Bernard Cornwell – Das Zeichen des Sieges. Lesung


Spannendes Kriegsgemälde, mit Romanze

Der Schäfersohn Nicholas Hook gilt als Nichtsnutz, doch er hat eine außerordentliche Gabe: Jeder Pfeil, den er abschießt, trifft sein Ziel. Nick Hook kämpft im Hundertjährigen Krieg für Heinrich V. gegen die Franzosen. Und so zieht Nick 1415 mit, als das englisch-walisische Heer König Henrys V aufs Festland übersetzt. Als er die schöne Melisande trifft, lehrt sie ihn, dass nicht alle Franzosen Teufel sind.

Schließlich steht das englische Heer einer riesigen französischen Streitmacht gegenüber. Bei dem Flecken Azincourt stehen 6000 Engländer einem Heer von 30.000 französischen Rittern gegenüber. Die Niederlage scheint unabwendbar, doch die Engländer und Waliser haben mit den Langbogenschützen um Nick Hook noch einen Trumpf in der Hand. Sie sollen das Unmögliche versuchen und den Feind stoppen.

Ein großartiger historischer Roman Cornwells über die berühmte Schlacht, die schon William Shakespeare in seinem Drama „Henry V.“ würdigte. (abgewandelte Verlagsinfo)

Der Autor

Der 1944 geborene Brite Bernard Cornwell studierte Geschichte an der London University und arbeitete kurze Zeit als Lehrer, wechselte dann aber zur BBC, wo er lange Zeit als Reporter arbeitete. 1980 folgte er seiner amerikanische Frau in die USA. Da ihm eine Arbeitserlaubnis verweigert wurde, konnte er sich von nun an ganz der Schriftstellerei widmen. Mit Erfolg: Seine Werke sind mittlerweile in über 20 Sprachen übersetzt.

Er teilt seine schriftstellerische Tätigkeit auf. Einerseits verfasst er erfolgreiche historische Romane aus der Zeit der Napoleonischen Kriege, in deren Mittelpunkt ein gewisser Sharpe steht, der als eine James-Bond-Figur der Epoche an allen möglichen Brennpunkten auftaucht, so etwa in der Seeschlacht von Trafalgar, aus der Admiral Nelson sowohl als Sieger als auch Leiche hervorging.

Andererseits weiß Cornwell aber auch ziemlich gute Fantasy zu schreiben. Mit „Winterkönig“ begann er eine Trilogie über den legendären König Artus, die komplett bei Blanvalet vorliegt. Inzwischen hat er eine weitere Fantasy-Trilogie veröffentlicht.

Der Saxon-Zyklus (Uhtred-Zyklus)

• The Pale Horseman, 2005 dt. Der weiße Reiter, 2007
• The Lords of the North, 2006 dt. Die Herren des Nordens, 2008
• Sword Song, 2007 dt. Schwertgesang, 2008
• The Burning Land, 2009 dt. Das brennende Land, 2010
• Death of Kings, 2011 dt. Der sterbende König, 2012
• The Pagan Lord, 2013 dt. Der Heidenfürst, 2014
• The Empty Throne, 2014 dt. Der leere Thron, 2015
• Warriors of the Storm, 2015 dt. Die dunklen Krieger, 2016
• The Flame Bearer, 2016 dt. Der Flammenträger, 2017
• War of the Wolf, 2018 dt. Wolfskrieg, 2019
• Sword of Kings, 2019 dt. Das Königsschwert 2020
• War Lord, 2020 dt. Der Herr der Schlacht 2021

Der Sprecher

Stefan Kaminski, geboren 1974 an der Hochschule für Schauspielkunst „Ernst Busch“ sein Schauspielstudium absolviert. Als Sprecher ist er v.a. durch seine Live-Hörspiele am Deutschen Theater und sein „Stimmen-Morphing“ bekannt. Mehr Info: www.kaminski-on-air.de. Kaminski liest eine gekürzte Textfassung.

Regie führte Anja Clarissa Gilles, für den Ton war Les Gilles, Berlin, zuständig.

Handlung

England, Anfang des 15. Jahrhunderts. Der junge Schäfersohn Nicholas Hook ist ein besonders begabter Schütze mit dem LangbogenLangbogen. Er liegt mit Tom und Robert Perrill und deren Vater, einem Priester, im Clinch. Als Letzterer sich an der Tochter eines verurteilten Lollarden vergreifen will, mischt sich Nick Hook ein und verletzt den Priester. Mit knapper Not kann Hook entkommen und schließt sich der Frankreich-Expedition von König Heinrich V. (England) an, um seiner sicheren Hinrichtung zu entgehen.

Hinweis

Lollarden (englisch Lollards, zuerst Wiklifiten) waren die Anhänger einer religiösen Bewegung in England seit dem späten 14. Jahrhundert. Sie folgten den Lehren John Wyclifs und widersetzten sich der katholischen Kirchenhierarchie. Die Lollarden traten für die Rechtfertigung durch den Glauben, Predigten und Bibellesungen in der Landessprache ein und lehnten weitere kirchliche Lehrsätze (z. B. die Transsubstantiation) ab. Sie wurden danach als Häretiker verfolgt; viele widerriefen, andere gingen in den Untergrund, wo sie in kleinen Gruppen während des ganzen 15. Jahrhunderts fortbestanden. Zu den Lollarden gehörten überwiegend Stadtarbeiter und Handwerker. Sie trugen mit zur Annahme der Reformation in England im 16. Jahrhundert bei. (Wikipedia.de)

Melisande

In Soissons rettet Nick Melisande vor der Vergewaltigung durch einen Priester, eine junge Frau, die ihn auf seinen weiteren Wegen begleiten wird. Nach einigen weiteren Schwierigkeiten, die diese beiden meistern müssen, stoßen sie wieder zu Heinrichs Armee und sind bei der Belagerung Harfleurs dabei. Diese Belagerung gelingt zwar, aber die Engländer verlieren viele Männer durch die Ruhr, Nick überlebt mit Melisandes Hilfe knapp.

Azincourt

Nach diesen Verlusten will sich König Henry zur Küste zurückziehen. Er hat nur noch etwa 6000 Kämpfer. Der englische Soldatentross bewegt sich weiter und muss die Somme überqueren, um ihren Brückenkopf Calais zu erreichen. Dies will aber nicht gelingen, da eine zahlenmäßig weit überlegene französische Armee – 30.000 Ritter – sämtliche Furten blockiert.

Bei dem Dorf Azincourt schließlich kommt es am 25. Oktober 1415 zur entscheidenden Schlacht. Allmählich setzt ein sintflutartiger Regen ein, der das Schlachtfeld in einen Sumpf verwandelt, ein Terrain, das vor allem für die französischen Ritter in deren schweren Rüstungen zum Verhängnis werden wird. König Henry hält seine berühmte St.-Crispinian-Ansprache, um seine müden und demoralisierten Kämpfer aufzumuntern, was ihm auch gelingt.

Die Engländer nehmen Aufstellung und rücken nur langsam ein wenig vor, um ihre Langbogenschützen in optimale Position zu bringen. Als die Franzosen näher rücken, antworten die Engländer mit einem unaufhörlichen Pfeilhagel, dem die Franzosen nichts entgegenzusetzen haben. Die erste Angriffswelle wird vernichtend geschlagen.

Gegenüber der zweiten Angriffswelle kombinieren die Engländer ihre Fußtruppen mit einem Pfeilhagel ihrer letzten verbleibenden Pfeile. Die Franzosen sind deutlich eingeschüchtert von den zwei Angriffsrunden und fliehen allmählich vom Schlachtfeld, tausende werden aber gefangen genommen beziehungsweise auf dem Schlachtfeld zurückgelassen.

Nach diesem triumphalen Sieg über die Franzosen kehrt der einstmals unbedeutende Nicholas Hook als Krieger mit Melisande zurück nach England. (ergänzte Quelle: Wikipedia.de)

Mein Eindruck

Dies ist das Erleben von historischen Ereignissen quasi aus der Froschperspektive. Nick Hook lebt nur noch dank des Kriegsgottes in Gestalt von Lord Cornwallis, sonst hätte man ihn schon längst als Ketzer auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Er wird mitgeschwemmt im großen Soldatenhaufen, der nach Frankreich übersetzt und in Harfleur die erste Bewährungsprobe erlebt. Dass er das Herz auf dem rechten Fleck sitzen hat, beweist sein Eintreten für eine junge Französin namens Melisande, die vergewaltigt werden soll. Sie revanchiert sich, indem sie ihm zur Flucht verhilft. Später sehen sie sich wieder, doch der Kriegsgott droht mehrfach, sie auseinanderzutreiben.

Um diese ungewöhnliche Liebe zu retten, muss Nick Hook erst einmal die Entscheidungsschlacht von Azincourt überleben. Die Vorbereitung auf dieses Ereignis erfolgt sehr detailliert, denn der Hörer soll begreifen, dass die Engländer zwar nur ein Fünftel der Kampfstärke des französischen Heeres aufbringen konnten, dabei aber über eine entscheidende Waffe verfügten: den Langbogen. Dessen Herstellung und Handhabung wird in allen Einzelheiten beschrieben, ebenso die Kunst, verschiedene Arten von Pfeilspitzen herzustellen und einzusetzen. So ist beispielsweise von „Aalspitzen“ die Rede, die ganz bestimmte Stellen einer Rüstung durchdringen sollen.

Der zweite Verbündete der Engländer ist das Wetter. Langer Regen hat die Äcker rings um Azincourt in tiefen Schlamm verwandelt. Durch diesen müssen die schwer beladenen Rösser der Franzosen die englischen Reihen angreifen. Es gibt, kurz gesagt, eine Riesensauerei, in der besagte Rösser versinken und zu hilfloser Beute werden. Genau wir ihre Reiter, die von ihren schwer gepanzerten Rüstungen zu Boden gerissen werden. Am Boden sind sie den Dolchen und Schwertern der englischen Infanterie und den Bogenschützen hilflos ausgeliefert. Es gibt ein Blutbad, doch der Autor nimmt vor den Gräueln kein Blatt vor den Mund. Wohl dem Hörer, der über einen stabilen Magen verfügt. (Im Buch nimmt die Schlacht nicht weniger als hundert Seiten ein.)

Der Sprecher

Die Lesung verfügt weder über mehrere Sprecher noch über Musik oder Geräusche. Dennoch gelingt es dem hervorragenden Sprecher Stefan Kaminski, die Figuren zum Leben zu erwecken und folglich ihr Schicksal für den Hörer spannend zu machen. Er setzt sein „Stimmen-Morphing“ zum Besten der Geschichte ein, indem er jede bedeutende Figur durch bestimmte Merkmale unterscheidbar und so zu einem Akteur im Drama macht. Da wird gebrüllt und genuschelt, gerufen und gewütet, gefleht und zu den Heiligen gerufen: „St. Denis!“ vs. „St. Georg!“ Ja, so könnte es wirklich gewesen, ist der Hörer bald überzeugt.

Alles andere als Enthusiasmus in der Action würde der Hörer verdächtig finden, denn die Kampfszenen gehören zu den wichtigsten in der ganzen Geschichte, insbesondere im Finale, das ja aus der O-titelgebenden Schlacht besteht.

Unterm Strich

Der Sieg von Azincourt gehört wie der von Crécy 1346 zu jenen glorreichen Ereignissen, die im Nationalbewusstsein der Engländer verankert sind, wenn auch weniger in dem der Schotten, Waliser oder der Iren. Kein Wunder, dass Shakespeares Version der Schlacht mehrfach verfilmt worden ist, am besten wohl von und mit Kenneth Branagh in der Rolle von König Heinrich V.: „One more to the breach“, also „Nur noch einmal durch die Bresche“, ist in England schon ein geflügeltes Wort geworden.

Ich fand die geschilderten Geschehnisse auf Heinrichs Frankreichfeldzug fesselnd dargestellt, aber auch mit besonderem Realismus. Da werden Soldaten auf blutigste Weise hingerichtet oder auf dem Schlachtfeld abgemurkst, da werden Frauen – beinahe – vergewaltigt und viele Gräueltaten mehr begangen. Es ist das finsterste Mittelalter, das man sich nur vorstellen kann. Umso größer der Schock, dass im Ukrainekrieg russische Soldaten genau die gleichen Gräueltaten begehen wie einst ihre mittelalterlichen Berufskollegen. Sexuelle Kriegsführung gibt es also immer noch, denn sie ist Teil der psychologischen Kriegsführung, um den Gegner zu demoralisieren.

So glorreich der Sieg auch in England gewirkt haben mag, so hoch war auch der Preis an Menschlichkeit. Das zeigt der Autor in vielen Szenen mit schonungsloser Offenheit. Der Unterschied zwischen Mensch und Tier und hauchdünn, und wenn keine Kontrolle auferlegt wird, so bahnt sich das Tier im Menschen rücksichtslos Bahn. Hätten die Engländer nicht ihre Bogenschützen gehabt und wäre der Boden trocken gewesen, hätten die französischen Ritter sie einfach in Grund und Boden getrampelt. So aber sind die Würfel des Kriegsgottes zugunsten Nicks und seiner Engländer gefallen, und seiner Liebe ist eine Zukunft beschieden. Aber es war denkbar knapp.

Das Hörbuch

Obwohl dies lediglich eine Lesung ist und daher sowohl Geräusche als auch Musik fehlen, gelingt es dem Sprecher, die Geschichte spannend, anrührend und interessant zu gestalten. Ich habe die Lesung in nur einer Sitzung genossen, denn ich wollte unbedingt wissen, wie die Geschichte weitergeht. Zwar hat auch die relative Kürze von 406 Minuten verlockend gewirkt, aber die Hauptmotivation bezog ich aus dem gekonnten Vortrag des Sprechers.

Dass der Text offenbar erheblich gekürzt wurde, störte mich nicht, eher im Gegenteil. 400 Minuten sind an einem einzigen Nachmittag zu bewältigen: sechseinhalb Stunden.

Das Fehlen eines Booklets mit Zusatzinformationen fand ich schade. Bei den Uhtred-Hörbüchern erwiesen sich die im Booklet abgedruckten Landkarten und Namensverzeichnisse als sehr hilfreich.

CD: 406 Minuten.
O-Titel: Azincourt, 2006
Aus dem Englischen von Karolina Fell.
ISBN-13: 9783899643602

Audiobuch

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