Alle Beiträge von Björn Backes

Istin, Jean-Luc / Jigourel, Thierry – Druiden, Die – Band 3: Die Lanze des Lug

Band 1: [„Das Geheimnis der Oghams“ 5607
Band 2: [„Die weiße Stadt“ 5972

_Story:_

Auf der Suche nach den Mördern der kopflosen Mönche scheint Gwenc’hlan schneller als erhofft fündig geworden zu sein. Über den Dächern der Stadt Ys stellt er einen verschleierten Flüchtenden, der offensichtlich Bruder Thomas auf dem Gewissen hat. Doch im Zweikampf gelingt dem Fanatiker erneut die Flucht, so dass Gwenc’hlan und sein Anhänger Taran weiter im Dunkeln tappen.

Doch Bruder Thomas ist den Druiden auch nach seinem Tod eine große Hilfe, da ein Manuskript preisgibt, was hinter den geheimnisvollen Artefakten des Ordens steckt und welche Bedeutung sie für die keltische Geschichte haben. Dabei findet Gwenc’hlan heraus, dass die Lanze des Lug sich direkt unter den Gemächern von Prinzessin Duhad verbirgt.

Diese weiß von dem geheimen Versteck und plant mit Gurvan, ihrem Geliebten, eine Palastrevolution. Doch Gurvans Avancen entpuppen sich als Schein: Der rücksichtslose Anhänger eines weiteren geheimen Ordens hintergeht nicht nur die Prinzessin und den König, sondern arbeitet geradewegs darauf hin, dass die Druiden zerstört werden. Noch während der Feierlichkeiten zum Jubiläum der Stadt schlägt Gurvan zu und stürzt seine einstigen Verbündeten kompromisslos ins Verderben …

_Persönlicher Eindruck:_

Die Geschichte wird komplexer, so viel steht schon nach den Eindrücken der ersten Seiten des neuen Bands von Istins und Jigourels Gemeinschaftswerk „Die Druiden“ fest. Ein neuer Mythos wird eröffnet, neue Figuren – allen voran Gurvan – nehmen einen entscheidenden Platz in der Handlung ein, und darüber hinaus wandeln sich auch die Positionen einiger wichtiger Figuren. Doch dazu soll an dieser Stelle noch nicht zu viel verraten werden …

Inhaltlich macht der Plot weitere Fortschritte, unter anderem auch deshalb, weil die Distanz zum offenkundigen Vorbild „Die Name der Rose“ ausgebaut wurde und es keine entscheidenden Parallelen mehr gibt. Derweil ist die Rollenverteilung immer noch nicht gänzlich geklärt. Abgesehen von Taran und Gwenc’hlan, die unablässig für ihren Orden einstehen und die Mordserie zu ihren Gunsten aufklären wollen, ist kaum einer der tragenden Charaktere langfristig berechenbar. Doch diese mangelnde Transparenz heizt die Spannung an den gegebenen Stellen noch weiter an, denn bis zuletzt ist man sich beispielsweise nicht sicher, welche Position Prinzessin Dahud einnimmt, was genau Gwendole im Schilde führt und welche Intrigen von den vielen zwielichtigen Gestalten in den Nebenrollen noch gesponnen werden.

Es gibt noch recht viele unbekannte Elemente in der Story, was grundsätzlich auch sehr gut ist, da somit das Potenzial für die Fortsetzungen spielerisch gesichert wird. Doch das Autorenteam sollte Vorsicht walten lassen, denn auf Dauer wirkt es weniger glaubwürdig, mit völlig neuen Voraussetzungen in ein neues Kapitel zu starten. Völlig neue Schauplätze sind es zwar nicht, die in „Die Lanze des Lug“ Einzug halten, doch alleine schon durch die Artefakte, die bislang noch mit keinem Wort erwähnt wurden, nun aber mit einem Mal einen solch hohen Stellenwert zugesprochen bekommen, entsteht ein komplett überholter Background, der die Story wiederum ein wenig durcheinander bringt.

Doch bevor an dieser Stelle Panik ausbricht: Es besteht kein Grund, nervös zu werden, weil die beiden Schreiber die Geschichte immer wieder problemlos in die richtigen Bahnen lenken und die neuen Elemente sehr schön in das bestehende Konzept einbringen. Die Gefahr, das Ganze nun zu überladen, sollte jetzt in den Folgebänden umschifft werden. Bis dahin darf aber wenigstens eine gewisse Restskepsis bleiben, denn es sollte über kurz oder lang schon darauf hingearbeitet werden, auch einmal ein paar Punkte zu setzen bzw. generell auf den Punkt zu kommen. Bis hierhin sind die Ausschmückungen und die Detailverliebtheit in manchen Bereichen jedoch einer der wichtigsten und überzeugendsten Bestandteile von „Die Druiden“ – und mitunter auch das, was die Geschichte bis zu dieser Erzählphase zusammenhält!

Was soll uns dies nun zum Schluss sagen? Nun, in erster Linie, dass die Serie konsequent weitergeführt wird und die guten Ansätze und Entwicklungen des zweiten Kapitels bestätigt werden. Und dass die Atmosphäre nach wie vor berauschend ist. Vielleicht noch, dass das Tempo erhöht wurde. Aber eben auch, dass der schwere Einstieg doch noch nicht ganz vergessen ist, gerade in den Phasen, in denen die Entwicklung etwas undurchsichtiger ist. Aber alles in allem verdient „Die Lanze des Lug“ eine ganze Menge Lob, da die Spannung auf einem sehr hohen Level bleibt und der Inhalt letzten Endes makellos ist!

|Originaltitel: Les druides – La lance de lug
48 Farbseiten, gebunden
ISBN-13: 978-3-940864-42-0|
http://www.splitter-verlag.de

Téhy / Vax / Vee – Yiu 6 – Der Inquisitor und seine Beute

Band 1: [„Die Armee des Neo-Mülls“ 4289
Band 2: [„Die Auferstehung des Unreinen“ 4290
Band 3: [„Die Kaiserin der Tränen“ 4920
Band 4: [„Der Schwur der Söhne“ 5114
Band 5: [„Operation Geisha“ 5485

_Inhalt:_

Von ihren jüngsten Erfolgen getrieben, erledigt Yiu einen atemberaubenden Auftrag nach dem nächsten und etabliert ihre Position als weltweit beste Profikillerin in gleich drei sagenhaften Demonstrationen. Doch als ihr Auftraggeber erstmals Zweifel am Chefhirn ihrer Organisation in den Raum wirft, scheint die nun folgende Mission aussichtslos. Ausgerechnet Eggor Eden Afschillen, dessen Visionen zu den größten Verbrechen der drei Hauptreligionen geführt haben, wünscht eine persönliche Audienz und bittet Yiu in sein entlegenes Versteck.

Unter größten Vorsichtsvorkehrungen kommt Yiu dieser Bitte nach und stellt dabei entsetzt fest, dass Afschillen niemand Geringerer als ihr grausamer Ausbilder in der Jugendzeit ist. Als ausgerechnet er sie darum bittet, Hand an ihn anzulegen und die Welt davor zu schützen, dass sein Wissen in andere Hände fällt, erklärt sich die Killerin nicht bereit, ihm einen letzten Gefallen zu tun. Doch Afschillen hat vorgesorgt: In seinen Händen befindet sich das Memo-Tech, das die Daten aller Aufträge der letzten Jahre beinhaltet!

_Persönlicher Eindruck:_

Wer bereits Erfahrungen machen bzw. Einblicke in die ersten Ausgaben von Téhys Sciencefiction-Reihe „Yiu“ genießen durfte, sollte sich darüber im Klaren sein, dass die apokalyptischen Zukunftsvisionen, die hier gezeichnet und in sehr actiongeladene Plots aufgefahrenen werden, nichts für zart besaitete Comic-Liebhaber sind. Téhy und seine beiden Mitstreiter Vax und Vee haben sich allerdings nicht davon abhalten lassen, das bereits bestehende Rahmenkonstrukt noch zu intensivieren und gerade in Sachen Brutalität in der Darstellung noch eins draufzulegen. „Der Inquisitor und seine Beute“ ist nun der vorläufige Höhepunkt einer einerseits bedenklichen, andererseits aber gerade zeichnerisch beachtlichen Entwicklung, die „Yiu“ sowohl inhaltlich als auch im Hinblick auf das illustrative Gesamtbild zu einem echten Grenzgänger werden lässt.

Die Geschichte, die den sechsten Band umspannt, folgt dabei deutlich dem hohen Potenzial der letzten drei Ausgaben. Das Dreigespann arbeitet mit geschickt eingebauten Rückblenden und stellt das derzeitige Dilemma der Hauptdarstellerin gegen die tragischen Ereignisse ihrer Kindheit und reflektiert in beiden Handlungsebenen, wie Yiu erst zu der Person werden konnte, die sie letztendlich geworden ist. Und gerade hier nimmt die Darstellung Züge an, die jegliche Jugendfreigabe verbieten und gerade deswegen nicht auf die leichte Schulter genommen werden sollte. Massenhaft Blut, Eingeweide, inszenierte, fast schon rituelle Morde und dieses beklemmende Angstgefühl, das sich unbehaglich einnistet und sich auch nicht mehr verdrängen lässt, zeichnen einen an sich sehr interessanten, zuletzt auch spannenden, aber eben nicht gerade zensurfreien Comic. Daher auch hier der gezielte Hinweis, dass selbst eine bis dato schon als sehr brutal eingestufte Reihe wie „Yiu“ diesbezüglich noch nicht an ihre Grenzen gekommen ist!

Auf der anderen Seite ist das Fundament der Erzählung brillant, vielleicht sogar das bislang solideste im ganzen Serienverbund. Die Dramaturgie stößt an immer neue Spitzen, die Vermischung von Vergangenheitsbewältigung und aktuellem Konflikt funktioniert wirklich wunderbar, und da vor allem die Protagonisten hier mit sehr vielen Details entworfen wurden, bekommt die gesamte Story eine noch weitaus eindringlichere Bedeutung zugeschrieben, als ihr brisanter Inhalt ohnehin schon suggeriert. In der finalen Kulmination der Ereignisse brechen schließlich alle Dämme und damit auch die berechtigten Bedenken ob der Schwerpunktverteilung von Effekten und tatsächlichem Content.

Das Resümee stützt sich daher auch in erster Linie auf die hervorragend, insgesamt sehr perfide inszenierte und apokalyptisch untermalte Handlung und bestätigt Téhy in seiner überaus positiven Entwicklung vom ersten Band bis zur aktuellen Episode. „Der Inquisitor und seine Beute“ ist ein starker Sci-Fi-Comic, wenn auch sehr brutal umgesetzt!

|Originaltitel: Yiu, permier missions – L‘ Inquisiteur et la proie
48 Farbseiten, gebunden
ISBN-13: 978-3-86869-028-6|
http://www.splitter-verlag.de

Istin, Jean-Luc / Jigourel, Thierry / Lamontagne, Jacques – Druiden, Die – Band 2: Die weiße Stadt

Band 1: [„Das Geheimnis der Oghams“ 5607

_Story:_

Als ein Junge einen kopflosen Körper auf einem Fuhrwerk entdeckt und seiner Dorfgemeinde von seinen Beobachtungen berichtet, entwickelt sich in Windeseile ein Lynchmob, der die praktizierenden Druiden ins Visier nimmt und sie des Mordes bezichtigt. Als Heiden und Gottesächtende verschrien, macht sich die Gemeinde daran, Rache zu üben und den vermeintlichen Götzenanbetern den Garaus zu machen. Gwenc’hlan erfährt von diesem blutigen Gemetzel zu spät. Noch beschäftigt mit dem jüngsten Fund, einem Anhänger des christlichen Ordens Imperium Die, begibt er sich an den Ort des Geschehens und muss von den anwesenden Soldaten beschwichtigt werden, den dörflichen Mob nicht noch weiter anzustacheln.

Dadurch angespornt, reist der Druide gemeinsam mit dem verbündeten Mönchen Budog und seinem Freund Taran in die weiße Stadt Ys, wo der streng gläubige Gwendole bereits seit längerem die Ankunft des Verderbens predigt. Taran und Gwenc’hlan machen bereits bei ihrer Ankunft Bekanntschaft mit der zwiespältigen Moral, die vor allem von der intriganten Prinzessin Duhad ausgelebt wird. Bei einem Techtelmechtel mit Taran versucht sie sogar, ihren Liebhaber zu meucheln – doch Gwenc’hlan kann Schlimmeres verhindern. Letzterer bemüht sich gleichzeitig um mehr Informationen zum Imperium Die. Doch Gwendole leugnet hartnäckig die Existenz des Ordens. Aber der eigensinnige Mönch von Ys hat offenkundig einiges zu verbergen …

_Persönlicher Eindruck:_

Nachdem die erste Ausgabe der neuen |Splitter|-Serie „Die Druiden“ noch mit einigen inhaltlichen Startschwierigkeiten zu kämpfen hatte, geht es im zweiten, storytechnisch weitaus kompakteren Band durchdachter, vor allem aber auch spannender zu. Die Diskrepanzen zwischen historischer Faktenlage und fiktiver Unterhaltung spielen bei weitem nicht mehr eine solch große Rolle wie bei der Auftaktepisode, derweil gewinnt die Story auch ein nachvollziehbares Format, und da der Spannungsaufbau hier direkt von der ersten Seite beginnend durchgezogen wird, ist die Handlung nicht so sehr damit beschäftigt, Fässer aufzumachen, deren Inhalt noch nicht entsprechend gereift ist.

Insofern sind die Startbedingungen von „Die weiße Stadt“ wesentlich besser als im stellenweise undurchsichtigen Vorgänger, was mitunter natürlich auch damit zusammenhängt, dass man bereits mit den führenden Charakteren vertraut ist. Hinzu kommt der meist unterschätzte Aspekt, dass die Atmosphäre längst aufgebaut ist und diesbezüglich keine weitere Überzeugungsarbeit mehr geleistet werden muss. „Die Druiden“ bleibt von einer mystischen Stimmung umgeben, die sich auch durch die gesamte Entwicklung der Erzählung zieht und vor allem in den raschen Breaks immer wieder ihre Wirkung entfaltet. Dieser Schleier des Unbewussten, Geheimnisvollen fügt sich nahtlos in das von Mythen eingefasste Konzept ein und übt zuletzt sogar einen ziemlich starken Reiz aus.

Auch der Plot selber macht erhebliche Fortschritte. Die Actionlastigkeit der ersten Seiten wird zwar nicht über die komplette Distanz aufrecht erhalten, jedoch macht „Die weiße Stadt“ einen sehr lebendigen Eindruck, unter anderem auch deshalb, weil Hauptakteur Gwenc’hlan mit mehr Leidenschaft ins Fundament eingefügt wird, denn mit seiner Person steht und fällt der Fortschritt der Story. Folgerichtig kann auch eine deutliche Temposteigerung erzielt werden. Es kommt zu einigen entscheidenden Wendungen und Schauplatzwechseln, und im Wechsel mit den vielen Geheimnissen, die unter der Oberfläche schlummern, entwickelt sich eine Dynamik, die in „Das Geheimnis der Oghams“ noch schmerzlich vermisst wurde. Seinerzeit konnte klar konstatiert werden, dass die guten Ansätze auf jeden Fall noch ausgebaut werden müssen, um „Die Druiden“ im stark besetzten |Splitter|-Programm als Highlight zu etablieren. Mit Band zwei ist in dieser Hinsicht schon ein sehr großer Schritt gemacht worden, dessen Resultat nun bereits eine gleichmäßige Begeisterung für Inhalt, Zeichnungen und Konzept ist.

Kurzum: Mit einer überzeugenden Leistung haben sich Jean-Luc Istin und Thierry Jigourel von der noch mit leichten Schwächen durchsetzten Debüt-Veröffentlichung rehabilitiert und ihrer Serie bereits in der ersten Fortsetzung jene Klasse verliehen, die atmosphärisch schon längst vorhanden war. In dieser Form dürfte „Die Druiden“ relativ bald zum mythischen Höhepunkt im |Splitter|-Programm avancieren.

|Originaltitel: Les druides – Is la Blanche
47 Farbseiten, gebunden
ISBN-13: 978-3-940864-41-3|
http://www.splitter-verlag.de

Platt, Richard – Mondlandung

Die Mondlandung am 20. Juli 1969 gehört zweifelsfrei zu den wichtigsten Ereignissen in der Geschichte der Menschheit, sowohl gesellschaftlich als auch historisch, vor allem aber politisch betrachtet. Als Neil Armstrong an besagtem Tag die Oberfläche des Mondes berührte und als erster Mensch dort landete, wo Kennedy acht Jahre zuvor eine neue Revolution in der Weltraumforschung propagierte, endete gleichzeitig ein ständiges Wettrüsten mit der Sowjetunion, im Nachhinein aber auch die Zeit von Zweifeln und Bedenken, ob die Bilder aus jener Zeit tatsächlich echt waren. Mit etwas Abstand wurden nämlich immer mehr Ungereimtheiten in die kritische Waagschale geworfen, die Armstrongs Meisterstreich in Frage stellten. Bis heute grassieren unterschiedlichste Verschwörungstheorien um dieses Thema – schlimm genug, wenn man bedenkt, welche Leistung die Forschung vor ziemlich genau 40 Jahren für sich verbuchen konnte!

Im schlicht „Mondlandung“ betitelten Jugendsachbuch werden das gesamte Procedere sowie die zugehörige Vorlaufgeschichte nun noch einmal nachempfunden. Beginnend mit den ersten Planungen über die gescheiterten Raketeneinsätze bis hin zum mehrteiligen Apollo-Projekt lässt man die Geschichte hier Revue passieren, und das in einer wahrhaftig spektakulären Inszenierung. Das im |Carlsen|-Verlag veröffentlichte Buch macht die Sache nämlich dank zahlreicher Pop-up- und 3D-Effekte erst lebendig. Die plastische Darstellung der Raketen und Kapseln macht die vielen Details in einer vergleichsweise simplen Darstellung auf Anhieb transparenter und gewährt zudem Einblicke in die Dinge, die anhand der üblichen Fotos nicht immer direkt in den Fokus rücken.

Der Auftakt mit den beiden Trägerraketen „Redstone“ und „Titan 2“ ist bereits grandios. Beim Aufschlagen der Seiten öffnet sich in der Mitte des Buches ein riesige dreidimensionales Objekt, das mit allen Einzelheiten aufwartet und auch ein Gefühl dafür weckt, wie massiv die Entwicklungen zu jener Zeit vorangetrieben wurden. Es folgt der unvermeidliche Schwenk zur Mondfähre aus dem Jahr 1969, eingeleitet von einem umfassenden Bericht über die Apollo-Forscher und einem kompletten Überblick über die Gesamtbesatzung aller 17 Apollo-Teams. Und wenn man dann die letzte Seite mit der Darstellung von Armstrongs erstem Schritt öffnet, bekommt man sogar ein bisschen Gänsehaut, da sich alles so nah und authentisch anfühlt – auch nach vier Dekaden, in denen die Raumfahrt längst weitere Meilenschritte gemacht hat.

So fantastisch das Buch aufbereitet ist, so gering ist aber schließlich der Informationsgehalt der beigelieferten Texte. „Mondlandung“ ist kein dicker Wälzer, geschweige denn ein ausreichend ausgebautes Sachbuch zum Thema Raumfahrt. Wer also vor der geplanten Investition glaubt, alle Fragen, seien es nun politische oder auch technische, würden ausreichend beantwortet, der wird ohne Zusatzlektüren oder Internet-Content nicht in vollem Maße informiert werden. Doch das ist auch nicht das eigentliche Ziel dieser Veröffentlichung; vielmehr geht es darum, die Entwicklung der Raumfahrt in den 60ern transparent zu machen und den Leser und Interessenten fühlen zu lassen, welche Schritte man in jener Zeit getan hat. Und es geht darum, die Laune für ein nach wie vor nahezu unglaubliches Thema zu wecken und eine lebhafte Einführung in die Materie zu geben, ohne dabei lediglich in die Präsentation von Fakten zu verfallen.

Beides ist an dieser Stelle fabelhaft gelungen und außerordentlich speziell transferiert worden. Zwar eignet sich das Ganze nicht für die ganz jungen Semester, da die 3D-Elemente sehr empfindlich und leicht zu beschädigen sind. Sollte man jedoch nach einem spannenden, wertvollen Geschenk für die Jahrgänge im ausgereiften Grundschulalter suchen, empfiehlt sich „Mondlandung“ an einer der ersten Positionen.

|ISBN-13: 978-3551185372|
http://www.carlsen.de

Remes, Ilkka – Operation: Ocean Emerald

In der Remes-Chronologie ist „Operation: Ocean Emerald“ eigentlich das Kriminal-Debüt seiner Jugendbuchserie. Nachdem die Eindrücke des Zweitwerks aus dieser Reihe jedoch nicht ganz so stark waren wie in den regulären Thriller-Werken des finnischen Bestseller-Autors, waren natürlich einige Zweifel angebracht, was die erste Geschichte um Hauptakteur Aaro Nortamo betrifft. Doch erstaunlicherweise fügen sich die Dinge im ersten jugendlichen Output viel harmonischer zusammen als in der etwas durchwachsenen Nachlese, so dass Chronologie-Brüchige sich nicht abhalten lassen sollten, auch hier mal einen Blick oder zwei zu riskieren!

_Story_

Eigentlich hätte alles so schön sein können: Nachdem Aaro und sein bereits erwachsener Freund Niko die Papiere einer französischen Touristin beim Fund eines rätselhaften Koffers aufspüren, beschließt das Duo, den Fund alsbald in Geld umzusetzen. Aaro erfährt, dass sich die Dame an Bord der |Ocean Emerald|, einem Kreuzfahrtschiff, das gerade in Helsinki angelegt hat, befinden soll, und schleust sich selbst auf dem Luxusliner ein, um die Prämie zu kassieren.

Doch bevor sich der Sohn des gewieften Interpol-Mitarbeiters Timo Nortamo versieht, gerät er in die Fänge einer Verbrecherorganisation, die Unmengen an Sprengstoff auf das Schiff geschafft hat und nun droht, es in die Luft zu sprengen. Mit ein wenig Geschickt gelingt es Aaro zwar, das Funkverbot zu umgehen und Timo eine Nachricht zu senden, aber mit jeder weiteren Seemeile, die die |Ocean Emerald| hinter sich lässt, gerät das Kreuzfahrtschiff mehr zur tickenden Zeitbombe – und niemand weiß wirklich, was die Bande im Schilde führt und welche Motive hinter dem angedrohten Anschlag stehen …

_Persönlicher Eindruck_

Obschon der Anfang von „Operation: Ocean Emerald“ ähnlich zäh verläuft wie im nachfolgend aufgelegten [„Schwarze Kobra“, 5937 erhält man viel schneller Zugang zu den Hauptcharakteren und lernt derweil auch, den zuletzt eher stumpf ausgearbeiteten Aaro Nortamo relativ bald in seiner Funktion als jugendlicher Hauptermittler und risikofreudiger Held zu akzeptieren – und zu schätzen. Der junge Nortamo handelt zwar manchmal kopflos und hat bei seinen riskanten Manövern auch immer das Quäntchen Glück, das in einem Erwachsenenroman sicherlich nicht so gebündelt auftreten würde, schafft es aber nun viel besser, die Handlung auf seinen Schultern zu tragen.

Remes spielt seinem Liebling diesmal aber auch viel bessere inhaltliche Pässe zu; die gesamte Situation wirkt bedrohlicher, einfach ernsthafter strukturiert, so dass man selbst in den flotteren, actionbetonten Passagen des Romans nicht ständig auf ein Happyend fixiert ist. Die Geschichte bekommt einige unberechenbare Züge, die unter anderem auch auf die akzentuierter ausgearbeiteten Wechsel zurückzuführen sind. Das Blatt wendet sich gleich mehrfach, und auch wenn man mit Aaro mitfiebert, sieht man sich als Leser immer wieder neuen Ausgangssituationen ausgesetzt, durch deren stete Brisanz das Spannungsniveau die gewohnten Remes-Höhen erreicht. Insofern ist bei „Operation: Ocean Emerald“ also schon mal alles im Lot.

Die Story selber bietet ein ganz anständiges Potenzial, wenngleich sie durch die jugendlichere Sprache und die nur geringfügig ausgeprägte Komplexität des Handlungsapparats natürlich noch einmal entschärft wird. Allerdings bekommt man nie den Eindruck, dass hier zunächst die Zielgruppe und erst dann die Story im Fokus stand, als das Manuskript erarbeitet wurde. Und dieser Punkt wirkt sich noch einmal zusätzlich auf die Harmonie aus, mit der die Story voran fließt, und die auch dafür bürgt, dass das komplette Konstrukt schlüssig und – vor dem Hintergrund eines Jugendbuchs – gleichzeitig knallhart ist! Gerade dieser harte finnische Akzent, den Remes in „Operation: Ocean Emerald“ kaum dezenter einarbeitet als in seinen brutaleren Thriller, ist es, der hier den Grundstein für ein typisches Werk dieses Autors legt und dessen gute Handschrift würdig vertritt. Na also, geht ja doch!

Vielleicht ist es daher auch gut, dass der Rezensent die beiden Jugendbücher aus Remes‘ Feder in der genannten Reihenfolge gelesen hat, denn anders herum wäre die Enttäuschung wohl zu groß gewesen. Fakt ist, und das zeigt „Operation: Ocean Emerald“ ganz deutlich, dass der finnische Star-Schreiber sich auch im Jugendbuch-Sektor heimisch fühlt und in seinem ersten Buch vor diesem Hintergrund gleich voll und ganz überzeugt!

http://www.ilkka-remes.de
http://www.dtv.de
http://www.ilkkaremes.com

_Mehr von Ilkka Remes auf |Buchwurm.info|:_

[„Das Erbe des Bösen“ 5468
[„Ewige Nacht“ 2039
[„Das Hiroshima-Tor“ 2619
[„Blutglocke“ 3911
[„Höllensturz“ 3951
[„Hochzeitsflug“ 5689
[„Schwarze Kobra“ 5937

McKenzie, Grant – Stimme des Dämons, Die

_Der Autor_

Grant MKenzie, gebürtiger Schotte, später nach Kanada übergesiedelt und dort als Journalist tätig – nicht sonderlich spektakulär. Doch McKenzie hat auf dem so genannten ‚Deadbody Beat‘ gearbeitet und hatte die hässliche Aufgabe, bei rätselhaften Morden und brutalen Übergriffen als erster Pressemann an Ort und Stelle zu sein. Die Erfahrungen, die er dort in den vergangenen 25 Jahren hat machen dürfen und müssen, erwiesen sich letzten Endes auch als prägend für seine erste Romanarbeit. „Die Stimme des Dämons“ ist nun über den |Heyne|-Verlag auch für den deutschen Markt zugänglich gemacht worden.

_Story_

Für Sam White hätte es ein gewöhnlicher Feierabend werden sollen. Doch als der einstige Schauspieler und nun als Kaufhaus-Security tätige Familienvater nach seinem Nachtdienst nach Hause kommt, ist nichts mehr so, wie es einmal war. Dort, wo am letzten Abend noch sein Haus stand, ist ein riesiger Krater – und die beiden Leichen, die im Inneren gefunden werden, lassen darauf schließen, dass Sams Frau und Tochter während der Explosion ausgelöscht wurden.

Als Sam auf dem Polizeirevier realisiert, dass er vor dem absoluten Nichts steht, klingelt sein Handy. Ein verrückter Psychopath eröffnet ihm, dass seine Familie noch lebt und Sam sie wiedersehen darf, wenn er einige Aufträge für ihn erfüllt und ihm letzten Endes eine Million Dollar verschafft. Mit größtem Respekt vor den Folgen lässt sich White auf den schmutzigen Deal ein und lernt alsbald den ehemaligen Chirurgen Zack Parker kennen, der sich ihm als Partner anvertraut. Denn auch Zack wird vom den brutalen Killer bedroht und gezwungen, sein grausames Spiel mitzuspielen, über Leichen zu gehen und schier alles zu tun, nur um seine Familie wieder zurückzubekommen.

Als Parker und White schließlich kooperieren und ihre Blutspur durch den Untergrund von Portland ziehen, erwecken sie erneut das Interesse der Cops, die ihnen fortan auf den Fersen sind. Als das unfreiwillig zusammengewürfelte Team auf immer heftigeren Widerstand stößt und ihnen gleichzeitig auch die Zeit wegrennt, beschließen sie, in die Offensive zu gehen und ihren Jäger zu überlisten. Mit Hilfe eines Obdachlosen, der mit beiden die Highschool-Bank gedrückt hat, stoßen sie auf erste Spuren und entdecken schließlich, dass es nur allzu logisch ist, dass die Wahl auf sie fiel. Doch mit diesem Bewusstsein sind ihre Frauen und Kinder noch längst nicht gerettet …

_Persönlicher Eindruck_

„Die Stimme des Dämons“ dürfte ein Psycho-Thriller ganz im Geiste des legendären John Saul sein, der nicht nur einmal die seelischen Abgründe des menschlichen Daseins in seinen Geschichten erforschte, sondern auch jederzeit ein gewisses Horror-Flair in seinen Romanen etablierte. Einen ähnlichen Ansatz verfolgt nun auch Grant McKenzie, dessen Debütroman sich einerseits durch ein sehr hohes Tempo, andererseits aber auch durch zwei richtig gute Protagonisten, die zwar ab und zu nicht in Gänze glaubwürdig agieren, dem Leser im Laufe ihres unmoralischen Wettbewerbs aber dennoch ans Herz wachsen.

Die Story als solche hingegen ist zunächst nicht sonderlich originell; einen gestörten Psychopathen, der seine Opfer von einem Schreckensschauplatz zum nächsten jagt, hat die jüngere Thriller-Historie schon mehrfach erleben dürfen, zwei völlig aus dem Leben gerissene Hauptfiguren, die sich in ihrer neuen Situation erstaunlich gut zurechtfinden, ebenfalls. Was macht den Plot bzw. dessen Qualitäten also aus?

Tja, diese Frage lässt sich im Nachhinein nicht vollkommen befriedigend beantworten. Die Auflösung des Backgrounds ist der Brisanz der Story nicht gänzlich würdig, die manchmal schon zu leichtsinnigen Schritte, die unsere Protagonisten beim Kampf gegen das organisierte Verbrechen unternehmen, hingegen wirken zwar gewissermaßen unkonventionell, aber in manchen Passagen der Handlung auch wieder nicht authentisch. Dass Sam in keiner Phase der Story den Kopf verliert, wirkt ebenso wenig glaubwürdig wie die teils recht hilflosen Ermittlungsarbeiten der beiden Cops Hogan und Preston, deren flottes Vokabular aber wenigstens etwas Lockerheit in die Sache hineinbringt. Aber auch hier stellt sich die Frage, ob die zwischenzeitlich eingeworfenen Kommentare für den Spannungsaufbau tatsächlich förderlich sind. Also noch mal: Was macht „Die Stimme des Dämons“ am Ende trotzdem noch zu einer durchweg lesenswerten Geschichte?

Nun, es sind wohl vorrangig das hohe Tempo und die brillant inszenierte Interaktion zwischen den Handelnden. Die Story wird von immer neuen Highlights gezeichnet und gibt dem Leser kaum Anlass zum Verschnaufen. Lediglich das Finale könnte hier noch eine Spur spektakulärer aufbereitet sein, um die Sache rund zu bekommen. Doch abgesehen davon ist McKenzies Roman-Debüt dank seiner reißerischen Elemente ein überzeugender Beitrag zu einem Genre, das von Saul, Koontz und Co. maßgeblich geprägt wurde.

|Originaltitel: Switch
Deutsch von Norbert Jakober
384 Seiten
ISBN-13: 978-3453406797|
http://www.heyne.de

Susan Hill – Der Kampf um Gullywith

Susan Hill, Jahrgang 1942, ist seit beinahe 50 Jahren als Schriftstellerin aktiv. Ihr erster Roman wurde 1961 verlegt und legte den Grundstein für eine Laufbahn, die vor allem in den Siebzigern richtig ins Rollen kam. Nach einer längeren Pause kehrte sie zu Beginn des vergangenen Jahrzehnts zurück, um sich verstärkt dem Krimi/Thriller-Segment zu widmen. Ihre Passion für Kinder- und Jugendbücher ist ihr jedoch immer geblieben. Mit „Der Kampf um Gullywith“ hat Hill wieder diese alte Leidenschaft befriedigt und eine absolut familientaugliche Story konzipiert, die ihr universelles Talent auch nach nahezu fünf Dekaden immer noch unterstreicht.

Story:

Für den jungen Olly bricht eine Welt zusammen, als er erfährt, dass seine Eltern von London in den ländlichen Lake District ziehen wollen. Und seine Vorahnung soll ich nicht täuschen: Das frostige Haus in Gullywith, das seit Jahren unbewohnt ist, macht überhaupt nicht den Eindruck, als könnte es jemals eine Heimat für Olly und seine Angehörigen werden. Als dann auch noch die ersten merkwürdigen Ereignisse die Szenerie erschüttern, drängt Olly darauf, die Gegend zu verlassen. Doch das geheimnisvolle rote Buch, in dem ständig irgendwelche Kapitel verschwinden und wieder auftauchen, strahlt eine unheimliche Faszination auf den Jungen aus. Als sich schließlich auch noch einige Steine in Bewegung setzen und mit ihren Runen offenbar eine Botschaft übermitteln wollen, ist Olly sicher, dass er das Rätsel von Gullywith lösen möchte.

Gemeinsam mit seiner Freundin KK und dem eigenartigen Nonny Dreever geht er den Geheimnissen auf die Spur und entdeckt ein uraltes Mysterium, das von einem fürchterlichen Racheplan kündet. Der Steinkönig, der vor ewigen Jahren mit seiner Burg untergegangen ist, wittert wieder Morgenluft und will sich nun endlich das zurückholen, was ihm seiner Meinung nach zusteht. Und jetzt, wo Olly in seiner neuen Umgebung doch noch Fuß gefasst hat, setzt er alles daran, Gullywith zu verteidigen und den Frieden zu wahren.

Persönlicher Eindruck:

Susan Hill versteht sich darauf, phantastische Geschichten zu schreiben, einfach nur zu erzählen und den Leser in den Fluss der Dinge eintauchen zu lassen. Auch wenn „Der Kampf um Gullywith“ in seiner Präsentation schlichter ist als der klassisch ausgelegte, moderne Fantasy-Roman, so sind die atmosphärische Dichte und die Darstellung des Mysteriösen auf einem unheimlich hohen Niveau, welches in erster Linie von der schlichtweg begabten Wortwahl und der Kunst, bedingungslos zu unterhalten, herrührt – beste Voraussetzungen also für eine fabelhafte Erzählung.

Doch leider ist „Der Kampf um Gullywith“ nicht ohne Fehl und Tadel, gerade was die Prioritäten im Storyboard angeht. Hill ist sehr stark auf die Szenerie fixiert und will den Ort Gullywith ständig im Fokus halten. Es geht um die alten Geschichten, die mysteriöse Vergangenheit, das tragische Drama um den Steinkönig und all die Folgen für die Jetztzeit, aber eben nur relativ selten um die Entwicklung des Protagonisten und der Figuren im Allgemeinen. Olly bekommt nur selten ein echtes Forum, um sein Charakterprofil mal ein Stückchen weiter auszubauen und als Handelnder innerhalb der Erzählung Akzente zu setzen. Er ist die wichtigste Person, zweifelsohne, aber Hill versäu,t es, ihm etwas mehr Individualität zu verpassen, ihn als eingängigen Charakter zu etablieren und – gerade im Jugendbuchsektor ein wichtiger Aspekt – ihn als Helden und Identifikationsfigur zu stärken. Sicher, er ist stets präsent, er führt den aktiven Part der Geschichte an, aber er ist nicht die Person, die die Handlung zusammenhält und die Verantwortung übernimmt, die ein solcher Roman auf sicheren Schultern verteilt wissen will.

Dem gegenüber steht mit dem Standort Gullywith und all seinen verborgenen Geheimnissen ein echtes literarisches Glanzstück, welches mit viel Liebe zum Detail aufbereitet wird. Die Story ist einerseits düster, andererseits aber auch wieder sehr sympathisch ausgearbeitet, so dass die geringe Tendenz zu jedwedem Horror-Thema schnell wieder unter den Tisch fällt – auch wenn sich bei einem vergleichbaren Flair derlei Dinge in der Behausung der Familie zutragen. Hinzu kommen viele gängige Elemente, deren erfrischend modifizierte Verwendung ein weiteres lobenswertes Charakteristikum dieses Buchs ist. Hill stützt sich auf einige bekannte Inhalten, kopiert aber zu keiner Zeit. Insbesondere die Story um die versunkene Burg des Steinkönigs wirkt originell und dank ihrer wendungsreichen Ausführung und der bis zuletzt gut versteckten Details bis in die Haarspitzen spannend.

Spannung – das ist schließlich auch das entscheidende Stichwort: Die kleinen Schwächen der Story würden sicherlich deutlicher zum Tragen kommen, wäre Susan Hill keine so brillante Erzählerin und wäre das Ganze nicht so spannungsvoll in Szene gesetzt. Denn auch wenn die Zielgruppe eher im Bereich der Anfänge der weiterführenden Schulen liegt, also eher die Altersgruppen von 10-14 Jahren, so empfinden auch geübte Semester hier das Prickeln wieder, welches eine überzeugende Handlung vorweisen sollte, und das infolge einer abwechslungsreichen, nicht zu durchsichtigen Geschichte als logische Konsequenz erscheint. Als Letztes gesellt sich noch so manch unkonventioneller Ansatz dazu, weil Hill nicht gegen Drachen kämpft, keine Fantasy-Epigonen verwendet und sich in kürzester Zeit ihre eigene Idee einer phantastischen Welt öffnet.

„Der Kampf um Gullywith“ ist daher eine ganze Menge, an vorderster Front aber ideenreich und kreativ in seinem Grundarrangement. Und trotz leichter Einschränkungen bei den Charakterzeichnungen ist die finale Empfehlung für diesen Roman eine Selbstverständlichkeit, die sich gewissermaßen schon im ersten Kapitel manifestiert!

350 Seiten, gebunden
Originaltitel: The Battle for Gullywith
Deutsch von Leonard Thamm
ISBN-13: 978-3499214943
www.rowohlt.de

Messner, Reinhold – Westwand

In beinahe fünf Jahrzehnten hat Reinhold Messner das Klettern und Extrembergsteigen geprägt wie kaum ein zweiter auf diesem Planeten. Er war Vorbild für historische Alpinisten wie Kammerlander und Krakauer, brach Rekorde, probierte stets Revolutionäres und lebte das von ihm propagierte Prinzip Abgrund 24 Stunden am Tag. Dennoch hat auch die in Südtirol lebende, aufgrund der gelegentlich extremen Meinungen häufig polarisierende Kultfigur in ihrem Leben Situationen erlebt, die bei aller Euphorie über das Geleistete zur persönlichen Einkehr motivierten. Es war sicherlich jener schicksalhafte Abstieg am Nanga Parbat, bei dem Messner seinen Bruder Günther verlor, der hier als prägendes Ereignis und großer Schatten über den Erfolgen stand. Doch auch allerhand kleine Niederlagen machten Messner zu dem, was er heute ist, und was er über Jahre verkörpert hat – so zum Beispiel der Aufstieg über die Westwand des Ortlers, der im Sommer 2004 beinahe zur persönlichen Tragödie geworden wäre.

Als Messner vor mehr als fünf Jahren die gefährliche Route zum König des Vinschgaus wählte, war er sich der Risiken sicher bewusst, nicht jedoch der Dramatik, die das Erlebte später beschreiben sollte. Und es war definitiv einer dieser Momente, in denen der Mix aus Risikofreude und Vernunft ein weiteres Mal zum gesunden Mittelweg fand und Schlimmeres verhinderte. In seinem neuen Buch „Westwand“ schildert der legendäre Alpinist nun die Erfahrungen dieses Aufstiegs und das drohende Ende unter einem bedrohlichen Serac unterhalb des Gipfels. Doch dieses Grenzerlebnis ist schließlich nur der Aufhänger für einen sehr kritischen Blick auf den Leichtsinn im Extrembergsteigen und die, in Messners Augen, Fehlinterpretationen dessen, was das Klettern und den Alpinismus im Allgemeinen ausmacht.

Messner wettert hierbei in erster Linie gegen die widersprüchlichen Schein-Idealisten, die gegen die Erschließung romantischer Bergregionen angehen, während sie hierbei selber die Herrlichkeit der großen Blumenwiesen zertrampeln. Eine Menge Aktionismus und Propaganda für den Umweltschutz ist es auf der einen Seite, eine fehlinterpretierte Umsetzung dieser Projekte auf der anderen, die den Autor und erfahrenen Bergsteiger beunruhigen. Die Berge sind für jeden da, haben aber nach Messners Ermessen ebenfalls das Recht darauf, ihre Mythen zu wahren, nicht von jedem erkundet und erschlossen zu werden – und das ausgerechnet aus dem Mund desjenigen, der seit den 60ern aktiv daran beteiligt ist, dass Erstbegehungen in schwierigsten Gebieten keine Unmöglichkeit mehr darstellen.

Die Frage stellt sich nun, was Messner mit „Westwand“ erreichen möchte. Sicher, eines der elementaren Ziele besteht darin, aufzuwecken, Missstände anzuklagen und auch kräftig auszuteilen. Der Autor spart mit Seitenhieben nicht und hält mit seiner sehr direkten Meinung nicht hinterm sinnbildlichen Berg. Doch wo sind die Lösungen? Statt den selbst gewählten Idealismus auch zielgerichtet zu vertreten und ihn auch konsequent zu transferieren, bleibt Messner ausschließlich auf der anklagenden Spur. Gleichzeitig wird er nicht müde, seine persönlichen Errungenschaften im Berg demonstrativ in den Vordergrund zu stellen und sein bisheriges Handeln als Optimum herauszukehren – und genau dieser Aspekt macht das Geschriebene über weite Strecken unsympathisch und überheblich. Der Finger wird gehoben und eine fast schon politische Debatte zum alpinistischen Umweltschutz initiiert. Und genau dieses Element nimmt „Westwand“ einen großen Teil des erhofften Unterhaltungswertes.

Letztgenannter ist nur selten wirklich ausgeprägt, nämlich genau dann, wenn Messner mal etwas tiefer in seinen Erinnerungen schwelgt und auch jene Mission zum Nanga Parbat anschneidet. Es sind die Erlebnisberichte, die weitaus bewegender sind und als Appell spürbar mehr bewirken als die wiederholte Analyse des permanenten Fehlverhaltens des hiesigen wie extremen Bergsteigers. Und selbst dort ist Messner mit seiner persönlichen Meinung nicht im Reinen. Er verurteilt die Leichtsinnigkeit, schätzt aber die Protagonisten des Free-Climbings, allen voran die Huber-Brüder, für ihre Leistungen und das, was sie für das moderne Bergsteigen bewirkt haben. Doch wo ist da die klare Linie?

„Westwand“ hat seine interessanten Momente und verfügt über die wertvollen, unvergleichlichen Erfahrungen eines Menschen, der seine eigenen Grenzen ebenso ausgelotet hat wie die Grenzen des menschlichen Schweinehunds. Doch das Prinzip Abgrund als Devise funktioniert in Messners neuem Roman nicht wirklich. Zu viel Zeigefinger, zu wenig Entertainment vor extremem Hintergrund – dieser Mann weiß grundsätzlich, wie man ein solches Projekt angeht. Doch in diesem Fall ist die bereits öfter aufgeblitzte Engstirnigkeit wieder einmal ein Hindernis, das für Messner größer zu sein scheint als mancher Achttausender. Und dennoch: Man sollte mal einen Blick riskieren, denn die zahlreichen Bildaufnahmen in „Westwand“ machen das Buch schon wieder fast unersetzlich. Was für ein Zwiespalt …

|224 Seiten, gebunden
ISBN-13: 978-3100494160|
http://www.fischerverlage.de

Schwindt, Peter – Gwydion 04 – Merlins Vermächtnis

Band 1: [„Der Weg nach Camelot“ 2556
Band 2: [„Die Macht des Grals“ 3509
Band 3: [„König Arturs Verrat“ 4195

_Story:_

Längst hat Gwyn begriffen, dass das einst so strahlende Vermächtnis des Königs nicht das ist, was es über Jahre zu sein schien. Artus ist endgültig dem Wahn verfallen und hat sowohl die Moral als auch den Verstand verloren, der ihn einst zum heldenhaften Monarchen aufsteigen ließ.

Während Camelot sich vor dem finalen Angriff durch Artus Erzfeind Mordred fürchten muss, plant Gwyn, der einst als treuer Knappe zu Hofe arbeitete, das Unheil abzuwenden und wieder Frieden nach Britannien zu bringen. Doch der zum Fischerkönig aufgestiegene Jüngling ist verzweifelt, denn nur mit der Hilfe des Heiligen Grals wird er Mordred aufhalten und Camelot retten können – und ohne die Hilfe Merlins, der plötzlich verschwunden ist, scheint Gwyn aufgeschmissen.

Doch die unruhige Kämpfernatur hat in ihren Jahren als Knappe gelernt, dass es sich zu kämpfen lohnt. Gemeinsam mit seinen Verbündeten bereitet Gwyn sich in der magischen Festung Dinas Emrys auf die letzte Schlacht von Camelot vor – und darauf, dass die Gerechtigkeit in dem Maße siegt, wie es die ehrwürdige Tafelrunde von Anfang an beschworen hat.

_Persönlicher Eindruck:_

Mit „Merlins Vermächtnis“ findet eine der interessantesten und besten Jugendbuchreihen der vergangenen Jahre ein insgesamt sehr rasches, in vielerlei Hinsicht aber auch überraschendes Ende. Peter Schwindt, der bereits in den vergangenen drei Ausgaben ein eher ungewöhnliches Bild von der Tafelrunde zeichnete und deren Moral durch die Ummodellierung verschiedener Charaktere erheblich infrage stellte, weicht auch im Abschlussroman nicht von seinem unkonventionellen Ansatz ab. Die üblichen Helden verlieren einen Teil ihrer Anmut, die Geschichte ist bei weitem nicht mehr so heldenhaft, und durch die Tatsache, dass Schwindt einen echten Außenseiter zum Heroen seiner Geschichte gemacht hat, kommt das Ganze doch wieder der Artus-Sage in ihrer ursprünglichen Form nahe – und trotzdem ist es völlig anders.

In Band vier, dem vielleicht düstersten Part der gesamten Story, kommt es nun zum finalen Aufeinandertreffen der entscheidenden Figuren der modifizierten Handlung. Gwyn rüstet sich auf der Suche nach dem Heiligen Gral für den Konflikt in Camelot, Artus hat inzwischen vollends den Verstand verloren, Mordred nähert sich mit seinem zwiespältigen Charakter derweil noch am ehesten seinem klassischen literarischen Vorbild an, und Merlin, der geheimnisvolle Zauberer, wird hier in einen Mystiker verwandelt, dessen Motivation bis zuletzt sehr undurchsichtig ist. Kurzum: Auch in „Merlins Vermächtnis“ erlebt man die Artus-Sage ‚mal anders‘.

Doch genau jener Wagemut zahlt sich auch im abschließenden Teil von Schwindts Komplex deutlich aus. Der Überraschungseffekt der unzähligen Wendungen, die gerade zu Beginn erstaunlich häufig durch den Plot geistern, ist ein ständiger Begleiter, der die Spannung sofort auf das gewohnte Höchstmaß treibt. Dies wird dadurch ergänzt, dass viele Charaktere immer noch kein transparentes Erscheinungsbild aufweisen und ihre Unberechenbarkeit über den größten Teil der Story aufrechterhalten können. Abgesehen davon, dass man den Protagonisten nicht nur auf Schritt und Tritt verfolgt, sondern generell enorm viel über seine ‚Karriere‘ und seinen Aufstieg weiß, bleiben viele Elemente bis zuletzt Unbekannte, was gerade für einen eher jugendlich inspirierten Roman schon ziemlich ungewöhnlich ist – aber an dieser Stelle auch sehr gerne gesehen wird. Lediglich die leider etwas ruckartig absolvierte Schlusssequenz, in der Schwindt das Tempo eigentlich zu stark anzieht, passt hier nicht ganz ins Gefüge, weil die Zeit der Auflösung der vielen Geheimnisse und Intrigen nicht gebührend in Anspruch genommen wird.

Davon abgesehen werden Verfechter des klassischen Zyklus‘ sicher auch mit „Merlins Vermächtnis“ ihre Schwierigkeiten haben. Kritiken bis zum Missbrauch des Namens waren bereits zu lesen, was aber im Gesamtzusammenhang definitiv zu weit hergeholt ist. Denn auch wenn sich der Autor auf die bekannten Figuren stützt und grobe Züge der Originalhandlung adaptiert, strebt er grundsätzlich nicht danach, mit Namedropping zum Erfolg zu kommen. Eher steckt die Motivation, einem ausgelutschten Thema völlig neue Facetten abzugewinnen, hinter diesem Vierteiler, und die Frische, die nun auch der letzte Band der „Gwydion“-Saga nach außen trägt, bestätigt Peter Schwindt ein letztes Mal voll und ganz in seiner hervorragenden Arbeit. Einen würdigeren Abschluss als dieses düstere Finalkapitel hätte man sich kaum wünschen können!

_Fazit:_

Die „Gwydion“-Reihe bleibt bis zum Schluss eine durchweg überzeugend modifizierte Variante der Artus-Sage und punktet im Abschlusskapitel mit weiteren mutigen Wendungen und außergewöhnlich dargestellten Charakteren. „Merlins Vermächtnis“ sowie der gesamte Vierteiler gehören daher auch in jede gut sortierte Jugendbuchsammlung!

http://www.ravensburger.de

Orbanes, Philipp E. – Cir Kis

Nachdem die [„Blokus“-Idee 3105 langsam aber sicher ausgereizt scheint, suchte der Düsseldorfer |Winning Moves|-Verlag in den letzten Monaten nach einer Möglichkeit, das Erfolgskonzept zu modifizieren und mit einem neuen Spielprinzip neu zu beleben. Das Ergebnis dieser Arbeit hört auf den Namen „Cir Kis“ und ist im Grunde genommen eine wenig veränderte Abart des „Blokus“-Systems. Allerdings kommt der strategische Anteil – dies lässt sich nach einigen umfassenden Testrunden ganz klar sagen – noch besser zum Zuge!

_Spielidee:_

In „Cir Kis“ geht es oberflächlich darum, seine 20 Spielsteine möglichst gewinnbringend in die Stern- und Kreisflächen des Spielbretts zu platzieren und gleichzeitig zu verhindern, dass den Mit- bzw. Gegenspielern Ähnliches gelingt. Jeder vervollständigte Kreis und jeder abgeschlossene Stern bringen Punkte, und zwar für denjenigen, der den letzten Stein anlegt (5 Punkte), und für denjenigen, der die meisten Spielsteine anteilig am abgeschlossenen Objekt besitzt (10 Punkte).

Wem es gelingt, als Erster 40 Punkte zu erzielen, der hat das Spiel gewonnen. Alternativ entscheidet sich das Spiel, wenn kein Spieler mehr Steine anlegen kann. Dann gewinnt derjenige mit den meisten Punkten, bei Gleichstand derjenige Spieler, der die wenigsten Steine hat einsetzen müssen.

_Spielmaterial:_

• 1 Spielbrett
• Jeweils 1 Spielregel in Englisch, Deutsch und Französisch
• Jeweils 3 große Segmente in 4 Farben
• Jeweils 3 kleine Segmente in 4 Farben
• Jeweils 2 Keile in 4 Farben
• Jeweils 3 Triangeln in 4 Farben
• Jeweils 3 Drachen in 4 Farben
• Jeweils 2 Pfeile in 4 Farben
• Jeweils 2 Haken in 4 Farben
• Jeweils 1 Würfel in 4 Farben
• Jeweils 1 Splitter in 4 Farben
• Jeweils 1 Zählstein in 4 Farben

Das Spielmaterial kann die deutlichen Parallelen zum verlagseigenen Branchenführer im Legespielbereich nicht leugnen. Sowohl die Farbgebung als auch die Plastikart, aus der die unterschiedlich geformten Spielsteine geformt sind, sind dem Material des „Blokus“-Spiels nachempfunden, was aber auch legitim ist. Immerhin gehört das inzwischen sogar schon preisgekrönte “Cir Kis“ zur unmittelbaren Verwandtschaft und rechtfertigt somit jeden Vergleich – aber auch jegliche Erwartungshaltung. Doch zurück zum Material: Dieses ist zwar relativ bunt und quietschig gestaltet, aber in der Handhabung richtig gut, weil zweckdienlich konzipiert. Mehr braucht es an dieser Stelle auch nicht!

_Vorbereitung:_

Die Spielvorbereitungen sind schnell getätigt. Jeder Spieler erhält die 20 Spielsteine seiner gewählten Spielfarbe sowie den Zählstein, den er in seinen Spielabschnitt auf die Zählleiste setzt. Bei den Spielsteinen empfiehlt es sich, sie nach Formen zu sortieren und sich so einen besseren Überblick zu verschaffen. Die Alternative, das Fach, das in jeder Ecke des Spielbretts zur Verfügung steht, zu nutzen, erweist sich als wenig brauchbar, da man somit schnell übersieht, welche Steine man noch hat bzw. nicht mehr hat. Sobald jeder seine Spielsteine nach seinem individuellen System sortiert hat, beginnt das Spiel.

_Spielverlauf:_

Beginnend mit dem Startspieler legt nun reihum jeder Spieler einen seiner Steine auf dem Spielfeld ab. Dabei gilt es, die Regel einzuhalten, dass der gelegte Stein immer denjenigen Stein berühren muss, der zuvor abgelegt wurde. Das bedeutet, dass man sich immer erst am Zug seines Mitspielers orientieren muss, bevor man selber zur Tat schreitet – und damit ist die Vorausplanung schon einmal deutlich eingeschränkt.

Ziel des Spiels ist es nun, die Kreise und Sterne auf dem Spielfeld komplett zu belegen, denn nur hierbei kann man die rar gestreuten Punkte verdienen. Jedes abgeschlossene Gebilde, egal ob Stern oder Kreis, bringt zehn Punkte für denjenigen, der die meisten Anteile der jeweils fünf Felder einnimmt. Sollte es hier einen Gleichstand geben, werden keine Punkte verteilt. Strategisch wertvoll ist die zweite Option, Punkte einzustreichen, nämlich indem man den letzten Anteil eines Kreises oder eines Sterns anlegt. Wer den Kreis sozusagen schließt, bekommt fünf Punkte. Sollte er jedoch derjenige sein, der hier die meisten Anteile besitzt, werden diese Punkte nicht verteilt – und auch das ist strategisch bedeutsam, denn auch wenn die Endpunktzahl gleich bleibt, kann man dafür sorgen, dass alle anderen Spieler leer ausgehen, wenn ein Objekt geschlossen wird. Und nur auf diesem Wege kann man sich abgrenzen und einen Vorsprung herausschlagen!

Für die taktische Planung noch wichtig: Sobald es nicht mehr möglich ist, einen Stein an den zuvor gelegten anzulegen, darf man ein weiteres Mal legen und sich somit einen Vorteil verschaffen. Außerdem gibt es einen zusätzlichen Zug für denjenigen, der die Scherbe legt, einen Stein, den man nur einmal im Repertoire hat, der nur am Rand abgelegt werden kann, und mit dessen Hilfe man sich über den Doppelzug wieder aus einem Engpass befreien kann. Den letzten möglichen Doppelzug gibt es für denjenigen Spieler, der den Stern in der Mitte des Spielfelds vervollständigt. Aber da sich das Spiel meistens aus der Mitte herausbewegt, da einfach die Gefahr zu groß ist, dass ein Spieler den 15 Punkte starken Mittelkreis schließt.

Sobald nun ein Spieler alle Steine gelegt bzw. die 40-Punkte-Marke geknackt hat, ist das Spiel sofort zu Ende. Auch wenn es nicht mehr möglich ist, dass ein Spieler weiter anlegt, weil die Formen seiner Steine nicht mehr in die Lücken passen, wird das Spiel beendet. Gewonnen hat immer derjenige, der die meisten Punkte abkassiert hat.

_Persönlicher Eindruck:_

Ähnlich wie auch bei „Blokus“ bedarf es mehrerer Partien, bis man die eigentliche Krux des Spiels verinnerlicht und begriffen hat, worauf es tatsächlich ankommt. Zunächst einmal muss man sich einen Überblick darüber verschaffen, in welcher Reihenfolge man seine Steine am besten einsetzt, wie viel Risiko man spielt und wann man zum Beispiel auch mal auf ein paar Punkte verzichtet, wenn man einem Mitspieler dabei einen Zug zerstören kann. Wie sich nämlich schnell herausstellt, ist die primäre Vorgehensweise von „Cir Kis“ sehr defensiv ausgerichtet, da man in jedem vorschnellen Offensivdrang damit rechnen muss, bitterböse ausgekontert zu werden und schlussendlich auch in viel versprechenden Situationen leer auszugehen. Dieser Umstand ist allerdings auch nur bedingt befriedigend, da die Prioritäten ein wenig unausgewogen verteilt sind. Es gibt nur wenige Möglichkeiten im Spielverlauf, aktiv zuzuschlagen und einmal über mehrere Züge zu planen. Alles baut sich sehr spontan auf, so dass es immer wieder zu Überraschungen kommt, auf die man nur relativ wenig Einfluss nehmen kann. Das bedeutet andererseits, dass man vermehrt auch auf das Glück angewiesen ist, wie die anderen einem zuspielen – und genau dieser Aspekt sollte gewiefte Strategen nicht zur Gänze begeistern.

Dennoch: „Cir Kis“ besitzt eine Menge Potenzial im strategischen Bereich, da es Geduld fordert und jedem überhitzten Charakter ganz schnell seine Grenzen aufzeigt. Jeder Schnellschuss wird bestraft, jede Unüberlegtheit entlädt sich in einem eiskalten Konter. Was vielleicht noch etwas mehr Überlegung erfordert hätte, ist die Punkteverteilung, die mit anderem Gewicht etwas günstiger hätte ausfallen können – zumindest ist dies ein Eindruck, der unsere Testrunde nach jeder Partie beschäftigte. Doch davon abgesehen kann man klar sagen: Wer „Blokus“ liebt(e), der wird auch an „Cir Kis“ Gefallen finden – gerade dann, wenn man das Spiel ausreizt und zu viert spielt!

http://www.cirkis.de
http://www.winningmoves.de

Michael J. Reaves – Drachenland

Michael Reaves ist den meisten Science-Fiction-Lesern inzwischen vornehmlich als Verfasser der aktuellen „Star Wars“-Novellen bekannt. Gemeinsam mit dem renommierten Steve Perry erschuf er vor allem in den letzten drei Jahren zahlreiche Geschichten um den Sternenkrieg und konnte sich nach einer ewig währenden Suche nach seiner Identität als Schriftsteller endlich mal langfristig etablieren. Dabei ist Reaves kein Unbekannter mehr; seit mehr als 30 Jahren ist er als Autor tätig, arbeitete mit bekannten Kollegen wie Byron Preiss und Neil Gaiman und hievte einige seiner Titel auf die Bestsellerlisten.

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Remes, Ilkka – Schwarze Kobra

Mit Thriller-Feinklost wie „Ewige Nacht“, „Höllensturz“ und „Das Erbe des Bösen“ setzte sich der finnische Bestseller-Autor Ilkka Remes in der vergangenen Dekade selber ein Denkmal. Wenig komplexe, straighte und richtig harte Kost ist das Spezialgebiet des 1962 geborenen Schriftstellers, der inzwischen ein Abonnement auf die vordersten Listenplätze gebucht hat. Doch Remes kann auch anders: Mit „Operation: Ocean Emerald“ veröffentlichte er vor geraumer Zeit auch seinen ersten entschärften Thriller, speziell für das jugendliche Publikum entwickelt. Dessen Erfolg bestätigte ihn schließlich darin, auch auf dieser Ebene fortzufahren. Mit „Schwarze Kobra“ ist nun sein zweites Projekt für den Jugendbuchmarkt veröffentlicht worden.

_Story:_

Der 14-jährige Aaro Nortamo beschäftigt sich bereits seit einigen Monaten mit der Faszination von Sportwetten und hat hierbei speziell den britischen Markt ins Visier genommen. Mittels eines Internet-Chats lernt er die gleichgesinnte Gemma Dolan kennen und nutzt die Gelegenheit eines Trips zu seiner Tante nach London, um diesen Kontakt weiter auszubauen. Doch bevor sich Aaro versieht, wird er in ein Komplott von verheerender Tragweite hineingezogen. Gemmas Vater plant den Einstieg in ein Atomkraftwerk und möchte mit dem Diebstahl eines Plutoniumstabs die britische Regierung unter Druck setzen. Und ausgerechnet Aaro, dessen körperliche Statur bestens für die Mithilfe geeignet scheint, wird ausgewählt, den Einsatztrupp hierbei zu unterstützen.

Nachdem Gemma ihn in eine Falle gelockt und die Entführung vorbereitet hat, ahnt Aaro allerdings erst, in welchen Skandal er unbewusst hineingezogen wurde. Mehrere Fluchtversuche scheitern, und auch wenn der Sohn des legendären finnischen Kommissars Timo Nortamo die Hoffnung schon fast aufgegeben hat, sieht er noch eine letzte Chance: Er muss Gemma auf seine Seite ziehen und an ihre Vernunft appellieren. Als die Mannschaft schließlich aus eigenen Reihen verraten wird, scheint der verbliebene Rettungsanker tatsächlich zu greifen …

_Persönlicher Eindruck:_

Die eigensinnige Eigenschaft, vor dem Genuss eines neuen Schmökers nicht den Backprint zu lesen, um nicht schon zu viele Details über den Verlauf der Handlung zu erspähen, hat sich im Falle von Ilkka Remes‘ aktuellem Roman als Initiator für etwas Verwirrung entpuppt. Denn nicht der bislang für den Stammleser bewährte Hauptakteur Timo Nortamo nimmt in „Schwarze Kobra“ das Zepter in die Hand, sondern sein erstaunlich reifer, 14-jähriger Sohn Aaro, der zwar schon in „Ewige Nacht“ einen größeren Auftritt hatte, insgesamt aber eher eine Randfigur in den Nortamo-Romanen gewesen war. Ihn nun in die Position des Hauptakteurs zu setzen, birgt natürlich gewisse Risiken, zuvorderst natürlich jenes, dass hier Erwartungen durch den erwachsenen Leser gesetzt werden, die Aaro womöglich gar nicht halten kann – denn in der Tat: den souveränen Protagonisten mimt der Sprössling in dieser Geschichte nicht.

Überhaupt präsentiert sich Remes in „Schwarze Kobra“ nicht in Bestform. Die Story ist definitiv von zu vielen Zufällen durchsetzt, und man muss gerade deshalb immer wieder staunen, wie naiv die Charaktere teilweise agieren und reagieren. An vorderster Front steht natürlich der junge Aaro, der sich nach Strich und Faden vorführen lässt und in die Rolle des Helden, die ihm eigentlich auf den Leib geschneidert werden soll, zu keinem Zeitpunkt hineinwachsen kann. Diese Position übernehmen, wenn auch unfreiwillig, die Schurken, mit denen sich Aaro notgedrungen einlassen muss. Nicht etwa, dass ihr Handeln moralisch vertretbar ist, geschweige denn ihre Aggressionen Lob und Anerkennung verdienen. Doch wenigstens agieren sie zielstrebig und nachvollziehbar und lassen sich nicht in stete Lethargie treiben wie der vermeintliche Hauptdarsteller.

Dieser hat von den Qualitäten seines offenkundigen Vorbilds, seines Vaters, nicht sonderlich viel geerbt. Er verhält sich stets unsicher, unterlegen und ist in seinem Denken oft getrieben und schließlich auch wieder sehr eingeschränkt. Die sich ihm bietenden Fallen nimmt er immer wieder hin, und auch die Naivität, die seinen Charakter prägt, ist nicht das eigentliche Merkmal einer starken Hauptfigur. Kurzum: An Aaro Nortamo hat Ilkka Remes bei der Konzeption dieses Romans keine gute Arbeit geleistet.

Doch auch die übrige Geschichte ist schwammig und beraubt sich durch ihren strikt linearen Aufbau eines großen Teils der möglichen Spannung. Die Wendungen erwecken einen arg sterilen Eindruck, und auch sonst wirken die Entwicklungen der Story von der Stange konstruiert, aber nicht sonderlich originell oder gar fortschrittlich. Zwar legt Remes den Schwerpunkt seiner Handlung am Ende auf das ungleiche Verhältnis zwischen Gemma und Aaro, jedoch kann er sich dies alleine deswegen nicht wirklich leisten, da die Tragweite des Plots sowie dessen brisante Inhalte keine solchen Prioritätenverschiebung dulden. Der Atomtransport wird zwar über viele Kapitel zum Schwerpunkt deklariert, fühlt sich in dieser Position aber nicht sonderlich wohl – und das ist ein Problem, das sich leider durch den kompletten Roman zieht.

Was am Ende bleibt, ist sicherlich eine Spur von Enttäuschung, aber auch die Erkenntnis, dass Remes nicht gut daran tut, ein solch schwerwiegendes Kernthema derart abzuschwächen, dass es trotz seiner Tragweite zur Jugendsache geraten soll. Die Diskrepanzen zwischen Inhalt, Themenwahl und Darstellung sind einfach zu groß, so dass „Schwarze Kobra“ als Lektüre bis zuletzt nie richtig in Fluss geraten will. Sicher, jüngere Leser werden auch das geringe Potenzial an diesem Roman schätzen. Aber wer Remes und dessen Qualitäten kennt, weiß auch, dass der finnische Starautor weitaus mehr draufhat als das, was er in diesem Buch zustande bringt.

|Originaltitel: Musta Kobra
Aaro Nortamo Band 2
299 Seiten, kartoniert
ISBN-13: 978-3-423-71348-1|
http://www.ilkka-remes.de
http://www.dtv.de
http://www.ilkkaremes.com

_Mehr von Ilkka Remes auf |Buchwurm.info|:_

[„Das Erbe des Bösen“ 5468
[„Ewige Nacht“ 2039
[„Das Hiroshima-Tor“ 2619
[„Blutglocke“ 3911
[„Höllensturz“ 3951
[„Hochzeitsflug“ 5689

Edward Rutherfurd – Die Rebellen von Irland (Die große Dublin-Saga, Band 2)

Nach dem erfolgreichen Auftakt  seiner „Dublin-Saga“ war Edward Rutherfurd noch den zweiten Teil schuldig, der die jüngsten Entwicklungen des Landes mit all den politischen Ränken, Glaubenskämpfen und Unabhängigkeitsgesinnungen präsentieren sollte. In „Die Rebellen von Irland“ fasst der Autor die Ereignisse vom 16. bis zum 19. Jahrhundert zusammen, lässt viele gewichtige Weltbürger jeder Zeit zu Wort kommen, erzählt dabei weiterhin die Geschichten des einfachen Volkes, beschreibt aber natürlich auch die Entwicklungen an der Spitze der Gesellschaft und den schwelenden Konflikt zwischen Katholiken und Protestanten. Herausgekommen ist dabei ein Wälzer, der in dieser Form seinesgleichen sucht, aber zu keiner Sekunde überladen wirkt – doch das Fazit gehört wohl noch nicht an diese Stelle …

Edward Rutherfurd – Die Rebellen von Irland (Die große Dublin-Saga, Band 2) weiterlesen

Köhler, Horst (Horn, Guildo) – Doppel-Ich

Er ist der ‚Meister‘, als solcher ein echter Vorzeige-Hippie, der Retter der Nussecken und des deutschen Schlagers, und vor allem hat er uns alle lieb: Guildo Horn ist aufgrund seines gewöhnungsbedürftigen, nicht gerade konventionellen Erscheinungsbilds eine Person, die unfreiwillig polarisiert, der es aber nie darum gegangen ist, die Meinungen zu spalten oder wegen seines auffälligen Äußeren im Rampenlicht zu stehen. Stattdessen ist Horn vor allem als Mensch in Erscheinung getreten, der mit seinen Meinungen nicht zurückhält, der auch unbequeme Themen anspricht, der sich vor allem nicht verdrehen lässt und mit seinem Idealismus immer mehr Leute von sich überzeugt hat.

Dem gegenüber steht aber auch ein sehr sensibler Mensch, eine zielorientierte Person, die für Werte, Traditionen und den Erhalt der Kultur einsteht, die Moral verteidigt, sich aber auch bemüht, sie adäquat neu zu definieren. Kurzum: Dieser Guildo Horn, der eigentlich Horst Köhler heißt und nicht nur einmal mit dem aktuellen Bundespräsidenten verwechselt wurde, ist ein Eigenbrödler, aber ein sympathischer dazu – und dass er viel zu erzählen hat, ergibt sich aus seinem bunten, bewegten Lebenslauf von selbst.

In „Doppel-Ich“ präsentiert Horn alias Köhler seine zweite, bislang oft zurückgehaltene Identität als Privatmensch. Er berichtet von seinem Beruf – oder besser gesagt seiner Berufung – als soziale Kraft in der Arbeit mit geistig behinderten Menschen, spricht von den vielen Vorurteilen, die auch ihm immer wieder entgegengebracht wurden, und vom Kampf gegen die Diskriminierung von Minderheiten. Und wie es seinem Naturell entspricht, bleibt Köhler hierbei sehr gelassen, vermeidet jeglichen Ansatz von Wut und Aggression und formuliert selbst die unliebsamsten Erfahrungen auf positive Art und Weise. Unterdessen beschreibt er wichtige Stationen in seinem Leben, schneidet seine Kindheit an, die Beweggründe für den eingeschlagenen Lebenswandel, kommt immer wieder auf das Minderheiten-Thema zu sprechen, das ihn tagtäglich im Berufsalltag beschäftigt, und orientiert sich erst einmal nicht an der Person, die über das Showbusiness an die Öffentlichkeit getrieben ist und ihn spätestens seit der Grand-Prix-Teilnahme zum Superstar im hiesigen Schlager gemacht hat.

Bis Guildo jedoch ins Spiel kommt, hat man schon so einiges über den Menschen erfahren, der mit der nötigen Entschlossenheit, aber auch mit der so seltenen Authentizität an sein Werk gegangen ist. Natürlich verkündet Horn zwischen den Zeilen sehr stolz, dass er sich mit seinem musikalischen Konzept durchgesetzt hat, ohne zwangsläufig im Strom mitschwimmen zu müssen. Zwar blieben ihm weitere Hits versagt, doch alleine dieser Moment, es geschafft zu haben, mit einem ehrlichen Stück Arbeit an die Spitze gekommen zu sein, wird ausgekostet und mit ein wenig Detailverliebtheit weitergegeben – schließlich ist es wahrscheinlich auch der Knackpunkt gewesen, der überhaupt erst dazu führen konnte, dass das Interesse an diesem Menschen gewachsen ist und diese Biografie überhaupt erst realisiert werden konnte.

Doch was will Köhler/Horn uns nun überhaupt mit der ebenfalls alles andere als normal strukturierten Lebensgeschichte sagen? Steckt tatsächlich eine tiefere Intention hinter „Doppel-Ich“? Tja, sie tut’s, doch sie ist ebenso simpel wie effektiv: Es geht einfach darum zu vermitteln, dass man auch als vergleichsweise unauffälliger Durchschnittsbürger zu etwas kommen kann, wenn man sich nicht verdrehen und ummodellieren lässt, sondern einfach nur ehrlich und selbstbewusst sein Ding durchzieht. Mit dieser Lebensweisheit hat Guildo Horn es zu einer der wichtigsten Personen des letzten Jahrzehnts gebracht, sich bis heute immer wieder im Gespräch gehalten und trotz des Erfolgs immer seinen Standpunkt verteidigen können. Das macht den Sympatico nicht bloß zu einem glaubwürdigen Idol oder einem stillen Helden, sondern auch zu einem der angenehmsten Zeitgenossen, die der Buchmarkt im Hinblick auf die derzeit publizierten Biografien zu bieten hat. Denn was könnte lesenswerter sein als das Leben an sich? Gerade wenn es zeigt, dass Randerscheinungen wie geistige Behinderungen keine Barrieren für ein Miteinander mehr sein müssen …

|Gebundenes Buch, Pappband, 192 Seiten
ISBN: 978-3-579-06990-6|
http://www.randomhouse.de/gvh

Serno, Wolf – Spiel des Puppenkönigs, Das

_Story:_

Berlin im Jahre 1783: Der berüchtigte Puppenspieler Julius Klingenthal möchte sein Glück an der Spree versuchen und mit seinem Puppenspiel vor ein neues Publikum treten. Doch schon bei seiner Ankunft stößt Klingenthal auf Schwierigkeiten: Seine Barschaft wird grundlos in Beschlag genommen, woraufhin seine Karriere vorerst ruiniert scheint. Hilfesuchend wendet sich Julius an Friedrich den Großen und darf sich völlig überraschend tatsächlich auf die Schützenhilfe des Potsdamer Regenten verlassen.

Doch die Freude währt erneut nicht lange. Im Anschluss an sein Anliegen in Sanssouci trifft der Puppenspieler auf einen mysteriösen Fremden, der noch an Ort und Stelle in Julius‘ Armen stirbt. Aus Angst vor möglichen Konsequenzen tritt Klingenthal die Flucht an und hält sich künftig vom Schloss des Herrschers fern. Dabei stößt er auch wieder auf seine einstige Lebensgefährtin Alena, die mittlerweile bei Madame Chattemont eine lukrative Anstellung bekommen hat und ihren Ruf als Klagefrau ablegen kann. Aber auch sie ist nicht restlos glücklich: Im Salon der Madame trifft sich regelmäßig das edle Collegium Artis und präsentiert der jungen Dame ein Leben, das niemals das ihre sein wird.

Nach einer dieser Veranstaltung kommt der russische Fürst Katusow ums Leben – und das neu verbundene Pärchen gerät in Verdacht, in die Sache involviert zu sein. Erneut sieht Julius sein einziges Heil in der Flucht. Als ihm jedoch gewahr wird, dass der Fürst einen ähnlichen Handschuh trug wie auch der arme Kerl, der ein Jahr zuvor in seinen Armen verstorben war, ahnt er eine böse Verschwörung. Gemeinsam mit Alena versucht er die Sache aufzudecken – und begibt sich zum wiederholten Male in äußerste Lebensgefahr!

_Persönlicher Eindruck:_

Es gibt wohl in der ganzen historischen Belletristik kaum einen Autor, der so witzig und flüssig, gleichzeitig aber auch faktisch und informativ schreibt, wie es Wolf Serno nun schon seit Jahr und Tag tut. Seine Geschichten sind die von Hexen, Vagabunden und hauptsächlich Underdogs; sie zeigen die untersten Stände, vornehmlich Vorurteile und Ungerechtigkeiten, aber eben auch den unbändigen Willen, sich als einfacher Mensch nicht unterbuttern zu lassen. Mit dem Puppenspieler Julius Klingenthal hat Serno eine Figur erschaffen, die kaum besser in sein Profil hätte hineinpassen können. Dieses Potenzial hat der Autor sofort erkannt und seinem mittlerweile vielleicht wichtigsten Charakter direkt eine ganze Trilogie gewidmet. Teil zwei hört auf den Titel „Das Spiel des Puppenkönigs“ und ist nicht nur Fortsetzung, sondern auch die raffinierte Weiterentwicklung des Debütbandes.

Die zweite Erzählung um den gewieften Puppenspieler beginnt ähnlich dramatisch, wie die letzte endete. Klingenthal steht erneut vor den Scherben seines Lebens und sieht sich gezwungen, zu einem unkonventionellen, aber nötigen Schritt zu greifen. Fest entschlossen bittet er um eine Audienz bei Friedrich dem Großen und bittet darum, ihn seiner aktuellen Misere zu unterstützen. Alles läuft perfekt, die Unterstützung wird ihm erstaunlicherweise sogar gewährt, doch dann geschieht erneut etwas, das Julius nicht beeinflussen kann, das sein persönliches Dilemma aber noch weiter verschlimmert. Ein unverhoffter Todesfall eines unbekannten Menschen, der auf mysteriöse Weise und ausgerechnet in den Armen des Hauptakteurs erliegt – und schon ist ein komplett neues Fass mit dem Potenzial für eine richtige spannende Geschichte aufgemacht.

Allerdings sind die Geschehnisse vor Sanssouci erst die Saat, die ausgestreut werden muss, um eine weitere, sehr vielschichtigere Story zu erzählen. Es geht um ein fürchterliches Mordkomplott, um Liebe, Emotionen, Verrat, Intrigen, Anrüchiges und zuletzt natürlich wieder um die Cleverness der untersten Gesellschaftskaste, die es den Obrigen mit einer Menge Mut und Risikofreude heimzahlt. An der Spitze natürlich der stets fröhlich-besorgte Julius, der um keinen Streich verlegen ist und viele humorvolle Glanzmomente innerhalb der Handlung hat. So bastelt er geheim eine siebte Puppe, die er Friedrich dem Großen widmet, und treibt fortan Schabernack mit ihr. Aber auch sein Gebaren im Salon von Madame Chettemont ist oft spitzfindig und komisch und gehört zu den zentralen und amüsantesten Inhalten eines sehr abwechslungsreichen, gerade zum Ende auch sehr spannenden Romans.

Dass die Geschichte anschließend sogar noch Inhalte eines historischen Krimis aufnimmt, gepflegtes Rätselraten ob der eigenartigen Mordfälle vom Leser einfordert und sich prompt wieder in einen Serno-typischen Mix aus eigensinniger Gesellschaftsdokumentation, fiktivem, allumfassendem Plot und kurzweiligen themenspezifischen Episoden entwickelt, ist schließlich das i-Tüpfelchen, das „Das Spiel des Puppenkönigs“ aber im Grunde genommen auch schon stilistisch gesetzt hat. Fakt ist: Das zweite Kapitel um den raffinierten Puppenspieler ist eines der Highlights im reich bestückten Katalog des Autors und lässt für den Abschluss der Serie noch einiges erwarten!

|487 Seiten, gebunden
ISBN-13: 978-3-426-19748-6
Taschenbuch: ISBN-13 978-3-426-63545-2|
http://www.droemer-knaur.de
http://www.wolf-serno.de

_Mehr von Wolf Serno auf |Buchwurm.info|:_

[„Hexenkammer“ 1820
[„Der Balsamträger“ 2298

Zachert, Christel – Mein Weg auf den Kilimandscharo

Christel Zachert ist eine Kämpfernatur, als solche durch Höhen und Tiefen gegangen, aber nie so weit gelangt, den Glauben an sich selbst zu verlieren. Vor 25 Jahren verstarb ihre Tochter im Alter von gerade mal 15 Jahren an Krebs und gab ihr jeden Grund, die Hoffnung am Leben aufzugeben. Auch die Misere ihres Sohnes Christian hat ihr schwer zu schaffen gemacht, sie aber nicht zu Boden gerissen. Doch Zachert hat zeit ihres Lebens auch eine gesunde Stütze: Ihr Ehemann Hans galt in der Position des BKA-Präsidenten als einer der mächtigsten Beamten in der gesamten Republik, sie wiederum stand als Finanzberaterin im gehobenen Dienst ebenfalls auf sicheren Beinen.

Christel Zachert ist zudem vor allem eines: eine sehr selbstbewusste Frau. Aus eigenem Engagement hat sie eine Stiftung für krebskranke Kinder gegründet und ein Camp für diese Menschen errichtet, das seit der Gründung auf eine finanzielle Stütze von beinahe einer Million Euro bauen kann. Doch die inzwischen 67 Jahre alte Dame ist mit ihren Träumen längst nicht am Ende. Während eines Vortrags in ihrem Betrieb wurde sie auf das Kilimandscharo-Programm von Hubert Schwarz aufmerksam, welches vor allem Leuten im gesetzten Alter noch beweisen soll, dass man Grenzen überschreiten kann, die unerreichbar scheinen. Vor zwei Jahren ließ sie sich schließlich nicht mehr von der Idee abbringen, dieses Projekt selber anzupacken und ihre alte Liebe fürs Bergsteigen in einem finalen Gewaltakt neu entflammen zu lassen. Nach intensiver Vorbereitung und vielen Abwägungen erreichte Christel Zachert im September 2007 den Gipfel des höchsten Berges Afrikas. Mit ein wenig Distanz veröffentlicht sie nun ihren aufschlussreichen Reisebericht, der vor allem ein Ziel verfolgt, nämlich allen Menschen zu zeigen, dass man für seine Träume kämpfen und einstehen muss, damit sie schlussendlich auch realisiert werden können.

Zachert verfolgt dabei einen sehr offenen Schreibstil, der auf Anhieb ein sehr buntes Publikum ansprechen sollte. Die Autorin verbirgt nicht sonderlich viel Privates, spricht über ihre Vorlieben und Wünsche, reflektiert aber auch in kurzen Zügen sehr positiv ihr Leben, das trotz der herben Schicksalsschläge nie aus dem Ruder gelaufen ist. Flink wechselt sie schließlich zur Verwirklichung eines spät entwickelten Lebenstraums und beschreibt vorab die Umstände, die das Kilimandscharo-Projekt erst angeleiert haben. Zachert redet von Bedenken, dem schlechten Gewissen ihrem körperlich nicht mehr ganz so leistungsstarken Mann gegenüber, andererseits aber auch von ihrer ungebändigten Motivation und ihrer persönlichen Fitness, die sie schließlich auch auf den Gipfel treiben sollen.

Dementsprechend ist das eigentliche Kernthema des Buches auch nicht zwingend die beschwerliche Tour zum Gipfel, sondern vielmehr eine Aufforderung an die ältere Generation, jeglichen Antrieb zu nutzen und sich nicht von den Klischees der alternden Knochen unterkriegen zu lassen. Es ist vor allem der Lebensmut, mit dem die Autorin dies beschreibt, der hier prägend ist und auch später haften bleibt, quasi als Motivationsstütze für den angesprochenen Leser. Und daher ist „Mein Weg auf den Kilimandscharo“ auch kein typischer Erlebnisbereicht, sondern einfach eine Art persönlicher Message, verpackt in die Schilderung einer Reise mit einem ungewöhnlichen, beeindruckenden Ziel.

Nichtsdestotrotz: Wer ein bisschen etwas über die Gegebenheiten im Grenzgebiet von Tansania und Kenia erfahren möchte, ein paar Eindrücke von der dortigen Berglandschaft sammeln mag und auch eine grobe Vorstellung davon bekommen will, wie sich eine solche Tour organisiert und was zu beachten ist, der findet hier auch die nötige Inspiration, ergänzt von einigen Erfahrungsberichten von der Basis und einer sehenswerten Fotostrecke aus dem Herzen Afrikas – und natürlich die sympathischen Geschichten, die Zachert über sich und die beteiligte Wanderschaft erzählt.

Am Ende ist „Mein Weg auf den Kilimandscharo“ zwar nur ein sehr kurzes Vergnügen, aber auf jeden Fall eine nette, unterhaltsame Lektüre, die locker darüber berichtet, was es erfordert, seine Träume zu realisieren und seine Grenzen kennen zu lernen. Nicht zuletzt wegen des schlichtweg freundlichen Erzählstils entfällt daher auch die Limitation auf bestimmte Lesergruppen, was den Titel gleich noch empfehlenswerter macht.

|143 Seiten, gebunden
ISBN-13: 978-3-86506-310-6|

Brendow Verlag

Barclay, James – dunkle Armee, Die (Die Kinder von Estorea 3)

Mit [„Der magische Bann“ 5706 war die Geschichte um die Aufgestiegenen bzw. den Krieg zwischen der estoreanischen Konkordanz und dem Königreich von Tsard zunächst abgeschlossen. Die Konkordanz konnte den Sieg davontragen, das Gleichgewicht in Estorea wurde wiederhergestellt, und auch die Stellung der als abtrünnig geltenden Kinder Westfallens hatte sich im Zuge dessen verbessert. Warum aber hat Autor James Barclay den Strang so zielstrebig auf ein Finale zusteuern lassen? Gute Frage, nächste Frage …

Nun, wer Barclays Raben-Legenden jedoch kennt, weiß, dass der gute Herr immer noch genügend Ideen im Hinterkopf hat, um eine in sich vollendete Geschichte noch einmal völlig aus ihren Fugen zu reißen und mit noch eleganter passenden Puzzleteilen neu zusammenzuflicken. Ähnliches hatte der Mann hinter „Die Kinder von Estorea“ auch im dritten Band im Sinne, der sich zehn Jahre nach den bedeutungsschwangeren Ereignissen in Estorea ansiedelt. Wie nämlich erwartet, ist „Die dunkle Armee“ der Auftakt einer noch viel größeren Sache …

_Story_

Seit dem Sieg über die Legionen aus Tsard ist in Estorr wieder Frieden eingekehrt. Mit Eifer arbeiten die verbliebenen drei Aufgestiegenen in speziellen Akademien daran, ihr Erbe weiterzugeben und den Aufstieg zu vervollkommnen. Zur gleichen Zeit meldet sich aber auch ihr einstiger Bruder Gorian zurück. Dieser hat in den letzten Jahren sein Bündnis mit dem Tsardonischen König ausgeweitet und unterdessen auch seine magischen Fähigkeiten kontinuierlichen verbessern können. Während die Spannungen innerhalb der Konkordanz einen neuen Höhepunkt erreichen und Advokatin Del Aglios ständig mit der Kanzlerin wegen der Berechtigung des Aufstiegs in Konflikt gerät, streut der letzte Aufgestiegene eine faule Saat aus und kreiert eine wahrhaftig tödliche Waffe. Gorian besitzt nunmehr die Fähigkeit, die Toten zu erwecken und über ihre leblosen Körper zu verfügen. Die nichtsahnenden Vertreter der Konkordanz müssen hilflos mit ansehen, wie Teile ihres Herrschaftsgebiets von einer Armee der Toten niedergerannt werden, die sich dabei beständig vergrößert, indem sie sich die Überlebenden ihrer Opfervölker gleich einverleibt.

Roberto Del Aglios und seine engsten Verbündeten Dina Kell und Pavel Nunan kämpfen an vorderster Front gegen die finstere Armee, müssen jedoch hilflos mit ansehen, wie ihre eigene Legion Stück für Stück dezimiert wird. Selbst die Aufgestiegenen wissen keinen Ausweg mehr, zumal sich Gorian die Dienste seines Sohnes Kessian gesichert hat. Noch während die Konkordanz auf politischer Ebene völlig auseinanderzubrechen droht, marschiert Gorians Heer Richtung Estorr, um das wankelmütige Reich endgültig zum Einsturz zu bringen – und seine einstigen Gefährten auf grauenvolle Art und Weise zu vernichten …

_Persönlicher Eindruck_

Obschon es eigentlich tunlichst vermieden werden sollte, „Die Kinder von Estorea“ mit den beiden Raben-Zyklen aus Barclays Feder zu vergleichen, drängt sich eben jener Vergleich nun zum ersten Mal richtig penetrant auf. Denn gerade in “Die Legende des Raben“ galten bereits mehrere Stränge als endgültig und final, wurden dann aber wieder neu aufgerissen und komplett durcheinandergewirbelt. Genau diesen Schritt wagt der Autor nun auch in „Die dunkle Armee“, wenngleich etwas besser vorbereitet und mit deutlich geringerem Überraschungseffekt.

Der Zeitsprung, den die Handlung vollzieht, scheint aber dennoch sehr gewagt, da sich die Situation in den letzten Bänden erheblich zugespitzt hatte und es nun nicht gänzlich glaubwürdig klingt, dass die Entwicklungen in Estorea nur noch vergleichsweise langsam voranschreiten. Zwar ist es nachzuvollziehen, dass Gorian eine ganze Weile braucht, um sein intrigantes Spiel anzuzetteln und seine Macht zu erweitern, und ebenso scheint es verständlich, dass sich die Konkordanz neu ordnen und aufstellen muss, um nicht in ihrem eigenen politischen Sumpf zu ersticken. Und dennoch ist diese Dekade ein großer, in der Relation nicht mehr ganz so überschaubarer Zeitraum, der letzten Endes etwas ungünstig gewählt scheint.

Im Zusammenhang mit dem, was sich in „Die dunkle Armee“ schließlich zuträgt, sind solche analytischen Diskussionen allerdings eher Erbsenzählerei, da Barclay in Windeseile ein riesiges neues Fass aufmacht und einen neuen Story-Komplex ankurbelt, der in seiner Machart ebenfalls an den Raben erinnert, aufgrund der vielen authentisch anmutenden Ereignisse aber stellenweise noch ergreifender geschildert wird. Handelte es sich bei seinen legendären Zyklen in erster Linie um reine Fantasy-Werke, die zu großen Teilen auf den typischen Inhalten der modernen Phantastik beruhten, manifestiert sich in diesem dritten Roman nun immer mehr der Eindruck, dass „Die Kinder von Estorea“ trotz des fiktiven, ebenfalls phantastischen Settings viel näher an der Realität orientiert ist. Das ausgeklügelte politische System, das immer mehr an Bedeutung gewinnt, spielt hier ebenso eine Rolle wie die Zeichnungen der Charaktere. Aber auch die beklemmende Situation, in die das Land und die bekannten Figuren hier hineingeraten, wirken zusehends mehr der Realität entsprungen und heben sich ganz klar von den viel zitierten traditionellen Elementen der modernen Fantasy ab.

Die Frage für den aktuellen Roman lautet nun, inwiefern diese Entwicklung gut ist und wie sie sich auf den Verlauf der Geschichte auswirkt. Doch gerade hier kann man ein ausschließlich positives Resümee ziehen, da der gesamte Komplex noch viel dichter und intensiver erzählt wird und die einzelnen Stränge noch ein deutlich größeres Potenzial aufweisen als der Krieg gegen die Tsardonier in den ersten beiden Bänden. Die Hauptdarsteller sind inzwischen enge Vertraute, das politische Wirrwarr hat man endlich durchschaut, und auch die Rollen der vielen Würdenträger in Estorea sind geklärt. Insofern hatten die letzten beiden Bücher rückblickend eher die Funktion einer Einleitung zu den Ereignissen, die sich nun hier in „Die dunkle Armee“ zutragen, dies natürlich sehr ausführlich und sehr spannend geschrieben und in letzter Instanz auch sehr überzeugend umgesetzt, aber eben auch noch steigerungsfähig – und damit sind wir nun beim zweiten Doppelpack, der mit dem dritten Band beginnt und in „Die letzte Schlacht“ das hier bereits vorbereitete Finale präsentieren wird.

Die gesamte Story ist noch viel umfassender als das Plot-Konstrukt der ersten Romane. Die Fehden verlaufen sich in weitreichendere Instanzen, die Konfliktparteien kämpfen wegen undurchsichtigerer Motive, und die Erzählung selber wird viel härter und aggressiver, da die Schlachten hier schonungsloser und ohne jegliche Rücksicht ausgetragen werden. Dennoch spielt Barclay seine Stärken dieses Mal nicht in erster Linie auf dem Schlachtfeld aus, sondern vermehrt auf der emotionalen Ebene. Die zwischenmenschlichen Schauplätze bekommen weitaus mehr Beachtung und werden teilweise sehr dramatisch geschildert. Hass, Verzweiflung, Wut, Trauer, Vertrauen und Treue gelten zu den wichtigsten Grundlagen der Story und sind immer wieder Aufhänger für die zahlreichen, ineinander verwobenen Konflikte innerhalb des Plots.

Dabei soll natürlich nicht vergessen werden, dass der Krieg in einem neuen Ausmaß begonnen hat und die bislang noch nicht so aktiv in Erscheinung getretenen Protagonisten ein viel größeres Forum bekommen, allen voran Gorian Westfallen. Aber auch der bislang sehr unklare Einfluss der Kanzlerin wird deutlich, die Religion gerät näher in den Fokus, und während sich Tsardonier und die Legionen der estoreanischen Konkordanz ein weiteres Mal auf den Feldern gegenüberstehen, gewinnen die hintergründigen Geschichten immer mehr an Bedeutung.

Das Ergebnis ist einmal mehr beeindruckend und ein blendendes Beispiel dafür, wie man die moderne Fantasy interpretieren kann, ohne dabei einzig und alleine auf die klassischen Elemente der Phantastik zurückgreifen zu müssen. Mit „Die dunkle Armee“ hat der Vierteiler in seiner Intensität ein völlig neues Gesicht bekommen und eine Form gefunden, die sich endlich auch wieder mit dem „Raben“ vergleichen lässt.

|Originaltitel: A Shout for the Dead (Teil 1)
Übersetzt von Jürgen Langowski
Mit Illustrationen von Paul Young
Redaktion: Rainer Michael Rahn
Paperback, Broschur, 464 Seiten|
http://www.heyne.de
http://www.theascendants.co.uk
http://www.ravengazetteer.com
http://www.jamesbarclay.com

_James Barclay auf |Buchwurm.info|:_

|Die Chroniken des Raben|:

[„Zauberbann“ 892
[„Drachenschwur“ 909
[„Schattenpfad“ 1386
[„Himmelsriss“ 1815
[„Nachtkind“ 1982
[„Elfenmagier“ 2262

|Die Legenden des Raben|:

[„Schicksalswege“ 2598
[„Elfenjagd“ 3233
[„Schattenherz“ 3520
[„Zauberkrieg“ 3952
[„Drachenlord“ 3953
[„Heldensturz“ 4916

|Die Kinder von Estorea|:

[„Das verlorene Reich“ 5328
[„Der magische Bann“ 5706

Schöwe, Andreas – Wacken Roll

Die 20-jährige Jubiläum des mittlerweile renommiertesten Heavy-Metal-Events weltweit wurde gerade erst ansprechend gefeiert, da gibt es auch schon die erste Nachlese zum |Wacken Open Air|. Niemand Geringerer als Edelstahl-Verfechter Andreas Schöwe, der fast parallel zur Etablierung des Festivals seine Tätigkeit beim deutschen |Metal Hammer| begonnen hat, lässt in seiner neuen Publikation „Wacken Roll“ zwei Dekaden auf den heiligen Äckern in der norddeutschen Gemeinde Revue passieren – und schafft damit einen weiteren groben Abriss über das, was dieses Fest auszeichnet, und was die Faszination |Wacken| für die gesamte Szene bedeutet.

Die knapp 300-seitige Analyse verschwendet zu Beginn keine Zeit an heroischen Einleitungen oder großen Lobeshymnen. Nach einer kurzen Dokumentation über die historische Entwicklung der Gemeinde Wacken gibt es kompakte Kurzreviews über die einzelnen Festivaljahre und all die Problematiken, die sich den beiden Organisatoren Holger Hübner und Thomas Jensen entgegenstellten. Da erfährt man von finanziellen Desastersituationen, mit letzter Kraft verhinderten Festivalabbrüchen, ungünstigen Kooperationen und einer Menge Ärger und somit von Seiten, die man heute kaum noch mit dem Trademark W:O:A in Verbindung bringen würde. Gerade die ersten Jahren waren für die beiden Köpfe des Wacken-Teams eine lehrreiche Zeit, die mit dem hartnäckigen Durchhaltevermögen der Herrschaften Jensen und Hübner nie überstanden worden wäre.

Dass Schöwe in seinem geschichtlichen Querschnitt also auch genau das betont, was man nicht eh schon in hundert anderen, vergleichbaren Publikationen gelesen hat, macht die Sache interessant. Dennoch schleicht sich in diesem ersten, ziemlich ausführlichen Kapitel schon das Manko ein, das sich auch im weiteren Verlauf durch das Buch ziehen soll: Das Gros der Artikel ist kurz und bündig gehalten, beinahe gänzlich ohne Tiefgang und als Aufbereitung einer zwei Dekaden andauernden Story ein wenig dürftig – weil oberflächlich. Die Aufzählung der Bands mancher Editionen ist nämlich letzten Endes ebenso wenig spannend wie das faktische Resümee, dass die Zuschauerzahlen von Jahr zu Jahr zugelegt haben.

Die inhaltliche Oberflächlichkeit kratzt aber löblicherweise nur bedingt am Unterhaltungswert von „Wacken Roll“, was daran liegt, dass Schöwe allerhand mehr oder minder betroffene Persönlichkeiten vors Mikro zehrt und ihnen Meinungen und Anekdoten zum Geschehen in der so genannten Kuhle entlockt. Götz Kühnemund als Chefredakteur des |Rock Hard| kommt ebenso zu Wort wie des Autors Kollege Thorsten Zahn vom |Metal Hammer|. Aber auch zahlreiche Musiker dürfen sich zu ihrem Verhältnis zum |Wacken Open Air| outen, darunter Namen wie Bobby Ellsworth, Jörg Michael, Kai Hansen, Silenoz, Jon Oliva und Gary Holt.

Zuletzt gibt es auch noch einen Abschnitt, der ausschließlich den Fans gewidmet ist und ihre ganz besondere Verbundenheit mit dem Event selber, also nicht zwingend mit dem jeweiligen Billing, zum Ausdruck bringt. Das W:O:A und seine ganz unterschiedlichen Supporter bekommen ein recht großes Forum, das auch genutzt wird, um den vielleicht interessantesten Teil des Buches zu füllen. Und das ist auch gut so, denn wie Jensen und Hübner wohlweislich betonen, wäre das Open Air nichts ohne seine Fans – und die werden auch im kommenden Jahr wieder in Herrschaften im höheren fünfstelligen Bereich zu den Weiden im hohen Norden pendeln!

Summa summarum ist „Wacken Roll“ zwar sicherlich kein besonderer Buch-Release, da viele Inhalte nur das zusammenfassen, was man in groben Zügen eh schon über das Festival weiß. Doch Schöwe hat einen sehr unterhaltsamen, sympathischen Stil und schafft es auch ohne den entscheidenden Tiefgang, seine Leser bei der Stange zu halten, was man bei all den verschiedenen Abrissen zu diesem Spektakel bereits als Auszeichnung verstehen sollte.

|271 Seiten
ISBN-13: 978-3854453048|
http://www.hannibal-verlag.de

Stalner, Eric – Legende von Malemort, Die – Band 2: Das Tor des Vergessens

Band 1: [„Unter dem Mondlicht“ 5823

_Inhalt_

Die Inquisition nimmt für Anthea und ihren neuen Gefährten immer groteskere Züge an. Der fanatische Prediger Aymon de Montgarac schwört das Volk auf seine Lehren ein und lässt im Hinblick auf Ketzerei und Unfolgsamkeit brutale Taten sprechen. Doch Aymon und sein führender Scherge Galart werden aus ihren herrschaftlichen Träumen grob herausgerissen, als Graf Colbus de Malemort sich wieder zeigt, jener Untote, der sich seinerzeit mit Arnulf und Malperthuis gegen die Inquisition auflehnte und auf dem Scheiterhaufen landete.

Colbus‘ Rückkehr hat für seine Verfechter jedoch schwere Folgen: Arnulf und Anthea folgen Frau Agnes und Malperthuis in die Gefangenschaft, wo ihnen ein grausamer Tod in den unterirdischen Verliesen des Inquisitors widerfahren soll. Und tatsächlich ergibt sich in den unbelebten, höllischen Kerkern ein Bild des Schreckens. Ausgezehrte Gestalten und die fehlende Hoffnung auf einen Ausweg treiben Anthea schließlich in den Wahnsinn. Doch während sich die schöne Kämpfernatur schon geschlagen gibt, zieht Colbus bereits im Hintergrund die Fäden, um seine alten Gefährten und deren neue Verbündete zu befreien …

_Persönlicher Eindruck_

Es geht voran, erfreulicherweise und zudem mit einer ordentlichen Tempoforcierung. Nachdem der erste Band von Stalners neuer Comic-Reihe „Die Legende von Malemort“ noch einen relativ verhaltenen Einstieg lieferte, werden die vielen kleinen Tücken der Handlung in „Das Tor des Vergessens“ nun schon ein ganzes Stück transparenter dargestellt, so dass die anfänglichen Verwirrungen hier bereits peu à peu aufgehoben werden. Außerdem werden die Verhältnisse unter den einzelnen Protagonisten nun deutlicher; einmal, weil Colbus als Hauptakteur entschiedener in den Plot einschreitet, andererseits aber auch wegen der weitaus durchschaubareren Darstellung der inquisitorischen Gegenseite. Mit Aymon de Montgarac hat Stalner einen klassischen Bösewicht entworfen, ihm mit Galart einen waschechten Fiesling zur Seite gestellt und somit das Gegengewicht zur betont kämpferischen Fraktion der Inquisitionsgegner sehr schön in die Story eingegliedert.

Letztere entwickelt sich derweil immer mehr zur Abenteuergeschichte, die im zweiten Band entschieden mehr Tiefgang aufbaut, im gleichen Maße aber auch im Action-Bereich zulegt. Statt sich auf die philosophische Seite der Kreuzzug-Ableger zu beziehen, lässt der Autor lieber Handgemachtes sprechen. „Das Tor des Vergessens“ zahlt es mit einer angenehmen Lebendigkeit, vielen raschen Wendungen, erstaunlicherweise aber auch mit einer Reduzierung der zuletzt noch von mir angeprangerten Hektik zurück. Die zweite Episode wirkt gefestigter, insgesamt auch souveräner als das leidlich durchwachsene Debüt, was schließlich auch in einer viel homogeneren Einheit von (diesmal nicht mehr ganz so beklemmender) Atmosphäre und Inhalt resultiert. Und dabei ist gerade bei den Stimmungen und Emotionen in „Das Tor des Vergessene“ eine ganze Menge geboten.

Zu guter Letzt hat sich Stalner auch bei den Zeichnungen noch einmal steigern können. Dies hat sicher damit zu tun, dass die Action-Sequenzen schlichtweg mehr Details erfordern, ist aber auch generell darauf zurückzuführen, dass die Gesamtdarstellung einfach stimmiger ist. Damit hat der Autor und Zeichner schließlich die Erwartungen erfüllt und die ersten Befürchtungen größtenteils in den Wind geschossen. Zwar ist „Die Legende von Malemort“ in vielerlei Hinsicht immer noch ausbaufähig – manches Geheimnis wird im zweiten Teil beispielsweise etwas zu schnell aufgelöst -, aber im Hinblick auf den Unterschied, der sich im direkten Vergleich mit dem Vorgängerband ausmachen lässt, bedarf es hier keiner verschärften Kritik mehr. Und das darf man sicher nicht als selbstverständlich empfinden!

Zum Schluss noch eine erfreuliche Info: Der |Splitter|-Verlag hat sich bei diesem Zyklus für eine monatliche Veröffentlichung entschieden. Das bedeutet, dass dank der verkürzten Wartezeiten „Die Legende von Malemort“ bereits im Dezember komplett erhältlich sein wird.

|Originaltitel: Le Roman de Malemort – La port de l’oubli
48 Farbseiten, gebunden
ISBN-13: 978-3-86869-022-4|
http://www.splitter-verlag.de

Fructus, Nicolas – Thorinth 1: Der Narr ohne Namen

Debütarbeiten auf dem Comicmarkt sind jederzeit eine spannende Sache. Anders als nämlich im bevölkerten Belletristik-Segment lässt sich hier schon viel deutlicher die eigentliche Marschrichtung eines Autors ableiten und somit auch die ihm eigene Kreativität bzw. ein möglicher Hang zur Risikobereitschaft. Im Falle von Nicolas Fructus sind all diese positiven Attribute definitiv vorhanden. Seine erste Serie „Thorinth“ ist ein sehr eigenartiges Phantastik-Gebilde, das strukturell sehr unkonventionell aufgebaut ist und auch inhaltlich eine sehr eigenwillige Mischung aus Philosophie, Science-Fiction, Fantasy und actionreichem Drama abgibt. Oder etwas konkreter: Fructus begibt sich direkt mit seinem ersten Werk auf einen sehr innovativen Weg und gehört – so viel vorab – für seinen Wagemut auch belohnt!

_Inhalt_

Amodef, seines Zeichens Mitglied der Pellegren, die das menschliche Gehirn erforschen, plant den Bau eines gigantisches Turmes, in dessen Labyrinthen er fortan ungestört seiner Arbeit nachgehen kann. Doch die neidische Architektin Esiath missbraucht das Projekt für ihre eigenen Zwecke und treibt das Volk der Pellegren in den Abgrund, als sie einen Golem formt, der mit einem Schlag die Seelen aller Wissenschaftler in der näheren Umgebung aufsaugt – bis auf diejenige Asmodefs, der infolge dessen spurlos verschwindet.

Jahrzehnte später ist Thorinth das Zentrum des menschlichen Chaos‘: Verrückte und verwunschene Seelen werden hierhin verstoßen und gezwungen, sich der Herrschaft des aus dem Golem hervorgegangenen Narrenwächters unterzuordnen. Dieser wiederum wird von den Schnuffels kontrolliert, kleinen Wesen, die sich mit den Insassen verbündet haben, gegen die Ausbrüche des Wächters aber dennoch machtlos sind. Eines Tages dringt ein Mann in Thorinth ein und stellt das innere Gefüge komplett auf den Kopf. Auf der Suche nach seiner Frau Madalis Temroth gerät er mehrfach ins Abseits, erfährt aber immer wieder die Gnade des mutierten Golems. Dennoch soll er gerichtet werden, da die merkwürdigen Verhaltensweisen des Mannes von der Obrigkeit im Turm nicht länger geduldet werden …

_Persönlicher Eindruck_

Wow – hier reift etwas ganz Großes heran! Bereits die ersten Eindrücke dieses hierzulande mit arger Verspätung aufgelegten Fünfteilers („Thorinth“ wurde im Original schon 2002 veröffentlicht) sind gewaltig. Fructus hat hier in wenigen Zügen ein enorm weitreichendes Konzept erstellt, dessen philosophische Anteile hier hinter einem actionreichen Hauptstrang versteckt werden und sich dort mit einer unterschwelligen Gesellschaftskritik mischen, die hier in erster Linie den Missbrauch der Schöpfungsgeschichte betrifft. Doch nicht nur der Komplex im Allgemeinen, sondern auch die einzelnen Fragmenten der Handlung an sich sind sehr detailliert ausgearbeitet und bringen den Leser trotz der nicht abzusprechenden Vertracktheit der Erzählung ziemlich weich in die Geschichte um den Labyrinth-Turm hinein.

Dort wiederum mischen sich die verschiedenen Elemente aus Science-Fiction und Fantasy mit einem Dramen-Szenario à la „Running Man“, monströsen Szenarien im „Dune“-Style und Maskeraden, die auch einem George Lucas gut gefallen könnten. Fakt ist, die Szenerie ist kunterbunt, aber dennoch nicht überladen, weil Fructus das Ganze sehr zielorientiert vorantreibt, nur wenige Einschnitte zulässt und sich nach der ausführlichen Einleitung um das Schicksal Asmodefs nahezu ausschließlich auf die Geschichte des namenlosen Protagonisten konzentriert.

Dieser wiederum ist als Hauptfigur ähnlich ungewöhnlich wie die Handlung als solche, in seinem Vorgehen selten transparent, aber dabei von einer mythischen Aura umgeben, die einen nicht geringen Teil der Faszination einnimmt, die allgemein über „Thorinth“ schwebt. Diese sonderbare, kaum greifbare Atmosphäre, das andersartige, beklemmende Setting, die merkwürdigen inhaltlichen Umbrüche und überhaupt so viele einzelne Aspekte ergeben in ihrer kombinierten Form etwas Außergewöhnliches, dem man schon zum Debüt anmerkt, dass sein Potenzial selbst über das Überdurchschnittliche hinausgeht. Zwar erfüllt „Der Narr ohne Namen“ gewissermaßen auch erst mal nur den Part eines klassischen Auftaktbandes, dies jedoch mit einer Präzision und Detailfülle, die zu diesem Zeitpunkt einer neuen Serie schon ungewöhnlich hoch ist.

Kurzum: Einen besseren Einstand in die Comic-Szene hätte sich Fructus kaum ermöglichen können. Umso dümmer also, dass erst sieben Jahre nach Erstveröffentlichung ein deutscher Vertrieb gefunden wurde – oder Gott sei Dank, wie man nun will …

|Originaltitel: Thorinth: Les fou sans nom
56 Farbseiten, gebunden
ISBN-13: 978-3-86869-032-3|
http://www.splitter-verlag.de