Alle Beiträge von Maike Pfalz

Buchwurm, seit ich lesen kann :-)

Fischer, Claus Cornelius – Und vergib uns unsere Schuld

Eigentlich ist der Königinnentag in Holland ein Feiertag, doch während ganz Amsterdam feiert, irrt ein vierzehnjähriger Junge im Dunkeln durch einen Park und hat Angst. Er weiß, dass er etwas gesehen hat, das er nicht hätte sehen dürfen, und nun ahnt er, dass ihn etwas Gefährliches verfolgt. Und richtig, es dauert nicht lange, bis er Schritte hinter sich hört und weiß, dass es nun zu Ende ist für ihn. Einen Tag später wird der Junge ermordet aufgefunden. Aber es ist nicht nur irgendein Mord, den Commissaris Bruno van Leeuwen aufzuklären hat, dieser Mord setzt neue Maßstäbe: Dem Jungen ist nämlich der Kiefer aufgestemmt und das Gehirn entfernt worden. Bruno van Leeuwen ist eigentlich nicht schnell zu erschrecken, hat er doch schon viel erlebt in seiner Laufbahn als Kommissar, doch diese brutale Tat lässt ihm das Blut in den Adern gefrieren.

Langsam tastet er sich näher, er verhört Zeugen und befragt die Freunde des ermordeten Jungen, die am Tatabend eigentlich verabredet waren, doch haben die Freunde vergeblich warten müssen. Viele Hinweise sind es allerdings nicht, die van Leeuwen zur Verfügung stehen, doch das Schicksal ist auf seiner Seite: Während er eines Abends durch die Straßen Amsterdams irrt, entdeckt er ein junges Mädchen, das auf der Suche ist nach einem Mann, mit dem sie die Nacht oder auch nur eine Stunde verbringen kann. Van Leeuwen quartiert es einfach in einem Hotel ein, kann aber noch nicht ahnen, dass genau dieses Mädchen einen wichtigen Hinweis für ihn parat hat.

Aber der Mordfall ist nicht die einzige Sorge, die Bruno van Leeuwen plagt, denn seine geliebte Frau Simone ist schwer krank, sie hat keine Erinnerungen mehr und ist den ganzen Tag auf Pflege angewiesen. Doch mitten in den Ermittlungen weigert sich die Pflegerin, weiterhin den ganzen Tag bis spätabends bei Simone zu bleiben, weil Bruno nie pünktlich nach Hause kommt, um sich selbst um seine Frau zu kümmern. Er ist verzweifelt, zumal es nicht lange dauert, bis er vor die Wahl gestellt wird: entweder seine Frau oder sein Job. Da er Simone immer noch über alles liebt, fällt ihm die Wahl nicht schwer – bis ein weiterer, noch grausamerer Mord geschieht und van Leeuwen Dinge aus Simones Vergangenheit herausfindet, von denen er lieber nichts gewusst hätte …

Claus Cornelis Fischer begnügt sich nicht einfach damit, einen spannenden Kriminalfall zu schreiben, nein, er gibt seinem Kommissar so viel Profil, dass er schon als tragischere Figur erscheint, als es ein Kurt Wallander jemals gewesen ist. Nach und nach kommt Bruno van Leeuwen den Geheimnissen des Mörders, aber auch den Geheimnissen seiner Ehefrau auf die Spur, und man weiß als Leser eigentlich nicht, was schlimmer ist: eine Frau, die viel zu verbergen hat, aber sich an ihre Geheimnisse nicht mehr erinnern kann und deswegen keine Aussprache mehr möglich ist oder ein brutaler Mörder, der seinen Opfern das Hirn entwendet. Dieses Buch ist folglich nichts für Warmduscher; man sollte sich schon warm anziehen, wenn man den ersten Fall dieses holländischen Kriminalkommissars zu lesen beginnt.

Was den vorliegenden Roman auszeichnet, ist die ausschmückende Sprache des Autors. Etwa die Hälfte des Umfangs verwendet er darauf, seine Charaktere von allen Seiten zu beleuchten, wir blicken mit Bruno van Leeuwen in die Vergangenheit, wir begeben uns an den Tag zurück, an dem er die schlimme Diagnose erfahren hat, wir durchleben die schwere Zeit mit, in der es Simone immer schlechter ging und sie es aber noch selbst bemerkt hat. Wir folgen auch jedem Gedanken des geplagten Ehegatten, der sich in seiner Fantasie oftmals ausmalt, wie es hätte kommen können, wenn Simone nicht krank geworden oder er selbst nicht so blind gewesen wäre. Manchmal gehen diese Tagträume allerdings so fließend in die Erzählung über und umgekehrt, dass man beim Lesen den Faden zu verlieren droht und den Gedanken nicht mehr so recht folgen kann. Claus Cornelius Fischer setzt seinen Schwerpunkt meiner Meinung nach etwas zu sehr auf die Figurenzeichnung und auf das tragische Familienleben des Kriminalkommissars. Klar, ich mag es auch, wenn die Charaktere an Profil gewinnen, wenn ein Autor erzählen und vor allem schön umschreiben kann, aber manchmal gerät der eigentliche Mordfall so sehr ins Hintertreffen, dass die Spannung arg absinkt und man ungeduldig die Seiten umblättert und auf den Moment wartet, wo es endlich wieder um die Ermittlungen geht.

Ein weiterer Minuspunkt ist die Konstruktion der gesamten Geschichte. Was sich Claus Cornelius Fischer da ausgedacht hat, ist zwar eine hochbrisante Tat mit spannendem Hintergrund, aber wie Bruno van Leeuwen dem Mörder schließlich auf die Spur kommt, ist mir persönlich mit zu vielen Zufällen verbunden. Immer wieder trifft er genau im richtigen Moment die richtige Person, die ihm netterweise den passenden Hinweis geben kann. Hier geraten van Leeuwens private Geschichte und seine beruflichen Ermittlungen zu sehr aneinander – was im Privatleben passiert, ist plötzlich das wichtige Aha-Erlebnis bei den Ermittlungen. Diese Schnittpunkte der beiden Handlungsstränge fügen sich allerdings nicht stimmig in die Geschichte ein, sondern sie werden so plump präsentiert, dass man den Eindruck gewinnt, dass der Autor sonst den Dreh nicht bekommen hätte.

Eigentlich schade, dass Claus Cornelius Fischer sich etwas in seiner Geschichte verfranst, denn sowohl sein Kommissar hat Potenzial als auch der Autor selbst, denn wenn man Fischer etwas zugute halten muss, dann, dass er sehr gut erzählen, Dinge beschreiben und Situationen so vortrefflich darstellen kann, dass man in der Geschichte versinkt. Nur leider versinkt man manchmal eben so sehr, dass man vergisst, hier einen Kriminalroman in den Händen zu halten. Was man Fischer für seinen hoffentlich nächsten Roman nur wünschen kann, ist, dass er die richtige Balance aus interessanter Rahmenhandlung und einem gelungenen Spannungsaufbau während der polizeilichen Ermittlungen findet; dann könnte der nächste Fall von Bruno van Leeuwen ein echter Leckerbissen und Lesegenuss für jeden Krimifan werden. Der erste Fall allerdings lässt leider noch ein paar Wünsche offen.

http://www.ehrenwirth.de

Lukianenko, Sergej – Wächter der Ewigkeit

Band 1: [„Wächter der Nacht“ 1766
Band 2: [„Wächter des Tages“ 2390
Band 3: [„Wächter des Zwielichts“ 2910

_Was lange währt, wird endlich gut?!_

Wahrscheinlich wurde schon lange kein Buch mehr so sehnsüchtig erwartet wie Sergej Lukianenkos fulminanter Abschluss seiner beliebten Wächter-Reihe. Endlich ist es nun so weit, die „Wächter der Ewigkeit“ sind erschienen und bilden das Ende einer Fantasyreihe, wie sie erfolgreicher kaum sein könnte.

Und eines steht fest: Sergej Lukianenko hat sich seine Lorbeeren vollkommen zu Recht verdient; seine Figuren sind glaubwürdig, aber doch zwiegespalten, seine Geschichte ist packend, verschlungen und regt immer wieder zu eigenen Spekulationen an, denn oft genug durchschaut man die Gedanken hinter einer Handlung nicht, vor allem aber ist die Welt, die Lukianenko erfunden hat, düster, geheimnisvoll und absolut anziehend. Welcher Fantasyfan könnte sich dieser gelungenen Mischung schon entziehen?

Ich konnte es nicht und habe jede Leseminute genossen, auch wenn ich nicht immer vollkommen einverstanden war mit den Wendungen, die Lukianenko eingebaut hat. Doch nun ist es vorbei, das letzte Buch gelesen und die Geschichte hat für mich und alle anderen Lukianenko-Anhänger nun ihr Ende gefunden; doch ob es auch zufrieden stellend war, das schauen wir uns nun genauer an.

_Die Reise beginnt_

Die Geschichte nimmt dieses Mal ihren Beginn in Edinburgh zur Zeit des Festivals, als Viktor mit seiner Freundin Valerija dort Urlaub macht. Die beiden stammen aus Russland, und bei Viktors Vater handelt es sich nicht nur um einen bekannten Politiker, sondern auch um einen nicht-initiierten Anderen.

Als die beiden ein Gruselkabinett aufsuchen, ahnen sie noch nicht, dass nur einer von ihnen dieses lebend verlassen wird, denn auf dem Blutfluss wird Viktor plötzlich auffallend schweigsam – jedoch nicht, weil er seiner Freundin nichts mehr zu sagen hat, sondern weil jemand ihm seine Vampirzähne in den Hals geschlagen und ihn ausbluten gelassen hat. Diese merkwürdige Tat ruft folglich nicht nur die örtliche Polizei auf den Plan, sondern auch die schottische Wache und Geser, der Anton nach Schottland schickt, um dort auf eigene Faust zu ermitteln.

In Edinburgh angekommen, kommt Anton in einem merkwürdigen Hotel eines alteingesessenen Vampirs unter, wo er das lichte Zimmer beziehen darf, das komplett in Weiß, Beige und Rosa eingerichtet ist. Bei seiner Befragung findet Anton heraus, dass der Vampir nichts davon weiß, dass einer seiner „Artgenossen“ für die Tat im Gruselkabinett verantwortlich ist, also begibt sich Anton selbst dorthin und macht die Bekanntschaft eines verkleideten Angestellten, der die inzwischen geschlossene Einrichtung bewacht. Doch auch dieser kann Anton bei seinen Nachforschungen nicht behilflich sein.

Als Anton allerdings recht bald zu einem weiteren Mord ins Gruselkabinett gerufen wird, erfährt er auf unsanfte Art und Weise, dass der Angestellte vermutlich der Mörder gewesen ist, da er den diensthabenden Angestellten tot vorfindet und er sich eingestehen muss, dass es nicht derjenige ist, den er zuvor befragt hatte. Dennoch kann Anton eine wichtige Entdeckung machen, denn an Viktors Tod war kein blutdurstiger Vampir schuld, denn Viktors komplettes Blut befindet sich noch im Blutfluss, der sich diesen Namen nun zu Recht verdient hat. Was ist hier wirklich vorgefallen?

Bevor Anton sich zurück nach Russland begeben kann, macht er noch die unbequeme Bekanntschaft mit einem Roboter, der auf Anton schießt und ihn fast besiegt hätte, wäre ihm nicht ein Tiermensch zu Hilfe geeilt. Außerdem erfährt er, warum der Chef der schottischen Wache der Besitzer des Gruselkabinetts ist und was sich in den Schichten des Zwielichts unter der gruseligen Einrichtung verbirgt, denn dort hat der große Zauberer Merlin – der einzige Nullmagier, den es bislang gegeben hat – ein wichtiges Artefakt versteckt, das sich in der siebten und letzten Schicht des Zwielichts verbirgt.

Auf dieses nun machen drei Andere gemeinsam Jagd, wie Anton vom Chef der schottischen Wache erfahren muss. Wer ist es nur, der das Geheimnis von Merlins größtem Zauber aufdecken will? Um das herauszufinden, muss Anton weiterreisen nach Usbekistan, um einen alten Bekannten Gesers aufzufinden, der dort vor zig Jahren untergetaucht ist. Aber auch in Usbekistan erwarten mächtige Gegner den lichten Magier und machen ihm das Leben mehr als schwer, doch nach und nach kommt Anton seinen drei starken Widersachern auf die Spur, die für ihn keine Unbekannten sind.

_Darf ich vorstellen – Merlin!_

Wieder einmal öffnet Sergej Lukianenko zu Beginn seines nächsten Wächterromans eine ganz neue Schublade. Uns erwartet hier ein neuer grausamer Mord, den es aufzuklären gilt und der uns ganz am Ende das Geheimnis des Zwielichts offenbaren wird. Denn dieses Mal werden wir uns bis hinab in die siebte Schicht des Zwielichts begeben, wo eigentlich nur ein Nullmagier hingelangen kann, also ein Anderer, der sämtliche Kraft von den Menschen abzieht. Nach Merlin kann dies nur Antons Tochter schaffen, denn sie ist die nächste Nullmagierin, sodass auch sie hier erstmals ihren Auftritt als große Andere haben wird.

Doch bevor es so weit kommt, reist Anton über den Globus und sucht geheimnisvolle Orte auf, die einen ganz eigenen Zauber haben. Wir begeben uns in das schöne Edinburgh, das im Zwielicht allerdings einiges zu verbergen hat. Denn hier hat der große Merlin gewirkt, der einst ein Lichter war, dann aber zum Dunkel übergetreten ist. Wir lernen also einen prominenten Magier kennen, den nicht erst Sergej Lukianenko für seine Geschichte erfunden hat, und ich muss ehrlich gestehen, dass Lukianenko es nicht nötig gehabt hätte, auf einen so bekannten Namen zurückzugreifen, denn bislang ist er auch mit seinen eigenen Ideen auskommen, und das ganz hervorragend. Glücklicherweise fügt Lukianenko seiner Erzählung genügend eigene Komponenten hinzu, sodass das Auftauchen Merlins nicht allzu störend auffällt.

_Geheimnisvolle Charaktere und Welten_

Die Geschichte seines vierten Wächterromans könnte kaum mysteriöser sein. Was ist nur im schottischen Gruselkabinett vorgefallen, als der junge Viktor brutal sterben musste? Schnell findet Anton heraus, dass Viktor offensichtlich im Spiegellabyrinth jemanden gesehen hat, den er kannte, der aber nicht entdeckt werden wollte. Dieser kleine Moment ist es, der Viktor sein Leben kostet, doch wen hat er wiedererkannt? Welcher Vampir war inkognito in Edinburgh und wollte unter keinen Umständen gefunden werden?

Nach und nach fügen sich die Einzelteile zu einem Ganzen zusammen und wir kommen den drei großen Zauberern auf die Spur, die sich gemeinsam auf die Jagd nach Merlins Geheimnis gemacht haben und dabei auch über Leichen gehen. In Edinburgh setzen sie einen Kampfroboter auf Anton an, aber auch in Usbekistan haben sie sich eine besondere Überraschung ausgedacht, denn dort nutzen sie die Menschen für ihre Zwecke aus und machen aus ihnen eine tödliche Waffe, wie Anton unsanft erkennen muss.

Ein besonderes Vergnügen ist wieder einmal die Figurenzeichnung, und es macht wirklich deutlich mehr Spaß, Anton jetzt auf seinen Reisen zu begleiten, wo er zu einem Anderen außerhalb jeder Kategorie geworden ist, denn dieser Aufstieg macht ihn spürbar zufriedener – ihm gelingen inzwischen viele Dinge, für die er vorher nicht mächtig genug war. So kann er sich auch einen angesehenen Vampir vorknüpfen und ihn mit Magie ausfragen, wo dieser ihm vorher überlegen gewesen wäre. Auch das Eintauchen in die tieferen Schichten des Zwielichts ist kein Problem mehr, sodass wir dort viel Zeit verbringen.

Aber auch die anderen Charaktere offenbaren wieder viel Potenzial und vor allem eine zwiegespaltene Persönlichkeit. Natürlich sind wir es bereits gewöhnt, dass viele Figuren kein ehrliches Spiel treiben, aber trotzdem schafft Lukianenko es erneut, uns zu überraschen und an der Nase herumzuführen. So begegnen wir eigentlich jeder auftauchenden Figur zunächst mit Misstrauen, doch wenn wir ihr angefangen haben zu vertrauen, zeigt sie plötzlich ihr wahres Gesicht und wir müssen eingestehen, dass Lukianenko wieder zu schlau für uns gewesen ist.

Einziges Manko ist die Tatsache, dass die mächtige Swetlana zu einer einfachen Hausfrau und Mutter mutiert ist, die sich damit zufrieden gibt, ab und an die Wahrscheinlichkeitslinien in Antons Zukunft zu lesen, die aber aktiv gar keine Rolle mehr spielt. Hier verspielt Lukianenko meiner Meinung nach einiges Potenzial, da er in den vergangenen Romanen viel Arbeit darauf verwendet hatte, Swetlana zu einer interessanten und sympathischen Figur auszubauen. Auch Jegor, einen weiteren nicht-initiierten Anderen treffen wir wieder, aber auch er hat mit dem eigentlichen Geschehen nichts zu tun, und das, obwohl wir seit „Wächter der Nacht“ darauf warten, dass er seinen großen Auftritt haben wird.

_Das war’s_

Nach nur 446 Seiten heißt es, das Buch zuzuklappen, und zwar ohne die Bemerkung, dass man im nächsten Wächterroman weiterlesen könnte. Das war wohl die erste Enttäuschung beim vorsichtigen Nach-vorne-blinzeln, bei dem ich feststellen wollte, ob es nicht vielleicht doch einen fünften Roman geben wird. Doch diese Hoffnung löst sich zunächst in Luft auf.

So blicken wir also zurück auf insgesamt vier Romane, in der uns Sergej Lukianenko seine Welt der Anderen und des Zwielichts präsentiert hat, und es ist wahrlich eine fantastische Welt, in die man äußert gerne eingetaucht ist. Aber am Ende kommt man doch nicht umhin, auch ein wenig Enttäuschung zu zeigen, denn hat Lukianenko uns eigentlich alle offenen Fragen beantwortet? Zugegeben, er hat uns den Unterschied zwischen Menschen und Anderen erklärt, er offenbart uns das Geheimnis des Zwielichts, aber was mich unter anderem brennend interessiert hätte, wäre eine nähere Beleuchtung der beiden großen russischen Chefs Geser und Sebulon gewesen, die beide in den Geschichten zuvor immer wieder ein undurchsichtiges Spiel getrieben hatten und meist keiner Seite so recht zuzuordnen waren. Denn bei Lukianenko ist Licht nicht gleich Gut und Dunkel nicht gleich Böse, doch wie diese Verwaschung der Grenzen zustande gekommen ist, was Sebulons und Gesers Intentionen hinter ihren Taten waren, das erfahren wir leider nicht.

_Abschied vom Zwielicht_

Insgesamt bleibt ein wenig Enttäuschung zurück angesichts vieler ungeklärter Fragen und einiger offener Handlungsstränge, die Lukianenko nicht zu Ende geführt hat. Erst auf den allerletzten Seiten präsentiert er uns im Schnelldurchgang seine Idee des Zwielichts, und wir erfahren, was es mit der siebten Schicht auf sich hat; doch alles wirkt etwas undurchsichtig und meiner Meinung nach auch weichgespült.

Lukianenko bastelt sich hier ein Happyend, das viel Spannung verpuffen lässt und nicht gerade zur Zufriedenheit des Lesers beiträgt. Keine Frage, auch „Wächter der Ewigkeit“ ist ein packender Roman mit gelungenem Spannungsbogen, der mit einigen lustigen Szenen, interessanten Figuren und spannenden Machtkämpfen aufwarten kann, doch als Abschluss einer genialen Fantasyreihe fehlen doch einige Erklärungen, die den Leser wirklich entspannt zurücklehnen lassen könnten. Für mich war „Wächter des Zwielichts“, also der dritte Teil der Wächterreihe, der deutlich stärkere Roman, sodass ich doch ein wenig enttäuscht bin, aber vielleicht beglückt uns Lukianenko ja irgendwann mit einer weiteren spannenden Fantasyreihe – wünschenswert wäre es.

http://www.heyne.de
http://lukianenko.ru/eng/

Setterfield, Diane – dreizehnte Geschichte, Die

|“Alle Kinder mythologisieren ihre Geburt. Das ist nur allzu menschlich. Du willst jemanden wirklich kennen lernen? Mit Leib und Seele? Dann frag ihn, wann und wo er das Licht der Welt erblickt hat. Du wirst nicht die Wahrheit zu hören bekommen, sondern nur eine Geschichte. Und nichts ist so aufschlussreich wie eine Geschichte.“|

Und genau eine solche Geschichte hat die berühmte Schriftstellerin Vida Winter zu erzählen. Viele Geheimnisse umranken ihre Person, niemand weiß, welcher Mensch sich wirklich hinter diesem Pseudonym versteckt, und niemand kennt ihre sagenumwobene dreizehnte Geschichte, denn wo diese stehen sollte, finden sich in ihrem Buch nur leere Seiten. Nun ist Vida Winter alt und sterbenskrank und genau in diesem Moment erhält die Buchhändlerin Margaret Lea einen geheimnisvollen Brief der Schriftstellerin, in welchem Vida Winter ihr anbietet, ihr erstmals die Wahrheit über ihr Leben zu erzählen. Doch obwohl Margaret Lea leidenschaftlich gerne liest und in alten Büchern stöbert, muss sie zugeben, dass sie noch keinen Bestseller von Vida Winter jemals gelesen hat. Als sie aber erst einmal mit Vida Winters Büchern zu lesen beginnt, ist sie sofort gefesselt von den Erzählungen und möchte der Person Vida Winters und auch ihrer dreizehnten Geschichte auf den Grund gehen. Und so reist Margaret Lea zu der sterbenden Autorin, um die Wahrheit zu hören und um die heißersehnte Autobiografie einer Autorin zu schreiben, von der eine ungeahnte Faszination ausgeht.

Doch noch immer kann sich Margaret keinen Reim darauf machen, warum gerade sie diesen Brief erhalten hat und warum Vida Winter gerade ihr die Wahrheit erzählen will, kennen die beiden Frauen sich doch nicht und hat Margaret Lea niemals eine Biografie eines noch lebenden Autors geschrieben. Dennoch fühlt Margaret sich magisch von der rätselumwobenen Schriftstellerin angezogen, denn auch Margaret umgibt ein Geheimnis. Noch als sie klein war, hat sie herausgefunden, was ihr immer gefehlt hat, warum sie sich nie komplett gefühlt hat, denn Margaret hatte einst eine Zwillingsschwester, die allerdings kurz nach der Geburt gestorben ist. Margarets Mutter ist an diesem Verlust zerbrochen und konnte nie ein normales Mutter-Tochter-Verhältnis aufbauen, und genau aus diesem Grund wollte sie Margaret vor der schrecklichen Wahrheit bewahren. Umso neugieriger ist Margaret nun, Vida Winters Familiengeschichte zu hören, denn auch Vida Winter, die einst einen anderen Namen trug und in Angelfield aufgewachsen ist, hatte eine Zwillingsschwester. Doch bei einem schrecklichen Feuer in Angelfield kam Vidas Schwester ums Leben. Niemand hat aber jemals die Wahrheit erfahren über die Nacht des Feuers.

Viele Geschichten sind zu entwirren, viele Geheimnisse aufzudecken, als Vida Winter damit beginnt, ihre Lebensgeschichte zu erzählen. Sie berichtet von Isabelle und ihrem Bruder Charlie, die eine innige Liebe miteinander verbindet. Als Isabelle einen anderen Mann kennen lernt, plagt Charlie die Eifersucht und er tröstet sich stattdessen mit zahlreichen anderen Frauen. Isabelle heiratet Roland schließlich und bekommt Zwillinge von ihm. Doch kurz nach der Geburt der beiden Mädchen stirbt Roland und Isabelle kehrt nach Angelfield und zu ihrem rastlosen Bruder zurück. Der Verlust des Mannes und die ganz unbrüderliche Liebe ihres Bruder entfremden Isabelle von ihren Kindern, sodass das Hausmädchen sich um die Erziehung von Adeline und Emmeline kümmert. Die jedoch ist dieser anspruchsvollen Aufgabe kaum gewachsen, denn Adeline ist ein rücksichtsloser Wildfang, Emmeline dagegen ein stilles, zurückhaltendes und vielleicht auch zurückgebliebenes Mädchen, das sich immer wieder stillschweigend von seiner Schwester quälen lässt. Als später Hester als Kindermädchen für die beiden eingestellt wird und auf die Idee kommt, die Zwillinge voneinander zu trennen, beschwört sie damit eine Tragödie herauf, die das ganze Leben auf Angelfield für immer verändern wird …

Es ist eine stille und ganz sensible Geschichte, die uns Diane Setterfield in ihrem Roman zu erzählen hat. Mit großem Sprachgefühl und viel Einfühlungsvermögen bringt sie uns die Lebensgeschichte der handelnden Personen und vor allem ihre Gefühle, ihre Sorgen und ihre Stimmungen näher. Ganz geschickt hat Setterfield verschiedene Geschichten ineinander verwoben, denn es ist nicht nur die Geschichte der Familie Angelfield, die wir zu hören bekommen, sondern auch die von Margaret Lea und ihrem merkwürdigen Aufenthalt bei Vida Winter. So verschlingen sich Gegenwart und Vergangenheit ineinander und wir entwirren nur ganz allmählich die Gedankengänge der Autorin und die zugrunde liegenden Zusammenhänge.

Was die gesamte Romanhandlung, die sich über insgesamt 520 Seiten erstreckt, trägt, sind die persönlichen Beziehungen zwischen den handelnden Figuren und die eingehende Charakterstudie, die Setterfield anstellt. Ganz vorsichtig und zaghaft berichtet sie von Lieben, die nicht sein dürfen, von Geschwisterbeziehungen, die nie zustande kamen bzw. die fast krankhafte Zustände annehmen, und von den Sorgen, die die einzelnen Personen mit sich durchs Leben tragen. Auf dem Wege zur schlussendlichen Auflösung kommen wir allen Charakteren so nah, dass man das Gefühl hat, man würde sie persönlich kennen.

Margaret Leas persönliches Schicksal ist es, das sie regelrecht in die Geschichte der Familie Angelfield hineinzieht, denn auch dort geht es um die Liebe zwischen Geschwistern und um die Beziehung zwischen Zwillingen, die kaum voneinander lassen und ohne einander scheinbar nicht leben können. Und obwohl die persönlichen Beziehungen der Charaktere so unglaublich sind, dass sie sich jedem Menschenverstand entziehen, so können wir sie doch nachfühlen, können wir nachvollziehen, warum die Figuren handeln, wie sie eben handeln müssen. Das ist der Verdienst von Diane Setterfields einfühlsamen und eindringlichen Schreibstil, der in jeder Situation so weit ins Detail geht, dass wir plötzlich mitten in der Geschichte stehen und alles hautnah miterleben können. Jede Kleinigkeit findet Erwähnung und Setterfield zieht unzählige Metaphern heran, um auch alles ganz genau zu beschreiben, bis wir es bildlich vor Augen haben. Es ist wahrlich meisterhaft, was wir hier zu lesen bekommen.

Aber auch der Spannungsbogen, der nur ganz zurückhaltend immer wieder aufblitzt, ist äußerst gelungen, denn wir möchten unbedingt erfahren, welche Geheimnisse sich um Vida Winters Kindheit ranken, welch schreckliche Dinge in der Nacht des Feuers geschehen sind und wie die dreizehnte Geschichte lautet. Als dann mitten im Buch plötzlich ein geheimnisvoller Mann auftaucht, der als Baby ausgesetzt worden und nun auf der Suche nach seiner Familie ist, kann der Leser diesen neuen Handlungsstrang zunächst nicht in das Gesamtgefüge einordnen, doch nach und nach legt Setterfield die Verbindungen dar und wir erhalten immer mehr Hinweise, die schließlich zum großen Aha-Erlebnis führen werden.

„Die dreizehnte Geschichte“ ist ein ganz stiller und leiser Roman, der zwar unter der Fassade auch Mord, Familienzwistigkeiten und menschliche Tragödien verborgen hält, aber dennoch sind es andere Elemente, die zu genau der gleichen Faszination führen, die auch Margaret Lea gepackt hat, als sie Vida Winters Geschichte zu hören bekommt. Diane Setterfields Schreibstil ist unglaublich lautmalerisch, einfühlsam und detailreich, sodass jeder Satz ein reines Vergnügen ist, und dennoch – trotz all der Lobeshymnen – ist „Die dreizehnte Geschichte“ wohl doch auch ein Frauenroman, denn es wird wahrscheinlich nur wenige männliche Leser geben, die sich so sehr in die Erzählung eindenken und einfühlen wollen, wie es notwendig ist, um sich von Diane Setterfield mitreißen zu lassen. Aber wenn man sich auf die Geschichte einlässt, dann gibt es Großartiges zu entdecken!

|Originaltitel: The Thirteenth Tale
Originalverlag: Orion
Aus dem Englischen von Anke und Dr. Eberhard Kreutzer
Gebundenes Buch, 528 Seiten, 13,5 x 21,5 cm|
[Verlagsspezial]http://www.randomhouse.de/dynamicspecials/setterfield__geschichte/
http://www.thethirteenthtale.com/

Safier, Daniel – Mieses Karma

Das Leben nach dem Tod birgt schon seit Urzeiten eine Faszination, der sich kaum jemand entziehen kann. Die Anhänger der unterschiedlichen Religionen haben verschiedene Vorstellungen vom Leben nach dem Tod – aber dass die Möglichkeit besteht, als Ameise wiedergeboren zu werden, um genug Karma für das Nirwana zu sammeln, das kann man sich wohl nur schwer vorstellen; umso größer ist Kim Langes Überraschung, als ihr genau das widerfährt.

Kim ist eine berühmte Talkshowmoderatorin, die auf dem Gipfel ihrer Karriere steht, als sie zum Deutschen Fernsehpreis fährt. Auch wenn sie durch die Verleihung den fünften Geburtstag ihrer Tochter Lilly verpasst und Kim sich endgültig eingestehen muss, dass ihre Ehe zu Alex gescheitert ist, und auch wenn sie von Versace versehentlich das falsche Kleid für die Preisverleihung zugeschickt bekommt (und dann einen hochnotpeinlichen Moment überstehen muss), so hat dieser denkwürdige Tag doch immerhin (im wahrsten Sinne des Wortes) einen Höhepunkt, nämlich den großartigen Sex mit ihrem gutaussehenden Kollegen Daniel Kohn.

Doch als Kim nach dem Sex auf das Dach des Hotels steigt, um dort frische Luft zu schnappen, passiert das Undenkbare: Das Waschbecken einer russischen Raumstation fällt ihr auf den Kopf und Kim stirbt bei diesem Unfall.

Doch damit ist die Geschichte noch lange nicht vorbei, denn nachdem ihr Leben an ihr vorbeigezogen ist und sie ein helles Licht gesehen hat, von dem sie zurückgestoßen wurde, steht sie Buddha gegenüber, der ihr in Form einer Ameise erscheint und ihr eröffnet, dass nun ihr Leben nach dem Tod begonnen hat – als Ameise. Denn Kim war zu Lebzeiten alles andere als nett zu ihren Mitmenschen, und so bleibt ihr das Nirwana verschlossen, bis sie genug gutes Karma gesammelt hat, um schlussendlich ins Nirwana aufsteigen zu können.

So findet sich Kim plötzlich inmitten einer Horde fleißiger Ameisen wieder, die gerade dabei sind, ein klebriges Gummibärchen zu transportieren. Doch ganz so leicht ist das Leben als Ameise nicht, denn Kim stirbt einige Tode als Ameise, wird aber immer wieder neugeboren. Langsam gewöhnt sie sich fast an das ständige Sterben und Wiedergeborenwerden, zumal sie im berühmten Casanova einen Leidgenossen gefunden hat, der ebenfalls seine Sünden als Ameise abarbeiten muss. Gemeinsam beschließen sie, gutes Karma zu sammeln, um die Reinkarnationsleiter aufzusteigen.

Und tatsächlich, bald werden sie wiedergeboren – als Meerschweinchen. Passenderweise leben die beiden als Meerschweinchen bei Kims Familie, die noch in tiefer Trauer wegen Kims Tode ist. Doch muss Kim erkennen, dass ihre ehemals beste Freundin Nina, die schon immer ein Auge auf Alex geworfen hatte, bereits in den Startlöchern steht, um Kims Platz einzunehmen. Die Zeit eilt also, denn Kim möchte auf jeden Fall verhindern, dass Nina sich in ihre Familie einschleicht. Ein guter Plan muss also her, was aber gar nicht so einfach ist als Meerschweinchen …

Daniel Safier erzählt eine Geschichte, wie sie schräger und absurder kaum sein könnte. Wir lernen die rücksichtslose Kim Lange kennen, die für ihre Karriere über Leichen geht und diese Sünden im Tode büßen muss. Besonders herzerfrischend ist allerdings die Figur des Casanova, der inzwischen seit etwa 200 Jahren sein Nach-Leben als Ameise fristet und gar nicht daran denkt, gutes Karma zu sammeln. Doch als er Kim kennen lernt, wird sein Ehrgeiz plötzlich angestachelt und die beiden schließen sich als grandioses Karma-Sammel-Team zusammen, auch wenn sie noch gar nicht wissen, was am Ende der Reinkarnationsleiter auf sie warten wird, denn Buddha hält sich mit seinen Informationen sehr bedeckt, wenn er nach erneutem Ableben bei den beiden auftaucht und ihnen einen guten Spruch für den weiteren Weg mitgibt.

So ganz kann Casanova sich an die merkwürdigen Zeiten ohne Kutsche nicht gewöhnen, vieles ist ihm fremd, aber als er sich dann in Kims Widersacherin Nina verliebt, ist er wieder ganz in seinem Element und unterstützt Kim bei ihren Racheplänen mit voller Kraft. Allerdings sind Rachepläne natürlich schwer vereinbar mit dem Sammeln von gutem Karma, und so sterben die beiden einen Tod nach dem anderen und müssen sich immer spitzfindigere Pläne ausdenken, um ihr zwischendurch gewonnenes Karma nicht wieder zu verlieren.

Safiers Geschichte wird immer abgedrehter, immer witziger und immer erfrischender, denn obwohl Kim und Casanova meist aus ziemlich eigennützigen Motiven handeln, so wünscht man ihnen doch von ganzem Herzen Erfolg bei ihrer Mission. Denn obwohl Nina merkwürdigerweise – wie Kim zähneknirschend eingestehen muss – ihrer Familie offensichtlich besser tut als sie selbst, sammelt sie beim Leser doch kaum Sympathiepunkte, weil Casanova und Kim absolut im Mittelpunkt der gesamten Romanhandlung stehen.

Mit großem Tempo, viel Wortwitz und ohne Atempause erzählt Safier die Geschichte von Kim Lange und Casanova, die sich beherzt auf den Weg die Reinkarnationsleiter hinaufmachen und dabei die kuriosesten Abenteuer zu überstehen haben. Denn wer hätte sich vorher wohl ausmalen können, dass sie als Versuchsmeerschweinchen in einem Tierlabor landen und dort einen Affenaufstand anzetteln würden, oder dass Kim als Kuh dafür sorgt, dass alle ihre „Mit-Kälber“ eingeschläfert werden und sie dadurch wieder einiges Karma verliert. Am abgefahrensten wird die Geschichte aber, wenn Kim und Casanova als tierisches Duo Infernale versuchen, die Hochzeit zwischen Alex und Nina zu verhindern.

Selten habe ich bei einem Roman so sehr geschmunzelt, gelacht und mich königlich amüsiert wie bei diesem. Daniel Safier beweist unglaublich viel Einfallsreichtum, Wortwitz, Ironie, Humor und Sprachgefühl, dass es ein absolutes Vergnügen ist, „Mieses Karma“ zu verschlingen. Und auch wenn manche Szenen vielleicht etwas weichgespült sind, so bin ich schon jetzt sehr gespannt auf den nächsten Roman von Daniel Safier, den ich mit Sicherheit wieder lesen und dann hoffentlich genauso gut unterhalten werde wie dieses Mal.

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Clare Clark – Vermesser, Der

Im Jahre 1855 war London noch nicht die moderne und pompöse Metropole, wie wir sie heute kennen. Nein, vor gut 150 Jahren, also in der Zeit, in der Clare Clarks Debütroman „Der Vermesser“ spielt, ging London unter in seinem eigenen Unrat. Schon auf dem vorderen Buchdeckel wird Patrick Süskinds berühmter Roman [„Das Parfum“ 3452 als Vergleich herangezogen, denn auch das „Parfum“ spielt in einer Zeit, in der eher die „Un-Wohlgerüche“ das Leben der Menschen beherrschten. Und genau wie schon Patrick Süskind zuvor, schafft es auch Clare Clark, ihren Lesern diese Gerüche, diesen Gestank und diesen dreckigen Moloch so nahe zu bringen, dass diesen ein kalter Schauer nach dem anderen den Rücken herunterläuft …

Schon in der ersten Szene begleiten wir den Vermesser William May hinunter in das Labyrinth im Untergrund. May ist unser Roman“held“, der gezeichnet und verwundet aus dem Krimkrieg zurückgekehrt ist und zu seinem Glück eine sehr angesehene und gut bezahlte Stelle als Vermesser erhält. Zur Zeit der Romanhandlung wird in London an einer gewaltigen Kanalisation gebaut, die das Abwasserproblem lösen soll und an der May als Vermesser entscheidend beteiligt ist. Immer wieder zieht es ihn in den Untergrund zurück, wo er einmal die zahllosen Gänge erforscht, wo er aber auch die Abgeschiedenheit nutzt, um sich selbst mit dem Messer zu schneiden, um seine Wunden aus dem Krimkrieg zu vergessen.

Auch die zweite Hauptfigur, der Kanaljäger Tom, lebt von den Kanälen im Untergrund Londons, wo er Ratten fängt, um diese an einen Kneipenwirt zu verkaufen, der diese für Hundekämpfe einsetzt, in denen die Hunde so viele Ratten wie möglich in einer Minute totbeißen müssen. Tom lebt recht gut von dieser Arbeit, sieht aber bereits das Ende der Rattenfänge gekommen, wenn nämlich die Kanalisation immer besser von den Ausspülern bewacht wird und auch zu viele andere Kanaljäger sich über die Ratten hermachen. Als er eines Abends einen Hundekampf besucht, fällt ihm ein Hund auf, der still und nicht besonders gefährlich aussieht. Später auf dem Heimweg läuft ihm der Hund wieder über den Weg und Tom beschließt, Lady – so hat er die Hundedame getauft – mit zu sich nach Hause zu nehmen. Zu seiner großen Überraschung erweist sich Lady als wahre Kampfmaschine gegen die Ratten, was auch nicht dem „Captain“ entgeht, der auf der Suche nach einer solchen Kampfmaschine ist und sich bereit zeigt, eine Menge Geld für einen solch gefährlichen Hund auszugeben. Tom braucht das Geld für seinen Ruhestand und für die Zeit, in der er kein Geld mehr mit Kanalratten machen kann, also beschließt er schweren Herzens, sich von seinem geliebten Hund zu trennen. Noch ahnt er allerdings nicht, dass er damit in eine Falle tappt.

Aber auch May trifft das Schicksal hart: Ganz ungewollt verscherzt er es sich durch seine gewissenhafte Arbeit als Vermesser mit dem Ziegeleibesitzer Alfred England, der einen ersehnten Auftrag nicht erhält. Eines Abends läuft May in den düsteren Straßen Londons dem wütenden Ziegeleibesitzer über den Weg, der William bedroht. May weiß sich keinen anderen Weg als die Flucht in die Kanalisation, die er wie seine Westentasche kennt. Dort jedoch verliert er das Bewusstsein und kriegt nur in einem tranceartigen Zustand mit, wie ein grausamer Mord geschieht, an den er sich zunächst nicht erinnern kann. Nach diesem schrecklichen Erlebnis wird May sehr krank, als er sich jedoch auf dem Wege der Besserung befindet, wird er plötzlich des Mordes an Alfred England beschuldigt. Ihm droht der Galgen – und genau in diesem kritischen Moment wendet sich selbst Mays geliebte Frau Polly von ihm ab …

Es ist eine düstere, stinkende und bedrohliche Welt, in die Clare Clark uns entführt. Wie in Patrick Süskinds großartigem Roman „Das Parfum“ begibt man sich auch hier Schritt um Schritt in eine fremde Welt, in die uns die eindringlichen Worte der Autorin entführen. Clarks Situationsbeschreibungen könnten nicht realistischer und eindrucksvoller sein; sie verwendet viele Metaphern, um uns die dunklen Straßen Londons und vor allem die dreckige Kanalisation vor Augen zu führen. Sie verwendet viele Worte, um ihrer Erzählung eine Atmosphäre einzuhauchen, die es dem Leser ermöglicht, vollkommen in die Geschichte einzutauchen und alles um sich herum zu vergessen. „Der Vermesser“ ist die ideale Lektüre für einen dunklen Winter- oder Herbstabend, wenn draußen der Regen auf die Fensterbänke prasselt und am besten noch Blitze am Himmel zucken, die den Leser zwischendurch immer wieder aufschrecken lassen. Es sind die düstersten Ecken Londons, die zwielichtigsten Kneipen und die unratüberspülten Kanäle, die Clare Clark als Kulisse für ihren spannenden und atmosphärisch dichten Debütroman auswählt. Und eins ist sicher: Sie braucht den Vergleich mit Patrick Süskind nicht zu scheuen. Denn es ist nicht nur die dramatische Szeneriebeschreibung, die für Clare Clark spricht, sondern es ist darüber hinaus die authentische und gefühlvolle Zeichnung zweier Charaktere, die im London des 19. Jahrhunderts ein eher tristes Leben fristen.

Im Mittelpunkt der Geschichte steht die Titelfigur William May, der als Vermesser sein Auskommen hat, aber trotz der gut bezahlten Arbeit sein Glück nicht findet. Der schreckliche Krimkrieg steckt ihm immer noch in den Knochen, außerdem hat er die seelischen Wunden, die ihm damals zugefügt wurden, noch nicht überwunden. Seine Zuflucht findet William May in den scheinbar unbeobachteten Kanalgängen, in denen er sich Wunden zufügen und sein eigenes Blut schmecken kann. Mays Psyche scheint angeknackst, seine Ehe nicht sonderlich glücklich, da Polly mit ihren Forderungen zu viel von ihrem Ehemann einfordert. Sie macht Pläne, mietet ein Haus, stellt ein Hausmädchen ein und wird ein zweites Mal schwanger, doch William entzieht sich immer mehr seiner wachsenden Familie und findet in ihr auch keinen Rückhalt, als er des Mordes beschuldigt wird und seine einzige Hoffnung in seinem Pflichtverteidiger liegt, der jedoch nicht so recht an Mays Unschuld glauben mag und darüber hinaus seinen allerersten Mandanten zu verteidigen hat.

Ungeahnte Schützenhilfe erhält William May in dieser ausweglosen Situation allerdings von dem Kanaljäger Tom, der übers Ohr gehauen wurde und nun auf Rache sinnt. Obwohl er ebenfalls von Mays Schuld überzeugt ist, da er selbst ihn mit einem blutigen Messer am Tatort entdeckt hat, muss Tom doch erkennen, dass May und er den gleichen Feind haben und dem gleichen Schlitzohr aufgesessen sind. Eine verzweifelte Rettungsaktion beginnt, die sowohl Toms wie auch Williams Leben retten soll. Doch ob dies gegen einen so übermächtigen Gegner gelingen kann, das ist fraglich.

Clare Clark nimmt sich viel Zeit, um ihre Protagonisten vorzustellen und dem Leser die Straßen ober- und unterhalb Londons zu schildern, in denen sich alles abspielen wird. Fast die Hälfte des Buches braucht Clark für ihre Vorbereitungen, bis es schließlich zu dem grausamen Mord kommen kann, der auf dem Buchrücken bereits angekündigt wird. Der Spannungsbogen setzt demnach erst recht spät ein, steigt dann kontinuierlich an und fesselt den Leser zum Schluss des Buches aber vollends, sodass man unbedingt weiterlesen und wissen muss, ob William May gerettet werden kann, und um zu erfahren, was nun tatsächlich vorgefallen ist. Doch obwohl der Spannungsbogen erst auf der Mitte des Buches einsetzt, ist die erste Hälfte keineswegs langweilig, da Clark hier die Voraussetzungen schafft und uns in das schmutzige London entführt, in dem wir zusammen mit dem Protagonisten umherirren werden.

„Der Vermesser“ ist ein literarischer Leckerbissen, den sich kein Buchwurm entgehen lassen sollte. Auf der Handlungsebene mag vielleicht nicht allzu viel passieren, dennoch hat Clare Clark ein beeindruckendes Debüt vorgelegt, das man einfach würdigen muss. Alle Lobeshymnen sind hier vollkommen berechtigt, da Clark ein Buch geschrieben hat, das sich positiv aus der Masse anderer Krimis heraushebt und durch seine dichte Atmosphäre, die eindrucksvollen Beschreibungen und die glaubwürdigen Figurenzeichnungen zu überzeugen weiß. An diesem Buch stimmt einfach alles, sodass ich nur eine uneingeschränkte Empfehlung aussprechen kann!

http://www.heyne.de

Soininvaara, Taavi – Finnisches Blut

Nur ein kleiner Moment der Unachtsamkeit ist es, der Generalmajor Raimo Siren zum Verhängnis wird: Während er am Steuer seines Autos eine Nummer im Speicher seines Autotelefons sucht, hört er einen dumpfen Aufprall und sieht plötzlich Blut über die Windschutzscheibe laufen. Doch es ist nicht nur die Angst, einen Menschen umgebracht zu haben, sondern auch die Tatsache, dass er zum Abendessen nicht wenig getrunken hat, die Siren dazu verleiten, Fahrerflucht zu begehen und sich anschließend um den unliebsamen Vorfall zu kümmern, der ihn seine Karriere kosten könnte. Zu Hause angekommen, kann ihn nicht einmal die Musik von Sibelius beruhigen, doch Siren beginnt bereits, Pläne zu schmieden, die ihn retten könnten, denn er weiß ganz sicher, dass man ihn als Fahrer des Unfallwagens wird identifizieren können …

Von diesem drohenden Ungemach ahnt Arto Ratamo derweil noch nichts, während er nachts im Labor steht, um ein Gegenmittel gegen Ebola-Helsinki zu testen. Er ist sich sicher, dass auch diese Version des Gegenmittels nicht anschlagen wird, als ihn im übermüdeten Zustand eine überraschende Entdeckung erwartet, denn sein Gegenmittel wirkt tatsächlich! Da es inzwischen frühmorgens ist, beschließt Ratamo, sofort nach Hause zu gehen, ohne den notwendigen Teil der Bürokratie zu erfüllen. So schreibt er lediglich eine kurze Nachricht für seine Kollegen, dass ein Gegenmittel gefunden ist und begibt sich anschließend nach Hause zu seiner Frau Kaisa und seiner kleinen Tochter Nelli, die von der bevorstehenden Aufregung noch nichts ahnen.

Raimo Siren spinnt nämlich bereits einen teuflischen Plan, in dem die Familie Ratamo eine wesentliche Rolle spielen wird. Als er von der Entdeckung eines Mittels gegen Ebola-Helsinki hört, schickt er ein Erschießungskommando zu Ratamos Chef Manneraho und auch zu Ratamo nach Hause. Er lässt den Mord an Manneraho so aussehen, als habe Ratamo selbst ihn erschossen. Als Ratamo von einem Killer aufgesucht wird, kann er sich nur knapp retten, doch seine Frau Kaisa wird vor Ratamos Augen erschossen. So wird der Virenforscher plötzlich zu einem gejagten Mann. Allerdings weiß Siren nicht, dass er nicht der Einzige ist, der dringend die Formel für das Gegenmittel haben möchte, und so beginnt eine atemberaubende Hatz auf Ratamo, der nicht nur um sein eigenes Leben fürchten muss, sondern auch um das seiner kleinen Tochter Nelli …

Nachdem im Deutschen bereits drei Kriminalromane von Taavi Soininvaara veröffentlicht wurden, erfreut uns der |Aufbau|-Verlag endlich mit dem ersten Roman der Arto-Ratamo-Reihe, der nun erklärt, wie aus dem Virenforscher ein Ermittler der finnischen SUPO werden konnte. Und wie wir es von Taavi Soininvaara gewohnt sind, stürzt er sich ohne langes Vorgeplänkel sofort mitten in die Geschichte. Schon früh lernen wir Arto Ratamos mächtigen und gefährlichen Gegner kennen, nämlich Raimo Siren, der auf Teufel komm raus sein eigenes Leben retten möchte und dabei auch über Leichen geht. Raimo Siren spinnt ein Netz von Lügen um sich, mit dem er selbst seine rechte Hand, Pekka Vairiala, täuschen kann, der ohne sein Wissen zu Sirens Handlanger wird.

Auch dieser allererste Kriminalroman von Taavi Soininvaara, in dem Arto Ratamo noch ein harmloser Forscher ist und mit lebensgefährlichen Situationen und Ermittlungen noch nicht viel am Hut hat, lebt von seinem Hauptcharakter. Wir lernen Ratamo hier noch als Familienvater und unglücklich verheirateten Mann kennen, der von Zweifeln geplagt wird, weil ihm die Arbeit im Labor keinen Spaß mehr macht. Ratamo hat bereits erkannt, dass seine Ehe mit Kaisa gescheitert ist und nur noch wegen Nelli aufrecht erhalten wird, dennoch hat er ein sehr gutes Verhältnis zu seiner Schwiegermutter Marketta, die ihm nach Kaisas Tod eine große Hilfe ist, als sie nämlich Nelli in Sicherheit bringt, obwohl sie doch den Tod der einzigen Tochter verkraften muss.

Ratamo schlägt sich schon in diesem Buch beachtlich, obwohl er doch völlig unverhofft in diese lebensbedrohliche Situation geraten ist und hierbei zum tragischen Helden wird. Schnell erkennt er, dass er nur eine einzige Chance hat, nämlich indem er die Medien einschaltet. So wendet er sich in seiner Verzweiflung an eine engagierte und mutige Journalistin, die seiner Geschichte Glauben schenkt und ihn in ihrer Wohnung verstecken will. Doch auch bei Pirkko Jalava zu Hause ist Ratamo vor den Killern nicht sicher. Wohin er auch geht, überall sind seine Gegner ihm einen Schritt voraus, doch so schnell gibt Ratamo sich nicht geschlagen, denn der Gedanke an seine Tochter erhält ihn aufrecht.

Taavi Soininvaara schlägt ein Erzähltempo an, das durchaus Dan-Brown-Qualitäten hat: Seine Kapitel sind kurz, seine Sprache sind sonderlich aufwändig. Immer wieder zieht er das Tempo durch schnelle Szenenwechsel und das Auftauchen neuer Hinweise oder Figuren an, sodass „Finnisches Blut“ zu einem echten Pageturner wird. Allerdings lässt Soininvaara auch in diesem Krimi das Tempo zwischendurch etwas schleifen durch zu viel Lokalkolorit von Städten, die zumindest mir nicht bekannt sind, und auch durch politische Exkurse, die sich ohne Vorkenntnisse nur schwerlich nachvollziehen lassen.

Nichtsdestotrotz gefällt auch „Finnisches Blut“ ausgesprochen gut und erklärt dem Arto-Ratamo-Fan endlich, wie der ehemalige Forscher bei der SUPO landen konnte und wie alles begann. Soininvaara überzeugt wieder einmal durch seine gelungene Figurenzeichnung, die dafür sorgt, dass die Lesersympathien klar verteilt werden. Außerdem gelingt ihm erneut ein Spannungsbogen, der es in sich hat und ein Weglegen dieses Buches praktisch unmöglich macht.

|Taavi Soininvaara bei Buchwurm.info:|
[„Finnisches Requiem“ 1909
[„Finnisches Quartett“ 2988

Szerb, Antal – In der Bibliothek

|“Das, was hier geschah, war die Interferenz von Lieben. Wenn sich zwei Lieben in einem Herz treffen, dann verstärken sie sich entweder, oder sie schwächen sich gegenseitig ab, so wie jedes Licht, jeder Ton und jede andere Welle oder schwingende Bewegung. Einmal war ich in zwei Frauen zugleich verliebt, und diese beiden Lieben trafen sich in einer so unglücklichen Phase in meiner Seele, daß sie sich gegenseitig aufhoben und ich mich gezwungen sah, mich in eine dritte zu verlieben.“|

Diese wunderbaren Worte, die den Leser in der Seele treffen und anrühren, können eigentlich aus kaum einer anderen Feder stammen als aus der des ungarischen Literaturprofessors Antal Szerb, den der |Deutsche Taschenbuchverlag| nun endlich für sich entdeckt hat. Im vorliegenden Buch „In der Bibliothek“ sind insgesamt 14 Kurzgeschichten des verstorbenen Autors zusammengestellt, die sich im ersten Teil vornehmlich der Liebe widmen. Doch das Thema „Liebe“ greift Szerb immer wieder auf und beleuchtet es von allen Seiten. Und so kurios manche Geschichten anfangs auch anmuten mögen, bei genauerem Hinschauen fällt immer wieder auf, dass Szerb den Nagel auf den Kopf trifft.

Da begegnen wir beispielsweise Lancelot, der unsterblich, aber auch unglücklich in die schöne Königin Guinever verliebt und nun losgezogen ist, um gegen einen Drachen zu kämpfen und von diesem den Schuh der schönen Königin wiederzuerlangen. Auf seiner Reise verbringt Lancelot eine Nacht im Hause des Zauberers Klingsor und schüttet diesem sein Herz aus, weil er ja so unglücklich sei, da seine Angebetete mit König Artus verheiratet ist. Des Nachts fängt Klingsor die Liebe ein und verschließt sie in einer Phiole, woraufhin Lancelot plötzlich von seiner blinden Liebe zu Guinever befreit ist. Doch anstatt sich seiner neu gewonnenen Freiheit zu freuen, bemerkt er bald, dass er ganz ohne die Liebe – und sei sie noch so unglücklich und unerfüllt – eben auch nicht leben kann. Auf den ersten Blick mag sich das merkwürdig anhören, aber hat Lancelot – bzw. Antal Szerb – damit nicht vollkommen Recht? Wer möchte denn schon ganz ohne Liebe sein?

Aber wir lernen in den einzelnen Geschichten noch ganz andere bemerkenswerte Charaktere kennen, die wir ein Stück ihres Weges begleiten. In der Titelgeschichte erzählt uns Tamás, wie seine große (ehemalige) Liebe aus Studienzeiten Edit ihn brieflich bittet, ihrer Cousine Ilonka die Bibliothèque Nationale zu zeigen, in der Tamás den Großteil seiner Zeit verbringt. Zunächst ist der Ich-Erzähler skeptisch und malt sich schlimme Visionen dieser Ilonka aus. Als er eines Tages aber eine unsichere junge Dame bemerkt, die ihn zu suchen scheint, stellt er fest, dass Ilonka alles andere als unscheinbar oder gar hässlich ist, sondern sehr attraktiv. Tamás zeigt ihr daraufhin die Bibliothek, geht mir ihr Kaffee trinken und zeigt ihr einen Teil des Pariser Lebens, ohne allerdings zu bemerken, wie er sich nach und nach in die schöne Ilonka verliebt. Als diese ihm seine Liebe gesteht, weist Tamás sie aber zurück. Diese kleine Geste ist es, die die Beziehung der beiden grundlegend verändert.

Bei Antal Szerb sind es im Übrigen meist die kleinen Dinge, die eine entscheidende Wende herbei führen, wie auch in der Geschichte, in der ein Mann sich auf den ersten Blick in die wunderschöne Delia Danthorp verliebt, die eigentlich nur Augen für seinen guten Freund, den Pianisten János, hat und die dennoch eigentlich nur auf Frauen steht. Als Delia ihn aber zu einem Tee zu sich nach Hause einlädt und ihm unmissverständlich klarmacht, dass diese Einladung ohne jegliche Hintergedanken ausgesprochen wurde, gibt es dennoch diesen einen winzigen Moment, in dem der Ich-Erzähler das Richtige tut und anschließend mit einer schier unglaublichen Liebesnacht belohnt wird.

Im zweiten Teil des Buches widmet Antal Szerb sich mehr den historischen bzw. fabelhaften Figuren und dem Übersinnlichen. Er erzählt die Geschichte des jungen Parzivals, der den schrecklichen roten Ritter besiegt und am Ende mit dem Kelch des Himmels belohnt wird, wir erfahren die Geschichte von Ajándok, die sich in einen schwarzen Magier verliebt, und wir lesen, wie das Unglück einer Stadt durch seine Kälte alle Kinder dahinrafft.

Mit einer großen Liebe zum Detail und vor allem einem fantastischen Sprachgefühl erzählt Antal Szerb uns Geschichten seiner Alltagshelden, die in diesen Erzählungen aber dennoch ganz wunderbare Dinge erleben. Auch wenn das Einlesen einige Mühen kostet, da man sich in zahlreiche Kurzgeschichten neu einfinden muss, wird man als Leser doch mit herrlichen Erfahrungen belohnt und vor allem mit Szerbs ganz besonderer Sprache, seiner genauen Beobachtungsgabe, seinem großen Sprachtalent und wunderbaren Formulierungen, die man sich am liebsten alle aufschreiben möchte, um sie später bei geeigneter Gelegenheit zitieren zu können. Antal Szerbs Geschichten, aber auch seine einzelnen Sätze sind wie kleine Schätze, die man beim Lesen ausgräbt und die einem richtig das Herz erwärmen können. Seine Erzähler und Figuren sind so sympathisch, manchmal auch ein klein wenig naiv, aber doch immer so herzensgut, dass wir mit ihnen fiebern und mit ihnen traurig sind, wenn sich die große Liebe und das große Glück am Ende dann doch nicht einstellen wollen.

Aus jeder dieser Geschichten kann man etwas mitnehmen, das Szerb uns sagen möchte. Seine Erzählungen stecken voller Botschaften, die er mit seiner genauen Beobachtungsgabe analysiert und aufdeckt. Antal Szerb vermittelt uns das Gefühl, als habe er nicht nur das menschliche (Un-)Glück durchschaut, sondern auch das menschliche Verhalten generell. Oftmals hält er uns einen Spiegel vor und führt uns vor Augen, wie irreal wir uns verhalten und wie unlogisch unsere Handlungen sein können, wenn doch das Gefühl und die Liebe im Spiel sind. Szerbs Geschichten sind fein und zerbrechlich und sie entfalten ihre volle Wirkung erst, wenn man das Buch zugeschlagen und das Gelesene verdaut hat. Erst beim anschließenden Nachsinnen entdeckt man vieles, das Szerb zwischen den Zeilen versteckt hat und was dazu führt, dass man immer wieder zurückblättert, um seine Worte ein weiteres Mal auf sich einwirken zu lassen.

„In der Bibliothek“ ist wieder einmal eine literarische Entdeckung, die man sich nicht entgehen lassen sollte. Wer Antal Szerb noch nicht kennt, der hat wahrlich etwas verpasst, denn auch wenn sich seine Geschichten nach heutigen Gesichtspunkten vielleicht nicht ganz so einfach runterlesen lassen, so wird man doch durch Szerbs feine Ironie, sein Sprachgefühl, seine scharfe Beobachtungsgabe, seine beachtlichen Charaktere und seine wunderbaren Erzählungen belohnt, die dem geneigten Leser ein Lächeln auf die Lippen zaubern.

_Antal Szerb bei |Buchwurm.info|:_

[„Reise im Mondlicht“ 1292
[„Reise im Mondlicht“ 2724 (Hörbuch)
[„Die Pendragon-Legende“ 955
[„Die Pendragon-Legende“ 2135 (Hörbuch)
[„Das Halsband der Königin“ 1855

Gillian Flynn – Cry Baby

Die Werbekampagne des Scherz-Verlages für den Debütroman der hübschen Autorin Gillian Flynn war groß und edel angelegt: Im Börsenblatt blickte einem eine dunkelrote zweiseitige Anzeige entgegen, das Buch wird in einem ansprechend bedruckten Pappkarton und mit einem schicken Schutzumschlag angeliefert und ist schon auf den ersten Blick ein Hingucker. Doch auch wenn man in das Buch hineinschaut und -liest, wird man feststellen, dass einem nicht zu viel versprochen wird durch die schicke Optik, sondern dass dieses Werk in der Tat etwas ganz Besonderes ist…

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Buticchi, Marco – dritte Prophezeiung, Die

Das Interesse von Verschwörungsfanatikern an den Templern ist nach wie vor ungebrochen und auch die katholische Kirche ist immer wieder für einen packenden Thriller gut. So bedient der gefeierte italienische Autor Marco Buticchi sich zweier erfolgversprechender Komponenten für seinen Thriller „Die dritte Prophezeiung“. Und wenn man den Lobpreisungen auf den Umschlagseiten glauben darf, so hält man hier das Buch des italienischen Dan Brown in Händen, der nun endlich der Erste sein könnte, der den großen Brown von seinem Bestsellersockel stoßen könnte. Die Erwartungen sind also hoch, wenn man das Buch aufschlägt und zu lesen beginnt. Schauen wir uns an, was uns zwischen den Buchdeckeln geboten wird:

Zu Beginn begegnen wir im Jahre 1918 dem Unteroffizier Igor Drostin, der der Hinrichtung der Familie Nikolaj Romanows beiwohnt und später in den Kleidern der Romanows eine wertvolle Entdeckung macht, nämlich zahlreiche kostbare Juwelen, von denen er einige auf die Seite schafft. Seinem Enkel Josif Drostin vermacht Igor ein paar abgenutzte Schreibhefte, in denen er verschlüsselt den Weg zu den vergrabenen Juwelen offenbart. Doch noch ahnt Josif nichts von seinem anstehenden Glück und verzweifelt immer mehr an seiner frustrierenden Arbeit in der Fabrik, bei der er zusätzlich von einem cholerischen Vorgesetzten gequält wird. Bevor Josif es allerdings zu großem Reichtum bringt, muss er einige Schicksalsschläge überstehen; seine Freundin wird ermordet und er selbst wird als mutmaßlicher Mörder gesucht. Der Zufall will es aber, dass Josif in russischen Mafiakreisen immer weiter aufsteigt und es schließlich zum mächtigsten Waffenhändler bringt. Ein besonders gefährlicher Auftrag führt Josif allerdings auf eine Kreuzfahrt, die zum Himmelfahrtskommando auszuarten droht.

Im Jahre 1978 beginnt die Erzählung um Pat Silver und seinen besten Freund Derrick Grant, die bei einer manipulierten spiritistischen Sitzung das Herz von Maggie Elliot und Annie Ferguson erobern wollen. Als Pat mit seinem Schauspiel beginnt, fällt Maggie jedoch tatsächlich in Trance und verkündet in einer fremden Sprache, dass sich die Prophezeiung zu erfüllen droht. In den Jahren darauf hat Maggie immer wieder ihre Ahnungen, in denen sie zukünftige Geschehnisse sehen kann und beispielsweise auch das Attentat auf Papst Johannes Paul II. im Jahre 1981 voraussieht. Diese Gabe verhilft Maggie zu einer erstaunlichen Fernsehkarriere, nur privat läuft es alles andere als rosig. Denn ihre heimliche Liebe zu Pat Silver steht unter keinem guten Stern; die beiden kommen einfach nicht zusammen, sodass Maggie schließlich Timothy Hassler heiratet. Pat kann sie allerdings nie vergessen. Der jedoch dreht ein krummes Ding nach dem anderen und verdient sich eine goldene Nase durch seine illegalen Computertricks. Doch das Schicksal der vier Collegefreunde wird eng miteinander verbunden bleiben und auf einer noblen Kreuzfahrt schließlich ein fulminantes Finale hervorbringen …

Diese beiden Haupterzählstränge, die zunächst nichts miteinander zu tun haben, verbinden sich, als Derrick Grant seine drei Jugendfreunde auf die Kreuzfahrt mit dem größten Passagierschiff der Welt einlädt. Auf diesem Schiff reist nämlich auch Josif Drostin, der eine gefährliche Ladung zu übergeben hat.

Eine weitere Erzählebene widmet sich Geschehnissen, die einige hundert Jahre in der Vergangenheit liegen. Hier erleben wir im Jahre 1291 in Akkon das Ende des letzten Großmeisters der Templer mit. Die weiteren historischen Ereignisse schildern die gefährliche Reise des jungen Ritters Bertrand de Rochebrune, der dem Gemetzel in Akkon entfliehen konnte, aber in den darauffolgenden Jahren noch viele Abenteuer zu überstehen hat. Spät offenbart uns Marco Buticchi schließlich auch das Bindeglied zwischen den historischen Ereignissen im ausklingenden 13. und beginnenden 14. Jahrhundert und den Geschehnissen am Ende des 20. Jahrhunderts. Bis dahin heißt es für den Leser Rätsel raten …

In seinem packenden Verschwörungsthriller hat uns Marco Buticchi offensichtlich viele Geschichten zu erzählen. Stilistisch hat er sich in der Tat von Dan Brown und seinen Erfolgen inspirieren lassen, denn er fügt seinem Buch die gleichen erfolgversprechenden Komponenten hinzu und schlägt ein unglaubliches Erzähltempo an, das durch die schnellen Wechsel der Schauplätze immer weiter gesteigert wird. Immer dann, wenn es in der Gegenwart besonders spannend wird, springt Buticchi zurück in die Vergangenheit, wo wir Bertrand de Rochebrune auf seinen Reisen begleiten. Die Wechsel zwischen den verschiedenen Erzähl- und Zeitebenen schaffen allerdings oft genug auch einige Verwirrung, da Buticchi viele Lebensjahre seiner Protagonisten beleuchten will. So zieht sich alleine die Geschichte um Maggie Elliot und ihre Freunde vom Jahre 1978 bis zum Jahre 1999.

Im vorliegenden Roman erwartet einen folglich eine wahre Informationsflut, der man stellenweise kaum folgen kann. Marco Buticchi bemüht sich zwar, seinen Charakteren Leben einzuhauchen, allerdings empfand ich viele der präsentierten Auskünfte als überflüssig. Nehmen wir nur allein die unglückliche Liebe zwischen Maggie Elliot und Pat Silver, die sich über viele Jahre hinzieht und in einem Seitensprung auf dem Luxusdampfer endet. Auf vielen Seiten breitet Buticchi Pat Silvers kriminelles Berufsleben aus, er umschreibt ausschweifend die Eheprobleme zwischen Maggie Elliot und Timothy Hassler, aber all dies bringt die Erzählung kein Stück voran. Diese Handlungen im Leben der Figuren haben nichts mit der eigentlichen Geschichte zu tun, also nichts mit dem geplanten Anschlag auf das Kreuzfahrtschiff. Derlei schmückendes Beiwerk findet sich an vielen Stellen im Buch und stört sowohl den Spannungsaufbau als auch die Glaubwürdigkeit. Meiner Meinung nach hätte sich Marco Buticchi wie sein großes Vorbild Dan Brown auf das Wesentliche konzentrieren sollen. Im Übrigen hat Buticchi an so mancher Stelle eher schlecht geklaut, denn seine Bösewichte verpackt Buticchi so dürftig, dass selbst der ungeübte Leser diese Verräter schnell enttarnt haben dürfte.

Gelungen fand ich in weiten Teilen den Spannungsbogen des Buches, der durch die schnellen Szenenwechsel immer weiter ansteigt und dafür sorgt, dass man das vorliegende Buch nicht mehr aus der Hand legen kann. Auf der anderen Seite hätte ich mir gewünscht, dass Buticchi seine Erzählebenen enger miteinander verknüpft. Zwar offenbart der Autor uns die Verbindung zwischen den Ereignissen im 13./14. Jahrhundert und denen im ausklingenden 20. Jahrhundert, aber mir persönlich war diese Verbindung zu locker. Es ist nicht deutlich geworden, welchen inhaltlichen Sinn die historischen Exkurse hatten und insbesondere hat Buticchi uns nicht klar gemacht, was genau hinter dem Anschlag auf das Kreuzfahrtschiff steckt. In vielen Szenen treffen wir auf mysteriöse Gestalten, die sich hinter einer Kutte verborgen halten und die offensichtlich zum Templerorden gehören, aber ihre Beweggründe sind mir nicht klar geworden.

So kann Marco Buticchi in Ansätzen zwar überzeugen und man entdeckt auch das schriftstellerische Potenzial, das in ihm steckt. An vielen Stellen hätte man sich allerdings ein strafferes Lektorat gewünscht und insbesondere auch den roten Faden, der die einzelnen Ereignisse miteinander verknüpft und den Leser durchs Buch führt. Denn an vielen Verzweigungen seiner Handlungsstränge lässt Buticchi uns alleine stehen und zeigt uns nicht deutlich genug, wo es eigentlich langgehen soll. Viele Fragen bleiben am Ende offen, die einen etwas unbefriedigt zurück lassen, auch wenn „Die dritte Prophezeiung“ durchaus Unterhaltungswert hat und nett zu lesen ist. Aus der Masse der zahllosen Verschwörungsthriller hebt sich das vorliegende Buch allerdings leider nicht ab.

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Crichton, Michael – Next

Mit „Next“ legt Michael Crichton seinen neuesten Spannungsroman vor, der im Stile seines letzten Buches [„Welt in Angst“ 880 ebenfalls ein kontrovers diskutiertes aktuelles Thema aufgreift. Nach Crichtons Schilderungen zur Klimaproblematik nimmt er sich dieses Mal die Gentechnik vor und beleuchtet in Romanform einige ihrer „Auswüchse“.

Zunächst lernen wir den Kopfgeldjäger und Privatdetektiv Vasco Borden kennen, der auf der Jagd nach einem Nachwuchsforscher ist, der sich schließlich selbst umbringt, als Borden ihm zu nahe auf die Pelle gerückt ist. Doch der Forscher, der unerlaubterweise Zellen aus seinem Labor entwendet hat, wird nicht Bordens einziger Auftrag in diesem Buch bleiben. Im späteren Verlauf soll er einen Jungen oder seine Mutter kidnappen, wird aber bei diesem Entführungsversuch durch einen Hybriden eines Ohres entledigt.

Ein weiterer Handlungsstrang befasst sich mit Frank Burnet, der nach einer schweren Krebserkrankung wieder genesen ist und nun seinen behandelnden Arzt anzeigt, weil dieser ihm Zellen und Gewebeproben entnommen hat, um sie kommerziell zu vermarkten. Doch Burnet hat nie die Genehmigung für diese Vermarktung unterschrieben und möchte nun zumindest an diesem Milliardengeschäft beteiligt werden. Sehr zu Burnets Verwunderung und zum Entsetzen seiner Tochter Alex, die als Juristin arbeitet und ihren Vater in diesem Fall verteidigt, verliert Burnet den Prozess und ist somit anschließend nicht mehr der Besitzer seiner Körperzellen. Als im Labor die Burnet-Zelllinie kontaminiert wird, ist die Not groß: Die Zellen müssen unbedingt wiederbeschafft werden, allerdings ist Frank Burnet untergetaucht, sodass nun Alex und ihr kleiner Sohn Jamie ins Kreuzfeuer geraten, da sie dieselben Zellen liefern könnten.

Bei einer Expedition in Zentralsumatra beobachten Fotografen einen Menschenaffen, der die Abenteurer in verschiedenen Sprachen beschimpft. Der sprechende Affe macht Schlagzeilen, allerdings ist dies nicht das einzige sprechende Tier, das uns in „Next“ begegnen wird, denn wir lernen auch den Papageien Gerrard kennen, der nicht nur wunderbar sprechen, sondern sogar rechnen kann. Etwas ganz Besonderes ist auch Dave – ein Schimpanse, der von seinem Vater im Labor gezeugt wurde und nun eingeschläfert werden soll. Doch sein leiblicher Vater rettet Dave, bringt ihn zu seiner Familie und schickt ihn sogar zur Schule. Dass dies Probleme mit sich bringen wird, dürfte offensichtlich sein.

Michael Crichton erzählt zahlreiche weitere Geschichten in seinem gut 500-seitigen Wissenschaftsthriller: Josh Winkler gerät in große Probleme, als sein drogensüchtiger Bruder aus Versehen eine Probe inhaliert, die eigentlich für Tierversuche bestimmt war. Als Joshs Bruder anschließend von seiner Drogensucht befreit ist und sein Leben wieder in die richtigen Bahnen lenken kann, ist Joshs Mutter begeistert, allerdings weiß sie noch nicht, dass ihr Sohn durch das Mittel wesentlich schneller altern wird. Gentechnik bringt eben nicht nur Gutes mit sich…

„Next“ mag zwar durchaus Michael Crichtons neues Buch sein, wahrscheinlich wird es sogar sein nächster Bestseller werden, doch eines ist „Next“ ganz sicher nicht: sein nächster ausgefeilter Roman mit überzeugendem Spannungsbogen! Michael Crichton ist einer der Väter des Wissenschaftsthrillers. In „Timeline“ befasste er sich mit der Teleportation und dem vieldiskutierten Quantencomputer, in „Beute“ waren es die Nanoroboter, die sich plötzlich selbständig gemacht und dadurch für allerhand Ungemach gesorgt haben. Gentechnik und die damit verbundene Problematik ist sicher ein brisantes Thema, das viel Potenzial hat, um es in einem spannungsgeladenen Roman auszubreiten. Doch dies war wohl nicht Michael Crichtons Absicht.

Von Beginn an öffnet er zahlreiche Handlungsstränge, stellt uns selbst 100 Seiten vor Schluss noch neue Protagonisten vor und verliert dabei offensichtlich selbst den Überblick, denn es häufen sich die losen Enden, die nicht fortgeführt werden. Viele Figuren werden präsentiert und geraten anschließend in Vergessenheit. Einen roten Faden lässt dieses Buch ebenso vermissen wie einen Spannungsbogen, Hauptcharaktere oder Sympathieträger. Wir lernen so viele verschiedene Figuren kennen, dass es ratsam wäre, sich beim Lesen eine Personenliste zu erstellen. Eine solche wäre mit Sicherheit deutlich hilfreicher gewesen als das kommentierte Literaturverzeichnis, das stattdessen den Abschluss des Buches bildet.

Wieder einmal ist Michael Crichton missionarisch unterwegs. Wie das ausführliche Literaturverzeichnis vermuten lässt, hat sich Herr Crichton in den letzten Monaten oder auch Jahren intensiv mit der Gentechnik beschäftigt und nun ist für ihn die Zeit gekommen, der Welt seine Meinung kundzutun. In Form zahlreicher Handlungsstränge, in denen uns Michael Crichton Forscher als gewissenlose Egoisten vorstellt, führt er uns vor Augen, welch schreckliche Folgen die Gentechnik denn haben kann und wie rücksichtslos Wissenschaftler und Unternehmer mit den Zellen anderer Menschen und auch ihrem Schicksal umgehen. Zwischendurch flechtet Crichton immer wieder fingierte Zeitungsartikel ein, die sich ebenfalls den negativen und erschreckenden Folgen der Gentechnik widmen. Im Grunde genommen ist es natürlich sehr löblich, dass sich Michael Crichton dieses in der Tat sehr wichtigen Themas annimmt, das ja zu Recht kontrovers diskutiert wird und sicherlich nicht nur Gutes bringen wird. Doch leider offeriert Crichton uns nicht nur Fakten und wahre Begebenheiten, anhand derer man sich sein eigenes Urteil bilden kann – nein, Michael Crichton schwingt den Holzhammer, mit dem er uns seine eigene Meinung einhämmern möchte. Das muss zwangsläufig schiefgehen. Als halbwegs gebildeter und eigenständig denkender Mensch muss man sich von diesem Buch einfach veräppelt fühlen. Crichton hält seine Leser offenbar für geistig beschränkt und meint, uns eine Meinung an die Hand geben zu müssen, nämlich seine eigene.

Dabei ist gerade die Gentechnik ein Thema, mit dem man äußerst sensibel umgehen sollte. Wo Politiker Expertengremien bilden, die zu einem fachlich durchdachten Urteil kommen soll(t)en, stellt Crichton sich hin und predigt „die (seine!) Wahrheit über die Gentechnik“, doch so geht es nicht! Natürlich muss man vorsichtig mit menschlichen Zellen umgehen, natürlich ist es fragwürdig, was die heutige Forschung möglich macht bzw. machen kann, und natürlich ist es verwerflich, wenn ein Forscher sich im Labor einen tierischen Nachkommen erschafft. Doch ist nicht alles schwarzweiß – Forschung bedeutet neben all diesem Gräuel auch Fortschritt und mögliche Hilfe bei Krankheiten. Es ist nicht alles schlecht, nur weil ein Michael Crichton dies so darstellt. Meiner Meinung nach ist es gefährlich, dass ein berühmter und erfolgreicher Bestsellerautor ein solches Buch schreiben darf, in dem nur eine einzige Meinung Gültigkeit hat.

In „Next“ werden sämtliche Figuren schwarzweiß gezeichnet, die Forscher, Ärzte, Juristen sind schlecht, rücksichtslos und nur auf Gewinn bedacht, während die Patienten, die ohne ihr Wissen Gewebe gespendet haben, Opfer sind, denen kein Recht an ihren Zellen zugestanden wird. Crichton verwendet Schablonen anstelle von echten Charakteren, keiner Figur verleiht er Tiefe, niemanden stellt er uns so vor, dass er authentisch wirkt oder zum Sympathieträger werden könnte. Möglicherweise mag dies an den „falschen Genen“ der Protagonisten liegen, kann doch durch die Gene alles Verhalten erklärt werden, wie man nach der Lektüre dieses Buches glauben könnte. Das vorliegende Buch wirkt ausgefranst und man kann sich durch die vielen Handlungsstränge und die schnellen Wechsel der Szenerie nicht so recht einlesen. Bis zum Schluss bin ich mit diesem Werk nicht warm geworden und wusste nicht, was der Autor mir eigentlich sagen möchte. Zu Crichtons Gunsten hatte ich zunächst angenommen, er wolle die möglichen Folgen der Gentechnik lediglich überspitzt darstellen, um sein Publikum aufzuschrecken und auf dieses drängende Problem aufmerksam zu machen. Doch das Lesen des Nachwortes macht diese Hoffnung zunichte, denn Crichton möchte mit diesem Buch tatsächlich nur seine eigene Meinung kundtun.

Insgesamt bin ich schlichtweg enttäuscht von diesem literarischen Ausrutscher Michael Crichtons, den ich seit „Timeline“ leider nie wieder in Höchstform erleben durfte und der mir inzwischen eher wie ein Wanderprediger vorkommt. Sehr lobenswert finde ich sein Anliegen, aktuelle und kontroverse Themen für seine Bücher herauszugreifen und dadurch auf diese aufmerksam zu machen. Sein Vorgehen hierbei ist allerdings sehr fragwürdig, denn er lässt keine Meinung neben seiner eigenen zu und vereinfacht die Sachlage viel zu sehr. Wie ein Elefant im Porzellanladen geht Crichton zu Werke, wo stattdessen viel Fingerspitzengefühl gefragt gewesen wäre.

http://www.randomhouse.de/blessing/

Canavan, Trudi – Meisterin, Die (Die Gilde der Schwarzen Magier 3)

Band 1: [„Die Rebellin“ 3041
Band 2: [„Die Novizin“ 2989

Mit ihrer „Gilde der schwarzen Magier“ hat Trudi Canavan sich in den Olymp der Jugendfantasy-Autoren geschrieben. Ihre fantastische Geschichte rund um die junge Magierin Sonea macht spätestens ab dem zweiten Teil „Die Novizin“ absolut süchtig und schafft es auf überzeugende Weise, zahlreiche Fantasyliebhaber für sich zu gewinnen.

Im dritten und vorerst abschließenden Teil der „Gilde der schwarzen Magier“ erfährt Sonea endlich die wahren Gründe für Akkarins Verhalten. Der Hohe Lord nimmt sie mit in die Stadt und zeigt ihr, wie sie die Gedanken eines sachakanischen Sklaven gegen dessen Willen lesen kann. In diesen Gedanken erfährt Sonea vieles aus Akkarins Vergangenheit und von seinen Reisen, doch insbesondere liest sie, wie Akkarin schwarze Magie erlernt hat und aus welchen Gründen dies geschah. Es sind schreckliche Dinge, die Sonea nun erfahren muss, denn die Gilde der schwarzen Magier wird von mächtigen Ichani bedroht, die sich schwarzer Magie bedienen und große Kräfte von ihren Sklaven nehmen. Einst konnte Akkarin einen mächtigen Ichani töten, doch seitdem sinnt dessen Bruder auf Rache, und nun scheint die Zeit für diese Rache gekommen zu sein. Die Ichani wollen gemeinsam die Gilde angreifen und zerstören.

Sonea fürchtet um die Gilde und um ganz Kyralia, da bereits ein einziger Ichani so mächtig ist wie dutzende Magier der Gilde. Nach reiflicher Überlegung überredet sie Akkarin schließlich dazu, sie in schwarzer Magie auszubilden, damit sie ihm in seinem Kampf beistehen kann. Gemeinsam mit seinem Diener Takan unterrichtet Akkarin widerwillig seine Novizin in schwarzer Magie und zeigt ihr, wie sie Kraft aus anderen Menschen ziehen kann. Durch eine List der Ichani jedoch gerät Akkarin in Verdacht, einen anderen Magier und seine gesamte Familie mithilfe schwarzer Magie getötet zu haben. Bei ihren Nachforschungen finden die anderen Magier schließlich heraus, dass auch ihr Hoher Lord ein schwarzer Magier ist, dem aufgrund dieses Verbrechens die Hinrichtung droht.

In einem packenden Prozess versuchen Akkarin und Sonea, die Magier von der drohenden Gefahr zu überzeugen, doch am Ende müssen die beiden sich einem harten Urteil beugen, das die Zukunft der gesamten Gilde bedrohen könnte …

In diesem dritten Teil zieht Trudi Canvan gewaltig das Tempo an, dieses Buch widmet sich nicht länger Soneas Studien und ihren Zwistigkeiten mit den anderen Novizen, hier ist kaum noch die Rede von ihrem kleinen Widersacher Regin, der ihr lange Zeit das Leben zur Hölle gemacht hat. Wir verlassen hier nun die Internatsgeschichte und widmen uns wichtigen Ereignissen, die schließlich das Schicksal und die Zukunft der Gilde verändern oder auch zerstören könnten. In diesem Band drohen große Gefahren, die Akkarin plötzlich in einem ganz anderen Licht dastehen lassen. Der Hohe Lord ist nämlich nicht der durchtriebene und hinterhältige Mörder, für den Sonea ihn lange Zeit gehalten hat – nein, er hatte die ganze Zeit das Wohl der Gilde im Sinne. Durch die Kräfte seines Dieners Takan gestärkt, hat Akkarin alle sachakanischen Sklaven ermordet, die von den Ichani in die Stadt ausgesandt worden waren, um dort die Gilde auszuspionieren und um herauszufinden, wie stark die Gilde wirklich ist.

Wir begeben uns auf eine neue Handlungsebene, die diesem Buch einen ganz neuen Reiz verleiht. „Die Meisterin“ ist nicht länger für Kinder geschrieben, hier geht es um Mord, um Krieg und um das Überleben der Gilde. Die Ichani sind eine Gefahr für die gesamten verbündeten Länder, da ihre Kräfte unglaublich groß sind und sie nun erfahren haben, dass die Gilde keine schwarze Magie anwendet und den Ichani daher deutlich unterlegen ist. Die Aussicht auf einen Sieg der Gilde ist gering; man hat das Gefühl, als müsste David gegen Goliath kämpfen, und als Akkarin und Sonea schließlich für ihre Verbrechen verurteilt werden und Kyralia verlassen müssen, ist die Gilde den Ichani schutzlos ausgeliefert. Es besteht kaum Hoffnung, doch genau das steigert die Spannung ins Unermessliche.

In einem weiteren Erzählstrang begegnen wir Soneas Jugendfreund Cery wieder, der sich bei den Dieben einiges Ansehen erarbeitet hat und zu Ruhm und Reichtum gelangt ist. Außerdem hat er einen mächtigen Verbündeten, dessen Identität uns erst spät offenbart wird. Genau wie Sonea hat auch Cery sich gemausert, die beiden sind älter und deutlich reifer geworden, sodass auch das gesamte Buch viel erwachsener wirkt, weil es nicht länger um die Sorgen heranwachsender Jugendlicher geht. Cery lernt in diesem Band eine geheimnisvolle Sachakanerin kennen, die für ihn die Spione der Ichani ausfindig machen kann. Gleichzeitig fordert sie von Cery, ihr zu vertrauen und ihre Existenz nicht an seinen „Auftraggeber“ zu verraten. Doch kann er ihr wirklich vertrauen oder wird sie ihm eine Falle stellen?

Auch dem Botschafter Dannyl begegnen wir wieder. Dannyl führt weiterhin Aufträge für Akkarin aus und muss seine geheime Beziehung zu dem Gelehrten Tayend aufdecken, um das Vertrauen einer Gruppe von Rebellen zu gewinnen, die einen wilden Magier verbergen. Bei dieser Mission begibt Dannyl sich nicht nur in große Gefahr, sondern er entdeckt auch nach und nach das Geheimnis der so genannten höheren Magie, hinter der sich nichts anderes verbirgt als die schwarze Magie. Mit einem Buch über schwarze Magie im Gepäck macht sich Dannyl schließlich auf nach Imardin, um dort Akkarin dieses kostbare Buch zu zeigen. Doch ahnt Dannyl noch nichts von den dortigen Unruhen …

Die faszinierendste Gestalt des dritten Buches ist eindeutig Akkarin. In den Gedanken des gefangenen Sklaven kann Sonea lesen, dass Akkarin einst ein Sklave der Ichani war, denen er als Kraftquelle dienen musste. In Sachaka lernte er die schwarze Magie, mit deren Hilfe er schließlich den Fängen der Ichani entkommen konnte. Der Hohe Lord offenbart endlich eine ganz neue und interessante Seite, die überzeugend erklärt, wieso er trotz strikten Verbots der Gilde weiterhin schwarze Magie anwendet. In diesem Buch wird Akkarin zu einem Sympathieträger, den man nicht mehr missen möchte. Beim Lesen könnte man sich fast ein wenig in ihn verlieben, sodass man es nur allzu gut nachvollziehen kann, als auch Sonea plötzlich mehr in ihm sieht als ihren Mentor.

„Die Meisterin“ ist ein wahrlich fulminanter Abschluss der Trilogie „Die Gilde der schwarzen Magier“, die von Band zu Band immer spannender und interessanter wird. Mit dem Heranwachsen der Romanheldin reift auch die Serie und gewinnt dadurch an Reiz, dem man sich kaum entziehen kann. In diesem Buch ist es Akkarin und seine sich wandelnde Beziehung zu Sonea, die für zusätzliche Spannung sorgt. Aber auch die stetig wachsende Gefahr durch die mächtigen Ichani macht das vorliegende Buch zu einem absoluten Pageturner, den man innerhalb kürzester Zeit (leider!) durchgelesen hat, um anschließend zugegebenermaßen in ein ziemliches Loch zu fallen. Doch dieses werden hoffentlich das angekündigte Prequel sowie das dreiteilige Sequel füllen. Ich jedenfalls warte sehnsüchtig auf die Veröffentlichung dieser Bücher und werde mir derweil die Zeit mit Trudi Canavans Fantasyreihe „Age of the five“ vertreiben, die hoffentlich meine Entzugserscheinungen ein wenig mindern kann.

http://www.trudicanavan.com
[Verlagsspezial zur Serie]http://www.randomhouse.de/specialskids/canavan/

[„Priester“ 4275 (Das Zeitalter der Fünf 1)
[„Magier“ 4456 ((Das Zeitalter der Fünf 2)
[„Götter“ 4621 (Das Zeitalter der Fünf 3)
[„Die Rebellin“ 3041 (Die Gilde der Schwarzen Magier 1)
[„Die Novizin“ 2989 (Die Gilde der Schwarzen Magier 2)
[„Die Meisterin“ 3065 (Die Gilde der Schwarzen Magier 3)

James, Peter – Stirb ewig

„Stirb ewig“ ist der spannungsgeladene Auftakt zu Peter James‘ Kriminalreihe um Detective Superintendent Roy Grace, die vor kurzem durch [„Stirb schön“ 3154 fast ebenso packend fortgesetzt wurde:

Der erfolgreiche Unternehmer Michael Harrison steht kurz vor seiner Hochzeit mit der schönen Ashley, als er mit seinen besten Freunden nochmal ordentlich einen trinken gehen und bei seinem Junggesellenabschied auf den Putz hauen möchte. Doch Michael ahnt noch nicht, was für einen perfiden Joke sich seine Freunde mit ihm erlauben wollen, die wollen sich nämlich ein wenig an Michael und seinen schlechten Scherzen der Vergangenheit rächen und planen eine „Beerdigung“ für ihn. Auf einem verlassenen Grundstück haben die Freunde ein Grab ausgehoben und einen passenden Teakholzsarg bereitgestellt, der leider an der Unterseite etwas leck geschlagen ist und Wasser durchlässt. Im betrunkenen Zustand heben sie Michael in den Sarg, drücken ihm eine Taschenlampe, ein Pornoheft, eine Flasche Whiskey und ein Walkie-Talkie in die Hand, bevor sie den Deckel herunterlassen und fest verschrauben. Noch machen die vier Freunde sich keine Sorgen um Michael, denn der ist mit seinem Atemschlauch versorgt und durch das Walkie Talkie direkt mit ihnen verbunden, allerdings wissen sie auch noch nicht, dass sie auf dem Weg zur nächsten Kneipe einen schrecklichen Autounfall haben werden: Drei der Freunde sind auf der Stelle tot, der vierte schwebt in Lebensgefahr und liegt im Koma. Und das lebensrettende Walkie Talkie wird von dem geistig zurückgebliebenen Davey gefunden, der den Ernst der Lage nicht erkennt und das Walkie-Talkie vor seinem Vater versteckt.

Derweil sitzt Michaels Geschäftspartner Mark Warren im Flugzeug und hat aufgrund von Nebel stundenlang Verspätung, sodass er nicht wie geplant am Junggesellenabschied teilnehmen kann. Der Nebel allerdings rettet sein Leben, denn sonst hätte auch Mark im Unfallauto gesessen. Als er von dem schweren Autounfall hört, sieht er seine Chance gekommen: Er behauptet, von dem inszenierten Begräbnis und von Michaels Verbleib nichts zu wissen, insgeheim schmiedet er jedoch ganz andere Pläne, denn der Stachel der Eifersucht nagt tief in ihm, weil Michael schon immer erfolgreicher war. Michael kommt aus guten Verhältnissen und hatte schon immer den deutlich größeren Erfolg beim weiblichen Geschlecht – damit soll nun Schluss sein.

Roy Grace ahnt von diesem verhängnisvollen Zusammenspiel noch nichts, als er vor Gericht steht, um dem Prozess eines Schwerverbrechers beizuwohnen, der daran zu scheitern droht, dass Roy Grace zur Aufklärung des Falles ein Medium hinzugezogen hat. Als die Presse davon Wind bekommt, wird Roy Grace zum Gespött aller Zeitungen, sein Ruf ist ruiniert und seine Chefin ziemlich schlecht auf ihn zu sprechen. Doch auch auf der Suche nach Michael Harrison wird er auf paranormale Hilfe zurückgreifen müssen.

Michael weiß von all diesen Geschehnissen nichts, während er mit steifen Gliedern im Sarg liegt, Hunger und Durst leidet und das Grundwasser im Sarg immer höher steigt. Seine Panik wächst und wächst, doch die mögliche Rettung weiß noch nicht einmal von seiner prekären Lage …

Dies sind die Komponenten für Peter James‘ hochspannenden Thriller, der von dem Moment an mitzureißen weiß, als Michaels Freunde ihren schweren Autounfall haben und Michael hilflos in einem stabilen Sarg begraben liegt, über dessen Verbleib niemand etwas weiß. Was zunächst wie ein Dummer-Jungen-Streich wirkt, wird schlagartig todernst, als Michaels Freunde verunglücken und nur noch eine winzige Hoffnung besteht, dass der schwer verletzte Josh erwacht und Michaels Aufenthaltsort verraten kann. In jeder Minute fiebert man mit Michael mit und hofft, dass Josh erwachen möge, dass Mark es sich vielleicht anders überlegen könnte oder dass Davey sich verraten und damit seinen Vater auf den Plan rufen würde. Doch nichts davon geschieht, Peter James macht in seinem Spannungsroman jede aufkeimende Hoffnung sehr schnell zunichte, wodurch er seinen Spannungsbogen immer weiter ausbaut, sodass man schließlich fingernägelkauend mit dem Buch in der Hand dasitzt und einem Schweißperlen vor Aufregung auf der Stirn stehen. Ich habe selten ein Buch gelesen, das spannender war als „Stirb ewig“. Und das liegt noch nicht einmal an der ausgefeilten Charakterzeichnung, einem überragenden Ermittler oder einer besonders ausgeklügelten Story. Nein, Peter James fügt die Bausteine, die ihm zur Verfügung stehen, klug zusammen und konzentriert sich größtenteils darauf, das Tempo immer weiter anzuziehen – und genau das schafft er meisterlich.

Nach und nach fügen sich die einzelnen Informationen zu einem Ganzen zusammen und hierbei hat Peter James so einige Überraschungen für uns parat, sodass man einige Male ziemlich erstaunt ist angesichts der Wendung, die sich einem beim Lesen eröffnet. Allerdings muss man auch so ehrlich sein und zugeben, dass insbesondere die allerletzte Wendung gen Buchende ein wenig viel des Guten gewesen ist. Dass James uns überraschen will, ist legitim und an den meisten Stellen auch gelungen, aber leider übertreibt der Autor es am Ende ein wenig, sodass die finale Auflösung etwas unrealistisch anmutet. Aber was soll’s – in Anbetracht von gut 300 Seiten Hochspannung mag man ihm dies verzeihen.

„Stirb ewig“ ist der Auftakt zu Peter James‘ Kriminalreihe rund um Roy Grace, der uns hier erstmals präsentiert wird. In diesem Buch erfahren wir einiges zu seiner Person und insbesondere zu seiner Vergangenheit. Vor genau zehn Jahren ist an Roys Geburtstag seine geliebte Frau Sandy spurlos verschwunden, die er seitdem mit allen Mitteln aufzuspüren versucht, selbst wenn es sich bei diesen Mitteln um Medien handelt, die ihn später bei der Polizei in Verruf bringen werden. Peter James‘ Hang zur Esoterik fand ich etwas gewöhnungsbedürftig und ehrlich gesagt auch völlig überflüssig, aber das scheint nun mal sein Markenzeichen zu sein. Nach der Lektüre beider Roy-Grace-Romane muss ich allerdings anmerken, dass Roy Grace im Laufe dieser beiden Romane nur wenig an Profil gewinnt, „Stirb schön“ trägt kaum dazu bei, uns diesen Ermittler besser vorzustellen, das haben andere Autoren vor Peter James schon deutlich überzeugender geschafft.

Verzichtbar fand ich die Nebengeschichte rund um den Strafprozess, an dem Roy Grace ebenfalls beteiligt war. Dieser Prozess hat rein gar nichts mit dem aktuellen Kriminalfall zu tun und lenkt daher nur überflüssig vom eigentlichen Geschehen ab, aber glücklicherweise trat dieser Prozess sehr schnell in den Hintergrund.

Insgesamt bleibt festzuhalten, dass Peter James mit „Stirb ewig“ ein grundsolider Thriller mit einem hervorragenden Spannungsbogen gelungen ist, der von Beginn an zu fesseln weiß. Auf jeder Seite fiebert der Leser mit dem eingeschlossenen Michael Harrison mit, der erst nach und nach ahnt, in welch prekärer Lage er sich wirklich befindet. „Stirb ewig“ ist spannende Unterhaltung für einige Stunden, die man sich als Thrillerfan nicht entgehen lassen sollte.

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Sylvain, Dominique – Schöne der Nacht

Endlich hat |List| die junge französische Autorin Dominique Sylvain für sich entdeckt, sodass der bibliophile Leser nun auch in den großartigen Genuss der Lola-Jost-Reihe kommt. Der Verlag selbst macht Werbung für das vorliegende Buch mit den Worten „die Krimientdeckung aus Paris“ und trifft damit ins Schwarze, denn genau das ist es, eine wunderbare Entdeckung, die jedem Krimifreund das Herz höher schlagen lässt! Aber genug der Lobesworte vorweg, beschäftigen wir uns zunächst mit dem Inhalt:

Zu Beginn lernen wir Jean-Luc und die beiden unzertrennlichen „siamesischen Zwillinge“ Farid und Noah kennen, die gemeinsam den Coup ihres Lebens planen. Am frühen Morgen rammen sie mit ihrem Geländewagen eine Wechselstube und rauben diese gründlich aus. Die Beute bei diesem Raubzug ist enorm, insgesamt anderthalb Millionen Euro haben die Räuber eingesackt. Doch Farid hat Erstaunliches mit seinem Anteil vor, er nimmt die 500.000 € und macht sich damit zu seiner Exfreundin Vanessa auf, um diese noch einmal umzustimmen. Besonders Jean-Luc ist schockiert von dieser Wendung, doch kann er noch nicht ahnen, welchen Rattenschwanz an Ereignissen Farids Entscheidung nach sich ziehen wird.

Denn am nächsten Morgen wird Vanessa ermordet aufgefunden. Jemand hat sie erwürgt und ihr fein säuberlich mit einem Beil die Füße abgetrennt. Farid ist apathisch und muss mit vereinten Kräften aus seiner Wohnung gerettet werden. Aber ausgerechnet Vanessas Mitbewohnerinnen Khadidja, die zufälligerweise Farids Schwester ist, und die psychisch labile Chloé finden ihre ermordete Freundin und auch Farids Geld, das in einer Sporttasche neben der Toten liegt. Als die Polizei am Tatort eintrifft, haben die beiden jungen Mädchen das Geld bereits an die Seite geschafft. Jean-Pascal Grousset soll die Ermittlungen im Fall Vanessa Ringer leiten, das wiederum gefällt seinem Mitarbeiter Jérôme Barthélemy überhaupt nicht, da er seinen Vorgesetzten, den er wenig schmeichelhaft den Gartenzwerg nennt, nicht ausstehen kann. Da seine ehemalige Chefin Lola Jost in der Nähe des Tatorts wohnt, eilt er sogleich zu ihr, um ihr von dem Leichenfund zu berichten.

Zunächst ist die pensionierte Lola Jost viel mehr an ihrem 5000-teiligen Puzzle als an dem Mordfall interessiert, als jedoch Maxime Duchamp ins Zielfeuer der Ermittlungen gerät und zum Hauptverdächtigen avanciert, wird Lola auf den Plan gerufen, denn Maxime ist der Küchenchef in ihrem Stammrestaurant und damit für sie unentbehrlich. Aber Lola Jost ist nicht die Einzige, die auf Maxime nicht verzichten kann; auch die blonde Bohnenstange Ingrid Diesel, die Maxime leidenschaftlich gerne massiert und gerne noch viel mehr mit ihm anstellen würde, möchte ihren Angebeteten vor der Justiz retten, da sie fest an seine Unschuld glaubt. So macht sich schließlich dieses unvergleichliche Duo an die Ermittlungen und ist der Polizei stets mindestens einen Schritt voraus …

Zugegeben, das klingt zunächst nach einem ganz alltäglichen Kriminalfall, der sich auch nicht sonderlich von anderen Spannungsromanen abhebt. Doch weit gefehlt; Dominique Sylvain gelingt etwas ganz Seltenes, nämlich die Erschaffung eines Ermittlerduos, das vom ersten Moment an süchtig macht. Während Ingrid Diesels erster Auftritt als verliebte Masseuse noch eher gewöhnungsbedürftig ist, sammelt sie als Partnerin von Lola Jost viele Sympathien. Diese beiden Damen, die ein wenig an Pat und Patachon erinnern mögen, sind es, die mit viel Engagement den Restaurantbesitzer Maxime Duchamp aus den Fängen der Polizei retten wollen. Als Duo sind die beiden Frauen so ungewöhnlich und so sympathisch, dass der Kriminalfall fast ein wenig in den Hintergrund treten mag, wenn die beiden sich vorzugsweise nachts auf die Tätersuche machen und dabei trotz zahnhygienischer Unannehmlichkeiten einige Nächte im Auto schlafen müssen, um dann allerdings am Ende natürlich triumphieren zu können.

Die übergewichtige grauhaarige und bereits pensionierte Ex-Polizistin Lola Jost, die eigentlich ja Marie-Thérèse heißt, entwickelt von ihrem ersten Auftritt an Kultstatus. Forsch, energisch und mit einer gewissen Portion Rücksichtslosigkeit entreißt sie ihrem Nachfolger seinen Fall und spielt ihn dabei an die Wand. Während der Ermittlungen wagt sie sich sogar todesmutig zu ihrem übermotivierten Friseur, der sie schließlich mit einer Volierenfrisur aus seinem Laden entlässt, die aber glücklicherweise dem schlechten Wetter auf den stürmischen und regnerischen Straßen von Paris nicht lange standhalten kann. Doch ist dies für Lola nebensächlich, solange sie durch den Friseurbesuch doch an gewünschte Informationen kommen kann.

Aber auch Ingrid Diesel hat es faustdick hinter den Ohren. Nicht ganz unauffällig schwärmt sie für den gutaussehenden Maxime Duchamp, der leider bereits mit der schönen Khadidja liiert ist, auf die Ingrid schrecklich eifersüchtig ist. Doch was Maxime noch nicht weiß, ist, dass Ingrid als Schöne der Nacht sehr erfolgreich in einer Stripteasebar auftritt, in der sie ihm schließlich auch den Kopf verdrehen kann. Lola und Ingrid ergänzen sich hervorragend zu einem unvergleichlichen Duo, das gemeinsam alle Schwierigkeiten zu meistern weiß und auch dem äußerst verwickelten Mordfall auf den Grund kommen wird.

Und das muss man Dominique Sylvain ebenfalls lassen: Sie schafft nicht nur eine geniale Figurenzeichnung, sie versetzt ihre beiden Krimiheldinnen auch in einen ziemlich gut durchkonstruierten Kriminalfall, in den alle beteiligten Figuren irgendwie verwickelt sind. Beim Lesen mag man zwischendurch zwar etwas den Durchblick verlieren, aber genau das wünscht man sich bei einem guten Krimi ja, sofern am Ende alles aufgeklärt wird. Hier bleiben einfach keine Wünsche offen: Sylvain führt uns auf die eine oder andere falsche Fährte, sie lockt uns mit Informationen, die mehr verheimlichen als offenbaren und die uns dadurch nur umso neugieriger machen. Schon früh wird klar, dass Chloé eine schreckliche Begegnung mit Farid hinter sich haben muss, die sie schließlich psychisch aus dem Gleichgewicht gebracht hat. Denn seitdem sucht sie regelmäßig einen Psychiater auf, der natürlich ebenfalls eine wichtige Rolle spielt. So fügt sich am Ende alles stimmig ineinander und der Leser bleibt staunend und außerordentlich zufrieden zurück.

Aber hier sind wir noch nicht am Ende der Lobeshymne angekommen, denn „Schöne der Nacht“ ist darüber hinaus einfach wunderbar geschrieben. Dominique Sylvain versetzt uns gekonnt in ein verregnetes Paris, in dem etliche Rätsel zu lösen sind. Man fühlt sich dort einfach wohl, hinzu kommt ein äußert feiner Humor, der dem Leser immer wieder ein Lächeln ins Gesicht zaubert. Am amüsantesten mutet wohl die Ergreifung eines Übeltäters mittels Schnellkochtopf und Cello an, die zu Gehirnerschütterung und Nierenverletzung, aber auch zu einer erfolgreichen Festnahme geführt hat. An diesen Stellen beweist Sylvain viel Sprachgefühl und auch einen Wortwitz, der den vorliegenden Kriminalfall zu einem absoluten Lesevergnügen macht.

So bleibt am Schluss nur festzuhalten, dass „Schöne der Nacht“ für mich in der Tat die angekündigte Krimientdeckung war. Schon jetzt warte ich ungeduldig auf den nächsten Lola-Jost-Fall, den sie hoffentlich wieder gemeinsam mit Ingrid Diesel lösen wird. Dominique Sylvain punktet insbesondere mit ihrer äußerst sympathischen Figurenzeichnung und ihrem wunderbaren Ermittlerinnenduo, das mich immer wieder köstlich amüsiert hat. Aber auch der zu lösende Kriminalfall hat es in sich; hier geht es einige Jahre in die Vergangenheit, viele Rätsel müssen gelöst und sämtliche Figuren in die Handlung einsortiert werden. „Schöne der Nacht“ ist ein Spannungsroman, der das Herz jedes bibliophilen Krimifreundes höher schlagen lässt!

Jodi Picoult – Bis ans Ende aller Tage

Jodi Picoult, eine wahre Meisterin des Spannungsromans, hat mit „Bis ans Ende aller Tage“ ein Buch vorgelegt, das zwar sehr umfangreich ist und auf der Inhaltsebene gar nicht allzu viel zu erzählen hat, aber dennoch von der ersten Seite an fesselt und das man von Anfang an kaum aus der Hand legen kann. In ein Genre lässt sich dieses Buch nur schwerlich einordnen, hier muss (und sollte) sich jeder sein eigenes Bild machen.

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James, Peter – Stirb schön

Mit „Stirb schön“ veröffentlicht Peter James den zweiten Roman rund um Roy Grace, der bereits in „Stirb ewig“ einen grausigen Fall zu lösen hatte. Peter James ist von Haus aus eigentlich Filmproduzent und versteht es vielleicht auch deshalb besonders gut, seine Leser von der ersten bis zur letzten Seite zu fesseln, ohne sein Publikum zu Atem kommen zu lassen.

Das vorliegende Buch beginnt mit einem Paukenschlag; gleich im ersten Satz lernen wir Janie Stretton kennen, eine wunderschöne und intelligente Jurastudentin, die nebenbei für einen Begleitservice gearbeitet hat. Noch im ersten Absatz teilt James uns mit, dass Janie nicht mehr lange zu leben hat, denn wir begegnen ihr am letzten Tag ihres Lebens. Gleich von Beginn an ist die Zielrichtung also klar. Bevor allerdings Janie ihrem Mörder begegnet, lernen wir auch Tom Bryce kennen, der ein eigenes Unternehmen leitet, das finanziell in der Krise steckt. Doch das ist nicht die einzige Sorge, die Tom quält, denn der Umzug in ein teures neues Heim und die eBay-Sucht seiner geliebten Frau Kellie treiben Tom noch weiter in den Ruin. Hinzu kommen die nervige Pendelei im überfüllten Zug und der fette Mann, der ihm dieses Mal gegenüber sitzt und ganz besonders lautstark telefoniert. Als der dicke Mann aussteigt, bemerkt Tom, dass dieser eine CD-ROM vergessen hat. Tom nimmt diese an sich, ahnt allerdings noch nicht, dass er sich damit viel Ärger eingehandelt hat …

Als Tom Bryce abends besagte CD-ROM in seinen Laptop einlegt und startet, wird er live Zeuge, wie Janie Stretton von ihrem Mörder brutal abgeschlachtet wird. Tom ist schockiert, glaubt jedoch zunächst, einen besonders realistischen Filmtrailer gesehen zu haben. Kurze Zeit später wird ein menschlicher Torso gefunden, der Kopf bleibt jedoch verschwunden. Detective Superintendent Roy Grace beginnt seine Ermittlungen und findet bald heraus, dass es sich bei der ermordeten jungen Frau um Janie Stretton handelt. Nach und nach taucht er in den Fall ein und kommt langsam, aber sicher den Mördern näher, die ihre grausige Tat live ins Internet übertragen haben.

Schneller, als ihm lieb ist, muss Tom Bryce erkennen, dass er nicht nur einen Filmtrailer, sondern einen realen Mord gesehen hat, denn er bekommt Drohmails, die anschließend seine Festplatte löschen. Als er seiner Frau Kellie von diesen erschreckenden Ereignissen erzählt, rät sie ihm, entgegen der Forderung des unbekannten Mailabsenders doch zur Polizei zu gehen. So gibt Bryce sich bei der Polizei schließlich als Mordzeuge zu erkennen, wird diesen Schritt allerdings noch bitter bereuen …

Peter James hat mit „Stirb schön“ einen rasanten und spannenden Thriller vorgelegt, der seine Leser von der ersten bis zur letzten Seite zu fesseln weiß. Von Anfang an legt James ein Tempo vor, dem der Leser sich nicht entziehen kann. Dabei macht er verschiedene Handlungsebenen auf, auf denen sich später die Ereignisse abspielen werden. Ein Schauplatz rankt sich um Tom Bryce und seine Familie sowie seine familiären Probleme. Obwohl er seine Frau über alles liebt, erkennt Bryce doch auch auftauchende Schwierigkeiten, die insbesondere finanzieller Art sind, da seine Frau ihm zuletzt einen mehrere tausend Dollar teuren Grill ersteigert hat.

Eine weitere Erzählebene widmet sich dem Ermittler Roy Grace, dessen Frau Sandy vor einigen Jahren spurlos verschwunden ist. Seitdem sucht Grace verzweifelt nach Spuren, die ihn zu seiner Frau führen könnten. Sobald ein bekanntes Medium die Stadt bereist, besucht er die Aufführung und versucht dort ebenfalls, die Gründe für das Verschwinden seiner Frau zu ergründen. Doch nun hat Grace sich neu verliebt und lässt sich auf Anraten seines Kollegen neu einkleiden, um die angebetete Cleo zu beeindrucken. Und tatsächlich wird das erste Date ein voller Erfolg, nur leider muss Grace später erfahren, dass er offensichtlich nicht der einzige Mann in Cleos Leben ist. Im Laufe der Geschichte kann Roy Grace beim Leser jede Menge Sympathiepunkte sammeln und wird so zu einer hoffentlich festen Größe in Peter James‘ Spannungsromanen.

Aber auch die Ermittlungen selbst nehmen natürlich einen großen Raum im Buch ein. Ein wichtiger Punkt ist hierbei Tom Bryces Laptop, auf dem Spuren nach den unbekannten Betreibern der Snuff-Homepage gesucht werden. Die Polizei lässt ihre besten Computerspezialisten ans Werk gehen, doch auch diese stehen dem Laptop ziemlich ratlos gegenüber. Auch Janie Strettons bewegtes Leben wird genau unter die Lupe genommen, wobei die Polizei recht bald auf einen Freier stößt, mit dem Janie in der Zeit vor ihrem Tod mehrere Verabredungen hatte und der dadurch zu einem der Verdächtigen wird. Ein großes Rätsel stellt auch der tote Skarabäus dar, der in der Leiche gefunden wird. Was will der Mörder damit sagen?

Während die Polizei lange Zeit im Dunkeln tappt, nähern die Verbrecher sich mit rasenden Schritten Tom Bryce und seiner Familie, die immer wieder bedroht werden und ganz offenbar im Zielkreuz stehen. Am Ende ist die Polizei so verzweifelt, dass sie sogar ein Medium zurate ziehen, das per Auspendeln bei der Auflösung des Mordfalles helfen soll.

Peter James eröffnet zahlreiche Handlungsstränge, zwischen denen er in rasantem Tempo hin- und herschaltet, um die Spannung immer weiter zu steigern. Zwischendurch kann man allerdings leicht den Überblick über alle ermittelnden Polizeibeamten verlieren, die größtenteils mit familiärem Anhang vorgestellt werden, sodass ich mir nur einen Bruchteil der Figuren überhaupt merken konnte. In Anbetracht des eher geringen Buchumfangs hätte Peter James sich durchaus auf einige wenige Ermittler beschränken und diese umso besser vorstellen können. Aufgrund der Fülle der auftauchenden Figuren erhalten nur die wichtigsten ein eigenes Profil, auf die anderen Charaktere hätte man daher größtenteils auch gut verzichten können.

Insgesamt bleibt aber definitiv ein positiver Gesamteindruck zurück, da Peter James es ausgesprochen gut versteht, seine Leser ans Buch zu fesseln und gekonnt zu unterhalten. „Stirb schön“ reicht sicherlich nicht an großartige Thriller wie „Das Schweigen der Lämmer“ und Co. heran, dennoch habe ich das Buch sehr gerne gelesen und werde mit Sicherheit wieder zu einem Buch von Peter James greifen. „Stirb schön“ ist genau das Richtige für dunkle, verregnete und ungemütliche Winterabende, bei denen man es sich mit einem spannenden Buch auf dem Sofa gemütlich machen möchte.

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Thomas Harris – Hannibal Rising

Thomas Harris‘ Hannibal-Trilogie (mittlerweile muss man wohl Quatrologie sagen) schlug im Thriller-Genre ein wie eine Bombe. Hannibal Lecter ist der Prototyp des wahnsinnigen und intelligenten Bösewichts, der grausamer ist als viele seiner „Kollegen“ und oft kopiert, aber bislang selten (gar nicht?) erreicht wurde. Auch die Verfilmungen der drei Romane waren erfolgreich wie kaum andere Thrilleradaptionen, der Film zum zweiten Teil [„Das Schweigen der Lämmer“ 354 wurde nicht zu Unrecht als bester Film ausgezeichnet und hat in diesem Genre Maßstäbe gesetzt, die natürlich auch auf dem Erfolg des gelungenen Buches fußen.

Wie so oft, wollen Autoren ihre erfolgreichen Reihen fortsetzen, solange sich damit noch Geld machen lässt, doch leider können diese Fortsetzungen oder auch Sequels/Prequels oft genug nicht adäquat an die Erfolge der Vorgängerromane anknüpfen. Dies ist leider auch bei „Hannibal Rising“ der Fall. Doch beginnen wir am Anfang:

Zur Zeit des zweiten Weltkrieges leben der junge Hannibal Lecter und seine kleine Schwester Mischa zusammen mit ihren Eltern in der Burg Lecter in Litauen. Der einstige Reichtum der traditionsreichen Familie Lecter ist bereits vergangen, die Gemälde und Schätze der Burg Lecter wurden gestohlen und werden Hannibal zu späteren Zeiten erneut begegnen. Nazis treiben ihr Unwesen in der Gegend, und nachdem Hannibals Eltern ums Leben kamen, sind Hannibal und die kleine Mischa auf sich alleine gestellt. Als sich einige Deserteure bei den Lecters einquartieren, erlebt Hannibal die bislang schlimmste Zeit seines Lebens. Seine Schwester und er werden von den Deserteuren gequält, doch schließlich kann Hannibal entkommen.

Als man den inzwischen stummen und verstörten Jugendlichen findet, bringt man ihn in ein Waisenheim, wo Hannibal von schweren Albträumen heimgesucht wird. Seine Schwester Mischa dagegen ist verschwunden und Hannibal kann sich an nichts erinnern. Nachts quälen ihn böse Gedanken, die ihn zurück in eine düstere Scheune und zurück zu seiner Schwester führen. Doch tagsüber lässt Hannibal diese Gedanken nicht zu, aus Angst, mit ihnen nicht fertig werden zu können.

Hannibals Onkel und seine schöne japanische Frau, die Lady Murasaki, nehmen den Jungen zu sich nach Frankreich, wo Hannibal endlich wieder im Kreise seiner Familie leben kann. Hannibal fühlt sich immer mehr zu Lady Murasaki hingezogen und rächt die japanische Dame auf grausame Weise, als diese empfindlich beleidigt wird. Der Junge überspringt einige Jahre in der Schule und beginnt in jungen Jahren sein Medizinstudium, in dem er seine besonderen Talente in der Anatomie entdeckt. Nachdem er sich durch eine Wahrheitsdroge an die Dinge erinnern kann, die seiner geliebten Schwester angetan wurden, sinnt Hannibel auf Rache und wird zu dem uns bekannten Kannibalen …

Thomas Harris‘ Ansinnen, uns Hannibal Lecters Wandlung zum Kannibalen zu erklären, ist gar nicht so verkehrt. Natürlich interessiert es den Fan der vergangenen drei Bände, wie Hannibal Lecter zu dem brutalen und berechnenden Monster werden konnte, als das wir ihn ab dem „Roten Drachen“ antreffen. Doch leider verpackt uns Thomas Harris diese spannenden Informationen in einem Roman, der jeglichen Spannungsbogen vermissen lässt und mir schier endlos vorkam. Stilistisch fällt „Hannibal Rising“ damit völlig aus dem Rahmen und will sich so gar nicht in die Hannibal-Reihe einfügen. Harris bemüht sich in diesem Prequel, uns Hannibal als kleinen noch unschuldigen Jungen zu präsentieren, der glücklich in seiner Familie aufwächst und einen Narren an seiner kleinen Schwester gefressen hat. Doch diese menschliche Seite ist es gar nicht, die man uns noch vorstellen muss, da wir diese durchaus kennen. Immerhin hat Hannibal gegenüber Clarice Starling schon oft genug Sympathie und menschliche Gefühle gezeigt.

Hannibals schlimme Kindheit breitet uns Thomas Harris in nahezu epischer Breite aus, ohne dabei aber auf den Punkt zu kommen. Immer wieder deutet Harris an, dass Mischa etwas Schreckliches passiert sein muss, doch kann man als Leser natürlich bereits ahnen, was die Deserteure mit ihr angestellt haben müssen, um Hannibals Wandlung zu einem Kannibalen zu erklären. Die stärksten Szenen im Buch sind meiner Meinung nach diejenigen, als wir den kleinen Hannibal als verstörten und stummen Jungen im Waisenheim treffen, der von Alpträumen geplagt wird und sich ständig fragt, was bloß aus seiner Schwester geworden ist, die auf mysteriöse Weise verschwand. In manchen Situationen blitzt bereits Hannibals aggressiver Charakter hervor, doch dominiert hier noch Hannibals verletzliche Seite, die schlussendlich zu seiner grausamen Wandlung führt.

Leider häufen sich im weiteren Verlauf des Buches die Ungereimtheiten, die uns kaum oder gar nicht erklärt werden. Mir ist beispielsweise Hannibals merkwürdige Liebe zu Lady Murasaki, die scheinbar auch noch erwidert wird, nicht wirklich klar geworden. Wieso die glücklich verheiratete Lady Murasaki sich zu einem Jugendlichen hingezogen fühlt, von dem sie weiß, dass er mindestens ein Menschenleben auf dem Gewissen hat, lässt Thomas Harris weitgehend im Dunkeln.

Insgesamt zieht sich der Plot zäh wie Kaugummi und mag nicht so recht mitreißen. Hannibals spätere Seelenqualen lassen uns bei der Lektüre ziemlich kalt, seine Charakterzeichnung fand ich in allen drei anderen Romanen weitaus faszinierender und authentischer. Wie Hannibal zum Kannibalen werden konnte, lässt sich praktisch in einem Satz zusammenfassen, doch nimmt Thomas Harris sich 345 Seiten lang Zeit, um uns dies in allen Einzelheiten darzulegen. Mich konnte diese Vorgehensweise nicht überzeugen, zumal ich den Stilbruch nicht gelungen fand. Von Thomas Harris und von Hannibal Lecter erwarte ich packende und gruselige Spannung, da erwarte ich einen Roman, der mich von der ersten Seite an mitreißt und mir kalte Schauer über den Rücken laufen lässt. Nichts davon ist bei „Hannibal Rising“ eingetreten. Schade, aber ich fand Thomas Harris‘ Versuch, uns Hannibal Lecters Vergangenheit näher zu bringen, ziemlich misslungen und hoffe nun eher auf eine Fortsetzung, die sich wieder Hannibals Zukunft widmet.

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Hawking, Stephen / Mlodinow, Leonard – kürzeste Geschichte der Zeit, Die

Wissen ist „in“! Heutzutage gilt es nicht mehr als schick, wenn man von der Relativitätstheorie noch nie etwas gehört hat, wenn man nicht weiß, wieso der Himmel blau ist, oder nicht einmal eine ungefähre Ahnung davon hat, warum Flugzeuge sich in der Luft halten können. Der Wissenschaftsjournalismus boomt mehr denn je, im Fernsehen häufen sich die Wissens-Sendungen, die für Cleverness beim Zuschauer sorgen sollen, aber auch die erfolgreichen Tages- und Wochenzeitungen geben ihre eigene Wissenschaftszeitschrift heraus. Da wundert es nicht weiter, dass auch Stephen Hawking, der sich nicht nur einen Namen als theoretischer Physiker, sondern auch als Wissenschaftsautor gemacht hat, seine ehemals „kurze Geschichte der Zeit“ in aktualisierter und noch stärker vereinfachter Form herausbringt.

„Die kürzeste Geschichte der Zeit“ widmet sich den modernen Theorien der Physik und bringt diese dem interessierten Leser ganz ohne Formeln näher. Stephen Hawking führt uns zurück an den Anbeginn der Zeit, als sich sämtliche Materie bzw. Energie der Welt in einem Punkt vereinigt befand und es dann zum so genannten Urknall kam. Seit dem Urknall dehnt sich das Universum aus und kühlt sich immer weiter ab. Dass dem so ist, haben Experimente bewiesen, was uns Hawking ebenfalls eindrucksvoll vor Augen führt.

Auch die spezielle und die allgemeine Relativitätstheorie stellt uns Stephen Hawking vor, indem er die wesentlichen Argumente der beiden Theorien herauspickt und uns diese phänomenologisch verdeutlicht. Hawking spricht von Relativität von Raum und Zeit, er zeigt uns, dass unsere Welt aus mindestens vier Dimensionen besteht, nämlich aus den drei bekannten Raumdimensionen und der Zeitdimension. Wir erfahren, was unter dem Zwillingsparadoxon zu verstehen ist und warum Reisen folglich jung hält. Auch dass Räume gekrümmt sind und der direkte Weg nicht immer der kürzeste ist, lernen wir auf fast spielerische Art und Weise.

Natürlich versäumt Stephen Hawking es auch nicht, uns einige aktuelle Bestrebungen der Forscher vorzustellen, wie die Suche nach der großen vereinheitlichenden Theorie. Ganz nebenbei erfahren wir, woran eine Theorie meistens scheitert, nämlich am Unendlichen. Am Ende widmet sich Stephen Hawking der Stringtheorie, die davon ausgeht, dass Teilchen als Strings vorliegen, die Längen-, aber keine Breitenausdehnung haben. Warum diese Theorie nur für einen 10- oder 26-dimensionalen Raum widerspruchsfrei ist, habe ich zwar nicht verstanden, aber die Erklärung dafür bleibt uns Hawking auch – glücklicherweise – schuldig.

Abgerundet wird das Buch durch drei Kurzbiografien und ein Glossar, in dem die wichtigsten Begriffe des vorliegenden Buches noch einmal kurz, knapp und verständlich erklärt werden.

Stephen Hawking schafft auf weniger als 180 Seiten einen Rundumschlag über die gesamte moderne Physik. Ganz ohne Formeln und in einfachen und verständlichen Worten führt er uns sämtliche wichtigen Theorien vor Augen, an denen aktuell geforscht wird oder die zu entscheidenden Durchbrüchen in der Wissenschaft geführt haben. Hawking bricht dabei auch die komplizierteste Physik auf ein Niveau herunter, welches auch ein Nicht-Physiker leicht verstehen kann. Das führt allerdings dazu, dass Hawking sich bei seinen Ausführungen auf die wesentlichen Punkte einer Theorie beschränken muss und nie in die Details gehen kann. Der Leser erhält einen oberflächlichen, aber dennoch sehr faszinierenden Überblick über aktuelle Forschungsthemen.

„Die kürzeste Geschichte der Zeit“ richtet sich dabei an interessierte Laien, die kurz und knapp darüber informiert werden möchten, woran Physiker heutzutage forschen, mit welchen Problemen sie konfrontiert sind und wieso Relativitätstheorie und Quantenmechanik sich eigentlich widersprechen. Vorkenntnisse sind zum Verständnis des Buches eigentlich nicht erforderlich, da Hawking sich auf phänomenologische Ausführungen beschränkt und nie so weit ins Detail geht, dass der Nicht-Physiker aussteigen müsste. Ganz im Gegenteil, an manchen Stellen fand ich Hawkings Schilderungen fast schon zu simpel, denn dass Wellen aus Hügeln und Täler bestehen, muss man nicht dreimal innerhalb kürzester Zeit wiederholen, damit der Leser es versteht. Aber das trübt den Gesamteindruck des Buches nicht wirklich.

Absolut faszinierend fand ich, mit welcher Leichtigkeit Stephen Hawking selbst die komplizierteste Physik so darstellen kann, dass der Leser gar nicht merkt, wie schwierig das in Wirklichkeit ist, was er hier gerade präsentiert bekommt. Mit seiner spektakulären Themenwahl schafft er es außerdem, noch mehr Interesse an der Physik zu wecken, denn gerade die Fragen nach dem Ursprung der Zeit oder der Entwicklung des Universums verleiten zu weiteren Spekulationen, denen der Leser sich nach der Lektüre hingeben kann.

Auch optisch sticht das Buch ins Auge, denn die „kürzeste Geschichte der Zeit“ ist auf glänzendem Papier gedruckt, auf dem die Grafiken besonders gut zur Geltung kommen. In zahlreichen Abbildungen wird das verdeutlicht, was Stephen Hawking uns in Worten erklärt. Etwas befremdlich fand ich, dass der Autor selbst auf vielen der Bilder zu sehen ist, aber vielleicht gehört das zum Hawking’schen Humor?!

Insgesamt ist „Die kürzeste Geschichte der Zeit“ ein faszinierender, spannender und leicht zu lesender Überblick über die moderne Physik, der sich an interessierte Laien richtet. Ein studierter Physiker erfährt zwar nicht wirklich etwas Neues, aber trotzdem kann man sein eigenes Wissen noch einmal auf den neuesten Stand bringen und gerade, wenn es um Themen wie die Stringtheorie geht, kann eigentlich fast jeder nur dazulernen, denn wer hat die schon wirklich verstanden? Unter dem Strich bleibt ein äußerst positiver Eindruck zurück, auch wenn ich wohl eher nicht zur Zielgruppe des Buches gehöre.

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Cassar, Jon – 24 – Twenty-Four: Behind the Scenes

Gibt es zurzeit eine Serie, die ein höheres Suchtpotenzial hat als „24“? Eine Serie, die packender ist und spannender, eine andere Serie, die es schafft, die Zuschauer für gut 18 Stunden fast permanent an den Fernseher zu fesseln? Ich kenne momentan keine und muss gestehen: Ich bin süchtig – süchtig nach „24“, süchtig nach einer Serie, die aufregend ist wie keine andere, süchtig nach einer Serie, die eine ungeahnte Faszination auf mich ausübt, die ich nie für möglich gehalten hätte. Noch vor wenigen Monaten dachte ich, dass ich all dem widerstehen könnte, die erste Staffel habe ich mit großer Skepsis eingeschaltet und doch dauerte es keine zwei Stunden, bis ich gefesselt vor dem Fernseher saß und auch meine Mahlzeiten vor den Fernseher verlegen musste. Doch eines wusste ich damals noch nicht: Nach der ersten Staffel kommt es noch „schlimmer“, die Staffeln werden besser und besser …

Doch was genau ist „24“ eigentlich? Es mag ja durchaus Menschen geben, die bisher das Glück hatten, die Serie noch nicht für sich zu entdecken. Glück deshalb, weil diese Menschen die Chance haben, alle bislang abgedrehten fünf Staffeln noch völlig unvoreingenommen anzuschauen. Darum beneide ich sie!

„24“ ist eine Serie, die in Echtzeit gedreht wurde. Hier ist der Name Programm, denn wir erleben 24 Stunden im Leben des Jack Bauer (großartig: Kiefer Sutherland) mit, der für die CTU (Counter Terrorist Unit) arbeitet und seltsamerweise immer in überaus gefährliche Situationen gerät. Grob gesagt geht es in jeder Staffel erneut darum, die Welt oder doch zumindest die USA zu retten. Und so viel sei verraten: Jack Bauer schafft es ein ums andere Mal, sonst würden wir ihn nicht aktuell in der nunmehr fünften Staffel erleben. Das Faszinierende an „24“ ist es, dass am Ende jeder einzelnen Folge, die jeweils eine Echtzeitstunde dauert (abzüglich der Werbepausen bleiben auf DVD leider nicht viel mehr als 40 Minuten übrig), ein Cliffhanger auf uns wartet, der es in sich hat. So wird man dazu verführt, eine Staffel praktisch ohne Unterbrechungen anzuschauen. Suchtpotenzial pur!

Um meine Entzugserscheinungen zwischen den einzelnen Staffeln etwas zu beheben, kam „24 – Behind the Scenes“ genau richtig. Dieses Buch bietet dem Fan eine riesige Auswahl an bislang nicht gezeigten Bildern, die jeweils mit passenden Hintergrundinformationen versehen sind, sodass man auch erfährt, was hinter den Kulissen passiert ist, welche Freundschaften oder Liebesbeziehungen entstanden sind und wie Kiefer Sutherland sich eigentlich auf seine atemberaubende Rolle eingestimmt hat.

Jeder Staffel sind etliche Seiten gewidmet, auf denen die spannendsten Geschehnisse noch einmal eindrucksvoll in Szene gesetzt sind; hier kann man alle entscheidenden Ereignisse noch einmal Revue passieren und sich in die Welt von „24“ entführen lassen. Neben den wichtigsten filmischen Situationen gehört aber insbesondere den Darstellern der jeweiligen Staffeln viel Raum. Wir sehen sie hier auf Fotos aus den Drehpausen und dabei teilweise in sehr ungewohnten Posen. Außerdem erfahren wir, wie inhaltliche Entscheidungen getroffen wurden, die teilweise nicht unumstritten waren.

Durch das große Format dieses üppigen Bildbandes wirken die einzelnen Farbaufnahmen einfach wunderbar, auch das Glanzpapier trägt zum optischen Genuss jedes Fotos bei. Auf den Bildern erfahren wir beispielsweise, dass Kiefer Sutherland offensichtlich ziemlich nikotinsüchtig ist, da es kaum ein Bild gibt, auf dem er gerade nicht raucht. Wahrscheinlich ist er also der Schauspieler, der die Drehpausen am dringendsten herbeigesehnt hat. Und obwohl der überragende Kiefer Sutherland natürlich ganz klar im Mittelpunkt des Buches steht, da die Serie ohne den schlichtweg coolen Jack Bauer einfach nicht funktionieren würde, kommen auch all die anderen – nicht minder wichtigen – Schauspieler nicht zu kurz. Hier sehen wir auch Darsteller, die in der Serie bereits sterben mussten (nein, ich werde nicht verraten, um wen es sich dabei handelt, diese Spannung will ich niemandem nehmen!) und die am weiteren Erfolg der Serie nicht mehr teilhaben konnten.

Leider gibt es allerdings auch einige Kritikpunkte, die ich nicht unter den Tisch kehren mag, auch wenn ich mich gerne heiß und innig in diesen schönen Bildband verliebt hätte: Der Teil „behind the scenes“, der im Buchtitel immerhin viel Raum einnimmt, kommt in diesem Buch leider deutlich zu kurz. Die Bildunterschriften sind meistens eher knapp gehalten und wir erfahren wenig Dinge, die wir bislang noch nicht wussten. Meistens müssen die Bilder für sich sprechen (was bei der hohen Bildqualität auch durchaus sehenswert ist), allerdings hätte ich mir noch mehr Anekdoten und Hintergrundgeschichten gewünscht.

Was aber am schwersten zum Tragen kommt: „24 – Behind the Scenes“ kommt zu einem denkbar schlechten Zeitpunkt auf den deutschen Markt, zu einer Zeit nämlich, in der es die DVD zur fünften Staffel noch nicht auf Deutsch zu kaufen gibt und die meisten 24-Fans diese Staffel noch nicht kennen dürften. Dass das ein gravierendes Problem ist, beweist schon ein Blick auf den Klappentext, der eine Neuigkeit offenbart, die mir nach dem Anschauen der ersten vier Staffeln noch nicht bekannt war. In diesem Bildband werden die bisher abgedrehten Staffeln inhaltlich sehr ausführlich dargestellt, hier werden die Bösewichte vorgestellt, wir erfahren, worum es sich in der jeweiligen Staffel drehte, welche Schwierigkeiten zu meistern und welche lebensbedrohlichen Situationen zu überstehen waren. Diese ausführliche Darstellung gefiel mir für die ersten vier Staffeln sehr gut, da sie dazu beigetragen hat, dass ich meine Erinnerung an jede Staffel noch einmal auffrischen konnte, allerdings sollte man diesen Bildband nur dann in die Hand nehmen und lesen, wenn man alle fünf Staffeln kennt, da man sonst viele Einzelheiten verraten bekommt, die man viel lieber selbst entdeckt hätte.

Nichtsdestotrotz muss man diesem opulenten Bildband zugute halten, dass er uns beim Lesen und Durchblättern wieder hervorragend in die Serie hineinversetzt. Beim Anschauen der Bilder habe ich mich an Szenen der einzelnen Staffeln erinnert und richtig Lust darauf bekommen, die DVDs wieder in den Player zu schieben, um zumindest die Staffeln 2, 3 und 4 gleich noch einmal zu sehen.

Wer sich oder andere also mit diesem schönen Bildband zu Weihnachten beschenken möchte, sollte jedem 24-Fan raten, den Klappentext auszulassen und nur die Seiten zu den schon bekannten Staffeln zu lesen. Dann wird man jedem Fan der Serie mit diesem eindrucksvollen Bildband sicherlich eine große Freude machen!

[Infoseite des Verlags]http://www.schwarzkopf-schwarzkopf.de/vorschau/24twentyfourbehindthescenes.html

Hesse, Andree – andere Blut, Das

Der deutsche Autor Andree Hesse hält mit seinem zweiten Kriminalroman „Das andere Blut“ die Fahne deutscher Kriminalautoren hoch und braucht sich auch mit dem zweiten Teil seiner Arno-Hennings-Reihe nicht vor der internationalen Konkurrenz zu verstecken. Noch eins vorweg: Auch wenn sich das ganze Buch um Pferde dreht und nebenbei ein Pferderipper gesucht wird, lässt sich „Das andere Blut“ auch dann hervorragend lesen, wenn man keine Pferde mag und früher nicht die „Wendy“ abonniert hatte. Ich mag keine Pferde und fand das vorliegende Buch trotzdem spannend, gut konstruiert, unterhaltsam und sehr gelungen!

_Hoppe, hoppe Reiter_

In der kleinen niedersächsischen Stadt Celle geht ein Pferderipper um, der Pferde absichtlich quält. Auch die Stute Gypsy der jungen Schülerin Kira von Helsen ist Opfer des Pferderippers geworden, der ihr einen Ast in die Vagina gebohrt und sie dadurch innerlich aufgerissen hat. Kira ist erschüttert und will den Pferderipper auf eigene Faust stellen. Doch überlebt sie die einsame Nacht auf der Pferdekoppel nicht.

Arno Hennings und seine polnische Freundin Aglaja, die sich nach ihrem schrecklichen Fahrradunfall in Celle von ihren Verletzungen erholt, verbringen den Abend bei Arnos Kollegen Karsten Müller, der die Einweihungsparty in seinem neuen (unfertigen) Haus feiern möchte. Doch Arno ist gar nicht nach feiern zumute, denn nachdem Aglaja ihm eröffnet hat, dass sie vielleicht ein Kind von ihm erwartet, ärgert Arno sich immer noch über seine verhaltene Reaktion und wundert sich gleichzeitig darüber, dass er sich darüber freuen würde, wenn Aglaja tatsächlich schwanger wäre. Auf der Party erhält Arno einen Anruf von einem ehemaligen ungeliebten Klassenkameraden, der nun auch bei der Celler Polizei arbeitet. Auf einer Pferdekoppel wurde eine merkwürdige Opferstätte entdeckt, die Arno sich nun ansehen soll. Dort angekommen, stöbert seine Hündin Basta allerdings etwas viel Schrecklicheres auf, nämlich die Leiche Kira von Helsens, die kopfüber in einem wassergefüllten Graben liegt.

Kurz nach dem Leichenfund verdichten sich die Verdachtsmomente gegen Kiras Klassenkameraden Simon Funke, der vor der Polizei flüchtet und spurlos verschwindet, aber auch Simons Bruder Manuel, der beim Celler Landgestüt arbeitet, scheint etwas zu verbergen zu haben. Als kurz darauf ein totes Pony auftaucht und jemand Selbstmord begeht und mit einem dubiosen Abschiedsbrief gefunden wird, suchen Hennings und seine Kollegen Verbindungen zwischen den Verbrechen und entdecken dabei immer mehr Hinweise, die zum Celler Landgestüt führen und weit in die Vergangenheit reichen …

_Im (Schweins-)Galopp durchs Buch_

Mit „Das andere Blut“ ist Andree Hesse ein packender und gut durchkonstruierter Kriminalroman gelungen, der den Leser von der ersten Seite an fesselt. Seinem Buch vorangestellt ist ein Prolog, der über einen mutmaßlichen Unfall (oder war es doch ein Verbrechen?) von der berühmten Hengstparade berichtet, bei dem der beliebte Ringo ums Leben kommt. Dort lernen wir auch Jürgen Schmohl kennen, dem offensichtlich ebenfalls einiges Ungemach droht und der das vorliegende Buch nicht überleben wird.

18 Jahre später trifft die 18-jährige Kira von Helsen auf einer Pferdekoppel ihren Mörder, der sie bewusstlos schlägt und kopfüber im Wasser liegen lässt, bis Kira schließlich ertrinkt. Schnell entdeckt Arno Hennings eine Spur, die zu einem von Kiras Freunden führt, der Hals über Kopf vor der Polizei flüchtet, als diese ihn stellen will. Simon wird dadurch zu einem dringenden Tatverdächtigen, sodass andere Spuren zunächst in den Hintergrund treten.

Doch Andree Hesse hält noch einige weitere Überraschungen für uns parat, denn der Fall ist nicht so eindimensional und simpel, wie wir anfangs vermuten könnten. Alle auftauchenden Personen spielen eine entscheidende Rolle in diesem Spiel, und schlussendlich wird uns offenbart, dass bereits zig Jahre vor Kiras Ermordung die Weichen gestellt wurden, für alles, was noch folgen würde. Hesse schafft es dabei, uns ganz allmählich mit den Figuren bekannt zu machen, die in das Verbrechen verwickelt sind. Nach und nach spielt er uns Hinweise zu, die uns zum Miträtseln animieren und dafür sorgen, dass wir immer neue Vermutungen anstellen und selbst einen Täter erraten können.

Die Verstrickungen, die uns Andree Hesse zu präsentieren hat, sind nicht ganz leicht zu durchschauen, sodass man schon genau lesen und mitdenken muss, um am Ende mit einem Aha-Erlebnis belohnt zu werden, bei dem schließlich alles seinen Sinn ergibt. Andree Hesse gelingt es dabei ganz wunderbar, seine Leser bei Stange zu halten und immer nur so viel zu offenbaren, dass die Spannung stetig zunimmt und man unweigerlich so schnell wie möglich weiter lesen will. Dadurch wird „Das andere Blut“ zu einem unterhaltsamen und packenden Lesevergnügen, das auch bei seiner Auflösung am Ende zu überzeugen weiß – denn nichts ist so, wie es scheint …

_Tierisch gute Charaktere_

Auch in seiner Charakterzeichnung beweist Andree Hesse viel Fingerspitzengefühl. Wir lernen Arno Hennings noch besser kennen und erleben mit, wie seine Freundin Aglaja von ihrer Vermutung erzählt, dass sie schwanger sein könnte. Wir leiden mit, wenn er Aglaja durch sein Verhalten wieder einmal vor den Kopf stößt und auch dann, wenn Arno mit einem ungeliebten ehemaligen Schulkameraden konfrontiert wird, der seine Fehler auf andere abwälzen und damit Arno Hennings schaden will. Arno Hennings weist dabei einige Charakterzüge auf, die wir auch von Mankells Wallander kennen, dennoch grenzt Hesse seinen Krimihelden gut genug von seinem schwedischen Vorbild ab, sodass die Parallelen nicht zu offensichtlich werden. Auch Hennings ist nicht perfekt, er leidet unter Beziehungsproblemen und ab und an auch unter seiner Familie. Aber gerade diese kleinen Fehler sind es, die Hennings menschlich und sympathisch wirken lassen.

Ein weiterer Sympathieträger ist Hennings‘ Kollege Müller, der Arno Hennings meist bei seinen Ermittlungen begleitet und sich dabei als kompetent, nett und hilfsbereit erweist. Bei Müller ist jedoch nicht alles eitel Sonnenschein; kurz nach der Einweihungsparty steht der Gerichtsvollzieher vor der Tür, woraufhin Müllers Frau und Kinder ausziehen und Müller auf seinem Schuldenberg alleine sitzen lassen.

Eventuell könnte man Hesse vorwerfen, dass er uns zu viele Figuren vorstellt, die alle irgendwie miteinander zusammenhängen. Das mag an mancher Stelle etwas unglaubwürdig wirken, aber es gehört zu Hesses Konstruktion dazu und sorgt schlussendlich auch für einige Überraschungen.

_Aufs richtige Pferd gesetzt_

Obwohl ich kein sonderlich gutes Verhältnis zu Pferden habe, hat mir „Das andere Blut“ ausgesprochen gut gefallen. Die Informationen über Pferde, Reiten und die berühmte Hengstparade hielten sich glücklicherweise in Grenzen, sodass auch ich gut unterhalten wurde. Was es mit dem Buchtitel auf sich hat, erklärt uns Andree Hesse erst so spät im Buch, dass ich darüber nichts verraten möchte.

Pluspunkte sammelt Hesse in seiner sympathischen Charakterzeichnung und vor allem durch seinen gelungenen Spannungsaufbau, der von Beginn an einsetzt und keine Langeweile aufkommen lässt. Hesses zweiter Kriminalroman ist klug inszeniert und wartet am Ende mit ein paar Überraschungen auf, mit denen man wahrscheinlich nicht gerechnet hatte. Insgesamt gefiel mir Andree Hesses zweiter Kriminalroman sogar noch besser als der vielversprechende Erstling, sodass ich mich schon sehr auf den nächsten Celle-Krimi freue!

|Ergänzend: [„Der Judaslohn“ 1213 |
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Canavan, Trudi – Novizin, Die (Die Gilde der Schwarzen Magier 2)

Band 1: [„Die Rebellin“ 3041

Einige Zeit ist verstrichen, seit Sonea bei der alljährlichen Säuberung einen Stein gegen einen Magier geschleudert und damit überraschenderweise die Schutzbarriere der Magier durchbrochen hat. Viel ist im Leben des jungen Mädchens aus den Hüttenvierteln passiert, seit sie entdeckt hat, dass magische Fähigkeiten in ihr schlummern, die bislang unentdeckt geblieben sind. Mit diesem Überraschungsangriff auf die |Gilde der Schwarzen Magier| begann Trudi Canavans fantastische Trilogie um das arme Mädchen aus den Hüttenvierteln, das in der Gilde aufgrund ihrer Herkunft verachtet wird. Inzwischen hat Sonea sich dazu entschlossen, der Gilde beizutreten und zu lernen, ihre magischen Fähigkeiten einzusetzen.

Zu Beginn des vorliegenden Buches wird Sonea offiziell als Novizin in die Gilde der Schwarzen Magier aufgenommen, der Alchemist Rothen wird ihr Mentor und damit beginnt Soneas ereignisreiche Lehrzeit in der Schule. Zunächst wird sie von ihren Mitschülern nur links liegen gelassen; als der Novize Regin Sonea jedoch offen seine Feindschaft zeigt und nach und nach alle Novizen ihres Jahrgangs auf seine Seite zieht, steht Sonea nicht nur ohne Freunde da, sondern sie wird auch permanent Opfer von Regins üblen Attacken. Als er einen wertvollen Gegenstand in ihrer Tasche versteckt, wird Sonea öffentlich als Diebin beschuldigt, doch noch schlimmer trifft es Sonea, als Regin böse Gerüchte streut und behauptet, ihr Mentor Rothen würde sie missbrauchen. Diese Anschuldigungen führen so weit, dass Sonea schlussendlich resignieren muss und ins Novizenquartier einzieht, wo sie Regin noch weniger entfliehen kann als in Rothens Haus.

Noch schlimmer lastet aber ein anderes Wissen auf Sonea: Als sie einst mit ihrem Freund Cery in die Gilde geschlichen ist, konnte sie den Hohen Lord Akkarin bei merkwürdigen Handlungen beobachten. Bei einer Wahrheitslesung stellt der Administrator Lorlen fest, dass sein bester Freund Akkarin sich schwarzer Magie bedient und seine Kraft durch diejenige unschuldiger Menschen stärkt. Dieses Wissen schweißt Lorlen, Sonea und ihren Mentor Rothen zusammen, da sie wissen, dass nicht einmal die gesamte Gilde mächtig genug ist, um gegen Akkarin vorzugehen. Doch die drei haben die Rechnung ohne Akkarin gemacht, der so mächtig ist, dass er die Gedanken anderer Magier lesen kann, ohne dass diese es merken. So kann er bald die Verschwörung gegen ihn aufdecken und zieht seine eigenen Konsequenzen daraus …

Von all dem ahnt Rothens guter Freund Dannyl nichts, der als Botschafter in fremde Länder reist. Von Lorlen hat er den Auftrag bekommen, die Spuren Akkarins nachzuverfolgen, der vor etlichen Jahren ebenfalls in fremde Länder gereist ist und dort offensichtlich die schwarze Magie für sich entdeckt hat. Doch von Akkarins Handlungen weiß Dannyl nichts, er glaubt, dass es einzig darauf ankommt, Wissen über alte Magie wiederzuentdecken. Einen guten Freund und Helfer findet er in Tayend, von dem er später erfährt, dass Tayend Neigungen hat, die in der Gilde nicht akzeptiert werden. Tayend fühlt sich nämlich zu Männern hingezogen, doch genau diese Neigung wurde einst Dannyl nachgesagt, was damals zu großen Problemen geführt hat. Nun drohen diese Gerüchte erneut aufzukommen.

Diese zwei verschiedenen Handlungsstränge sind es, die sich konsequent durch das gesamte Buch ziehen, das den zweiten Teil der Trilogie bildet. Den Schwerpunkt der Erzählung bildet natürlich die Geschichte rund um Sonea, die während ihrer Ausbildung ständigen Anfeindungen und Attacken ausgesetzt ist und sich nicht anders zu helfen weiß, als Tag und Nacht zu lernen, um einen Jahrgang aufzusteigen und in einer Klasse anderer Novizen lernen zu können. Fleißig und stark wie Sonea ist, schafft sie dies ohne größere Probleme, allerdings dauert es nicht lange, bis Regin ihr nachfolgen kann. Als schließlich die Unterrichtsstunden in den Kriegskünsten beginnen, muss Sonea darüber hinaus feststellen, dass Regin ihr dort überlegen ist; sie muss bittere Niederlagen einstecken, mit denen sie niemals gerechnet hätte.

Dies ist jedoch nicht die einzige Bedrohung, der Sonea ausgesetzt ist, da sie in ständiger Angst vor Akkarin lebt, von dem sie weiß, dass er dank schwarzer Magie der mächtigste Magier der Gilde ist, gegen den nicht einmal alle Magier geschlossen eine Siegchance haben würden. Ihr großes Ziel ist es daher, so mächtig zu werden, dass sie zum Sieg gegen Akkarin beitragen kann. Dennoch müssen Lorlen, Sonea und Rothen bitteres Lehrgeld zahlen, da sie den Hohen Lord unterschätzen. Ohne ihr Wissen dringt er in ihre Gedanken ein und liest dort den Verrat gegen sich. Sofort handelt er, sehr zum Leidwesen der drei, die praktisch handlungsunfähig werden.

Trudi Canavan entwickelt konsequent ihre Geschichte weiter, die sie eindrucksvoll in „Die Rebellin“ begonnen hat. Der erste Teil endete mit einem gewaltigen Cliffhanger, der mich dazu verleitet hat, sofort zur Fortsetzung zu greifen, denn natürlich wollte ich wissen, was der Hohe Lord Akkarin im Schilde führt und ob die Gilde gegen ihn siegen kann. Doch rückt der Handlungsstrang um Akkarin zunächst etwas in den Hintergrund, da Sonea damit beschäftigt ist, die Angriffe ihrer Mitnovizen abzuwehren. Diese ständigen Bedrohungen sind es, die deutlich zum Spannungsaufbau beitragen, da die Angriffe gegen Sonea immer rücksichtsloser und gefährlicher werden. Canavan bedient sich typischer Elemente, die solche Internatsgeschichten auszeichnen: Es geht um Schule, Intrigen unter Schülern und natürlich um Magie. In diesen Punkten ahnt man Parallelen zu „Harry Potter“, der mit ähnlichen Attacken zu leben hat, aber glücklicherweise mit Ron einen Freund an seiner Seite hat, der stets zu ihm hält. Genau dieser Freund fehlt aber Sonea, sodass ihre Geschichte noch trostloser erscheint als die von Harry Potter. Doch ansonsten dürfte Trudi Canavan mit ihrer Trilogie genau diejenigen Leser abgreifen, die sehnsüchtig auf den letzten Potter-Teil warten und die lange Wartezeit mit anderen guten Fantasy-Geschichten versüßen wollen.

Die Gilde der Schwarzen Magier füllt erfolgreich die Lücke zwischen zwei Potter-Bänden, da Canavan und Rowling sich ähnlicher Elemente bedienen und beide gleichermaßen den Kampf gegen einen mächtigen bösen Magier schildern. Die Magier der Gilde in Canavans Geschichte verfügen über Magie, die sie den Regeln der Gilde zufolge nur zu guten Zwecken einsetzen dürfen, doch gibt es auch hier schwarze Schafe, die Magie gegen andere Menschen oder Magier richten und ihnen schaden wollen. Canavan zeichnet hier ganz unterschiedliche Charaktere, sie entwickelt einige Sympathieträger wie Sonea, Rothen und auch Dannyl, mit denen der Leser einfach mitfiebern muss. Wenn Sonea dann Opfer von Regins bösen Angriffen wird, fühlt der Leser hautnah Soneas Verzweiflung mit und wünscht ihr, dass sie sich endlich gegen ihren Widersacher durchsetzen und eigene Freunde finden kann. Doch noch erfüllt uns Canavan diesen Wunsch nicht, denn die Autorin fügt ihrer Geschichte auch einige dunkle Charaktere hinzu, die immer wieder Intrigen spinnen und damit das Erzähltempo vorantreiben.

Insgesamt lesen sich die gut 600 Seiten flüssig und angenehm, die Zeit verfliegt beim Lesen und man fühlt sich einfach wunderbar unterhalten. Es kommen zwischendurch nur ganz wenige Durststrecken auf, bei denen die Spannung etwas leidet, was eigentlich etwas verwundert, denn im Grunde genommen ist es nicht viel, das in diesem dicken Buch passiert. Doch Trudi Canavans ausschmückender Erzählstil, der uns alles so hervorragend vor Augen führt, sorgt dafür, dass man sich dennoch nie langweilt, selbst wenn es um Regins x-te Attacke gegen Sonea geht. Unter dem Strich bleibt festzuhalten, dass Trudi Canavan nicht unverdient eine große Fangemeinde für ihre Trilogie gewonnen hat, denn ihre Erzählung macht einfach Spaß zu lesen. Sie bedient sich genretypischer Elemente, fügt diese aber zu einem gelungenen und überzeugenden Gesamtwerk zusammen, das zu gefallen weiß. Mit Sicherheit werde ich schnellstmöglich auch den dritten Teil der Trilogie lesen, um endlich zu erfahren, welches Spiel Akkarin treibt und ob die Gilde den schwarzen Magier besiegen kann.

[Verlagsspezial zur Serie]http://www.randomhouse.de/specialskids/canavan/

[„Priester“ 4275 (Das Zeitalter der Fünf 1)
[„Magier“ 4456 ((Das Zeitalter der Fünf 2)
[„Götter“ 4621 (Das Zeitalter der Fünf 3)
[„Die Rebellin“ 3041 (Die Gilde der Schwarzen Magier 1)
[„Die Novizin“ 2989 (Die Gilde der Schwarzen Magier 2)
[„Die Meisterin“ 3065 (Die Gilde der Schwarzen Magier 3)