Reese Witherspoon & Harlan Coben – Ohne ein letztes Wort. Thriller


Abwechslungsreicher Medizin-Thriller

Maggie McCabe, brillante und aufopferungsvolle Chirurgin bei der Army, kennt das Leben am Abgrund. Doch als sie nach einer Reihe von Schicksalsschlägen ihre ärztliche Zulassung verliert, ist sie an ihrem Tiefpunkt angekommen. Deshalb zögert sie nur kurz, das mysteriöse Angebot eines ehemaligen Kollegen anzunehmen. Er ist ein Star unter den plastischen Chirurgen; seine einflussreichen Klienten verlangen die beste Behandlung und absolute Diskretion.

Auf einem entlegenen Luxusanwesen fordert ein geheimnisvoller und mächtiger Mann eine unkonventionelle Behandlung. Nur eine Handvoll Chirurgen ist qualifiziert für diesen Auftrag – Maggie ist eine davon. Sie begibt sich in eine Welt voll unermesslichem Reichtum und erfüllt ihren Teil der Vereinbarung. Doch dann verschwindet ihr Patient spurlos. Maggie bemerkt zu spät, dass sie Teil einer perfiden Verschwörung ist, die nicht nur die Kreise der internationalen Elite erschüttert, sondern auch tief in Maggies eigene Vergangenheit zurückreicht. (Verlagsinfo)

Die Autoren

1) Reese Witherspoon

Reese Witherspoon ist eine preisgekrönte Schauspielerin, Produzentin, New York Times-Bestsellerautorin und Gründerin der Multimedia Marke „Hello Sunshine“. Hello Sunshine hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Geschichten von Frauen auf sämtlichen Plattformen sichtbar zu machen. Außerdem ist die Marke das Zuhause von Reese’s Book Club, einer Community rund um Geschichten, Autoren und Buchmenschen. (Verlagsinfo)

In ihrer Danksagung am Schluss dieses Buches erwähnt sie ihre Eltern: „Witherspoon wurde 1976 in New Orleans geboren und wohnte als Kleinkind vier Jahre lang in Wiesbaden, weil ihr Vater John dort bei der US-Luftwaffe als Militärarzt stationiert war. Nach der Rückkehr in die Vereinigten Staaten wuchs sie in Nashville auf. Ihre Mutter Mary Elisabeth Reese, genannt Betty, ist Professorin für Krankenpflege an der Vanderbilt University.“ (Wikipedia.de)

2) Harlan Coben

Harlan Coben ist Nr.1- Spiegel- und Nr.1-New-York-Times-Bestsellerautor und einer der international erfolgreichsten Autoren. Seine Thriller wurden in 46 Sprachen übersetzt, erreichten in über einem Dutzend Länder Platz 1 der Bestsellerlisten und haben sich weltweit mehr als 90 Millionen Mal verkauft. Seine Myron-Bolitar-Reihe wurde mit den drei bedeutendsten Krimipreisen ausgezeichnet – dem Edgar Award, dem Shamus Award und dem Anthony Award. Coben ist zudem Urheber und Produzent zahlreicher TV-Serien, darunter der Nr.1-Netflix-Hits: „Ich vermisse dich“ und „In ewiger Schuld“. (Verlagsinfo) Er lebt mit seiner Frau Anne Armstrong-Coben, einer Kinderärztin, in Ridgewood; sie haben vier Kinder. (Wikipedia.de)

Handlung

Maggie McCabe hat schon mal bessere Tage gesehen. Die ehemalige Chirurgin in Einsatzgebieten der US Army und von „Ärzte ohne Grenzen“ ist von der Ärztekammer ihrer Approbation beraubt worden, wie sie es empfindet. Sie häuft Schulden an. Ihre Schwester Sharon ist zwar ein Informatikgenie, wurde aber von ihrem Ex übers Ohr gehauen und verlor all ihre Patente. Auch sie steckt in einem Schuldenberg und droht damit, das Haus zu verkaufen.

Aber Maggie hat Helfer. Ihr Ex-Mann Marc gibt ihr als Avatar-App gute Ratschläge und dessen Vater, genannt „Porkchop“, wacht über Maggie wie über ein kaum flügges Küken. Immer wenn sie nach New York kommt, holt er sie ab und unterhält sie in seiner Biker Bar. Sein Bikerklub sind die Serpents and Saints“, dessen Abzeichen alle MG als Tattoo tragen.

Wen sie am meisten vermisst, ist jedoch ihr Kollege Trace Packer, doch der hat schon immer ein Bindungsproblem gehabt. Denn Maggie, Trace und Marc waren vielfach zusammen im Einsatz in Kriegsgebieten, denn sie entwickelten gemeinsam einen neuartigen Herzschrittmacher, den „Thumpr7“.

Ein unmoralisches Angebot

Ihr Studienkollege Evan Barlow, inzwischen ein berühmter und reicher Schönheitschirurg, ruft sie an, um ihr einen Kunden zu vermitteln, der großen Wert auf Diskretion legt. In New York trifft sie dessen Vermittler, einen grobschlächtigen, aber fein gekleideten Mann. Iwan Browski weiß scheinbar alles über Maggies Leben und das ihrer Schwester. Er bietet ihr zehn Millionen Dollar für diese Aufgabe: Fünf jetzt würden alle ihre Schulden verschwinden lassen und fünf weitere würden ihre Zukunft (und die ihrer Schwester) sichern. Maggies Sorgen wegen Operationssaal, Unterbringung und so weiter weiß Browski zu beseitigen. Es gibt nur einen Haken: Maggie muss nach Moskau fliegen.

Natürlich in einem höchst luxuriös umgebauten Airbus A-320. Hier kann sie sogar duschen. Leider ist alles ultrageheim, so dass sie Sharon und den anderen Freunden nichts über ihren „neuen Auftrag“ mitteilen darf. Sharon wundert sich nämlich, warum alle ihre Schulden weg sind, weil sie kürzlich fünf Millionen empfangen hat.

Im Schloss

Auch die Russen empfangen Maggie freundlich und zuvorkommend. Das Anwesen ihres oligarchischen Auftraggebers ein „Anwesen“ zu nennen, wäre eine krasse Untertreibung: Es hat verdächtige Ähnlichkeit mit einem Schloss. Die antiken Statuen im Vorgarten sorgen für einen positiven ersten Eindruck. Hausherr Oleg Ragorawitsch empfängt sie persönlich am eindrucksvollen Portal seiner noblen Hütte. Als erstes führt er sie durch seine Kunstsammlung, in der sich nicht nur Klassiker befinden, sondern gleich drei identische Versionen der „Mona Lisa“. Drei? Das bringt Maggie ins Grübeln. Ist das vielleicht die Edelvariante eines Hütchenspiels auf dem Jahrmarkt?

Die Patientin

Die Patientin wird schließlich doch noch von Oleg vorgestellt: Nadia Strauss ist eine gertenschlanke Schwimmerin, die den olympiareifen Pool mühelos durchquert. Doch Oleg steht auf stattliche Oberweiten, und nun soll auch Nadia mit mütterlichen Maßen ausgestattet werden. Maggies Sorge, Nadia könnte womöglich nicht einverstanden sein, interessiert Oleg nicht: Hier geht es nur um die Ausführung seiner Wünsche.

Bei einer privaten Unterredung enthüllt ihr Nadia, dass sie durchaus Englisch spricht, diese Tatsache aber vor allen anderen geheim halten muss. Übrigens sei Maggies Schlafzimmer verwanzt. Nadia bringt Maggie dazu, an ihren getöteten Mann Marc, der in Tunesien umkam, zu denken. Das lässt bei Maggie die Tränen fließen. Zum Trost aktiviert sie auf ihrem Handy, das keinerlei Empfang hat, Marcs Avatar.

Gleich darauf stürmt Iwan Browski herein, um ihr das Handy zu entreißen. Sie muss ihm erklären, was ein Deadbot ist: Ein Chatbot, der die Daten eines Toten dazu verwendet, mit der Benutzerin zu kommunizieren. Es ist ein KI-Prototyp, den ihre Schwester Sharon entwickelt hat. Browski nimmt ihr das Handy trotzdem weg. Wer weiß, welche Funktionen der Deadbot sonst noch hat?

Der Ball

Am nächsten Tag sind die Operationen an Oleg und Nadia angesetzt, aber heute Abend soll Maggie auf einen Ball. Das nötige Outfit bekommt sie natürlich gestellt, und sie wählt ein blaues Abendkleid und entsprechende Schmuckstücke. Auf der Party wird sie zunächst von einem attraktiven jungen Mann namens Charles Lockwood angesprochen, den Browski später als CIA-Agenten bezeichnet. Dann findet sie Zeit für ein Gespräch unter vier Augen mit Nadia Strauss. Sie erfährt ein wenig mehr über den Hintergrund dieser Geschichte, aber nicht genug, um sie in Angst zu versetzen.

Die Operationen

Zuerst legt sich Nadia für sie unters Messer, um ihre Brustvergrößerung zu erhalten. Maggie schneidet und näht wie auf Autopilot, und so hat sie noch genug Energie, um Oleg zu operieren: Er erhält eine Gesichtsveränderung, mit künstlicher Nase, verändertem Kinn und Augenpartie. Als sie zurück zu ihrem Zimmer will, merkt sie, dass die Gemälde verschwunden sind. Sie geht zurück, nur um bestürzt festzustellen, dass auch Nadia und Oleg verschwunden sind. Auf einmal muss für Iwan Browski alles schnell gehen, der Helikopter komme in einer Stunde.

Immerhin hat er sich dazu herabgelassen, ihr ihr Handy zurückzugeben. Der Deadbot soll angeblich gelöscht sein, doch Maggie kennt ihre geniale Schwester zu gut: Der Deadbot wurde beim „Löschen“ lediglich verschoben und befindet sich in einem verborgenen Verzeichnis. Er funktioniert einwandfrei. Sie bringt ihn auf den neuesten Stand und zwingt den autonomen Agenten, alle Lügen usw. bleiben zu lassen und die Fakten, die sie ihm gibt, auszuwerten. Er kommt zu dem Schluss, dass seine „Herrin“ nur noch eine lästige Zeugin darstellt und der Helikopter nur dazu dient, sie in einem tiefen nahegelegenen Steinbruch zu verschwinden zu lassen. Sie müsse sofort verschwinden!

Porkchop

Sharon hat von dem Deadbot eine automatische Alarmmeldung erhalten. Könnte sich Maggie in Gefahr befinden? Sofort informiert sie ihren und Maggies Ersatzvater, den Biker Porkchop. Der fackelt nicht lange und knöpft sich den Star-Chirurgen Evan Barlow vor. Der spuckt dank effektiver „Überredung“ einige Informationen aus. Es sieht nicht gut aus für Maggies Überleben…

Mein Eindruck

Aber das ist erst der Anfang von Maggies Abenteuern. Sie führen sie nach Dubai, wo sie sowohl Nadia als auch Oleg wiedersieht. Dramatische Ereignisse lassen Maggie sich wie in einer Achterbahnfahrt fühlen. In Frankreich gibt es ein erneutes Wiedersehen, und diesmal taucht auch Porkchop persönlich auf. Er hat Maggie viel zu erklären…

Die Schauplätze – Russland, Dubai, Frankreich – befinden sich auf der Höhe der Zeit, insbesondere was die jeweiligen Technologien wie etwa Avatare, Handys oder Funktechnik (WLAN usw.) angeht. Denn Kommunikation hält die Handlung auf Trab und bringt sie erst zum Funktionieren. Eben weil Maggie immer rechtzeitig so gut informiert ist, gelingt es ihr, diverse Anschläge zu überleben. Es bleibt bis zum Schluss spannend.

Doch immer stärker kommt die rätselhafte Vergangenheit zum Vorschein und zur Geltung. Die wichtigste Frage lautet für Maggie: Warum musste Marc in Tunesien sterben? Von wessen Hand? Welche Rolle spielte dabei der Thumpr7 bzw. dessen Patent? Dass medizinische Patente ein Vermögen wert sind, weiß die Autorin sicherlich von ihrer Mutter, der Professorin.

Einer der Höhepunkte der Handlung in der zweiten Buchhälfte besteht in einer chirurgischen Operation, bei der Maggie – trotz fehlender Zulassung – ein menschliches Herz ersetzen muss. Der Thumpr7 spielt dabei eine unterstützende Rolle. Der Leser muss diese und die anderen beiden Operation entsprechend es Interesse und Geduld aufbringen. Das sind schon fesselnde Szenen, aber der Action-Höhepunkt findet in Russland statt: Maggies Fluchtversuch findet in einem Sportwagen der Luxusklasse statt. Schießereien sucht man hier vergebens.

Die Übersetzung

Dieses Buch hatte nicht weniger als fünf Übersetzer. Ich konnte nur minimale Unterschiede im sprachlichen Stil feststellen. Ich fand lediglich einen Sachfehler.

S. 41: „generative Interferenz“: Sharon ist eine KI-Programmiererin und fachsimpelt gerne mal. Aber die „Interferenz“ sollte korrekt eine „Inferenz“ sein, denn so heißt der KI-Schritt, bei dem ein Algorithmus mitsamt Datenmodell auf eine Aufgabe angewendet wird.

S. 404: „nach Frankreich, als sie (!) mich für die Operation brauchten.“ „sie“ sollte jedoch großgeschrieben werden, denn Maggie spricht eine Person mit „Sie“ an.

Unterm Strich

Ich hatte mehr von einem Thriller-Profi wie Harlan Coben erwartet. Der Fluss der Thrillerhandlung wird immer wieder von detailliert und glaubwürdig geschilderten Operationen unterbrochen. Maggie ist in vielen Dingen unbedarft, als wäre sie ein amerikanisches Hausmütterchen, aber zumindest in Sachen Chirurgie macht ihr niemand was vor.

Coben ist aber etwas Entscheidendes gelungen, das unerlässlich ist, um den Spannungsbogen des Thrillers über die ganze Strecke aufrechtzuerhalten. Er dreht den Blickwinkel so lange, bis schließlich – natürlich ganz am Schluss – jeweils eine sinnvolle Antwort auf folgende Fragen gegeben werden kann: Welchen Sinn haben die beiden anfänglichen Operationen und welche Folgen haben sie für die Patienten? Und zweitens: Was wurde wirklich aus Marc und Trace, den beiden anderen medizinischen „Musketieren“? Diesbezüglich darf sich der Leser auf ein paar Wendungen und Überraschungen freuen.

Für heutige Thriller ist ja der Body Count schon ein Qualitätsmerkmal, doch die Autorin legte offenbar mehr Wert auf die erwähnten Rätsel und das Thema „Ethik der Chirurgie“ als auf Schießereien, auf die sich andere Autoren besser verstehen. Da der Roman offensichtlich für den Buchklub der Autorin geschrieben wurde, richtet er sich an eine vorwiegend weibliche Leserschaft, und die sollte wohl nicht nur Waffenfetischismus und Schießereien verschreckt werden.

Ernste Themen wie Medizin, Ethik und Chirurgie sollte der Profi-Autor Harlan Coben in einer Thrillerhandlung packen, doch die erzwungene Kombination wollte – mir zumindest – nicht so recht schmecken, und so brauchte ich für die Lektüre mehrere Wochen.

Taschenbuch: 428 Seiten.
O-Titel: Gone Before Goodbye, 2025
Aus dem Englischen von Gunnar Kwisinski, Friedo Leschke, Charlotte Bruer, Kristian Lutze und Thomas Bauer.
ISBN-13: 9783442206889

https://www.penguin.de/verlage/goldmann

Der Autor vergibt: (3.5/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (No Ratings Yet)