Alle Beiträge von Maren Strauss

Stromiedel, Markus – Feuertaufe

Biometrische Reisepässe, Vorratsdatenspeicherung, der gläserne Kunde – einige Begriffe, die durch die Medienlandschaft geistern, lassen den Eindruck entstehen, dass sich unser Zusammenleben immer weiter vom demokratischen Grundgedanken entfernt. Der Autor Markus Stromiedel spinnt diesen Gedanken in seinem Polit-Thriller „Feuertaufe“ einen Schritt weiter.

In Berlin gibt es einen Brandanschlag auf ein Haus mit ausschließlich ausländischen Einwohnern. Nur ein neunjähriger Junge überlebt, doch er ist verstummt und keine große Hilfe bei der Suche nach den Tätern, die in der rechten Szene vermutet werden.

Kommissar Paul Selig wird dazu abberufen, den Fall zu leiten – jedenfalls in der Öffentlichkeit. Tatsächlich möchte man ihn nur als vertrauenswürdige Publikumsfigur, während andere im Hintergrund die Ermittlungen durchführen. Das lässt Selig selbstverständlich nicht auf sich sitzen und beginnt mit seinem Team zu recherchieren. Schnell findet er unerwartet eine erste Spur. Ein Mann mit einer auffälligen Tätowierung an der Hand wollte sich mit ihm anonym treffen, um ihm Informationen zu kommen zu lassen. Als das Treffen misslingt, versucht Selig zu recherchieren, wer der Mann war. Zuerst scheint es, als ob er Erfolg habe, doch dann verschwinden nicht nur die Spuren wie von Geisterhand – Melderegistereinträge werden gelöscht, Wohnungen geleert -, sondern auch unliebsame Zeugen werden eliminiert. Als Selig dem Jungen, der den Anschlag überlebt hat, die Tätowierung zufällig zeigt, bekommt dieser einen Anfall. Anscheinend gibt es einen Zusammenhang zwischen dem mysteriösen Unbekannten und dem Anschlag.

Selig und sein Team ermitteln weiter. Sie müssen sich dafür immer tiefer mit Formationen in der Bundesrepublik auseinandersetzen, die dem Staat nicht wohlgesonnen sind – sowohl von rechts als auch von links. Das ist nicht ungefährlich, doch Selig hat noch einen weiteren Feind, von dem er nichts ahnt. Er wird aus den eigenen Reihen sabotiert …

Markus Stromiedel hat nicht nur als Journalist gearbeitet, sondern schreibt auch Drehbücher. Beides merkt man seinem Roman an. Die Handlung ist, genau wie ein guter Film, sauber konstruiert und unglaublich spannend. Diverse Erzählperspektiven sorgen dafür, dass man die Situation aus allen Blickwinkeln betrachten kann. Das ist sinnvoll, da sehr viele Intrigen und Verwicklungen in der Geschichte vor kommen, doch Stromiedel schafft es, den Leser sicher durch die komplexe Handlung zu führen. Die vielen losen Enden laden dazu ein, selbst auf Tätersuche zu gehen, doch ähnlich wie Selig steht man vor einem Rätsel. Erst gegen Ende löst sich alles allmählich auf. Neben der Spannung vergisst Stromiedel das Zwischenmenschliche nicht. Die zerbrochene Liebe zwischen zwei Mitarbeitern Seligs, die Beziehung zwischen dem Kommissar und seinem Sohn – sie werden sauber ausgearbeitet und bringen Leben in die Geschichte, ohne diese ausufern zu lassen.

Seligs Ermittlungen sind ähnlich wie der Kommissar selbst. Nicht immer zielgerichtet, aber letztendlich führen sie zu einem Ergebnis. Paul Selig ist also kein Superheld, sondern ein ruhiger, fast schon etwas melancholischer Charakter, der streckenweise an gewisse skandinavische Polizisten erinnert. Er ist allerdings nicht ganz so schwermütig. Sein Privatleben spielt zwar immer wieder eine Rolle, auch in Form der Ereignisse, die im ersten Band der Reihe passiert sind, doch es nimmt nie überhand. Oder besser gesagt: Es spielt eine bedeutende Rolle für die Handlung und stört deshalb nicht.

Die übrigen Charaktere – und von denen gibt es viele! – sind ebenfalls gut ausgearbeitet. Der Autor bündelt diese Vielzahl an Personen, Eindrücken und Schauplätzen mit Hilfe des sauberen Schreibstils. Dabei geht er durchaus detailliert vor. Man kann sich alles sehr gut vorstellen. Doch das liegt nicht etwa an seitenlangen Beschreibungen, sondern daran, dass Stromiedel ein ungewöhnlich gutes Händchen dafür hat, mit wenigen, passenden Begriffen etwas zu beschreiben. Seine Korrektheit wirkt zuerst etwas befremdlich, aber schnell wird klar, dass eine so komplexe Geschichte anders gar nicht geschrieben werden sollte.

„Feuertaufe“ ist packend, fesselnd und gleichzeitig lebendig. Gerade letzteres ist nicht unbedingt das, was man von einem Polit-Thriller erwartet, aber der Markus Stromiedel bringt sehr viel Menschliches in die dramatische Handlung ein. Dadurch entsteht ein wirklich großartiges Buch, das zudem sehr gut geschrieben ist.

|491 Seiten, Taschenbuch
ISBN-13: 978-3-426-50114-6|
http://www.knaur.de

Sarah Singleton – Das Haus der kalten Herzen

Der Buchtitel ist „Das Haus der kalten Herzen“, die Hauptpersonen schlafen tagsüber und leben in der Nacht, auf dem Cover ist eine blasse junge Frau abgebildet – Sarah Singletons Jugendbuch lässt sich ohne Probleme in die Vampirschiene einordnen. Trotzdem kommt kein einziger spitzer Eckzahn in der ungewöhnlichen Geschichte vor …

Mercy lebt mit ihrer jüngeren Schwester Charity, der Hauslehrerin Galatea, ihrem Vater und einer Angestellten in einem alten Haus namens Century. Freunde hat das junge Mädchen keine. Eingeschlossen lebt sie mit ihrer Familie in einer ganz eigenen Welt, in der es ewiger Winter ist und die Sonne nie scheint. Sie fragt sich nie, wieso sie so lebt, doch als sie eines Tages bei einem Spaziergang den gut aussehenden Claudius kennen lernt, beginnt sie nachzudenken.

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Wagenstein, Angel – Leb wohl, Shanghai

Viele Bücher sind bereits geschrieben worden über den zweiten Weltkrieg und über jüdische Schicksale, die damit in Zusammenhang stehen. Dass viele Juden zu dieser Zeit nach Shanghai ausgewandert sind, weil man dafür kein Visum benötigte, ist bislang eher selten erwähnt worden. Angel Wagenstein bringt mit „Leb wohl, Shanghai“ Licht in dieses Dunkel und erzählt anhand einzelner menschlicher Schicksale diese beschwerliche Zeit nach.

Obwohl viele Personen und ihre Geschichten in der Handlung vorgestellt werden, liegt der Hauptfokus doch auf einer jungen Frau und einem jüdischen Paar. Hilde Braun ist eine bildhübsche blonde Schauspielerin, die bereits für Leni Riefenstahl vor der Kamera stand und dann nach Paris ging, um dort Arbeit zu suchen. Was niemand weiß: Trotz ihres Aussehens und ihrer Arbeit für Riefenstahl ist sie eine Jüdin. Als die Luft in Paris für sie knapp wird, begibt sie sich zusammen mit dem ungarischen Pianisten, den sie auf ihrer letzten Arbeitsstelle kennen gelernt hat, nach Shanghai. Dort angekommen hilft ihr erneut ihr „arisches“ Aussehen, um einen Job zu finden: Sie wird die Vorzimmerdame des deutschen Botschafters.

Für den bekannten Geiger Theodor Weisberg und seine deutsche Frau Elisabeth läuft die Flucht nicht ganz so glimpflich ab. Nachdem Elisabeth es geschafft hat, ihren Mann aus dem Konzentrationslager zu befreien, finden sie sich in Shanghais schäbigem Flüchtlingsviertel wieder, das später zu einem Ghetto umfunktioniert werden soll. Beide halten sich mit schlecht bezahlten Gelegenheitsjobs über Wasser, doch seine Musik kann Weisberg einfach nicht aufgeben. Also stellt er ein jüdisches Orchester zusammen, mit dem er der unerträglichen Wohnsituation entfliehen kann.

Weitere wiederkehrende Charaktere sind beispielsweise der ungarische drogenabhängige Pianist, mit dem Hilde flieht; ihr Pariser Liebhaber Vladek, ein Spion, der seine wahre Herkunft und Beschäftigung mit viel Humor und Lügen zu verschleiern weiß; Shlomo Finkelstein, der gerissene, gnomgroße Taschendieb. Angel Wagensteins Geschichte lebt durch all diese Personen und ihre ganz persönlichen Schicksale, Charaktereigenschaften und Unzulänglichkeiten. Nebenbei erzählt der Autor chronologisch, was damals in Shanghai passierte. Häufig verpackt er diese Ereignisse in kleine Geschichten, von denen es in dem Buch nur so wimmelt. Eine stringente Handlung gibt es nämlich nicht. Vielmehr folgt man als Leser den Leben der einzelnen Personen, die durch Zufälle, Begegnungen und ähnliches geprägt sind.

Trotz dieser lockeren Herangehensweise an die jüdische Geschichte wird der Schrecken dieser Zeit durch die Verbindung mit menschlichen Charakteren wesentlich realer als in einer sachlichen Aufzählung. Man muss sich erst an Wagensteins Erzählstil gewöhnen, da er des öfteren Zeitsprünge in seine Episoden einbaut. Kennt man diese jedoch, ist das Buch nicht nur überaus interessant, eben weil es ein bisher eher wenig beleuchtetes historisches Ereignis und dies auf eher ungewöhnliche Art und Weise behandelt, sondern auch sehr lesenswert. Mit starken Worten und intensiven rhetorischen Mitteln zeichnet Wagenstein ein sehr lebendiges Bild. Seine Situationsbeschreibungen sind immer auf den Punkt gebracht, die Dialoge teilweise geradezu göttlich. Immer wieder lässt er Humor und Sarkasmus einfließen, ohne dabei respektlos zu werden.

Die wohl größte Ironie in der Geschichte ist wohl Hilde Braun und ihre Berufe. Sie führt die Nationalsozialisten in ihrer Not geradezu an der Nase herum und ist damit ein unglaublich starker Charakter. Sie ist nicht nur hübsch und intelligent, sondern auch frech und um keine Antwort verlegen. Manchmal wirkt sie geradezu modern mit ihrer selbstbestimmten Einstellung und ihrer Fähigkeit, sich durchzumogeln.

Ähnlich grundsympathisch sind die anderen Charaktere, von denen es im Buch genügend gibt. Sie haben alle eines gemein: Sie sind menschlich. Die Juden werden nicht immer als die Guten dargestellt und auch die Nationalsozialisten in der Geschichte haben menschliche Züge. Sie wirken häufig wie Mitläufer, die die Befehle von oben ausführen, aber ansonsten keine Ungeheuer sind. Der Autor verzichtet also fast gänzlich auf Schwarz-Weiß-Zeichnung. Er konzentriert sich lieber darauf, die Personen ausgewogen darzustellen, was ihm herausragend gelingt. Die Taten der Nationalsozialisten werden dadurch aber nicht weniger schrecklich.

„Leb wohl, Shanghai“ ist ein Buch, dem ein interessanter Gedanke zugrunde liegt: Juden in Shanghai. Den historischen Abschnitt, den Wagenstein in der Geschichte behandelt, stellt er hauptsächlich mit Hilfe von menschlichen Schicksalen dar. Er drückt dabei selten auf die Tränendrüse, sondern lässt im Gegensatz auch lustige und schöne Momente zu. Dadurch rückt die Geschichte von dem schulbuchartigen Charakter, den andere Bücher über die Zeit des Zweiten Weltkriegs haben, ab und wird zu einem überaus empfehlenswerten, da ungewöhnlichen Roman.

|Aus dem Bulgarischen von Thomas Frahm
348 Seiten, gebunden
ISBN-13: 978-3570580080|
http://www.edition-elke-heidenreich.de

Melanie Benjamin – Alice und Ich

„Alice im Wunderland“ von Lewis Carroll ist wohl eins der bekanntesten Kinderbücher. Gerade wurde es von Tim Burton neu verfilmt und ist im Frühjahr mit Stars wie Johnny Depp oder Anne Hathaway im Kino erschienen. Doch über die Entstehung des Buches wissen wohl die wenigsten etwas. Auch nicht darüber, dass es diese Alice tatsächlich gegeben hat. Diesem Umstand nimmt sich die Amerikanerin Melanie Benjamin an. In „Alice und ich“ beschreibt sie das Leben der echten Alice im 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts.

Alice Liddell wächst behütet und sorglos in einer Dekansfamilie in Oxford auf. Sie und ihre zwei Schwestern, die ältere Ina und die jüngere Edith, pflegen eine lockere Freundschaft mit Mr. Dodgson, einem Mathematikdozenten. Sie machen häufig Ausflüge mit dem herrischen Kindermädchen Mrs. Prick und Mr. Dodgson zückt dann gerne seine Kamera, um die Kinder zu fotografieren. Besonders Alice mit ihrem lebendigen Charakter und ihrer Altklugheit hat es ihm angetan. Und auch Alice mag Mr. Dodgson sehr gerne, doch da ist sie nicht alleine. Mit ihren Geschwistern buhlt sie um dessen Gunst, nicht ahnend, wohin das später führen wird.

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Thorsten Nesch – Joyride Ost

Jugendliche Dummheit und ein Quäntchen Pech machen zwei Jugendliche in Thorsten Neschs Jugendroman „Joyride Ost“ zu Fahnenflüchtigen. Fahnenflüchtige in einem BMW mit einer Geisel im Kofferraum …

Tarik liebt Jana, aber Tarik ist ein Türke und Jana eine strenggläubige Baptistin. Keine besonders gute Mischung. Als ihre Eltern herausfinden, dass sich die beiden näher gekommen sind, gibt es Ärger. Frustriert laufen die beiden weg und treffen sich an der Tankstelle ihrer Kleinstadt. Als dort ein Mann vergisst, den Zündschlüssel seines BMWs abzuziehen, als er auf die Toilette geht, nutzen die beiden Jugendlichen die Chance für einen kleinen „Joyride“, wie sie es nennen.

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McMahon, Jennifer – dunkle Stimme der Schuld, Die

Was tut man nicht alles aus jugendlichem Übermut? Jeder erinnert sich sicherlich an die eine oder andere peinliche Blamage, die er in jungen Jahren auf Grund seines Alters erlebt hat. Dumm nur, wenn die Schandtat auch im Erwachsenenalter noch Folgen hat. Eine solche Situation beschreibt Jennifer McMahon in ihrem Thriller „Die dunkle Stimme der Schuld“.

Henry und Tess haben sich auseinander gelebt. Ihre Ehe, die in der gemeinsamen Collegezeit ihren Ursprung hat, ist nicht mehr das, was sie einmal war. Beide kümmern sich nur noch um ihre eigenen Probleme, aber nicht mehr um sich. Und auch nicht richtig um ihre neunjährige Tochter Emma, die eine unsichtbare Freundin namens Danner hat und gemeinsam mit ihrer realen Freundin Mel versucht, die Eltern wieder zusammen zu bringen.

Eines Tages finden sie in Henrys Werkstatt Fotos und ein Tagebuch aus der Jugend von Emmas Eltern. Sie stellen fest, dass die beiden damals mit ein paar anderen in einer Gruppe namens „Die barmherzigen Demontisten“ waren. Sie glauben, dass sie die Eltern vielleicht dadurch wieder zusammen bringen können, dass sie ihre Collegefreunde per Post einladen.

Was die Beiden nicht wissen: Der Sommer der barmherzigen Demontisten endete tragisch. Die Zeit, die die fünf Mitglieder gemeinsam in einer abgelegenen Waldhütte verbrachten, war vor Allem durch die Reibereien zwischen den jungen Menschen geprägt. Ihre eigentliche Absicht war es, kreativ zu sein, doch die charismatische Anführerin Suz nahm ihren Wahlspruch „Um etwas zu verstehen, muss man es zerstören“ etwas zu ernst …

Henry und Tess dachten eigentlich, sie hätten mit den barmherzigen Demontisten damals ein für alle mal abgeschlossen. Doch als die Verwandte eines der damaligen Mitglieder sie anruft, um zu sagen, dass Spencer sich umgebracht hat, nachdem er eine Karte der barmherzigen Demontisten bekommen hat, bricht ihre Welt zusammen. Weiß jemand etwas von den Ereignissen vor knapp neun Jahren? Auf einmal geschehen merkwürdige Dinge …

„Die dunkle Stimme der Schuld“ beginnt ziemlich gemächlich. McMahon erzählt von den Eheproblemen von Tess und Henry und stellt Emma, eine altkluge, etwas merkwürdige Neunjährige, ausführlich vor. Ab und zu wirft sie Erinnerungen an die Jugendzeit von Tess und Henry dazwischen und man ahnt, dass es eine Tragödie gegeben hat. Wie die aussieht und wie sie sich letztendlich auf die Gegenwart nieder schlägt – dies erfährt man erst am Ende, doch dazwischen kommt definitiv keine Langeweile auf. Die Autorin versteht es, allmählich Spannung aufzubauen, indem sie stückweise Details aus der Vergangenheit offenbart. Zudem müssen sich die beiden Erwachsenen endlich mit den damaligen Ereignissen auseinandersetzen, was sehr schmerzhaft für sie ist, aber dafür sehr spannend für den Leser. Jener wird wenig Glück haben, wenn er versucht, die Handlung zu entwirren und die vorkommenden Personen nach Gut und Böse zu trennen. Dafür ist die Geschichte zu verworren – allerdings im positiven Sinne. Die Autorin führt die einzelnen Handlungsstränge am Ende so geschickt zusammen, dass keine Fragen offen bleiben und sich, nach überraschenden Wendungen, alles auflöst. Vorher muss sich der Leser jedoch immer wieder fragen, was er da jetzt in den Händen hält. Ist es tatsächlich ein Thriller oder könnte es auch eine Horrorgeschichte sein? Die Autorin spielt wahnsinnig geschickt mit diesen beiden Genres, ohne dass man als Fan des jeweils anderen über den Ausgang enttäuscht wäre.

Neben dieser überaus spannenden Handlung glänzt die Autorin auch in den anderen Bereichen. Die Personen sind überdurchschnittlich gut gezeichnet. Sie wirken authentisch, haben Ecken und Kanten und ziehen einen in den Bann. Besonders hervor zu heben sind dabei die jüngeren Charaktere. Emma, die Tochter von Henry und Tess, und ihre Freundin, die wissensdurstige Mel, lockern die Geschichte mit ihrer kindlichen Sicht auf. Hinzu kommt, dass beide sehr intelligente Kinder sind, die von den anderen als Außenseiter abgestempelt werden. Während Emma eher etwas verrückt wirkt, ist Mel bodenständig und versucht den Dingen auf den Grund zu gehen. Sie ist eine kleine Besserwisserin, deren Neugierde die Geschichte überhaupt erst in Gang bringt.

Die Erwachsenen verblassen gegenüber diesen zwei fast ein bisschen, doch auch sie wirken sehr real. Da das Buch aus wechselnden Perspektiven erzählt, gestaltet die Autorin die Abschnitte der Mädchen wesentlich „kindlicher“ als die der Erwachsenen. Dies ist eine Bereicherung für die Geschichte, die ansonsten flüssig und flott geschrieben ist. McMahon erzählt zwar immer wieder über das Gefühlsleben ihrer Protagonisten, sie hält sich dabei aber so knapp und präzise, dass es die Thrillerhandlung nicht stört.

Alles in allem ist „Die dunkle Stimme der Schuld“ ein unglaublich spannender Thriller. Die Handlung ist fesselnd, stellenweise auch verwirrend, doch nach der geschickten Auflösung bleiben keine Fragen offen. Dass zwei Kinder – und eins davon mit einer unsichtbaren Freundin – eine wichtige Rolle im Buch spielen, macht es nur zusätzlich interessanter.

|Originaltitel: Dismantled
Deutsch von Margarete Längsfeld und Sabine Maier-Längsfeld
509 Seiten, Taschenbuch
ISBN-13: 978-3499253164|
http://www.rowohlt.de

Ellis, Waren – Gott schütze Amerika

Wenn Schriftstellerkollegen sich mit dem Lob auf dem Buchrücken fast überschlagen, sollte doch eigentlich etwas Ordentliches heraus kommen. Brad Meltzer und Kinky Friedman äußern sich auf dem Backcover von Warren Ellis‘ „Gott schütze Amerika“ unflätig begeistert, doch hält der Debütroman des bekannten Graphic Novel-Autoren das, was er verspricht?

Michael McGill ist ein klassischer Privatdetektiv. Er hat keine Aufträge, wohnt in seinem Büro, das er mit einer fetten Ratte teilt, und lässt sich gehen. Eines Tages bekommt er überraschenden Besuch: Der Stabschef des Weißen Hauses, der sich als perverser Psychopath zu erkennen gibt, bittet ihn, den unscheinbaren Privatdetektiv Michael McGill, die geheime Verfassung Amerikas aufzuspüren. Das alte Buch soll einst von Nixon gegen die Liebesdienste einer Asiatin eingetauscht worden sein und besitzt so etwas wie magische Regierungskräfte.

Ausgestattet mit einer halben Million Dollar für Spesen und einem Palm, um gegebenenfalls mit seinem Auftraggeber Kontakt aufzunehmen, macht Michael sich auf in ein Amerika, das man so nicht kennt. Es ist pervers, es ist skurril, es ist gefährlich. An seiner Seite ist die abenteuerlustige Trix, die in einer polygamen Beziehung lebt und ihre Doktorarbeit über „Extreme Formen menschlicher Selbsterfahrung“ schreibt. Da liefert ihr die Reise auf der Spur der geheimen Verfassung jede Menge Stoff. Angefangen bei einer Vereinigung namens NULL (National Union of Lizard Lovers), die sich Pornos mit Godzilla anschaut, bis hin zu Hodeninfusionen und einem verrückten Ölmillionär, der nachts nackt Kühe stranguliert, ist alles dabei …

„Gott schütze Amerika“ ist eine schnell zu lesende liebevolle Satire auf Amerika und seine Bewohner, vor allem die der merkwürdigen Sorte. Der Autor gibt im Nachwort an, dass das meiste im Buch auf Tatsachen beruht, die häufig im großen Haifischbecken Internet zu finden sind. Das glaubt man ihm gerne, denn die Szenen wirken teilweise so bizarr, dass sie fast schon wieder wahr sein könnten. Allerdings vergisst Ellis darüber, dass ein Buch nicht nur mit einer Aneinanderreihung lustiger Ereignisse funktioniert. Die Handlung selbst – die Suche nach der Verfassung – ist alles andere als raffiniert, sondern so einfach gestrickt, dass sie bei genauerem Hinsehen eintönig wirkt. Am Anfang mögen die abstrusen Erlebnisse von Michael ja ganz amüsant sein, aber mit der Zeit ermüden sie und werden dadurch unauthentisch – und das nach einem überaus starken Einstieg, der auch einem spannenden, knallharten Thriller gestanden hätte.

Michael McGill hat das Zeug zu einer wirklich guten Hauptfigur. Er hat ein wenig vom klassischen Antihelden, ist aber kein totaler Loser. Und sein Humor ist göttlich. Manchmal schimmert sogar sein Talent als richtiger Privatdetektiv durch. Alles in Allem wirkt er in einem Buch, das nur so überquillt vor Ungewöhnlichkeiten, angenehm gelassen und real. Das gilt auch für Trix, die trotz allem einige verrückte Charakterzüge hat. Anders hingegen der Stabschef, der einfach nur durchgeknallt wirkt – beziehungsweise lässt der Autor offen, ob das, was er behauptet zu tun, auch wirklich wahr ist.

Doch bei allen Schwächen in der Handlung – Schreiben kann Warren Ellis. Er ist witzig, abwechslungsreich, dreckig, teilweise richtig ordinär und doch wirkt er dabei cool und erwachsen. Er bringt den Leser tatsächlich an der einen oder anderen Stelle zum Lachen und erreicht damit das, was die Herren Meltzer und Friedman auf dem Backcover versprechen.

Doch ein guter Schreibstil ist ja nicht die einzige Zutat zu einem guten Buch. Ist man bei „Gott schütze Amerika“ erstmal bis zur Hälfte gekommen, lässt die Begeisterung etwas nach. Die Handlung ist trotz ihrer Originalität etwas zu eintönig, um den anspruchsvollen Leser wirklich vom Hocker zu reißen.

|303 Seiten, Taschenbuch
ISBN-13: 978-3-453-40655-1|
http://www.warrenellis.com
http://www.heyne.de

_Warren Ellis bei |buchwurm.info|:_
[Ocean (Wildstorm Essential 1)]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=3401
[Desolation Jones 1 – Made in England]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=3580
[Global Frequency 1: Planet in Flammen]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=3982
[Global Frequency 2: … oder wie ich lernte, Gewalt zu lieben]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=4688
[Thunderbolts 1: Vertrauen in Monster]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=4383
[Der ultimative Iron Man – Band 2]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=5258

McGuire, Seanan – Winterfluch (October Daye 1)

Vampire, Werwölfe, Dämonen – bislang sind die übersinnlichen Wesen, die die Urban Fantasy bevölkern, vor allem groß und gefährlich. Das ändert sich allmählich. Das kleine Volk drängt sich ins Bücherregal, zuletzt Seanan McGuires Reihe „October Daye“, in deren Mittelpunkt ein Wechselbalg steht.

October Daye, genannt Toby, hat einen Menschen als Vater und eine Elfe als Mutter. Sie ist ein Wechselbalg und ihr Stand in der Welt der Fae ist ungefähr so schmeichelhaft wie diese Bezeichnung. Wechselbälger gelten als niedere Kaste in San Francisco, da ihre magischen Kräfte beschränkt und sie nicht unsterblich sind. Nur einige der Fae lassen sich dazu herab, sie gut zu behandeln. Eine davon ist Evening Winterrose, eine strenge, aber gerechte Fürstin in der adligen Welt der Feen. Eines Tages wird sie kaltblütig ermordet, doch sie hat ihren Tod vorausgeahnt und eine Nachricht auf Tobys Anrufbeantworter hinterlassen. Und einen Fluch, der dafür sorgt, dass Toby sterben wird, sollte es ihr nicht gelingen, Evenings Mörder zu stellen.

Eigentlich hatte sich Toby seit einem Vorfall vor einigen Jahren sowohl von Menschen als auch Fae zurück gezogen. Nun muss sie unfreiwillig wieder unter Leute gehen. Gut ist, dass sie sich auf alte Freunde verlassen kann. Sylvester, ihr Lehnsherr und Herzog des Feenreichs Schattenhügel, bietet ihr sofort jede Hilfe bei der Suche nach Evenings Mörder an. Auch Devin, ebenfalls ein Wechselbalg, mit dem Toby eine unglückliche Beziehung hatte, steht ihr zur Seite. Doch nicht alle sind ihr gewogen. Ein Unbekannter hat es auf sie abgesehen, und er macht keine halben Sachen …

Nach den Erfolgen von Holly Black und Melissa Marr veröffentlicht die Amerikanerin Seanan McGuire ihr Debüt „Winterfluch“. Ähnlich wie Marr bezieht sie sich dabei sehr stark auf Sagen und Legenden über Feen. Die Verwundbarkeit durch Eisen, die Verwendung von Salbe unter den Augen, damit Sterbliche die Wesen sehen können, das Feudalwesen – dies alles ist bekannt. Leider schafft die Autorin es nicht, diesen Elemente ein neues Gesicht zu geben. Die Kulisse wirkt zwar gut recherchiert, doch es möchte kein rechter Zauber entstehen. Es gelingt McGuire nicht, das verzauberte San Francisco so dar zu stellen, dass der Leser darin versinkt wie in einer komplett neuen Welt. Auch die Verknüpfung mit dem Großstadtsetting hätte besser sein können. „Winterfluch“ erweckt den Eindruck, dass es auch in jeder anderen amerikanischen Großstadt hätte spielen können, da das entsprechende Lokalkolorit nicht richtig herauskommt.

Toby Daye hat eigentlich alles, was einen guten Charakter ausmacht: Eine düstere Vergangenheit, ein überhöhtes Misstrauen gegenüber Menschen und Feen und eine clevere, kämpferische Persönlichkeit. Wie viele Protagonisten im Genre ist sie eine Einzelgängerin. Obwohl die Autorin ihre Wesenszüge und Eigenschaften gut darstellt und sie durchaus von anderen Figuren abgrenzt, springt der Funke nicht über. Ähnlich wie bei der Kulisse hat man das Gefühl, dass Toby in gewisser Weise austauschbar ist. Das ist auch bei anderen Charakteren so. Die Personen sind nicht schlecht, aber einfach nicht originell genug, um die Geschichte lebendig werden zu lassen. Das hängt möglicherweise auch damit zusammen, dass McGuires Schreibstil nicht gerade besonders sprühend ist. Sie erzählt aus Tobys Perspektive, allerdings sehr ruhig und beherrscht mit gemäßigtem Humor. Dadurch hält sie den Leser auf Distanz, was nicht gerade geschickt ist.

Die Handlung hingegen kann punkten. Sie besitzt einen guten Spannungsaufbau, der zwar am Anfang etwas flach verläuft, gegen Ende aber ordentlich anzieht. McGuire macht nicht den Fehler, die Geschichte durch Nebenhandlungen ausfransen zu lassen. Sie konzentriert sich auf die Suche nach dem Mörder und deckt parallel dazu wichtige Details aus Tobys früherem Leben auf. Außerdem gestaltet sich das ganze wie ein Spaziergang durch San Franciscos übersinnliche Welt. Schrittweise führt sie neue Arten von Wesen oder Fae ein, dies jedoch so geordnet und ruhig, dass man als Leser nicht den Überblick verliert. Am Ende steht ein Finale, bei dem man das Buch nicht aus der Hand legen kann und das vor allem durch seine überraschenden Wendungen gefällt.

Eine gute Handlung auf der einen, schwache Charaktere und eine austauschbare Welt auf der anderen Seite – „Winterfluch“, der Auftakt der „October Daye“-Reihe, ist nicht unbedingt ein Pageturner. Gerade die Protagonistin, die in einer Serie sehr wichtig ist, schafft es nicht, den Leser an sich zu binden. Das Ende der Handlung besitzt zwar einige wirklich spannende Stellen, doch das entschädigt nicht dafür, dass die Geschichte auf weiten Strecken nicht überzeugen kann.

|Originaltitel: Rosemary and Rue – An October Daye Novel
Aus dem Englischen von Michael Krug
339 Seiten, Taschenbuch
ISBN-13: 978-3802582882|
http://www.egmont-lyx.de
[„Website der Autorin“]http://www.seananmcguire.com

Saintcrow, Lilith – Feuertaufe (Dante Valentine – Dämonenjägerin 3)

Wenn man zu den gefürchtetsten Kopfgeldjägerinnen der Welt gehört, hat man sich eine Pause verdient: Dante Valentine, die Heldin der gleichnamigen Dark-Fantasy-Reihe von Lilith Saintcrow, hat im vorherigen Band ihren Geliebten, den Dämon Tierce Japhrimel, wiedergefunden. In „Feuertaufe“ genießen die beiden deshalb ihren Urlaub in Toscano – jedenfalls bis sich der Teufel erneut in ihr Leben einmischt.

Das tut er nicht zum ersten Mal. Luzifer ist ein Dauergast in Dantes Leben. Dieses Mal verlangt er, dass sie sich für sieben Jahre als seine rechte Hand verpflichtet, nachdem sie ihm seinen ehemaligen Helfer Japhrimel abgejagt hat. Keine leichte Entscheidung, aber mit Japhrimels Verhandlungsgeschick schlagen die beiden einen guten Deal heraus. Das glauben sie jedenfalls. Dantes erster teuflischer Auftrag besteht darin, vier Dämonen, die aus der Hölle geflüchtet sind, zu stellen.

Doch das ist leichter gesagt als getan, denn gleichzeitig scheint jemand hinter der tapferen Nekromantin her zu sein. Immer wieder wird sie von merkwürdigen Wesen verfolgt und überlebt nur knapp einen Anschlag, der eigentlich Japhrimel gegolten hat. Gemeinsam mit Freunden von Japh versuchen sie die Verfolger zu stellen, doch dann ereignet sich etwas, womit selbst Dante nicht gerechnet hat. Ihre Vergangenheit rächt sich in überraschender Weise …

„Dante Valentine – Dämonenjägerin“ mausert sich immer mehr zur Vorzeigeserie. Sie dabei in eine Reihe mit aktuellen Vampirromanen zu stellen ist beinahe schon Blasphemie. Lilith Saintcrow hat für ihre faszinierende Hauptfigur eine ebenso faszinierende wie einzigartige Welt geschaffen. Nichts ähnelt darin unserer Welt. Die Reihe ist in einem düsteren Science-Fiction-Setting angesiedelt. Die Weltordnung ist eine andere, die Städte tragen andere Namen, sind von anderen Wesen bevölkert. Die Autorin schafft eine schöne Balance zwischen Urban Fantasy und Science Fiction. Auf der einen Seite gibt es neue Fortbewegungsmittel wie SlicBoards und Glider, dann aber auch jede Menge paranormale Wesen, die man in ähnlicher Form aus Fantasyliteratur kennt.

Die Geschichte ist, wie die vorhergehenden auch, unglaublich düster. Das liegt nicht nur an der Kulisse. In Dantes Welt sind Mord und Totschlag, Kriminalität, Prostitution, Gewalt und Drogenmissbrauch an der Tagesordnung und die Autorin macht keinen Hehl daraus. Nicht unbedingt etwas für schwache Nerven also. Allerdings ist es nicht so, dass die Seiten blutverklebt sind. Im Gegenteil passt die Menge an Kampfszenen perfekt zu Geschichte und Protagonistin. Die wiederum ist einer der Gründe, wieso die Geschichte so düster ist, denn Dante, die Ich-Erzählerin, ist stets von inneren Zweifeln zerrissen. Nicht nur ihre bewegte Vergangenheit holt sie immer wieder ein, nein, auch ihre Gegenwart. Ihre Beziehung zu Japhrimel ist eine Verbindung zwischen zwei kaputten Charakteren, denen es schwer fällt zu vertrauen und zu lieben. Jede Szene, die von der Ferne romantisch anmutet, enthält auch immer eine Nuance Selbstdestruktion, Misstrauen, Verzweiflung. Die Intensität, mit der die Autorin den Leser mit Dantes pessimistischen, manchmal selbstverletztenden Gedanken torpediert, ist beinahe schon grausam und gleichzeitig ein Markenzeichen der Geschichte. Saintcrow weiß genau, was sie tun muss, um den Leser zu fesseln. Tatsächlich fällt es schwer, dieses Buch aus der Hand zu legen. Zu sehr steckt man in der Geschichte fest, möchte wissen, wie sie ausgeht.

Die Handlung ist dabei nicht mal das überzeugendste Element im Buch. Sie ist solide, manchmal sogar spannend, insgesamt aber nur eine Aneinanderreihung verschiedener Ereignisse. Allerdings ist sie wesentlich strukturierter und leichter zu verstehen als in den Vorgängerbänden. Es sind allerdings die zwischenmenschlichen Beziehungen und Geheimnisse, die den Roman wirklich ausmachen. Dantes Probleme mit Japhrimel, die Zusammenarbeit mit dem zwielichtigen Lucas und Japhrimels Gefährten, die Ränke, die gegen Dante geschmiedet werden – Saintcrow baut gerade bei letzterem erfolgreich auf Wissen aus den Vorgängerbänden auf, weshalb es zu empfehlen ist, diese zuerst zu lesen. Ohne zu viel verraten zu wollen, aber Saintcrow schafft es auch im dritten Band noch, den Leser zu überraschen, indem sie Geheimnisse ihrer undurchsichtigen Hauptperson enthüllt.

Ein großer Pluspunkt der Reihe – und der Autorin – ist der Schreibstil. Sie erzählt aus der Ich-Perspektive, wobei die Gedanken von Dante häufig in Kursivschrift stehen, was ihnen ein gewisses Gewicht verleiht. Ansonsten hält sich die Autorin knapp und wortkarg, verrät aber alles, was man wissen muss. Freude kommt dabei keine auf. Eine gewisse Melancholie durchzieht die Geschichte. Der Humor ist trocken bis sarkastisch und wird eher sparsam eingesetzt. Düstere Metaphern prägen das Bild, gehobene Begriffe und kurze Sätze unterstreichen die Stimmung der Geschichte. Wenn man eine völlig neue Welt erschafft, gehört es dazu, auch neue Begriffe einzuführen. Saintcrow stellt ans Ende ihrer Bücher nicht umsonst ein Glossar, auch wenn dieses zumeist weniger umfassend als nötig ist. Einige Begriffe, wie Datband oder Gleiter, erklären sich von selbst. Andere wiederum muss man als Leser herleiten, was nicht immer problemlos funktioniert.

„Feuertaufe“ ist das bislang beste Buch der Reihe um Dante Valentine. Das liegt zum einen daran, dass die Haupthandlung dieses Mal nicht so komplex ist und die Nebenhandlungen, die durchaus von Bedeutung sind, geordnet nebenher laufen. Spannung kommt vor allem dadurch auf, dass weitere Geheimnisse aus Dantes Vergangenheit enthüllt werden und ihre Beziehung mit Japhrimel immer mehr von romantisch zu selbstzerstörerisch driftet. Gemeinsam mit der düsteren Grundstimmung und der unglaublich gut ausgearbeiteten Hauptfigur ist Saintcrow definitiv eine der besten Adressen für Urban-Fantasy-Geschichten.

|Originaltitel: The Devil’s Right Hand
Aus dem Englischen von Katrin Mrugalla und Richard Betzenbichler
400 Seiten, Taschenbuch
ISBN-13: 978-3802581960|
http://www.egmont-lyx.de
[„Website der Autorin“]http://www.lilithsaintcrow.com

_Lilith Saintcrow bei |buchwurm.info|:_
[„Teufelsbraut (Dante Valentine – Dämonenjägerin 1)“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=5288
[„Höllenritt (Dante Valentine – Dämonenjägerin 2)“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=5957

Chance, Karen – Für immer untot

_Cassie Palmer bei |buchwurm.info|:_
[„Untot mit Biss“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=5419
[„Hinreißend untot“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=5741

Pythia wider Willen – die chaotische Cassie Palmer ist eher unfreiwillig zur größten Hellseherin der Welt geworden. Normalerweise erhält man für diese Position jahrelanges Training. Cassie hatte dies nicht. Sie kann dem entsprechend weder vernünftig mit den großen Kräften umgehen, die von der verstorbenen Pythia auf sie übergegangen sind, noch hat sie eine Ahnung, wie sie mit den Intrigen von Vampiren, Magiern und anderen Wesen verfahren soll. Von diesen erhebt nämlich so ziemlich jeder Anspruch auf sie, so dass sie sich in einem undurchsichtigen politischen Gewirr wiederfindet. Zu allem Überfluss ist da noch das Problem mit dem Geis, einem Zauberbann, den der Vampir Mirceas ihr auferlegt hat. Dieser Geis verhindert, dass sich ein anderer Mann ihr nähern kann und verstärkt die unfreiwillige Bindung zwischen Cassie und Mirceas. „Für immer untot“ ist bereits der dritte Band in Karen Chances Reihe, und Cassies Probleme sind bislang nicht weniger geworden.

Um den Geis ein für alle Mal zu beenden und damit sowohl Cassies aus auch Mirceas Leben wieder erträglich zu machen, verbündet sich die Seherin mit Pritkin, einem Magier, dem gegenüber sie nicht unbedingt Sympathien verspürt. Doch was tut man nicht alles, um einen alten Meistervampir vor dem Wahnsinn und sich selbst vor den Verführungskünsten eben jenes Blutsaugers zu retten?

Die Eliminierung des Geis hat jedoch einen Haken: Der Gegenzauber befindet sich in einem alten Zauberbuch, dem Codex Merlin. Doch um dieses zu finden, müssen Pritkin und Cassie in die Vergangenheit reisen. Für Cassie kein Problem, denn Zeitreisen stellen ihre Spezialität dar. Allerdings müssen sie fest stellen, dass man ihnen in der Vergangenheit nicht unbedingt wohlgesonnen ist – und dass der Codex sich entgegen der Legenden ganz woanders befindet. Doch auch in der Gegenwart hat Cassie genug zu tun. Der Vater von Pritkin, ein Dämon, hat es auf sie abgesehen, der intrigante Senat will sie für seine Zwecke einspannen und dann tauchen plötzlich auch noch Straßenkinder auf, die etwas mit Cassies Vergangenheit zu tun haben …

Die Geschichte ist mit über 460 Seiten nicht gerade kurz. Dafür packt die Autorin aber auch genug Ereignisse in die Handlung. Um ehrlich zu sein, sogar zu viele. Die zahlreichen Nebenhandlungen, die entweder in Vorgängerbänden oder in diesem Buch beginnen, überdecken stellenweise die eigentliche Geschichte. Die verschiedenen Feindschaften und Koalitionen zwischen den einzelnen Wesen sind schwer zu durchblicken, selbst wenn man die vorherigen Bände gelesen hat. Hinzu kommt Chances hektischer Erzählstil, der zwar dem chaotischen Wesen der Ich-Erzählerin entspricht, den Leser aber etwas überfordert. Spannung kommt eigentlich erst dann richtig auf, wenn die Nebenhandlungen mal ruhen. Das ist an einer Stelle im Buch, nämlich bei einer längeren Vergangenheitsreise von Cassie, der Fall. Ansonsten sind die Seiten rappelvoll, denn neben den eigentlichen Ereignissen finden darauf auch noch Cassies zahlreiche humorvolle Gedanken und die schlagfertigen Dialoge Platz.

Cassie Palmer war in den vorherigen Bänden immer eine tolle Hauptperson. In „Für immer untot“ schwächelt sie allerdings. Ihr Humor wirkt schlaff, manchmal sogar fehl am Platze, ihre Handlungen sind nicht immer schlüssig. Das, was sie vorher von anderen Figuren abgehoben hat, fehlt. Sie wirkt wie die x-beliebige Protagonistin eines schmalzigen Vampirromans und kommt bei der Unmenge von Handlungssträngen überhaupt nicht mehr richtig zum Tragen. Sie hetzt durch das Buch und gibt dem Leser nur selten die Möglichkeit, sich in Ruhe mit ihr auseinander zu setzen.

Ihr Humor schimmert an der einen oder anderen Stelle zwar noch durch, erscheint aber häufig bemüht. Karen Chance hat ansonsten immer ganz annehmbar geschrieben, doch in diesem Band scheint auch ihr Schreibstil mit der Wucht an Ereignissen nicht zurecht zu kommen. Dass die Autorin zu einer gewissen Geschwätzigkeit neigt und Cassies Gedanken gerne sehr ausführlich darstellt, ist nicht gerade hilfreich. Dadurch wird die Geschichte nur noch unübersichtlicher.

„Für immer untot“ schwächelt. Die Geschichte ist sehr lang und sehr vollgestopft, weshalb sowohl die Hauptfigur als auch Chances Schreibstil nicht mehr wirklich überzeugen können. Es bleibt zu hoffen, dass die Autorin es in den nächsten Bänden vielleicht etwas ruhiger angehen lässt und sich stärker auf die Haupthandlung konzentriert.

|Originaltitel: Embrace the Night
Aus dem Englischen von Andreas Brandhorst
463 Seiten, Taschenbuch
ISBN-13: 978-3492291866|
http://www.piper-fantasy.de
[„Website der Autorin“]http://www.karenchance.com

Andrews, Ilona – dunkle Flut, Die (Stadt der Finsternis 02)

_Stadt der Finsternis_
Band 1: [Die Nacht der Magie]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=5963

Kate Daniels ist die Neue in den Reihen der jungen, toughen Dark-Fantasy-Heldinnen. In „Die dunkle Flut“ hat sie nun ihre Bewährungsprobe. Der erste Band war richtig gut, aber kann das Autorenduo dieses Niveau halten?

_Die Geschichte spielt_ in Atlanta. Allerdings sieht die Stadt etwas mitgenommen aus, da immer wieder Wellen von Magie über sie branden, die Elektronik außer Gefecht setzen und seltsame Wesen zurück lassen. Kate Daniels‘ Aufgabe ist es, diese ungebetenen Gäste, die häufig keine guten Absichten haben, zu eliminieren. Im Moment ist das allerdings ziemlich anstrengend, denn ein Flair, eine besonders starke Flut von Magie, kündigt sich an und alle sind durcheinander, sowohl die Menschen als auch die Gestaltwandler, die Untoten und die Hexen.

Kate hat alle Hände voll zu tun, als die Gestaltwandler an sie heran treten, weil man ihnen Landkarten gestohlen hat. Schnell findet sie heraus, dass dahinter ein komischer Mann steht, der sich quasi in Luft auflösen kann und deshalb schwer zu fassen ist. Als ob dies noch nicht genug wäre, trifft sie auch noch auf das Straßenmädchen Julie, dessen Mutter, eine Hexe, verschwunden ist. Die Hexe gehörte zu einem illegalen Hexenzirkel und als Kate weiter forscht, findet sie heraus, dass dieser Zirkel nichts Gutes im Sinn hatte. Im Gegenteil. Es scheint, als ob die Hexen durch ihr Treiben schlafende Gottheiten geweckt hätten, die den Magieüberschuss des Flairs nutzen, um sich Atlantas zu bemächtigen …

_Kate Daniels ist keine_ einfach zu verführende Blondine und Vampire sind keine erotischen Tausendsassa, sondern willenlose Kreaturen, die wie mumifizierte Leichen aussehen und auf vier Beinen laufen – die Autoren machen in ihrer Geschichte einiges anders. Während das Setting eher an einschlägige Vampirliteratur erinnert, spielt die Hauptrolle die Magie. Atlanta wird als düstere Großstadt beschrieben, die Dank der Magie voller Ruinen und merkwürdiger Gestalten ist und sich ständig ändert. Kein besonders schöner und sicherer Ort also, aber einer, der der Geschichte eine ganz eigene Note gibt.

Die Handlung beschäftigt sich vor Allem mit den unterschiedlichen Gruppen in der Stadt. Der Orden, der ehrenamtlich die Entsorgung magischer Lebewesen übernimmt, aber dabei nicht ganz uneigennützig handelt; die Söldner, zu denen Kate gehört und die sich diese Dienstleistung gut bezahlen lassen; die Untoten, die sich gerne in die Belange Atlantas einmischen; und schließlich die Gestaltwandler, mit deren Anführer Curran Kate immer wieder aneinander gerät. Sie alle haben etwas gegeneinander, müssen aber häufig zusammenarbeiten, was für Spannung und Machtspielchen sorgt. Jede dieser Gruppe hat ihre ganz eigenen Interessen, doch leider wird es im zweiten Band der Reihe etwas unübersichtlich, als auch noch die Gottheiten auf den Plan treten. Das Buch beginnt gradlinig, aber vor Allem zum Ende hin wird die Geschichte ziemlich konfus. Es ist unklar, wer jetzt genau was will, wer wen hasst und worum eigentlich gekämpft wird. Es ist ein bisschen zu viel von Allem. Der starke Anfang verliert sich in den zahlreichen Nebenhandlungen, die Geschichte flacht stark ab. Hinzu kommt, dass das Ende sehr dem aus dem ersten Band ähnelt.

Die Handlung macht es schwierig, „Die dunkle Flut“ so ins Herz zu schließen wie den Vorgängerband. Sicher, die Hauptperson ist die gleiche und sie ist immer noch gut, aber sie schafft es nicht, das Gewirr aus Ereignissen zu überstrahlen. Dabei hätte Kate durchaus etwas Besseres verdient, denn sie ist ohne Frage eine der interessanteren Charaktere des Genres. Sie besitzt immer noch Geheimnisse, die sie zwar erwähnt, aber nicht erläutert, und ihre kratzbürstige Art ist wesentlich authentischer als bei ähnlichen Romanfiguren. Ihre freche Schnauze und ihr Talent, mit Anlauf in Fettnäpfchen zu springen, reizen zum Lachen. Die sarkastischen Bemerkungen, die die Autoren immer wieder in ihren ansonsten sehr lebendigen und abwechslungsreichen Schreibstil einfügen, tun das Ihrige. Gleichzeitig hat die Protagonistin aber auch eine sehr düstere Seite, so dass die Reihe trotz des Humors nicht zu den komödiantischen Vampirgeschichten gehört. Außerdem ist es sehr erholsam, dass Kate nicht von einem Bett ins andere fällt, weil sie den Reizen irgendwelcher Untoter nicht widerstehen kann.

_Es ist schade_, dass „Die dunkle Flut“ trotzdem nicht richtig zündet. Schreibstil und Protagonistin sind nach wie vor auf hohem Niveau und dass der Fokus weniger auf Vampiren als vielmehr auf Magie liegt, hebt das Buch zusätzlich hervor. Die Handlung allerdings kann in diesem Fall nicht überzeugen. Etwas mehr Struktur und etwas weniger Verwicklungen hätten gut getan.

|Originaltitel: |Magic Burns|
Aus dem Englischen von Jochen Schwarzer
303 Seiten, Taschenbuch
ISBN-13: 978-3802582134|
http://www.egmont-lyx.de
[„Website der Autoren“]http://www.ilonaland.com

Depp, Daniel – Stadt der Verlierer

Manchen Schriftstellern ist es nicht vergönnt, nur durch ihre Bücher zu glänzen. Daniel Depp beispielsweise. Bei diesem Nachnamen dürfte bei Jedem ein Glöckchen klingeln. Tatsächlich ist Johnny Depp, der Filmschauspieler, der Bruder des Autors von „Stadt der Verlierer“ – was aber nur als Aufhänger für eine Einleitung dienen soll, denn Depps literarisches Debüt kann durchaus auf eigenen Beinen stehen.

David Spandau ist ehemaliger Stuntman in Hollywood, gelegentlicher Cowboy und hauptberuflicher Privatdetektiv bei einer angesehenen Detektei in L.A., die vor allem prominentes Klientel anzieht. Eines Tages bekommt Spandau, der zu den Besten zählt, den Auftrag, bei der Erpressung eines jungen Filmstars zu ermitteln. Bobby Dye, der sich vor allem mit Actionfilmen einen Namen gemacht hat, erhält Todesdrohungen.

Spandau merkt schnell, dass Bobby ihn an der Nase herum führt und sein Problem eigentlich ein ganz anderes ist. Richie Stella, ein kleinkrimineller Clubbesitzer und Drogendealer, hat Bobby in der Hand – und ihm gefällt es gar nicht, als Bobby Spandau als seinen Leibwächter engagiert. Gemeinsam mit seinem Freund Terry, einem irischen Frauenhelden, versucht Spandau über Stellas Buchhalterin an dessen Geschäftsgeheimnisse zu kommen. Eigentlich ein guter Plan, wenn man mal davon absieht, dass er komplett in die Hose geht …

„Stadt der Verlierer“ reiht sich in die Latte von Romanen ein, die häufig in Großstädten wie L.A. spielen und ziemlich coole und gleichzeitig innerlich zerrissene Personen als Hauptfiguren haben. Man denke dabei nur an „L.A. Confidential“ oder „Strahlend schöner Morgen“. Einen Preis für Innovation bekommen weder Depp selbst noch seine Hauptfigur. David Spandau entspricht ziemlich genau dem Bild des Cowboys der alten Schule, der vor Gewalt nicht zurückschreckt, aber dennoch Manieren und Prinzipien hat – und natürlich stets einen frechen Spruch auf der Lippe. Immerhin versteht es Depp, genau dieses doch etwas klischeehafte Bild gut auszufüllen und ihm sogar ein paar eigene Fassetten hinzu zu fügen. Spandau überrascht an der einen oder anderen Stelle durchaus, wenn er beispielsweise von seinem früheren Job als Stuntman erzählt oder aber über seine geschiedene Ehefrau redet. Auch die Brutalität, die man vielleicht erwartet, hält sich in Grenzen. David Spandau ist damit ein gut ausgearbeiteter Charakter, der vor allem denen gefallen wird, die allgemein gerne derartige Literatur lesen und auf raubeinige, aber charmante Helden stehen.

Demnach ist „Stadt der Verlierer“ doch eher ein Männerbuch. Abgesehen von der Hauptfigur ist auch die Handlung recht „männlich“. Sie ist nüchtern, knapp gehalten und lebt durch bissige Dialoge und die eine oder andere Actioneinlage. Manchmal hat die Geschichte etwas von einem Western, dann eher etwas von einer witzigen Krimikomödie. Depp arbeitet auch als Drehbuchautor und er versteht es tatsächlich, eine überaus unterhaltsame, abwechslungsreiche Geschichte zu schreiben. Die Handlung tangiert dabei verschiedene Bereiche. Zum Einen vermittelt sie dem Leser ein gewisses Bild von L.A., der Stadt der Loser. Dieses ist nicht immer positiv. Der Autor nimmt Hollywood etwas von seinem Glanz, wenn er die Schauspieler aus Spandaus Augen betrachtet und sie dabei alles andere als freundlich, strahlend und berühmt aussehen lässt. Daneben legt er besonderes Augenmerk auf das Nebeneinander von Reichtum und Armut, ohne dabei letzteres pathetisch darzustellen. Er berichtet außerdem über die kriminellen Geflechte in der Stadt und wie gefährlich es sein kann, sich mit diesen einzulassen. Leider hinkt die eigentliche Handlung dabei hinterher. Während die Kulisse bunt und vielfältig ist, fehlt es an Spannung, Dramatik und einem richtigen Höhepunkt. Die Erpressung von Bobby Dye wirkt von Anfang an belanglos. Die Geschichte zündet nie richtig, sondern lebt tatsächlich hauptsächlich durch die Beschreibungen.

Die sind allerdings gelungen. Daniel Depp schreibt das Buch genau so, wie man es sich vorstellt. Lakonisch, nüchtern, aber doch stets pointiert erzählt er aus der dritten Person mit wechselnden Erzählern. Er schafft es dabei, jedem der Charaktere, aus deren Sicht er schreibt, eine eigene Stimme zu geben. Die Dialoge sind manchmal derbe, aber nie wirklich ausfallend, und ein gewisser trockener Witz sowie die eine oder andere sprachliche Spitze gegen die Stadt der Engel runden das Gesamtbild ab.

„Stadt der Verlierer“ ist damit kein schlechtes Buch, aber eines, dass hätte besser sein können. Während Hauptfiguren und Sprache den Leser fesseln, fehlt es der Handlung an Substanz. Dass Daniel Depp gerade am nächsten Roman mit Spandau in der Hauptrolle schreibt, lässt jedoch hoffen, dass der Autor diesen Fehler ausmerzen wird.

|Originaltitel: Losers‘ Town
Aus dem Englischen von Regina Rawlinson
317 Seiten, gebunden
ISBN-13: 978-3570100134|
http://www.cbertelsmann.de

Thomas, Scarlett – PopCo

Die englische Schriftstellerin Scarlett Thomas löst, laut Autorenbeschreibung, in ihrer Freizeit gerne mathematische Gleichungen. Das ist nicht unbedingt das, was man von einer jungen Schriftstellerin erwartet. Die Frage, die sich einem nun stellt, ist: Kann ein Buch von einer Person, die in ihrer Freizeit freiwillig Mathematik betreibt, überhaupt gut sein? „PopCo“ liefert die Antwort …

Alice Butler ist neunundzwanzig und ein bisschen seltsam. Früher hat sie Kreuzworträtsel entworfen, heute arbeitet sie als Produktentwicklerin beim weltweit drittgrößten Spielzeughersteller PopCo. Sie hat eine Vorliebe für das Knacken von Zahlencodes und Chiffren, trägt Klamotten und Frisuren, die sie von ihren hippen Kollegen abheben, und hat kaum Freunde. Dementsprechend fühlt sie sich im alljährlichen Kreativcamp ihres Arbeitgebers nicht gerade wohl. Gemeinsam mit sämtlichen PopCo-Mitarbeitern muss sie auf einem alten englischen Gut wohnen und alles ist ein bisschen wie im Schullandheim. Schlafsäle, Motivations- und Ideenfindungsübungen – zum Glück hat sie ihren besten Freund Dan dabei, mit dem sie sich über diese Sachen lustig machen kann. Dann lernt sie auch noch die exzentrische Esther kennen, die kifft und auch sonst recht rebellisch ist. Gemeinsam mit ein paar anderen werden die drei in ein besonderes PopCo-Team gesteckt: Sie haben die Aufgabe, d a s Teenagerprodukt zu erfinden. Jugendliche gelten als problematische, unberechenbare Zielgruppe, doch PopCo hat sich fest vorgenommen, sie zu knacken, auch mit unlauteren Mitteln …

Gleichzeitig wird in einem zweiten Erzählstrang Alices ungewöhnliche Kindheit erzählt. Alice wächst bei ihren Großeltern auf. Ihr Großvater ist ebenfalls ganz vernarrt in Kreuzworträtsel und Chiffren, während ihre Großmutter eine große Mathematikerin ist. Als ihr Großvater einen Code knackt, der zu einem Schatz führt, zerstreitet er sich mit Alices Vater, da er die Lösung für das Rätsel nicht herausrücken möchte. Der Schatz soll seiner Meinung nach dort bleiben, wo er ist. Alices Vater verschwindet daraufhin, doch Alice erfährt nie, wohin und warum. Allerdings bekommt sie von ihrem Opa ein Medaillon mit einem Code vererbt …

Zuerst einmal die gute Nachricht: Scarlett Thomas‘ merkwürdiger mathematischer Zeitvertreib wirkt sich in keiner Weise negativ auf ihre Schreibkünste aus. „PopCo“ ist ein kleines Meisterwerk, vor allem in zwei Bereichen: den Figuren und dem Schreibstil. Die Handlung hingegen hat ihre Stärken und Schwächen. Eine der größten Stärken ist sicherlich Thomas‘ unendlicher Wissensdurst. Die Recherchearbeiten für dieses Buch müssen unglaublich aufwändig gewesen sein, da sehr viele unterschiedliche Themen darin verarbeitet werden. Da ist zum Einen alles, was sich um PopCo dreht. Spielzeugmarketing, Spielzeugentwicklung, Spielzeugarten – dieses Buch ist beinahe wie ein Praktikum in der Marketingabteilung eines Spielzeugherstellers. Danach weiß man eine Menge mehr über die unterschiedlichen Zielgruppen von Spielzeug, die Probleme damit und wie der Spielzeugmarkt aufgebaut ist. Dies erzählt die Autorin aus Alices Sicht allerdings so galant, dass die Trockenheit des Themas gar nicht auffällt. Man verschlingt Seite um Seite, ohne zu merken, dass man den Stoff einer Marketingvorlesung durch nimmt. An dieser Stelle muss man der Autorin wirklich ein großes Kompliment aussprechen. Nebenbei belehrt sie den Leser auch noch über Mathematik, Codes, den Ablauf von Ideencamps und schließlich auch noch über etwas anderes, sehr Relevantes, was an dieser Stelle nicht verraten werden soll. „PopCo“ ist damit eins der wenigen Bücher, nach deren Lektüre man deutlich schlauer ist – und es hat sogar Spaß gemacht!

Ein wenig Interesse an diesen Themen – oder zumindest sehr viel Durchhaltevermögen – muss man als Leser jedoch mitbringen. Thomas beschreibt vor allem Alices Aufenthalt auf dem Gut in sehr vielen Einzelheiten. Das ist zwar schön zu lesen, trägt zu der eigentlich Handlung nur wenig bei. Überhaupt ist die Handlung der Knackpunkt der Geschichte. Es gibt zwei Erzählstränge: einen mit der älteren und einen mit der jüngeren Alice. Beide verfolgen unterschiedliche Ziele, vermengen sich am Ende aber. Trotzdem flacht die Spannungskurve gegen Ende dramatisch ab. Die Geschichte hätte definitiv Potenzial für eine Vielzahl von kleinen Spannungskurven gehabt, doch Thomas lässt diese Gelegenheiten ungenutzt verstreichen. Ein Ereignis folgt dem nächsten und ist mal mehr, mal weniger relevant. Das große runde Ende, in dem sich alles in Wohlgefallen auflöst, sollte man jedenfalls nicht erwarten. Stattdessen präsentiert die Autorin dem Leser einen platten Schluss, der mit der eigentlichen Geschichte nur wenig zu tun hat.

Enttäuschte Erwartungen sind nicht unbedingt ein Garant dafür, Leser und Rezensenten in Begeisterung zu versetzen. Dass man Thomas diesen handlungstechnischen Fehltritt trotzdem verzeiht, ist Alice zu verdanken, die bereits jetzt eine der besten Protagonisten des Jahres ist. Von der ersten Seite an fesselt sie den Leser mit ihren kleinen Neurosen, Komplexen und Geheimnissen. Ihre teilweise skurrilen Gedankengänge, ihre Ticks – all das macht sie zu einer überaus spannenden Person. Zusammen mit Thomas‘ humorvollem, leichtfüßigen Schreibstil entsteht eine Ich-Erzählerin, die man gerne begleitet und die selbst die langweiligsten Mathematikerklärungen spannend macht. Auch an dieser Stelle muss man der Autorin hohes Lob zollen. Die Verbindung zwischen Hauptperson und Erzählstil ist seltengut und wertet die Geschichte unglaublich auf.

Auf der einen Seite steht eine etwas enttäuschende Handlung, auf der anderen eine grandiose Hauptfigur und ein toller, humorvoller Schreibstil. Zum Glück sind letztere so stark und originell, das sie die Macken von „PopCo“ überstrahlen. Dieses Buch ist überaus lesenswert. Scarlett Thomas legt die Messlatte für Romane, die im Jahr 2010 erscheinen, bereits im Januar verdammt hoch!

|Aus dem Englischen von Tanja Handels
700 Seiten, Taschenbuch
ISBN-13: 978-3499252532|
http://www.rowohlt.de

RICHELLE MEAD – Schattenträume (Vampire Academy 03)

Rose Hathaway, die mutige Halbvampirin in Richelle Meads Reihe „Vampire Academy“, steht kurz vor ihrem Abschluss als Wächterin, als etwas Folgenschweres passiert. „Schattenträume“ suchen sie heim …

Rose Hathaway, angehende Wächterin an der St. Vladimir’s Academy, hat gerade einen Angriff der gefährlichen Vampire, den Strigoi, überlebt, doch ihr Freund Mason ist dabei ums Leben gekommen. Jetzt sucht er sie als Geist heim. Immer wieder erscheint er ihr auf dem Campus und schaut sie traurig an. Rose glaubt, verrückt zu werden, nachdem Mason nicht der einzige Geist bleibt, der sich ihr zeigt. Doch diese „Gabe“ erweist sich als wirkungsvoll. Da sie die Geister immer dann sieht, wenn die magischen Barrieren um das Internat geschwächt sind, ahnt sie voraus, dass es einen Großangriff auf das Internat geben wird. Tatsächlich bricht wenig später eine Vielzahl der tödlichen Strigoi in die Schule ein und tötet und entführt Moroi, die lebenden Vampire, die Rose in ihrem Job schützen soll …

Doch das ist nicht das einzige Ereignis in dem bislang umfassendsten Band der Reihe. Zwischen Rose und ihrem Mentor Dimitri prickelt es immer mehr, obwohl sich eine Beziehung der beiden eigentlich verbietet. Er ist deutlich älter als sie und außerdem ihr Lehrer …

Was dem zweiten Band an Spannung und Wendungen gefehlt hat, macht „Schattenträume“ wieder wett. Neben einer packenden Haupthandlung, die einige unvorhersehbare Überraschungen parat hält, kristallisiert sich nun endlich auch eine Rahmenhandlung heraus, die auf die Folgebände neugierig macht, da sie genau zum richtigen Zeitpunkt abgeschnitten wird. Zugegeben, der erneute Strigoiangriff wirkt anfangs wie eine langweilige Kopie des zweiten Bandes. Er hat allerdings eine wesentlich größere Dimension und eine ganz andere Tragweite. Abgesehen davon gibt es noch einige kleinere Nebenhandlungen, die zwar nicht immer Spannung, aber zumindest Leben in die Geschichte bringen.

Rose ist nach wie vor ein wunderbarer Seriencharakter für die Zielgruppe von jungen Mädchen. Sie ist eine taffe Heldin mit Herz und Mut, die aus der ersten Person erzählt und ihre Gedanken und Gefühle nicht verbirgt. Im Gegenteil ist sie sehr offen und berichtet über alles, was in ihr vorgeht. Anders als in den vorhergehenden Bänden legt sie in „Schattenträume“ jedoch eine neue Ernsthaftigkeit an den Tag. Ihr Sarkasmus und ihre Bissigkeit fehlen trotzdem nicht, denn diese Entwicklung ist eigentlich nur logisch nach dem, was sie gesehen hat.

Der neue Ernst überträgt sich auf den Schreibstil, der nun weniger humorvoll ist, aber dafür umso eindringlicher und mitreißender. Richelle Mead schafft es, auch die düstersten Gedanken von Rose mitreißend und einfühlsam zu beschreiben. Vielleicht ist sie darin sogar besser als in Roses umwerfender Schlagfertigkeit.

Alles in allem ist „Schattenträume“ der bislang beste Band der Reihe. Die Hauptperson gewinnt an Tiefe und Ernst, eine packende Rahmenhandlung schält sich heraus – was will man mehr?

Originaltitel: Shadow Kiss
Aus dem Englischen von Michaela Link
378 Seiten, Taschenbuch
ISBN-13: 978-3802582035

http://www.egmont-lyx.de

RICHELLE MEAD – Blaues Blut (Vampire Academy 02)

Im ersten Band der Reihe „Vampire Academy“ von Richelle Mead hat die junge Wächterin Rose ihre beste Freundin Lissa aus den Fängen eines lebenden Vampirs gerettet. Im zweiten Band „Blaues Blut“ sind es die Strigoi, die toten Vampire, gegen die sie sich wehren muss.

Die siebzehnjährige Rose Hathaway lebt in einer gefährlichen Welt. Sie ist ein Dhampir, eine Halbvampirin, und geht auf die St. Vladimir’s Academy, auf der sie zum Wächter ausgebildet wird. Ihre Aufgabe wird es später sein, die Moroi, lebende Vampire, vor den wesentlich stärkeren und gefährlichen Strigoi zu beschützen. Als sie zusammen mit ihrem Mentor Dimitri zu einer wichtigen Qualifikationsprüfung fährt, erfährt sie, wie das in der wahren Welt aussehen kann. Strigoi haben mit der Hilfe von Menschen die magischen Barrieren eines Moroihauses durchbrochen und alle Moroi sowie die Wächter getötet.

Die Möglichkeit, dass die sonst so ungeselligen Strigoi nicht nur miteinander, sondern auch mit Menschen kollaborieren, versetzt die Schule in helle Aufregung. Ziel der Strigoi ist nämlich die Auslöschung der Moroi. Zum Schutz der Schüler fährt die gesamte Schule in ein speziell gesichertes Skigebiet in den Weihnachtsurlaub. Als Freunde von Rose erfahren, dass sich Strigoi im nahen Spokane aufhalten, machen sie sich auf eigene Faust auf den Weg. Sie wollen die ermordeten Moroi rächen, doch Rose ahnt, dass sie da nicht heile heraus kommen können. Sie folgt den vieren, doch dann eskaliert die Situation …

Das Beste an der Reihe ist die Protagonistin. Rose erzählt aus der Ich-Perspektive und ist ein interessanter, junger Charakter, der ein wenig an die Erzähler der Chic-Lit erinnert. Frech, manchmal sogar frivol, dabei aber trotzdem überlegt und intelligent berichtet sie aus ihrer Sicht. Sie macht dabei selten einen Hehl aus ihren Schwächen. Sie gibt sich offen, ehrlich und selbstreflektiert, was es einfach macht, sich mit ihr zu identifizieren und ihr in der Geschichte zu folgen. Zusätzlich tritt in diesem Band ihre Mutter, eine sehr bekannte Wächterin, zum ersten Mal in Person auf. Das Verhältnis zwischen ihr und Rose ist sehr gespannt und Rose, die dazu neigt, über die Stränge zu schlagen, legt sich mehr als einmal mit ihr an. Gerade diese neue Personenkonstellation verleiht sowohl der Handlung als auch der Hauptperson mehr Tiefe.

Die Handlung selbst ist spannend und annehmbar, aber kein wirkliches Highlight. In diesem Punkt ist „Vampire Academy“ – trotz aller Bemühungen – nur eine Serie. Bislang ist keine buchübergreifende Rahmenhandlung erkennbar. Einzelne Handlungsstränge wiederholen sich zwar, können aber keine dauerhafte Spannung aufbauen, die den Leser sehnsüchtig auf den nächsten Band warten lassen. Die Beziehungen zwischen den Personen bieten zwar Abwechslung, aber noch nicht genug Zündstoff.

Momentan sind es nur Rose und der Schreibstil von Richelle Mead, die die „Vampire Academy“-Reihe über den Durchschnitt hieven. Der Schreibstil ist so wie die Hauptfigur: bissig, häufig witzig, aber genauso oft auch nachdenklich oder sogar melancholisch. Die Autorin benutzt dafür ein gehobenes Vokabular, dank dem Rose wie eine intelligente junge Frau wirkt. Sie überfordert ihre jugendlichen Leser dabei aber nicht, sondern fördert sie im Gegenteil sogar. „Blaues Blut“ ist definitiv erwachsener als viele Jugendbücher und besitzt den nötigen Ernst, um auch Älteren zu gefallen.

„Blaues Blut“ ist handlungstechnisch kein Höhepunkt in der Reihe. Die sympathische Hauptfigur und der ansprechende Schreibstil sorgen allerdings dafür, dass Fans von Twilight und Co. diese Gelegenheit nicht an sich vorbeiziehen lassen werden.

Originaltitel: Frostbite
Aus dem Englischen von Michaela Link
290 Seiten, Taschenbuch
ISBN-13: 978-3802582028

http://www.egmont-lyx.de

Feth, Monika – Teufelsengel

Monika Feth ist dem breiten Publikum vor allem durch ihren Bestseller „Erdbeerpflücker“ bekannt, der 2004 veröffentlicht wurde. Dabei hat die Autorin mittlerweile zahlreiche weitere Thriller geschrieben, in deren Mittelpunkt zumeist junge mutige Frauen stehen. Der neuste trägt den Titel „Teufelsengel“.

Anders als in den Büchern, in denen Jette Weingärtner die Hauptrolle spielt, ist die Hauptperson in diesem Roman nicht unschuldig in einen Kriminalfall geschlittert. Im Gegenteil: Die neunzehnjährige Romy, die ein Volontariat bei einer Kölner Zeitung macht, beginnt von sich aus auf eigene Faust zu ermitteln, weil sie glaubt, dass in Köln ein Serienmörder sein Unwesen treibt. Vier unaufgeklärte Mordfälle hat es in letzter Zeit gegeben, doch niemand anders scheint einen Zusammenhang zu sehen. Auch Romy muss lange suchen. Sie befragt Freunde und Verwandte der vier Verstorbenen, die unterschiedlicher nicht sein können: Ein verträumter Teenager, eine alleinstehende Übersetzerin mittleren Alters, ein Student, ein älterer Mann – was verbindet sie bloß?

Auch Bert Melzig, der Neue bei der Kölner Kripo, glaubt, dass es eine Verbindung zwischen den Fällen gibt. Er hat keine Beweise aber ein Bauchgefühl, was ihm Spott der Kollegen einbringt. Erst als er am Handgelenk des neusten Opfers eine sonderbare Tätowierung entdeckt, hat er eine erste Spur, doch die forsche Romy scheint ihm bereits einen Schritt voraus zu sein und mischt sich ganz frech in seine Ermittlungen ein …

Bücher, in denen Privatpersonen ihre Nase in Kriminalfälle stecken, sind eine prekäre Angelegenheit. Viel zu häufig wirken die Laien-Ermittlungen an den Haaren herbeigezogen und die Ergebnisse davon glänzen höchstens durch ihre Absurdität. Monika Feth gelingt es, diese gefährlichen Klippen meisterhaft zu umschiffen. Romy besitzt nicht nur den richtigen Job, sondern auch die passenden Charakterzüge, um ihr Vorgehen zu rechtfertigen. Sie geht den Dingen gerne auf den Grund und ist eine leidenschaftliche Journalistin. Trotz allem verhält sie sich nie unnatürlich. Feths große Stärke, authentische Figuren zu zeichnen, lässt das Buch auch dieses Mal zu einem echten Genuss werden. Kaum ein anderer deutscher Autor schafft es derart versiert, die Gefühls- und Gedankenwelt junger Menschen wiederzugeben. Sogar für die allerkleinsten Nebenfiguren nimmt sich die Autorin die Zeit, sie als unverwechselbar zu beschreiben.

Die Handlung der Geschichte ist solide, aber nicht besonders innovativ. Durch mehrere parallele Erzählstränge wird dem Leser schnell klar, wo der Täter zu suchen ist. Die Jagd nach ihm folgt einem bekannten Muster. Nachdem Romy eine heiße Spur gefunden hat, übersieht sie das Wesentliche und macht den Täter auf sich aufmerksam. Am Ende gibt es eine nette, aber leider vorhersehbare Actioneinlage. Auch das Potenzial, dass sich durch die zwei auftretenden Ermittler – Bert Melzig und Romy – ergibt, wird nicht ausgeschöpft. Die beiden kommen sich viel zu selten in die Quere und es entsteht auch keine richtige Konkurrenz. Dabei hätte gerade das sicherlich für Spannung sorgen können.

Trotz allem ist „Teufelsengel“ überaus lesenswert, denn Monika Feth schreibt so gut, dass man ihr einiges verzeiht. Dicht, intensiv und stets mit mehr Fokus auf dem Innenleben ihrer Personen als auf der Handlung baut sie Seite um Seite eine angenehme Atmosphäre auf. Jeder, der etwas älter ist, wird sich in gute alte Zeiten zurück versetzt fühlen, die Jüngeren hingegen werden sich gut mit Romy und Co. identifizieren können. Die Autorin benutzt keine Slangausdrücke. Sie schreibt nüchtern und einfach, doch sie schafft es, ein unglaublich spannendes, dichtes und authentisches Ambiente zu schaffen.

„Teufelsengel“ steht Feths anderen Büchern damit in nichts nach. Ein toller Schreibstil, eine fantastische Hauptperson – lesenswert ist die Geschichte allemal, auch wenn die Handlung Potenzial verschenkt.

|410 Seiten, Hardcover
ISBN-13: 978-3570160459|
http://www.cbt-jugendbuch.de
http://www.monikafeth-thriller.de

_Monika Feth auf Buchwurm.info:_

[Der Scherbensammler 3816

Pekearo, Nicholas – Wolfsrache

„Wolfsrache“ ist kein normaler Debütroman. Vielmehr handelt es sich um das erste und vermutlich auch einzige Buch des jungen New Yorkers Nicholas Pekearo. Dieser wurde 2007 bei seiner ehrenamtlichen Arbeit bei der Polizei erschossen. „Wolfsrache“ erscheint nun dank seines Lektors posthum.

Marlowe „Marley“ Higgins lebt in der amerikanischen Kleinstadt Evelyn und verbringt seine Zeit mit seiner Arbeit als Koch und mit Wirtshausschlägereien. Er ist als Rauf- und Trunkenbold verschrien, als Krimineller, doch niemand weiß, wie gefährlich er wirklich ist. Denn Marley hat ein dunkles Geheimnis: Jeden Monat zu Vollmond verwandelt er sich in einen Werwolf und muss einen Menschen umbringen, um das Biest in ihm zufrieden zu stellen.

Da alle Versuche, das Biest zu vertreiben oder die Verwandlung zu unterdrücken, fehlgeschlagen sind, hat er sich mit seinem Problem arrangiert und eine Tugend daraus gemacht. Wenn der Wolf ihn ruft, zieht er los, um Menschen zu töten, die es verdient haben: Mörder und Vergewaltiger. Eines Tages findet man in Evelyn die Leiche eines jungen Mädchens, wenig später die einer Prostituierten. Der Rosenmörder, wie er genannt wird, treibt sein Unwesen. Er hat wahllos Frauen in ganz Amerika getötet und ihnen dann Rosen in die leeren Augenhöhlen gesteckt. Marley beschließt, diesem Treiben beim nächsten Vollmond ein Ende zu setzen, doch etwas geht schief. Das Biest kann keine Fährte aufnehmen und tötet stattdessen einen Unschuldigen …

„Wolfsrache“ ist, trotz des Titels, mehr ein verdammt guter Thriller als ein Dark-Fantasy-Buch. Das merkt man schon daran, dass Marley das einzige übernatürliche Wesen im Buch ist und auch er ist noch ziemlich menschlich. Das Biest ist kein Teil von ihm, sondern mehr oder weniger ein unliebsamer Parasit, der einmal im Monat seinen Tribut fordert. Im Vordergrund steht deshalb die Suche nach dem Mörder. Marley ermittelt auf eigene Faust und das durchaus spannend. Er findet immer wieder interessante Zusammenhänge mit Hilfe Danny Pearces, dem Polizisten im Ort und seinem einzigen Freund. Allmählich steigert sich die Geschichte und deutet nach einer langen Strecke der Unwissenheit auf den Täter. Der Aufbau des Romans ist in dieser Hinsicht geradezu klassisch. Unterbrochen durch kurze Abrisse aus Marleys Vergangenheit und wenige, aber wichtige Nebenhandlungen baut sich eine konsistente Spannung auf, die zusätzlich durch die Figur des Marley aufrecht erhalten wird.

Marley Higgins als Figur ist der sprichwörtliche einsame Wolf. Ruppig, aber nicht herzlos, stets auf der Suche nach Trouble, aber zu intelligent für einen Proleten – Marley ist eine verkrachte Existenz, die mit den erotischen Lebemännern aus ähnlicher Literatur rein gar nichts zu tun hat. Er fügt einem Genre, das momentan stark weiblich besetzt ist, eine sehr männliche Perspektive hinzu, was unglaublich erfrischend ist. Da er aus der ersten Person berichtet, spielen seine Gedanken, Gefühle und Erinnerungen eine tragende Rolle. Sie helfen nicht nur dabei, seine Persönlichkeit in all ihren Facetten zu verstehen, sondern verleihen Marley als Figur und „Wolfsrache“ als Buch eine ungewöhnliche Tiefe.

Pekearos Schreibstil passt perfekt zu seinem Protagonisten. Lakonisch, humorvoll, intelligent, gleichzeitig aber auch derb, denn Marley ist nun mal keine besondere Frohnatur. Anschaulich und mit vielen expliziten Begriffen sowie ansprechenden Metaphern und anderen Sprachbildern erzählt der Autor und rundet damit das Gesamtpaket ab.

Man muss kein Fan des Dark-Fantasy-Genres sein, um Pekearos Debüt zu mögen, denn „Wolfsrache“ ist ein spannender Thriller mit einem etwas ungewöhnlichen Protagonisten. Das Buch verdient nicht nur Aufmerksamkeit wegen der tragischen Geschichte seines Autors, sondern vor allem wegen seiner literarischen Qualität.

|Originaltitel: The Wolfman
Deutsch von Bernhard Kleinschmidt
379 Seiten, Taschenbuch
ISBN-13: 978-3499252518|

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Thompson, James – Eisengel

Der amerikanische Autor James Thompson lebt seit Langem in Finnland und scheint es nicht zu bereuen. Immerhin ist er mit einer Finnin verheiratet. Dieses Ehemodell hat er auf den Protagonisten seines Romans „Eisengel“ übertragen – allerdings ist der männliche Part dieses Mal finnisch und der weibliche amerikanisch.

Kari Vaara ist Inspektor im finnischen Skiort Levi und seine Ehefrau Kate ist die Managerin des dortigen Skicenters. Eines Tages wird Kari zu einer Leiche gerufen, die auf einer Rentierweide liegt. Es dauert nicht lange, bis er erkennt, wer es ist. Sufia Elmi ist vermutlich die einzige Schauspielerin afrikanischer Herkunft in Finnland. Sie hat in Levi Urlaub gemacht, doch jetzt wurde sie bestialisch umgebracht und anscheinend auch vergewaltigt. In ihren Bauch wurde eine rassistische Bemerkung geritzt.

Kari glaubt, den Schuldigen schnell gefunden zu haben. Ein Anwohner hat eine dunkle Limousine vom Tatort wegfahren sehen und die einzige Person, die im Ort ein solches Auto besitzt, lässt sich mit Sufia in Verbindung bringen. Seppo Niemi, ein reicher Lebemann, hatte ein Verhältnis mit Sufia – und das, obwohl er in einer festen Beziehung ist. Bei seiner Freundin handelt es sich ausgerechnet um Heli, Karis Exfrau, die ihn für Seppo verlassen hat. Kari schießt sich auf den ehemaligen Nebenbuhler ein und zieht sich damit Helis Zorn zu. Doch als er nach Beweisen sucht, um Seppos Schuld zu zementieren, findet er immer mehr Hinweise darauf, dass alles nicht so einfach ist. Neben Seppos DNS befinden sich nämlich auch noch die von zwei anderen Männern am Körper der Toten. Doch wer sind die zwei anderen und was haben sie mit Sufia zu tun?

„Eisengel“ ist vielleicht von einem Amerikaner geschrieben worden, aber trotzdem ist die Geschichte dem skandinavischen Kriminalroman sehr nahe. Ich-Erzähler Kari lässt tief in seine Seele blicken und berichtet von Zweifeln, Depressionen und dem kargen finnischen Leben. Die Geschichte hat eine sehr düstere Seite, viel zu Lachen hat man nicht bei diesem Buch. Gleichzeitig konstruiert der Autor eine durchaus spannende Handlung um den Mord. Sie überrascht zwar nicht durch einen besonderen Aufbau, schafft es aber dafür, den Leser bei der Stange zu halten. Die Anzahl der Verdächtigen ist überschaubar und die vorhandene DNS auf der Leiche schränkt den Kreis noch stärker ein. Doch wer hat ein Motiv? Wer lügt Kari an? Und wie hängen die Verdächtigen zusammen? Wird Kari vielleicht tatsächlich durch die Vorkommnisse mit Seppo beeinflusst? Thompson webt ein dichtes Netz aus Ränken und Überlegungen, das für den Leser überschaubar bleibt, aber genug weiße, Spannung erzeugende Flecke besitzt.

Neben der Handlung richtet der Autor das Augenmerk auf das Völkchen der Finnen. Er spricht kritisch, aber nie verurteilend über Rassismus, Selbstmordraten und Alkoholismus. Er karikiert seine selbst gewählten Landsmänner nicht, sondern beschreibt mit Respekt und Verständnis, wie es ist, in einem Land zu leben, in dem es im Winter manchmal gar nicht hell wird. Mit Hilfe seines lakonischen, pessimistischen Schreibstils schafft Thompson es, ein sehr eindringliches Bild von Finnland zu vermitteln. Die Stimmung, die dank seiner kurzen, aber intensiven Beschreibungen entsteht, passt perfekt zur Geschichte und hinterlässt einen bleibenden Eindruck beim Leser.

Protagonist Kari Vaara dient als Katalysator. Er ist derjenige, durch dessen Augen der Leser das skandinavische Land betrachtet. Gleichzeitig ist Vaara selbst Finne und verkörpert einige der beschriebenen Eigenschaften selbst. Allerdings hat er durch seine Ehe mit einer Amerikanerin einen gewissen eigenen Status inne, der einen differenzierten Blick auf seine Landsmänner zulässt. Als Romanfigur ist er deshalb fantastisch. Er zeichnet sich zwar nicht durch die originellsten Wesenszüge aus, aber er ist stimmig und weiß Interessantes zu erzählen. Er besitzt nicht die Tiefe eines Kurt Wallander, aber da „Eisengel“ der bislang einzige Band mit Kari Vaara in der Hauptrolle ist, besteht die Möglichkeit, dass die Reihe fortgesetzt wird und Kari sich entwickeln kann.

„Eisengel“ von James Thompson ist ein skandinavischer Krimi mit einer guten Hauptperson und viel Wissenswertem über Finnland. Spannend, interessant und definitiv lesenswert!

|Originaltitel: Lumienkelit
Deutsch von Thomas Merk
314 Seiten, Taschenbuch
ISBN-13: 978-3499252808|

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Jackson, Lisa – Angels. Meine Rache währt ewig

Das Vampirfieber breitet sich rasend schnell aus. Nachdem die Blutsauger bereits das Fantasygenre übernommen haben, halten sie jetzt auch beim guten alten Thriller Einzug. Die amerikanische Bestsellerautorin Lisa Jackson überrascht in ihrem neuen Buch „Angels. Meine Rache währt ewig“ nämlich mit ungewöhnlicher Handlung: Kristi Bentz, die Tochter des prominenten Detectives Rick Bentz, ermittelt auf eigene Faust an einer Universität, an der merkwürdige Dinge vor sich gehen …

Die siebenundzwanzigjährige Kristi Bentz hat beschlossen True-Crime-Autorin zu werden, und dafür geht sie zurück an das All Saints College von Baton Rouge, New Orleans. Seit sie dort ihren Abschluss gemacht hat, hat sich einiges geändert. Der Lehrkörper ist jünger geworden und erinnert so gar nicht mehr an die Dozenten, die Kristi damals hatte. Plötzlich stehen Themen wie Rock’n’Roll und Vampyrismus auf dem Stundenplan, was vor allem den Studentinnen zu gefallen scheint.

Doch seit einem Jahr geschehen merkwürdige Dinge an dem College: Vier Studentinnen sind verschwunden, doch niemand scheint sie zu vermissen, da sie bekannte Ausreißer sind. Kristi ist jedoch fest davon überzeugt, dass den Mädchen etwas passiert ist, und dieser Verdacht erhärtet sich, als Lucretia, ihre Mitbewohnerin aus College-Zeiten, sie bittet, auf eigene Faust zu ermitteln. Kristi schaut sich um und erhält den Eindruck, dass es etwas wie eine Sekte am All Saints geben muss. Doch bevor sie tiefer graben kann, wird in ihr Appartement eingebrochen. Anscheinend sieht nicht jeder ihre Ermittlungen gerne. Gezwungener Maßen weiht sie ihren Exfreund Jay, einen Kriminaltechniker, in die Geschichte ein und gemeinsam kommen sie dem Entführer – und damit einer großen Gefahr – immer näher …

Ein bodenständiger Thriller und Vampire? Das klingt auf den ersten Blick merkwürdig – und auch auf den zweiten. Lisa Jackson lässt den Leser lange Zeit im Unwissen darüber, ob die Geschichte ins Paranormale abgleitet oder nicht. Dieses Unwissen wird zusätzlich dadurch genährt, dass Kristi aufgrund ihrer Nahtoderfahrung Visionen hat. Menschen, die in Gefahr schweben, werden vor ihren Augen blass und eingefallen. Das alles ist unglaublich verwirrend, und auch die Sekte tut der Handlung nicht unbedingt gut. Insgesamt wirkt die Geschichte auf weiten Strecken an den Haaren herbei gezogen und schlecht konstruiert. Kristis Ermittlungen haben kaum Schwung und es fehlt an Überraschungen. Da helfen auch die Verfolgungsjagden und Liebesszenen nicht: Bis zur Mitte ist „Angels“ nicht besonders lesenswert. Wenn es auf die Zielgerade geht und sich die einzelnen Handlungsfäden allmählich zusammenfinden, schimmert vorsichtig der Thriller durch, doch ansonsten ist die Geschichte eine seltsame Mischung aus Pseudo-Paranormalem und Frauenbuch.

Der Eindruck eines Frauenromans entsteht auch durch die Hauptfigur. Kristi Bentz entspricht dem amerikanischen Prototyp einer Romanheldin. Sie ist sportlich, umwerfend schön und dabei intelligent und temperamentvoll, eine echte Powerfrau. Sie ist eigentlich unabhängig und selbstständig, doch als sie ihrer Jugendliebe Jay begegnet, verliebt sie sich augenblicklich wieder in ihn. Das alles wurde in dieser Form schon in hundert anderen Büchern geschrieben und ist nicht besonders interessant. Ärgerlich ist außerdem, dass es Kristi an Tiefgang fehlt. Ihre Ecken und Kanten wirken merkwürdig poliert, die Distanz zum Leser ist so groß, dass es schwer fällt, sich mit ihr zu identifizieren.

Zusammen mit dem gut lesbaren, aber nur wenig originellen Schreibstil ist „Angels“ ein Buch, das in der Masse amerikanischer Durchschnittsthriller nicht wirklich auffällt. Ohne ein anderes Buch von ihr zu kennen, drängt sich die Frage auf, wieso Lisa Jackson so hoch gelobt wird.

|Originaltitel: Lost Souls
Aus dem Amerikanischen von Kristina Lake-Zapp
558 Seiten, Taschenbuch
ISBN-13: 978-3426663721|

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_Lisa Jackson beim Buchwurm:_

[Ewig sollst du schlafen 2473

Harrison. Colin – Im Schlund des Drachen

„New York, New York“ sang Frank Sinatra einst und der Big Apple hat uns bis heute nicht losgelassen. In seinem Thriller „Im Schlund des Drachen“ nimmt Colin Harrison den geneigten Leser mit auf eine Reise durch die Stadt, die niemals schläft …

Die Chinesin Jin Li leitet in New York die Reinigungs- und Aktenvernichterfirma ihres großen Bruders Chen. Der wiederum nutzt diese auch zu unlauteren Zwecken: Industriespionage. Einige der Akten, die eigentlich nicht für fremde Augen bestimmt sind, werden von Jin Li abgeschöpft und analysiert, um ihrem Bruder Insidertipps für den Aktienhandel nach China zu schicken.

Doch eines Tages kommt man ihr auf die Schliche. Als sie mit zwei Mitarbeiterinnen der Firma abends unterwegs ist, werden die beiden Mexikanerinnen brutal umgebracht. Jin Li kann fliehen, doch sie glaubt, dass der Anschlag ihr gegolten hat und informiert ihren Bruder. Chen kommt sofort nach Amerika, aber nicht um seine Schwester zu schützen, sondern um seine eigene Haut zu retten. Er findet heraus, dass der Ex-Feuerwehrmann Ray Grant in Jin Lis Leben eine große Rolle gespielt hat und zwingt ihn nach seiner Schwester zu suchen. Doch das erweist sich als alles andere als einfach und fordert noch mehr Menschenleben in einem eng verwobenen Geflecht aus finsteren Machenschaften und Gefälligkeiten …

„Im Schlund des Drachen“ weiß eigentlich nicht so genau, was für ein Buch es sein möchte. Ein Thriller oder doch eher eine belletristische Diashow von New York? Harrison versucht beides zu vermengen. Er scheitert nicht daran, aber er wird dem Ganzen auch nicht wirklich gerecht. Das Problem ist, dass die Abschnitte, die er der Beschreibung der Lebenszustände von Arm und Reich in New York widmet, häufig recht lang sind und die Handlung unterbrechen. Davon abgesehen bieten sie teilweise nichts Neues. Man kennt diese Sachen schon aus Filmen oder Büchern, selbst wenn man die Stadt noch nicht besucht hat.

Die Thrillerhandlung wird dadurch in die Länge gezogen. Dadurch, dass die Geschichte außerdem aus der Perspektive mehrerer Personen erzählt wird, fällt es schwer, einen konsistenten Handlungsstrang auszumachen. Man kann natürlich einwenden, dass Harrison die Geschichte einfach in ihrer ganzen Breite darstellen wollte, aber Jin Lis Flucht, Rays Suche, die Aktienprobleme eines alten Mannes, die Ermittlungen von Rays Vater, der Amerikabesuch von Chen und die Probleme einer Führungskraft eines Pharmakonzerns – das ist ein bisschen viel. Es macht die Handlung anschaulich, aber leider zerfällt sie dadurch auch stark, was zu Lasten der Spannung geht.

Die Personen werden trotz ihrer Vielzahl gut eingeführt und Harrison stellt ihre Gedanken, Gefühle und Handlungen sehr ausführlich dar. Für einen kurzen Moment ist man ihnen ganz nahe und lernt sie gut kennen. Auch wenn der Autor eine gewisse Distanz zu den Figuren aufrecht erhält, sind sie es, die das Buch lesenswert machen. Ihre Originalität äußert sich vor allem durch große charakterliche Tiefe und eine sehr authentische Darstellungsweise, die Harrison packend und mit genau den richtigen Worten untermalt.

Überhaupt hat Harrison ein Händchen für die richtigen Worte. Sein Schreibstil ist flüssig und treffsicher. Das Besondere ist seine Art, die Stadt zu beschreiben. Hier holt er häufig weit aus und wird manchmal fast ein bisschen poetisch, wie ein außenstehender Beobachter, der nicht viel damit zu tun hat, sich aber hinein fühlen kann. Die Handlungselemente, in denen es um den eigentlichen „Fall“ geht, sind hingegen knapper gehalten, was aber nicht unbedingt schlechter bedeutet. Auch sie sind sehr gut geschrieben und wären sicherlich zu einem herausragenden Thriller verschmolzen, wenn Harrison die Handlung etwas kompakter dargestellt hätte.

Dadurch ist „Im Schlund des Drachen“ nicht unbedingt der spannendste Thriller, aber er ist doch recht gut gelungen. Der Schreibstil und die Personen zeigen, was Harrison drauf hat und wieso seine anderen Bücher so hoch gelobt werden.

|Originaltitel: The Finder
Aus dem Amerikanischen von Anke und Eberhard Kreutzer
445 Seiten, Taschenbuch
ISBN-13: 978-3426198674|

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