Vor anderthalbtausend Jahren sah sich die Handelsstadt Amenkor einer Bedrohung gegenüber, die aus dem Nichts erschien und eine Stadt nach der anderen entlang der Küste zerstörte. Um ihr zu begegnen, vereinten die Sieben Adepten ihre Kräfte und schufen den Geisterthron. Nur wer ihn meistert, beherrscht die Stadt. Varis hat die Kunst des Überlebens im Siel, der Unterstadt von Amenkor, gelernt. Sie besitzt die Gabe, das wahre Wesen der Menschen erkennen, in jener grauen Welt, in der nur jene hervorstechen, die eine Gefahr für sie darstellen. Nun hat der Geisterthron Varis als Regentin erkoren. Völlig unvorbereitet auf ihre neue Rolle, weiß sie nicht, wem sie trauen kann. Der Winter steht vor der Tür. Eine Hungersnot droht. Und von jenseits des Meeres mehren sich die Zeichen, dass eine alte, längst vergessene Gefahr von Neuem heraufzieht. (Verlagsinfo)
Der Autor
Joshua Palmatier wurde in Couderspot, Pennsylvania, geboren und lebte als Jugendlicher in diversen Staaten der USA, da sein Vater beim Militär war. Er ist promovierter Mathematiker und unterrichtet an einer Universität in New York. Palmatier schreibt seit seiner Jugend und hat bereits viele Fantasy-Romane veröffentlicht.
„Die Assassine“ ist sein erster Roman und zugleich der Startband der Geisterthron-Trilogie.
1) Die Assassine (08/2009)
2) Die Regentin (01/2010)
3) Die Kämpferin
Weitere Titel (dt. bei Lübbe):
Stadt des Lichts
Sturm der Magie
Die gefallene Welt
Mehr Infos auf der Website des Autors: http://www.joshuapalmatier.com/
Handlung
Varis hat den Geisterthron von Amenkor errungen und ist die neue Regentin der Stadt, Doch Eryn, ihre Vorgängerin, die sie eigentlich töten sollte, ist dem Wahnsinn erlegen, den die Stimmen des Geisterthrons im Ungewappneten hervorrufen: Eryn hat die Lagerhallen am Hafen niederbrennen lassen und sämtlichen Handel im Haffen eingestellt, doch weil der Winter vor der Tür steht, droht der Stadt der Hungertod. Nur das helle Licht in ihrer Seele bewahrt Varis davor, ebenfalls dem Wahnsinn zu verfallen. Und indem sie in den „Fluss“ eintaucht, vermag sie die Seele eines Gegenübers einzuschätzen: Die meisten erscheinen grau und neutral, doch manche sind schwarz.
Als sie Eryn davon erzählt, wie sie in den Verstand eines zehnjährigen Jungen im Elendsviertel der Stadt eingedrungen war und seinen Wassertod durch den Verbrecher Corum erlebt habe, ringt ihr die entsetzte Eryn das Versprechen ab, niemals die Kräfte des Throns und des Seelenfeuers gleichzeitig einzusetzen. Varis gibt es ihr, hält sich aber nicht daran. Stattdessen soll sie die „Sucher“, gedungene Assassinen, nach Corum aussenden, um diesen der Gerechtigkeit zuzuführen.
Eine Warnung
Da sie selbst eine Assassine ist, hat Varis sofort einen Angehörigen ihrer Zukunft im Schloss erkannt: Er hielt vor ihrem Gemach Wache. Sein Name ist Westen, und er hat ihr in der Kampfkunst noch vieles beizubringen. Zu dieser Zeit erhält Varis eine furchterregende Zukunftsvision vom Thron: Die Stadt steht in Flammen, und im Hafen ist das Wasser rot vom Blut der zahlreichen Leichen zwischen den brennenden Schiffen.
Hunger
Der Winter naht, doch die Vorräte werden knapp. Einer der Verräter namens Alendor, der ein Handelsmonopol hat einrichten wollen, ist untergetaucht. Varis lässt alle seine Vorräte beschlagnahmen und ihren Oberhofmarschall Avrell eine Liste erstellen – die sie leider nicht lesen kann. Im Hafenviertel hatte Varis Wichtigeres zu tun als lesen zu lernen, Überleben beispielsweise. Nun sollen auch weitere, aber treue Händler ihre Vorratslisten abliefern – an Avrell.
Avrell ist besorgt, weil aus dem Osten und dem Süden keine Nachrichten mehr kommen. Alle seine Boten kehren nicht zurück. Allmählich werden die Pässe von Schnee bedeckt, so dass kein Durchkommen mehr ist, und auch die Schiffe der Händler und Fischer müssen bald im Hafen bleiben. Die Vorräte müssen eingeteilt werden, sagt Avrell. Da erinnert sich Eryn daran, dass sie in Lagerhäusern, die dem Palast gehören, Proviant hat einlagern lassen. Diese Lagerhäuser, die mitten in der Stadt liegen, seien durch Schutzzauber geschützt. Das ist nun mal ein Lichtblick, aber warum rückt sie erst jetzt mit dieser Information heraus?
Die sieben Gründer
Wie es scheint, dringen die Geister, die im Thron wohnen, in den Verstand der Regentinnen ein und lassen sich dort auf einer unbewussten Ebene nieder. So erfährt Varis von den sieben Gründern Amenkors, die sich bis heute im Geisterthron niedergelassen haben. Sie behaupten, sie seien den Regentinnen freundlich gesonnen. Wenn sie nicht genau aufpasst, könnte Varis jedoch heimlich übernommen werden. Ihr Gefühlsleben ist eh schon starken Schwankungen unterworfen, und wer weiß, was sie mit den Kräften des Flusses und des Throns in ihrer Umgebung anrichten könnte.
Verrat
Die im Brand zerstörten Lagerhäuser sollen wiederaufgebaut werden, doch dafür werden mehr Arbeitskräfte gebraucht. In einem langwierigen und gefahrvollen Hinundher gelingt es Varis, auch die Männer und Frauen des Siel-Viertels für diese mühseligen Arbeit einzuspannen. Sie gehorchen einem Anführer namens Darryn, den sie überzeugt, indem sie einen Peiniger von Sielbewohnern auspeitschen lässt. Für ihre Arbeit bekommen die Arbeiter täglich eine Mahlzeit, und das ist weit mehr, als sich die Stadt vor der Öffnung von Eryns Depots hätte leisten können. Dennoch verschwinden immer wieder ganze Depotinhalte spurlos…
Das Wrack
Varis hat nicht nur im Nahkampf durch Westen, den Sucher, neue Fähigkeiten antrainiert, sondern auch mit Eryns Hilfe mehr Fertigkeiten im Umgang mit der Macht des Throns und des Flusses errungen. Nur ein Hindernis gibt es noch. Auf der körperlichen Ebene kann sie die Stadt nicht verlassen und auf der geistigen Ebene riskiert sie, den Bogen zu überspannen, indem sie ihren Geist zu weit hinausschickt.
So wie jetzt, als Eryn – die ehemalige Regentin ist zu ihrer Freude von den Fesseln des Throns befreit – an ihrer Stelle zu einem Ort an der Südküste reitet, um sich das Wrack eines Handelsschiffs anzuschauen. Varis schickt ihren Geist in das Bewusstsein von Eryn, um die Ereignisse unbemerkt verfolgen zu können. Es ist ein Schiff aus Amenkor, aber es weist Brandspuren auf. Wurde es von Piraten versenkt? Eryn findet einige Ungereimtheiten. Diese will sie Varis persönlich anvertrauen. Doch leider auch Avrell, und das empfindet Varis als Vertrauensbruch.
Eine Expedition
Wie auch immer: Es ist klar, dass ein Schiff nach Venitte segeln muss, der Schwesterstadt an der Küste. Venitte zeichnet sich dadurch aus, dass seine Magiebegabten ausschließlich männlich sind, so wie die von Amenkor alle Frauen sind. Damit Varis in der Lage ist, dem Schiff mit der SICHT des Flusses zu folgen, versieht sie Erick, ihren Mentor, und die Dienerin Laurren mit dem weißen Feuer der Magie. Eryn muss zur Strafe für ihren Vertrauensbruch in Amenkor bleiben. Neben diesem Duo sollen auch Gardisten mitreisen, sowohl aus dem Palast, als auch aus der Stadt.
Von der gesamten Besatzung des Expeditionsschiffes wird nur ein einziger Mann zurückkehren…
Mein Eindruck
Varis mag wie die Hauptfigur dieser Geschichte erscheinen, denn schließlich ist sie ja die Erzählerin. Doch in Wahrheit ist der Geisterthron, der der Trilogie ihren Namen leiht, mindestens genauso wichtig. Das Instrument ihrer Macht als Regentin hat eine eigene Macht und eine eigene Geschichte, die ihn als etwas Menschengemachtes darstellt. Und so ein Produkt lässt sich von Menschen auch wieder zunichtemachen. Wer dies begreift, wird das Finale doppelt so spannend erleben.
Vor 1500 Jahren wurden die Geisterthrone von Amenkor und seiner Schwesterstadt Venitte von den Sieben als Schutzinstrument gegen die Chorl, die Feinde von jenseits des Meeres, errichtet. Der aktuelle Angriff der Chorl auf Amenkor hatte also ein Vorspiel vor langer Zeit. Die Erinnerungen an jenen Angriff sind in den Seelen, die den Geisterthron erfüllen, gespeichert. Nur die Regentin hat Zugriff auf diese Seelen und ihre Erinnerungen, und sie liefern Varis die Idee, wie der aktuelle Angriff der Chorl gesteuert und aufgehalten werden kann.
Die Magie, aus der Varis, Eryn und die „wahren Dienerinnen“ schöpfen, ist der sogenannte Fluss. Er lässt sich vielseitig verwenden, was für eine Regentin, die nach dem Rechten sehen will, recht hilfreich ist. Sie kann damit eine Mauer, einen Schild aus verdichteter Luft errichten. Sie kann den Geistflug bewerkstelligen, um wie ein Vogel alle möglichen Orte zu erreichen. Und sie kann damit sogar in den geist der gegnerischen Zauberin, der Ochea, einzudringen. Auf diese Weise erfährt sie, dass ein Vulkanausbruch die Heimatinseln der Chorl zerstört hat.
Als wäre dies alles noch nicht genug, verfügt Varis über ein weiteres magisches Instrument: das weiße Feuer. Worum es sich dabei genau handelt, bleibt ihr Geheimnis, aber die Chorl nennen es das „Himmelsfeuer“. Diese Macht hat wenige Jahre zuvor auch Amenkor beinahe zerstört: Die Lagerhäuser sind immer noch in Schutt und Asche. Nur das weiße Feuer schützt Varis’ Seele davor, vom geisterthron verschlungen zu werden. Nun kann sie dessen Macht kontrollieren.
Mit einem Trick, den ihr Eryn und Cerrin, eine der sieben Seelen, zeigen, kann sie andere, würdige Personen mit einem Quantum Himmelsfeuer ausstatten. Das erlaubt es ihr, diese Personen als Agenten zu verwenden und sie zu überwachen. So erfährt sie aus erster Hand, was die Chorl mit Ercks Expedition angestellt haben. Dieses Wissen kann sie wie ein Rekorder aufzeichnen und wiedergeben. Eine der eindrucksvollsten Szenen schildert, wie Varis ihr Hofpersonal diese grauenhaften Szenen telepathisch aus erster Hand miterleben lässt. Manche brechen zusammen, manche erbrechen sich, wie andere laufend kreischend davon.
Die Fähigkeit, überall zu sein und sich sogar in andere Leute Bewusstsein zu versetzen – wenn auch unter hohem Energieaufwand -, verleiht Varis fast den Status einer Göttin. Dies rechtfertigt den Buchtitel vollständig. Aber hat sie auch ein Gewissen, eine Ethik? Denn bekanntlich korrumpiert solche macht, und absolute Macht korrumpiert absolut. Zum Glück lässt sich sagen, dass Varis aufgrund ihrer Herkunft und ihrer blutigen Taten – die Kenntnis von Band 1 wird dringend empfohlen – über einen moralischen Kompass verfügt, der sie nutzbringende, wenn auch nicht unblutige taten vollbringen lässt: Hinrichtungen von Verrätern beispielsweise.
Dieser moralische Kompass scheint auf die Probe gestellt zu werden, als die Ochea in den Palast eindringt – keines der drei Tore hat sie und ihre Schergen aufhalten können. Wird Varis dieser mächtigen Zauberin den Geisterthron einfach so überlassen? Sie hat bestimmt noch einen geheimen Plan in petto, oder? Mehr darf nicht verraten werden.
Die Übersetzung
Michael Krug hat bei dieser Übersetzung erfreulich gute Arbeit geleistet. Doch auch ihm sind ein paar Flüchtigkeitsfehler unterlaufen.
S 250: „was das Fall war“: Da der Fall aber nun mal männlich ist, sollte es korrekt „was DER Fall war“ heißen.
S. 277: “Die Männer an der Reling g[e]ben den Befehl auf dem gesamten Schiff weiter.“ Die Erzählzeit verlangt jedoch die Vergangenheitsform des Präteritums. Korrekt sollte es also nicht „geben“, sondern „gaben“ heißen.
S. 438: “Nadel[n] schienen in Ericks Haut zu stechen.“ Das N des Plurals fehlt.
Unterm Strich
Das erste Drittel des Romans skizziert die Folgen der Ereignisse, die zuvor stattfanden. Varis braucht eine Ausbildung und eine Gefolgschaft. Im zweiten Drittel wird immer klarer, dass es Verräter in ihrer Stadt gibt, und zwar ausgerechnet bei Händlern und Gardisten. Das macht die Geschichte zunehmend spannend.
Außerdem scheint eine Gefahr zu drohen, die von jenseits des Meeres heranrückt. Das letzte Drittel führt alle Fäden zusammen und glänzt mit zwei Finali: Die Verräter werden erwischt und bestraft, und zweitens müssen die Stadt und der Geisterthron verteidigt werden. Das ergibt einen packenden Showdown. Ich konnte das Buch nicht mehr aus der Hand legen.
Leider fehlt eine Landkarte von Amenkor und seiner Küste. Auch für die Druckfehler gibt es Punktabzug.
Paperback: 493 Seiten
O-Titel: The Cracked Throne, 2006
Aus dem Amerikanischen von Michael Krug.
ISBN-13: 9783785760185
www.luebbe.de
Der Autor vergibt: