Garth Nix – Das Imperium der Prinzen

Nix kann auch Science-Fiction!

Er ist nicht der erste mit seiner Geschichte über einen dem hohen Adel entsprungenen Protagonisten, der sich durch seine Fähigkeiten und Erfahrungen aus dem Kreislauf löst, die Menschlichkeit der normalen Bürger kennen lernt, sich natürlich in eine Bügerliche verliebt und infolgedessen seine Bestimmung missachtet, die Regeln über die Grenze strapaziert und eine Übereinkunft sucht, die ihm ein normales Leben in der Bürgerlichkeit mit seiner Liebe ermöglicht. Nein, damit ist Garth Nix nicht der erste. Was ihn nicht daran hindert, einen sehr unterhaltsamen Roman zu schreiben und diese Geschichte in ein phantastisches Universum zu betten, dessen Eigenschaften er über die Erlebnisse seines Protagonisten beleuchtet und begreiflich macht.

Die Menschheit hat die Erde verlassen und die Galaxis besiedelt. Hier spaltet sie sich auf in verschiedene Gruppen und Staaten, und das starre Imperium vereinigt die technischen Stärken aller Zivilisationen in sich: Die Mech-Tech, was der toten Technik entspricht. Die Bio-Tech, die sich auch aus ihrem Namen erklärt, die jedoch interessante Dimensionen erreicht: Es gibt Völker, die ihre Zivilisation auf Bio-Tech aufbauen, es gibt lebende Raumschiffe und alle vorstellbaren Apparate und Konstrukte auf lebender Basis. Und die Psi-Tech, die sich dem nicht ganz unerfahrenen Leser auch sofort erschließt: Geistige Kräfte. Das Imperium verbindet diese Charakteristika und ist dadurch gegen die unterschiedlichen Angriffe der fremden Völker gut gewappnet, ja, im Imperium erreichen die Techs durch die Verknüpfung ihren evolutionären Höhepunkt.

Khemri ist einer der Milliarden Prinzen, die die Oberschicht des Imperiums bilden. Sie sind die einzigen freien Menschen hier – frei jedoch nur bei oberflächlicher Betrachtung, denn wie Khemri herausfindet, ist er genauso kontrolliert und gelenkt wie die niedere Bevölkerung, die Bauern, die programmierten Diener und Angestellten. Das ganze System basiert auf einer durch Psi-Tech aufrechterhaltenen geistigen Vernetzung mit dem Geist des Imperiums, eine allgegenwärtige Kontrolle und Beeinflussung der Prinzen, die sich im Endeffekt nur gegenseitig bekriegen, duellieren und ausspionieren, um sich Vorteile für die alle zwanzig Jahre stattfindende Auswahl des nächsten Imperators zu verschaffen. Diese Wahl steht kurz bevor, als Khemri aus der behüteten Sphäre seines Ausbildungstempels in dieses intrigante Spiel geworfen wird. Er hätte keine Chance um den Thron, doch gibt es hohe Instanzen, die ihn protegieren und lenken: Scheinbar ist er der Auserwählte …

Khemri ist der Protagonist, aus dessen Sicht die Geschichte erzählt wird. Er ist der neue Prinz, der in diesem Ränkespiel noch keinen festen Platz hat. Er eignet sich hervorragend als Führer für den Leser durch die Schichten des Imperiums. Er ist jung, naiv, fehlinformiert durch Propaganda und System, und er hat einen hochentwickelten Sinn für Gerechtigkeit. Das hebt ihn aus der Masse der anderen jungen Prinzen (diese Bezeichnung gilt im Übrigen für beide Geschlechter) heraus und hilft ihm im Laufe der Handlung bei der Entwicklung zu einem Sympathieträger, denn als Leser ist man natürlich nicht gerade vom ausbeuterischen und menschenverachtenden System des Imperiums begeistert.

Der Imperator und seine Funktion bleiben bis dicht zum Schluss im Dunkeln, die eigentliche Machtverteilung bleibt – gerade im Hinblick auf die unterschiedlichen Priesterfunktionen – interessant und spekulativ. Aber mit Khemri unternimmt der Leser eine Reise durch viele Bereiche des Imperiums und erkennt, dass diese Fixierung auf die Prinzen ein abscheuliches Verbrechen ist. Khemri, selbst im Zuge eines speziellen Testes für einige Zeit vom imperialen Geist abgeschnitten und während dieser Zeit frei von allen Zwängen prinzlicher Konditionierung, sät im Geist anderer Imperatoranwärter das Verständnis für die Freiheit, die er schließlich für sich und seine Liebe erkämpft. Ihm bleibt die Hoffnung, dass sein Saatkorn aufgehen und zu einer Umkehr im Imperium führen wird. Denn bei aller Technik und fortgeschrittener Macht blieb dort die Menschlichkeit weithin auf der Strecke.

Eine wichtige Nebenrolle spielt die Technik der Wiedergeburt in diesem Roman – eine Technik, die natürlich nur den Prinzen, also der Oberschicht zu Gute kommt. Ihre Funktion bleibt unbekannt, und was dort aufersteht, sind anscheinend die gleichen Prinzen wie die verstorbenen. Ob hier ein Klonlager existiert oder die neuen Körper gezüchtet werden und wie die Bewusstseinserhaltung vorstellbar ist, bleibt völlig unerwähnt bzw. es bereitet auch Khemri Kopfzerbrechen. Und obwohl das Ergebnis so ganz anders ist, erinnert dieses System an Andreas Brandhorsts 2013er Roman »Der letzte Regent«, der thematisch und auch inhaltlich über diese Lebensverlängerungsgeschichte in direkter Nachbarschaft anzusiedeln ist. Bei Brandhorst gewinnt die eigentliche Handlung zwar nicht diese Emotionalität, die Nix zu erzeugen versteht, aber sein Universum ist dichter, kosmischer, umfassender. So haben im Vergleich beide Romane ihre starken Seiten, und auch Nix gelingt es mit dem »Imperium der Prinzen«, vielfältige Bilder zu erzeugen und den Leser wunderbar zu unterhalten. Doch trotz des schön anzusehenden Weltentwurfs ist nicht zu übersehen, dass der Autor mit der Handlung auf ausgetretenen Pfaden wandelt.

Taschenbuch, 384 Seiten
DEUTSCHE ERSTAUSGABE
ISBN-13: 978-3404207459
Originaltitel: A Confusion of Princes
Deutsch von Barbara Imgrund
ISBN-13: 978-3404207459

www.luebbe.de

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