Alle Beiträge von Birgit Lutz

Sapkowski, Andrzej – Zeit der Verachtung, Die (Geralt-Saga, 2. Roman)

_Die Geralt-Saga:_

Vorgeschichte: _1_ [Der letzte Wunsch 3939
Vorgeschichte: _2_ [Das Schwert der Vorsehung 5327

_Roman 1_: [Das Erbe der Elfen 5334
_Roman 2_: [Die Zeit der Verachtung 5751

_Die spektakuläre Flucht_ Riences und die Tatsache, dass Philippa ihm dabei geholfen hat, haben Geralt zu denken gegeben. Und so investiert er sein gesamtes Geld in einen alten Bekannten namens Codringher, einen Halsabschneider mit der unübertroffenen Gabe, Informationen zu beschaffen, zu fälschen oder verschwinden zu lassen. Geralt will wissen, wer Riences Auftraggeber ist. Codringher willigt ein und entdeckt tatsächlich ein paar äußerst beunruhigende Tatsachen …

Ciri ist derweil mit Yennefer auf dem Weg zur Insel Thanned, wo ein Treffen der Zauberer angesetzt ist. Aber Yennefer will nicht nur der Ratssitzung beiwohnen, sie will auch Ciri in der dortigen Zauberschule anmelden, was dieser überhaupt nicht passt. Doch als der Morgen der Beratung anbricht, überstürzen sich die Ereignisse …

_Was die Charaktere angeht_, hat sich nicht allzu viel getan. Die Neuzugänge sind nur Randfiguren, und von den bekannten Figuren ist lediglich zu vermelden, dass Emhyr var Emreis‘ Absichten offenbar noch wesentlich weiter reichen als nur den nördlichen Teil des Kontinents zu erobern, und dass der Zauberer Vilgefortz wesentlich dümmer, dafür aber noch schmieriger ist als erwartet.

Nun, mit der Dummheit ist er nicht allein. Auch die Könige der nördlichen Königreiche dürfen ein gerüttelt Maß davon ihr Eigen nennen. Im Angesicht eines Gegners wie Emhyr die eigenen Kräfte mit Intrigen untereinander zu verschwenden, heißt nichts anderes, als dem Gegner das eigene Land auf dem Silbertablett zu servieren. Das ist dermaßen offensichtlich, dass man regelrecht mit Blindheit geschlagen sein muss, um es nicht zu sehen. Und mit einem solchen Gegner einen Pakt zu versuchen, ist nicht minder kurzsichtig, wie man an den Elfen deutlich sieht.

Der Einzige, der sich aus all dem herauszuhalten versucht, weil er keiner der vielen Parteien über den Weg traut, ist Geralt. Damit hat er natürlich Recht, was aber nicht bedeutet, dass er ungeschoren davonkommt. Am Ende muss er sich der bitteren Erkenntnis stellen, dass seine Neutralität ihn isoliert hat und dass er allein nicht ausreicht, um Ciri vor dem Zugriff so vieler gieriger Hände zu schützen.

_Bei allem Verrat_ und allen Intrigen, die in diesem Band zutage treten, ist es dem Autor dennoch gelungen, dem Leser weiterhin einiges zum Nachdenken zu geben. Dazu gehört das Auftauchen der Wilden Jagd, die eigentlich zur germanischen Mythologie gehört, hier aber Ciri verfolgt. Oder Ciris Kampf gegen den schwarzen Ritter mit dem geflügelten Helm, der schon seit Cintra hinter ihr her ist. Seine Reaktion war eine echte Überraschung. Aber auch das seltsame Verhalten des Uhus, der immerhin einer der obersten Beamten Emhyrs ist, wirft eine Menge Fragen auf, von den Andeutungen Rittersporns über Yennefer ganz zu schweigen …

Überhaupt war die Sache mit Rittersporn eine nette Abwechslung. Der Autor erzählt die Folgen der Ereignisse in Thanedd nicht selbst, sondern läßt sie Rittersporn erzählen. Aber auch ohne diesen Kniff wäre diese Stelle eine der interessantesten des Buches gewesen, ebenso wie Geralts Gespräch mit Codringher. Andere Stellen dagegen zogen sich diesmal etwas, seltsamerweise vor allem jene, in denen Yennefer vorkommt. Vielleicht liegt es ja nur daran, dass ich zu dieser Figur einfach keinen Draht habe, aber ich finde, ihre Verhandlungen mit ihrem zwergischen Bankier hätten ein paar Details weniger vertragen können, trotz der netten Anspielung auf das Bankwesen der Renaissance, und auch die Schlafzimmerszene hätte ich nicht gebraucht.

Ganz ohne Kampf ging es natürlich auch nicht ab. Aber außer einem kleinen Scharmützel mit ein paar Wegelagerern ist nur das Drama auf Thanedd erwähnenswert. Echte Spannung kam dabei nicht auf, dafür brachte es frischen Wind in die muffige, abgestandene Stimmung, die das Bankett der Zauberer am Vorabend der Ratssitzung heraufbeschworen hat. Es hatte etwas von einem heftigen Gewitter nach einem unangenehm schwülen Sommertag – ein Kontrast, der Leben und Farbe ins Geschehen brachte.

_Der vorherrschende Eindruck_ ist allerdings der, den schon der Buchtitel beschreibt: Verachtung!
Verachtung ist genau das, was sich überall findet: auf dem Bankett der Zauberer, das sie sämtlich als dekadent, hochmütig und intrigant entlarvt; in den Worten der Scioa’tael, die ihrem Hass auf die Menschen freien Lauf lassen; in der Brutalität von Kopfgeldjägern wie Banditen; in der Reaktion der Könige auf die Ereignisse in Thanedd; und im Pakt zwischen Emhyr und den Elfen.

Jeder ist nur noch mit seinem eigenen Vorteil oder mit seinem eigenen Überleben beschäftigt, die anderen, wer immer sie seien, zählen nicht mehr. Die gesamte Gesellschaftsordnung des Nordens ist komplett in die Brüche gegangen. Ein ziemlich trübsinniger Abschluss dieses zweiten Bandes. Eigentlich kann es in der Fortsetzung jetzt nur noch aufwärts gehen … Der dritte Band des Zyklus erscheint im November 2009 unter dem Titel „Feuertaufe“.

_Andrzej Sapkowski_ ist Literaturkritiker und Schriftsteller und nebenbei Polens bekanntester Fantasy-Autor. Der |Hexer|-Zyklus diente bereits als Grundlage für einen Kinofilm und eine Fernsehserie sowie für das polnische Rollenspiel „Wiedzmin“. Auch das Computerspiel „The Witcher“ stammt von Sapkowski, ebenso die |Narrenturm|-Trilogie um die Abenteuer des jungen Medicus Reinmar von Bielau.

|Originaltitel: Czas pogaardy
Aus dem Polnischen von Erik Simon
396 Seiten, kartoniert
ISBN-13: 978-3-423-24726-9|
http://www.der-hexer.de
http://hexer.wikia.com
http://www.dtv.de
http://www.sapkowski.pl
http://www.thewitcher.com

_Mehr von Andrzej Sapkowski auf |Buchwurm.info|:_
[„Narrenturm“ 1884
[„Gottesstreiter“ 3367
[„Lux perpetua“ 4568

Nimmo, Jenny – Charlie Bone und der Schattenlord (Die Kinder des roten Königs 7)

Band 1: [„Charlie Bone und das Geheimnis der sprechenden Bilder“ 1992
Band 2: [„Charlie Bone und die magische Zeitkugel“ 2448
Band 3: [„Charlie Bone und das Geheimnis der blauen Schlange“ 3308
Band 4: [„Charlie Bone und das Schloss der tausend Spiegel“ 3464
Band 5: [„Charlie Bone und der rote König“ 3468
Band 6: [„Charlie Bone und das magische Schwert“ 4685

Eigentlich sollte Charlie es wirklich besser wissen. Aber natürlich ist seine Neugierde stärker als die Vernunft; und so kommt es, dass Charlie sich in den Keller schleicht, wo seine Großmutter und seine Großtanten ein ungewöhnliches Gemälde abgestellt haben – ein Gemälde mit Eigenleben sozusagen, denn obwohl darauf niemand zu sehen ist, auf den Charlie sich konzentrieren und zu dem er ins Bild steigen könnte, findet er sich ungewöhnlich schnell mitten in der dargestellten Landschaft wieder. Und die gehört zu keinem geringeren Ort als dem Schloss des Schattenlords, den Charlie und seine Freunde vor kurzem erst unter großen Anstrengungen losgeworden sind. Vor allem aber ist Charlie auf Dauer nicht der Einzige, der sich in dieses schaurige Bild verirrt. Bald darauf erwischt es auch – Billy Raven.

_Der Schattenlord_ selbst taucht erstaunlich wenig auf. Dafür werden zwei andere Figuren wichtig:

Otus Darkwood stammt aus einer längst vergangenen Zeit und wird vom Schattenlord gefangen gehalten. Dem Namen ist unschwer zu entnehmen, dass er einer von Charlies Vorfahren ist. Und er ist ziemlich groß, denn er hat Riesenblut in den Adern. Allerdings kann er Charlie nur kurze Zeit beschützen.

Mathilda ist die Enkelin des Schattenlords. Und sie bildet einen erstaunlichen Kontrast zu den übrigen Bewohnern des Schlosses. Sie lächelt und ist freundlich, ja, sogar hilfsbereit, während alle anderen – ihre Großmutter, ihr Großvater und ihr Bruder – von kühl über unfreundlich bis abweisend wirken, obwohl sie nur am Rande auftauchen. Zu ihren Großeltern scheint sie keine besonders enge Beziehung zu haben; an einer Stelle fällt sogar eine Bemerkung, die klingt, als gehörte Mathilda gar nicht wirklich zur Familie. Offenbar hat sie sich bisher ziemlich allein gefühlt, denn ihr Bruder scheint auch nicht besonders umgänglich zu sein. Billy dagegen, der trotz Charlies Freundschaft selbst sehr einsam ist, weil er keine eigene Familie hat, gefällt ihr sofort. Er gefällt ihr so gut, dass sie ihn gar nicht mehr hergeben will …

Mathilda ist im Grunde der einzig wirklich interessante Neuzugang. Otus ist zwar ein netter Kerl, gibt als Charakter aber nicht allzu viel her. Er taucht nur zweimal kurz auf, einmal, um Charlie zu retten, und dann, um von Charlie gerettet zu werden. Mathilda aber fasziniert durch den Kontrast zu ihrer Familie und ihr zwiespältiges Verhalten, denn obwohl sie freundlich und hilfsbereit wirkt und offenbar niemandem etwas Böses will, unterstützt sie doch – ob mit oder ohne Absicht – den Zauber ihres Großvaters, den dieser auf Billy gelegt hat.

_Was die Handlung angeht_, so macht natürlich nicht nur das ungewöhnliche Gemälde Scherereien.
Titania Tilpin, Joshuas Mutter, versucht angestrengt, Amorets zerbrochenen Spiegel wiederherzustellen, um den Schattenlord erneut in Charlies Welt zu holen. Bisher war sie nicht sehr erfolgreich, doch sie lässt nichts unversucht, um Unterstützung zu erhalten, sei es von den Kindern des roten Königs, die zur dunklen Seite gehören, sei es von anderen Magiern oder Sonderbegabten, die sich über Jahrzehnte hinweg in der Piminy Street verkrochen und bedeckt gehalten haben.

Und Manfred Bloor hat Dagbert dazu angestiftet, Charlie Bones magische Zauberstab-Motte zu stehlen. Das führt insofern zu Verwicklungen, als Dagbert – obwohl er die Motte an Manfred weitergeben musste – versucht, einen Tauschhandel mit Tancred abzuschließen. Er will seinen Seeigel aus Meergold wiederhaben, denn so lange dieser in seiner Sammlung aus magischen Talismanen fehlt, kann Dagbert seine Macht nicht voll entfalten. Der Ausgang dieses Duells findet allerdings nicht gerade Manfreds Zustimmung …

Von dem mondabhängigen Wankelmut, der Dagbert im vorigen Band so interessant machte, ist diesmal nicht viel zu spüren. Titania Tilpins Bemühungen, was den Spiegel angeht, betrachtet Dagbert mit arroganter Gleichgültigkeit. Aber mit Manfred Bloor scheint er sich prächtig zu verstehen. Offenbar spielt dieser Teil der Geschichte von einer Woche vor bis eine Woche nach Neumond. Was andererseits bedeuten würde, dass sich Dagberts Charakter demnächst wieder wandeln müsste …

_Was diesen Band jedoch_ am stärksten von allen anderen unterscheidet, ist, dass er nicht so in sich abgeschlossen wirkt wie seine Vorgänger. Das liegt daran, dass der rote Faden, der inzwischen von dem Rätsel um Billy Ravens Eltern und deren Erbe gebildet wird, diesmal so stark im Vordergrund steht. Während zum Beispiel in Band zwei der rote Faden – das Rätsel um Charlie Bones Vater – im Vergleich zu den Turbulenzen um Henry und die Zeitkugel nur eine Randerscheinung ist, bildet er durch Billys Eintritt in das Gemälde diesmal den Mittelpunkt des Geschehens. Und obwohl Charlie wieder einmal die obligatorische Rettungsaktion hinter sich gebracht und Otus aus dem Gemälde herausgeholt hat, steckt Billy immer noch drin.

Auch von den Nebensträngen kann nur einer ein Ergebnis vorweisen, und das ist der um Dagbert und Tancred. Die Sache mit Amorets Spiegel ist ebenfalls offen geblieben. Dies und einige andere Kleinigkeiten wie die Schwierigkeiten der Onimouses oder die Aktivitäten von Tante Venezias Stiefsohn Eric erwecken den Eindruck, als bahnte sich da etwas Größeres an. Eine solche langfristige Entwicklung außerhalb des roten Fadens war dieser Reihe bisher eher fremd.

Am ungewöhnlichsten empfand ich allerdings die Tatsache, dass immer wieder ein bevorstehender Angriff auf Charlies Eltern angedeutet wird. Das geht jetzt schon zwei Bände lang so, aber bisher ist nichts passiert. Dabei würde eine gezielte Attacke auf die beiden sämtliche Aktivitäten im Zusammenhang mit Billy Raven überflüssig machen. Allmählich frage ich mich, worauf die Bloors denn eigentlich warten …

_Letztlich_ kann ich über diesen Band dasselbe sagen wie über seinen direkten Vorgänger: Wirklich langweilig war er nicht, was diesmal vor allem der interessanten Idee mit dem besonderen Gemälde und Mathilda, sowie auch ein wenig dem Duell zwischen Dagbert und Tancred zu verdanken war. Allerdings hat diesmal wieder ein wenig die Geschmeidigkeit gefehlt, die einzelnen Handlungsstränge ergaben keine so nahtloses und glattes Gesamtbild wie in Band V. Vielleicht werden die bisher so lose nebeneinander herlaufenden Stränge im nächsten Band etwas enger miteinander verknüpft, sodass dieser Eindruck sich etwas abschwächt. Dieser achte Band mit dem Titel „Charlie Bone and the Red Knight“ soll im September 2009 erscheinen und endgültig der letzte der Serie sein.

_Jenny Nimmo_ arbeitete unter anderem als Schauspielerin, Lehrerin und im Kinderprogramm der |BBC|. Geschichten erzählte sie schon als Kind, Bücher schreibt sie seit Mitte der Siebziger. Unter anderem stammt der Zyklus |Snow Spider| aus ihrer Feder, sowie „Im Garten der Gespenster“, „Der Ring der Rinaldi“ und „Das Gewächshaus des Schreckens“. „Charlie Bone und das Geheimnis der sprechenden Bilder“ ist der erste Band des Zyklus |Die Kinder des roten Königs| und hat sie auch in Deutschland bekannt gemacht.

http://www.jennynimmo.me.uk
http://www.ravensburger.de

Nicholson, William – Noman (Der Orden der edlen Krieger III)

Band 1: [„Sucher“ 3817
Band 2: [„Jango“ 4590

_Sucher_ hat die Savanter gefunden. Doch zwei von ihnen konnten entkommen. Nun verfolgt Sucher sie durch das halbe Land. Als er sie endlich stellen kann, passiert etwas Unvorhergesehenes …

Der Wildling hat eine ganze Armee aus Spiekern um sich versammelt. Sein Ziehvater und Vertrauter Schlange drängt ihn zum Handeln, doch der Wildling weiß nichts mit seiner Armee anzufangen. Ziellos lässt er sich einfach treiben. Bis Schlange ihn zum Handeln zwingt …

Morgenstern sieht die Entwicklung mit Schrecken und Kummer. Und so beschließt sie, die Spiekerarmee zu verlassen. Nach nur einem halben Tag auf Wanderschaft gabelt sie ein paar verlassene Kinder auf, die sich ihr anschließen. Sie will sie in ihr Heimatdorf bringen, damit sich jemand um sie kümmert, doch der Ort ist verlassen. Die Einwohner sind alle dem Freudenbringer gefolgt …

_Die Charaktere_ haben noch einmal Zuwachs bekommen: die beiden Savanter – ein Mann namens Manlir und eine Frau, deren Namen man erst am Ende erfährt – sowie Noman, der Gründer des Ordens der edlen Krieger. Schade nur, dass diese drei so wenig eigenes Profil zeigen. Noman taucht wie Jango lediglich als Ratgeber für Sucher auf. Das erscheint nicht weiter verwunderlich, da er ja eigentlich seit zweihundert Jahren tot ist. Aber auch die beiden Savanter bleiben größtenteils schemenhaft. Nicht einmal die Vergangenheit, für die diese schattenhaften Figuren stehen, nimmt durch sie mehr Kontur an. Letztlich bleiben sie nicht mehr als Stellvertreter für ihre jeweiligen Ideologien. Lediglich die drei Hauptprotagonisten bieten noch ein wenig Entwicklung in ihren Charakteren.

_Was die Handlung betrifft_, so hat der Autor diesmal den bunten Rahmen, der in den beiden Vorgängerbänden den roten Faden verbrämt hat, einfach weggelassen. Übrig geblieben ist vor allem Suchers Jagd nach den Savantern und letztlich nach der Wahrheit, nach Antworten auf all die offenen Fragen, die im Laufe der Geschichte aufgetaucht sind. Dieser Hauptstrang überlagert nach und nach alle anderen Stränge. Und er neigt sich zunehmend in eine ausgesprochen philosophische Richtung. Das verleiht dem Band einen wesentlich ernsteren Grundtenor, als er der Trilogie bisher zueigen war.

Der Hintergrund, vor der sich all das abspielt, hat sich ebenfalls stark gewandelt. Die alte Ordnung ist völlig zusammengebrochen. Der Nom ist zerstört, die Nomana in alle Winde verstreut. Sören Similin, der die Herrschaft über Radiosa an sich gerissen hatte, ist der Rache des Erfinders Evor Ortus zum Opfer gefallen. Und der Jahan der Orlaner ist krank und schwach und wird schließlich von seinem eigenen Sohn ermordet.
Aus dieser Situation der Orientierungslosigkeit und Unsicherheit resultiert zunächst einmal ein ziemliches Durcheinander. Die orlanische Armee ist zu marodierenden Banden zerfallen, skrupellose Geschäftemacher versuchen, die letzten Wohlhabenden über den Tisch zu ziehen, selbsternannte Heilsbringer tauchen auf und ziehen ganze Scharen von Anhängern an.
Alles in allem ein gelungenes, wenn auch nicht besonders differenziertes Bild eines gesellschaftlichen Umbruchs.

_Ich muss aber gestehen_, dass es mir trotzdem schwerfiel, mich in diesen letzten Band hineinzufinden. Dazu hat sicherlich der lange Leseabstand von mehr als einem Jahr beigetragen. Hauptsächlich aber lag es am Gesamteindruck.

Die Geschichte wirkt zum einen ziemlich sprunghaft. Sucher legt bei seiner Jagd/Suche immense Strecken zurück, in kürzester Zeit und ohne dass dazu viel gesagt würde, und zwar stellenweise dieselben Strecken: zum Meer, wieder ins Landesinnere, wieder ans Meer … wie ein Pingpong-Ball. Auf einer dieser Strecken verirrt er sich auch noch, und zwar nicht einfach so, wie man sich im Dunkeln verläuft oder in einem weglosen Wald, sondern in sozusagen metaphysischer Hinsicht.

Zum anderen empfand ich die Antworten, die Sucher letztlich findet, als lückenhaft. Das gilt vor allem für die Szene, die sich in der Felsnadel in der Wüste abspielt. Sie wirft letztlich mehr Fragen auf, als sie beantwortet, zum Beispiel die Frage nach der Identität der Beteiligten. Andere Fragen werden überhaupt nicht beantwortet, zum Beispiel die, warum die Savanter eine Bedrohung für das Ewige Kind sein sollten, denn das sind sie tatsächlich gar nicht. Die Bedrohung ist letztlich jemand ganz anderer, wobei sich hier schon wieder die Frage stellt, ob er denn wirklich eine Bedrohung ist.

Das Allermerkwürdigste aber ist der Endkampf zwischen Sucher und Manlir. Das gilt für seinen Verlauf ebenso wie für sein Ergebnis. Hier spielt die Philosophie so stark ins Metaphysische, dass sie den Boden unter den Füßen verliert und schon fast parabelhafte Züge annimmt. Nur, Parabel wofür?

_Mit anderen Worten_, dieser letzte Band wollte sich einfach nicht zu einer runden Sache fügen lassen. Vielleicht war der Entwurf des philosophischen Grundgerüstes, Nomans Experiment, einfach zu sperrig, zu weit hergeholt. Der Versuch, die Welt zu erklären, einen Grund für Leid und Kummer zu finden, die Frage nach der Existenz Gottes zu beantworten, ist ja durchaus nicht neu. Aber in diesem Fall konnte mich die Erklärung – trotz einiger interessanter Gedanken – nicht zufriedenstellen.

_William Nicholson_ ist Brite und arbeitete nach seinem Anglistikstudium zunächst für die BBC. Inzwischen ist er Schriftsteller, Drehbuchautor und Regisseur. Aus seiner Feder stammt „Die Gesellschaft der Anderen“ sowie im Jugendbuchbereich die |Aramanth|-Trilogie. Er schrieb die Drehbücher für „Nell“ und „Der Marsch“ sowie für „Gladiator“, mit dem er für den Oscar nominiert wurde.

|395 Seiten
ISBN-13: 978-3-423-71316-0|
[Verlagsspezial über William Nicholson 3817
http://www.williamnicholson.co.uk
http://www.dtvjunior.de

_Außerdem von William Nicholson auf |Buchwurm.info|:_
[„Der Windsänger“ 1048

Sara Douglass – Gesandter des Teufels (Das dunkle Jahrhundert 4)

Band 1: „Hüter der Macht“
Band 2: „Tochter des Krieges“
Band 3: „Diener des Bösen“

_Hal Bolingbrokes Plan_ zur Beschaffung der Schatulle mit Wynkyn de Wordes Buch ist misslungen. Nicht nur, dass es nicht die richtige Schatulle war, sie hat auch noch einen entsetzlichen Preis gefordert. Und Thomas Neville muss erkennen, dass seine Überzeugung, er könne zu Margaret genügend Distanz wahren, um sich nicht zu verlieben, eine gravierende Fehleinschätzung war. Jetzt versucht er, sich selbst davon zu überzeugen, dass seine unleugbare Liebe zu Margaret nicht bedeuten muss, dass er ihr auch seine Seele schenkt.

Sara Douglass – Gesandter des Teufels (Das dunkle Jahrhundert 4) weiterlesen

Sara Douglass – Diener des Bösen (Das dunkle Jahrhundert 3)

Band 1: [„Hüter der Macht“ 4812
Band 2: [„Tochter des Krieges“ 5506

Thomas hat auf Betreiben Lancasters Margaret geheiratet. Doch er ist fest davon überzeugt, dass es ihm trotzdem gelingen wird, sich nicht in sie zu verlieben. Viel mehr Kopfzerbrechen als die Versuchung durch Margaret bereitet ihm inzwischen die Suche nach der Schatulle, in der sich de Wordes Buch befindet. Thomas ist der Überzeugung, dass sie sich in Westminster befindet, bei Richard, der inzwischen König von England ist. Es scheint aussichtslos, an das kostbare Stück heranzukommen. Bis Bolingbroke einen merkwürdigen Plan ersinnt …

_An der Charakterzeichnung_ hat sich nicht viel verändert, nur drei neue Caraktere werden wichtig. Der eine ist Mary de Bohun. Die junge Frau ist eine reiche Erbin und Hal Bolingbrokes Braut. Sie ist jung, von zarter Gesundheit und auch ein wenig schüchtern, und sie fürchtet sich zunächst vor ihrem Mann. Gleichzeitig beweist sie erstaunliche geistige Stärke und Großherzigkeit, indem sie Margaret beisteht, und das, obwohl sie diese für Bolingbrokes Geliebte hält.

Der zweite ist Katherine, die Tochter des französischen Königs. Sie ist jung und intelligent, da aber nach salischem Recht die weibliche Linie nicht erbberechtigt ist, hat sie sich bisher zurückgehalten. Erst nach einem Gespräch mit ihrer Mutter Isabella beginnt sie, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen. Ihre erklärte Gegnerin ist … Jeanne d’Arc.

Und zu guter Letzt wäre da noch Robert de Vere, der Earl of Oxford, ein schmieriger, intriganter Kerl, der den jungen König komplett um den Finger gewickelt hat und sich von ihm nun mit Titeln und Ländereien überschütten lässt, was ihm eine enorme Machtfülle verleiht. Eine ausgesprochen einseitige Machtfülle, wie vor allem Lancaster und seine Anhänger finden.

Die Intensität dieser drei neuen Figuren reicht nicht an die von Thomas und Margaret heran. Mary ist bisher nicht wichtig genug, de Vere taucht nur zusammen mit Richard auf, und Katherine steht von Anfang an als Verbündete Bolingbrokes fest, was viel von dem Raum beansprucht, den die Autorin auf die Charakterzeichnung verwandt hat. Trotzdem haben sie alle genug Profil erhalten, um nicht hölzern oder plakativ zu wirken.

_Die Handlung dagegen_ hat einiges an Neuem zu bieten. Inzwischen kann der Leser sicher sein, dass Margaret und Hal wie auch Katherine mehr sind als „normale“ Menschen. Aber gehören sie wirklich zu den schaurigen Geschöpfen, die Neville und Lancaster in Frankreich begegnet sind? Hier besteht noch immer eine erstaunliche Diskrepanz. Und dann sagt Margaret, sie sei kein Dämon, sondern ein Engel! Fest steht allerdings auch, dass der Erzengel Michael ein unversöhnlicher Gegner Margarets ist! Es scheint, als würde die einfache Frage, wer Dämon und wer Engel, wer gut und wer böse ist, schon gar nicht mehr ausreichen, als wäre hier noch eine dritte Gruppe beteiligt.

Auch Hal gibt verstärkt Anlass zu Spekulationen. Ganz offensichtlich gehört er zu Margarets Verbündeten, sie bezeichnet ihn gelegentlich sogar als ihren Lord, so, als wäre er eine Art Vorgesetzter. Der Plan im Zusammenhang mit der Beschaffung der Schatulle erinnert massiv an Thomas‘ frühere kaltherzige Rücksichtslosigkeit. Auch die Hochzeit mit Mary zeigt ziemlich kaltschnäutziges Kalkül. Ist Hal womöglich – mehr oder weniger absichtlich – auf dem Weg ins gegnerische Lager?

Und dann ist da auch noch Richard Thorseby. Der Ordensgeneral der Dominikaner fühlt sich durch Thomas‘ Austritt aus dem Orden sozusagen persönlich gekränkt und sinnt nun auf Rache. Nicht, dass er große Lust zu reisen hätte, doch in diesem Fall kommt ihm die Einladung zu einem Konzil in Rom dennoch zupass. Vielleicht lässt sich in dem Kloster in Rom, in dem Thomas‘ Reise durch Europa begann, etwas aufspüren, woraus er dem ehemaligen Mönch einen Strick drehen kann …

_All dies ist eingebettet_ in den geschichtlichen Hintergrund der Regierungszeit Richards II. Die Lancasters geraten immer weiter unter Druck, denn Richard fühlt sich durch John of Gaunt bevormundet und durch Hals Beliebtheit im Volk sogar in seiner Stellung bedroht. Schon aus gekränkter Eitelkeit ist er nicht bereit, die Argumente gegen seine Politik auch nur anzuhören, ganz gleich, wie vernünftig sie auch sein mögen. Außerdem ist er bestrebt, seinem Favoriten de Vere zu gefallen.

Ein zusätzlicher Streitpunkt ist die geplante neue Kopfsteuer, mit der Richard einen Feldzug nach Irland finanzieren will, obgleich der Krieg gegen Frankreich noch gar nicht beendet ist. Diesbezügliche Warnungen fasst er als Kritik auf und reagiert ausgesprochen scharf. In seinem Streit mit den Adligen des Reiches übersieht er allerdings völlig einen weiteren Faktor: sein Volk! Längst hat der Same, den Wanderprediger wie John Wycliff und John Ball im Volke gesät haben, Wurzeln geschlagen …

Sara Douglass hat diese verschiedenen, recht unterschiedlichen Aspekte geschickt zu einer nahtlosen, glatten Geschichte verwoben und dadurch den historischen Hintergrund auf eine Weise zum Schauplatz eines Kampfes zwischen Gut und Böse gemacht, der schon fast realistisch anmutet, trotz der vielen Fantasy-Elemente, die er enthält. Und noch immer ist sich der Leser nicht wirklich sicher, mit wie vielen Parteien er es eigentlich zu tun hat und wer zu welcher Partei gehört. Abgesehen von der Gefahr, die den Lancasters durch Richard II. droht, und dem sich anbahnenden Bürgerkrieg sorgt besagte Undurchsichtigkeit im Zusammenhang mit der Frage, wie Thomas Neville sich letztlich wohl entscheiden wird, wenn er endlich Wynkyn de Wordes Buch gefunden hat, für stetig steigende Spannung. Je weiter ich lese, desto faszinierter bin ich.

_Sara Douglass_ arbeitete zuerst als Krankenschwester, bevor sie ein Studium in historischen Wissenschaften begann. Sie promovierte und arbeitete in den folgenden Jahren als Dozentin für mittelalterliche Geschichte. Das Schreiben fing sie nebenbei an, als Ausgleich zum Streß. Nach dem Erfolg ihres |Weltenbaumzyklus| stieg sie aus ihrem Beruf aus und konzentrierte sich aufs Schreiben und ihren Garten. Außer dem |Weltenbaumzyklus| und dem |Sternenzyklus| schrieb sie diverse Romane und Kurzgeschichten. Zurzeit schreibt die Autorin an ihrer neuen Trilogie |Darkglass Mountains|. Der Folgeband zum Zyklus des dunklen Jahrhunderts erschien diesen Monat unter dem Titel „Gesandter des Teufels“.

|Originaltitel: The Wounded Hawk. The Crucible Two
Aus dem australischen Englisch von Sara Riffel
409 Seiten, gebunden mit Schutzumschlag
ISBN-13: 978-3-492-70164-8|

My Сreative


http://www.piper-verlag.de

Mehr von Sara Douglass auf |Buchwurm.info|:

[„Die Sternenbraut“ 577 (Unter dem Weltenbaum 1)
[„Sternenströmers Lied“ 580 (Unter dem Weltenbaum 2)
[„Tanz der Sterne“ 585 (Unter dem Weltenbaum 3)
[„Der Sternenhüter“ 590 (Unter dem Weltenbaum 4)
[„Das Vermächtnis der Sternenbraut“ 599 (Unter dem Weltenbaum 5)
[„Die Göttin des Sternentanzes“ 604 (Unter dem Weltenbaum 6)
[„Der Herr des Traumreichs“ 1037
[„Die Glaszauberin“ 1811 (Die Macht der Pyramide 1)
[„Der Steinwandler“ 2639 (Die Macht der Pyramide 2)
[„Die sterblichen Götter Tencendors“ 2653 (Im Zeichen der Sterne 1)
[„Die Wächter der Zeiten“ 2947 (Im Zeichen der Sterne 2)
[„Die letzte Schlacht um Tencendor“ 3608 (Im Zeichen der Sterne 3)

Nix, Garth – Listiger Freitag (Die Schlüssel zum Königreich / Keys to the Kingdom 5)

[„Schwarzer Montag“ 3719 (Die Schlüssel zum Königreich 1)
[„Schwarzer Montag“ 3172 (Hörbuch)
[„Grimmiger Dienstag“ 3725 (Die Schlüssel zum Königreich 2)
[„Grimmiger Dienstag“ 4528 (Hörbuch)
[„Kalter Mittwoch“ 4242 (Die Schlüssel zum Königreich 3)
[„Kalter Mittwoch“ 5101 (Hörbuch)
[„Rauer Donnerstag“ 4831 (Die Schlüssel zum Königreich 4)
[„Rauer Donnerstag“ 5051 (Hörbuch)

_Vom Regen in die Traufe!_ Da hat Blatt es tatsächlich geschafft, Susi Türkisblau das verhängnisvolle Stück Stoff aus Arthurs Hemd zu übergeben, und dann landet sie ausgerechnet in den Fängen von Lady Freitag! Völlig klar, dass sie dort nichts Gutes erwartet. Aber was genau hat die Lady vor? Und was hat es mit all diesen seltsam schlafwandelnden Menschen auf sich?

Arthur ergeht es nicht viel besser. Durch einen Trick landet er in Lady Freitags Domäne, was ja eigentlich gar nicht so schlecht wäre in Anbetracht der Tatsache, dass Arthur ohnehin als nächstes den fünften Vermächtnisteil befreien und Lady Freitag ihren Schlüssel abnehmen muss. Leider ist er unpraktischerweise nahezu direkt vor den Füßen einer Horde Bringer gelandet, die er erst mal wieder loswerden muss. Und zu allem Überfluss hat er offenbar auch noch zwei Gegenspieler, die es ebenfalls auf Lady Freitags Schlüssel abgesehen haben …

_Auch diesmal gibt es wieder_ einige neue Charaktere: Da wäre zum Beispiel Papierschieber Pirkin, der so außerordentlich auf die wenigen Vorrechte seiner Gilde bedacht ist und Arthur samt Begleitern deshalb nur äußerst widerwillig auf seinem Floß mitnimmt, gleichzeitig aber offenbar keinerlei Probleme damit hat, Arthur geheime Briefe lesen zu lassen. Oder Meistereinbinder Jakem, der Arthur so ausgesprochen höflich willkommen heißt, mit seiner Unterstützung dafür aber wesentlich geiziger ist als der pingelige und nörgelnde Pirkin. Oder Harrison, der alte Mann, der sich um die Schläfer in den Sälen Lady Freitags kümmert und solche Angst vor seiner Vorgesetzten hat, dass er sich trotz seines Heimwehs nicht getraut, auch nur über eine Fluchtmöglichkeit nachzudenken, bis Blatt ihm ordentlich einheizt.

Und dann ist da natürlich noch Lady Freitag selbst, die Blatt entführt hat, um Arthur mit ihr zu erpressen, und außerdem Blatts Tante, um Blatt damit zu erpressen, und die außerdem einem ausgefallenen Vergnügen frönt, das selbst an einem Ort wie dem Haus illegal ist!

Leider ist über die Neuzugänge weiter nichts zu sagen. Allein Pirkin und Jakem reichen ein wenig über grobe Skizzierung hinaus, und selbst diese beiden sind nicht wirklich lebendig ausgefallen. Der neue Vermächtnisteil lässt im Vergleich zu seinen Vorgängern ebenfalls Profil vermissen, vielleicht, weil er das ausgleichende Element darstellt. Besonders enttäuscht war ich allerdings von Lady Freitags Charakter. So einfallsreich ihre Falle aufgestellt war, so fade wirkte sie als Person. Hier ist der fünfte Band der Reihe stark hinter dem vierten zurückgeblieben.

_Auch die Handlung_ ist diesmal nicht ganz so fesselnd ausgefallen, dafür verläuft alles zu glatt und zu problemlos. Außer den Bringern und einem Nichtling stellen sich Arthur diesmal kaum Schwierigkeiten in den Weg. Gleich zu Beginn findet er eine Möglichkeit, das Versteck des Vermächtnisteils zu orten, sowie rechtzeitig Helfer, die ihn an sein jeweils nächstes Ziel bringen. Und auch den Showdown kann man kaum als solchen bezeichnen. Immerhin hatte ich nach Lady Freitags Worten an Blatt etwas mehr Tatkraft erwartet, als es schließlich so weit war. Stattdessen hat sich Blatts Entführung als ziemlich überflüssig erwiesen.

Interessant fand ich dagegen die Ideen im Zusammenhang mit der Magie, so unter anderem das textuell angereicherte Wasser, das alles ertränkt, was nicht beschrieben ist, und genauso gut bergauf wie bergab fließen kann; die streunenden Samenschoten; und natürlich Lady Freitags Spiegel. Gefallen haben mir auch die Krieger Lady Freitags, die Vergoldeten Jünglinge und die geflügelten Diener der Nacht, wenngleich ich sagen muss, dass ein paar Details mehr in diesem Zusammenhang nicht geschadet hätten. Zum Beispiel hätte ich gern gewusst, warum die geflügelten Diener der Nacht nicht sprechen.

_Um die Verluste_ in Handlung und Charakterzeichnung auszugleichen, reichen diese Punkte allerdings nicht aus. Dabei hätte dieser Band so viele Möglichkeiten für Verwicklungen und Hindernisse geboten, immerhin hat Arthur diesmal gleich drei Gegner, die sich allerdings erstaunlich wenig bemerkbar machen, wenn man bedenkt, dass sie zu den mächtigsten Leuten im ganzen Haus gehören. Womöglich wäre weniger hier mehr gewesen, hätte Garth Nix sich auf einen Widersacher beschränkt und diesen dafür etwas stärker ausgebaut. Erhabene Samstag bot sich dafür nur wenig an, da sie als Kontrahentin im sechsten Band benötigt wird. Lady Freitag dagegen hätte nach dem Scheitern ihrer List nicht unbedingt wie eine schlaffe Stoffpuppe wirken müssen, wo sie doch noch ein Ass im Ärmel hatte.

So aber konnte der fünfte Band mit den ersten vier nicht wirklich mithalten. Schade.
Bleibt zu hoffen, dass der Zyklus im nächsten Band wieder etwas mehr Fahrt aufnimmt und Erhabene Samstag als Gegnerin wieder etwas mehr Biss zeigt.

_Garth Nix_ ist gebürtiger Australier und war nach dem Studium in den verschiedensten Bereichen der Buchindustrie tätig, ehe er selbst zu schreiben begann. Aus seiner Feder stammen der Jugendbuchzyklus |Seventh Tower| sowie die Trilogie |Das alte Königreich|. Der sechste Band aus der Reihe |Keys to the Kingdom|, „Mächtiger Samstag“, erscheint am 14. April 2009, die Lesung von Oliver Rohrbeck zwei Monate darauf.

|Originaltitel: Lady Friday (The Keys to the Kingdom, Vol. 5)
Übersetzt von Axel Franken
300 Seiten, gebunden mit Schutzumschlag
Mit Illustrationen von Daniel Ernle
Empfohlen ab 10 Jahren|
http://www.ehrenwirth.de/

Außerdem von Garth Nix auf |Buchwurm.info|:

[„Sabriel“ 1109 (Das alte Königreich 1)
[„Lirael“ 1140 (Das alte Königreich 2)
[„Abhorsen“ 1157 (Das alte Königreich 3)

Wooding, Chris – Welt aus Stein

_Orna ist Angehörige des Kaders_ vom Clan Caracassa. Aber selbst mit ihren überragenden Fähigkeiten im Kampf konnte sie nicht verhindern, dass sie vom Feind gefangen genommen wurde. Nun sitzt sie im Kerker einer Festung, leistet Zwangsarbeit und schwebt ständig in Gefahr, auf dem Seziertisch eines Chirurgen zu landen. Doch Orna wäre kein Kader, wenn sie nicht vorhätte, diesen Zustand zu ändern …

_Wie es sich für eine gelernte Killerin gehört_, ist Orna kaltblütig, schnell und gründlich. Das heißt aber nicht, dass sie keine Gefühle besäße. Tatsächlich hat sie – ungewöhnlich für einen Kader – nicht nur einen Ehemann, sondern auch einen Sohn, und sie hängt sehr an beiden. Würde ihr Beruf sie nicht so oft von Zuhause fortführen, könnte sie sich fast glücklich nennen. Doch wenn ihr Herr sie ruft, muss sie gehorchen, denn sie ist eine Gebundene.

Ledo, das Oberhaupt des Clans Caracassa, ist Ornas Herr. Und bisher kann er sich nicht über Ornas Dienste beklagen. Trotzdem betrachtet er ihre Mutterschaft mit Skepsis. Denn der Mann ist Politiker, in jeder Beziehung. Er nimmt nicht nur massiv Einfluss auf die Entscheidungen der Regierung, er betreibt auch im Interesse des Konzerns, den er leitet, regelrecht Heiratspolitik, und natürlich stellt sein Clan auch Soldaten für den Krieg. Ledo ist ein kühler Pragmatiker, dem das Konfliktpotenzial von Ornas Leben als Kader auf der einen und Ehefrau und Mutter auf der anderen Seite durchaus nicht entgangen ist. Aber wenn er sich auch sonst von niemandem dreinreden lässt, auf die Bitten seiner Schwestern hört er gelegentlich.

Liss und Casta sind Zwillinge und aufgrund ihrer adligen Herkunft verwöhnt, egozentrisch und ziemlich überdreht. Das gilt vor allem für Liss mit ihrem ausgeprägten Faible für Melodramatik und Kitsch. Die Schwestern hängen wie Kletten aneinander, und aus irgendeinem Grund mögen sie Orna, sodass Orna sie gelegentlich um Fürsprache bei Ledo bittet.

Mir hat die Charakterzeichnung ausgesprochen gut gefallen. Ledo gibt nicht ganz so viel her, da er nicht so oft persönlich auftaucht. Aber Ornas Entwicklung von der kühl berechnenden und planenden Assassine hin zu einer gefühlsbeherrschten, verzweifelten Mutter ist sehr gut gelungen, und auch Liss und Casta sind nicht nur lebendig und glaubwürdig geraten, sondern regelrecht hintergründig.

_Dasselbe lässt sich auch über die Handlung sagen._ Chris Wooding erzählt in zwei Handlungssträngen. Einer spielt in der Vergangenheit und wird in Rückblenden erzählt. Er befasst sich hauptsächlich mit dem Teil von Ornas Leben, der sich außerhalb ihres Berufes abspielt: ihrer Ehe, ihrer Familie, später auch mit ihrer Ausbildung – wobei hier das Augenmerk weniger auf dem schulischen Teil liegt als auf der Tatsache, dass sie dort ihren Mann kennengelernt hat – und mit ihrer Kindheit. Nur zwei dieser vergangenen Szenen befassen sich mit Aufträgen, die sie für ihren Herrn ausgeführt hat.

Der andere Strang wird in der Zeitform der Gegenwart erzählt und trägt die eigentliche Handlung, die zunächst hauptsächlich im Kerker der feindlichen Festung spielt. Der Autor lässt sich hier durchaus Zeit, baut zunächst einmal die Situation und die Figuren im Kerker auf, ehe er die Protagonistin aktiv werden lässt. Die Vorbereitungen zum Ausbruch drehen bereits ein spürbares Stück an der Spannungsschraube, sodass der Leser überrascht feststellt, dass er zum Zeitpunkt von Ornas Flucht bereits das halbe Buch gelesen hat.

Der eigentliche Plot kommt aber erst in die Gänge, als Orna wieder in ihre Stadt Veya zurückgekehrt ist. Hier vermischen sich die Handlungsstränge allmählich, wirkt sich die Vergangenheit spürbar auf die Gegenwart aus. Und erst hier nimmt der Name Belek Aspa, der im Kerker so beiläufig fiel, eine konkrete Bedeutung an. Nun strafft sich der Spannungsbogen kontinuierlich immer weiter bis zum Showdown, der dann eine ziemlich dramatische Wendung nimmt.

_Die Welt_, in der die Geschichte spielt, wirkt ausgesprochen extravagant. Die meisten Menschen bewohnen ein ausgedehntes Höhlensystem voller Tropfsteine, Lava, phosphoreszierender Algen und Scharen von Pilzen, bevölkert mit Fledermäusen, Echsen, Insekten und noch weit seltsameren Kreaturen. Nur wenige Menschen leben als Nomaden an der lebensfeindlichen Oberfläche, wo nur wenige Täler und Spalten genug Schutz vor den beiden gnadenlosen Sonnen bieten, um Leben zu ermöglichen. Sie als Einzige befinden sich so weit am Rand, dass sie nicht von den Lebensumständen im Innern betroffen sind. Denn dort herrscht seit Jahren Krieg zwischen den Gurta und den Eskaranern.

Für die Eskaraner sind die Gurta religiöse Fanatiker, die ihre Frauen unterdrücken und kleine Kinder stehlen, um sie zu versklaven. Die Gurta hingegen verachten die Eskaraner als gierig und käuflich, bar jeder Moral und jedes sittlichen Empfindens. Nirgendwo wird erwähnt, wann und aus welchem Anlass dieser Konflikt begann. Doch da ein Teil der Eskaranischen Clans gut am Krieg verdient, und da die Gurta die Eskaraner als wilde Tiere betrachten, die es auszurotten gilt, scheint vorerst kein Ende in Sicht.

Chris Wooding geht nicht im Detail auf die Aspekte dieser Welt ein. Dennoch gelingt es ihm, nicht nur die ungewöhnliche Umgebung recht stimmungsvoll in Szene zu setzen, sondern auch die beiden unterschiedlichen Kulturen auf interessante Weise einander gegenüberzustellen. Denn stehen zunächst die Grausamkeiten der Gurta im Vordergrund – Zwangsarbeit, Menschenversuche, Diskriminierung der Frauen -, so zeigen sich im weiteren Verlauf auch immer deutlicher die Unmenschlichkeiten im System der Eskaraner – Geld- und Machtgier, mafiöse Strukturen, Verrat -, und das Bezahlen von Schulden oder geleisteten Gefälligkeiten durch Leisten eines Bindungseids entpuppt sich nur zu bald als nichts weiter als eine andere Form der Sklaverei.

Den eigentlichen Kontrast hierzu bildet letztlich die Kultur der Nomaden an der Erdoberfläche, wo ein Überleben nur möglich ist durch Zusammenhalt und gegenseitige Unterstützung.

_Ich muss sagen_, ich fand das Buch schlicht klasse! Hier passt wirklich alles, von der Charakterzeichnung über den Aufbau bis hin zur Ausstattung. Selbst das Cover gibt die Beschreibung der Höhlenwelt treffend wieder, sehr gelungen. Allein das Lektorat war nicht ganz so perfekt und hat zu Beginn ein paar kleine Tippfehler übersehen. Trotzdem: sehr lesenwert!

_Chris Wooding_, Jahrgang 1977, gehört zu denjenigen, die schon als Kinder wussten, dass sie einmal Schriftsteller werden wollen. Mit neunzehn wurde sein erstes Buch „Crashing“ veröffentlicht. Während seines Literaturstudiums schrieb er weiter, und als er von der Uni kam, konnte er bereits von seiner Tätigkeit leben. Unter seinen Büchern finden sich Fantasy und Horror ebenso wie Jugendbücher und politische Themen. Auf Deutsch sind unter anderem die Trilogie |Der verschlungene Pfad| sowie „Poison“ und „Alaizabel Cray“ erhältlich.

|Originaltitel: The Fade
Ins Deutsche übertragen von Dietmar Schmidt
443 Seiten, kartoniert
ISBN-13: 978-3-404-20599-8|

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Mehr von Chris Wooding auf |Buchwurm.info|:

[„Die Weber von Saramyr“ 1546 (Der verschlungene Pfad 1)
[„Das Gambit der Kaiserin“ 1560 (Der verschlungene Pfad 2)
[„Der Schleier der Erleuchtung“ 5265 (Der verschlungene Pfad 3)

Cook, Dawn – letzte Wahrheit, Die (Truth 4)

Truth 1: [„Die erste Wahrheit“ 5584
Truth 2: [„Die geheime Wahrheit“ 5593
Truth 3: [„Die verlorene Wahrheit“ 5595

_Nach all dem_, was Alissa in der Vergangenheit erlebt hat, steht sie nun zwischen zwei Männern. Das ist vor allem deshalb unangenehm für sie, weil Nutzlos auf einem Arrangement bestanden hat, das Alissa daran hindert, sich um eine Entscheidung zu drücken. Abgesehen davon hat sie in letzter Zeit verstärkt Träume von einer jungen Frau namens Silla. Aber erst, als Nutzlos davon erfährt, stellt sich die wahre Tragweite dieser Träume heraus: Silla ist eine junge Meisterin! Und Keribdis ist ihre Lehrerin!

Nutzlos ist zunächst begeistert. Er hofft, die anderen Meister, die vor zwanzig Jahren die Feste verlassen haben, über Alissa und Silla zur Rückkehr bewegen zu können. Doch Silla gerät angesichts Alissas Eröffnungen in schiere Panik. Es scheint, als bliebe nichts anderes übrig, als die weiter Reise übers Meer anzutreten …

_Das Zusammentreffen mit den Meistern der Feste_ hat noch einmal einige neue Charaktere zur Folge: Silla ist jung und freundlich, aber schrecklich unsicher. Wie Alissa hat sie massive Schwierigkeiten zu fliegen, doch während Alissa das Fliegen Bestie überlässt, ist Silla dazu nicht in der Lage. Außerdem wird sie von ihrer Lehrmeisterin Keribdis dermaßen straff an der Kandare gehalten, dass ihr keinerlei Möglichkeit bleibt, sich selbst zu entwickeln.

Keribdis ist eine beeindruckende Persönlichkeit, gleichzeitig ist sie aber leider auch eine herrschsüchtige, arrogante, rücksichtslose Hexe. Sie hält die Rasse der Rakus für den Menschen weit überlegen und betrachtet deshalb die Menschen nicht nur mit Geringschätzung, sondern hält sich auch für berechtigt, mit ihnen nach Gutdünken zu verfahren. Ihre Manipulationen erreichen problemlos den Grad der Menschenverachtung. Sogar über die anderen Meistern glaubt sie sich erhaben, allerdings geht sie hier wenigstens ein wenig subtiler vor, um ihre Absichten durchzusetzen. Schließlich ist ihre Meinung die einzig richtige.

Die anderen Meister lassen sich diesbezüglich erstaunlich leicht lenken. Selbst die wenigen, die nicht mit Keribdis übereinstimmen, können sich offenbar nicht dazu aufraffen, ihr Kontra zu bieten. Alle miteinander sind sie ein erbärmlicher Haufen träger, verweichlichter Masse.

Die wichtigste neue Figur ist dabei auch die gelungenste. Die Schilderung von Keribdis, die ganz selbstverständlich sämtliche Regeln beugt oder bricht, wenn sie sich davon einen Vorteil verspricht, und Alissa mit geradezu fanatischem Haß verfolgt, nur weil sie sich von Keribdis nicht kontrollieren lassen will, ist der Autorin hervorragend gelungen.

_Auch der Handlung_ hat diese Figur gut getan. Zwar hat der Konflikt zwischen Keribdis und Alissa nicht so viel nervöse Spannung erzeugt wie das Versteckspiel mit Bailic, dafür ist Keribdis zu direkt. Dennoch kann sie mit ihrer ihrer Bereitschaft, alle Regeln zu brechen und sämtliche Grenzen zu überschreiten, problemlos mit Bailics grausamer Bosheit mithalten. Der Handlungsverlauf gewann dadurch im Vergleich zum dritten Band wieder stark an Dynamik.

Den Ortswechsel empfand ich ebenfalls als angenehm. Nahezu drei komplette Bände spielten sich fast ausschließlich in der Feste ab, auch wenn der dritte Band durch den Zeitsprung eine ungewöhnliche Variante darstellte. Da boten die Küste, das Schiff und die Inseln eine willkommene Abwechslung, obwohl die Autorin diesbezüglich bei weitem nicht so ins Detail gegangen ist wie im Hinblick auf Hoch- und Tiefland.

Dafür hat sie im Laufe der Geschichte allmählich sämtliche losen Fäden und Andeutungen ordentlich zusammengeführt, sodass das Gesamtbild am Ende wirklich eine runde Sache ergab, die durch den sorgfältigen Aufbau zu keiner Zeit gezwungen oder übertrieben zufällig wirkte. Die Dreiecksgeschichte hat sie geschickt entwirrt, ohne logische Brüche und frei von jeglichem Kitsch. Und auch die Balance zwischen den einzelnen Bestandteilen stimmte, keiner erschien vernachlässigt oder übergewichtet.

Nur zwei Kleinigkeiten sind mir aufgefallen:
So fragte ich mich zum Beispiel, warum Connen-Neute am Ende seiner Verwilderung kein Deut älter ist als zu Beginn derselben. Sein Bewusstsein mag durch den Zeitsprung jung geblieben sein, seine Rakuhälfte aber hat die vollen dreihundert Jahre mitgemacht. Ich hätte deshalb durchaus erwartet, dass er zumindest äußerlich gealtert ist.

Und dann die Sache mit dem Nachwuchs: Bei einer genetischen Wahrscheinlichkeit von eins zu eins, ob ein Kind Meister oder Septhama wird, wunderte ich mich schon, warum sich die schwangere Meisterin während der Schwangerschaft für die menschliche Gestalt entscheiden sollte. In der Gestalt eines Raku würde sie schließlich mit Sicherheit ebenfalls einen jungen Raku, also einen Meister, zur Welt bringen. Oder können Rakus Menschen gebären?

_Bei der Gesamtbetrachtung_ fallen diese beiden Punkte im Vergleich zum Rest jedoch nicht weiter ins Gewicht. Alles in allem also ein Zyklus, den man getrost als gelungen betrachten darf.

Ein Lob auch dem Lektorat, das auf knapp zweitausend Seiten nahezu völlig fehlerfrei war. Die Karte im Umschlag war |nice to have|, aber nicht unbedingt notwendig.

_Dawn Cook_ lebt in den USA und hat nach ihrem Studium in unterschiedlichen Berufen gearbeitet. Seit dem Debüt ihrer |Truth Series| lebt sie als Schriftstellerin. Die Bände ihres ersten Zyklus sind bereits alle auf Deutsch erhältlich. Die Autorin schreibt derweil an ihrem zweiten Zyklus |Princess Series|, von dem bisher zwei Bände auf Englisch erschienen sind.

|Originaltitel: Lost Truth
Deutsch von Katharina Volk
474 Seiten Klappenbroschur
ISBN-13: 978-3-442-26579-4|
http://www.blanvalet-verlag.de
http://www.dawncook.com

Cook, Dawn – verlorene Wahrheit, Die (Truth 3)

Truth 1: [„Die erste Wahrheit“ 5584
Truth 2: [„Die geheime Wahrheit“ 5593

Endlich sind Alissa, Strell und Nutzlos den wahnsinnigen Bailic losgeworden. Aber damit hören die Probleme nicht auf. Denn tatsächlich schafft es Alissa, zwei eigentlich voneinander unabhängige Banne so miteinander zu verbinden, dass sie sich damit in die ferne Vergangenheit katapultiert.

Plötzlich ist die Feste voller Menschen, genau wie die Stadt Ese‘ Nawoer. Und unter all diesen Menschen ist auch der junge Lodesh, der sich Hals über Kopf in Alissa verliebt. Alissa aber hängt immer noch an Strell. Ohne ihn fehlt ihr der wichtigste Ankerpunkt im Leben, und das hat katastrophale Auswirkungen …

_Dass Alissa in eine Zeit gesprungen ist_, in der sehr viele Menschen auf und bei der Feste lebten, hat natürlich für eine Menge neuer Charaktere gesorgt: Allen voran wäre da Meister Redal-Stan zu nennen, ein brummiger, aber im Grunde freundlicher alter Mann. Eigentlich gibt es nicht viel, was ihn von Nutzlos unterscheidet, höchstens, dass er wie Alissa nicht als Raku geboren wurde. Connen-Neute, der junge Meister, den Redal-Stan unterrichtet, ist da schon eigenständiger geraten. Connen-Neute wurde als Raku geboren und ist sehr behütet aufgewachsen. Alissa macht ihm erst einmal gehörig Angst, vor allem, als er die Bestie in ihr entdeckt. Schließlich jedoch freundet sich der schüchterne Bursche mit Alissa an, was seiner Sprachfähigkeit ausgesprochen gut tut. In einem vollen Haus gibt es natürlich noch viel mehr Leute, doch die meisten anderen Neuzugänge bleiben Randfiguren.

Insgesamt war die Charakterzeichnung in diesem Band nicht ganz so ausgewogen wie in den beiden Vorgängern. Das liegt vor allem daran, dass manche Nebenfigur – wie zum Beispiel die junge Sati – mehr eigenes Profil besitzt als Redal-Stan, der wie eine zweite Ausgabe von Nutzlos wirkt, obwohl er eine der wichtigsten Figuren in diesem Band ist. Dafür ist die Darstellung Connen-Neute sehr lebendig und plastisch ausgefallen, was auch für Lodesh gilt.

Nicht nur die Zahl der Personen, auch die Thematik innerhalb der Handlung hat sich durch Alissas Zeitreise stark ausgeweitet. Einen großen Teil der Handlung nimmt natürlich Lodeshs Werben um Alissa ein. Diesmal ist der Spieß umgekehrt: Lodesh erinnert sich nicht an Alissa, aber sie erinnert sich an ihn. Vor allem aber kennt Alissa Lodeshs Zukunft! Und wie so oft, wenn mit verschiedenen Zeitebenen gespielt wird, stellt sich auch hier die Frage, ob und wie weit der Protagonist die Zukunft verändern kann oder darf.

Abgesehen davon spielen die unterschiedlichen Zeitebenen auch deshalb eine Rolle, weil die Autorin die ursprüngliche Zeitschiene mit Nutzlos, Strell und Lodesh in die Handlung um Alissa hat einfließen lassen. Denn natürlich ist Strell keineswegs bereit, Alissa so ohne Weiteres aufzugeben. Tatsächlich ist sein Band zu ihr so stark, dass er sie durch die Zeit hinweg spüren kann – eine Tatsache, die Nutzlos zunächst mit Skepsis betrachtet, denn schließlich ist Strell nur ein Gemeiner. Oder?

Auch die Ereignisse im Zusammenhang mit dem Untergang Ese‘ Nawoers spielen eine Rolle. Die Geschichte, die Strell bereits im ersten Band Bailic als Abendunterhaltung erzählt, taucht immer wieder auf, diesmal als Zukunftsvision der Shaduf Sati. Der Leser erlebt quasi mit, wie die Weichen dafür gestellt wurden, dass die Vergangenheit tatsächlich so stattfinden konnte, wie Alissa sie kannte.

Was diesmal fehlte, war der Antagonist. In diesem Band gibt es keinen Bösewicht, gegen den zu Felde gezogen werden muss. Folglich ist der Spannungsbogen hier weit weniger straff gespannt als in den beiden Vorgängerbänden. Zwar bedeutet Alissas Aufenthalt in der Vergangenheit eine Gefahr für sie, dieser Strang spielt jedoch nur eine untergeordnete Rolle, die nicht ausreicht, um die gleiche Spannung zu erzeugen wie Bailics bösartige Unberechenbarkeit. Hauptsächlich lebt die Geschichte von den Verwicklungen, die zu Ese‘ Nawoers Untergang geführt haben, und von Lodeshs Bemühen um Alissa. Insofern war der dritte Teil durchaus interessant und kurzweilig, aber nicht mehr so fesselnd wie die Teile eins und zwei.

Da Alissa sich bisher noch immer nicht endgültig zwischen Strell und Lodesh entscheiden konnte, dürfte der letzte Band des Zyklus sich nochmal zu großen Teilen um diese Dreiecksgeschichte drehen. Abgesehen davon gibt es natürlich auch noch das Rätsel um Strells Familie, denn trotz einer Lehrstunde in Genetik, die Alissa von Redal-Stan erhält, ist immer noch nicht klar, was für ein Problem genau die Meister mit der Familie Hirdun hatten. Außerdem hat Nutzlos aktive Stränge in Strells Pfaden gefunden, als Strell versuchte, mit Alissa Kontakt aufzunehmen. Es gilt also auch noch herauszufinden, welche Fähigkeiten Strell tatsächlich besitzt. Und zu guter Letzt muss Alissa auch noch ihre Mutter wiederfinden. Es bleibt also noch genug Stoff, den die Autorin in ihren vierten Teil einbringen konnte. Mal sehen, wie’s ausgeht …

_Dawn Cook_ lebt in den USA und hat nach ihrem Studium in unterschiedlichen Berufen gearbeitet. Seit dem Debüt ihrer |Truth Series| lebt sie als Schriftstellerin. Die Bände ihres ersten Zyklus sind bereits alle auf Deutsch erhältlich. Die Autorin schreibt derweil an ihrem zweiten Zyklus |Princess Series|, von dem bisher zwei Bände auf Englisch erschienen sind.

|Originaltitel: Forgotten Truth
Originalverlag: Ace, 2003
Aus dem Amerikanischen von Katharina Volk
480 Seiten Klappenbroschur
ISBN-13: 978-3-442-26578-7|
http://www.blanvalet-verlag.de
http://www.dawncook.com

Cook, Dawn – geheime Wahrheit, Die (Truth 2)

Truth 1: [„Die erste Wahrheit“ 5584

_Erwartungsgemäß_ ist es Alissa und Strell nicht gelungen, sich mit dem geheimnisvollen Buch heimlich davonzumachen. Zwar hat Strell es geschafft, Nutzlos zu finden und zu befreien, doch da war es bereits zu spät. Gezwungenermaßen schließt Nutzlos einen Handel mit Bailic, um Zeit zu gewinnen. Und Bailic, der noch immer nicht ganz durchschaut hat, wer nun eigentlich der latente Bewahrer ist, geht auf den Handel ein.

So kommt es, dass Strell von Bailic eine Ausbildung in Magie erhält, obwohl er gar keine magischen Fähigkeiten besitzt, während Alissa heimlich Unterricht bei Nutzlos nimmt. Dumm nur, dass Strell logischerweise keinerlei Fortschritte vorweisen kann. Und Bailic verliert nur allzu schnell die Geduld …

_Im Hinblick auf die Charaktere_ hat sich nicht viel getan. Alissa und Strell werden sich lediglich der Tatsache bewusst, dass aus ihrer Freundschaft längst wesentlich mehr geworden ist, und Nutzlos zeigt immer öfter Anzeichen tiefer Sorge.

Wirklich neu ist allein Lodesh Stryska, der einstige Stadtvogt von Ese‘ Nawoer, ein gutaussehender Charmeur, dem der Schalk aus den Augen funkelt, der aber trotz seines lockeren Gebahrens von tiefem Ernst und hohem Verantwortungsbewusstsein durchdrungen ist. Eigentlich ist er seit Jahrhunderten tot – doch Alissa hat ihn und die einstigen Bewohner seiner Stadt durch ihre Vorstellungskraft erweckt. Oder war es ihre Erinnerung? Denn Lodesh erinnert sich an Alissa …

Der neue Charakter kann, was Lebendigkeit und Glaubwürdigkeit angeht, problemlos mit den anderen mithalten. Schon allein deshalb ist er ein Gewinn für die Geschichte. Die Andeutungen in Bezug auf seine Erinnerungen verleihen ihm außerdem einen geheimnisvollen Zug, was sich bis in die Handlung hinein auswirkt.

Noch ist die Handlung aber vorwiegend mit Alissas und Strells Zwickmühle beschäftigt. Und nicht nur die Tatsache, dass Strell keine Magie wirken kann, wird zunehmend zum Problem, auch Strells vorlautes Mundwerk bringt ihn schließlich in massive Schwierigkeiten. Und Bailic begnügt sich nicht damit, Strell nur Schmerz zuzufügen. Das Lehrgeld, das Strell zahlen muss, geht weit über rein körperliche Dimensionen hinaus.

Allein dadurch hat die Autorin die Spannungsschraube bereits ein Stück angezogen. Auf so drastische Weise an Bailics Unberechenbarkeit erinnert, schaut der Leser sozusagen ständig über die Schulter. Zu Beginn fast jeder Szene, und wenn sie noch so harmlos anfing, erwartete ich irgendeine unangenehme Wendung, das Aufflackern eines Verdachts oder gar die Aufdeckung der Wahrheit. Zumal Alissa unter Nutzlos‘ Anleitung eine ganze Menge lernt und diese Lektionen auch übt. Das schrie direkt nach Entdecktwerden!

Neben dem Versteckspiel, das Alissa und Strell mit Bailic spielen, widmet sich die Handlung dem Innenleben der beiden Hauptcharaktere, und das auf angenehm natürliche und kitschfreie Weise. Noch immer gibt es gelegentlich Missverständnisse zwischen ihnen, doch sie werden zunehmend weniger, je besser die beiden sich kennen lernen. Kompliziert wird die Angelegenheit gleich durch mehrere Tatsachen: Alissa ist sozusagen hochbegabt, während Strell keinerlei Magie besitzt. Strell hat das Gefühl, nicht gut genug für seine Alissa zu sein – was natürlich Unsinn ist. Abgesehen davon aber ist Alissa untrennbar mit der Feste verbunden, wohingegen Strell als sogenannter Gemeiner sich überhaupt nur deshalb in der Feste aufhalten durfte, weil unter Bailics Herrschaft sozusagen der Ausnahmezustand herrschte. Es sieht aus, als wäre es unmöglich für die beiden zusammenzukommen. Und dann ist da eben auch noch Lodesh …

Lodesh ist ebenfalls in Alissa verliebt. Und Alissa ist durchaus nicht unempfänglich für Lodeshs Charme. Das Einzige, was Lodesh noch zurückhält, ist die Tatsache, dass Alissa sich an ihn nicht erinnern kann. Obwohl er zu erwarten scheint, dass das möglich ist …

_Insgesamt betrachtet_, klingt das jetzt fast ein wenig mager. Ist es aber nicht. Auch diesmal hat die Autorin wieder geschickt die Balance gehalten zwischen den ruhigeren Passagen, die Strell und Alissa gewidmet sind, und den Szenen, in denen die beiden mit der Bedrohung durch Bailic konfrontiert sind, was unterschwellig eigentlich ununterbrochen der Fall ist. Alissas Unterweisung hat einige neue Aspekte eingebracht, zum Beispiel in Bezug auf die Rakus. Und die Andeutung, dass Alissas Vergangenheit irgendwie mit Lodeshs verknüpft sein könnte, schürt gehörig die Neugierde des Lesers, ebenso wie eine beiläufige Bemerkung über Strells Abstammungslinie, die eine Menge neuer Fragen aufwirft. Das Lesen des zweiten Bandes hat ebenso viel Spaß gemacht wie das Lesen des ersten. Und ich bin jetzt schon gespannt auf den dritten.

_Dawn Cook_ lebt in den USA und hat nach ihrem Studium in unterschiedlichen Berufen gearbeitet. Seit dem Debüt ihrer |Truth Series| lebt sie als Schriftstellerin. Die Bände ihres ersten Zyklus sind bereits alle auf Deutsch erhältlich. Die Autorin schreibt derweil an ihrem zweiten Zyklus |Princess Series|, von dem bisher zwei Bände auf Englisch erschienen sind.

|Originaltitel: Truth 02. Hidden Truth
Originalverlag: Ace, 2002
Aus dem Amerikanischen von Katharina Volk
Klappenbroschur, 480 Seiten|
http://www.blanvalet-verlag.de
http://www.dawncook.com

Dart-Thornton, Cecilia – Kampf des Rabenprinzen, Der (Die Feenland-Chroniken 3)

Band 1: [„Im Bann der Sturmreiter“ 1521
Band 2: [„Das Geheimnis der schönen Fremden“ 1836

_Imrhien, das Findelkind_, hat seine Erinnerungen wiedergefunden. Und aufgrund dieser Erinnerungen fasst es einen Beschluss, der weitreichende Folgen hat: Es will durch das letzte offene Tor ins Feenreich zurückkehren und von dort aus auch alle anderen Tore wieder öffnen.

Die dort lebenden Faenan sollen ihren schlafenden König und mit ihm alle anderen Exilanten zurück ins Feenreich holen. Selbst die endgültige Schließung aller Tore zwischen den Welten nimmt das Mädchen in Kauf, trotz der krankhaften Sehnsucht nach dem Feenreich, an der es leidet. Denn es will, dass die Faeran vollständig und für immer aus Erith verschwinden. Also macht es sich auf den mühevollen und gefährlichen Weg Richtung Norden. Doch es wird längst verfolgt …

_Mit „Der Kampf des Rabenprinzen“_ hat Cecilia Dart-Thornton den Abschluss ihrer |Feenland-Chroniken| vorgelegt. Und der Leser tut sich nicht gerade leicht damit. Das liegt vor allem natürlich daran, dass die Vorgängerbände bereits 2005 auf Deutsch erschienen. Wer nicht in weiser Voraussicht diese beiden Bände in seinem Regal stehen gelassen hat, um sie vor der Lektüre des dritten Teils nochmals durchzulesen, hat massive Schwierigkeiten, den Anschluss wiederzufinden. Zwar enthält das Buch eine Zusammenfassung der Vorgeschichte, alle Einzelheiten kann diese Zusammenfassung jedoch nicht abdecken. So bekommt der Leser zwar nochmals einen groben Überblick über den Verlauf der langen Reise, welche die Heldin bis zum Beginn des dritten Bandes zurückgelegt hat, es bleiben aber trotzdem Lücken zurück, die teilweise wirklich störend wirkten. So fehlte mir zum Beispiel jegliche Information darüber, warum die Autorin ihre Protagonistin nach der Rückkehr durch das „Tor des Vergessenskusses“ ausgerechnet zum Jägerkessel schickt, gerade dahin, wo ihre größten Gegner hausen.

Zum anderen liegt es daran, dass der eigentliche rote Faden so extrem verwickelt ist. Aus der Geschichte eines armen Findelkindes auf der Suche nach seiner Identität wird zunächst eine junge Adlige, dann die Braut des Hochkönigs und am Ende die Angehörige eines lange vergessenen Volkes, die außerdem noch in Verwicklungen mit den Faeran verstrickt und über tausend Jahre alt ist. Jede dieser Facetten hat auch noch einen eigenen Namen bekommen – Imrhien, Rohain, Ashalind, Tahquil -, so dass man sich manchmal fragt, wer diese Person, mit der man es zu tun hat, eigentlich wirklich ist. Und die Heldin ist nicht die einzige Figur, bei der sich Identitäten überschneiden. Dazu kommen die häufigen Ortswechsel in Erith, eine zusätzliche Welt und mehrere Zeitebenen.

Nun wäre das alles ja noch durchaus zu meistern, wäre der rote Faden nicht so oft durch die Märchen und Sagen aus der Anderwelt überlagert, welche die Autorin mit so großem Eifer in ihre Geschichte eingebaut hat. Einige davon werden nur als Ausschmückung erzählt, was mich besonders im zweiten Band störte, da sie für mein Empfinden den Fortlauf der Handlung zu sehr ausbremsen. Andere dagegen sind als Teil der Handlung direkt in den Kontext eingebaut, meist als Vergangenheit, was nicht nur ein zusätzliches Zeitfenster öffnet, sondern auch noch dazu führt, dass die Heldin nicht die einzige Sterbliche ist, die bereits über tausend Jahre alt ist!

Wer den roten Faden trotz all dem jetzt noch immer nicht verloren hat, der muss noch eine letzte Hürde meistern: den Erzählstil der Autorin. Zugegeben, ihre Beschreibungen von Stimmungen und Orten sind meist ausgesprochen poetisch und atmosphärisch, allerdings auch ziemlich umfangreich. Stellenweise übersteigt die Ausführlichkeit der Beschreibung bei weitem die der Handlungsführung. Cecilia Dart-Thornton wird regelrecht weitschweifig, und selbst bei ihrem unbestrittenen Einfallsreichtum fängt sie irgendwann an, sich zu wiederholen. Manchmal hat man den Eindruck, die kurz eingestreuten Passagen über zurückgelegte Reiseetappen dienten nur dazu, die Zeit fortzubewegen, damit sich für die Autorin die Gelegenheit ergibt, erneut über einen Sonnenuntergang, den Sternenhimmel oder Ähnliches ins Schwärmen zu geraten. Gegen Ende wirkt die Erwähnung der unzähligen Edelsteine, Farben und Lichterscheinungen einfach nur noch übertrieben und ermüdend.

Überhaupt fand ich den Schluss etwas seltsam. Nach dem Duell der beiden mächtigen Faeran-Brüder könnte die Geschichte eigentlich problemlos enden, zumal es der Autorin gelungen ist, diesen Höhepunkt der Geschichte – wenn auch nur kurz – ein wenig aus dem restlichen Geschehen herauszuheben. Stattdessen kämpft sich der Leser danach noch durch weitere hundert Seiten über die Krönung des neuen Königs und zahllose weitere Kleinigkeiten, die keinerlei Auswirkung auf die eigentliche Handlung haben, ehe es noch einmal zu einer kurzen Verwicklung kommt. Allerdings wirkt das, was die Autorin hier im Nachhinein noch eingeflochten hat, ein wenig bemüht und krampfhaft. Offenbar hat die Legende, die dieser letzten Komplikation zugrunde lag, der Autorin so gut gefallen, dass sie diese unbedingt noch irgendwo unterbringen wollte; und da sie sich sonst nirgendwo einfügen ließ, hat sie sie am Ende angehängt. Der Versuch, durch die Erwähnung einer nebensächlichen Prophezeiung aus einem der Vorgängerbände noch einmal Spannung in diesem Anhängsel aufzubauen, ist nicht geglückt, und auch der damit verbundene Kampf verlief zu vorhersehbar, um wirklich zu fesseln.

Um das Maß voll zu machen, hat sich auch die Charakterzeichnung nicht wirklich vertieft.
Die Protagonistin hat durch ihre Erinnerungen ein wenig an Tiefe hinzugewonnen. Zu ihrem mitfühlenden Wesen gesellt sich noch eine gute Portion Verantwortungsbewusstsein, und ihre Verliebtheit, die im zweiten Band noch so künstlich und unnatürlich wirkte, erhält eine nachvollziehbare Erklärung. Dennoch bleiben ihre Empfindungen und Gedanken irgendwie blass. Die Sehnsucht nach dem Feenreich, die sie zu verzehren droht, die Gefühle für ihren Geliebten, all das wirkt schwächlich, flach und trocken wie Stroh, was angesichts der überschäumenden Darstellungskraft der Autorin im Hinblick auf Landschaften und Stimmungen doch sehr erstaunlich anmutet.

Der Rabenprinz, auf den ich am Ende des zweiten Bandes so große Hoffnungen gesetzt hatte, ist dem leider auch nicht ganz gerecht geworden. Zwar ist es der Autorin gelungen, den vielversprechenden Eindruck aufrechtzuerhalten, vertiefen konnte sie ihn aber nicht. Schließlich taucht er nur etwa einhundertfünfzig Seiten lang als Person auf, was nicht viel ist angesichts der Tatsache, dass – wie im gesamten Zyklus so auch hier – die Ausschmückung von Details so überdurchschnittlich viel Raum einnimmt. Wie die gesamte Handlung, kommt auch der Antagonist viel zu kurz.

_Bleibt zu sagen_, dass die |Feenland-Chroniken| hinter dem vollmundigen Lob des Verlages weit zurückgeblieben sind. Die Geschichte ist mit Nebensächlichkeiten so überfrachtet und von so vielen Sagen und Märchen außerhalb des eigentlichen Zusammenhangs überdeckt, dass man sie kaum wiederfindet. Die eigenen Ideen, die durchaus vorhanden sind, sowie die Charakterzeichnung kommen dabei deutlich zu kurz, echte Spannung sucht der Leser vergeblich. Unter der Diskrepanz zwischen den überschwänglichen Beschreibungen unwichtiger Details und der gleichzeitig so mageren und faden Darstellung der Gefühle der Protagonisten leidet selbst die Romantik. Dabei hätte die Grundidee, die der Erzählung zugrunde lag, durchaus das Zeug zu einem interessanten Buch gehabt. Bei den Prioritäten, welche die Autorin beim Schreiben gesetzt hat, wäre es allerdings besser gewesen, sie hätte einfach eine Sammlung keltischer Sagen herausgegeben.

_Cecilia Dart-Thornton_, selbst ein Findelkind, wuchs in der Nähe von Melbourne auf. Aus ihrer Feder stammt außer den |Feenland-Chroniken| auch der |Crowthistle|-Zyklus, der inzwischen bis Band vier gediehen, auf Deutsch aber noch nicht erhältlich ist. Neben dem Schreiben widmet sich Cecilia Dart-Thornton außerdem der Musik und der Fotografie.

|Originaltitel: The Battle of Evernight
Aus dem australischen Englisch von Birgit Reß-Bohusch
572 Seiten, kartoniert
ISBN-13: 978-3-492-26679-6|
http:/www.piper-verlag.de
http://www.dartthornton.com

Cook, Dawn – erste Wahrheit, Die (Truth 1)

_Alissa ist ein einfaches Bauernmädchen_ aus den Hügeln. Zumindest glaubte sie das, bis zu dem Tag, an dem ihre Mutter sie regelrecht aus dem Haus wirft. Widerwillig macht Alissa sich auf den Weg zu jener sagenhaften Feste, von der ihr Vater so viel erzählt hat, die ihrer Überzeugung nach aber nur eine Legende ist.

Strell dagegen ist auf dem Weg nach Osten, zurück in die Wüsten des Tieflandes, wo seine Familie lebt. Oder besser, wo seine Familie lebte, ehe alle ihre Mitglieder in einer Naturkatastrophe umkamen. Als Strell davon erfährt, macht er auf dem Absatz kehrt und flüchtet zurück in die Richtung, aus der er gekommen ist.

… wo er nach kurzer Zeit auf ein junges Bauernmädchen trifft, das ebenfalls nach Westen wandert. Zankend und grollend und nicht ohne Schwierigkeiten raufen sie sich zu so etwas Ähnlichem wie einem Gespann zusammen. Aber ob diese Verbindung einer ernsthaften Belastung standhält …?

_Der erste Band_ aus Dawn Cooks Truth-Zyklus wird allein von vier Personen getragen. Da wäre zunächst Alissa: jung, stur, jähzornig und absolut sicher, dass es keine Magie auf der Welt gibt. Ihr einziger Freund ist ein kleiner Buntfalke, denn die Menschen in ihrer Umgebung lehnen sie ab, weil sie ein Halbblut ist. Sie hängt sehr an ihrer Mutter, von der sie viele Fertigkeiten gelernt hat, die sonst nur von Tiefländern beherrscht werden.

Strell ist ein solcher Tiefländer, ein wenig mit Vorurteilen behaftet, aber im Grunde gutmütig, anpassungsfähig und humorvoll. Ungewöhnlicherweise hat er nicht das Handwerk seiner Familie erlernt und ist Töpfer geworden, sondern seine Eltern haben ihn auf die Reise geschickt, zusammen mit der kostbaren Flöte seines Großvaters, um Barde zu werden. Tatsächlich ist Strell nicht nur musikalisch begabt, sondern auch ein sehr guter Geschichtenerzähler und Schauspieler.

Bailic, den letzten Bewohner der Feste, kann Strell allerdings nur teilweise täuschen. Bailic ist nicht nur wahnsinnig, er ist außerdem schlau, hinterlistig und skrupellos. Die beiden jungen Leute, die da so unerwartet vor den Toren der Feste erschienen sind, betrachtet er halb als amüsantes Spielzeug, halb als Mittel zum Zweck, denn Bailic sucht ein verborgenes Buch, und einer der beiden Besucher besitzt verborgene Magie. Magie, die Bailic an das ersehnte Ziel führen könnte …

Schade für Bailic, dass er unter der Feste einen Gefangenen sitzen hat, dessen Macht die Bailics bei weitem übersteigt. Trotz des Bannes, der das Gefängnis versiegelt, mischt sich dieser Gefangene nur allzu eifrig in die Ereignisse ein, soweit seine Möglichkeiten dies gestatten. Die sind zwar äußerst begrenzt, aber immer noch besser als nichts …

_Tatsächlich ist es so_, das diese vier Figuren vollkommen ausreichen, um die gesamte Geschichte auszufüllen. Zwar sind der Typus des irren Bösewichts mit der Machtgier und dem verletzten Stolz sowie des mächtigen Magiermeisters und weisen Lehrers nicht gerade neu, der Autorin ist es jedoch gelungen, sie ein Stück aus dem reinen Typus herauszuheben und mit einem eigenen Profil auszustatten. Bailic bleibt durch seine frühere Verbindung mit Alissas Vater ein Funke Menschlichkeit erhalten, während der Magier einen gewissen Sinn für Humor sein Eigen nennt, der ihn zu mehr macht als einem trockenen Gelehrten. Den Rest gleichen Alissa und Strell und ihr Geplänkel problemlos aus.

Ein großer Teil der Handlung lebt von diesem Geplänkel. Denn während ihrer Wanderung bis zur Feste sind Strell und Alissa allein miteinander. Die Autorin nutzt diese Zeit ausgiebig für den Entwurf ihrer Welt. Nicht, dass sie dabei übermäßig ins Detail gegangen wäre. Aber in den Gesprächen und auch Gedanken der beiden entwickelt sich mit der Zeit ein deutliches Bild zweier unterschiedlicher Kulturen, die sich gegenseitig mit Verachtung begegnen, aber dennoch aufeinander angewiesen sind.

Ackerbau und Viehzucht sind in der Wüste nicht möglich, deshalb sind die Tiefländer gezwungen, bei den Hochländern Lebensmittel einzutauschen. Als Tauschware bieten sie ihre Handwerkserzeugnisse an. Ihre Kultur beruht auf Kunstfertigkeit und Verhandlungsgeschick. Wer diese nicht besitzt, genießt nicht nur wenig Ansehen, er leidet schlicht Hunger. Selbst Heiraten dienen dem Erhalt des eigenen Handwerks.

Im Hochland dagegen ist man vollauf damit beschäftigt, Lebensmittel zu erzeugen. In den Bergen gibt es keine Rohstoffe, die man handwerklich verarbeiten könnte, deshalb sind die Hochländer davon abhängig, dass ihre Ernten groß genug ausfallen, um das, was sie zum Leben brauchen, aber nicht selbst herstellen können – wie zum Beispiel Stoffe oder Töpferwaren – bei den Tiefländern einzutauschen.

Die kulturellen Unterschiede führen zu ständigen Reibereien. So gilt es bei den Tiefländern als absolut schamlos, seine nackten Füße zu zeigen, während die Bauern häufig barfuß laufen. Die Hochländer schneiden sich das Haar aus praktischen Erwägungen kurz, im Tiefland dagegen zeigt die Haarlänge den Status eines Menschen an. Nicht einmal Bettler würden ihr Haar so weit abschneiden … Die Missverständnisse, Streitereien und komischen Situationen, die sich daraus ergeben, sind ausgesprochen lebensnah und unterhaltsam.

Ein Teil davon rettet sich bis in den zweiten Abschnitt der Handlung, als Alissa und Strell die Feste erreichen, tritt aber verstärkt in den Hintergrund. Ein großer Teil der Stimmung wird jetzt von Bailic getragen, der sich ein wenig wie die Hexe im Knusperhäuschen verhält. Er versucht, freundlich zu erscheinen, während Alissa und Strell versuchen, ihre Herkunft zu verheimlichen. Beide Seiten wissen, dass die andere lügt. Und so schleichen sie umeinander herum und belauern sich gegenseitig.

Die Autorin hat es hierbei meisterhaft verstanden, das Ganze auszubalancieren. Bailic ist nicht dumm, dementsprechend findet er schnell heraus, weshalb die beiden zur Feste gekommen sind. Wer von beiden nun die eigentliche Gefahr für ihn ist, bereitet ihm allerdings einiges Kopfzerbrechen. Und tatsächlich ist es so, dass Strell und Alissa hauptsächlich durch Glück und Zufälle der frühzeitigen Entdeckung der Wahrheit durch Bailic entgehen. Und natürlich durch ein wenig Nachhilfe von Nutzlos, wie sich der Gefangene Bailics selbst nennt. Der Leser ist sich nur zu bewusst, dass alles nur eine Frage der Zeit ist.

_Ich muss sagen, ich war wirklich verblüfft_, mit welch geringen Mitteln es diesem Buch gelungen ist, mich zu fesseln. Keine komplexe Handlung mit mehreren Ortswechseln, verschiedenen Zeitebenen oder einer Flut von Parteien, die alle gegeneinander intrigieren. Nur diese beiden Stränge aus Licht und Schatten, aus der Annäherung zweier Kulturen mit all ihren Hindernissen und dem Katz-und-Maus-Spiel mit einem bösartigen Gegner.

Erstaunlich ist auch, mit welch geringem Aufwand die Autorin ihre Welt und ihre Figuren zum Leben erweckt hat. Keine geschliffenen Dialoge, kein intensive Stimmungsmalerei, kaum Details. Dawn Cook schreibt in einem sehr natürlichen, ungezwungenen Stil, nichts wirkt bemüht oder gekünstelt. Die Bedrohung durch Bailic wirkt dadurch nur umso echter und intensiver. Hier waren keine verwirrenden Haken oder überraschenden Wendungen nötig, um Spannung aufzubauen.

Ich fragte mich lediglich, wie es kam, dass Bailic sämtliche Bewohner der Feste nach und nach loswerden konnte, ohne auch nur den geringsten Verdacht zu erwecken. Aber diese Kleinigkeit sei im Hinblick auf den Rest gerne verziehen.

_Dawn Cook_ lebt in den USA und hat nach ihrem Studium in unterschiedlichen Berufen gearbeitet. Seit dem Debüt ihrer |Truth Series| arbeitet sie als Schriftstellerin. Die Bände ihres ersten Zyklus sind bereits alle auf Deutsch erhältlich. Die Autorin schreibt derweil an ihrem zweiten Zyklus |Princess Series|, von dem bisher zwei Bände auf Englisch erschienen sind.

|Originaltitel: The First Truth (Truth 1)
Originalverlag: Ace, 2002
Aus dem Amerikanischen von Katharina Volk
Klappenbroschur, 480 Seiten|
http://www.blanvalet-verlag.de
http://www.dawncook.com

Sara Douglass – Tochter des Krieges (Das dunkle Jahrhundert 2)

Thomas Neville ist sehr zu seinem Verdruss in Chauvigny hängengeblieben. Der schwarze Prinz will ihn nicht nach England schicken, ehe er nicht herausgefunden hat, was Thomas vor ihm verbirgt. Aber erst nach einem ausgesprochen unheimlichen Ereignis setzt er den Dominikaner so unter Druck, dass dieser ihm die Wahrheit erzählt. So kommt es, dass Thomas sich zusammen mit dem Duke of Lancaster, der den gefangen genommenen französischen König nach England bringt, auf dem Weg nach La Rochelle wiederfindet. Und noch jemand reist mit dieser Gruppe: Lady Margaret, die geheimnisvolle Frau, die Thomas in einer Vision begegnet ist, und die Thomas für eine Hexe hält. Und für seine persönliche Versuchung …

Die Charakterzeichnung hat sich spürbar vertieft. Das gilt vor allem für einige der Nebencharaktere, allen voran Lady Margaret.

Margaret hat vor Kurzem ihren Mann verloren. Nun sitzt sie ohne Beschützer in einem fremden Land, und natürlich findet sich auch ein Mann, der ihre Situation ausnutzt. Dann wird sie auch noch schwanger, was ihre Lage weiter verkompliziert. Und als wäre all das nicht schon schwierig genug, verliebt sie sich auch noch in Thomas Neville, der sie für eine Hure und außerdem für eine Dämonin hält. Aber hat er mit Letzterem so unrecht?

Thomas entwickelt allmählich fast so etwas wie eine Paranoia, was die Dämonen angeht. Schon die geringste Kritik an der Kirche oder den gesellschaftlichen Zuständen lässt ihn den jeweiligen Sprecher für einen Dämonen halten. Offenbar kann er niemandem mehr trauen, nicht einmal seinen früheren Freunden, was die Situation für ihn besonders schwierig macht. Auf der anderen Seite hat er immer öfter Anflüge von Menschlichkeit, vor allem, wenn es um Margarets Kind geht, was ihn wesentlich erträglicher macht.

Ein besonders undurchsichtiger Charakter ist Thomas‘ Jugendfreund Hal Bolingbroke, der Sohn des Duke of Lancaster. Ganz offensichtlich kennt er Margaret besser, als man annehmen sollte. Etwas verbindet sie mit ihm, denn sie haben offensichtlich gemeinsame Pläne. Gleichzeitig aber unterstützt er Thomas bei seiner Suche nach dem magischen Buch Wynkyn de Wordes. Zumindest sieht es so aus … oder?

Immerhin weiß der Leser zumindest von Richard, dem Sohn des schwarzen Prinzen und Hals Vetter, was er von ihm zu halten hat: Richard ist ehrgeizig, eitel, rücksichtslos und gerissen. Kein Wunder, dass Thomas ihn für den Kern der Dämonenverschwörung hält. Dumm nur, dass Richard nach dem Tod seines Vaters der Thronerbe ist.

Die zusätzlichen Charaktere und die Intensivierung von Thomas und Margaret haben dem Buch ausgesprochen gutgetan. Nicht nur, weil durch Thomas‘ Entwicklung viel von dem weggefallen ist, was mich zuvor so an ihm gestört hat, sondern vor allem, weil Margaret durch ihren inneren Zwiespalt der Geschichte eine gute Portion Menschlichkeit hinzugefügt hat.

Auch Hal war ein großer Gewinn, nicht unbedingt die Persönlichkeit als solche, aber ihre Funktion innerhalb der Handlung. Noch mehr als Margaret sorgt er dafür, dass die Sache undurchsichtig bleibt. Der Leser wird immer wieder aufs Neue aufs Glatteis geführt. Mal entsteht der Eindruck, dass Hal tatsächlich auf Thomas‘ Seite steht und ihm hilft. Dann wieder kommt eine Szene, die diesem Eindruck zu widersprechen scheint und so die Figur zurück in die Grauzone führt.

Manchmal sieht es sogar so aus, als sei Hal damit gar nicht allein. Von dem Zeitpunkt an, als Thomas in Lancasters Gefolge nach England aufbricht, entfernt er sich immer weiter von seinem Leben als Mönch, und seltsamerweise gibt Lancaster mehrmals den Anstoß für den nächsten Schritt in dieser Entwicklung. Zufall?

Tatsache ist, dass Thomas sich lenken lässt, und zwar nicht unbedingt von demjenigen, den er sich dafür ausgesucht hat, dem Erzengel Michael. Vor sich selbst kann er das allerdings nicht zugeben, stattdessen beschönigt er sein Verhalten vor sich selbst. Erstaunlich, dass er dadurch nur sympathischer wird.

Natürlich stellt sich der Leser angesichts der Entwicklung die erwartete Frage: Wer sind hier eigentlich die Guten und wer die Bösen? Diese Frage wird dadurch umso verzwickter, dass der Leser nicht sicher weiß, wer jetzt tatsächlich ein Dämon ist und wer nicht. Und dass er, wenn er den Andeutungen folgt, vor einem Problem steht: nämlich dass Gut und Böse sich nicht mit Mensch und Dämon deckt!

Von dieser Zwickmühle lebt das gesamte Buch. Sara Douglass hat es hervorragend verstanden, alles in der Schwebe zu halten. Selbst wenn sie Teile des Geheimnisses aufzudecken scheint, kommt der Leser dem Kern des Rätsels nicht näher, er pendelt immer nur hin und her, als säße er auf einer Schaukel. Und obwohl sich an äußerer Handlung nicht viel tut, kann man das Buch kaum aus der Hand legen. Die Tatsache, dass die Geschichte vor einem historischen Hintergrund spielt und zu einem inzwischen nicht unerheblichen Teil von historischen Figuren getragen wird, wie dem Duke of Lancaster oder Richard II., verleiht dem Ganzen zusätzliche Würze.

_Um es kurz zu machen:_ Der zweite Band des Zyklus hat sich verglichen mit dem ersten massiv gesteigert. Obwohl man das so eigentlich nicht sagen kann, denn der Anfang des Buches knüpfte so unmittelbar an das Ende seines Vorgängers an, dass ich den Verdacht hegte, hier wäre wieder einmal ein Buch in zwei Teile gehackt worden. Ein Verdacht, der sich leider bestätigt hat. Insofern wäre es zutreffender zu sagen, dass das Buch ein wenig Warmlaufzeit benötigt, da sich die Autorin zunächst hauptsächlich ihrem Hauptprotagonisten und ihrem Hintergrund gewidmet, aber ab der zweiten Hälfte ihr Augenmerk vermehrt auf ihren Plot gerichtet hat und ab da die Sache an Komplexität und Intensität gewinnt. Es lohnt sich also, ein wenig Geduld aufzubringen. Als Belohnung winkt ein fesselndes Rätsel, das zu lösen spannender ist als jeder Thriller. Zumindest für mich.

_Sara Douglass_ arbeitete zuerst als Krankenschwester, bevor sie ein Studium in historischen Wissenschaften begann. Sie promovierte und arbeitete in den folgenden Jahren als Dozentin für mittelalterliche Geschichte. Das Schreiben fing sie nebenbei an, als Ausgleich zum Stress. Nach dem Erfolg ihres |Weltenbaumzyklus| stieg sie aus ihrem Beruf aus und konzentrierte sich aufs Schreiben und ihren Garten. Außer dem |Weltenbaumzyklus| und dem |Sternenzyklus| schrieb sie diverse Romane und Kurzgeschichten. Zurzeit schreibt die Autorin an ihrer neuen Trilogie |Darkglass Mountains|. Die nächste Veröffentlichung auf Deutsch kommt im März dieses Jahres unter dem Titel „Gesandter des Teufels“ in die Buchläden.

|Originaltitel: The Nameless Day. The Crucicle
Aus dem australischen Englisch von Sara Riffel
403 Seiten, gebunden
ISBN-13: 978-3-492-70163-1|

My Сreative


http://www.piper-verlag.de

_Sara Douglass bei |Buchwurm.info|:_

[Hüter der Macht 4812 (Das dunkle Jahrhundert 1)
[Die Sternenbraut 577 (Unter dem Weltenbaum 1)
[Sternenströmers Lied 580 (Unter dem Weltenbaum 2)
[Tanz der Sterne 585 (Unter dem Weltenbaum 3)
[Der Sternenhüter 590 (Unter dem Weltenbaum 4)
[Das Vermächtnis der Sternenbraut 599 (Unter dem Weltenbaum 5)
[Die Göttin des Sternentanzes 604 (Unter dem Weltenbaum 6)
[Der Herr des Traumreichs 1037
[Die Glaszauberin 1811 (Die Macht der Pyramide 1)
[Der Steinwandler 2639 (Die Macht der Pyramide 2)
[Die sterblichen Götter Tencendors 2653 (Im Zeichen der Sterne 1)
[Die Wächter der Zeiten 2947 (Im Zeichen der Sterne 2)
[Die letzte Schlacht um Tencendor 3608 (Im Zeichen der Sterne 3)

Owens, Robin D. – Zauberin von Lladrana, Die (Lladrana 2)

_Eine grausame Kreatur_ der Finsternis hat Jaquars Eltern getötet. Und Jaquar kann nur noch an eines denken: Rache! Doch er selbst kann die Kreatur nicht erreichen. Nur jemand aus der Paralleldimension der Erde ist in der Lage dazu, den Schutzschild um den finsteren Schlupfwinkel zu durchdringen. Die Marschälle von Lladrana haben bereits zugestimmt, eine Beschwörung durchzuführen. Und wen immer sie beschwören, Jaquar wird diese Person für sich beanspruchen, und sie wird seiner Rache dienen!

Marian Harasta hat schon seit längerer Zeit grauenhafte Alpträume. Und da es ihr bisher nicht gelungen ist, die Ursache dafür zu finden, beschließt sie, dem Rat ihrer Freundin zu folgen und eine Beschwörung durchzuführen: mit unerwartetem, aber durchschlagendem Ergebnis!

_Da die Geschichte_ auf der Parallelwelt Amee im Land Lladrana spielt, stammen die meisten tragenden Charaktere logischerweise von dort. Die eigentliche Heldin jedoch stammt von der Erde:
Marian ist Studentin. Und ihr Arbeitseifer geht weit über das übliche Maß an Fleiß hinaus. Marian giert regelrecht nach Wissen, auch nach solchem, das nicht unbedingt wissenschaftlich belegbar ist, wie zum Beispiel New Age. Obwohl der Übertritt nach Lladrana zunächst mal ein Schock ist, stürzt sich Marian auch hier schon bald aufs Lernen und fühlt sich schnell heimisch. Aber nicht nur das fremdartige Wissen und die Magie des Landes faszinieren sie, auch der Zauberer Jaquar übt eine unwiderstehliche Anziehungskraft auf sie aus. Wenn da nicht gleich bei ihrer Ankunft diese warnende Vision gewesen wäre, dass Jaquar Ärger bedeutet! Und wenn da nicht ihr MS-kranker Bruder Andrew wäre, den sie auf keinen Fall im Stich lassen kann! Je länger Marian in Lladrana weilt, desto zerrissener fühlt sie sich …

Ihrem Lehrmeister, dem Zauberer Bossgond, ist noch vor Marian klar, dass sie nicht in der Lage sein wird, sich zu entscheiden. Der alte Mann ist zwar ein besonders mürrisches Exemplar von einem Eigenbrötler, entwickelt aber dennoch rasch väterliche Zuneigung zu seinem jungen Lehrling und ist schnell bereit, ihr bei der Suche nach einem Heilmittel für Andrew zu helfen.

Jaquar entwickelt ebenfalls Zuneigung zu Marian, allerdings weniger die väterliche Sorte. Die rücksichtslose Anwandlung, Marian seiner eigenen Rache zu opfern, verliert sich recht schnell, denn im Grunde ist Jaquar gar kein so übler Kerl und war nur deshalb zu einem solchen Plan bereit, weil er den Verlust seiner Eltern noch nicht verwunden hat.

Und dann wäre da noch Marians Hamster Tuck, der in Lladrana – nicht ohne ein wenig magisches Zutun – ein eigenes Bewusstsein entwickelt und so vom Haustier zum Freund und Gefährten wird, ohne dabei jedoch seine Hamstereigenschaften zu verlieren.

Schade, dass es zu dem zweiten wichtigen Protagonisten, Jaquar, nicht viel mehr zu sagen gibt als zu Marians Hamster, der eigentlich nur ein nettes Detail am Rande darstellt. Nachdem Jaquar sich von seiner rachsüchtigen Anwandlung erholt hat, bleibt von ihm nicht viel mehr übrig als die Begriffe mächtig, sexy und verliebt. Für eine eigene Persönlichkeit fehlt es ganz entscheidend an Tiefe. Ähnliches gilt für Bossgond, der ein wenig zu sehr dem Klischee des brummigen, alten Lehrmeisters entspricht. Marian ist zwar etwas detaillierter gezeichnet, aber auch diese Figur kommt nicht über reine Nachvollziehbarkeit hinaus, erreicht lediglich den Verstand des Lesers, nicht seine Emotionen.

Das ist vor allem deshalb ein Manko, weil die Handlung selbst die Entwicklung der Beziehung zwischen Jaquar und Marian so sehr in den Vordergrund stellt. Immer wieder denkt Marian über Jaquar nach, selbst als sie noch Bossgonds Lehrling ist. Und Jaquar denkt sowieso an nichts anderes als an Marian. Das macht die ganze Angelegenheit ziemlich vorhersehbar.

Außer der sich anbahnenden Liebesgeschichte tut sich zunächst mal nicht viel anderes, denn Marian muss den Umgang mit der Magie ja erst lernen. Vielleicht war das der Grund dafür, dass die Autorin ihre Protagonistin innerhalb von drei Wochen vom völligen Anfänger zur fertigen Zauberin höchster Stufe hat aufsteigen lassen: damit es nicht so lange dauert, bis es endlich zur Sache geht. Ihr Versuch, diese ungewöhnlich kurze Lehrzeit damit zu begründen, dass die Marschälle ja genau so jemanden beschworen hätten, greift nicht ganz, denn nur weil etwas Bestimmtes beschworen werden soll, heißt das ja noch lange nicht, dass es das auch gibt. Im Zweifelsfall bleibt das Pentagramm eben leer.

Auch die Bemühung, der Handlung etwas mehr Spannung zu verleihen, indem die Autorin andere Zauberer Jaquars ursprünglichen Plan weiterführen lässt, greift nicht wirklich. Nicht einmal, als Marian dem Bösen gegenübersteht, kommt so etwas wie Spannung auf; zu kurz ist die Begegnung, zu glatt und ohne Haken spult sich die Handlung ab. Erst gegen Ende des Buches, als Marian um das Leben ihres Bruders kämpft, bekam ich feuchte Hände, wohingegen das finale Duell wieder eher schlaff daherkommt. Vielleicht lag das auch an der Beschreibung des Gegners, die zwar einige unappetitliche äußere Details, aber keinerlei Persönlichkeit lieferte.

_Bleibt zu sagen_, dass Robin Owens zwar einige nette Ideen vorzuweisen hat, und manche sind auch durchaus gut beschrieben, zum Beispiel der Ritt auf dem Blitz. Insgesamt gesehen fehlt es dem Buch jedoch an Flair. Marians rasche, problemlose Ausbildung vermittelt den Eindruck eines Zeitraffers – flutsch und fertig. Die Mängel in der Charakterzeichnung lassen nicht nur die Liebesgeschichte fade und flach wirken, das Fehlen eines ernstzunehmenden Gegners hat auch Spannung gekostet.

Nun ist „Die Zauberin von Lladrana“ nicht der erste Band, wie ich leider erst nach der Lektüre feststellte. Der erste Band des Zyklus heißt [„Die Hüterin von Lladrana“ 5518 und erzählt von der Marschallin Aleyka, die ebenfalls von der Erde nach Amee beschworen wurde. Irgendwie klingt das ziemlich ähnlich … genau wie der Ausblick auf die weiteren Bände, die bisher nur auf Englisch erschienen sind. Wenn ich die Lektüre des ersten Bandes nachgeholt habe, werde ich es wissen.

Sollte sich dabei meine Befürchtung bestätigen: dass es vielleicht besser gewesen wäre, wenn Robin Owens, anstatt für jeden Band ihres Zyklus eine neue Protagonistin zu entwerfen, sich auf eine einzige konzentriert und dafür etwas mehr Sorgfalt auf die Ausarbeitung verwandt hätte – dann werde ich den Lladrana-Zyklus wohl unvollendet zu den Akten legen.

_Robin D.Owens_ schreibt schon lange, der Durchbruch gelang ihr 2001 mit dem Buch „HeartMate“, eine Fantasy-Romanze, der inzwischen sechs weitere folgten. Aus ihrer Feder stammt auch die Anthologie „What Dreams May Come“ sowie der Lladrana-Zyklus, dessen fünfter Band diesen Monat auf Englisch erschienen ist. Außer ihrer Tätigkeit als Schriftstellerin spielt Robin D. Owens auch Theater. Sie lebt mit ihren Katzen in Colorado.

|Originaltitel: Sorceress of Faith
Aus dem Amerikanischen von Justine Kapeller
540 Seiten, kartoninert
ISBN-13: 978-3-89941-477-6|
http://www.mirafantasyblog.de
MIRA Taschenbuch
http://www.robindowens.com

Owens, Robin – Hüterin von Lladrana, Die (Lladrana 1)

_Alexa Fitzwalter_ hatte keine einfache Kindheit. Umso mehr trifft sie der Verlust ihrer einzigen Freundin Sophie. Kein Wunder, dass sie diesem seltsamen Gefühl nachgibt und unter dem silbernen Bogen hindurchgeht.

Die fremde Welt, die sie damit betritt, und die Menschen dort faszinieren sie. Aber sie muß nur zu bald feststellen, daß ihre Hoffnung, dort neue Freunde zu finden, sich nicht so einfach erfüllen wird …

_Die tragenden Charaktere_ sind zu dritt:

Hauptprotagonistin ist natürlich Alexa. Die junge Frau war schon in ihrer eigenen Welt eine echte Kämpferin, wenn auch eher mit Worten als mit Schwertern. Nicht nur, dass sie sich gegen viele Widerstände bis zu ihrem Diplom durchbeißen musste. Jetzt ist sie Anwältin, also drauf und dran, sich für die Rechte anderer zu „schlagen“. Alexa will gebraucht werden. Und das nicht nur beruflich, sondern auch privat.

Reynardus, der oberste Anführer der Marschälle, die Alexa beschworen haben, hält überhaupt nichts von ihr. Ganz gleich, was sie tut und sagt, er hat nichts als Hohn und Spott für sie übrig, selbst als sie längst bewiesen hat, daß sie für die Aufgabe eines Marschalls wie gemacht ist. Denn zum einen ist Reynardus zu stolz, um Fehler zuzugeben, und zum anderen ist er zu herrschsüchtig, um jemanden akzeptieren zu können, der sich derart seiner Kontrolle entzieht, wie es die Fremde von der Erde tut.

Für Bastien, Reynardus‘ Sohn, dagegen wäre Alexa die perfekte Frau – wenn sie keine Marschallin wäre! Denn von den Marschällen hält Bastien schlicht überhaupt nichts. Der Draufgänger mit der wilden, unbeherrschten Magie rebelliert nicht nur gegen seinen Vater, sondern schlicht gegen alles, und entwickelt dabei einen ausgeprägten Sturkopf.

Außerdem wäre da noch Sinafin erwähnenswert, eine Feycoocu, was auch immer das sein mag. Sie ist in der Lage, jede beliebige Gestalt anzunehmen, und verfügt über mächtige Magie. Die Lladranier begegnen ihr mit Ehrfurcht. Offenbar ist Sinafins einziges Ziel, ihre Welt Amee zu retten. Und obwohl sie sich Alexa angeschlossen hat, um sie zu unterstützen, schreckt sie auch nicht davor zurück, sie gelegentlich ein wenig zu manipulieren …

Im Zyklusauftakt gibt die Charakterzeichnung wesentlich mehr her als im Folgeband [„Die Zauberin von Lladrana“. 5494 Reynardus ist ein wahrer Giftpilz, den der Leser so richtig schön hassen kann, auch wenn Reynardus eigentlich zu intelligent ist, um so unvernünftig zu handeln. Und Bastien wird durch seine entstehende Beziehung zu Alexa nicht auf seine Funktion als Liebhaber reduziert, sondern bleibt stets er selbst. Wirkliche Tiefe, wie man sie bei den Figuren von Anne Bishop oder Jenny-May Nuyen findet, sucht man allerdings noch vergeblich.

_Die Handlung_ lebt vor allem von Alexas Auseinandersetzung mit den Marschällen. Obwohl sie durchaus dazu bereit ist, sich für Lladranas Rettung einzusetzen, gestaltet sich die Zusammenarbeit mit den Marschällen schwierig. Denn niemand scheint es für nötig zu halten, ihr irgendetwas zu erklären, weder Bräuche noch Regeln, geschweige denn Gründe dafür, warum Alexa dies oder jenes tun soll. Alexa fühlt sich manipuliert, zu Recht. Denn selbst Sinafin, die durchaus damit beschäftigt ist, Alexa in eine Richtung zu lenken, die ihren Absichten dient, tut nichts gegen Alexas persönlichen Willen. Sinafin will überzeugen. Dafür glauben die Marschälle keine Zeit zu haben.

Obwohl es auch einige Kämpfe gibt, bleiben sie eher im Hintergrund. Der Antagonist ist noch nicht aufgetaucht, das Böse wird vorerst nur von den ekligen Monstern vertreten, die über die beschädigte Grenze drängen. Eine erste Steigerung bildet dabei der Sangvile, der auch im zweiten Band noch auftaucht, dort aber bereits als minder gefährlich eingestuft wird im Vergleich zu dem Meister, mit dem Marian sich auseinandersetzen muß. Hier zeichnet sich ein allmählicher Anstieg der Bedrohung ab, der mit der langsamen Annäherung an den Kern des Bösen, an den eigentlichen Verursacher, parallel laufen dürfte.

Ob es der Autorin letztlich gelingt, den Spannungsbogen tatsächlich von Band zu Band weiter zu straffen, betrachte ich dennoch mit einiger Skepsis, und zwar deshalb, weil der Sangvile zwar in der Hierarchie unter dem Meister stand, die eigentliche Auseinandersetzung mit dem Meister aber ebenso glimpflich verlaufen ist wie die mit dem Sangvilen. Spannung fand sich in diesem ersten Band eigentlich nur unmittelbar vor dem Großangriff der Monster. Aber auch die verpuffte relativ rasch, was vor allem daran liegen dürfte, dass Alexa bei dieser Gelegenheit rein zufällig entdeckte, wie die Grenzpfosten repariert werden können, sodass der größte Teil der Armee einfach aus der Schlacht ausgesperrt wurde.

_Alles in allem_ fand ich „Die Hüterin von Lladrana“ etwas besser als [„Die Zauberin von Lladrana“. 5494 Die Charaktere sind nicht ganz so flach ausgefallen, und die Liebesgeschichte, die auch hier eingebaut ist, steht nicht so sehr im Vordergrund, wie es beim zweiten Band der Fall ist. Das ließ Raum für die Welt als solche, und tatsächlich erhält der Leser hier ein paar Informationen, die ich im zweiten Band vermisste. Auch stellte ich fest, dass bereits im ersten Band Personen vorgestellt wurden, die im Nachfolger eine größere Rolle spielten. Dadurch wird der bemühte Eindruck, den ich beim Lesen des Nachfolgers hatte, stark abgemildert, die Geschichte wirkt fließender. Das und die Tatsache, dass die Rettung Lladranas sich als roter Faden durch die Rahmenhandlung sämtlicher Bände zieht, spricht dafür, die Bücher in der richtigen Reihenfolge zu lesen.

Sofern man sie überhaupt lesen möchte. Denn wirklich fesselnd war auch dieser erste Band des Zyklus nicht. Alexas Reibereien mit den Marschällen sind ja nett zu lesen, aber als Hauptthematik etwas zu mager. Obwohl ständig von der Rettung Lladranas gesprochen wird, führt der Kampf gegen das Böse ein ziemliches Randdasein. Der Autorin gelingt es einfach nicht, die einzelnen Aspekte ihrer Handlung – den plötzlichen Eintritt in eine fremde Welt und die Anpassung an diese Situation, die jeweilige Romanze und die Bedrohung von Außen – zu einer nahtlosen Einheit zusammenzufügen. Die mangelnde Balance hat zur Folge, dass die Geschichte eindimensional wirkt. Die starke Gewichtung des Zwischenmenschlichen zulasten der Gegner nimmt dem Buch die Spannung. Gleichzeitig sorgt die Schwäche in der Charakterzeichnung dafür, dass auch das Zwischenmenschliche den Leser nicht wirklich berührt, geschweige denn gefangen nimmt.

Sprich: Ein netter Lückenfüller für abends im Bett, wenn man keine Lust mehr auf etwas Anspruchsvolleres oder Aufregendes hat. Mehr nicht.

_Robin D.Owens_ schreibt schon lange, der Durchbruch gelang ihr 2001 mit dem Buch „HeartMate“, eine Fantasy-Romanze, der inzwischen sechs weitere folgten. Aus ihrer Feder stammen auch die Anthologie „What Dreams May Come“ sowie der Lladrana-Zyklus, dessen fünfter Band diesen Monat auf Englisch erschienen ist. Außer ihrer Tätigkeit als Schriftstellerin spielt Robin D. Owens auch Theater. Sie lebt mit ihren Katzen in Colorado.

|Aus dem Amerikanischen von Justine Kapeller
508 Seiten, kartoniert
ISBN-13: 978-3-89941-361-8|
http://www.mirafantasyblog.de
MIRA Taschenbuch
http://www.robindowens.com

Nuyen, Jenny-Mai – Rabenmond – Der magische Bund

Mion ist ein Ruinenkind, zerlumpt, hungrig und mit einem Kopf voller Träume von einem besseren Leben. Doch als sie eines Tages mit Pfeil und Bogen auf einen Fuchs schießt, der gar kein Fuchs ist, scheinen ihre Träume jäh zu einem frühen Ende verdammt. Da taucht ein seltsamer Fremder auf, der ihr Rettung anbietet. Aber bedeutet dieses Angebot wirklich Mions Rettung?

Lyrian ist der Sohn des Kaisers. Das hat ihm noch nie besonders gefallen, aber seit der letzten Nacht der Wintersonnwende hat er beschlossen zu fliehen. Seine Freundin Baltipp, die Tochter des Tierpflegers der kaiserlichen Gärten, begleitet ihn. Tatsächlich schaffen sie es bis über das Mitternachtgebirge. Doch dann zeigt sich, dass sie von ihrer Richtung abgewichen sind, mit fatalen Folgen …

Getragen wird die Geschichte hauptsächlich von vier Personen. Mion mag aufgrund der Härten ihrer Kindheit eine raue Schale haben. Sie ist anpassungsfähig, zäh und kann ganz kräftig austeilen. Außerdem spielt sie regelmäßig ein ziemlich hartes Spiel namens Ritus. Aber sie hat einen weichen Kern. Sie hängt sehr an ihrem kleinen Bruder Mirim, und der Schuss auf den Fuchs tut ihr bereits leid, kaum dass sie den Pfeil losgelassen hat. Wie alle Menschen in Elend und Armut träumt sie von einem besseren Leben, doch Mion ist außerdem entschlossen genug, für diesen Traum auch etwas zu riskieren, als sich ihr eine Chance bietet. Diese Mischung aus Rücksichtslosigkeit, Ehrgeiz, Mitgefühl und Sehnsucht wird ihr schließlich zum Verhängnis.

Lyrian ist ähnlich hin- und hergerissen. Auch er besitzt ein freundliches, mitfühlendes Herz, er ist sich seiner Verantwortung als Thronfolger bewusst und voller guter Vorsätze. Leider lässt sich das nicht ohne Weiteres mit dem in Einklang bringen, was seine Eltern und der Adel von ihm erwarten. Die Vorstellungen der Herrschenden darüber, wie ein Kaiser und seine Regierung zu sein haben, laufen Lyrians Denken und Fühlen massiv zuwider. Und sein vages Gefühl, dass da etwas fürchterlich falsch läuft, reicht nicht aus, um den Forderungen seiner Umgebung erfolgreich zu begegnen.

Baltipp ist noch weit weniger geneigt, die herrschende Weltanschauung infrage zu stellen. Für sie sind nur drei Dinge wichtig: ihr Vater, die Tiere, um die sie sich kümmert, und Lyrian. Sie ist weder besonders hübsch noch besonders klug, aber sie ist sehr, sehr treu. Nicht, dass sie sich ernsthafte Hoffnungen machen würde, was Lyrian angeht. Sie ist sich durchaus ihrer Stellung bewusst und zufrieden mit seiner Freundschaft. Andererseits duldet ihre Anhänglichkeit aber auch nicht, dass er sich von ihr entfernt. Als Lyrian sich in ein anderes Mädchen verliebt, ist Baltipp überfordert.

Der rätselhafte, geheimnisvolle Charakter ist in diesem Buch ein Mann namens Jagu. Er ist es, der Mion Hilfe anbietet, als sie wegen des erschossenen Fuchses in der Klemme steckt. Aber über seine Gründe schweigt er. Dass er immer wieder tagelang einfach verschwindet, dass er ständig zwischen Grobheit und Freundlichkeit schwankt, zwischen teilweise brutaler Ehrlichkeit und beharrlichem Schweigen, tut ein Übriges. Mal wirkt er hilflos und verletzlich, mal ist er ausgesprochen kaltschnäuzig und skrupellos. Auch er spielt Ritus, was Mion nicht verstehen kann, denn er ist erfolgreich und wohlhabend und hat es eigentlich nicht nötig, sich in Träume zu flüchten.

Zwischen diesen vier Hauptfiguren entspinnt sich ein kompliziertes Netz aus Beziehungen, Abhängigkeiten und Lügen. Die Charakterzeichnung ist von derselben Intensität, die die Autorin bisher bei all ihren Büchern zu erzeugen wusste; das gilt auch für Nebenfiguren wie Faunia oder die Kaiserin. Sehr gelungen.

Was das Buch aber vor allem interessant macht, ist die eigentliche Thematik. Im Kaiserreich Wynter herrschen die Drachen. Keine feuerspeienden Echsen, sondern Gestaltwandler. Ihre Herrschaft gründet sich auf der Tatsache, dass Drachen denken und Menschen fühlen. Da Gefühle jedoch die Ursache sind für alles Übel, das es auf der Welt gibt, sind alleine die Drachen, die Gefühle nicht kennen, in der Lage, gerecht zu herrschen, denn sie allein sind erhaben über Neid, Ehrgeiz, Rachsucht und Gier. So zumindest lautet die Staatsdoktrin.

Dass diese Ideologie auf einer Lüge basiert, wird nur zu bald deutlich. Drachen fühlen durchaus. Sie fühlen Kummer und Liebe und vor allem Angst! Angst vor der Wahrheit, denn sollte das Volk diese erkennen, wäre es mit der Herrschaft der Drachen vorbei! Und in ihrer Angst verbieten sie, dass das einfache Volk lesen lernt, sie lassen alte Bücher verbrennen und in der Nacht der Wintersonnwende, der einzigen Nacht, in der sie verletzlich sind, kostenlos Wein ausschenken, damit die Menschen sich betrinken und ihnen nicht gefährlich werden können. Gleichzeitig ist Mion der beste Beweis dafür, dass Menschen nicht nur fühlen, sondern auch denken können.

Eines jedoch scheint sich im Verlauf der Handlung zu bestätigen: Gefühle sind die stärksten Triebfedern überhaupt. Und im Fall dieser Geschichte ziehen sie vor allem negative Folgen nach sich. Selbst der völlig uneigennützige Lyrian ist letztlich mitverantwortlich für die zahllosen Toten eines blutigen Massakers, weil er auf sein Herz gehört hat, und nicht auf seinen Verstand. Hier ist es tatsächlich so, dass alles Chaos und alles Blutvergießen seine Ursache in den Gefühlen hat, ganz gleich, ob diejenigen von Menschen oder Drachen.

Jenny-Mai Nuyens Bücher haben sich von Anfang an in keines der gängigen Fantasy-Schemata pressen lassen. Dieses Buch jedoch ist besonders sperrig. Nicht nur, weil es kein Happy End hat, sondern weil es noch einen Schritt weiter geht und sich gegen eine Idee stellt, die auch in anderen Bereichen der Literatur vorherrscht: dass die Liebe allen Widerständen zum Trotz immer siegt und danach alles gut wird. Hier wird nichts gut. Nicht einmal der Sturz der Tyrannen scheint positive Auswirkungen zu haben. Im Kleinen – in der Beziehung zwischen den Hauptfiguren – wie im Großen – in der Politik – münden alle Gefühle und die daraus resultierenden Taten in eine einzige Welle der Zerstörung. Ein Szenario, das sicherlich nicht jedem liegt. So ganz desillusioniert wollen die meisten Leser ihr Buch dann doch nicht zuklappen. Ich fand das Buch jedenfalls sehr gut. Es mag Fantasy sein. Aber es ist trotzdem wahr.

Jenny-Mai Nuyen stammt aus München und schrieb ihre erste Geschichte mit fünf Jahren. Mit dreizehn wusste sie, dass sie Schriftstellerin werden wollte. „Nijura“, ihr Debüt, begann sie im Alter von sechzehn Jahren. Inzwischen ist sie zwanzig und studiert Film an der New York University.

511 Seiten, gebunden mit Schutzumschlag
ISBN-13: 978-3-570-16000-8

www.jenny-mai-nuyen.de/
www.randomhouse.de/cbjugendbuch/index.jsp

Der Autor vergibt: (5.0/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (1 Stimmen, Durchschnitt: 1,00 von 5)

Bishop, Anne – Nacht (Die Schwarzen Juwelen 6)

|Die Schwarzen Juwelen|:

Band I: [„Dunkelheit“ 3375
Band II: [„Dämmerung“ 3437
Band III: [„Schatten“ 3446
Band IV: [„Zwielicht“ 3514
Band V: [„Finsternis“ 3526
Band VI: „Nacht“ (dt. im Oktober 2008)

Surreal hat die Kriminalromane des Landen Jervis Jenkell eigentlich immer gern gelesen. Bis der Autor anfing, Romane über die Angehörigen des Blutes zu schreiben. Seine Vorstellungen vom Leben der Hexen und ihrer Krieger erscheinen ihr ausgesprochen lächerlich, und da ist sie nicht die Einzige. Jaenelle ist deshalb sogar auf die exzentrische Idee verfallen, ein Spukhaus einzurichten, als Spaß für Kinder, was Saetan überhaupt nicht gefällt.

Jervis Jenkell dagegen fühlt sich durch die Angehörigen des Blutes auf den Schlips getreten und sinnt nun auf Rache. Ein perfides Katz-und-Maus-Spiel beginnt …

Jervin Jenkell ist der einzige neue Charakter. Und er ist ein eingebildeter, hinterhältiger, grausamer Kerl. Im Grunde ist er intelligent und findig, doch die Erkenntnis, dass er selbst, obwohl als Landen aufgewachsen, ein Angehöriger des Blutes ist, hat ihn offenbar völlig abheben lassen. So ist er zu eitel und zu hochmütig, einfach seine Bezirkskönigin aufzusuchen, ihr sein Juwel zu zeigen und sie um Rat und Hilfe zu bitten. Stattdessen hat er seine Entdeckung in einen Roman gekleidet und erwartet jetzt, von allen als einer der ihren behandelt, ja sogar regelrecht hofiert zu werden. Die Idee, dass seine versteckte Botschaft womöglich nicht verstanden werden könnte, kommt ihm gar nicht. Und da er keinerlei Vorstellung vom sozialen Gefüge innerhalb der Blutsangehörigkeit hat, ist ihm auch nicht klar, dass er keinesfalls auf derselben Stufe wie Daemon und Jaenelle steht. Er fasst ihre Reaktion schlicht als Beleidigung auf.

Ich muss ehrlich zugeben, dieser Band des Blutjuwelen-Zyklus hat mich schwer überrascht. Ungewöhnlich ist schon mal, dass Jenkell eigentlich recht wenig auftaucht. Er kommentiert nur gelegentlich das Geschehen und offenbart dadurch seine Art zu denken und die Beweggründe für sein Handeln: seinen Hochmut und seine gekränkte Eitelkeit. Das Handeln wiederum offenbart seine hinterhältige Bosheit. Die Intensität dieser Charakterzeichnung kann bei weitem nicht mit der Jaenelles und Daemons aus den ersten Bänden mithalten. Dennoch ist die Figur Jervis Jenkell glaubwürdig und nachvollziehbar ausgefallen.

Außerdem setzt sich das Buch dadurch von seinen Vorgängern ab, dass diesmal nicht Jaenelle und Daemon im Mittelpunkt stehen. Hauptsächlich ist es Surreal, die sich mit Jenkell herumschlagen muss. Da Surreal vor allem praktisch veranlagt ist, spielen Gefühle in diesem Band eine untergeordnete Rolle. Der spürbarste Unterschied zeigt sich jedoch im Grundtenor des Buches. Während die ersten drei Bände vom Niedergang und der Wiedergeburt einer ganzen Welt erzählen, spielt sich der neue Konflikt nur zwischen der Familie SaDiablo und Jenkell ab. Diese beiden Punkte – die Wahl Surreals als Hauptperson und der begrenzte Umfang des Konflikts – haben dafür gesorgt, dass die Wucht, die den ersten drei Bänden innewohnte, hier völlig fehlt. Waren die Bände eins bis drei wie das Ankämpfen gegen einen heftigen Sturm, so ist Band sechs wie die Überquerung eines Nagelbretts. Surreal und ihre Begleiter haben sich in einer Falle verheddert, und alles, was ihnen in dieser Falle an kleinen oder größeren Widrigkeiten begegnet, wirkt wie immer neue Nadelstiche: verwirrend, zermürbend. Und der Gegner beobachtet das Ganze insgeheim.

Die Art der Falle ist wirklich trickreich. Sie ist ein fieses kleines Spiel, das darauf ausgelegt ist, die Beute in der Falle dazu zu bringen, dass sie genau das tut, was sie eigentlich unbedingt vermeiden sollte. Gekonnt spielt sie mit Sein und Schein und ist deshalb ausgesprochen geeignet, um Leute wie Surreal oder Daemon einzufangen und zur Strecke zu bringen. Und diejenigen, die draußen stehen, haben keine Möglichkeit, das Spiel zu beenden, ohne das Leben derjenigen zu gefährden, die in der Falle sitzen. Es scheint, als wäre eine grausame Wahl zu treffen. Und dann taucht auch noch Lucivar am Schauplatz auf, drauf und dran, sich ebenfalls in die Falle zu stürzen!

Was mir dagegen eher negativ aufgefallen ist, war die Veränderung in der Ausdrucksweise, sodass ich mich schon fragte, ob hier ein anderer Übersetzer am Werk war. Das war nicht der Fall, weshalb sich mir als nächstes die Frage stellte, warum die Übersetzerin es auf einmal für nötig befunden haben mag, ein Wort, das in den ersten Bänden noch mit Geschlecht übersetzt wurde, jetzt auf einmal mit Schwanz zu übersetzen. Das macht die eigentliche Aussage keineswegs erotischer, eher ordinärer.

Von diesem sprachlichen Detail abgesehen fand ich „Nacht“ aber recht gelungen. Was diesem Band letzten Endes an Intensität und Dramatik fehlt, macht er locker durch Spannung und Einfallsreichtum wieder wett. Anne Bishop hat sich diesmal tatsächlich fast völlig von allen anderen Bänden des Blutjuwelen-Zyklus gelöst, indem sie nicht nur auf ihre alten Antagonisten Dorothea und Hekatah verzichtet hat, sondern auch eine Neben- zur Hauptfigur gemacht und sie in eine völlig neue Situation gestellt hat. „Nacht“ ist kein Epos mehr, auch nicht der Versuch, ein Epos fortzuführen oder auszubauen. „Nacht“ ist ein Krimi und eigenständig. Das hat dem Buch ausgesprochen gutgetan. Es hat Raum geschaffen für Ideen, die im Kontext dieses Zyklus neu und auch interessant umgesetzt waren, und einen neuen Antagonisten, der wesentlich mehr Biss hat als die beiden kleinen Hexchen Roxie und Lektra. Wer eine Geschichte von der Dimension der ersten drei Bände erwartet hat, wird vielleicht enttäuscht sein, denn die bietet „Nacht“ definitiv nicht. Das Flickwerk aus Band IV aber steckt diese neue Geschichte locker in die Tasche, und mit Band V kann sie durchaus mithalten.

_Anne Bishop_ lebt in New York, liebt Gärtnern und Musik, und hatte bereits einige Romane und Kurzgeschichten veröffentlicht, ehe ihr mit dem Zyklus der |Schwarzen Juwelen| der internationale Durchbruch gelang. Außerdem stammen aus ihrer Feder die Trilogie |Tir Alainn|, die auf Deutsch bisher anscheinend nicht erschienen ist, sowie der Zweiteiler |Ephemera| mit den Bänden „Sebastian“ und „Belladonna“.

|Originaltitel: The Black Jewels Series: Tangled Webs
Deutsche Übersetzung von Ute Brammertz
398 Seiten, kartoniert
Mit Bonusmaterial: „Wenn das Hexenblut blüht“|
http://www.heyne.de
http://www.annebishop.com

_Mehr von Anne Bishop auf |Buchwurm.info|:_

|Die dunklen Welten|:

Band I: [„Sebastian“ 3671
Band II: [„Belladonna“]http://www.buchwurm.info/book/anzeigen.php?id_book=4799
Band II: [„Belladonna“ 4722 (zusätzliche Buchrezension)

Roberson, Jennifer – Kind des Raben (Cheysuli 4)

Band 1: [„Dämonenkind“ 4409
Band 2: [„Wolfssohn“ 4868
Band 3: [„Tochter des Löwen“ 4961

Mit „Kind des Raben“ erschien nun der letzte Teil der |Cheysuli|-Neuausgabe; er umfasst die Bände „Der Flug des Raben“ und „Ein Gobelin mit Löwen“.

Aidan hat Alpträume von einer zerfallenden Goldkette, schon seit er ein kleiner Junge ist. Seine Eltern haben sie nicht weiter ernstgenommen, er aber weiß, dass sie von Bedeutung sind. Denn abgesehen von den Träumen hat er auch ganz ungewöhnliche Begegnungen, nicht nur mit einigen seiner toten Vorfahren, sondern auch mit noch weit seltsameren Leuten wie dem Jäger, der Weberin oder dem Krüppel. Aber gerade, als er glaubt, das Rätsel gelöst zu haben, wird er von einer grausamen Realität eingeholt …

Kellin hat ebenfalls Alpträume. Seit einer unbedachten Äußerung seines Großonkels Ian fürchtet er sich vor Löwen, selbst jenen auf dem Wandteppich in der großen Halle oder dem geschnitzten Löwen des Throns. Weit mehr als das leidet er allerdings darunter, dass sein Vater ihn verlassen hat. Als er auch noch andere, ihm nahestehende Menschen verliert, wird seine Verlustangst zur Phobie. Kellin versucht, seine Ängste mit Alkohol, Hurerei und Gewalt zu verdrängen, doch es gelingt ihm nicht. Erst als er nach einem unfreiwilligen Bad in einem reißenden Gebirgsfluss sein Gedächtnis verliert, scheint er in der Lage, seinen eigenen Weg zu finden …

_Aidan_ war mir ehrlich gesagt der weitaus sympathischere von beiden. Die ständig wiederkehrenden Alpträume, denen er sich nicht verweigern kann, lassen Aidan ernstlich an seinem Verstand zweifeln. Außerdem besitzt er die erinnische Gabe des Kivarna, die Fähigkeit, die Gefühle anderer zu spüren. Deshalb weiß er, dass seine Eltern genau dieselben Zweifel hegen. Er versucht, Antworten von seinen magischen Begegnungen zu bekommen, doch die scheinen nicht geneigt, ihm irgendetwas zu verraten, und bestehen stattdessen darauf, dass er es selbst herausfindet. Aidans Verwirrung treibt ihn fast zur Verzweiflung.

Kellin ist ebenfalls verzweifelt, was durchaus nachvollziehbar ist, allerdings ist er im Gegensatz zu Aidan vollkommen blind für das, was er selbst anrichtet, als hätten seine Verluste ihm das Recht verliehen, seinerseits andere zu verletzen. Die Risiken, die er eingeht, übersteigen selbst alles, was Hart jemals ausgefressen hat; er ist eigensinnig, selbstgerecht und zeigt nicht die geringste Bemühung um Selbstbeherrschung, ja nicht einmal die Bereitschaft dazu, es auch nur zu versuchen. In der Szene, in der er mit Burr, dem Shar Tal, aneinandergerät, hätte ich ihn am liebsten geohrfeigt.

Natürlich braucht die Geschichte nach Strahans Tod auch einen neuen Gegenspieler. Und so schwer es ist, aber Lochiel scheint seine Vorgänger an Bosheit sogar noch zu übertreffen. Was er mit Aidans Frau anstellt, stellt einen neuerlichen Höhepunkt in der Verruchtheit der Ihlini dar, und mit seinen eigenen Familienangehörigen geht er auch nicht gerade freundlich um.

Abgesehen davon aber, ob mir die Charaktere nun sympathisch waren oder nicht, sie waren alle ausgesprochen glaubhaft und lebendig beschrieben. Da blieb nichts zu wünschen übrig.

_Was die Handlung anging_, so hat mir auch hier die Geschichte um Aidan besser gefallen als die um Kellin. Zur Abwechslung ging es tatsächlich mal nicht darum, den geeigneten Ehepartner für die richtige Blutmischung zu finden oder zuzusehen, wie die nächste Generation in eine Falle der Ihlini tappt und sich dann wieder rauswindet. Aidan fällt in jeder Hinsicht aus dem Rahmen, was ich als sehr wohltuend empfand. Sein Versuch, den richtigen Weg durch die Flut von Andeutungen und Halbinformationen zu finden, war erfrischend neu.

Der Wermutstropfen war dagegen Lochiel. Eigentlich ist er ja nicht dumm. Aber nach so vielen gescheiterten Versuchen seiner Vorgänger, die Prophezeiung in eine falsche Richtung zu lenken, und mit dem Wissen, dass den Ihlini die Zeit davonläuft, muss er sich schon die Frage gefallen lassen, warum in aller Welt er Aidans Sohn entführt hat, anstatt ihn einfach umzubringen. Zumal er seiner eigenen Aussage nach ja wusste, dass Aidan keine weiteren Kinder haben würde. Da wäre ein schlichter Mord eine wesentlich sicherere Methode gewesen, die Prophezeiung zu vernichten, als eine neuerliche, verwickelte Intrige. Natürlich hat es dramaturgische Gründe, sonst wäre ja schließlich kein Happy -End mehr möglich gewesen. Das macht es aber nicht unbedingt logischer.

Kellins Geschichte birgt natürlich den Reiz, dass auf irgendeine Weise die Verbindung mit den Ihlini hergestellt werden muss. Das ist der Autorin tatsächlich auf geschickte Weise gelungen. Leider beginnt Kellin sich erst ab dem Moment in die richtige Richtung zu bewegen, nachdem er den Schoß der Erde aufgesucht hat, und bis dahin ist mehr als die Hälfte des Buches gelesen. Außerdem empfand ich auch den Schluss des Zyklus als ein wenig unbefriedigend. Der Leser erfährt weder, was es mit diesen Erstgeborenen, deren Rückkehr so hart erkämpft und so teuer erkauft wird, eigentlich genau auf sich hat, noch, warum sie so dringend zurückgebracht werden müssen. Asar-Suti ist ein Gott, und ein Gott kann nicht endgültig besiegt werden. Es wird also weiterhin Böses und Übles in der Welt geben, selbst wenn die Erstgeborenen mächtiger sein sollten als Asar-Sutis Anhänger, von denen es ja mehr gibt als nur Tynstars Nachkommen.

Ein wenig enttäuschend fand ich auch, dass die A’saii, die einen interessanten Aspekt hätten darstellen können, so sang- und klanglos im Hintergrund verschwunden sind. Tiernan war ein vielversprechender Charakter, der für einen Menge echte Turbulenzen hätte sorgen können, wenn er denn mal richtig zum Zug gekommen wäre. Dass er seinen Lir verloren hat, empfand ich ein wenig als Verschwendung. Andererseits wäre angesichts der Dicke der letzten beiden Bände wohl einfach nicht mehr genügend Platz gewesen, um ihm wirklich gerecht zu werden. Auch die Lirs haben nicht zu der Bedeutung zurückgefunden, die ich mir erhofft hatte. Aidan und Kellin und ihre Lirs sprechen nicht halb so viel miteinander, wie ich es zum Beispiel von Donal in Erinnerung habe, und nicht halb so freundlich.

_Am Ende_ hab ich das Buch mit gemischten Gefühlen zugeklappt. Ich hätte durchaus gern gewusst, wie die Zukunft der Welt unter der Herrschaft der Erstgeborenen ausgesehen hätte, wenigstens ein kleines bisschen. Und bei Kellins rüden Eskapaden trotzdem weiterzulesen, hat mich einiges an Geduld gekostet. Trotzdem fand ich auch die letzten beiden Teile des Zyklus nicht wirklich schlecht, vor allem dank Aidans ausgefallener Rolle innerhalb der Prophezeiung und der Tatsache, dass die Autorin auf so gelungene Weise die letzte heikle Kurve hin zu den Ihlini genommen hat. Ich bin aber auch nicht unglücklich, dass der Zyklus jetzt zu Ende ist, denn noch eine oder zwei weitere Generationen, und ich hätte endgültig den Überblick darüber verloren, wer denn nun eigentlich wer war.

_Jennifer Roberson_ studierte englische Geschichte und war zunächst als Journalistin tätig, ehe sie Bücher zu schreiben begann. Der |Cheysuli|-Zyklus war ihr erstes Werk, seither hat sie eine ganze Reihe von Zyklen, Einzelromanen und Kurzgeschichten geschrieben, darunter die |Schwerttänzer|-Saga sowie die Historienromane „Lady of the Forest“ („Herrin der Wälder“, dt. 1996) und „Lady of Sherwood“ („Die Herrin von Sherwood“, dt. 2002). Die Autorin lebt mit einem Rudel Hunde und Katzen in Flagstaff/Arizona.

|Originaltitel: Flight of the Raven / A Tapestry of Lions
Überarbeitete Neuausgabe
Übersetzung: Karin König
990 Seiten
ISBN-13: 978-3-453-52487-3|
http://www.cheysuli.com
http://www.heyne.de

Rothfuss, Patrick – Name des Windes, Der (Die Königsmörder-Chronik. Erster Tag)

_Ein Wirtshaus irgendwo_ in einem Hinterwäldlerdorf in der Provinz. Die Stammgäste sitzen beisammen, essen Eintopf, trinken Bier, erzählen Geschichten. Der Wirt, rothaarig und grünäugig, lächelt, bedient und wischt die Theke sauber. Da platzt ein Dorfbewohner in den Raum, übersät mit blutenden Schnitten, und in einer Decke bei sich ein seltsames, schwarzes Geschöpf ohne Augen, dafür mit Beinen wie Messerklingen, acht an der Zahl, als wäre es eine Art Spinne.

Der Wirt kann die erschreckten und verwirrten Männer beruhigen. Doch er weiß mehr als sie, und kaum ist er mit seinem Gehilfen allein, stellt sich heraus, dass er auch mehr ist als ein gewöhnlicher Wirt. Wer genau er ist, das erfährt der Leser erst, als ein weiterer Mann auftaucht. Ein Mann, der überall als der Chronist bekannt ist. Der Chronist sucht nach einer Geschichte. Einer wahren Geschichte …

_“Der Name des Windes“_ erzählt die Geschichte von Kvothe. Kvothe gilt als mächtigster Zauberer seiner Zeit. Unzählige Legenden werden über ihn erzählt, und nicht alle sind sehr schmeichelhaft. Kvothes tatsächliche Persönlichkeit ist schwer zu beschreiben, wahrscheinlich deshalb, weil selbst am Ende des Buches noch eine ganze Menge fehlt.

Der ältere Kvothe, der die Geschichte erzählt, wirkt müde, regelrecht erschöpft, als trüge er so viele düstere Erinnerungen mit sich herum, dass er fast darunter zusammenbricht. Deshalb erinnert er sich nur sehr widerwillig. Tatsächlich jedoch scheint das Erzählen ihm gut zu tun, er blüht regelrecht auf dabei – nur um in den Pausen sofort in sein düsteres Brüten zurückzufallen. Dabei ist bis zum Ende des Buches noch gar nichts so Schreckliches geschehen, dass es eine solche Schwermut erklären könnte.

Der junge Kvothe ist vor allem eines: stolz. Schon als Kind sehen viele Menschen auf ihn herab, weil er zum fahrenden Volk gehört, und schon damals stört ihn das. Als er nach dem Verlust seiner Eltern als Gassenjunge in der Hauptstadt landet, lernt er zu überleben. Doch seine eigentliche Persönlichkeit liegt in dieser Zeit brach, begraben unter Schock und der Notwendigkeit, ständig auf der Hut zu sein. Als es ihm schließlich gelingt, an der Universität aufgenommen zu werden, wird ihm aus dieser Zeit vor allem eins nachhängen: das dringende Bedürfnis, aus seiner Armut herauszukommen. Abgesehen davon ist Kvothe überdurchschnittlich intelligent, er lernt extrem leicht und schnell, was schon an der Uni für Neid unter seinen Komilitonen sorgt. Außerdem ist er ein begnadeter Musiker. Diese letzten beiden Aspekte sorgen regelmäßig dafür, dass der Leser vollkommen vergisst, dass Kvothe noch nicht erwachsen ist. Lediglich im Zusammenhang mit Denna wird der Leser wieder daran erinnert.

Denna ist eine junge Frau, die völlig allein lebt, ohne Familie, ohne Freunde. Sie ist wie ein Blatt im Wind, taucht auf, verschwindet wieder und scheint nirgendwo zu Hause zu sein. Über ihre Vergangenheit spricht sie nicht, und auch sonst gibt sie sich ziemlich geheimnisvoll. Sie ist schön, eigenwillig, faszinierend und besitzt eine außergewöhnlich schöne Singstimme. Kvothe gerät vollkommen in ihren Bann.

Da sich die Geschichte so stark auf Kvothe konzentriert, bleiben sämtliche übrigen Personen nur Nebenfiguren, von seinem Gehilfen Bast über seine Freunde Simmon und Wilem bis hin zu seinem persönlichen Gegner Ambrose. Störend wirkt das nicht, denn Kvothe und Denna füllen die Geschichte völlig aus. Die Tatsache, dass beide sich nicht gänzlich offenbaren – Denna hat ein Geheimnis, und Kvothe kommt im ersten Band schlicht nicht über den Teenager hinaus, sodass das Bild einfach unvollständig ist -, erhält beide interessant und den Leser neugierig.

Und eine weitere Auswirkung hat diese starke Gewichtung Kvothes: Der eigentliche Antagonist taucht so gut wie gar nicht auf. Kvothe erzählt seine Geschichte von einem sehr frühen Zeitpunkt an, als er zehn Jahre alt war. Am Ende des Buches ist der Junge knapp sechzehn. Nicht unbedingt das Alter, in dem man es mit einem Gegner wie den Chandrian aufnimmt – auch wenn Kvothe sich das als langfristiges Ziel gesetzt hat, denn die Chandrian haben seine Eltern umgebracht, weil diese die falschen Lieder sangen.

Diese Worte lassen Kvothe nicht mehr los. Und kaum an der Universität angelangt, will er in die Bibliothek, um nach Texten über die Chandrian zu suchen. Er will alles über sie in Erfahrung bringen, was es nur zu wissen gibt. Doch im Commonwealth gelten die Chandrian als Legende, niemand glaubt daran, dass es sie wirklich gibt. Alles, was Kvothe im Laufe des Buches über sie herausfinden kann, ist, dass sie irgendetwas vor den Menschen verbergen wollen und deshalb alle gnadenlos töten, die auch nur einen Zipfel dieses Etwas zu fassen bekommen. Nur – was wollen sie geheimhalten? Und warum?

Die Chandrian sind das absolute Geheimnis des Buches, das seinen Ursprung in der fernen Vergangenheit hat. Und da Kvothe in diesem ersten Band noch größtenteils mit Überleben beschäftigt ist und damit, sich gegen Ambroses Hinterlist zu verteidigen und seinen Geldmangel in den Griff zu bekommen, führen die Chandrian ein geradezu stiefmütterliches Schattendasein. Selbst das Abenteuer mit der feuerspeienden Echse nimmt mehr Raum ein als sie.

Eingebettet ist die Lebensgeschichte des Zauberers in eine Rahmenhandlung, die ich stellenweise ein wenig verwirrend fand. Das gilt vor allem für den Anfang von fast hundert Seiten, ehe Kvothe die eigentliche Geschichte zu erzählen beginnt. Abgesehen von dem aufsehenerregenden Auftritt des zerschundenen Dörflers wird der Chronist unterwegs überfallen, und Kvothe erlegt mitten in der Nacht noch ein paar mehr der seltsamen scherenbeinigen Spinnen. Aber das alles scheint zunächst in keinerlei Zusammenhang zu stehen. Die Gespräche zwischen Kvothe und Bast drehen sich zwar unter anderem auch um diese Ereignisse, bestehen allerdings fast nur aus Andeutungen.

Auch die Erzählung Kvothes wird gelegentlich von der Rahmenhandlung unterbrochen, und vor allem bei der letzten, größeren Unterbrechung fragte ich mich nach dem Bezug. Die Dinge scheinen aus heiterem Himmel zu geschehen, ganz ohne Grund. Zumindest ohne einen ersichtlichen Grund.

Klar ist nur eines: In der Rahmenhandlung außerhalb von Kvothes Lebensgeschichte tut sich etwas. Nirgendwo findet sich aber ein echter Hinweis darauf, was sich da tut, allein, die Ursachen müssen in seiner Vergangenheit liegen, einem Zeitpunkt seiner Vergangenheit, zu dem er mit seiner Erzählung noch nicht vorgedrungen ist.

_Mit anderen Worten_, der Leser wird am Ende des ersten Bandes mit einer solchen Flut an Fragen und einem solchen Mangel an Antworten zurückgelassen, dass es schon fast unbefriedigend ist und man sich fragt, womit der Autor eigentlich achthundert Buchseiten gefüllt hat. Zumal der junge Kvothe am Ende noch nicht einmal ansatzweise fertig ausgebildet ist. Er hat so gut wie nichts über die Chandrian erfahren und dasselbe gilt für die Namenskunde, die er doch so dringend erlernen wollte. Gleichzeitig endet die Erzählung vorerst mit der Aussicht darauf, dass Kvothe von der Universität fliegt, sodass der Leser sich wundert, wie in aller Welt dann ein so mächtiger Zauberer aus ihm geworden sein kann.

Nicht, dass es mir beim Lesen tatsächlich langweilig gewesen wäre. Die Figuren sind interessant, lebendig und größtenteils klischeefrei – vielleicht mit Ausnahme von Ambrose -, und die Geschichte selbst nicht nur durch die unterschiedlichen Zeitebenen, sondern auch durch die bisher nur angerissene Thematik der Magie und der Chandrian samt ihrer Vergangenheit ausgesprochen vielversprechend.

Ein klein wenig war ich am Ende aber doch enttäuscht, dass der Autor sich so ausgiebig und ausführlich der Jugend seines Protagonisten gewidmet, ihn aber gleichzeitig daran gehindert hat, auch nur ein klein wenig von dem in Erfahrung zu bringen, was er so dringend wissen will. Nach so vielen Seiten hätte Kvothe es schon verdient, wenigstens auf einen vergilbten Band zu stoßen, in dem man wenigstens einen einzigen Satz hätte lesen können. Oder so ähnlich. So ganz ohne Antworten zu bleiben, hat dem Einstieg in diesen Zyklus einen Hauch von Langatmigkeit verliehen, was sich allerdings erst auswirkt, wenn man das Buch zu Ende gelesen hat. Insofern kann man Patrick Rothfuss‘ Debüt getrost als sehr gelungen bezeichnen.

_Patrick Rothfuss_ stammt aus Wisconsin. Lange Zeit unsicher, was er mit seinem Leben anfangen sollte, studierte er zahllose Fächer, bis die Universität ihn zwang, endlich irgendwo einen Abschluss zu machen. Inzwischen ist er an derselben Universität als Lehrkraft tätig, und die langen Winter in Wisconsin, die er früher mit Lesen verbrachte, verbringt er nun mit Schreiben. „Der Name des Windes“ ist sein erster Roman. Der zweite Band des Zyklus „The Wise Man’s Fear“ erscheint im April nächsten Jahres auf Englisch.

|Originaltitel: The Name of the Wind. Kingkiller Chronicle Vol. 1
Aus dem Englischen von Jochen Schwarzer
863 Seiten, gebunden mit Schutzumschlag, Vorsatzkarte & Lesebändchen
ISBN-13: 978-3-608-93815-9|
http://www.hobbitpresse.de
http://www.patrickrothfuss.com

Sapkowski, Andrzej – Erbe der Elfen, Das (Geralt-Saga, 1. Roman)

_Die Geralt-Saga:_

Vorgeschichte: _1_ [Der letzte Wunsch 3939
Vorgeschichte: _2_ [Das Schwert der Vorsehung 5327

_Roman 1_: [Das Erbe der Elfen 5334
_Roman 2_: [Die Zeit der Verachtung 5751

_Nach den Ereignissen der letzten Kurzgeschichte_ in „Das Schwert der Vorsehung“ hat Geralt Ciri in die verborgene Burg der Hexer gebracht. Während draußen alle möglichen Gerüchte über den Verbleib des Löwenjungen von Chintra herumschwirren, wird die kleine Prinzessin in dem abgelegenen und verborgenen Tal zur Hexerin ausgebildet.

Obwohl die Ausbildung hart und anstrengend ist, ist Ciri mit großer Begeisterung bei der Sache, und man könnte meinen, es wäre alles in bester Ordnung. Doch Ciri hat auch gelegentlich unwillkürliche Aussetzer. Dann redet sie mit einer fremden Stimme, spricht wirres Zeug, aber auch Prophezeiungen und Drohungen aus. Die Hexer wissen sich nicht mehr zu helfen und bringen das Kind zu Mutter Nenneke in den Tempel der Melitele …

_“Das Erbe der Elfen“_ ist in der Entwicklung, die sich zwischen den beiden Erzählbänden des Hexer-Zyklus bereits abgezeichnet hat, noch einen Schritt weiter gegangen. Mit der Überschreitung der Grenze zwischen einer losen Geschichtensammlung und einem zusammenhängenden Roman kam zunächst eine wahre Flut an neuen Charakteren:

Der Erste ist Rience, der Zauberer. Er ist auf der Suche nach Ciri, und die Art und Weise seiner Nachforschungen ist nicht gerade besonders fein. Doch so sehr er auch den Befragten gegenüber seine Überlegenheit herauskehrt, allzu mächtig scheint er tatsächlich nicht zu sein. Jemand wie Yennefer könnte wohl problemlos mit ihm fertig werden – wenn er nicht über die Möglichkeit verfügte, Hilfe zu holen. Sehr schnelle Hilfe. Und sehr mächtige …

Ein weiterer Neuzugang ist Emhyr var Emreis, der König der Nilfgaarder. Die Nilfgaarder haben Chintra überfallen, die Stadt dem Erdboden gleich und Ciri zum Flüchtling gemacht. Sie haben alles niedergemetzelt, was ihnen an Lebewesen unter die Waffen geraten ist, bis sie an der Jaruga gestoppt wurden. Emhyr allerdings macht bisher nicht den Eindruck eines machtgierigen Despoten, auch nicht den eines irren Fanatikers. Tatsächlich wirkt er ausgesprochen vernünftig, ja geradezu sympatisch, allerdings auch streng bis zur Gnadenlosigkeit. Nicht von ungefähr ist sein Heer so schlagkräftig. Emhyr ist ein mächtiger Mann, und er ist sich dessen durchaus bewusst. Was allerdings bisher noch fehlt, ist eine Antwort auf die Frage, was ihn antreibt, warum er versucht, den gesamten Kontinent zu unterwerfen. Denn genau das tut er …

Dann wäre da noch der Zauberer Vilgefortz zu erwähnen, ein einflussreicher Mann, der das Kapitel der Zauberer dominiert. Allerdings ist Vilgefortz ein höchst undurchsichtiger Charakter, stets verbindlich lächelnd und höflich und ein echter Politiker: Er redet, ohne etwas zu sagen, und vor allem, ohne seine eigenen Gedanken und Absichten zu verraten. Er taucht nur in einer einzigen Szene kurz auf, aber ich wette trotzdem, dass dieser Mann für die zukünftigen Geschehnisse noch wichtig werden wird! Das Gleiche gilt für die Zauberin Philippa, die ganz offensichtlich nicht nur als Beraterin eines Königs und für dessen Geheimdienst arbeitet.

Dazu kommen noch eine Menge anderer Personen, so diverse Könige und Königinnen, ein Spionagechef und noch weitere Zauberinnen und Zauberer. Kein Wunder, dass die bisherigen Hauptfiguren, Rittersporn, Yennefer und selbst Geralt ein wenig in den Hintergrund zu treten scheinen. Eigentlich schade, zumal sich an Rittersporn ganz neue, ungeahnte Seiten offenbart haben. Die interessant angelegten Figuren Rience und Emhyr könnten das aber durchaus wettmachen.

_Die Handlung_ lässt sich grob in drei Teile gliedern. Im ersten wird hauptsächlich aus der Sicht der Zauberin Triss Merrigold erzählt, die die Hexer in ihren Schlupfwinkel gerufen haben, damit sie herausfindet, was es mit Ciris Visionen auf sich hat. Triss ist aber überfordert und empfiehlt Geralt, Yennefer um Hilfe zu bitten. Auf der Reise zum Tempel der Melitele verschiebt sich der Blickwinkel hin zu Ciri, sodass deutlich wird, wie das Mädchen darum kämpft, die Welt zu verstehen, aber auch, wie leicht beeinflussbar es noch ist.

Der zweite Teil ist davon durch einen Zeitsprung getrennt. Plötzlich ist Geralt allein. Er und Rience umkreisen einander wie zwei Gladiatoren in der Arena. Jeder will den anderen in die Finger kriegen, wartet auf eine Schritt des anderen. Doch jedes Mal, wenn es so weit ist, funkt jemand Drittes dazwischen!

Der dritte und kürzeste Teil ist vom zweiten wiederum eher räumlich getrennt, der Übergang dorthin nicht so scharf, sondern eher fließend. Er dreht sich um Ciris Ausbildung im Tempel und ihre Beziehung zu ihrer Ausbilderin Yennefer.

Natürlich hat Andrzej Sapkowski sich nicht allein darauf beschränkt. Auf dem Weg zum Tempel der Melitele geht natürlich bei weitem nicht alles glatt, und damit ist nicht nur die Action gemeint, die der Autor an dieser Stelle eingebaut hat. Ganz nebenbei, vor allem in den Gesprächen Geralts mit den Leuten, die ihnen begegnen, den Mitgliedern der Karawane, mit der sie reisen, entwickelt Sapkowski den Hintergrund für die Ereignisse um Geralt und sein Mündel Ciri: den aufflackernden Widerstand der Elfen, den Zwiespalt der Zwerge, die Unsicherheit unter den Menschen; die lauernde Bedrohung durch Nilfgaard, dessen Truppen am südlichen Ufer der Jaruga sitzen wie eine lauernde Spinne, deren billige Waren den Markt des Gegners überschwemmen und deren Münzen einheimische Währungen verdrängen; die brodelnde Gerüchteküche, einander widersprechende Informationen, die immer neuen Prediger einer neuen Zeit; und die uralte Weissagung einer Elfe …

Sicher scheint nur, dass Ciri eine wichtige Rolle zukommt bei dem, was der Welt bevorsteht, und dass alle möglichen bekannten und unbekannten Parteien und Mächte mit allen Tricks versuchen, ihrer habhaft zu werden. Dabei scheinen die einzigen unparteiische Personen, denen es allein auf Ciris Wohlergehen ankommt, Geralt und Mutter Nenneke zu sein, wobei Geralt noch immer verzweifelt versucht, seine Neutralität zu wahren, etwas, was ihm angesichts der Prophezeiung und Ciris besonderer Rolle darin kaum gelingen dürfte.

Das ist der wahrscheinlich gravierendste Unterschied zu den beiden vorangegangenen Erzählbänden. Die Leichtigkeit, die Gewissheit, dass es sich hier nur um kleine, unterhaltsame Abenteuer ohne gravierendere Folgen handelt, ist völlig verschwunden. Auch die bisherigen Anspielungen auf die Märchenwelt fehlen nun. Hier geht es nicht mehr allein um mehr oder weniger amüsante oder spannende Episoden aus dem Leben eines schrägen Sonderlings mit ein paar augenzwinkernden Seitenhieben auf ein verwandtes Genre. Diesmal geht es um tiefgreifende Umwälzungen, um das Ende einer Epoche.

Das zeigt sich nicht nur in der Form, in der steigenden Zahl von Charakteren und Handlungssträngen, sondern auch inhaltlich. Zum ersten Mal tauchen Details aus der Vergangenheit des Kontinents auf. Der Gegner ist nicht mehr ein stumpfsinniges Monster, sondern eine straff organisierte Masse gut ausgebildeter Kämpfer mit einem intelligenten, zielstrebigen Kopf an der Spitze. Und es ist beileibe nicht so, dass die Kontrahenten unter sich wären. Hier kochen die unterschiedlichsten Parteien jeweils an ihrem eigenen Süppchen, selbst dann, wenn sie vorgeben, mit ihren Nachbarn zusammenzuarbeiten, sodass aus dem schlichten Duell Held-Monster ein unüberschaubares Gewirr aus Interessen, Intrigen und Betrügereien geworden ist, in dem man niemandem mehr trauen kann.

_Mit anderen Worten:_ Der Übergang zum Romanzyklus ist abgeschlossen, und er ist vorbildlich gelungen. „Das Erbe der Elfen“ hat alles, was man von einem guten Fantasy-Roman erwartet: Geheimnisse, Verwicklungen, Intrigen, Verrat, einen unkonventionellen Helden und eine Heldin, die erst noch in die Schuhe hineinwachsen muss, welche die Geschichte für sie vorgesehen hat. Eine gesunde Mischung, zumal auch das Verhältnis zwischen den einzelnen Zutaten gut ausbalanciert ist. Mir persönlich hat trotzdem die Stimmung aus den Vorgängerbänden ein wenig gefehlt. Das gilt vor allem für Rittersporns unbekümmerte Leichtlebigkeit, auch wenn diese, zugegeben, zum jetzt herrschenden Grundtenor nicht mehr recht passen will.

Die Spannung hielt sich bisher noch in Grenzen. Die Kampfszenen sind anschaulich, aber kurz geraten. Sie bleiben zu sehr Zwischenspiel, um den Bogen ernsthaft zu straffen. Der Beschluss der am Geheimtreffen beteiligten Könige, Philippas ungewöhnliche Rolle im Kampf gegen Rience sowie der undurchsichtige Vilgefortz und der kühl berechnende König der Nilfgaarder tragen da wesentlich mehr dazu bei, dass die Spannung steigt. Ein Netz zieht sich um Ciri zusammen, und auch wenn der Zugriff nicht in diesem Band erfolgt, sind die Aussichten auf den nächsten ziemlich fesselnd – zumal die Tatsache, dass Yennefer Ciri zur Zauberin ausbildet, noch für saftigen Krach zwischen Yennefer und Geralt sorgen dürfte. Der Leser darf also auf den nächsten Band sehr gespannt sein.

_Andrzej Sapkowski_ ist Literaturkritiker und Schriftsteller und nebenbei Polens bekanntester Fantasy-Autor. Der |Hexer|-Zyklus diente bereits als Grundlage für einen Kinofilm und eine Fernsehserie sowie für das polnische Rollenspiel „Wiedzmin“. Auch das Computerspiel „The Witcher“ stammt von Sapkowski, ebenso die |Narrenturm|-Trilogie um die Abenteuer des jungen Medicus Reinmar von Bielau. Wann die Folgebände von „Das Erbe der Elfen“ auf Deutsch erscheinen werden, ist noch nicht bekannt.

|Originaltitel: Krew Elfów, 1994
Aus dem Polnischen von Erik Simon
368 Seiten, kartoniert|
http://www.der-hexer.de
http://hexer.wikia.com
http://www.dtv.de
http://www.sapkowski.pl
http://www.thewitcher.com

_Mehr von Andrzej Sapkowski auf |Buchwurm.info|:_

[„Der letzte Wunsch“ 3939 (Geralt-Saga, Band 1)
[„Das Schwert der Vorsehung“ 5327 (Geralt-Saga, Band 2)
[„Narrenturm“ 1884
[„Gottesstreiter“ 3367
[„Lux perpetua“ 4568