsterblich lieben. Lachlain findet Emma per Geruchssinn: „Aber jetzt hat er sie gewittert – die eine Frau, die nur für ihn geschaffen ist. Die eine Frau, nach der er tausend Jahre ohne Unterlass gesucht hat.“ Später soll er zu einem Vertrauten sagen: „Eine Gefährtin wie sie hätte ich mir niemals vorstellen können.“ Und so impliziert zwar das Schicksalhafte ihrer Beziehung die übergroße und wahrhafte Liebe, die alle Unwegbarkeiten überwindet (denn natürlich stammen Emma und Lachlain aus verfeindeten Gruppen des Mythos – Romeo und Julia lassen grüßen), doch ist die Patina dünn. Sie verdeckt kaum, dass es hier eigentlich nicht um Liebe geht – nicht um das Kennen- und Liebenlernen, um die zarten Gefühle, die einer gefestigten Beziehung vorauseilen. Vielmehr geht es um zwei grundverschiedene Charaktere, die nicht zueinander passen, die nichts gemeinsam haben und die sich – praktisch gegen ihren Willen – lieben müssen, ganz einfach, weil die Autorin das so will.

Kresley Cole findet das offensichtlich romantisch. Doch ihre Definition von Romantik ist geradezu barbarisch und taugt nur für die Sexfantasien innerhalb eines Liebesschmökers. Cole findet es romantisch, dass Lachlain hunderfünfzig Jahre gefangen gehalten und gefoltert wurde, um sich dann wortwörtlich ein Bein auszureißen, um zu seiner eben erschnüffelten Gefährtin zu gelangen. Selbstverständlich hält sich die Autorin in solchen Szenen nicht mit Nebensächlichkeiten auf, z. B. warum Lachlain gefangen gehalten und gefoltert wurde, wenn es sicherlich einfacher gewesen wäre, ihn zu töten. Auch findet es Cole romantisch, dass sich Lachlain, von seiner Gefangenschaft noch halb wahnsinnig, auf die unbedarfte Emma wirft und sie fast vergewaltigt – erst im letzten Moment kann sie sich befreien. Überhaupt hat Cole ein Faible für Vergewaltigungsfantasien, was zu verstörenden Szenen führt. Liebe ist hier immer nur Sex, und da ist es auch kaum verwunderlich, dass Lachlain Emma die Klamotten vom Leib reißt und seine Hände überall hin wandern lässt, noch bevor die beiden auch nur einen kohärenten Satz miteinander gewechselt haben.

Emma schafft es zwar, für zwei Drittel des Romans die eiserne Jungfrau zu spielen (den Akt gibt es erst nach 320 Seiten), doch das ist nur Augenwischerei. Cole fügt mit schöner Regelmäßigkeit alle paar Seiten eine Sexszene ein, in der Lachlain es Emma unter der Dusche besorgt, im Bett, im Stehen, im Sitzen, im Liegen – das alles, während sie natürlich eigentlich nur in Ruhe gelassen werden will (als Unsterbliche kann sie leider keine „Migräne“ als Ausrede vorschieben). Kresley Cole hält sich kaum mit Handlung auf, die Sexszenen reihen sich wie Perlen auf eine Kette und ständig ist von „Lanzen“ und „beinharten Erektionen“ die Rede.

Wenn Kresley Cole sich gerade nicht damit beschäftigt, wie sie Emma und Lachlain nackig machen kann, dann streut sie ein paar lieblose Nebencharaktere ein. Am nervtötendsten sind hierbei Emmas Walkürentanten, vor denen ja schon der Klappentext warnt. Cole gelingt es nicht, diese Schar hysterischer, kampfshoppender Weiber irgendwie überzeugend zu zeichnen. Es wird nicht klar, ob sie nun knallharte Kämpferinnen (was durchaus seinen Reiz hätte) oder „kreischende“ und „schreiende“ Frauchen sind. Sobald sie jedoch die Bühne der Handlung betreten, verliert Cole völlig den Faden und der Roman versinkt in undurchsichtigen und chaotischen Actionszenen, die keinen Sinn ergeben. Um das Maß voll zu machen, heißt ihre Villa „Val Hall“ und Emmas Mutter ist eigentlich Helena von Troja (die – natürlich – eigentlich eine Walküre war).

Letztendlich ist Kresley Coles „Nacht des Begehrens“ durchschnittlichste Liebesschmöker-Kost, wie sie sich auf dem Bücherwühltisch zu Dutzenden findet. Hier gibt es nicht einen interessanten Charakter, nicht eine interessante Wendung der Handlung – und Originalität darf man schon gar nicht erwarten. Coles Roman ist nichts weiter als der Erfüllungsgehilfe für die sexuellen Fantasien seiner Leserinnen, pro forma umrahmt von einer dünnen und völlig austauschbaren Handlung.

|Originaltitel: A Hunger Like No Other
Ins Deutsche übertragen von Bettina Oder
444 Seiten, kartoniert
ISBN-13: 978-3-8025-8174-8|
http://www.egmont-lyx.de

Erotica, Paranormal Romance and Young Adult Adventure

Sands, Lynsay – Verliebt in einen Vampir

Rachel arbeitet schon seit Jahren in der Nachtschicht der Pathologie. Für sie ist das ein guter Vorwand, um kein Privatleben haben zu müssen, denn schließlich hat sie kaum Gelegenheit, sich mit Freunden – oder gar Männern – zu treffen, wenn sie nachts arbeitet und tagsüber schläft. Tatsächlich scheint Rachel allerdings auch nicht sonderlich erpicht auf mehr Sozialleben zu sein. Sie ist ein wenig einsiedlerisch und sich in der Regel selbst genug.

Das soll sich jedoch schnell ändern, als sie einen „Rostbraten“ auf den Tisch bekommt – eine verkohlte Leiche. Was sie zu dem Zeitpunkt noch nicht weiß, ist, dass es sich bei der Leiche keineswegs um einen Toten handelt, sondern um Etienne Argeneau, seines Zeichens Vampir. Er hat gerade ein kleines Problem mit einem verrückten Vampirjäger, der ihm nachstellt – deswegen ist er auch so gut durchgebraten. Es kommt, wie es kommen muss: Der Vampirjäger folgt Etienne in die Pathologie, um ihn wirklich umzubringen, verfehlt ihn aber mit seiner Axt und trifft stattdessen die verschreckte Rachel. Da die Wunde tödlich wäre, greift Etienne zum einzigen Mittel, ihr Leben zu retten: Er macht sie ebenfalls zu einem Vampir.

Und so wacht Rachel in einem fremden Haus auf, zwischen Leuten, die ihr weismachen wollen, dass sie nun unsterblich ist und Blut trinken muss. Das ist keine Neuigkeit, die man einfach mal so wegsteckt, und so braucht es eine ganze Weile, bis Rachel sich mit der neuen und ungewohnten Situation abgefunden hat. Während sie also versucht, ihre Abscheu vor Blut und Spritzen zu überwinden, kommen sie und Etienne sich näher. Doch bevor die Hochzeitsglocken läuten können, muss erst noch der verrückte Vampirjäger Pudge aus dem Weg geschafft werden, denn er fängt wirklich langsam an, lästig zu werden.

Lynsay Sands’ „Verliebt in einen Vampir“ (ja, der Titel ist banal, aber der Originaltitel „Love Bites“ ist auch nicht viel besser gelungen) ist eine ziemlich durchschnittliche Paranormal Romance. Es gibt eine unglaublich hübsche Heroine, die aus reichlich obskuren Gründen noch nicht vergeben ist und sich auch nicht für besonders begehrenswert hält. Es gibt einen Helden Marke „tall, dark and handsome“, der gleichermaßen unbedarft ist, wenn es darum geht, die Frau fürs Leben zu finden. Man stecke beide für eine Weile in ein Zimmer (in diesem Fall Etiennes Schlafzimmer) und vertraue darauf, dass sie sich schon aufeinander einlassen werden. Und natürlich passiert das auch, schließlich wäre eine Paranormal Romance ja keine richtige Romanze, wenn die zwei Protagonisten sich nicht am Ende kriegen würden. „Verliebt in einen Vampir“ passt also genau in die Genrebezeichnung und wird damit alle begeistern, die bei der Lektüre einer Liebeschnulze auf keinen Fall überrascht werden wollen.

Allerdings hat Lynsay Sands einige Einfälle zum Thema Vampirismus, die entweder vollkommen abwegig oder schlichtweg unappetitlich sind. So macht sie sich die Mühe, tatsächlich eine Erklärung für den Vampirismus der Argeneaus zu liefern, und beruft sich dabei auf Wissenschaft und Medizin. Nun ist das ein legitimer Erklärungsversuch, der durchaus seine Reize hat. Aber wenn sie dann davon anfängt, dass Vampire von der wissenschaftlich hochentwickelten Bevölkerung Atlantis abstammen, denen Nanopartikel eingesetzt wurden, um sie jung und gesund zu erhalten, dann ist das einfach nur noch schräg und relativ sinnfrei. Ähnlich ergeht es ihren Einfällen zum Thema Vampir-Subkultur. So erfindet sie eine Vampirbar mit dem unglaublich originellen Namen |Night Club|, in dem man auch gern Blutcocktails bestellen kann, also zum Beispiel eine Virgin Mary mit Blut, Worcestershire- und Tobascosauce und einem Zitronenspritzer. Pfui.

Der erste Teil des Romans ist eine relativ konfuse, langweilige und zähe Angelegenheit. Sands verrennt sich in ihrem Vorhaben, Rachels Anpassungsschwierigkeiten beschreiben zu wollen. Sie scheut nicht einmal völlig unsinnige Wiederholungen, die den Leser frustrieren und dazu verleiten, Kapitel einfach zu überblättern oder das Buch ganz beiseite zu legen. So denkt Rachel bei ihrem ersten Erwachen im unbekannten Haus zunächst, dass sie träumt. Sie verlässt das Zimmer und erkundet die Räumlichkeiten – immer in der Annahme, dass sie eigentlich schläft. Als sie zum zweiten Mal erwacht, denkt sie wieder, dass sie träumt. Wieder verlässt sie das Zimmer und wundert sich über ihre sehr realistischen Träume. In der ersten Sequenz denkt sie: „Befand sie sich in einer Spezialeinrichtung für Komapatienten?“ Zwanzig Seiten später, in der zweiten Sequenz, denkt sie: „Sie war vielleicht in einer Spezialklinik für Komapatienten.“ Diese zwei Kapitel sind nichts weiter als Papierverschwendung, eine Geduldsprobe für den Leser und ein Armutszeugnis für den Lektor, der solch redundante Passagen rigoros hätte rausstreichen müssen.

Immerhin fängt sich Sands in der zweiten Hälfte des Romans. Hier fällt ihr dann nämlich ein, dass sie am Anfang doch einen Antagonisten eingeführt hatte, nämlich den Vampirjäger Pudge. Nun ist dessen Charakterisierung zwar eher skizzenhaft und keineswegs logisch, doch immerhin bringt er die Handlung in Schwung, die bis dahin hauptsächlich auf der Stelle getreten ist. Plötzlich muss Etienne sich nämlich dem Gegner stellen, der Rachel entführt hat und ihr den Hund seiner Nachbarin als Snack anbieten will. Ja, da gibt es auch eine ganze Menge Slapstick, aber im Großen und Ganzen ist die zweite Hälfte von „Verliebt in einen Vampir“ durchaus unterhaltsam, was den Leser mit dem eher schleppenden Anfang versöhnt.

Abschließend sollte vielleicht noch angemerkt werden, dass |Egmont LYX| die Bücher der Argeneau-Reihe in veränderter Reihenfolge veröffentlicht. Tatsächlich ist „Verliebt in einen Vampir“ der zweite Teil der Serie (im ersten wird Etiennes Schwester Lissianna mit ihrem Psychiater Greg verkuppelt), was allerdings kaum ins Gewicht fällt, da jeder Roman ein anderes Mitglied der Argeneau-Familie zum Hauptcharakter macht. Während also alle Romane irgendwie ineinandergreifen, kann man sie trotzdem getrost unabhängig voneinander lesen.

|Originaltitel: Love Bites
Ins Deutsche übertragen von Regina Winte
334 Seiten, kartoniert
ISBN-13: 978-3-8025-8171-7|
http://www.egmont-lyx.de

Wellington, David – letzte Vampir, Der

Special Deputy Jameson Arkeley – und auf den |Special Deputy| legt Arkeley genauso viel Wert wie Captain Jack Sparrow auf den |Captain| – ist ein ganz harter Knochen. 1983 schaffte er es, ein ganzes Vampirnest zu vernichten, wenn man einmal von der Vampirin Justinia Malvern absieht, deren verknöcherter untoter Körper einfach nicht recht brennen wollte und die nun, der amerikanischen Justiz unterstellt, in einem leerstehenden Sanatorium als Versuchsobjekt herhalten muss. Diese eine erfolgreiche Vampirjagd ist der Knackpunkt in Arkeleys Karriere. Nicht nur macht sie ihn plötzlich zum einzigen erfolgreichen Vampirjäger der Vereinigten Staaten; sie ist auch der Beginn seines fanatischen Hasses auf die Blutsauger. Dass Malvern ihm durch die Finger geglitten ist, kann Arkeley nicht verwinden. Er will sie unbedingt tot sehen, genauso wie jeden anderen Vampir.

Zwanzig Jahre später wittert Arkeley endlich seine Chance. Bei einer Polizeikontrolle im verschlafenen Pennsylvania stößt State Trooper Laura Caxton auf einen Wagen mit drei Leichen. Schnell wird klar, dass es sich um Vampiropfer handelt. Die eingeschalteten Behörden schicken Arkeley zur Unterstützung, und der kann nicht anders als Malvern hinter den neuen Vampiraktivitäten zu vermuten.

Zusammen mit der in Vampirfragen völlig unbeleckten Caxton macht sich Arkeley also auf, den neuen Vampiren das Handwerk zu legen; eine Angelegenheit, die sich als schwieriger erweist, als man zunächst annehmen würde. Wellingtons Vampire kommen als ziemlich unbesiegbare Kampfgeschosse daher, und so haben Arkeley und Caxton ihre liebe Müh, die neue Vampirplage einzudämmen und die menschlichen Opfer in übersichtlichen Zahlen zu halten. Bis es zum endgültigen Showdown im stillgelegten Sanatorium kommen kann, ist auf beiden Seiten reichlich Blut geflossen und eine stolze Zahl von Nebencharakteren hat ihr Leben ausgehaucht.

Wenn Verlage ihre Publikationen mit Superlativen schmücken, ist in der Regel Vorsicht geboten. |Piper| bezeichnet David Wellingtons „Der letzte Vampir“ ganz unbescheiden als den „kompromisslosesten und wichtigsten Vampirroman des modernen Horrors“ und spricht dann im Klappentext auch noch vom „definitiven Vampir-Epos“. Damit stellt sich |Piper| leider selbst ein Bein, denn bei den unzähligen Veröffentlichungen zum Thema Vampire müsste Wellington schon arg von der Muse geküsst worden sein, um derartige Lobeshymnen zu verdienen. Tatsächlich hat er einen grundsoliden Actionreißer geschrieben, jedoch keinen „wichtigen Vampirroman“ und schon gar kein „Vampir-Epos“.

Bei Wellington geht es richtig zur Sache, und das macht er seinem Leser gleich auf den ersten Seiten klar. Schon die Beschreibung von Arkeleys erster Vampirjagd gibt den Kurs für die folgenden vierhundert Seiten vor. Da wird geschossen und verfolgt und gestorben, und schlussendlich kotzt der böse Vampir seine komatösen Vampirgefährten mit halbverdautem Blut voll, um sie wiederzubeleben. Das alles schildert Wellington mit echter Hingabe, und wer seine Begeisterung für das Eklige und Brutale nicht teilt, der wird sich mit „Der letzte Vampir“ wohl schwertun.

In den relativ kurzen Kapiteln reiht sich eine halsbrecherische Actionsequenz an die nächste, und Wellington gönnt seinen beiden Protagonisten kaum eine Verschnaufpause. Trotzdem schafft er es, die beiden durchaus plastisch zu schildern. Arkeley sieht mit seinen versteiften Wirbeln so aus, als hätte er buchstäblich einen Stock verschluckt – und so benimmt er sich auch. Außer seiner Rache an Malvern zählt für ihn nichts im Leben, selbst seine Ehe und sein Sohn sind für ihn nichts weiter als eine Art, die Zeit zwischen den Vampirjagden zu füllen. Arkeley ist ein Einzelgänger, und das lässt er seine neue Partnerin gern spüren. Doch Caxton ist zu sehr damit beschäftigt, sich vor den herumfliegenden Kugeln zu ducken, um Arkeley wirklich lange böse zu sein.

Überhaupt, Caxton. Wellington schreibt aus ihrer Perspektive, der Leser erkundet also mit ihr diese neue und ungewohnte Welt der Vampire. Sie hält sich ganz gut, schaut bei den übel zugerichteten Leichen immer hin und stellt sich auch bei der Jagd auf den Vampir Congreve nicht dumm. Im Gegensatz zu Arkeley hat sie auch so etwas wie ein Privatleben – eine Freundin, eine Meute Hunde und ein Haus. Deanne, Caxtons Liebste, ist der Schwachpunkt des Romans. Sie ist nie mehr als ein Plot Device, ein Kunstgriff, um die Handlung in die richtigen Bahnen zu lenken, und ein so billiger Trick erscheint als ein hässlicher Fleck auf dem ansonsten durchaus logisch gewebten Handlungsteppich des Romans.

Aber natürlich sollte man auch ein paar Worte über Wellingtons Vampire verlieren, sie sind schließlich der Dreh- und Angelpunkt der Handlung. Sie sind triebgesteuerte Monstren: große, kahlköpfige Albinos mit spitzen Ohren und mehreren scharfen Zahnreihen. Sie nippen nicht etwa gepflegt an ihrem Opfer, sondern reißen es in Stücke, und wenn es ihnen beliebt, können sie die so Getöteten als Halbtote wieder auferstehen lassen: praktische Zombies, die niedere Arbeiten verrichten können. Seltsamerweise sind Wellingtons Vampire (und das wird nie wirklich thematisiert) eine evolutionäre Sackgasse. Im Gegensatz zum normalen literarischen Vampir, der mit zunehmendem Alter immer stärker wird und immer weniger Blut benötigt, sind die Vampire Wellingtons nie so stark wie in ihrer ersten Nacht und mit zunehmendem Alter brauchen sie immer größere Blutmengen. Sicher, das verstärkt die Gefahr für die Menschen, doch gleichzeitig sorgt es auch dafür, dass eine Vampirin wie Malvern (ca. 400 Jahre alt) nur noch aus lose zusammenhängendem Gewebe besteht. Sie kann nicht mehr laufen, kommuniziert nur noch über einen Laptop und ihr fehlt ein Auge. So möchte man sich die Ewigkeit nicht vorstellen …

Und zu allem Überfluss zerfallen Vampire tagsüber auch noch in eine Art Glibber. In diesem Urschleim aus Nägeln, herumschwimmenden Knochen und halbverflüssigten Eingeweiden muss der geneigte Jäger dann das Herz finden, denn nur so kann ein Vampir vernichtet werden. Bei Wellington klingt das dann so: |“Sie sah Reyes‘ Knochen, so wie sie Malverns Skelett gesehen hatte, aber während das Fleisch der Vampirin zu einem oder zwei Litern breiigem Matsch reduziert gewesen war, stand in Reyes‘ Sarg die zähflüssige Suppe bis zur Hälfte. Nun, bei ihm gab es ja auch viel mehr Fleisch zu verflüssigen als bei Malvern. Ein paar Knochen trieben an der Oberfläche; an den knorpeligen Vorsprüngen klebten ganze Madenkolonien. Der Schädel lag völlig untergetaucht auf dem Grund, starrte sie mit weit aufgeklapptem Unterkiefer an.“| (S. 263) Für solche Szenen lebt Wellington, gepflegter Grusel ist seine Sache nicht. Bei ihm geht es deftig zu und er liebt es, sich der Schmerzgrenze Satz für Satz zu nähern, um sie dann plötzlich zu überspringen.

Wellingtons Roman ist sicher nichts für zarte Gemüter. Wohlerzogene adlige Vampire mit schwarzen Capes wird der Leser hier nicht finden. Wer aber auf der Suche nach einem Actionspektakel mit zwei taffen Helden ist, wer Vampire mal etwas anders erleben will und das Abscheuliche und Groteske sucht, der sollte Wellingtons letzem Vampir eine Chance geben. Dass Wellingtons unverwüstliche Vampire ihre Leserschaft finden, beweist wohl die Tatsache, dass die Fortsetzung, „99 Coffins“, im Dezember 2007 in den USA erschienen ist.

http://www.piper-verlag.de
http://www.brokentype.com/davidwellington/

David Wellington schreibt seine Romane zunächst als Blogeinträge, um sie später als überarbeitete Fassung in Buchform zu veröffentlichen. Das heißt, alle seine Romane sind kostenlos (und völlig legal) im WWW zu finden. Die originale Rohfassung von „Der letzte Vampir“ kann man hier lesen: http://www.brokentype.com/thirteenbullets/.

Weinland, Manfred / Fickel, Florian – Vampira: Der Moloch (02)

Wir erinnern uns: Vampira, alias Lilith Eden, erwacht zwei Jahre zu früh aus ihrem 100-jährigen Schlaf. Wie Dornröschen wurde sie dabei von einem recht eigensinnigen Haus bewacht, das keine Eindringlinge einließ, um die Sicherheit der schlafenden Schönen zu gewährleisten. Doch da Lilith nun schon einmal wach ist, gilt es, ihr neues vampirisches Leben zu erkunden. In der ersten Folge „Das Erwachen“ lernte der geneigte Hörer daher hauptsächlich, was es mit Vampiren so auf sich hat, und dass Lilith eine wichtige Prophezeiung zu erfüllen hat: Sie ist nämlich diejenige, die die Vampire vernichten soll. Elende Nestbeschmutzerin, denken sich da natürlich ihre Artgenossen und wollen ihr prompt ans Leder.

Doch schon in der zweiten Folge, „Der Moloch“, ist Lilith keine Hauptfigur mehr. Ja, sie darf sich durchaus wieder einen geistig minderbemittelten und ausreichend schmierigen Kerl angeln und ihn nach Strich und Faden verführen und ausbluten (langsam muss man sich schon fragen, warum Lilith einen so schlechten Männergeschmack hat), doch viel mehr hat sie im zweiten Teil der Serie kaum zu tun. Ihr skurriles formveränderndes Kleid hat wieder einen rettenden Auftritt, aber das war es dann auch schon.

Stattdessen beleuchtet „Der Moloch“ nun die zukünftigen (menschlichen) Gegenspieler Liliths, allen voran Detective Jeff Warner, gesprochen von Norbert Langer, den man hauptsächlich als die deutsche Stimme von Burt Reynolds und Tom Selleck kennen dürfte. Langer macht mit seiner Rolle das einzig Richtige: Er nimmt den Klischeecop Warner und übertreibt jeden seiner Sätze und alle seine Ausrufe. Warner ist der typische harte Kerl mit dem Herzen aus Gold, ein Charakter, wie man ihn schon in Hunderten billigen Krimis gesehen hat, sodass es eigentlich nicht nötig ist, ein ganzes Hörspiel damit zu verwenden, ihn als Cop in die Serie einzuführen.

Mittlerweile ist nämlich endlich das seltsame Haus in der Paddington Street auch den Gesetzeshütern aufgefallen. Warner und sein Sidekick Needles stellen überrascht fest, dass es für das Haus nicht einmal einen im Grundbuch eingetragenen Besitzer gibt. Und darüber hinaus kann niemand das Haus betreten. Niemand? Nicht ganz, denn aus nicht näher spezifizierten Gründen arbeitet die Polizei von Sydney mit einem Parapsychologen zusammen. Und nämlicher Parapsychologe, Brian Secada, wird prompt in das Haus gesogen und muss fortan versuchen, den Ausgang zu finden. Wieso das Haus gerade Secada Zugang gewährt, was das alles mit dem Plot um Lilith zu tun haben soll, und warum Secada von der körperlosen Stimme seiner ersten großen Liebe verführt wird, bleibt wohl ewig das Geheimnis der Macher dieses Hörspiels. In jedem Fall konnten so aber wieder eine vor Holzhammer-Erotik triefende Szene und eine süßliche Ruf-mich-an-Frauenstimme untergebracht werden – und das allein scheint einer der wichtigsten Tagesordnungspunkte auf der Liste von Frank Weinreich (der für die originale Heftromanserie verantwortlich zeichnet) und Florian Fickel (der die Fäden für das Hörspiel in den Händen hält) zu sein.

Zumindest ist das Verhältnis von Erzähler (Christian Rode) und dialogorientierter Handlung (die meist von den Cops bestritten wird) hier bereits ein wenig ausgewogener als noch in „Das Erwachen“. Das ist durchaus positiv zu bewerten, da es Lilith (mit der Stimme von Tina Haseney) weniger Möglichkeiten gibt, zu stöhnen, zu seufzen oder generell Unsinn zu erzählen.

Ein echter Lichtblick ist die absolut unernste und ironische Musikuntermalung von Rainer Scheithauer und Joschi Kauffmann. Bereits im ersten Teil brachten die beiden einen Grusel-Horrorsound zu Gehör, der verdächtig nach Horror-B-Movies aus den 70ern klang. In „Der Moloch“ kommt nun ein neues Thema für Detective Warner hinzu, das frappant an die unzähligen hippen Krimiserien der 80er Jahre erinnert. Da kann man sich eines Schmunzelns wirklich nicht erwehren!

Ansonsten gibt es über „Der Moloch“ kaum etwas zu berichten. Es werden neue Figuren eingeführt, Liliths Haus macht den Abgang, es gibt ein kleines Gerangel mit den bösen Vampiren und ein paar Tote. Doch Spannung wird dabei kaum aufgebaut. Für Liliths blassen Charakter kann man kaum Sympathien aufbringen und auch Jeff Warner ist leider ein Cop, wie man ihn schon unzählige Male gesehen hat. Es gibt auch immer noch keine Antworten darauf, warum Lilith die anderen Vampire bekämpfen soll. Ebenso wenig erfährt man, warum die Vampire überhaupt solche Bösewichter sind (sein sollen?). Dann noch Empathie für die Schicksale der Charaktere aufzubringen, fällt mehr als schwer.

„Vampira“ ist empfohlen für Hörer ab 16, die der Serie vermutlich mehr werden abgewinnen können als ältere Hörer. Lilith ist oberflächliche Frauenpower. Sie nimmt die Männer mit nach Hause und tritt ihnen dann in den Hintern. Doch ihre Wahl lässt ständig zu wünschen übrig, und dass sie ohnehin alle fünf Minuten unlautere Angebote und Vergewaltigungsversuche abwehren muss, macht sie nicht gerade zur feministischen Leitfigur. Lilith will beides sein: toughes Vorbild für junge Mädchen und Ausklapp-Poster für Jungs. Letztendlich ist sie auf keinem Gebiet wirklich erfolgreich.

Weinland, Manfred / Fickel, Florian – Vampira: Das Erwachen (01)

Das ist uns doch allen schon mal passiert: Da wacht man im Morgengrauen nur dürftig bekleidet auf einem Friedhof auf und hat keinerlei Erinnerung daran, wie man dorthin gelangt ist. Und bevor man sich noch orientieren kann, stürzt sich auch schon eine bluthungrige Kreatur auf einen, die aber glücklicherweise durch die aufgehende Sonne in die ewigen Jagdgründe befördert wird.

Genau mit diesem Tableau startet „Vampira – Das Erwachen“, |Lübbe|s Hörspielserie um Lilith Eden. Ursprünglich bevölkerte Lilith die |Bastei|-Heftromane von Manfred Weinland, wo sie sich gern halbnackt und lasziv auf dem Cover rekelte. Doch nun gibt’s auch was auf die Ohren, nämlich Liliths erste Schritte in die Welt der Vampire in „Das Erwachen“.

Das erste Hörspiel der Reihe startet |in medias res| – zusammen mit der amnesiegeplagten Lilith versucht der Hörer, das Geheimnis um ihre Identität zu lüften. Ein erster Anhaltspunkt bietet sich, als Lilith aus der Jackentasche des toten Angreifers eine Adresse fischt: Lilith Eden, Paddington Street 333. Natürlich verfolgt sie diesen einzigen Anhaltspunkt. Sie nimmt sich ein Taxi – und den dazugehörigen Taxifahrer (schließlich hat auch frau so ihre Bedürfnisse) und findet sich bald auf einem scheinbar verwunschenen Grundstück wieder: Der Garten ist überwuchert, Bäume und Sträucher scheinen die Herrschaft übernommen zu haben. Das Haus jedoch gewährt ihr sofort Einlass, und während Lilith sich noch fragt, was das alles mit ihr zu tun hat, wird sie schon von verstörenden Visionen und Erinnerungen heimgesucht.

Lilith ist eine Art weiblicher „Blade“ – ein Mischwesen zwischen Mensch und Vampir, laut Prophezeiung dazu erschaffen, die Vampire zu bekämpfen. Wie sich das damit verträgt, dass ihre Mutter selbst Vampirin war (sie gab – ebenfalls prophezeiungsgetreu – ein paar Tage nach Liliths Geburt den Löffel ab), wird dem leicht verwirrten Hörer allerdings vorenthalten. Nach einem hundertjährigen Schlaf sollte sie erwachen und eben jene Prophezeiung erfüllen, doch ihr „Blutdepot“, nämlich ihre Jugendfreundin Marsha, will endlich sterben und erweckt Lilith daher zwei Jahre vor der Zeit.

Offensichtlich hat das Lilith nicht wirklich gut getan. Ihre Amnesie scheint nur langsam zu verfliegen, und da nun sowohl ihre Eltern als auch Marsha das Zeitliche gesegnet haben, steht sie im Kampf gegen die Vampire ganz allein da. Und das, wo der Oberbösewicht Landru immer näher rückt und ihr offensichtlich ans Leder will.

„Vampira – Das Erwachen“ ist nette Unterhaltung, vor allem für Jugendliche, mehr wird aber nicht geboten. Die Handlung plätschert seicht dahin, und wie der Erzähler (wie immer grandios – Christian Rode) sollte man als Leser eventuelle Ungereimtheiten wohlweislich ignorieren. Überhaupt bestreitet Rode den Hauptteil des einstündigen Hörspiels. Alle anderen Charaktere – selbst Lilith – sind zu reinem Hintergrundsound verdammt. Tina Haseney in der Titelrolle der Lilith ist hauptsächlich damit beschäftigt zu stöhnen, zu keuchen und zu seufzen, was das Zeug hält – ihre Dialoge sind ohnehin zu vernachlässigen. Als kleines Schmankerl wird der Oberfiesling und vermutliche Endgegner Landru allerdings vom allseits bekannten Bela B. gesprochen. Aber auch er hat im ersten Teil noch nicht wirklich viel zu tun, das wird sich aber sicher in den Fortsetzungen ändern.

Man merkt dem Hörspiel seine Wurzeln durchaus an: Klischees werden gern bedient. Lilith ist zwar noch lange keine Männer verschlingende Göttin (so wie ihre Namensvetterin aus der Mythologie), doch sie arbeitet dran. Den Großteil der Zeit ist sie halbnackt (wahlweise ist ihr Kleid auch gern durchgeschwitzt oder zerrissen) und überlässt nichts der Fantasie. Die Beschreibung von Liliths körperlichen Vorzügen ist dick aufgetragen, dürfte aber den männlichen Hörern trotzdem (oder gerade deshalb) gefallen. Überhaupt, das Kleid: Offensichtlich das Vermächtnis ihrer Mutter, krallt sich das Ding in Liliths Haut und kann dann zu jedem Kleidungsstück mutieren. Das ist ungefähr so existenziell wichtig wie die wechselnde Klamottenfarbe im unterirdisch schlechten „Ultraviolet“, aber na ja. Der oben erwähnte Grundsatz gilt auch hier: Ungereimtheiten ignorieren.

Technisch ist das Hörspiel dagegen durchaus überzeugend: Musik und Sound bilden eine gelungene Kulisse für die mittelmäßig fesselnde Handlung. Die Sprecher machen das Beste aus dem Wenigen, das ihnen geboten wird, denn abgesehen vom Erzähler Christian Rode haben sie nicht wirklich etwas zu tun. Es bleibt zu hoffen, dass sich das Verhältnis Erzähler/Charaktere in zukünftigen Folgen noch relativieren wird.

„Das Erwachen“ ist empfohlen für Hörer ab 16 und dort ist die CD wohl auch am besten aufgehoben. Es gibt schöne Frauen (na gut, eine), böse Machenschaften, ein bisschen Grusel (nicht zu viel, damit die Klientel nicht vergrault wird) und seufz-intensive Erotik. Genau das richtige Rezept für die Zielgruppe. Für alle anderen wird „Vampira“ nicht viel Überraschendes oder Neues bieten. Auf die eine oder andere Weise hat man das alles schon mal gesehen / gehört / gelesen. Und wie gesagt: Sind wir nicht alle schon mal ohne Erinnerung auf einem Friedhof erwacht?

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Henke, Sandra / Dirks, Kerstin – Begierde des Blutes. Erotischer Vampir-Roman

Tamara Malt ist eine typische Karrierefrau. Sie arbeitet in London als Werbetexterin und geht völlig in ihrem Job auf. Für Privates – und schon gar für Männer – bleibt da keine Zeit. Sie kuschelt sich lieber abends mit ihrem Kater Grey ins Bett, eine Ikone für alle Singlefrauen. Überhaupt findet sie sich für romantische Abenteuer zu schüchtern und kalt und belässt es dabei, vom berühmten Mr. Right zu träumen, anstatt ihn zu suchen.

Doch das Schicksal meint es gut mit ihr. Eines Tages findet sie die Memoiren einer gewissen Sophie Langsdale in ihrer Post. Im 18. Jahrhundert lebte diese in Westminster und verliebte sich unsterblich in den Vampir Jeremy. Dies bringt natürlich einige Komplikationen mit sich. Zunächst einmal ist ihr Vater alles andere als begeistert, dass sie sich mit einem Blutsauger eingelassen hat und dann bewohnen auch noch zwei finstere Gestalten das elterliche Gasthaus, die sich später (wenig überraschend) als Vampirjäger herausstellen sollen. Doch Sophie ist fest entschlossen, sich ihren Jeremy nicht nehmen zu lassen. Aber kann sie auch gegen Intrigen und Erpressung ankämpfen?

Tamara ist fasziniert, ihre Neugierde geweckt. Vampire sollen wirklich existieren? So richtig kann sie das nicht glauben, und doch sieht das Manuskript authentisch aus. Als Sophie den Wohnsitz ihres untoten Liebhabers erwähnt, macht sich Tamara auf den Weg, herauszufinden, ob dieses Haus noch existiert.

Sie soll fündig werden, auf jede erdenkliche Art und Weise. Als sie nämlich in das verlassene Haus einbricht, wird sie von dem jetzigen Besitzer, Dorian, gestellt. Es kommt, wie es kommen muss. Zwischen beiden knistert es gewaltig, und wenn sich daraus zunächst auch keine Liebesgeschichte entwickelt, so doch zumindest eine Reihe wilder Sexabenteuer. Als Tamara Dorians Namen dann in Sophies Memoiren entdeckt, steckt sie schon viel zu tief in der Tinte, als dass sie noch auf Rettung hoffen könnte …

„Begierde des Blutes“ ist untertitelt als „Erotischer Vampir-Roman“. Da das genüssliche Beißen in schlanke Frauenhälse schon immer einen erotischen Unterton hatte, liegt es nahe, beides explizit zu verbinden. Andere Autoren haben dieses Potenzial ebenfalls erkannt, doch das Autorenduo Sandra Henke und Kerstin Dirks ist wohl in der Darstellung bisher am deutlichsten. Denn hier geht es durchaus zur Sache, der Roman ist gespickt mit wohl dosierten Sexszenen, eingebettet in die beiden Handlungsstränge um Sophie und Tamara.

Zunächst zu den gelungenen Passagen: Der vampirische Hintergrund ist durchaus interessant, wenn auch nicht besonders originell. Die verschiedenen Vampirlogen böten viel Erzählstoff. Leider wird dieser historische Hintergrund im Keim erstickt und zugunsten von Liebesschwüren und Sexkapaden schnell aufgegeben. Da es sich bei „Begierde des Blutes“ um den ersten Teil einer Trilogie handelt, bleibt abzuwarten, inwiefern sich die Autorinnen überraschende Enthüllungen für die Fortsetzungen aufgespart haben.

Zugebenen, wichtiger als die eigentliche Handlung sind wohl die Sexszenen. Die Autorinnen haben sich hier für leicht verruchte Settings entschieden, um Tamaras verschüttete Abenteuerlust zu wecken. Da hängt die Arme auch schonmal mit nacktem Oberkörper aus dem Fenster, während Dorian weiter unten zur Sache kommt. Auch leichte Fesselspielchen und ein Hauch Voyeurismus kommen vor. Die Sprache ist da leider nicht so wagemutig. Anstatt die Dinge beim Namen zu nennen, entscheiden sich Henke & Dirks für so blumige Umschreibungen wie „Honigtopf“ oder „Liebesfrucht“. Bei solchen Fantasiewörtern stellt sich statt dem erotischen Kribbeln bei der geneigten Leserin eher ein herzhaftes Lachen ein.

Auch Handlung und Charaktere können nicht völlig überzeugen. Henke & Dirks, die beide bisher Heftromane geschrieben haben, bleiben hier in Stereotypen stecken und können ihren Charakteren kaum Tiefe oder gar Charme verleihen. Während Sophie und Jeremy noch einigermaßen glaubhaft beim Leser ankommen, bleiben Tamara und Dorian besonders schablonenhaft. Gerade die überraschende Wendung am Schluss und Dorians Erklärung seiner Motive wirkt konstruiert und kaum überzeugend. Die Schwächen in der Handlung sind ebenfalls auffällig, wenn ein verrückt gewordener mörderischer Vampir nur als Kunstgriff eingeführt wird, um die Beziehung zwischen Sophie und Jeremy voranzutreiben. Eine gute Idee, deren Potenzial leider total verspielt wird, da selbiger Vampir auf wenigen Seiten abgehandelt wird.

„Begierde des Blutes“ ist für 16,90 € beim |Plaisir d’Amour|-Verlag erschienen – ein stolzer Preis für ein 202 Seiten starkes Taschenbuch. Der Roman ist nur etwas für eingefleischte Fans, und auch die sollten sich vielleicht eher an die viel günstigere eBook-Version halten, die auf der Homepage des Verlags zu erwerben ist.

[Plaisir d’Amour-Verlagshomepage]http://www.plaisirdamourbooks.com/

Tolstoi, Alexej K. / Gruppe, Marc – Familie des Vampirs, Die (Gruselkabinett 3)

1815 in Wien: Eine bunte Gesellschaft hat sich in der Weltstadt versammelt. Das politische Tauziehen des Wiener Kongresses ist beendet und nun trifft man sich in gemütlicher Runde, um Gruselgeschichten auszutauschen. Mit von der Partie ist Serge d’Urfé, der seinen Zuhörern eine Erzählung größter Unheimlichkeit verspricht, die dazu noch wahr ist – sie ist ihm selbst passiert.

In jungen Jahren unsterblich in die Fürstin Isabelle Grammont verliebt, beschließt er, in den Diplomatendienst zu gehen, da Isabelle seine Avancen offensichtlich nicht erwidert. Zum Abschied, erschüttert darüber, dass sich Serge ins gefährliche Osteuropa begeben wird, schenkt sie ihm ein Kreuz und warnt ihn eindringlich vor den Gefahren der bevorstehenden Reise.

Es verschlägt Serge in das kleine serbische Dorf Kisolova, wo er bei der Familie des Gortscha Unterkunft findet. Die Stimmung ist gedrückt, denn der alte Gortscha hatte sich aufgemacht, einem Räuber (und Schlimmerem) den Garaus zu machen. Kehre er innerhalb von zehn Tagen nicht zurück, solle man ihn für tot halten. Kehre er aber nach Ablauf der zehn Tage nach Hause zurück, so solle man ihn für einen Vampir halten und ihm eine Pflock durchs Herz treiben. Der Tag, an dem Serge bei der Familie eintrifft, markiert genau den Ablauf des gesetzten Frist. Und tatsächlich, mit dem Stundenschlag kehrt Gortscha heim. Doch niemand weiß, ob die zehn Tage nun abgelaufen sind oder nicht …

Der alte Gortscha ist plötzlich stark verändert, er fährt seine Familie an und ist ungewöhnlich aufbrausend. Zwar hat er den Räuber getötet, so wie er es sich vorgenommen hatte, doch scheinbar sind in den zehn Tagen noch andere Dinge von Bedeutung passiert: Gortscha hat sich in einen Wurdalak, einen Wiedergänger verwandelt, der Nachts um das Haus seiner Angehörigen schleicht und einen nach dem anderen zu sich holt.

Während sich Gortscha zunächst an seinen Enkel ranmacht, wirft Serge – selbst kein Kostverächter – ein Auge auf Zdenka, eine bezaubernde Landschönheit, in die er sich sofort Hals über Kopf verliebt. Er schwört ihr ewige Liebe, doch bevor er Zeuge der Eskalation der Vampirsituation in Kisolova werden kann, muss er die Weiterreise antreten.

Als er ein halbes Jahr später auf der Rückreise wieder durch Kisolova kommt, findet er das Dorf ausgestorben vor. Der Priester des nahe gelegenen Klosters warnt Serge, dass alle dem Wurdalak Gortscha zum Opfer gefallen wären … und Zdenka habe den Verstand verloren. Natürlich begibt sich Serge bei der Erwähnung dieses Namens in die Höhle des Löwen. Doch welche Schrecknisse werden ihn wohl erwarten, wenn er in Kisolova übernachtet?

Alexej K. Tolstois Erzählung „Die Familie des Vampirs“ (manchmal auch „Die Familie des Wurdalak“) von 1847 setzt dem osteuropäischen Volksglauben um den Wiedergänger ein literarisches Denkmal. Tatsächlich fand nämlich in dem durchaus realen Kisolova im 18. Jahrhundert eine Vampirplage statt, der ein Großteil der Dorfbevölkerung zum Opfer fiel. Die behördlichen Dokumente zu den Toden und den darauffolgenden Exhumierungen vermeintlicher Vampire unter der Aufsicht von Staatsbeamten sind noch heute klassische Texte der Vampirliteratur und erregten seinerzeit großes Interesse bei Wissenschaftlern und Theologen. Wie im Volksglauben ist auch Tolstois Wurdalak ein Vampir, der von den Toten wiederkehrt, um jedoch ausschließlich seine nahen Familienangehörigen mit in den Tod zu reißen. In manchen ländlichen Gebieten Südosteuropas hat sich der Glauben an Wiedergänger bis heute gehalten.

Tolstoi fügt solche Versatzstücke des serbokroatischen Volksglaubens immer wieder in die Erzählung ein und Marc Gruppe verstärkt diese Elemente noch in seiner Hörspielbearbeitung. Gruppe macht aus der Erzählung eine klassische Gruseltour, indem er den Originaltext an einigen Stellen durchaus auffällig verändert. So lässt er Serges Frauengeschichten, die sich bei Tolstoi ironisch durch den Text ziehen, zugunsten einer romantischen Liebe fallen und schreibt den Schluss von „Die Familie des Vampirs“ komplett um, um das Hörspiel mit einem Knalleffekt enden lassen zu können.

Mit seiner furiosen Schlussklimax kann das Hörspiel das etwas behäbige Ende von Tolstois Erzählung spannender gestalten. Gruppes Idee, den zentralen Konflikt zwischen Zdenka und Serge in die Rahmenhandlung hinüberzutragen und mit einem Cliffhanger enden zu lassen, trägt durchaus zum gesteigerten Unterhaltungswert bei. Um Serges Charakter als Frauenheld ist es allerdings irgendwie schade – diese Einschübe Tolstois geben der Erzählung Leichtigkeit und Verschnaufpausen zwischen den unheimlichen Elementen. Im Hörspiel wurden sie leider eliminiert, um nicht von der eigentlichen Handlung abzukommen.

|Titania Medien| konnte für seine Reihe „Gruselkabinett“ bekannte Namen verpflichten. So wird Serge d’Urfé von David Nathan gesprochen, den viele als die deutsche Stimme von Johnny Depp kennen werden. Er mimt die Hauptrolle in gewohnter Qualität, stimmliches Highlight des Hörspiels ist allerdings Jürg Löw als Gortscha, der so maskulin, furchteinfößend und ruppig durch die Laustsprecher kommt, dass es eine wahre Freude ist. Ebenfalls erwähnenswert ist die Musik von Manuel Rösler, dessen Untermalung wie eine Hommage an alte Horrorfilmklassiker klingt und damit an den Schlüsselstellen die gewohnten Gruselschauer beim Publikum hervorruft.

|Titania| arbeitet sich mit seinen Gruselhörspielen langsam aber sicher durch die klassischen Texte der Horrorliteratur. Man kann nur hoffen, dass die Macher auch weiterhin ein so glückliches Händchen bei Text- und Sprecherauswahl haben werden. Bisher zumindest ist es ein ungeteiltes Vergnügen, sich bei den Hörspielen von Marc Gruppe wohlige Schauer über den Rücken jagen zu lassen.

_Das |Gruselkabinett| auf |Buchwurm.info|:_

[„Carmilla, der Vampir“ 993 (Gruselkabinett 1)
[„Das Amulett der Mumie“ 1148 (Gruselkabinett 2)
[„Die Familie des Vampirs“ 1026 (Gruselkabinett 3)
[„Das Phantom der Oper“ 1798 (Gruselkabinett 4)
[„Die Unschuldsengel“ 1383 (Gruselkabinett 5)
[„Das verfluchte Haus“ 1810 (Gruselkabinett 6)
[„Die Totenbraut“ 1854 (Gruselkabinett 7)
[„Spuk in Hill House“ 1866 (Gruselkabinett 8 & 9)
[„Dr. Jekyll und Mr. Hyde“ 2349 (Gruselkabinett 10)
[„Untergang des Hauses Usher“ 2347 (Gruselkabinett 11)
[„Frankenstein. Teil 1 von 2“ 2960 (Gruselkabinett 12)
[„Frankenstein. Teil 2 von 2“ 2965 (Gruselkabinett 13)
[„Frankenstein. Teil 1 und 2“ 3132 (Gruselkabinett 12 & 13)
[„Die Blutbaronin“ 3032 (Gruselkabinett 14)
[„Der Freischütz“ 3038 (Gruselkabinett 15)
[„Dracula“ 3489 (Gruselkabinett 16-19)
[„Der Werwolf“ 4316 (Gruselkabinett 20)
[„Der Hexenfluch“ 4332 (Gruselkabinett 21)
[„Der fliegende Holländer“ 4358 (Gruselkabinett 22)
[„Die Bilder der Ahnen“ 4366 (Gruselkabinett 23)
[„Der Fall Charles Dexter Ward“ 4851 (Gruselkabinett 24/25)
[„Die liebende Tote“ 5021 (Gruselkabinett 26)
[„Der Leichendieb“ 5166 (Gruselkabinett 27)

Ramsland, Katherine – Vampire unter uns

Bram Stoker veröffentlichte 1897 einen Roman, der gleichzeitig den Höhepunkt und das Ende der Gothic Novel bezeichnen sollte: [„Dracula“ 210. Stokers Figur des Vampirs hat unsere Wahrnehmung der Blutsauger so nachhaltig geprägt, dass die Worte „Dracula“ und „Vampir“ in vielen Fällen synonym verwendet werden. Dracula ist ein Verführer, aber auch ein ruchloser Killer. Besonders interessant an Stokers Roman ist die Tatsache, dass der Vampir nur im ersten Drittel wirklich auftaucht. Danach glänzt er durch Abwesenheit und wird durch die Beschreibung der handelnden Figuren nur noch mysteriöser, grausamer, blutgieriger und unbesiegbarer. Stokers Dracula ist ein Monster, das nichts anderes verdient hat, als am Ende des Buches zu Staub zu zerfallen.

Doch wollen wir heutzutage wirklich noch, dass der Vampir am Ende unterliegt? Es scheint nicht so und ein Beweis dafür sind die erfolgreichen Vampir-Romane von Anne Rice („Die Chronik der Vampire“). Sie hat die leblose Gestalt des Untoten in eine moderne Figur verwandelt, mit der sich der Leser tatsächlich identifizieren kann. Ihre Vampire sind empfindsam, sie stellen sich die Frage nach dem Sinn des Lebens. Sie wollen ihre eigene Existenz erforschen und sie fühlen sich von der Unendlichkeit und Einsamkeit ihres Daseins erdrückt. Dies alles scheinen Eigenschaften zu sein, die heutige Leser ansprechen – so weit ansprechen, dass sie sich selbst wünschen, Vampire zu sein.

Katherine Ramsland kennt sich mit Vampiren aus, zumindest mit fiktiven. Sie hat mehrere Bücher über Anne Rice veröffentlicht, unter anderem auch eine Biographie. In ihrem hier vorliegenden Bericht (nennen wir es mal so) hat sie sich nun an den realen Vampir herangewagt. Sie wollte herausfinden, ob es tatsächlich Wesen gibt, die nachts durch die Gegend streifen und das Blut ihrer Opfer trinken. Anlass für ihre Recherchen war das Verschwinden von Susan Walsh 1996. In „Vampire unter uns“ beschreibt Ramsland Susan Walsh als aufstrebende Journalistin, die bis zu ihrem großen Durchbruch in einem Striplokal arbeitet und im Vampirmilieu von New York forscht. Das Transcript von „Unsolved Mysteries“ auf FOX spricht eine etwas andere Sprache: Susan Walsh hatte auch schon früh in ihrem Leben Bekanntschaft mit Alkohol und Drogen gemacht. War ihr Verschwinden also den Vampiren geschuldet? Wurde sie entführt, getötet, weil sie einer Verschwörung oder großen Geheimnissen auf der Spur war? Oder ist sie „einfach“ wieder ins Drogenmilieu abgerutscht – profan und überhaupt nicht übernatürlich? Fragen, die im Buch von Katherine Ramsland nicht gelöst werden. Sei’s drum – Susan Walsh ist Ramslands Vorwand, sich tief in die amerikanische Subkultur vorzuwagen.

Zunächst geht sie es allerdings vorsichtig an. Sie recherchiert im Internet und macht einige interessante, aber in ihren Ansichten auch widersprüchliche Vampirsites ausfindig. Sie verbringt Nacht um Nacht in Vampir-Chats und knüpft dort Kontakte. Bald verselbstständigen sich diese und ihr Buch bewegt sich daraufhin zwischen Conventions, wissenschaftlichen Symposien, S/M-Clubs und Fetischpartys.

Um es kurz zu machen: Ja, es gibt Vampire. Es gibt Menschen, die sich von der Natur des Vampirs genug angezogen fühlen, dass sie sich nicht nur in der Gothic-Szene bewegen (dass die Vampire aus „Vampire unter uns“ alle schwarz tragen, ist wohl selbstverständlich), sondern auch anfangen, Blutspiele in ihre Sexpraktiken einzubauen oder ihre Haustiere auszusaugen. Ramslands Interviews zeigen recht deutlich, dass der moderne Vampir sein Verlangen nach Blut oft an Sex koppelt. Die Hingabe des Opfers an eine übermenschliche Figur, die totale Aufgabe des eigenen Selbst ist dabei nur noch eine Täuschung. Denn auch Vampire können sich böse Krankheiten einfangen. So ist das Einverständnis des Opfers in der Regel Voraussetzung. Und viele der beschriebenen Vampire leben ohnehin in einer festen Beziehung. Somit ist die Rolle des Opfers gewollt – es zieht aus dem Blutaustausch ebenso seinen Vorteil wie der Vampir.

Die interessanteste Frage aber, warum nämliche Menschen zu Vampiren „werden“ (schließlich handelt es sich ja um eine bewusste Entscheidung), bleibt oberflächlich betrachtet und ungeklärt. Von einer studierten Philosophin und Psychologin (Ramsland wird nicht müde, ihre akademische Bildung zu betonen) hätte ich tiefere Einsichten in dieses kulturelle Phänomen erwartet. Sie liefert keine Lösungen; möchte man tiefer in die Materie eindringen, so muss man ihr Material genau und kritisch lesen und sich selbst seine Gedanken dazu machen. So scheint das (sehr junge) Vampirphänomen auf drei Hauptvoraussetzungen aufzubauen: Wie eingangs schon erwähnt, hat Anne Rice den Vampir zu einer romantischen Figur gemacht. Für den Leser ist es sowohl verführerisch, sich einen Vampir herbeizuwünschen, wie sich einzubilden, selbst ein Vampir zu sein. Eine Identifikation auf dieser Ebene ist mit dem guten alten Dracula nicht möglich. Anne Rice spiegelt in ihren Romanen moderne Probleme – die Probleme der Generation X nämlich. So liefert ein Psychologe in Ramslands Buch eine sehr interessante Theorie, die einen Zusammenhang zwischen Vampirkultur und Generation X zu beweisen sucht: Sie entstammen zerrütteten Familien, haben das Vertrauen in die Gesellschaft und ihre Politik verloren und nehmen ihre Zeit als eine Zeit des Niedergangs und Zerfalls wahr. In dieser Gesellschaft fühlen sie sich einsam und als Außenseiter – da wird der Vampir die perfekte Projektionsfläche.

Ein weiterer Faktor ist das Rollenspiel „Vampires: The Masquerade“, das 1991 von White Wolf entworfen wurde und eine große Anhängerschaft besitzt. Das soll natürlich nicht bedeuten, dass in Rollenspielen nur versteckte Vampire agieren: Dennoch, das Rollenspiel hat zur Popularisierung des modernen Vampirs beigetragen (unter anderem auch mit einer kurzlebigen Fernsehserie) und kann Anziehungspunkt für zukünftige Kinder der Nacht sein.

Ein dritter – und sehr wichtiger – Punkt ist meiner Ansicht nach das Internet. Katherine Ramsland ergeht sich nicht umsonst in der Beschreibung ihrer umfangreichen Online-Recherchieren und durchchatteten Nächte. Es scheint, als würde die Anonymität des Internets der Vampirsubkultur in die Hände spielen. Webseiten und Chats ermöglichen eine übergeordnete Organisation dieser Subkultur und machen es einfacher, Menschen mit den selben Vorlieben und Interessen (für Blut) ausfindig zu machen. Außerdem ist es in einem so anonymen Medium einfacher, Rollen und Identitäten auszuprobieren und zu erfinden. So kann der zukünftige Vampir im Chat zuerst virtuell testen, wie seine Vampiridentität „ankommt“.

Wenn sich Ramslands Interviews und Recherchen auch spannend lesen (und manchmal kann man sich eines gewissen „Ick-Faktors“ nicht erwehren), so haben sie doch einen fahlen Beigeschmack. Das liegt zum größten Teil daran, dass Ramsland ihre Interviews mit Vampiren unreflektiert im Raum stehen lässt. Als Psychologin versucht sie nicht, auch bei augenscheinlich schizoiden Persönlichkeiten, das Verhalten ihrer Gesprächspartner zu deuten. Sie bleibt fast immer neutral. Das lässt sie leichtgläubig scheinen und erweckt beim Leser zeitweise sogar das Gefühl, dass es sich um ein zumindest teilweise fiktionales Buch handelt. Haben sich ihr all diese Vampire wirklich so freimütig anvertraut? Ich habe nicht das Gefühl. Vielmehr schien mir bei der Lektüre, dass sie es mit drei unterschiedlichen Typen von Menschen zu tun hatte: Da waren zum einen Personen, die sie augenscheinlich auf den Arm nehmen wollten und sich Geschichten ausdachten. Manche Erzählungen klingen so phantastisch und romantisierend, dass man sich dieses Eindrucks einfach nicht erwehren kann. Dann scheint es eine weitere Gruppe von Menschen zu geben, die zwar glauben, was sie erzählen, dies aber nicht wirklich erlebt haben. Überschäumende Phantasie also oder Schizophrenie? Und die letzte Gruppe sind dann die wirklich Aufrichtigen – bei einigen Personen ist man sich sicher, dass sie die Wahrheit sagen und dass sich die Dinge so abgespielt haben können.

„Vampire unter uns“ ist damit ein Buch, das man auf jeden Fall einer kritischen Lektüre unterziehen sollte. Da die Autorin selbst kaum Antworten, sondern nur eine Stoffsammlung liefert, muss man sich darauf einstellen, eigene Denkarbeit leisten zu müssen. Ansonsten wäre das Buch nur ein weiteres im Regal „Horror“ – mit besonderem Kick natürlich, da man den Zusatz „real“ als besonders schaurig empfinden kann.

Homepage der Autorin: http://www.katherineramsland.com/