Alle Beiträge von Maren Strauss

Hart, John – letzte Kind, Das

Die bisherigen Romane des amerikanischen Autors John Hart wurden mit diversen Preisen gelobt. Sein neustes Werk, „Das letzte Kind“, hat bereits den „Ian Fleming Stell Dagger“ bekommen und ist ein heißer Kandidat für weitere Auszeichnungen.

_Der dreizehnjährige Johnny_ hat vor einem Jahr seine Zwillingsschwester Alyssa verloren. Sie wurde auf dem Nachhauseweg entführt, weil ihr Vater vergessen hatte, sie abzuholen. Seitdem ist die Familie auseinander gebrochen. Der Vater hat den Schmerz nicht mehr ausgehalten und die Familie verlassen, die Mutter flüchtet sich in Drogen und eine gewalttätige Beziehung mit dem Immobilienhai Ken.

Doch Johnny hat seine Schwester nicht aufgegeben. Mühsam recherchiert er selbst nach ihrem Verbleib, beobachtet stadtbekannte Pädophile, befragt Leute. Sein bester Freund Jack, ein jugendlicher Rumtreiber, hilft ihm dabei. Doch die beiden sind nicht ganz alleine. Detective Hunt war damals für die Ermittlungen zuständig und auch ihn lässt der ungeklärte Fall nicht los. Er brütet nächtelang über den alten Akten, ermittelt in seiner Freizeit und vernachlässigt dabei nicht nur sich selbst, sondern auch seinen Sohn.

Als erneut ein junges Mädchen verschwindet, bricht für Johnny und Hunt die Welt zusammen, doch dann merken sie, dass sie nun die Chance haben, den Verdächtigen auf frischer Tat zu ertappen. Sie gehen davon aus, dass es der gleiche Täter ist wie vor einem Jahr. Unabhängig voneinander ermitteln sie, doch Hunt hält ein Auge auf Johnny. Zum Glück …

_“Das letzte Kind“_ ist ein überaus beeindruckendes Buch. Umso schwerer fällt es, es zu rezensieren. Die Bewertung einzelner Komponenten ist beinahe unmöglich, da die Geschichte unglaublich homogen ist. Eine Komponente bedingt die andere, Schreibstil, Personenzeichnung und Handlung sind nur schwer voneinander getrennt zu betrachten. Verbunden wird alles von einer düsteren, beklemmenden Grundstimmung, die Stadt und Bewohner zu lähmen scheint. Es gibt kaum einen fröhlichen Moment in der Geschichte. Stattdessen deprimierte Charaktere mit großen Problemen, hoffnungslosen Aussichten oder Abhängigkeiten. Selbst der dreizehnjährige Johnny, ein Kind, wirkt bei dieser Kulisse nicht wie ein Kind, sondern wie ein kleiner Erwachsener. Die Ernsthaftigkeit, mit der er die Suche nach dem Mörder seiner Schwester betreibt, ist herzzerreißend.

Doch er ist nicht der einzige einsame Wolf in der Geschichte. Hunt ist genauso einer, Johnnys Mutter und sein Freund ebenfalls. Jeder hat sein Päckchen zu schleppen, doch als Leser kann man sich trotz dieser Trostlosigkeit gut mit ihnen identifizieren, da sie Gründe für ihre Situation haben oder von bestimmten Leidenschaften angetrieben werden. Der direkte Zugang zu ihren Gedanken und Gefühlen – und deren großartige Beschreibung – helfen dabei, die Personen zu verstehen. Dabei überfordert Hart seinen Leser nie. Weder mit zu viel Leid noch mit zu vielen Perspektiven. Die Geschichte wird vor allem aus der Sicht von Johnny und Hunt, die sich beide gut ergänzen, erzählt. Dazwischen werden vereinzelt andere Personen geschaltet, deren Auftritte aber zumeist nur wenig Platz einnehmen und selten bleiben.

Die Handlung ist so düster und abgrundtief wie die Charakter. Sie schreitet zäh voran, doch in diesem Fall ist das kein Nachteil. Dadurch wird die Auswegslosigkeit der Protagonisten und der Situation beinahe schmerzhaft betont. Dank des tadellosen, intensiven Erzählstils und der Bedrohung, die über der Geschichte zu schweben scheint, ist man trotzdem gefesselt und liest weiter. Man wird nicht enttäuscht. Hart erhöht die Spannung in kleinen Dosen, vor allem gegen Ende, bis er den Fall auf eine ganz andere Art auflöst als erwartet. Davor liegen einige großartige Wendungen, Fragen und Überraschungen. Der Schluss ist aber auch deshalb so lesenswert, weil er deutlich macht, dass das Böse nicht immer das Offensichtliche ist. Hart umschifft clever alle Klischees, die mit so einem Fall verbunden sein könnten.

_“Das letzte Kind“ _von John Hart ist ein herausragender Thriller, an dem einfach alles stimmt. Wer Thriller mag, die nicht nur bei der Handlung überzeugen, sondern auch unter belletristischen Gesichtspunkten brillieren, ist hier genau richtig.

|Gebunden: 446 Seiten
Originaltitel: |The Last Child|
Deutsch von Rainer Schmidt
ISBN-13: 978-3570100370|
http://www.cbertelsmann.de

Baden Kenney – Nadelstiche

Mit dem Krimi „Nadelstiche“ melden sich zwei Erfolgspaare des Genres zurück: Zum Einen die Autoren Dr. Michael Baden und Linda Kenney, zum anderen die Romanhelden Dr. Jake Rosen und Philomena „Manny“ Manfreda. Ähnlich wie bei den Protagonisten der Geschichte handelt es sich auch bei den Autoren um einen Forensiker und eine Bürgerrechtsanwältin. Das Duo Baden Kenney weiß also, worüber es schreibt, lässt dies aber zum Glück nicht heraushängen.

_In Manhattan geht_ die Angst um. Ein Unbekannter, von den Zeitungen „Vampir“ genannt, sucht verschiedene Personen in ihren Wohnungen auf, betäubt sie mit Äther und nimmt ihnen anschließend Blut ab. Die Taten ergeben keinen Sinn, doch als eine Frau beinahe an einer Überdosis Äther stirbt, kommt Dr. Jake Rosen ins Spiel. Der Forensiker mit dem Hang zu eigenen Ermittlungen findet bald heraus, dass der Täter das Blut weder zum Spaß noch als Fetisch abzapft. Er scheint es zu analysieren.

Doch plötzlich ändert er sein Vorgehen. War vorher noch niemand zu Tode gekommen, findet die Polizei innerhalb kurzer Zeit zwei Leichen mit den charakteristischen Einstichstellen in der Armbeuge. Doch Jake ist nicht der Einzige, der alle Hände voll zu tun hat. Seine Freundin Manny, die fashionverrückte Bürgerrechtsanwältin mit dem transsexuellen Anwaltsgehilfen Kenneth und dem Zwergpudel Mycroft, muss einen Jungen verteidigen, der der Mitgliedschaft einer terroristischen Organisation verdächtigt wird. Eigentlich hat Travis nur die falschen Leute kennen gelernt, die sich einen Streich erlaubt und eine selbst gebastelte Bombe in einen Briefkasten geschmissen haben. Dummerweise lief im Moment der Explosion ein Bundesrichter vorbei und wurde schwer verletzt. Der Dumme-Jungen-Streich ist nun ein Angriff auf den Staat und Travis der einzige der Verdächtigen, den die Polizei fassen konnte. Trotz mauer Beweislage wird er gefangen gehalten. Manny setzt alles daran, um ihn frei zu kriegen, doch je mehr sie ermittelt, umso mehr hat sie das Gefühl, dass er vielleicht nicht schuldlos im Gefängnis sitzt …

_“Nadelstiche“, der zweite_ Krimi mit den Protagonisten Jake und Manny glänzt durch viel, aber nicht durch seine Handlung. Diese beginnt viel versprechend. Die Taten des Vampirs geben nicht nur Jake Rätsel auf, sondern auch dem Leser. Er giert darauf, zu erfahren, was es hiermit zu tun hat, vermutet etwas wirklich Gewieftes hinter den Überfällen. Auch Mannys Fall fängt spannend an. Es gibt Verwicklungen und Ungereimtheiten bezüglich Travis‘ Festnahme, dann die Hinweise darauf, dass er vielleicht doch kein unbeschriebenes Blatt ist. Hätten die Autoren die Fälle so weitergeführt, wäre sicherlich eine großartige Geschichte dabei herausgekommen. Tatsächlich machen sie aber den Fehler, die beiden Erzählstränge zusammenzuführen. Das gelingt ihnen zwar einigermaßen, aber wirklich glaubwürdig ist das Buch von da an nicht mehr. Die Handlung wirkt sehr bemüht und verliert dadurch an Spannung und Authentizität.

Angenehm ist allerdings, dass die Arbeit von beiden Protagonisten nicht übertrieben in den Vordergrund gestellt wird. Baden Kenney verzichten auf seitenlange Beschreibungen von Knochensägereien oder juristischen Winkelzügen. Stattdessen räumen sie dem Privatleben der beiden Hauptfiguren viel Raum ein. Dadurch kommt ihre Persönlichkeit wesentlich besser zum Tragen als das in Büchern ähnlicher Machart der Fall ist. Beide Charaktere (und auch die Nebenfiguren) machen zudem sehr viel Spaß. Manny wirkt stellenweise wie aus einem Frauenroman entsprungen, wenn sie mal wieder über Bekleidungsprobleme oder ihren Hund klagt. Sie tut dies aber zumeist so überspitzt, dass man auch als Nicht-Fan dieses Genre nicht verstimmt ist. Jake hingegen schlägt in eine ganz andere Kerbe. Er entspricht dem Klischee des irren Wissenschaftlers. Seine Arbeit bedeutet ihm viel und spielt auch in den Alltag mit hinein. Er macht sich wenig aus seinem Äußeren, weshalb er der perfekte Gegenpol zu Manny ist.

Der Schreibstil ist locker und häufig sehr humorvoll, besonders bei den Dialogen. Vor allem dadurch erinnert das Buch manchmal an die Bücher von Lisa Scott. Dieser lässige Stil mag Lesern, die auf richtige Krimis stehen, vielleicht nicht gefallen. Wer jedoch gerne unterhalten wird und kein Problem mit ein bisschen weniger Ernsthaftigkeit hat, dem wird „Nadelstiche“ gefallen.

_Auch wenn die_ Handlung mit der Zeit etwas verwaschen wird, ist Baden Kenney ein amtlicher Nachfolger für [„Skalpell N° 5“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=5195 gelungen. Witzig, unterhaltsam und leicht zu lesen – für Fans von Lisa Scott genau das Richtige!

|Broschiert: 364 Seiten
Originaltitel: Skeleton Justice
Deutsch von Ulrike Wasel und Klaus Timmermann
ISBN-13: 978-3896672865|
http://www.blessing-verlag.de

RICHELLE MEAD – Sturmtochter (Dark Swan 01)

Richelle Mead ist bereits für die Reihen „Georgina Kincaid“ und „Vampire Academy“ verantwortlich. Mit „Dark Swan“ beginnt nun eine neue Serie. Auch dieses Mal steht eine junge Frau im Vordergrund, doch sie ist weder ein Sukkubus noch die Wächterin von Vampiren. Eugenie Markham ist erfolgreiche Schamanin, die auf selbstständiger Basis Dämonen und anderes Gesindel erledigt. Sie ahnt allerdings nicht, dass sie mit diesem Gesindel mehr verbindet als nur der Beruf …

Eugenie denkt sich nicht viel dabei, als sie zu einem neuen Fall gerufen wird. Sie soll einen Dämonen aus einem Turnschuh vertreiben, doch dieser stellt sich als hartnäckiger und frecher heraus als sie dachte – und er kennt ihren wahren Namen. Das sollte eigentlich nicht sein, denn in der Anderswelt, der Heimat des Dämonen und anderer übernatürlicher Wesen, ist sie als Odile Black Swan bekannt und gefürchtet. Dass ihr Geburtsname durchgesickert ist, irritiert sie zu Recht, wie schnell klar wird. Denn der Dämon ist nicht das einzige Wesen aus der Anderswelt, das ihren Namen kennt. Ihre Beliebtheit ist schlagartig gestiegen, seit sie im Mittelpunkt einer Prophezeiung steht. Diese besagt, dass ihr Kind den Feen der Anderswelt, die sich Feine nennen, die Herrschaft über die Menschenwelt bringen wird. Als sie versucht, ein entführtes Mädchen aus der Anderswelt zu retten, muss sie ein Bündnis mit einem Feinen eingehen und die Erfahrung machen, dass plötzlich jeder Feine sexuelles Interesse an ihr hat.

Die Feinen sind allerdings nicht die einzigen, die Eugenie in ihrem Bett sehen wollen. Bevor sie überhaupt von ihrem Schicksal weiß, lernt die Schamanin den Tierarzt Kiyo kennen. Doch während ihres One-Night-Stands muss sie feststellen, dass Kiyo mehr ist als nur ein Tierarzt. Er ist ein Kitsune und kann sich in einen Fuchs verwandeln. Für die junge Frau, die die Anderswelt lieber bekämpft, ist das ein großer Schock. Sie will nichts mehr mit ihm zu tun haben, fühlt sich betrogen, doch der junge Mann lässt nicht locker …

Die Inhaltsangabe sollte klar machen, was in diesem Buch eine große Rolle spielt: romantische Verwicklungen und Sex. Wer die „Vampire Academy“-Reihe kennt und liebt, darf sich auf eine Überraschung gefasst machen. Die neue Serie ist wesentlich härter, die Sexszenen expliziter und häufiger. Manchmal ist das fast schon zu viel. Gerade am Anfang überschatten die Bettgeschichten beinahe den Rest der Handlung. Dass das Buch trotzdem nicht zu einem Schmierentheater verkommt, ist dem spannenden Plot zu verdanken. Richelle Mead hat es geschafft, eine von vorne bis hinten schlüssige Handlung zu konstruieren, die keine Fragen offen lässt und den Leser mitzureißen vermag. Einziger Minuspunkt: Trotz aller Schlüssigkeit – richtig neu ist das, was die Autorin da erzählt, nicht. Eine Prophezeiung, eine junge Frau, die nicht das ist, was sie zu sein glaubt, das intrigante Völkchen der Feen – es gibt diverse Geschichte, die diese Elemente ähnlich benutzen.

Auch Eugenie Markham ist nicht wirklich neu. Frech, humorvoll, magiebegabt, mit einem Hang zu Katastrophen – auf weiten Strecken erinnert sie doch ziemlich stark an die Erdhexe Rachel Morgan aus der gleichnamigen Reihe von Kim Harrison. Nun gehört die wiederum zum Prototyp der Urban-Fantasy-Heldin, aber trotzdem hätte es nicht geschadet, wenn Eugenie vielleicht ein bisschen weniger diesem Schema entsprochen hätte. Bei Rose, der Heldin der „Vampire Academy“-Reihe, hat die Autorin das schließlich auch geschafft.

Der Schreibstil hingegen kann sich sehen lassen. Geradlinig, ohne sich zu verzetteln und mit viel Ausdruck lässt Mead ihre Protagonistin aus der ersten Person sprechen. Der Humor und Eugenies Schlagfertigkeit machen das Buch zu einem kurzweiligen Vergnügen, obwohl auch hier manchmal der Vergleich mit Rachel Morgan nicht unumgänglich ist.

Der erste Band der „Dark Swan“-Reihe bietet solide Kost. Richelle Mead begibt sich mit diesem Buch auf einen ausgetretenen Pfad und kann sich mit „Sturmtochter“ nicht wirklich originell platzieren. Es bleibt zu hoffen, dass sie sich in den nächsten Bänden steigert, denn die Voraussetzungen sind allemal da. Die Geschichte ist nicht schlecht, es fehlt ihr nur ein bisschen an Eigenständigkeit.

Broschiert: 366 Seiten
Originaltitel: Storm Born
Deutsch von Frank Böhmert
ISBN-13: 978-3802582110

http://www.egmont-lyx.de
http://www.richellemead.com

Fairchild, Melissa – Himmelsauge (Die Geheimnisse des Brückenorakels 01)

_Die Geheimnisse des Brückenorakels:_

Band 1: _Himmelsauge_

Gedächtnisverlust ist keine schöne Sache. Doch wenn man im Krankenhaus erwacht, keine Erinnerung mehr hat und feststellen muss, dass man noch nicht mal aus dieser Welt kommt – das ist schon ein harter Brocken! Genau das passiert einem Jungen namens Avi in Melissa Fairchilds Roman „Himmelsauge“, dem ersten Band der Reihe „Die Geheimnisse des Brückenorakels“.

_Als Avi im_ Krankenbett aufwacht, ist er verwirrt. Er hat keine Ahnung, wieso er hier liegt, von Kopf bis Fuß eingegipst. Er hat überhaupt keine Erinnerung mehr an das, was davor passiert ist. Sein gesamtes Gedächtnis ist ausgelöscht. Hinzu kommt, dass er den Unfall, den er hatte – er ist vor eine Londoner U-Bahn gesprungen – eigentlich gar nicht hätte überleben dürfen.

Avi kann sich keinen Reim darauf machen, wieso er sich vor den Zug geworfen hat und wieso er noch lebt. Eines Nachts bekommt er Besuch von einem buckligen Alten, der ihn dazu überreden will, aus dem Krankenhaus zu fliehen. Anschließend wird er von einem Typen namens Kellen verfolgt, der ihn töten will und blaue Flammen nach ihm werfen kann. Er merkt, dass so einiges nicht stimmt in seinem Leben. Auf der Flucht trifft er Durin und Roosevelt, zwei Wächter, von denen er erfährt, dass er der Sohn der Königin des Feenreiches ist. Zusammen mit dem Menschenmädchen Hannah begibt er sich in die Feenwelt, aus der er eigentlich stammt, denn dies scheint der einzige Weg zu sein, um Kellen gegenüber zu treten und ihn zu vernichten …

_Melissa Fairchilds Fantasyroman_ für Jugendliche ist nett erzählt, nett ausgedacht und nett gemacht, doch wirklich originell ist „Himmelsauge“ nicht. Menschen, die zwischen Welten wandern können, magische Wesen im gegenwärtigen London, Feen, Elfen und Goblins – vieles, was in der Geschichte vorkommt, war in dieser Form schon in vielen anderen Büchern vertreten. Es gibt Autoren, die solche Elemente nehmen und so in ihre Geschichte einbauen können, dass sie neue Facetten bekommen oder auf Grund des Kontextes sehr originell wirken. Fairchild gelingt dies nicht. Die Kulisse entwickelt nur wenig Zauber, da sie einem zu bekannt vorkommt.

Die Handlung an und für sich ist in Ordnung. Sie ist gut aufgebaut, aber auch ihr mangelt es an neuen, spritzigen Ideen oder überraschenden Wendungen. Es ist eine nette Abenteuergeschichte mit nicht besonders viel Action, ein paar politischen Verwicklungen und Verrätern, doch nur selten wirkt Avis Lage aussichtslos. Richtig spannend wird es selten. Dabei wäre Avis Gedächtnisschwäche an und für sich ein guter Aufhänger für brenzlige Situationen gewesen, doch Fairchild kehrt die Amnesie selten in den Vordergrund. Im Gegenteil vergisst man ziemlich schnell, dass Avi überhaupt jemals einen Unfall hatte.

Das könnte allerdings auch damit zusammenhängen, dass Fairchilds Charaktere den Leser auf Abstand halten. Es fällt schwer, Zugang zu Avi zu finden. Seine Gedanken und Gefühle finden zwar Eingang in die Geschichte, wirken aber häufig oberflächlich. Er wirkt meistens wie ein ganz normaler Junge und nicht wie ein magisches Wesen aus einer anderen Welt, das sein Gedächtnis verloren hat und auf der Flucht vor einem flammenwerfenden Goblin ist. Der fehlende Tiefgang macht sich auch bei Hannah bemerkbar, die Avi bei seiner Reise in die andere Welt hilft. Zwischen beiden entspinnt sich eine Liebesgeschichte, die aber nur wenig Platz im Buch einnimmt. Hannah wird zwar als Punkerin beschrieben, doch das Rebellische in ihr kommt nie richtig zum Vorschein. So wie den anderen Charakteren auch fehlt es ihr an echten Ecken und Kanten, obwohl die Kategorisierung als Punkerin das eigentlich hätte einfacher machen sollen. Einen Lichtblick gibt es allerdings: die Elfe Brucie. Sie ist launisch, besserwisserisch, humorvoll und ein bisschen chaotisch und ihre Auftritte sind immer wieder ein Höhepunkt.

_“Himmelsauge“ von Melissa_ Fairchild ist der Auftakt der Reihe „Die Geheimnisse des Brückenorakels“, doch wirklich Lust auf mehr macht das Buch nicht. Die Geschichte ist nicht gerade mitreißend, die Ideen nicht besonders originell.

|Gebunden: 382 Seiten
Aus dem Englischen von Karin Dufner
ISBN-13: 978-3426283127|
http://www.pan-verlag.de

Shulman, Polly – geheime Sammlung, Die

Für Fantasygeschichten ist man nie zu alt. Besonders, wenn es sich dabei um eine so fabelhafte Geschichte handelt wie die von Polly Shulman. Ihr Jugendbuch „Die geheime Sammlung“ spielt in einer New Yorker Bibliothek und lässt die Grimmschen Märchen lebendig werden …

_Elizabeth hat es_ nicht gerade einfach an ihrer neuen Schule. Die einzelnen Grüppchen wollen nichts mit ihr zu tun haben und stempeln sie schnell zur Außenseiterin ab. Ein Lichtblick ergibt sich, als ihr Gemeinschaftskundelehrer der Fünfzehnjährigen einen Aushilfsjob im Repositorium der Verleihbaren Schätze besorgt. Das Repositorium – eine Bibliothek, in der man weniger Bücher als vielmehr Gegenstände, wie zum Beispiel solche aus bestimmten Märchen, ausleihen kann – ist ein geradezu magischer Ort, an den die leicht sonderbare Elizabeth ziemlich gut passt.

Ihre Aufgabe als Page ist es, die Dinge, die die Besucher ausleihen wollen, zu holen. Dabei hat sie nicht von Anfang an Zutritt zu allen Sammlungen. Das so genannte Grimm-Sammelsurium, das verzauberte Gegenstände aus den Märchen der Gebrüder Grimm enthält, darf sie erst nach einer Probephase betreten. Währenddessen lernt sie nicht nur neue Freunde kennen, darunter den mürrischen Aaron und Marc, den Basketballstar ihrer Schule, sondern erfährt auch, dass seit einiger Zeit merkwürdige Dinge im Repositorium geschehen. Pagen verschwinden spurlos, ein großer Vogel verfolgt andere, Dinge aus dem Grimm-Sammelsurium verlieren ihre magischen Kräfte. Als auch noch Anjali, eine neue Freundin von Elizabeth, plötzlich nicht mehr da ist, macht sie sich gemeinsam mit Aaron und Marc auf die Suche. Zum Glück haben sie dabei Gegenstände wie fliegende Teppiche, sich selbst deckende Tische und jede Tür öffnende Spazierstöcke aus der Sammlung an ihrer Seite …

_Polly Shulman zieht_ ihre Leser bereits von der ersten Seite an in ihren Bann. Ihr Schreibstil, die liebenswerte Hauptfigur, die abwechslungsreiche, abenteuerliche Handlung – die Autorin ist eine wahre Geschichtenerzählerin! Alles an der Geschichte passt. Das beginnt mit dem Plot, der leichtfüßig von einem Ereignis zum anderen springt. Erzählt aus Elizabeths Perspektive konzentriert sich das Buch vor allem auf die geradlinige Haupthandlung und die Suche nach der verschwundenen Anjali. Die Autorin verzichtet dabei auf übertriebene Wendungen und Ereignisse. Vielmehr ist der Aufbau der Geschichte beinahe schon ein klassischer Abenteuerroman für Kinder mit ein paar magischen Elementen. Die drei treten gegen einen „bösen“ Erwachsenen an, den sie nur dadurch besiegen können, dass sie ihren Kopf anstrengen und zusammen arbeiten – was vor allem Aaron und Marc, die sich nicht besonders gut leiden können, schwer fällt. Anjalis kleine Schwester, Jaya, die ebenfalls an der Suche beteiligt ist, sorgt immer wieder für lustige Momente mit ihrer kindlichen Altklugheit.

Als Hintergrund für diese Geschichte dient zum einen die Stadt New York, die durch Shulmans lebendige und bildhafte Beschreibungen einen gewissen Zauber entwickelt, und das Repositorium. Selbst normale Bibliotheken haben von vornherein eine gewisse Anziehungskraft. Dicke Folianten aus allen Zeiten versprechen spannende Geschichten, doch was passiert, wenn die Sammelobjekte keine Bücher, sondern Gegenstände sind, die magische Kräfte haben und aus Märchen bekannt sind? Dieses Szenario stellt Shulman wunderbar zielgruppengerecht, humorvoll und vor allem erfindungsreich dar. Gerade am Anfang führt sie bestimmte Dinge ein, nur um ihre Funktionsweise zu zeigen und den Leser zu amüsieren. Unvergleichlich ist der Nachmittag, den Anjali, Elizabeth und Marc damit verbringen, einige der Objekte des Repositoriums zu reparieren. Dazu gehört auch das deutsche Tischlein-Deck-dich (es gibt auch noch eine französische Version), einem Tisch, der sich von selbst mit üppigstem Essen belädt, aber ab und zu einmal abgewischt werden muss.

Elizabeth hat große Füße, keine Freundinnen mehr, seit ihre beste Freundin nach Kalifornien gezogen ist, und liegt ständig im Clinch mit ihrer Stiefmutter. Sie ist nicht besonders hübsch und nicht besonders beliebt. Sie ist eine liebenswerte Antiheldin, die in ihrer eigenen Welt lebt. Der Leser folgt ihr gerne in diese, da sie sie charmant erklärt und ihr Humor einfach nur niedlich ist. Sie ist nicht sarkastisch, sondern ein sehr optimistischer, neugieriger Mensch. Die Arbeit im Repositorium sorgt dafür, dass sie selbstsicherer und aufgeschlossener wird. Man kann sich gut mit ihr identifizieren und folgt ihr gerne bei ihrem Abenteuer.

Einziger Kritikpunkt an der Geschichte sind Shulmans Zeitsprünge. Manchmal findet zwischen zwei Absätzen ohne Trennung durch eine Leerzeile ein Sprung in Zeit und Raum statt, der den Leser verwirrt. In einer Zeile befand sich Elizabeth noch zu Hause, in der nächsten steht sie zwei Tage später vor dem Raum, in dem ihr Vorstellungsgespräch statt findet. Dies hätte man anders lösen sollen. Ansonsten ist das Buch aber angenehm leicht geschrieben, so dass jeder es versteht. Ein gewisser Humor und Zauber wohnen Shulmans Worten inne, die sie ihrer Ich-Erzählerin in den Mund legt und die es einfach machen, das Buch so schnell nicht aus der Hand zu legen.

_“Die geheime Sammlung“_ von Polly Shulman ist ein märchenhaftes Buch für jeden, der gerne leichte, unterhaltsame Fantasy liest – egal, ob dieser jung oder alt ist!

|Gebunden: 344 Seiten
Originaltitel: The Grimm Legacy
Deutsch von Momo Evers und Falk Behr
ISBN-13: 978-3426283318|
http://www.pan-verlag.de

Cortés, Enrique – 26. Stock, Der

Der Debütroman des Spaniers Enrique Cortés, „Der 26. Stock“, spielt sich hauptsächlich in einem riesigen Hochhaus ab, in dem die Büros eines namenlosen mächtigen Konzerns untergebracht sind. Das Hochhaus wird die Geschichte nicht überleben – und ist damit quasi die literarische Vorlage für den Brand eines Madrider Büroturms im Jahr 2005. Allerdings dürfte der Windsor-Turm aus weit harmloseren Gründen abgebrannt sein, als der Turm in Cortés‘ Geschichte …

_Isabel Alvarado ist_ Personalverantwortliche in einem riesengroßen Konzern, der diverse Produkte herstellt. Welche das sind, weiß sie selbst nicht so genau. Ihre Aufgabe ist es, vielversprechende Bewerber einzuladen, Vorstellungsgespräche mit ihnen zu führen und sie anschließend zu bewerten. Die Arbeit mit den Menschen macht ihr Spaß, sie fühlt sich in ihrer Firma wohl.

Doch eines Tages verändert sich ihr Arbeitsalltag plötzlich. Ein neues Sicherheitssystem wird im Hochhaus installiert, Kollegen werden scheinbar grundlos befördert, ihr Vorgesetzter und seine Sekretärin verschwinden spurlos und ihr neuer Chef enthält ihr Informationen vor. Als sie sich mit ihrem Kollegen Carlos anfreundet, stellt sie fest, dass sie nicht die Einzige ist, die das Gefühl hat, dass da etwas nicht stimmt. Der Verdacht erhärtet sich, als Carlos eines Tages beinahe tot geprügelt wird und ihr daraufhin geheime Informationen von einem seiner Freunde zugesendet werden. Diese bestehen aus Personaldaten von Angestellten, die erst befördert wurden und dann verschwanden. Eines ist ihnen allen gemein: Sie sind alle in den 26. Stock des Firmenhochhauses, also in die Führungsetage, aufgestiegen. Um heraus zu finden, was hier vor sich geht, lässt sich Isabel in den 26. Stock versetzen …

_Mit über 600_ Seiten ist das Buch nicht gerade dünn. Die meisten Krimis und Thriller haben einen deutlich geringeren Umfang. Langweilig wird die Geschichte trotzdem nicht. Cortés schildert ausführlich und in nüchternem Tonfall die Ereignisse in dem Hochhaus. Dabei schreibt er so trocken, beinahe emotionslos, dass die Geschichte häufig wie ein Tatsachenbericht wirkt. Hinzu kommt, dass aus unterschiedlichen Perspektiven berichtet wird, so dass man einen guten Überblick über die Geschehnisse hat. Trotz der Länge und des eher unspannenden – deshalb aber nicht schlechten – Schreibstils ist das Buch unglaublich fesselnd. Der Autor schafft es, nach und nach Spannung aufzubauen. Besonders gegen Ende entwickelt die Handlung, die gut aufgebaut ist, eine ziemlich starke Sogwirkung. Sie ist geradezu nervenaufreibend. Nur bedingt gelungen ist allerdings der Übergang vom Psychothriller zum Horrorthriller. Er kommt sehr überraschend. Zuerst ist man unsicher, ob man das Gelesene glauben soll oder ob die Personen sich es nur einbilden. Gegen Ende verzettelt sich Cortés bei den Gruselelementen. Was durchaus authentisch begonnen hat, wird zu einer wilden Mischung aus übersinnlichen Wesen und Intrigen.

Die Personen sind hingegen sehr gut gelungen. Auch hier wahrt der Autor eine gewisse Distanz. Dafür beschreibt er die Charaktere umso genauer. Jede Person hat bestimmte Eigenschaften und eine eigene Geschichte, die sie von den anderen abhebt. Fast allen Figuren ist gemein, dass sie bestimmte Schicksalsschläge in ihrem Leben hatten, zum Beispiel den Tod der Eltern oder die Trennung von Ehefrau und Tochter. Isabelle, die auf weiten Strecken im Mittelpunkt steht, ist zum Beispiel Waise und muss darüber hinaus für ihren behinderten Bruder sorgen. Sie ist dadurch stark eingeschränkt und hat wenig Freunde. Umso mehr freut sie sich, als Carlos Interesse an ihr zeigt, auch wenn Enrique Cortés den beiden nur wenig romantische Gefühle einräumt. Die Figuren wachsen dem Leser ans Herz dadurch, dass er sie so gut kennen lernt und sie ihm stets Gründe für Mitgefühl liefern. Umso schlimmer (und nervenaufreibender) ist es da, dass Cortés dazu neigt, auch die freundlichsten Charaktere in scheinbar aussichtslose Situationen zu manövrieren oder in große Gefahr zu bringen.

_“Der 26. Stock“_ ist ein gut geschriebener Psychothriller mit einer fesselnden Handlung und Charakteren, die dem Leser ans Herz wachsen und um deren Wohlergehen man bis zum Ende bangen muss. Die überraschende Hinwendung zum Horrorgenre ist jedoch nur teilweise gelungen. Abgesehen davon, dass die ansonsten sauber konstruierte Handlung an dieser Stelle etwas wirr wird, ist es für viele, die das Buch als realistischen Thriller lesen, sicherlich zu weit her geholt. Besser wäre es gewesen, wenn das Buch in einem Genre geblieben wäre, anstatt plötzlich ein zweites zu bedienen.

|Broschiert: 608 Seiten
Originaltitel: La Torre
Deutsch von Luis Ruby
ISBN-13: 978-3423247610|
http://www.dtv.de

Sontheimer, Michael – »Natürlich kann geschossen werden«

Die Rote Armee Fraktion RAF hat Deutschland mit ihrem Gebaren 23 Jahre in Atem gehalten. Bis heute sind viele Verbrechen der Gruppe nicht aufgeklärt und die Namen ehemaliger Mitglieder tauchen immer wieder in den Medien auf. Wer die wichtigsten Fakten parat haben möchte, um mitreden zu können, sollte „Natürlich kann geschossen werden“, Michael Sontheimers kurze Geschichte der RAF, lesen. Auf knapp 190 Seiten hat der „Spiegel“-Autor die Geschichte der deutschen Terroristen zusammengetragen.

Als Geburtsstunde der ersten Generation der RAF gilt die Befreiung von Andreas Baader aus dem Gefängnis. Die Beteiligten, darunter Journalistin Ulrike Meinhof, mussten hierauf in den Untergrund gehen, da sie unter anderem wegen der schweren Verletzung eines Justizbeamten gesucht wurden. Dies nahmen sie als Anlass, die Befreiung Baaders als Attacke auf den Staat zu formulieren und daraufhin weitere Aktionen dieser Art auszuführen.

Allerdings ist diese erste Generation der RAF, der vermutlich die prominentesten Namen angehören, nicht besonders erfolgreich. Bereits nach zwei Jahren waren die meisten verhaftet. Die zweite Generation der RAF, der unter anderem Christian Klar angehört, widmet sich daher vor allem der geplanten Befreiung der Gründungsmitglieder. Lange verbleibt es allerdings bei bloßen Plänen, bis schließlich die Entführung von Hanns Martin Schleyer und des Flugzeugs Landshut statt finden. Doch wirklichen Erfolg hat die zweite Generation ebenfalls nicht. Nach ihrem Zerfall begründete sich die dritte Generation, die bislang von Historikern am wenigsten verstanden wird.

„Natürlich kann geschossen werden“ ist kein historischer Schinken, aber auch keine einfache, situationsheischende Unterhaltung. Es stützt sich auf Quellen und Dokumente aus Gerichtsverhandlungen und Ähnlichem. Im Anhang befindet sich deshalb ein umfassendes Quellenverzeichnis sowie zahlreiche Fußnotenbemerkungen. Diverse Schwarzweißfotos geben den Mitgliedern der RAF und ihrer Situation ein Gesicht. Sontheimer bezieht sich darüber hinaus an einigen Stellen auch auf aktuelle Ereignisse oder Erkenntnisse. Er betrachtet die RAF manchmal aus der heutigen Perspektive und auch wenn er nur eine kurze Geschichte über die RAF schreiben will – umfassend ist das Buch trotzdem. Es gibt einen guten Überblick über die wichtigsten Ereignisse in über 20 Jahren. Obwohl chronologisch erzählt, greift der Autor an der einen oder anderen Stelle vor oder zurück, wenn es sich anbietet. Er erklärt Zusammenhänge, vor allem zwischen den einzelnen Generationen und betrachtet alles immer wieder im Kontext der damaligen Zeit. So konzentriert er sich beispielsweise nicht nur auf die Terroristen, sondern schreibt auch über die damalige Justiz, Polizei und Politik und ihren Umgang mit der RAF.

Man kann Sontheimer sicherlich vorwerfen, an der einen oder anderen Stelle oberflächlich zu bleiben. Allerdings war es eben auch nicht seine Absicht, eine umfassende Abhandlung zu schreiben. Die Zielgruppe des verständlich geschriebenen Buches sind vielmehr Leute, die sich auf auf schnellem Wege das Wichtigste über die RAF aneignen möchten, ohne dabei über komplizierte historische Fachbegriffe oder ähnliches zu stolpern. Diesen Wunsch erfüllt der Autor auf 190 Seiten. Positiv ist dabei, dass die Schilderungen so anschaulich und lebensnah sind, dass man die Ereignisse tatsächlich nicht sofort wieder vergisst. Sontheimer kaut nicht nur Fakten wieder, sondern schreibt unterhaltsam, mitreißend, dabei aber nie subjektiv. Im Gegenteil wirkt das Buch sehr neutral. Er beschönigt die Taten der RAF nicht, singt aber auch keine Loblieder auf die damalige Politik. Er kritisiert beide Lager immer wieder, aber nicht, um damit die andere Seite lobend hervorzuheben.

Der Schreibstil ist, wie bereits angeklungen, locker, eher journalistisch. Immer wieder fließen Zitate von Beteiligten ein, an der einen oder anderen Stelle liest sich das Buch wie eine gute Reportage. Doch mit solchen Stilmitteln hält sich der Autor glücklicherweise zurück. Er bleibt nüchtern, erzählt zügig und haucht den Kapiteln dabei so viel Leben ein, dass man das Buch nicht aus der Hand legen möchte. Trotz des Themas ist das Buch nicht staubtrocken und zäh, sondern eine sehr angenehme Lektüre. Was dem Leser ein bisschen fehlt, ist eine Zeitleiste oder eine chronologische Auflistung der wichtigen im Buch erwähnten Ereignisse, um vergleichen und nachschlagen zu können.

Davon einmal abgesehen löst Michael Sontheimer sein Versprechen ein. Mit „Natürlich kann geschossen werden“ hat er eine gut zu lesende Zusammenfassung der Zeit der RAF geschrieben, die zeigt, dass Geschichte nicht langweilig sein muss.

|Gebunden: 217 Seiten
ISBN-13: 978-3421044709|
http://www.dva.de

SImone Buchholz – Knastpralinen

Staatsanwältin Chas Riley ist zurück. In „Knastpralinen“ hat die trinkfreudige Heldin von Simone Buchholz ihren zweiten Auftritt und dabei nicht nur einen kniffligen Fall zu lösen, sondern sie muss auch ihr eigenes Privatleben entwirren.

Ein Baggerführer findet kurz nacheinander in der Elbe zwei Plastiksäcke, in denen sich jeweils der Kopf, die Hände und die Füße eines Mannes befinden. Als schließlich eine ähnlich eingewickelte ganze Leiche auftaucht, steht fest: Irgendjemand in der Stadt hat es auf Männer abgesehen, die mit Frauen nicht unbedingt zimperlich umgegangen sind. Zwei waren dafür bekannt, ihre Freundinnen zu schlagen, der dritte, ein Sohn aus reichem Hause, hatte eine Anzeige wegen Vergewaltigung. Nun liegt es an Chas und ihrem Kollegen Calabretta, die Täterin zu finden, was sich nicht gerade einfach gestaltet.

Doch das sind nicht Chas‘ einzige Probleme. Ihre beste (und einzige) Freundin Carla wird in ihrem eigenen Café von zwei Männern vergewaltigt. Chas‘ Nachbar Klatsche, ein ehemaliger Kleinkrimineller, mit dem sie mehr verbindet als lauschige Bierabende, kümmert sich daraufhin rührend um Carla, was Chas auf unerklärliche Weise neidisch macht. Sie, die so gar nicht für die Liebe geschaffen ist. Und dann ist da noch der Alkohol …

Hauptfigur Chas Riley, die deutsch-amerikanische Staatsanwältin mit der traurigen Familiengeschichte, ist auch in „Knastpralinen“ der eigentliche Star. Genau wie die anderen Charaktere ist sie unglaublich skurril und dabei sehr liebenswert. Buchholz macht glücklicherweise nicht den Fehler, es damit zu übertreiben. Sie schafft einfach ein paar tolle Originale mit Ecken und Kanten, einer Vergangenheit und mehr als genug gegenwärtigen Problemen. Dieses Mal gibt es beispielsweise richtig was fürs Herz. Die Beziehung zwischen Chas und Klatsche macht einige Entwicklungen durch, die selbst den Leser, der mit Romantik wenig anfangen kann, zum Seufzen bringen sollten. Chas ist eben auch nicht besonders romantisch und deshalb läuft alles ein wenig anders ab. Etwas raubeiniger, als man es von einer Frau vielleicht erwartet, aber Chas passt nun mal nicht besonders gut in bestehende Frauenstereotype. Dafür trinkt sie zu gerne Bier und hat einen zu trockenen Humor.

Da größtenteils aus der Ich-Perspektive erzählt wird, ist der Humor dauerpräsent. Das ist gut, weil die Geschichte dadurch wunderbar heiter wird. Die Dialoge beispielsweise sind durch die Bank gelungen, die legere Sprache ist das Hamburger Pendant zur Berliner Schnauze. Buchholz hat ihren eigenen Stil gefunden, der perfekt zu Chas passt, auch wenn die englischen Begriffe, die die Autorin häufig verwendet, an der einen oder anderen Stelle unnötig sind. Denn Chas hat zwar Wurzeln in den Vereinigten Staaten, doch davon ist in der Geschichte ansonsten nicht viel zu spüren. Obwohl aus Hessen stammend, wirkt sie wie ein echtes St-Pauli-Urgewächs.

Bei all dem Lob muss man sich als Krimileser aber damit arrangieren, dass nicht die Handlung, sondern Chas und stellenweise auch ihre privaten Probleme im Vordergrund stehen. Die Ermittlungen verlaufen ohne besondere Höhepunkte, der Fall ist eher simpel gestrickt: Mehrere Leichen werden gefunden und dann wird der Täter gesucht. Zwischendrin befindet sich niemand der Charaktere in wirklicher Gefahr, falsche Spuren oder mehrere Verdächtige gibt es auch nicht.

Mit dem zweiten Auftritt von Chas Riley wächst einem die Krimi-Reihe von Simone Buchholz zwar noch stärker ans Herz, doch perfekt ist auch „Knastpralinen“ noch nicht. Eine etwas ausgefeiltere Handlung hätte der Geschichte gut getan. Fans von Hamburg und originellen Charakteren kommen trotzdem auf ihre Kosten.

Broschiert: 249 Seiten
ISBN-13: 978-3426198148

http://www.droemer.de

Andrews, Ilona – Duell der Schatten (Stadt der Finsternis 03)

_Stadt der Finsternis:_
Band 1: [„Die Nacht der Magie“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=5963
Band 2: [„Die dunkle Flut“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6134
Band 3: _Duell der Schatten_

Wenn eine amerikanische Großstadt phasenweise von Wellen der Magie heimgesucht wird, kann man davon ausgehen, dass dort einiges los ist. Neben gelegentlichen Gästen wird das düstere Atlanta in Ilona Andrews‘ Reihe „Stadt der Finsternis“ von einer Menge übernatürlicher Wesen bewohnt. Zum Beispiel von den Gestaltwandlern, deren Rudel das zweitgrößte in Nordamerika ist. Grund genug für Feinde dieser Werwesen, Atlanta ins Visier zu nehmen …

_Nach den aufregenden_ Ereignissen im letzten Band ist ein wenig Ruhe in Kate Daniels Leben eingekehrt. Allerdings nicht für lange. Ein Gestaltwandler wird bestialisch ermordet, doch als sie den Tatort untersuchen will, wird sie von einigen Werwesen aufgehalten. Jim, ihr einstiger Partner aus Söldnerzeiten, hält sie auf. Wenig später stellt sie fest, dass er nicht nur ihre Ermittlungen behindert hat, sondern den Mord auch seinem Vorgesetzten Curran, dem Alphatier des Rudels und Kates liebstem Feind, verheimlicht. Ein solches Verhalten ist verboten und Jim begibt sich damit in Lebensgefahr.

Doch bevor Kate sich weiter damit auseinander setzen kann, hält ein anderes Ereignis sie in Atem. Der junge Werwolf Derek scheint in eine merkwürdige Sache verwickelt zu sein, die mit den Midnight Games – Gladiatorenkämpfe mit Entertainmentcharakter – in Verbindung steht. Als Saiman, ein alter Bekannter, sie dazu einlädt, bei einem dieser Games ihre Begleiterin zu sein, nutzt sie die Gelegenheit, um sich um zu schauen. Sie erfährt, dass sich Derek mit einem Mädchen aus einem der Kampfgruppen treffen will. Dabei hat er sich allerdings ausgerechnet ein Mädchen von den Reapern, einer seltsamen, hochgefährlichen Truppe, ausgesucht. Als Derek wenig später schwerverletzt in einem Hinterhof gefunden wird, hat Kate den Verdacht, dass die Reaper auch an den Mord an dem Gestaltwandler verwickelt sein könnten. Ihre Ermittlungen führen sie zurück in die Kampfarena, wo sie ihre Jugend verbracht hat. Gleichzeitig schlägt sie sich auf Jims Seite und hintergeht damit Curran, der nicht gerade begeistert ist, als er davon erfährt …

_Der zweite Band_ der Reihe hat bei der Handlung etwas geschwächelt, doch „Duell der Schatten“ lässt diesen Makel schnell vergessen. Die Handlung in dieser Geschichte ist gut konstruiert, rasant erzählt und spannend. Obwohl es auch dieses Mal Ränke und Verwicklungen gibt, konzentriert sich das Autorenduo Andrews auf die Haupthandlung, also der Aufklärung des Mordfalls und des Anschlags auf Derek. Dadurch wirkt die Geschichte schön kompakt und hat einen definierten Anfang und Schluss. Auf eine gewisse Nebenhandlung muss man trotzdem nicht verzichten: Die Hassliebe zwischen Kate und Curran bekommt weiteren Zündstoff und endet in einem viel versprechenden Cliffhanger. Die Autoren steigern die Spannung zwischen den beiden, schließen aber nicht aus, dass aus dem Hass eines Tages Liebe wird. Trotzdem wird die Geschichte angenehm kitschfrei gehalten. Vielmehr nutzen sie den Handlungsstrang, um die innere Zerrissenheit ihrer Hauptfigur zu zeigen.

Kate Daniels ist zwar auf der einen Seite eine toughe, junge Frau, die ihr eigenes Geld verdient und keine Angst kennt. Auf der anderen Seite hat sie allerdings Schwierigkeiten, anderen Menschen zu vertrauen oder sich gar auf sie einzulassen. Trotz ihrer großen Klappe schimmern diese Probleme immer wieder durch und sie spielt sie nicht herunter. Dadurch wirkt sie vielschichtig und sympathisch, was durch die Ich-Perspektive, aus der sie erzählt, noch verstärkt wird. Sehr angenehm ist darüber hinaus, dass Ilona und Andrew Gordon, die Genies hinter dem Synonym Ilona Andrews, darauf verzichten, ihrer Protagonistin einen Begleiter an die Seite zu stellen, der sie den Verstand verlieren lässt. Im Gegenteil behält Kate in Currans Nähe einen kühlen Kopf und wenn es doch mal etwas heißer wird, wirkt es trotzdem noch authentisch.

Ein weiterer, nicht zu verachtender Pluspunkt ist der freche Schreibstil. Kate nimmt kein Blatt vor den Mund. Das Buch ist voller funkensprühender Dialoge, Witzeleien, derben Ausdrücken, Redewendungen und Sprichwörtern, die der Übersetzer gut ins Deutsche überträgt. Mit komödiantischen Vampirromanen wie denen von Mary Janice Davidson hat die Reihe trotzdem nichts zu tun. Obwohl die Geschichte sicherlich eher Frauen als Männer anspricht, ist sie doch kein simpler Frauenroman. Dafür ist die Sprache zu ausgefeilt, zu sarkastisch und streckenweise auch zu düster und martialisch – was aber kein Nachteil ist, wenn man mit Frauenromanen nicht viel anfangen kann.

_“Duell der Schatten“_ ist bislang der Höhepunkt der Reihe. Die Autoren haben die Anfängerfehler der ersten Bände ausgemerzt und präsentieren sich in Bestform. Die Handlung ist spannend und frei von unnötigem Ballast, die Hauptperson glänzt einmal mehr und der Schreibstil verbindet alles zu einem tollen Fantasyspektakel.

|Broschiert: 336 Seiten
Originaltitel: Magic Strikes
Deutsch von Jochen Schwarzer
ISBN-13: 978-3802582196|
http://www.egmont-lyx.de

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Blazon, Nina – Schattenauge

Fantasy, Historisches, Jugendbücher mit einem Schuss Mystery – Nina Blazon hat bewiesen, dass man sie nicht auf ein Genre eingrenzen kann. Mit ihrem neusten Streich „Schattenauge“ erobert sie das Urban-Fantasy-Genre auf ihre ganz eigene Art, denn bekannte Zutaten wie Vampire und Werwölfe muss man in ihrem Jugendroman lange suchen.

_Die sechzehnjährige Zoë_ liebt es, nachts durch die Clubs zu ziehen und sich den Frust von der Seele zu tanzen. Ihr Freund hat sie mit ihrer besten Freundin betrogen, sie muss ständig auf ihren kleinen Bruder aufpassen, hat Streit mit ihrer Mutter – Gründe hat sie genug. Doch plötzlich kommt noch etwas anderes hinzu. Blackouts, sie fühlt sich merkwürdig, verliert die Kontrolle über ihr Verhalten.

Etwa zur gleichen Zeit lernt sie den coolen Irves und dessen schweigsamen Freund Gil, der ihr ein wenig unheimlich ist, kennen. Als Gil sie warnt, sich in bestimmte Teile der Stadt zu begeben, beginnt sie, Fragen zu stellen, die er ihr nur sehr ungern beantwortet. Doch sie bohrt weiter und findet bald heraus, dass sie mit ihren Blackouts nicht alleine ist – und dass etwas Ungeheuerliches mit ihr passiert. Es scheint, als habe sie den „Schatten“ und könne sich in ein Raubtier verwandeln und als Mensch dessen Instinkte nutzen. Es gibt noch mehr von den Panthera, ihrer Art, in der Stadt, doch sie meiden einander eigentlich. Als mehrere Panthera grausam ermordet werden, stellt sich Gil, Zoë und Irves die Frage, wer es war. Jemand aus ihrem Kreis oder jemand ganz Anderes, von dem niemand etwas weiß?

_Nina Blazons Bücher_ spielen häufig in Welten, die sie selbst kreiert hat und die bereits bestehenden nur wenig ähneln. Dabei zeichnet sie sich durch einen großen Ideenreichtum aus und erfindet übernatürliche Wesen, von denen man vorher noch nie gelesen hat. In „Schattenauge“ erschafft sie allerdings keine neue Welt, sondern vermischt ihre Fantasie mit der realen. Das Ergebnis kann sich sehen lassen. Angesiedelt in einer ungenannten Großstadt, ist die Kulisse atmosphärisch und urban, cool und düster. Blazon schafft es, die reale Welt so einzufangen, dass sie etwas Mystisches, etwas Besonderes hat.

Etwas Besonderes haben auch die Figuren in der Geschichte. Das beschränkt sich nicht nur auf die Menschen, die einen „Schatten“ haben. Auch alle anderen Charaktere sind sehr sorgfältig ausgearbeitet. Jede Person hat etwas Spezielles, was sie von anderen abhebt. Mit wenigen Worten schafft es die Autorin, die Persönlichkeiten von selbst sehr unwichtigen Charakteren genau abzustecken. Am herausragendsten sind natürlich Zoë und Gil. Beide treten in der Geschichte als Erzähler auf. Zoë berichtet, obwohl sie im Mittelpunkt steht, nur aus der dritten Person, Gil aus der Ich-Perspektive. Die Distanz, die dadurch zu Zoë aufgebaut wird, passt zu ihrer verschlossenen Persönlichkeit. Gil hingegen erlaubt einen großzügigen Einblick in sein Leben mit dem „Schatten“, in Zoës Entwicklung und die Morde in der Stadt. Seine Gefühle und Gedanken werden weiter ausgeführt als die von Zoë. Trotzdem sind beide Perspektiven, die sich abwechseln, ähnlich stark, da die Erzähler mitreißend und interessant sind.

Aus den Blickwinkeln beider Hauptfiguren ergibt sich eine überaus packende Geschichte voller Wendungen, Geheimnisse und falschen Spuren. Obwohl das Buch mit fast 500 Seiten nicht gerade dünn ist, hält Blazon die Spannung bis zum Ende aufrecht, steigert sie sogar noch. Das Finale, das sich der Mördersuche anschließt, kann sich ebenfalls sehen lassen. Es ist überraschend, doch wenn man zurückschaut, gibt es genug logische Hinweise darauf. Man wusste sie als Leser nur nicht zu deuten.

Ähnlich gehaltvoll wie Charaktere, Kulisse und Handlung ist auch Blazons Schreibstil. Genau wie ihre anderen Büchern zeichnet sich „Schattenauge“ durch die Eleganz der einfachen Sprache aus. Zoës Abschnitte sind etwas nüchterner gehalten, aber nicht weniger fesselnd. Gils Teile der Geschichte hingegen sind wesentlich greifbarer, da sie aus der Ich-Perspektive erzählt werden. Die Autorin setzt dabei auf eine lebendige Sprache. Sie flechtet halbfertige Gedankengänge, Humor und gedachte Erwiderungen ein, die Gil als Person noch vielschichtiger aussehen lassen.

_“Schattenauge“ ist ein_ Urban-Fantasy-Buch für ältere Jugendliche, das in allen Punkten überzeugt. Die Handlung ist spannend, die Kulisse überaus ansprechend und mit Zoë und Gil sind Nina Blazon zwei außergewöhnliche Helden gelungen. Wer [„Faunblut“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=5463 von der Autorin mochte, wird „Schattenauge“ lieben.

|Gebunden: 477 Seiten
ISBN-13: 978-3473353149|
http://www.ravensburger.de
http://www.ninablazon.de

_Nina Blazon bei |Buchwurm.info|:_
[„Im Bann des Fluchträgers“ (Woran-Saga 1) 2350
[„Im Labyrinth der alten Könige“ (Woran-Saga 2) 2365
[„Im Reich des Glasvolks“ (Woran-Saga 3) 2369
[„Die Reise nach Yndalamor“ (Die Taverne am Rande der Welten 1) 3463
[„Im Land der Tajumeeren“ (Die Taverne am Rande der Welten 2 3980
[„Das Königreich der Kitsune“ (Die Taverne am Rande der Welten 3) 4725
[„Die Sturmrufer“ (Die Meerland-Chroniken 1) 4180
[„Der Bund der Wölfe“ 2380
[„Die Rückkehr der Zehnten“ 2381
[„Der Spiegel der Königin“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=3203
[„Der Maskenmörder von London“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=3983
[„Die Königsmalerin“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=5207
[„Faunblut“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=5463

RICHELLE MEAD – Blutschwur (Vampire Academy 04)

Hanni und Nanni mit Biss – die amerikanische Autorin Richelle Mead hat mit „Vampire Academy“ eine Reihe begonnen, in deren Mittelpunkt ein Internat namens St. Vladimir steht. Dieses ist für Moroi – Vampire, die zwar Blut trinken, aber ihre Opfer nicht töten – und junge Wächter – die Beschützer der Moroi – gedacht. Band 4 der Reihe, „Blutschwur“, entfernt sich allerdings von der Schule. Die Heldin Rose macht sich auf nach Russland, wo eine schwere Aufgabe auf sie wartet …

Nach dem Angriff der Strigoi – bluttrinkende Vampire, die ihre Opfer töten – im letzten Band der Serie ist Roses Geliebter, ihr Lehrer Dimitri, von den Ungeheuern verschleppt worden und zu einem der ihren gemacht worden. Dimitri und Rose schworen sich einst, dass, wenn einen von ihnen ein solches Schicksal ereilen sollte, der andere ihn umbringt. Ein Leben als Strigoi, als etwas Böses, können sie sich nicht vorstellen.

Nun ist der Ernstfall eingetroffen. Obwohl ihr nur noch zweieinhalb Monate bis zum Ende ihrer Ausbildung fehlen, verlässt Rose St. Vladimir. Sie macht sich auf die Suche nach Dimitri, um ihm einen silbernen Pflock durchs Herz zu jagen und dadurch zu töten. Allerdings weiß sie selbst nicht so genau, wo sie anfangen soll. Also begibt sie sich nach Russland, wo sie Dimitris Heimatdorf besucht. Sie erhofft sich dort Hinweise auf seinen Aufenthalt. Sie überbringt seiner Familie die traurige Nachricht und lebt bei ihnen, bis sie sich einer Gruppe Strigoijäger anschließt. In Nowosibirsk machen sie die Gegend unsicher, bis sie endlich einen Strigoi fängt, der Dimitri zu kennen scheint …

Mit über 440 Seiten ist „Blutschwur“ der dickste Band der Reihe. Richelle Mead schafft es trotzdem, dass die Geschichte nicht lang wird. Während die Storyline in den Vorgängerbänden häufig der Schwachpunkt war, überzeugt sie dieses Mal. Überraschende Wendungen, neue zwielichtige Charaktere und eine ganze Menge Intrigen sorgen dafür, dass man das Buch nicht aus der Hand legen kann. Die Autorin schafft es dabei, vor allem die Wendungen so einzuführen, dass sie glaubwürdig wirken, obwohl sie wirklich unerwartet kommen. Der Cliffhanger am Ende der Geschichte tut das seinige, um Geschmack auf die Folgebände zu machen.

Roses Perspektive ist allerdings nicht die einzige in der Geschichte. Da sie mit der Moroi Lissa ein geistiges Band teilt, das ihr erlaubt, in die Gedanken ihrer besten Freundin einzusteigen, erfährt sie außerdem, was auf dem Internat vor sich geht. Diese Nebenhandlung tritt allerdings nie in den Vordergrund, sondern ist eine nette Abwechslung von der ansonsten toll gestalteten Haupthandlung, die neben Action auch sehr viel Gefühl besitzt. Denn selbstverständlich hat Rose Liebeskummer, weil Dimitri ihr entglitten ist, bevor ihre Beziehung überhaupt richtig angefangen hat.

„Blutschwur“ ist trotzdem kein Taschentuchbuch. Rose mag zwar um ihre Liebe trauern, doch trotzdem ist sie nach wie vor die toughe Strigoijägerin mit der großen Klappe. Sie ist mutig, gewitzt und gibt nicht so schnell auf. Trotzdem wirkt sie nicht übermenschlich und auch nicht wie ein typisches Bad Girl. Im Gegenteil schafft es Richelle Mead, ihre Heldin in diesem Buch noch vielschichtiger und tiefgängiger dar zu stellen als in den vorherigen. Aus dem temperamentvollen, rebellischen Teenager ist eine junge Frau geworden, die viel nachdenkt und sich ihrer Gefühle nicht immer ganz sicher ist.

Die Geschichte wird aus Roses Ich-Perspektive erzählten. Die emotionale Seite der Geschichte, die nie kitschig, sondern sehr authentisch ist, wird dadurch noch stärker betont. Man lernt die Hauptfigur sehr gut kennen und sieht alles durch ihre Augen. Anders als in den ersten Bänden ist Rose zwar lange nicht mehr so kratzbürstig und witzig, dafür aber umso reifer und versierter in ihren Beschreibungen geworden. Der Schreibstil befindet sich auf einem hohen, aber trotzdem für Jugendliche verständlichen Niveau. Einziger Knackpunkt in der Geschichte: Die Beschreibungen von Roses Russlandreise. Hier wäre es schön gewesen, wenn die geschilderten Eindrücke weniger oberflächlich gewesen wären. Dem Leser gelingt es dadurch nicht wirklich, sich in das nächtliche Nowosibirsk hinein zu versetzen.

Davon abgesehen ist „Blutschwur“ ein überaus spannendes Buch, das durch zahlreiche neue Charaktere, neue Intrigen und einen tollen Cliffhanger überzeugen kann. Besonders Lob verdient Richelle Mead vor allem wegen ihrer Hauptfigur. Rose Hathaway ist eine sehr interessante junge Frau, deren Gefühls- und Gedankenwelt den Leser in ihren Bann zieht.

Broschiert: 444 Seiten
Originaltitel: |Blood Promise|
Deutsch von Michaela Link
ISBN-13: 978-3802582042

http://www.egmont-lyx.de
http://www.richellemead.com

Briggs, Patricia – Zeit der Jäger (Mercy Thompson 04)

_Mercy-Thompson-Serie:_

Band 1: [Ruf des Mondes]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=4490
Band 2: [Bann des Blutes]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=5091
Band 3: Spur der Nacht
Band 4: _Zeit der Jäger_

Patricia Briggs‘ Urban-Fantasy-Reihe um die junge Automechanikerin Mercedes Thompson – die trotz ihres Namens am liebsten VWs repariert – ist mittlerweile so erfolgreich, dass es sie auch als Comicadaption gibt. Wer Mercy trotzdem lieber in Romanform genießen möchte, sollte zum vierten Band der Erfolgsserie, „Zeit der Jäger“, greifen.

_Nachdem Mercy im_ Vorgängerband den Vampir Andre getötet hat, ist sie in großer Gefahr. Marsilia, die Herrin der Vampire in der Stadt, hat es auf sie abgesehen. Marsilia möchte die Walkerin, die sich in einen Koyoten verwandeln kann, lieber tot als lebendig sehen. Das führt wiederum dazu, dass das Werwolfrudel in Mercys Nachbarschaft – und vor allem dessen gutaussehender Alphawerwolf Adam – sich dazu berufen fühlt, sie zu beschützen. Als ihre alte Collegefreundin Amber aus dem benachbarten Spokane sie bittet, sie zu besuchen, weil sie glaubt, einen Geist in ihrem Haus zu haben, nimmt Mercy dankbar an.

Sie hofft, dass sich die Situation in den Tri-Cities beruhigt, wenn sie sich aus der Schusslinie begibt. Sie hat allerdings nicht damit gerechnet, dass ihr Aufenthalt in Spokane neuen Ärger bedeutet. Sie schafft es nämlich, die Aufmerksamkeit des einzigen Vampirs in der Gegend auf sich zu ziehen und dieser hat auch noch einen besonders brutalen Ruf …

_Den vierten Band_ der Mercy-Thompson-Reihe sollte man nach Möglichkeit nicht vor dem Einschlafen lesen. Erneut erzeugt die Autorin Spannung durch geschicktes Ränkeschmieden, ständige Gefahren und eine Storyline mit einem actionreichen Finale. Manchmal sind es zwar der Intrigen ein paar zu viele, die Geschichte wird undurchsichtig, doch am Ende entwirrt Briggs die einzelnen Fäden einigermaßen. Schade ist dabei jedoch der starke Fokus auf Vampire. Das Werwolfrudel, bei dem Mercy Anschluss gefunden hat, rutscht von Buch zu Buch immer mehr in den Hintergrund. Dabei hat sich die Reihe anfangs vor allem dadurch von Büchern desselben Genres abgesetzt.

Natürlich ist Mercy alleine dadurch, dass sie eine Walkerin und eine ziemlich toughe Frau ist, die sich nicht so einfach von attraktiven Untoten oder Werwesen um den Finger wickeln lässt, etwas Einzigartiges. Im vierten Band der Reihe ist sie mittlerweile so etabliert, dass sie über einzelne Makel in der Handlung hinweg helfen kann. Überhaupt bezieht das Buch viel Spannung durch das gut eingespielte Personenensemble. Die Vampire, Werwölfe und Feenwesen sind gut ausgearbeitet und meistens eine gute Mischung zwischen dem, was aus der Literatur bekannt ist und dem, was sich Briggs selbst ausgedacht hat. Charakteristisch ist, dass alle Figuren etwas verschlagen und intrigant sind. Es gibt kaum eine Person beziehungsweise ein Wesen in dem Buch, zu dem Mercy eine einfache Beziehung hat. Häufig gibt es Machtkämpfe oder stille Feindschaften. Das ist eine der Gründe, wieso es schwer fällt, „Zeit der Jäger“ ohne die vorherigen Romane zu lesen. Die Personenkonstellation entwickelt sich kontinuierlich weiter und das erschwert es, ohne Vorwissen in die Geschichte einzusteigen.

Der Schreibstil ist wie auch in den anderen Büchern ansprechend und leicht lesbar. Briggs bleibt recht nüchtern. Humor, der ein Markenzeichen vieler Urban-Fantasy-Bücher ist, wird hier nur dezent eingesetzt. Dafür legt die Autorin umso mehr Wert darauf, ihre Geschichte mit knappen Worten und ohne ausufernde Schilderungen spannend zu gestalten. Gelegentliche Einschübe, die Ereignisse aus den Vorgängerbänden nacherzählen, helfen dem Fan der Reihe, sich zu erinnern. Das sind aber auch die einzigen Plänkeleien, mit denen Briggs sich aufhält. Ansonsten geht sie schnell und präzise vor und fördert so die Spannung in der Geschichte noch zusätzlich.

_Unter dem Strich_ steht „Zeit der Jäger“ den Vorgängerbänden in punkto Spannung in nichts nach. Die Intrigen werden immer zahlreicher, Mercys Feinde ebenfalls – man darf auf die Folgebände gespannt sein.

|Taschenbuch: 398 Seiten
Originaltitel: Bone Crossed
Deutsch von Vanessa Lamatsch
ISBN-13: 978-3453525801|
http://www.heyne.de
http://www.patriciabriggs.com

_Patricia Briggs bei |buchwurm.info|:_
[Drachenzauber]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=3933
[Rabenzauber]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=4943
[Schatten des Wolfes (Alpha & Omega 1)]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=5926

Doctorow, Cory – Little Brother

Google Street View, ELENA, Facebook – kritische Medien schlagen immer wieder Alarm, dass persönliche Daten heutzutage nicht ausreichend geschützt sind. Gerade in letzter Zeit scheinen sich diese Fälle zu häufen. Wohin so etwas führen kann, zeigt „Little Brother“ von Cory Doctorow, ein Jugendbuch, das aber auch für Erwachsene sehr lesenswert ist.

Als Terroristen in San Francisco die Oakland Bay Bridge sprengen, befinden sich Marcus und seine Freunde am falschen Ort. Sie werden von der Heimatschutzbehörde als potenzielle Verdächtige gefangen genommen und auf eine Insel gebracht. Dort werden sie auf brutale Art und Weise verhört. Die Ermittler scheinen es besonders auf Marcus abgesehen zu haben. Der Computercrack bastelt in seiner Freizeit gerne eigene Programme oder Geräte und lässt nichts unversucht, um die Sicherheits- und Bespitzelungsmethoden auf seinem Laptop, den er von der Schule gestellt bekommen hat, zu umgehen.

Diese Schläue wird ihm jetzt jedoch zum Verhängnis. Man verdächtigt ihn, am Anschlag beteiligt gewesen zu sein, kann ihm jedoch nichts nachweisen. Als man ihn und zwei seiner drei Freunde wenige Tage später gehen lässt, droht man ihm, ihn im Auge zu behalten. Die Jugendlichen kehren zu ihren Eltern zurück, die sie für tot gehalten haben, aber sie dürfen ihnen nicht die Wahrheit über ihre Abwesenheit erzählen. Doch einer von ihnen bleibt verschollen. Darryl, Marcus‘ bester Freund, der bei dem Anschlag verletzt wurde, kehrt nicht nach Hause zurück. Marcus ist wütend, glaubt, dass die Heimatschutzbehörde ihn auf dem Gewissen hat. Als ihm klar wird, dass der Anschlag als Grund benutzt wird, um die Überwachung der Bürger auszuweiten, beschließt er, dagegen zu kämpfen. Mit seinen Fähigkeiten gründet er eine Widerstandsbewegung im Internet, die sich „Little Brother“ nennt. Sie müssen zwar im Geheimen agieren, doch sie sind viele – und sie schaffen es tatsächlich, den „Big Brother“ ordentlich in Bedrängnis zu bringen …

Der große Bruder und der kleine Bruder – die Vergleiche mit George Orwells Werk „1984“ kommen nicht von irgendwoher, gibt der Autor es im Nachwort doch als Inspiration an. „Little Brother“ ist deswegen noch lange keine bloße Kopie. Die Handlung kann durchaus für sich alleine stehen, auch wenn sie nicht immer völlig neu wirkt. Viele der Ereignisse in der Geschichte sind die, die man in einem solchen Buch erwartet. „Little Brother“ ist schließlich nicht das erste Buch, in dem ein Einzelner gegen eine böse Regierung kämpft. Doctorow hat es allerdings geschafft, die Thematik zum Einen für Jugendliche aufzubereiten und zum Anderen durch die Computer- beziehungsweise Internetproblematik sehr aktuell zu gestalten.

Für die Jugendlichen wird die Geschichte vor allem durch den jungen Protagonisten interessant. Darüber hinaus dürften viele durch die Computerthematik angesprochen werden und wer ein bisschen Coming-Age-Roman oder Romantik braucht, der kommt ebenfalls auf seine Kosten. Eine interessante, toll geschilderte Liebesgeschichte, die völlig ohne Kitsch funktioniert, lockert die Handlung auf. Man muss nicht unbedingt ein Computerfreak sein, um das Buch zu lesen, denn Marcus ist auch nicht der typische Nerd. Er weiß zwar viel, doch dieses Wissen teilt er mit dem Leser. Immer wieder holt er aus, um Fachbegriffe zu erklären, so dass die Lektüre nebenbei noch sehr lehrreich ist. Dank des einfachen und persönlichen Plaudertonfalls, in dem diese Abschnitte verfasst sind, sind auch sie interessant und überwiegen den Rest der Handlung nicht. Dieser hätte aber trotz der Authentizität und Nahtlosigkeit etwas mehr Spannung, etwas mehr Paranoia ganz gut getan. Stellenweise dümpelt die Geschichte langsam vor sich hin.

Marcus rettet die Situation jedoch in vielen Fällen. Er erzählt locker und wendet sich dabei immer wieder an den Leser. Von der ersten Seite an wirkt er wie jemand, den man persönlich kennt. Er ist sympathisch, dabei aber kein typischer Held. Ein leichter Antiheld, das schon, aber bei Weitem kein Loser. Er wirkt eher wie ein ganz normaler Jugendlicher mit den Problemen, Stärken und Schwächen dieses Alters und es sollte Jugendlichen leicht fallen, sich mit ihm zu identifizieren.

„Little Brother“ hat leichte Schwächen in der Handlung, überzeugt aber ansonsten auf ganzer Linie. Der Schreibstil und der Protagonist sind fantastisch, doch was wirklich wichtig ist, ist die Message des Buches. Cory Doctorow schafft es, eine gewisse Sensibilisierung für das Thema Überwachungsstaat zu schaffen, ohne dabei zu sehr zu übertreiben oder dem Leser eine Meinung aufdrücken zu wollen. Er lädt zum Nachdenken ein – und das nicht nur Teenager. Auch für Erwachsene dürfte die Lektüre von „Little Brother“ lehrreich und interessant sein. Ein ausführliches Literaturverzeichnis am Ende des Buches, das vom Autor kommentiert ist, lädt dazu ein, sich tiefer in die Materie einzuarbeiten.

|Taschenbuch: 490 Seiten
Originaltitel: Little Brother
Aus dem Englischen von Uwe-Michael Gutzschhahn
ISBN-13: 978-3499215506|
http://www.rororo.de
[„Website des Autors“]http://www.craphound.com

_Mehr von Cory Doctorow beim Buchwurm:_
[Backup 4231
[Upload 5031

Read, Cornelia – Schneeweißchen und Rosentot

Die liebe Verwandtschaft – wer verflucht sie nicht manchmal? Madeline Dare, die Heldin aus Cornelia Reads hochgelobtem Debütkrimi „Schneeweißchen und Rosentot“ tut dies ziemlich oft. Während die Tochter einer etwas unkonventionellen Mutter sich mit einem Job bei einem Lokalblatt über Wasser hält, schwelgen andere ihrer Verwandten in verschwenderischem Luxus – und benehmen sich auch so.

Madeline ist nicht gerade gut auf ihre snobistische Familie zu sprechen. Noch weniger gut ist sie allerdings auf die Kleinstadt zu sprechen, in der sie momentan lebt. Oder auf ihren Job und ihren schmierigen Chef. Eigentlich ist sie auf ziemlich viel nicht gut zu sprechen. In Syracuse langweilt sich die New Yorkerin nämlich zu Tode.

Doch das bleibt nicht lange so. Bei einem gemeinsamen Essen mit den Schwiegereltern erfährt sie, dass vor fast zwanzig Jahren ein ungeklärter Doppelmord in der Gegend passiert ist. Zwei unbekannte Mädchen wurden seltsam drapiert und mit Rosen geschmückt auf einem Acker gefunden. Ihr Tod wurde bis heute noch nicht aufgeklärt. Madelines Schwager erzählt, dass er in der Nähe des Leichenfundorts die Erkennungsmarke eines Soldaten gefunden hat und als er sie Madeline zeigt, trifft sie fast der Schlag: Der Name, der darauf steht, kommt ihr sehr bekannt vor. Lapthorne Townsend ist ihr Cousin. Ihr Lieblingscousin, um genau zu sein und einer der wenigen Familienmitglieder, die sie leiden kann. Doch würde er einen Mord begehen? Die Journalistin beginnt zu ermitteln und wühlt dabei mehr Dreck in dem Provinznest Syracuse auf als ihr lieb ist …

Kleinstädte sind vielleicht nicht unbedingt das heißeste Pflaster, aber Cornelia Read beweist, dass man sie trotzdem zum Schauplatz einer spannenden und vor allem hervorragend erzählten Geschichte machen kann. „Schneeweißchen und Rosentot“ beginnt zwar sehr ruhig, doch die Spannung steigt schnell an und wird bis zum Schluss aufrecht erhalten. Die Autorin benutzt überraschende Wendungen und falsche Fährten, um den Leser zu verwirren, während sie ihn immer wieder durch Erinnerungen und Nebenhandlungen auf positive Art und Weise ablenkt.

Diese Erinnerungen und Nebenhandlungen von Hauptperson Madeline beziehen sich vor allem auf ihre snobistische Familie und ihre Eigenheiten, ihre Zeit im Internat, die amerikanische Kultur, das Leben in Syracuse oder ihre Ehe mit Dean. Die Geschichte ist randvoll davon. Sie wird dadurch erst richtig interessant und anders. „Schneeweißchen und Rosentot“ ist nämlich trotz des reißerischen Titels kein einfacher Krimi, sondern gleichzeitig recht belletristisch. Neben den eher ungewöhnlichen Inhalten ist das dem originellen Schreibstil geschuldet. Read schreibt kurz, knackig und sarkastisch. Ihre Dialoge sind schlagfertig, die Ich-Erzählerin zeigt sich eloquent und charmant-witzig.

Die ganze Geschichte wird von Madelines Präsenz getragen, denn mit ihr ist der Autorin eine außergewöhnliche Heldin gelungen. Sie ist bis ins kleinste Detail ausgearbeitet. Obwohl erst Mitte 20, hat sie eine bewegte Vergangenheit, die sie gerne zum Besten gibt. Der für sie charakteristische, immer etwas miesepetrige Tonfall sorgt für einige lustige Momente in der Geschichte, genau wie ihre Schlagfertigkeit. Die anderen Charaktere sind ebenfalls echte Originale. Sie haben Ecken und Kanten, eine Vergangenheit. Gerade bei der Beschreibung von Madelines Verwandten hat man manchmal den Eindruck, die Autorin übertreibt es etwas, aber das passt zum Tonfall der Geschichte.

Die Handlung ist spannend, die Geschichte interessant, die Hauptperson eine Offenbarung und der Schreibstil göttlich – Cornelia Reads Debütroman ist nahezu perfekt.

|Originaltitel: A Field of Darkness
Deutsch von Sophie Zeitz
428 Seiten, Taschenbuch
ISBN-13: 978-3423211994|
http://www.dtv.de

_Cornelia Read bei |buchwurm.info|:_
[„Es wartet der Tod“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6022

Kinskofer, Lotte – Schwarzer Schnee

Der eigene Bruder, der Freund – eigentlich glaubt man, diesen Leuten vertrauen zu können und sie genau zu kennen. Doch Vertrauen kann enttäuscht werden, wie Lotte Kinskofer in ihrem Jugendkrimi „Schwarzer Schnee“ aus der „dtv pocket crime“-Reihe zeigt.

Lara kann sich eigentlich nicht beschweren. Ihr Freund Max liebt sie, mit ihren Eltern und ihrem fünfzehnjährigen Bruder kommt sie gut zurecht, doch dann passiert etwas, was ihr Leben auf den Kopf stellt. Simon, ihr Bruder, verschwindet. Er hatte vorher gesagt, er würde bei einem Kumpel übernachten, aber als die Familie Sonntag abend dort anruft, muss sie feststellen, dass er dort nie aufgetaucht ist. Wo ist Simon? Nichts hat darauf hingedeutet, dass er einen Grund hatte, abzuhauen. Oder hat er sich umgebracht?

Tausend Fragen beschäftigen die Familie. Als Lara und Max Simons Zimmer durchforsten, finden sie merkwürdige Computerspiele, Geld, Alkohol – alles, was sie nie im Leben bei Simon vermutet hätten. Anstatt es der Kripo zu verraten, behalten sie es für sich. Lara möchte ihre Eltern nicht noch trauriger machen. Also beginnt sie selbst zu ermitteln, aber das ist gar nicht so leicht. Simon ist wie vom Erdboden verschluckt, niemand scheint ihn gesehen zu haben. Doch dann gibt es eine erste Spur. In einem leer stehenden Haus werden eine Blutspur ihres Bruders und ein Schreibheft von ihm gefunden. Was ist dort passiert? Und lebt ihr Bruder überhaupt noch?

Das Thema, das sich durch die ganze Geschichte zieht, ist, wie man sich in Menschen, die man zu kennen glaubt, täuschen kann. Das beginnt bei Laras Bruder Simon und endet bei Charakteren, bei denen man es gar nicht erwartet hat. Die Autorin baut mit Hilfe unterschiedlicher Personenkonstellation eine wendungsreiche, spannende Handlung auf. Actionszenen sind dabei selten. Vielmehr handelt es sich um einen sehr ruhigen, nachdenklichen Krimi, bei dem nach und nach Missstände ans Tageslicht kommen. Diese Ruhe wird an der einen oder anderen Stelle zu Langeweile, doch insgesamt schlägt sich „Schwarzer Schnee“ recht gut.

Lotte Kinskofer versteht es, ihre Geschichte und die Figuren sehr detailliert und anschaulich darzustellen. Ich-Erzählerin Lara schildert die Ereignisse sehr genau und eindrücklich. Das beginnt bei den Veränderungen, die Simons Verschwinden in ihrer Familie verursachen, bis hin zu der Zusammenarbeit mit der Polizei – sowohl die Handlung als auch die Figuren sind sauber durchdacht. Lara ist ein junges, eher ruhiges Mädchen, mit dem man sich gut identifizieren kann. Die anderen Charaktere haben ebenfalls Ecken und Kanten. Sie sind gut ausgearbeitet und erwecken die Geschichte zum Leben.

Lotte Kinskofers Schreibstil passt zu ihrer Heldin. Er ist ebenfalls ruhig, intelligent, dabei aber auch gewieft. Witzig ist die Geschichte nicht, sondern zumeist sehr ernst. Trotzdem liest sich das Buch schnell und flüssig. Die anschauliche Darstellung von Gefühlen und Gedanken sorgt dafür, dass man sich direkt in Laras Kopf versetzen kann.

„Schwarzer Schnee“ ist damit ein netter Jugendkrimi mit einem starken Fokus auf Personen und zwischenmenschlichen Beziehungen. Er ist anschaulich und lebensnah geschrieben und gefällt durch die authentische Hauptperson.

|270 Seiten, Taschenbuch
ISBN-13: 978-3423782371|
http://www.dtvjunior.de

Katrin Stehle – Kalte Augen

Vom Dörfchen ins gigantische Berlin – da kann man schon mal den Überblick verlieren. Kira, die Protagonistin aus Katrin Stehles Jugendkrimi „Kalte Augen“, passiert das auf einer Klassenfahrt. Allerdings bekommt sie ungeahnte Hilfe von einem Unbekannten …

Alles beginnt mit einer Mutprobe. Kira möchte Lara und Jenna beweisen, dass sie cool und furchtlos ist und traut sich ganz alleine nachts in einen Berliner Park. Doch die beiden „Freundinnen“ folgen ihr nicht, wie versprochen, sondern lassen sie im Stich. Plötzlich ist Kira verloren in der Großstadt und weiß nicht, wo sich die Jugendherberge befindet. Sie irrt durch die Nacht, bis sie plötzlich von einem Jungen namens Gunnar angesprochen wird.

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Broach, Elise – Tote aus dem Nichts, Die

Mit „dtv pocket crime“ startet dtv eine neue Reihe Jugendbücher, die spannende Krimis für Leser ab 14 Jahren verspricht. Viele der Geschichten stammen von deutschen Autoren, aber nicht alle. „Die Tote aus dem Nichts“ von Elise Broach beispielsweise spielt im heißen Süden der Vereinigten Staaten.

Mit dem Bruder und dessen besten Freund alleine durch die USA – was nach einem idyllischen Roadtrip klingt, wird für die fünfzehnjährige Lucy bald zum Albtraum. Mitten in der Pampas von New Mexico läuft ihnen etwas während einem Unwetter vor das Auto. Sie haben zwar nicht erkannt, was es war, aber als sie zu der Stelle zurückfahren, finden sie ein totes Mädchen, kaum älter als sie.

Die drei Jugendlichen sind schockiert. Hat Jamie, Lucys Bruder, tatsächlich ein Mädchen getötet? Die hinzu gerufene Polizei ist sich nicht sicher, weshalb die drei vorerst in der Gegend bleiben müssen. Sie kommen bei Beth unter, einer zurückgezogen lebenden Künstlerin. Während Jamie versucht, seine Sorgen in einer Flirterei mit der deutlich älteren Frau zu ertränken, fühlt sich Lucy verpflichtet, den Mord an dem Mädchen zu klären. Doch dabei gerät sie selbst in Gefahr …

Als Krimiautor hat man meistens mit einem Problem zu kämpfen: Möchte man die Handlung lieber spannend oder lieber authentisch gestalten? Gerade wenn ganz normale Menschen und nicht etwa Polizisten die Hauptrolle spielen, ist es sehr schwierig, beides zu vereinen. Auch Elise Broach musste sich dieser Frage stellen und, nach der Lektüre von „Die Tote aus dem Nichts“, scheint es, als ob sie sich dafür entschieden hätte, die Spannung für die Realität aufzugeben. Ihr Jugendbuch ist deshalb nicht gleich langweilig, aber die Krimihandlung ist ein wenig uninspiriert, leicht vorhersehbar und nicht besonders originell. Dafür ist ihr Buch aber sehr authentisch. Da eine Jugendliche die Ich-Erzählerin ist, liegt der Fokus neben Lucys Ermittlungen vor allem auf Liebe und Gefühlschaos. Davon gibt es wahrlich mehr als genug. Wegen der Ermittlungen an Beths Haus gefesselt, entspinnt sich zwischen den wenigen auftretenden Personen, nämlich Lucy, ihrem Bruder, dessen Freund Kit und ihrer Gastgeberin Beth, ein dichtes Netz aus Verliebtheit, Wut und Enttäuschung. Eine kitschige Romanze darf man trotzdem nicht erwarten. Die zwischenmenschliche Ebene der Geschichte ist so trocken wie die Wüste in New Mexico, aber dabei so intensiv beschrieben, dass man die maue Handlung beinahe vergisst.

Um den Leser auf dieser emotionalen Ebene zu fassen zu kriegen, bedarf es Charaktere, mit denen er sich identifizieren kann und mit denen er gerne mit fiebert. Auch das ist der Autorin gelungen. Lucy ist eine typische Fünfzehnjährige. Ein wenig naiv, ein wenig trotzig, sie findet, dass Jungs nerven und sie kann sehr dickköpfig sein. Da aus ihrer Ich-Perspektive erzählt wird, lernt man sie am besten kennen und sieht die Welt durch ihre Augen. Dementsprechend gefärbt sind ihre Einstellungen gegenüber ihren Mitstreitern. In Jamie und Kit sieht sie die typischen Highschooljungs, die nichts anderes im Kopf haben als Mädchen. Dass sie aber auch anders sein können, ist eine neue Erfahrung für Lucy und sie beobachtet diese halb fasziniert, halb argwöhnisch und lässt den Leser in ihrer einfachen und präzisen Sprache daran teilhaben.

In der Summe ist „Die Tote aus dem Nichts“ mehr Jugendbuch als Krimi. Die Handlung punktet vor allem dann, wenn sie sich um die Gefühle der authentischen Protagonisten dreht. Diese beschreibt Elise Broach so authentisch und intensiv, dass man die langweiligeren Teile der Geschichte gerne verzeiht.

|Aus dem Englischen von Katharina Orgaß und Gerald Jung
301 Seiten, Taschenbuch
ISBN-13: 978-3423782364|
http://www.dtv.de

Mooney, Chris – Enemy

Darby McCormick, die Serienheldin aus Chris Mooneys Büchern, hat in „Enemy“ eine persönliche Tragödie aufzuklären: Den Tod ihres Vaters. Doch nicht nur das. Sie muss sich auch durch ein Geflecht aus Lügen und Intrigen kämpfen – und gerät dabei in Lebensgefahr …

Nach einem anstrengenden Trainingstag beim SWAT-Team der Bostoner Polizei wird Darby zu einem schrecklichen Tatort gerufen. Die Mutter eines dreizehnjährigen Jungen wurde zu Tode gefoltert, während er mit im Raum saß und alles mit angehört hat. Als Darby zum Tatort kommt, stellt sie fest, dass es mehrere Täter gewesen sein müssen – und dass sie noch in der Nähe sind.

Nach einer wilden Schießerei, bei der die Mörder entkommen, fährt die CSI-Ermittlerin ins Krankenhaus, um sich mit dem Jungen zu unterhalten. Der weigert sich zuerst, mit ihr zu sprechen. Seine Mutter hat ihm eingetrichtert, nur mit einem Polizisten zu reden – Thomas McCormick, Darbys verstorbenem Vater. Nachdem sie den Jungen davon überzeugt hat, dass er sich auch ihr anvertrauen kann, fängt er stockend an zu erzählen, dass er und seine Mutter sich stets auf der Flucht befanden, seit seine Großeltern gestorben sind, und dass sie ständig ihre Namen geändert haben. Doch als er weiter sprechen will, werden sie unterbrochen. Ein FBI-Agent betritt das Zimmer und will die Ermittlungen an sich reißen, was darin gipfelt, dass der Junge sich mit einer eingeschmuggelten Pistole erschießt. Doch das ist noch nicht alles: Es stellt sich heraus, dass der FBI-Agent überhaupt kein echtes Mitglied des FBIs war. Es scheint, als ob jemand Darbys Ermittlungen zu sabotieren versucht. Jemand, der genau über den Fall Bescheid weiß und vor nichts zurückschreckt …

Chris Mooney hat eine wendungs- und actionreiche Geschichte geschrieben, die zwar spannend, aber nicht besonders originell ist. Bücher mit toughen, weiblichen Protagonistinnen in Männerberufen sind keine Seltenheit und auch Thriller, in denen einige der Gesetzeshüter sich nicht so benehmen, wie ihr Job das von ihnen verlangt, kennt man. Die Brutalität, die Mooney in seiner Geschichte besonders betont, hilft da wenig. Das Buch ist vielleicht mitreißend geschrieben sowie gut und spannend aufgebaut, aber es hinterlässt den Eindruck, dass man es schon mal irgendwo gelesen hat. Nett ist allerdings die Einbettung des Falls in das Alltagsleben des kleinen Städtchens Charlestown mit seinen seltsamen Verwicklungen.

Hauptperson Darby McCormick geht komplett in ihrem Job auf, von ihrem Privatleben erfährt man so gut wie gar nichts. Ihre Gedanken und Gefühle spielen durchaus eine Rolle, aber sie drehen sich zumeist um alte Fälle, ihren verstorbenen Vater, manchmal um ihren Kollegen Coops. Sie wirkt allerdings trotzdem tiefgängiger als andere, ähnlich geartete Romanfiguren. Das Gleiche gilt für die anderen Figuren in der Geschichte. Auch sie wirken alltäglich, lebendig. Trotzdem bleiben beispielsweise die Beweggründe der Bösen verdeckt. Die Täter werden sehr eindimensional dargestellt, was im Vergleich mit den übrigen Figuren beinahe etwas enttäuscht.

Geschrieben ist das Buch wie viele andere Thriller auch. Hohes Tempo, klare Sätze, wenig Platz für Verzierungen und Wortbilder. Es ist leicht zu lesen, hinterlässt aber keinen bleibenden Eindruck.

„Enemy“ ist vielleicht spannend und gut gemacht, aber nicht gerade neu. Wer nur ab und zu einen Thriller liest, wird sicherlich seine Freude an dem handwerklich einwandfreien Buch haben.

|Aus dem Englischen von Michael Windgassen
Originaltitel: The Dead Room
393 Seiten, Taschenbuch
ISBN-13: 978-3499252846|
http://www.rororo.de

_Mehr von Chris Mooney auf |Buchwurm.info|:_

[„Victim“ 3799
[„Victim“ 5226 (Hörbuch)
[„Missing“ 5787
[„Missing“ 5731 (Hörbuch)
[„Sekret“ 5844 (Hörbuch)

McNay, Mark – Under Control

Ein gewalttätiger Ex-Fremdenlegionär mit merkwürdigen, sadistischen Gewaltfantasien, eine drogenabhängige Prostituierte und ihr weichherziger Sozialarbeiter beginnen eine Art Dreiecksbeziehung. Kann das gut gehen? Und wer kommt überhaupt auf solche Ideen? Der schottische Autor Mark McNay, dessen Debütroman „Frisch“ mit Preisen ausgezeichnet wurde und den man in einem Atemzug mit Irvine Welsh nennt, beschreibt in „Under Control“, wie eine Sozialarbeiter-Klienten-Beziehung nicht ablaufen sollte.

_Gary leidet an_ einer psychischen Krankheit, aufgrund der er Aggressionen und merkwürdige Wahnvorstellungen hat. Er bekommt Medikamente und wird von dem Sozialarbeiter Nigel betreut, zusammen mit zwei anderen. Ralph ist ein ehemaliger Drogenabhängiger, der rückfällig geworden ist, und Chris leidet an Depressionen und geht nicht gerne unter Menschen. Und dann ist da auch noch Charlie, Garys Freundin. Sie ist ebenfalls drogenabhängig und arbeitet als Prostituierte auf der Straße.

Nigel ist ein weichherziger Kerl, der gerne hilft, aber ein bisschen naiv ist. Als er Charlie trifft und sich in sie verliebt, glaubt er, sie von den Drogen weg bekommen zu können. Das sieht nicht nur Nigels Frau Sarah nicht besonders gerne. Als er Charlie bittet, den Kontakt zu Gary abzubrechen, um die Therapie nicht zu gefährden, hat das für ihn ungeahnte Konsequenzen. Denn der Zustand von Gary hat sich in letzter Zeit verschlechtert …

_Mark McNay siedelt_ sein Buch im Milieu psychisch Erkrankter, Drogenabhängiger und Sozialarbeiter an. Das ist ein interessanter Blickwinkel, den der Autor gut bedient mit seinen Beschreibungen, Charakterdarstellungen und den saloppen Dialogen. Die Mut- und scheinbare Ausweglosigkeit, die den Charakteren anhaftet, wird sehr gut dargestellt. Allerdings darf man trotz allem keine besondere Spannungsdramaturgie erwarten. Es wird hauptsächlich das Alltagsleben der Protagonisten beschrieben, die wenigen konkreten Ereignisse werden in die Geschichte eingestreut, ohne dass sie einer Spannungskurve folgen. Das interessiert sicherlich nicht Jeden. Wer weniger Wert auf Darstellung, aber dafür mehr auf Action legt, ist mit diesem Buch also nicht besonders gut beraten.

Es sei denn, er kann sich für einen interessanten Schreibstil erwärmen, denn Schreiben kann McNay. Seine lässige Erzählweise ohne schwierige Begriffe und einfache Satzstrukturen liest sich flüssig. Überdies besticht er durch den Humor. Auf geradezu ungewollte Art und Weise webt McNay immer wieder witzige Bemerkungen, die eigentlich gar nicht witzig sein wollen und sehr überraschend auftreten, in den Text. Außerdem begeistert der Schriftsteller durch Bildlichkeit. Immer wieder schreibt er über Vorstellungen oder Fantasien der Leute, die er wie selbstverständlich in den Fließtext integriert.

Die Figuren selbst sind ebenfalls lesenswert. Gary wirkt zwar ab und zu wie das Klischee eines Geisteskranken, ist ansonsten aber amüsant und authentisch umgesetzt. Nigel hingegen repräsentiert die Mittelschicht und seine Einfältigkeit gehört zu den größten Pluspunkten des Romans. Zum Einen wird dem Leser aus der gleichen sozialen Schicht dadurch ein Spiegel vor gehalten. Nigel sagt an einer Stelle im Buch, dass er nur deshalb Sozialarbeiter geworden ist, weil seine Eltern ihn dazu erzogen haben, anderen zu helfen. Dass ihm aber echte Einblicke in das Leben seiner Klienten fehlen, wird auf der anderen Seite sehr authentisch gezeigt. Es kommt dabei immer wieder zu Missverständnissen zwischen beiden Gruppen, die aber keiner so recht zu bemerken scheint außer der Leser, was ab und an für prompte Lacher sorgt.

_In der Summe_ ist „Under Control“ amüsante, aber dennoch auf lässige Art und Weise tiefgründige Literatur, die gut geschrieben, aber nicht immer spannend ist.

|Aus dem Englischen von Eike Schönfeld
318 Seiten, Taschenbuch
ISBN-13: 978-3423247481|
http://www.dtv.de

Rauchhaus, Susanne – Schattenwesen

Ferienjobs sind eine feine Sache. Zwischen zwei Schuljahren oder dem dem Abitur und dem Studium bleibt genug freie Zeit, in der man Geld verdienen kann, um in den Urlaub zu fahren. Die Heldin in Susanne Rauchhaus‘ Roman „Schattenwesen“ möchte von ihrem Verdienst ihr Studium finanzieren. Mit 25.000 Euro sollte das kein Problem sein.

25.000 Euro sind viel Geld. Genau diese Summe bietet Ruben Nachtmann, ein Freund ihres verstorbenen Vaters, der jungen Restauratorin Kira. Ihre Aufgabe ist die Restauration eines alten Freskos und während der Arbeit soll sie auf Nachtmanns Anwesen leben.

Willig lässt sie sich auf den Job ein. Doch als sie auf dem Schloss von Nachtmann ankommt, muss sie feststellen, dass sie nicht der einzige Gast ist. Die aufgetakelte Anna soll dem Fresko nach der Restauration, einen neuen Anstrich geben. Die beiden verstehen sich nicht besonders gut, denn während Kira sich vor allem für das Kunstwerk interessiert, flirtet Anna lieber mit Nachtmanns Assistenten, dem schweigsamen Cyriel. Das wiederum findet Kira eher befremdlich und sie versteht sich auch nicht besonders gut mit Cyriel. Stoisch geht sie ihrer Arbeit nach, doch dann verschwindet Anna plötzlich. Ihr Zimmer ist wie leer geräumt, von ihr gibt es keine Spur.

Doch das ist nicht die einzige Ungereimtheit in Nachtmanns Schloss. Merkwürdige Scharrgeräusche im Keller, Türen, die sich nur im Dunkeln öffnen – allmählich beschleicht Kira das Gefühl, dass die 25.000 Euro es doch nicht wert waren …

Der Verlag bezeichnet das Buch als „romantischen Mystery-Roman“, tatsächlich hat „Schattenwesen“ aber mehr von einem Mystery-Roman als von Romantik. Das Buch beginnt sehr alltäglich. Lange ist von fantastischen Wesen nicht viel zu sehen. Kira, eine bodenständige, junge Frau stürzt sich mit Feuereifer auf ihre Aufgabe und bemerkt die mysteriösen Vorgänge um sie herum erst spät. Danach akzeptiert sie sie aber recht schnell. An dieser Stelle fehlt es ein wenig an Momenten des Unglaubens, des Zögerns. Gut gemacht ist die Geschichte trotzdem. Sie ist originell und die Autorin baut interessante Ereignisse ein. Am Ende geht der Handlung jedoch ein bisschen die Luft aus durch allzu viele Wendungen. Da hilft auch die Andeutung einer Liebesgeschichte nicht, die darüber hinaus sehr schnell abgehandelt wird.

Die Geschichte ist allerdings trotz dieser kleinen Fehler lesenswert. Das liegt vor allem an Kira, einem überaus authentischen Charakter. Die junge Frau hat zum Einen mit dem Tod ihres Vaters zu kämpfen, zum Anderen ist sie sich noch immer nicht ganz sicher, was die Umstände seines Selbstmords angeht. Darüber hinaus bricht für die Abiturientin ein neuer Lebensabschnitt an. All diese Einzelheiten weiß die Autorin sicher und authentisch umzusetzen. Es macht sehr viel Spaß, Kira zu folgen und der eine oder andere erkennt vielleicht sogar etwas von sich selbst in ihr wieder. Kira erzählt aus der Ich-Perspektive, wodurch der Leser direkt Anteil an ihren Gedanken und Gefühlen hat.

Darüber hinaus lernt man auch Einiges über das Restaurieren und andere Dinge. Die Autorin hat gut recherchiert, was zur Lebendigkeit der Geschichte beiträgt. Auch sonst schreibt sie sehr sicher. Sie verfällt nicht in einen Jugendslang, sondern benutzt eine niveauvolle, aber dennoch verständliche Sprache. Dass sie nicht jeden Fachbegriff bei Kiras Arbeit ausführlich erklärt, macht überhaupt nichts. Die Geschichte ist trotzdem flüssig und schnell zu lesen.

„Schattenwesen“ ist ein schönes Jugendbuch, das den Fokus vor allem auf die jugendliche Hauptfigur legt. Dabei gerät die Handlung ein wenig ins Hintertreffen, doch der Schreibstil und Kiras Charme gleichen dies aus.

|303 Seiten, gebunden
ISBN-13: 978-3800055388|

Willkommen

_Susanne Rauchhaus beim Buchwurm:_
[Die Übersinnlichen 6015