Lee & Andrew Child – Der Kojote. Ein Jack Reacher-Roman (Jack Reacher 26)

Der Stachel des Skorpions

Unter der gleißenden Sonne durchstreift der ehemalige Militärpolizist Jack Reacher die Wüste Arizonas. Da entdeckt er einen Wagen, der gegen den einzigen Baum weit und breit gekracht ist. Die Fahrerin hält ihn zunächst für ein Mitglied der Bande, die den Unfall verursacht hat. Doch nachdem Reacher das Missverständnis ausgeräumt hat, entschließt er sich sogar, ihr zu helfen, die Verbrecher zu stellen. Denn die Kriminellen haben ihren Bruder – ein Spezialist für Bomben – entführt und wollen mit dessen erzwungener Hilfe einen schrecklichen Plan umsetzen. Aber um den Kopf der Bande aufzuscheuchen, muss zunächst jemand sterben … (Verlagsinfo)

Die Autoren

Lee Child wurde in den englischen Midlands geboren, studierte Jura und arbeitete dann zwanzig Jahre lang beim Fernsehen. 1995 kehrte er der TV-Welt und England den Rücken, zog in die USA und landete bereits mit seinem ersten Jack-Reacher-Thriller einen internationalen Bestseller. Er wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, u. a. mit dem Anthony Award, dem renommiertesten Preis für Spannungsliteratur.

Lee Childs Bruder Andrew wurde im Mai 1968 in Birmingham, England, geboren und studierte an der Universität von Sheffield englische Literatur und Theaterwissenschaften. Nach seinem Abschluss gründete und leitete er eine kleine unabhängige Theatertruppe, bevor er für fünfzehn Jahre in die Telekommunikationsbranche wechselte. Unter dem Namen „Andrew Grant“ veröffentlichte er bereits mehrere erfolgreiche Romane. Heute lebt er mit seiner Frau, der Schriftstellerin Tasha Alexander, in Wyoming, USA.

Wer ist Jack Reacher?

Jack Reacher (* 29.10.1960) wurde in West-Berlin geboren und verbrachte als Sohn eines Marine-Corps-Offiziers seine Kindheit und Jugend auf über die Erde verteilten US-Militärbasen. 1983 trat er selbst in den Militärdienst ein und wurde 13 Jahre später, im April 1996, im Rang eines Majors der Militärpolizei ehrenhaft entlassen. Seitdem hat er keinen festen Wohnsitz, sondern bereist (hauptsächlich) die USA. Durch sein ausgeprägtes Gerechtigkeitsempfinden wird er immer wieder in Kriminalfälle verstrickt.

Er zeichnet sich durch hohe Intelligenz, große Körperkraft und Willensstärke aus. Besonders ausgeprägt ist sein unbedingter Wille, Schwächere zu schützen.

Die Jack Reacher Reihe

1) Größenwahn (Killing Floor, 1997)
2) Ausgeliefert (Die Trying, 1998)
3) Sein wahres Gesicht (Tripwire, 1999)
4) Zeit der Rache (Running Blind/The Visitor, 2000)
5) In letzter Sekunde (Echo Burning, 2001)
6) Tödliche Absicht (Without Fail, 2002)
7) Der Janusmann (Persuader, 2003)
8) Die Abschussliste (The Enemy, 2004)
9) Sniper (One Shot, 2005)
10) Way Out (The Hard Way, 2006)
11) Trouble (Bad Luck and Trouble, 2007)
12) Outlaw (Nothing to Lose, 2008)
13) Underground (Gone Tomorrow, 2009)
14) 61 Stunden (61 Hours, 2010)
15) Wespennest (Worth Dying for, 2010)
15.5. Second Son (2011)
16. The Affair (2010)
16.5. Deep Down (2012)
17. Der Anhalter (A Wanted Man, 2012)
17.5. High Heat (2013)
18. Never Go Back (2013)
18.5. Not a Drill (2014)
19. Personal (2014)
20. Make Me (2015)
21. Night School (2016)
22. Midnight Line (2017)
23. Past Tense (2018, dt. Titel: „Der Spezialist“)
24. Blue Moon (2019, „Die Hyänen“)
25. The Sentinel (2020, „Der Sündenbock“)
26. Better Off Dead (2021, „Der Kojote“)
27. No Plan B (2022)
28. The Secret (2023)
29. In Too Deep (2024)
30. Exit Strategy (2025)

Erzählungen

No Middle Name (2017)

Handlung

Seltsam ist das schon, was Reacher unter der heißen Sonne von Arizona entdeckt: Am einzigen Baum weit und breit steht ein uralter Militär-Jeep, der anscheinend mit dem Baum auf Tuchfühlung gehen wollte. Die Fahrerin ist vorübergebeugt, so dass er die Pistole, die sie zückt, zu spät sieht. Er kann sie davon abhalten, ihn auf der Stelle zu erschießen, denn sie stellt Fragen: Wo ihr Michael sei? Sie wartet offenbar auf jemanden. Reacher soll sich solange in einem Straßengraben verstecken.

Alsbald trifft ein weiterer alter Jeep ein, zwei Männer steigen aus, die die Frau überwältigen wollen. Sie gehören möglicherweise zu jener Bande eines gewissen Mr. Dendoncker, die den mysteriösen Michael festhält. Doch ihre Gewalttätigkeit wird ihnen zum Verhängnis. Die Frau erschießt die beiden, denn sie wollen nichts über Michael sagen. Reacher kommt aus seinem Versteck, doch er wird nicht mehr gebraucht: Die Frau steckt sich den Lauf ihrer Glock 17 in den Mund. Anscheinend ist sie eine Ermittlerin, die gleich mehrfach in ihrem Amt versagt hat. Sie will sich erschießen, weil sie glaubt, am Tod ihres Zwillingsbruders schuld zu sein.

Dieser Michael Curtis war selbst ein Krimineller und sandte ihr aus Dendonckers Bande heraus Geheimnachrichten, denn sie wollte die Bande hochgehen lassen. Michael muss irgendwie aufgeflogen sein, was der Ermittlerin angesichts von Dendonckers notorischer Paranoia wahrscheinlich erscheint. Sie müssen ihn wohl gefoltert und dann einen Treffpunkt vereinbart haben, genau an diesem Baum.

Etwas muss schiefgelaufen sein, und nun liegen da zwei Leichen auf der Straße. Reacher kann die Frau davon überzeugen, dass es möglich sei, Dendoncker das Handwerk zu legen, aber dafür seien zwei nötig. Sie müssen also am Leben bleiben. Er übrigens auf. Sie lässt die Pistole sinken. Jetzt braucht Reacher einen guten Plan.

Undercover-Agenten

Michaela Fenton, die seit einem Sprengstoffanschlag in Afghanistan eine Beinprothese trägt, ist die Zwillingsschwester des getöteten Michael Curtis, und sie will Gerechtigkeit von Dendoncker. Während sie Reacher in eine Kleinstadt direkt an der Grenze zu Mexiko fährt, berichtet sie, was sie bei ihrer eigenen Undercover-Operation herausgefunden hat.

Dendoncker betreibe eine Catering-Firma, die nur Privatjets mit Essen beliefert und auch mal selbst Personal stellt. An Bord der Privatjets fliegen reiche Arschlöcher, die den Stewardessen gerne an die Wäsche gehen. Aber das Interessanteste sei diese Entdeckung: Von zwölf Catering-Behältern sind stets zwei plombiert und können nicht geöffnet werden. Diese gelangen an den Empfänger, der sich mit zwei anderen plombierten Behältern revanchiert. Die Millionen-Dollar-Frage lautet, was Dendoncker in den Behältern schmuggelt: Drogen, Falschgeld, Waffen? Und wie passen Irak-Veteranen wie Michael Curtis in dieses Szenario?

Fenton erzählt, sie habe für den militärischen Geheimdienst DIA in Wiesbaden gearbeitet, was ihre Verwundung in Afghanistan erklärt. Danach schied sie aus der DIA aus, ohne entschädigt worden zu sein, und arbeitete seitdem als Laborantin in Alabama. In ihrem Reisekoffer finden sich zahlreiche Hilfsmittel, die eine Agentin braucht, so etwa eine Perücke und eine falsche Brille. Außerdem logiert sie aus Sicherheitsgründen in zwei verschiedenen Hotels.

Ein riskanter Plan

Das alles ist nötig, um den ausgeheckten Plan in die Tat umzusetzen: Kontakt mit Dendoncker und dessen rechter Hand sowie mit einem korrupten Rechtsmediziner am Ort aufzunehmen. Es ist schwierig, einem Paranoiker glaubhaft zu erscheinen – und dafür muss Reacher eine wirklich glaubwürdige Leiche abgeben…

Mein Eindruck

Es erweist sich als wirklich schwierig, an Dendoncker heranzukommen. Der Großteil der Handlung schildert Reachers mehrfache Versuche, erst Dendonckers Gorillas auszuschalten, besonders den riesigen Massoud; der Rest schildert das Vordringen durch ein mehrfach geschütztes System aus Häusern, Zimmern und Tunneln, die – vorhersehbar – unter der hohen Grenzmauer hindurch zu einem verlassenen Schulkomplex führen, wo sich Dendonckers eigentliches Hauptquartier befindet. Bis er dorthin gelangt, ist Reacher schon schwer in Mitleidenschaft genommen.

Ein-Mann-Armee

Wie kann er es schaffen, zuerst Massoud auszuschalten, dann Dendoncker zu verhören und schließlich den Schulkomplex zu zerstören? Reacher muss sich als Ein-Mann-Armee beweisen. Immerhin bekommt er ein wenig Unterstützung per Telefon, erst von Michaela Fenton, bis auch sie gefangengenommen wird, und schließlich von einem Mann in den Geheimdiensten, der ihm Informationen zukommen lässt.

Rätselhafte Transponder

Das aktuelle Vorhaben Dendonckers scheint in einem Anschlag zu bestehen. Doch über Ziel, Zeitpunkt, Methode und Beteiligte schweigt der Gangsterboss. Reacher ist schon von Anfang an der rätselhafte Würfel aufgefallen, den jeder Gangster an seinem Schlüsselbund trägt. Nach und nach bekommt er heraus, dass es sich um einen Transponder handelt, also ein Objekt mit eingebautem Funkchip, mit dessen Hilfe man ein schlüsselloses, elektronisches Schloss öffnen kann.

Das erklärt beispielsweise die verborgene Stahltür im Keller eines Hauses, aus dem es sonst keinen Ausgang gibt. Diese Stahltür lässt sich nur mit einem richtig eingestellten Transponder öffnen. Dahinter befindet sich einer der Tunnel, die nach Mexiko führen.

Der Stachel des Skorpions

Im Finale wird die Technik des Transponders noch einen Schritt weitergeführt. Die TEDAC ist diejenige militärische Behörde, die für die Untersuchung von fremdem bzw. unbekanntem Kriegsmaterial zuständig ist. Michaela Fenton kennt sie bestens aus ihrer eigenen Zeit dort. Dorthin werden die bei Dendoncker gefundenen Materialien wie etwa Granaten gebracht, um sie zu analysieren: in zwei Transportern.

Somit kommen also zwei Komponenten, die man bei Dendoncker sichergestellt hat, zusammen, und zwar über den Kontakt durch zwei kompatible Transponder: mit Sprengmaterial beladene Transporter. Dies erkennt Reacher jedoch erst in allerletzter Sekunde…

Die Übersetzung

S. 16: „Besser als alles, war die Klugscheißer…“: Statt „war“ sollte es korrekt „was“ heißen, um einen Sinn zu ergeben.

S. 28: “ein dummer Fahler”: Ein falscher „Fehler“, wenn es je einen gegeben hat.

S. 69: “dass Michael gelegentlich zu Rests in die Wüste musste“: Was diese „Rests“ sind, weiß aber auch nur Michael.

S. 75: “dass sie gefangen[en] genommen…”: Die 2. Endsilbe -en ist überflüssig.

S. 91: „So was ist eine regelrechte Bonanza.“ Das ist in USA ein gängiger Begriff; bei uns sagt man lieber „Goldgrube“ dazu.

S. 148: „ATE“: Korrekt wäre „ATF“, so wie auf S. 150.

S. 263: „zwei unterschiedliche große Glasflaschen“: Weil diese aber einen Schneidbrenner speise, ist wohl von GASflaschen auszugehen.

S. 305: „fünfze[h]ntausendmal”: Das H fehlt.

S. 322: “Er sagte, Michael wurde wohl einige Zeit brauchen…“: „Korrekt wäre „würde“ statt „wurde“.

S. 323: “Das elektronische Schrillen habe etwas von beidem an sich.“ Dieser Satz steht aber NICHT in indirekter Rede, sondern in der Vergangenheitsform. „Hatte“ statt „habe“ wäre korrekt.

Unterm Strich

Ich hatte Gelegenheit, die Übersetzung mit dem englischsprachigen Original zu vergleichen. Ich kann den Übersetzer gar nicht genug loben, denn er hat es geschafft, flüssig lesbare Sätze dort zu formulieren, wo im Original eine Art Telegrammstil gepflegt wird. Manche Sätze bestehen nur aus einem einzigen Wort. Für Militärangehörige mögen kurz gefasste Formulierungen ja der übliche Kommunikationsstil sein, für einen Thriller-Leser sind sie jedenfalls sehr gewöhnungsbedürftig.

Auch die Dialoge halten sich sehr in Grenzen, aber das ist ja in Reacher-Romanen nichts Neues. Ich war immer froh, wenn die oben genannten ellenlangen Beschreibungen im Stakkato-Stil durch richtige Gespräche unterbrochen wurden. Reacher und Fenton, das wäre doch wieder mal ein ideales Liebespaar für eine Nacht, wie in fast allen Reacher-Romanen, dachte ich? Vergiss es! Sex mit Amputierten ist in der US-Literatur strengstens tabu. Es kommt offenbar dem Frevel der Leichenfledderei am nächsten.

Mithilfe der gut lesbaren Übersetzung schaffte ich es, den Roman binnen weniger Tage zu lesen. Trotz der immer wieder auftauchenden Prügeleien hält sich der Unterhaltungswert in Grenzen, und so muss der Leser viel Geduld aufbringen, bis er endlich ganz am Schluss des Rätsels Lösung auf dem Silbertablett serviert bekommt. Es gibt noch eine ironische Pointe, aber die darf hier nicht verraten werden.

Gebunden: 364 Seiten.
O-Titel: Better Off Dead, 2021
Aus dem Englischen von Wulf Bergner.
ISBN-13: 978-3764508777

www.blanvalet.de

Der Autor vergibt: (3.5/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (No Ratings Yet)