In einer düsteren Zukunft existiert der mächtigste Magier seiner Zeit, Timothy Hunter, als ein verbitterter, bösartiger Mann, der mit Kriegen Geld verdient, Dämonen Partner nennt und verzweifelt versucht, seine Jugendfreundin Molly nach seinen Vorstellungen neu zu erschaffen. Doch diese Zukunft ist in Auflösung begriffen. Die Ursachen dafür liegen in einer Vergangenheit, in der Tim und Molly zu echten Freunden und Geliebten werden. Und so reist der Dämon Barbatos zurück in der Zeit mit den Auftrag, die Liaison zu verhindern.
Die Gelegenheit bietet sich, als Tim Molly die kleinen, hölzernen Freunde seiner Jugend, die beiden Narls Crimpel und Tanger, auf ihrem verlassenen Fabrikgelände vorstellen will (vgl. Band 4: „Konsequenzen“). Molly und Crimple werden „durch“ ein Puppenhaus in ein Reich entführt, das „Spielwiese der Dämonen“ genannt wird, wo sie in die Gefangenschaft großer, rosa Dinosaurier sowie einer verknöcherten Gouvernante geraten, welche Molly in eine lebende Puppe verwandeln will.
Tim bedient sich seiner Kräfte als „Öffner“, um gemeinsam mit Tanger den Verschwundenen zu folgen. „Drüben“ werden die zwei jedoch getrennt, und so muss Tim vorerst allein auf sich gestellt den seltsamen Bewohnern und Gefahren dieser Dimension trotzen, ohne dabei seine Identität einzubüßen und seine Freunde zu vergessen.
Deutete sich schon insbesondere im dritten und vierten Band das große Potenzial dieser Serie an, so hält Band fünf dieses unausgesprochene Versprechen. Fantastische Wesen, die eine nicht minder fantastische Welt bevölkern, humorvolle Dialoge, eine originelle, locker geschriebene Story und – vor allem – zwei starke Protagonisten machen „Verlassene Stätten“ zu einem großen Lesevergnügen.
Anfangs stutzt man ein wenig, weil zwischen „Konsequenzen“ und dem vorliegenden Roman ein deutlicher Bruch – oder besser Sprung – in Timothys Entwicklung insofern erkennbar wird, als er seine Magie auf einmal signifikant besser und gezielter einsetzen kann, ohne dass dafür eine nachvollziehbare Erklärung geliefert wurde. Aber dieses Zögern ist nur von kurzer Dauer, denn schnell wird deutlich, worum es der Autorin eigentlich geht: um die Beziehung zwischen Tim und Molly, um Liebe, Vertrauen und Integrität. Die Magie, Tims Fähigkeiten sind nicht mehr als Beiwerk, was sehr gelungen anhand von Mollys Reaktionen illustriert wird. Den Zaubereien zollt sie ähnlich viel Anerkennung wie Ohrenwackeln oder lustigen Grimassen: nett wenn man es kann, aber nicht wirklich wichtig.
Von den beiden Hauptfiguren ist ganz eindeutig Molly der „straightere“ Charakter. Wo Tim zweifelt und unsicher ist, weiß sie genau, was sie will; sie ergreift die Initiative, wenn Tim zögert, und vertritt ihre Meinung mit Nachdruck. Doch nicht nur Molly erweist sich als durch und durch emanzipiert von allen Rollenklischees, auch in Tims Verhalten und Denken manifestiert sich kaum eine Spur von männlichem Machismo; und wenn doch, so wird dieses durch die äußeren Umstände konterkariert. Hier liegt ein zentraler Unterschied zu den vergleichbaren „Harry Potter“-Büchern Rowlings, in denen sich die Protagonisten weitgehend noch geschlechterrollenkonform verhalten. Der andere Unterschied besteht darin, dass Tim im Gegensatz zu Harry keine Erlöserfigur ist, die von anderen gleichsam angebetet wird, sondern ein authentischer, glaubwürdiger Junge.
Über die beiden Hauptfiguren sollte man die beiden Narls nicht vergessen. Crimple und Tanger sind so putzig und warmherzig gezeichnet, dass sie mich unwillkürlich an die liebenswert arglosen Schöpfungen Tove Janssons erinnern. Furchtsam und naiv haben sie ihre ganz eigenen Vorstellungen von der Welt außerhalb ihres kleinen Horizontes.
Wirkten die ersten Romane der Reihe noch überhastet, so hat die Autorin mittlerweile das richtige Tempo gefunden. Zwar schreitet die Handlung nach wie vor schnell voran, aber allein die Fülle der Ideen lässt die Zeit subjektiv langsamer vergehen und die Geschichte länger erscheinen, als sie ist. Stilistisch ist der Roman mit seinem einfachen Satzbau eher für Jugendliche konzipiert; dennoch sollte jeder jung gebliebene Erwachsene an diesem Buch viel Freude haben, vermittelt es doch eine Leichtigkeit und einen „Sense of Wonder“, der vielen 500-Seiten-Schinken abgeht.
Fazit: Humorvolle und tiefgründige, mit leichter Hand geschriebene Urban-Fantasy. Skurrile Wesen in einer originellen Story. Definitiv das bisherige Highlight des „Timothy Hunter“-Zyklus. Sehr empfehlenswert.
Während des II. Weltkriegs treffen auf hoher See Menschen und Außerirdische zusammen. Beide Gruppen geraten in Not und müssen einander helfen, um überleben zu können … – Ein kleiner Klassiker der Science Fiction, der nicht schleimiges Grauen aus dem All gegen bis an die Zähne bewaffnetes Erdenvolk antreten lässt. Stattdessen präsentiert der Verfasser lebendige Figuren in einer spannenden, intelligenten, ungewöhnlichen Story, die durch ihren versöhnlichen Grundton und Einfallsreichtum besticht. James White – Gefangene des Meeres weiterlesen →
Buch 1: [„Das magische Juwel“ 2183
Buch 2: [„Das Geheimnis des Saumländers“ 2200
Rowan ist von den Binnenländern nach Alemeth gekommen. Im Annex, der Außenstelle des Ordens, will sie nach Hinweisen suchen, um herauszufinden, wo Slado sich aufhält. Allerdings befindet sich der Annex in einem chaotischen Zustand. Mira, die Steuerfrau, die ihn hätte verwalten sollen, hat sich keinen Deut darum gekümmert, und Rowan kann sie nicht einmal dafür anbrüllen, weil sie inzwischen gestorben ist.
Schon bald jedoch verblasst das Problem des Sortierens angesichts der Tatsache, dass in Alemeth Dämonen auftauchen, Lebewesen, die eigentlich im Saumland heimisch sind und in den Binnenländern weder geeignetes Wasser noch geeignetes Futter finden. Die Bewohner Alemeths lernen bald, die Dämonen wirkungsvoll zu bekämpfen. Einer der Eifrigsten ist Janus, ehemaliger Steuermann und Rowans Freund aus Ausbildungstagen. Dann kommt der Tag, an dem eine ganze Gruppe Dämonen nach Alemeth kommt, zu viele, um ihrer Herr zu werden. Sie schnappen sich Janus und verschwinden.
Gemeinsam mit Steffie, einem jungen Burschen, der ihr im Haushalt hilft, macht Rowan sich daran, die Dämonen zu verfolgen …
|Allerlei Volk|
Die Binnenländer sind ein völlig anderes Völkchen als die Saumländer. Sie sind vernünftig und bodenständig, aufgeschlossen, gesellig und feiern gern. Mira kam diesem Wesenszug entgegen, war ebenfalls leutselig und liebte es, zu klatschen und einen über den Durst zu trinken. Rowan ist völlig anders, weshalb die Alemether zunächst so ihre Vorbehalte haben, die nach dem Sieg über den ersten Dämon jedoch rasch schwinden.
Steffie dagegen hat von Anfang an einen guten Draht zu Rowan. Er ist nicht der Allerschnellste, dafür aber unvoreingenommen, und er besitzt Beobachtungsgabe. Sein schlichtes Gemüt ist frei von Eigennutz und Unaufrichtigkeit. Er ist Rowan, die Bel schmerzlich vermisst, eine große Unterstützung, nicht nur, weil sie mit ihm reden kann, sondern auch, weil er sie vor denjenigen Einwohnern in Schutz nimmt, die dazu neigen, schlecht von Rowan zu denken.
Rowans schlechter Ruf basiert nicht unbedingt nur auf ihrer etwas spröden Art. Janus hilft mit ein paar gelegentlichen Bemerkungen kräftig nach. Dabei will er Rowan nicht wirklich etwas Böses. Aber es ist klar, dass er ihr etwas verheimlicht, er wirkt zerrissen und fahrig, und auch seine gelegentliche, aufgesetzte Fröhlichkeit kann darüber nicht hinwegtäuschen. Und schließlich findet Rowan heraus, dass er lügt. Für Rowan ist es eine äußerst schmerzliche Erkenntnis, dass sie ihrem früheren Freund offenbar nicht mehr trauen kann.
Nicht minder schmerzlich ist diese Erkenntnis für Zenna, die als Ersatz für Mira aus Wulfshafen gekommen ist. Zenna hat eine gewisse Ähnlichkeit mit Bel. Sie ist ungeheuer zäh – trotz eines fehlenden Beines hat sie gelernt, wieder zu rennen – und lässt sich genauso wenig dreinreden. Im Gegensatz zu Rowans eher einzelgängerischem Wesen kann Zenna recht gut mit Menschen umgehen. Als Matrosin auf einem Schiff aufgewachsen, ist sie genau die Richtige, um Rowan nach Süden zu begleiten und Steffie das Segeln beizubringen, wovon sie sich auch durchaus nicht abbringen lässt.
|Die Dämonenwesen|
Abgesehen von dem Geheimnis um Janus stehen die Dämonen diesmal im Mittelpunkt. Die Bezeichnung Dämonen legt eine unstoffliche, magische Wesenheit nahe, was aber irreführend ist. Dämonen sind fremdartige, aber stoffliche Wesen, die nichts mit Magie oder Übersinnlichkeit zu tun haben. Für Rowan sind sie Tiere, und es ist nur logisch, dass sie einen seziert, um möglichst viel über diese unbekannte Lebensform herauszufinden. Am meisten beschäftigt sie jedoch die Frage, warum die Dämonen so hartnäckig in ein für sie derart lebensfeindliches Gebiet vordringen. Als Janus entführt wird, ist Rowan sicher: Die Dämonen werden von Slado geschickt! Sie haben Janus entführt, weil er etwas über Slado herausgefunden hat!
Die Expedition in unbekannte Gewässer ist schwierig, aber nichts im Vergleich zu dem, was Rowan an Land erwartet. Das Land ist karg und fremdartig, und vieles von dem, was Rowan vorfindet, ergibt keinen Sinn. Als sie schließlich auf Dämonen stößt, macht sie eine Entdeckung, die alle ihre Vermutungen und Schlussfolgerungen über den Haufen wirft. Es gelingt ihr, Janus zu finden. Doch obwohl dieser einst ein Steuermann war, scheint er nicht in der Lage, die Bedeutung ihrer Entdeckung gedanklich zu erfassen, geschweige denn, dass er bereit wäre, Konsequenzen daraus zu ziehen …
|Charakterbilder und Gesamteindruck|
Die Charakterzeichnung ist gut gelungen, das gilt für jeden einzelnen Einwohner von Alemeth, ganz gleich, wie häufig er auftaucht. Bürgerwehr und Kaufleute, das Getratsche am Waschtag, die undifferenzierten, voreingenommenen Sichtweisen von Gwen auf der einen, Steffies erwachendes Interesse an den Logbüchern der Steuerfrauen und den darin enthaltenen Abenteuern auf der anderen Seite, das alles zeichnet ein lebendiges, realistisches Bild einer Kleinstadt. Dazu kommen Janus‘ Verstörtheit, die schon an eine Manie grenzt, und sein eigenartiges Verhalten …
Die Handlung braucht ein Weilchen, um in Schwung zu kommen, hält dann aber, im Gegensatz zum zweiten Band, den Leser etwas mehr bei der Stange. Rowan will unbedingt Slados Festung finden und hofft, dabei nicht nur Janus zu befreien, sondern auch eine Menge Antworten auf ihre drängenden Fragen zu erhalten. Der Weg dorthin sowie die Funde am Rand des Weges sind interessant beschrieben und schüren die Neugier. Die Verwirrung, die Rowan bei ihrer Entdeckung empfindet, wird gut rübergebracht. Leider stellt sich letztlich heraus, dass der Leser am Ende des Bandes noch immer keinen Deut weitergekommen ist! Die Autorin geht schon äußerst sparsam mit ihren Informationen um.
Das Niveau ist demnach ziemlich gleich geblieben, allerdings war die Geschichte diesmal frei von Durchhängern, wenngleich das Ergebnis am Ende zwar ein wenig überraschend, aber – im Hinblick auf Fortschritte – auch ein wenig enttäuschend war. Die Ereignisse stehen ziemlich außerhalb des ursprünglichen Kontextes und laufen Gefahr, zur nebensächlichen Abschweifung zu werden, es sei denn, die Autorin findet im vierten Band noch einen Weg, das Geschehen des dritten Bandes mit sinnvollen Auswirkungen in die weiterführende Handlung einzuflechten.
Rosemary Kirstein ist Amerikanerin und hat schon in den unterschiedlichsten Berufen gearbeitet. Außerdem ist sie in der Folk-Szene aktiv, spielt Gitarre und singt. Die einzelnen Bände ihres Zyklus |Die Expedition der Steuerfrau| sind mit teilweise erstaunlichem zeitlichem Abstand entstanden. Der jüngste Band „The language of power“ erschien 2004, das Erscheinen der deutschen Übersetzung unter dem Titel „Die Sprache der Macht“ ist für Januar 2007 vorgesehen.
Courtney und Mark haben es nicht immer einfach. Sie sind die besten und vertrautesten Freunde des urplötzlich verschwundenen Bobby Pendragon und kennen als Einzige dessen tatsächlichen Aufenthaltsort. Tagtäglich beschäftigen sie sich mit den heldenhaften Sagen, die Bobbys Leben in fremden Welten erzählen, und bewahren so das letzte verbliebene Lebenszeichen des durch die Galaxien beamenden (oder hier flumenden) Jungen. Doch statt ihr Wissen mit anderen zu teilen, verstecken sie diese Geschichten als ihre am besten gehüteten Geheimnisse vor der Außenwelt. Sobald die Polizei nämlich davon etwas erfahren würde, ginge die Suche nach dem schon aufgegebenen 14-Jährigen in eine neue Runde, und das könnte für alle Beteiligten sehr unangenehm werden.
Was Bobby allerdings zu erzählen hat, fasziniert seine irdischen Freunde jedoch von Tag zu Tag mehr. Sein neuestes Abenteuer spielt in der Wasserwelt von Cloral, in die Bobbys geretteter Onkel den jungen Helden führt. Saint Dane, Bobbys neuester Konkurrent, beobachtet dies ganz genau und verfolgt Bobby auf Schritt un Tritt. Statt ihn aber auf direktem Wege zu vernichten, sorgt er dafür, dass die Bewohner von Cloral nicht mehr ausreichend mit Nahrung versorgt werden bzw. dass Cloral vergiftet wird, und plant somit, die gesamte Wasserwelt ins Verderben zu stürzen.
Auf der Suche nach Rettung scheint dem Volk nur noch die mysteriöse Stadt Faar zu bleiben, die dem Mythos nach vor ewiger Zeit im Meer versunken ist. Bobby und sein Kumpane Spader begeben sich daran, das Volk von Cloral zu ihrer eigentlichen Heimat zu führen. Doch wiederum scheint ihnen Saint Dane zuvorgekommen zu sein …
_Meine Meinung_
Die Story des jungen Pendragon geht weiter, bleibt aber ihren Ursprüngen aus dem ersten Band rein charakteristisch weiterhin treu. Natürlich hat sich D. J. MacHale stilistisch nicht vom eingeschlagenen Kurs hinweg bewegt, und ehrlich gesagt fallen einem die sprachlichen Defizite hier sogar noch stärker auf, aber irgendwie bekommt der TV-erfahrene Autor dann doch noch die Kurve und das Buch rund.
In diesem Fall geingt ihm dies durch eine erhebliche Steigerung des tatsächlichen Fantasy-Anteils bei gleichzeitigem Ansteig der echten Action. Mit der Legende von Faar belebt er zudem eine faszinierende Sage von Neuem, deren geheimnisvolle Ausstrahlung einen auch fortlaufend dazu bewegt, weiterzulesen und mehr über den Mythos zu erfahren. Spannung ist also weiterhin garantiert und im Grunde genommen erkennt man in „Die verlorene Stadt Faar“ die recht amitionierte Vorgehensweise des Autors auch an, aber eine gewisse Ablehnung des Stilbildes dieses Buches lässt sich einfach nicht vermeiden. Keine Ahnung ob es jetzt an der Übersetzung oder an einer eher zweitklassigen Originalvorlage gelegen hat, aber die viel zu lässige Sprache bleibt ein Störenfried, der einfach nicht zum abenteurlichen Inhalt passen möchte.
Eine andere Sache, die es zu kritisieren glt, ist die Art und Weise, wie MacHale das Buch aufgebaut hat. Prinzipiell baut „Die verlorene Stadt Faar“ nämlich fast ausschließlich auf Rückblicken auf, die Bobbys Freunde Mark und Courtney in den Journalen, die sie von Bobby geschickt bekommen, nachlesen und aus neutraler Perspektive nachempfinden können. Es ist dabei schon ziemlich oft so, dass die Situation für die Hauptfigur äußerst prekär ist, doch weil Bobby seine schriftlichen Abenteuerberichte ja stets nachher einreichen muss, weiß man, dass er selbst aus der gefährlichsten Situation entrinnen wird. Dieser Aspekt hemmt die Entwicklung ein wenig, zumal die Zwischensequenzen von der Erde den Plot auch nicht weiter voranbringen, ihn eigentlich sogar ausbremsen. Eigentlich interessiert den Leser nämlich nur, was mit Bobby geschieht und was es mit Faar auf sich hat, und da ist die irdische Realität eher zweitrangig. Und in diesen Szenen darf man im Übrigen dann auch nicht mehr von Fantasy sprechen …
Warum ich „Die verlorene Stadt Faar“ aber dennoch empfehlen möchte? Nun, dafür gibt’s keinen plausiblen Grund, aber zumindest mehrere Ansätze. Zunächst einmal finde ich es immer ungünstig, eine Serie mittendrin zu unterbrechen oder gar zu beenden, weil sie mal kurz lahmt. Dann möchte ich darauf hinweisen, dass die Ideen in diesem zweiten Buch grundlegend gut sind und es dem Autor auch sehr schön gelungen ist, eine eigene Welt aufzubauen, deren Schauplätze und Figuren auch glaubwürdig sind. Spannung ist ebenfalls kein Fall für die Klagemauer und in manchen Passagen sogar enorm gut ausgeprägt. Und auch die neuen Charaktere bekommen alsbald Sympathien zugesprochen, da sie sich prima in die Gesamthandlung einfügen.
Es gibt also reichlich Argumente pro und kontra, doch für mich überwiegen letztendlich schon die positiven Eindrücke, die mich ohne Ausschließung der Kritikpunkte auch neugierig auf den nächsten Teil der Reihe machen. Auch wenn die moderne Fantasy-Literatur sicherlich Besseres zu bieten hat als „Pendragon“ … Ich bleibe dran.
Ein Buchrücken, der nicht viel Interessantes verspricht, ein Cover, das wegen der kitschigen Darstellung mehr abschreckt als einlädt, und eine Saga, die sich über ganze sieben Bände erstrecken soll, nach dem Erkunden der Inhaltsangabe aber eher darauf schließen lässt, als echte Serie nicht sonderlich gut geeignet zu sein. Das ist „Pendragon“, eine noch recht frische Fantasy-Serie vom amerikanischen TV-Drehbuchautor D.J. MacHale und laut mehreren Zeugenaussagen die Fantasy der Zukunft. Doch trifft dies wirklich zu?
_Story_
Bobby Pendragon ist der Star der Highschool, und das mit gerade mal 14 Jahren. Und diesen Ruf möchte er in Kürze noch weiter ausbauen, denn im entscheidenden Spiel der schulinternen Basketballmeisterschaft ist er in der ersten Garde des Teams seiner Highschool. Beflügelt durch einen überraschenden Kuss der schönen und beliebten Courtney bereitet er sich im Stillen auf das große Match vor, doch dann wendet sich das Blatt.
Freut sich Bobby anfangs noch über den erneuten Besuch seines Onkels, macht dieser ihm letztendlich einen Strich durch die Rechnung. Er erzählt Bobby von der bedrohten Welt und davon, dass er die einzige Person ist, die das furchtbare Schicksal noch wenden kann. Doch dazu bedarf es sofortigen Handelns und somit auch des Aufgebens seines jetzigen Umfelds. Kein Basketballfinale, keine Courtney, keine Starallüren. Bobby ist jedoch skeptisch und mit der Bitte eines Onkels überhaupt nicht einverstanden.
Erst als sich die beiden in eine verlassene U-Bahn-Station inmitten der New Yorker Bronx begeben und der junge Pendragon Zeuge einer wilden Verfolgungsjagd wird, der sein Onkel als Gefangener zum Opfer fällt, ist Bobby bereit, seiner Berufung zu folgen. Durch ein Wurmloch gerät er schließlich in eine andere Welt, in der er auf weitere Gefährten trifft, die ein ähnliches Schicksal wie er teilen. Gemeinsam begeben sie sich auf die Suche nach Bobbys Onkel und den geheimnisvollen Rittern, die ihn auf der Erde entführt haben. Doch die eigene Familie ist nicht sein einziges Problem. Ein Krieg steht nämlich unmittelbar bevor, und bevor sich Bobby versieht, muss sich der Teenager der drohenden Vernichtung stellen – und das ohne jegliche Vorahnung …
_Meine Meinung_
Na ja, die Ideen, die D.J. MacHale hier in den Plot einfließen lässt, sind alles andere als neu, geschweige denn in irgendeiner Form innovativ. Ein junger Mann soll als Zeitreisender eine fremde Welt retten und wird von einem Tag auf den nächsten von seinem Schicksal überrannt. Klingt wie der Plot eines kitschigen Hollywood-Streifens und kommt dem eigentlich auch sehr nahe. Kitsch auch deswegen, weil die Statusbeschreibung des Protagonisten anfangs auch an die Einleitung einer zweitklassigen Highschool/Teenie-Geschichte wirkt. Bereits hier merkt man, dass der Autor über fortgeschrittene Erfahrungen aus der Filmbranche verfügt und diese auch flächendeckend einsetzt.
Andererseits ist MacHale aber auch ein toller Erzähler, denn seine Geschichte ist sehr phantasievoll gestaltet und bietet auch genügend Spannung, um den (jugendlichen) Leser von der ersten bis zur letzten Seite bei der Stange zu halten. Schon ab dem Moment, in dem Bobbys Onkel ins Geschehen eingreift und die Welt des beliebten Teenagers durcheinander bringt, gewinnt die Story ordentlich an Fahrt und Vielschichtigkeit, die MacHale indes wieder dazu nutzt, um der Geschichte einen tollen Hintergrund zu verpassen. Die Welt, in der sich Bobby nach seinem Sprung durch Zeit und Raum aufhält, ist dabei das Sahnestück einer farbenfrohen, sehr ausgefüllten Standortbeschreibung, die ganz klar zu den Stärken des Autors zu zählen ist.
Dem gegenüber steht aber leider ein allzu plumper Schreibstil, der in vielen Szenen nicht darüber hinausreicht, immer wieder klarzustellen, wie cool doch alles ist. Bobby erlebt auf seiner Reise so viele verschiedenartige Dinge, doch nur selten gelingt es MacHale auch, diese Ereignisse mit ähnlich atemberaubender Präzision in Szene zu setzen wie die eindrucksvollen Schilderungen der Handlungsschauplätze. Und schon haben wir den nächsten, weitaus schwerwiegenderen Ausflug nach Hollywood entdeckt, dessen Beigeschmack diesmal deutlich fader ist. Manche Dialoge finden zum Beispiel auf einem sprachlich eher minderwertigen Niveau statt und unterstreichen die eingangs erwähnten Kitsch-Anteile von „Pendragon“. Das mag den jüngeren Leser zwar jetzt weniger stören als das anspruchsvolle Fantasy-Publikum, wird aber mit zunehmender Lesedauer doch als störend empfunden.
Große Teile der sprachlichen Defizite kann MacHale dann aber – besonders in der zweiten Hälfte von „Der Händler des Todes“ – durch die relativ souveräne Entwicklung des Inhalts kaschieren. Sobald Bobby Pendragon nämlich seine Überheblichkeit abgelegt hat und sich vom vorbestimmten in einen tatsächlichen Helden verwandelt, beginnt man, sich mit der Hauptfigur zu identifizieren und Sympathien für seinen Charakter zu entwickeln. Gleichzeitig gelingt es dem Leser dann auch, sich durch die oberflächlichen Anfangsdialoge durchzukämpfen und schließlich in die Welt des jungen Reisenden einzutauchen, die nach späteren Erkenntnissen weitaus größer und umfangreicher ist, als man dies zunächst vermuten mag. Und dass MacHale spätestens hier ganze Arbeit geleistet hat, indem er die Spannungskurve linear ansteigen lässt, kann man trotz der anfänglichen und zu Recht geäußerten Bedenken nicht mehr abstreiten.
Diese neue Serie sollte man daher auch in zwei Seiten aufteilen. Auf der einen steht eine spannende, schöne Geschichte, auf der anderen einige Defizite, die in erster Linie mit der auf modern getrimmten, aber nicht gerade der modernen Fantasy-Literatur entsprechenden Sprache zu tun haben. Gerade jüngeren Lesern möchte ich diese neue Reihe aber dennoch empfehlen, denn auf der Suche nach kurzweiliger Unterhaltung (und das beziehe ich zunächst nur auf „Der Händler des Todes“) ist man bei diesem ersten Band genau richtig.
Mit gerade einmal 25 Jahren gehört Licia Troisi sicherlich zu den jüngsten Fantasy-Autorinnen weltweit, kann aber dennoch auf eine gehörige Reputation aufblicken, die ihr besonders ihre neue Trilogie „Die Drachenkämpferin“ eingebracht hat. Die Geschichte der Saga ist dabei aber auch ziemlich spektakulär. Noch während ihres Studiums im Bereich der Atomphysik arbeitete Troisi das Manuskript der Buchreihe aus, klopfte anschließend mal ganz vorsichtig bei einem Verlag an und verkaufte kurze Zeit später bereits mehr als 100.000 Einheiten der Geschichte um die junge Nihal. Und dies, den Eindrücken des ersten Bands „Im Schatten des Windes“ zufolge, verdientermaßen!
_Story_
Im zarten Alter von gerade mal 14 Jahren schlägt sich ein junges Mädchen namens Nihal mit ihren ausschließlich männlichen Freunden durch die Straßen von Salazar und hat wegen ihrer kämpferischen Raffinesse mittlerweile auch schon so etwas wie eine Anführerrolle übernommen. Aus der Reihe der Gleichaltrigen scheint ihr niemand gewachsen zu sein, und von Tag zu Tag kann Nihal den Status der Gefürchteten weiter ausbauen. Dann jedoch trifft sie auf den arroganten Sennar, der ihr die eigenen Grenzen aufzeigt. Er verfügt über magische Fähigkeiten und weist das Mädchen relativ schnell in die Schranken.
Nihal mag ihren neuen Gegner zwar nicht, ist aber dennoch von dessen Eigenschaften fasziniert. Entgegen des Wunsches ihres Vaters Livon, der sich seine Brötchen als Waffenschmied verdient, sucht sie ihre Tante Soana auf, die angeblich ebenfalls der Magie mächtig ist.
Soana ist ebenfalls nicht begeistert von der plötzlichen Ankunft Nihals. Um sie als Schülerin aufzunehmen, muss sie zunächst eine Prüfung in einem gefürchteten Wald auf sich nehmen. Dort trifft sie dann auch einen alten Bekannten wieder, der dieses Mal jedoch auf ihrer Seite steht und zu einem wichtigen Verbündeten wird: Sennar! Gemeinsam meistern sie die Situation und unterziehen sich fortan beide ihren Prüfungen bei Soana. Sennar als Anwärter auf eine Position im Rat der Magier, Nihal als angehende Zauberin, wobei sie zudem die Kunst des Schwertkampfes erlernen soll.
Eines Tages trifft sie dann auf den Drachenreiter Fen und ist sofort begeistert von dessen Ausstrahlung und Anmut. Er wird ihr nicht nur ein Vorbild, sondern vom ersten Tag an ist sie in den Hüter des erhabenen Tieres verliebt. In ihm erkennt sie auch die eigene Zukunft wieder. Gegen den Rat ihrer neuen Freunde beschließt sie, ebenfalls die harte Schule der Drachenreiter zu durchlaufen. In vielen ausgedehnten Trainingseinheiten erlangt sie hierzu die wichtigsten Fertigkeiten und bewirbt sich nach langem Zureden tatsächlich für die Akademie. Doch wiederum stößt sie auf wenig Gegenliebe. Rivan, Leiter der Schule akzeptiert keine Frauen in seiner Elitestätte, lässt sich aber schließlich doch auf Nihals stures Verlangen ein.
Und erneut setzt sie sich durch, übersteht die eigentlich umöglich zu bewältigende Aufnahmeprüfung und steht kurz vorm Ziel ihrer Träume. Als es dann aber in die erste Schlacht geht, muss Nihal die bitterste Niederlage ihres gesamten Lebens hinnehmen. Sie erfährt von ihrer tatsächlichen Herkunft, von ihrem Schicksal als die letzte verbliebene Halbelfe und muss zusehen, wie ihr Ziehvater Livon im Kampf von einem feindlichen Fammin niedergestreckt wird. Der Hass auf den Tyrannen, der seit geraumer Zeit die Länder der Aufgetauchten Welt plagt, steigt ins Unermessliche, und Nihals Entschluss, sich dem mächtigen Gegner im Krieg entgegenzustellen, steht fest. Als dann in einem schweren Gefecht auch noch ihr angebeteter Fen, gleichzeitig Soanas Gemahl, im Kampfe stirbt, gibt es für die niedergeschlagene Nihal kein Zurück mehr. Ihre Bestimmung besteht darin, als Drachenreiterin den Tyrannen zu vernichten und ihr Volk sowie ihre Verbündeten zu rächen. Doch schon bald muss die junge Halbelfe erkennen, dass Willenskraft und stures Verlangen hierzu nicht ausreichen …
_Meine Meinung_
Das Buch hat knapp 400 Seiten und wurde von mir innerhalb eines langen Abends goutiert. Eigentlich brauche ich jetzt schon nichts mehr darüber zu schreiben, denn das Tempo, mit dem ich dieses Buch verschlungen habe, sagt eigentlich schon genug über den fabelhaften Inhalt von „Im Land des Windes“ aus. Dabei war der Anfang alles andere als spektakulär, denn die Geschichte um das eigenartige Mädchen, das sich in der Gesellschaft von kampfeslustigen Jungs viel besser aufgehoben fühlt als unter ihresgleichen, bot relativ viele bekannte Zitate und schien noch auf der Suche nach einer eigenen Identität zu sein. Dann aber, mit zunehmender Entwicklung und gleichzeitig arg beschleunigtem Erzähltempo, sorgt die Autorin für fast schon dauerhaft anhaltende Gänsehautmomente, die sehr eng mit dem mysteriösen Schicksal der blauhaarigen Halbelfe verknüpft sind.
Doch wer ist diese Nihal, die seit Jahren in ihren Träumen von schrecklichen Visionen und beschwörenden Stimmen verfolgt wird? Was genau steckt hinter diesem Mädchen, dem immer wieder nur Steine in den Weg gelegt werden? Diese Frage gilt es in „Die Drachenkämpferin“ zu ergründen, denn diese kleine Lady hat so viele verschiedene Seiten, dass sie immer wieder mit unerwarteten, überraschenden Handlungen die gesamte Geschichte der Aufgetauchten Welt auf den Kopf stellt. Jedoch scheint ihr Weg trotz aller Hindernisse vorbestimmt, denn was immer sich ihr auch in den Weg stellt, die zurückgelassene Halbelfe hat stets eine schlagkräftigere Antwort parat und kann sich selbst gegen die gröbsten Widersacher durchsetzen. Dies mag dann ein Mangelpunkt sein, den man als Leser kritisieren darf, denn dass das junge Mädchen wirklich jeden Kampf früher oder später für sich entscheiden kann, macht die Geschichte in gewissen Punkten zu vorhersehbar. Dass sie Soanas Prüfung übersteht, geht ja noch in Ordnung, und dass sie in der Akademie der Drachenreiter eine Chance bekommt, ebenfalls, doch schon an der Stelle, wo sie ganzen zehn erfahrenen Drachenkämpfer in der Arena den Garaus macht, fragt man sich, wann Nihal mal ernsthafte Rückschläge im Kampf erleben wird. Immerhin ist die junge Dame bis dorthin immer noch minderjährig und ihre maskulinen Kontrahenten sind zumeist weitaus muskulöser und kampferprobter …
Dafür muss Nihal dann aber andere Rückschläge einstecken, und die sind im Grunde genommen noch schwerwiegender als die vergleichsweise kleinen Niederlagen, die ihr sonst blühten. Jedoch stehen all diese negativen Ereignisse nicht in ihrem Einfluss. Der Tod von Fen, das Schicksal ihres niedergemetzelten Volkes, der Tod ihres Ziehvaters, die vergebene Liebe zu Fen, die selbst vor ihrem Tod aussichtslos war. Kann sie die Dinge hingegen selber anpacken, geht sie stets siegreich hervor, und das ruft zwischenzeitlich einige (bzw. die einzigen) Zweifel auf den Plan.
Ihre Entwicklung ist jedoch dennoch wirklich toll beschrieben. Aus dem freudigen, lebenslustigen Mädchen wird eine ernste, nachdenkliche, bisweilen auch ängstliche junge Frau, der das Leben trotz der vielen Erfolge sehr oft übel mitspielt. Auf selbst erlangte Fortschritte folgen meist fremd beeinflusste Niederlagen, und so gilt es für Nihal erst einmal, ihren eigenen Weg zu finden, bevor sie in den Kampf ziehen kann. Ihr neuer Lehrer Ido zeigt ihr mit ernüchternder Ehrlichkeit auf, wo Nihal ihre Defizite hat und weist sie gleich mehrfach zurück. Obwohl diese weiß, dass Ido Recht behält, kommt sie mit der Kritik nicht klar, kann sie nicht akzeptieren. Sie ist schließlich die starke Person, das Mädchen, das sich gegen alle durchgeboxt hat, und ausgerechnet der verwegene Gnom soll ihr dabei Grenzen setzen? Doch Nihal erkennt, dass sie im Unrecht ist und denkt über ihre Rolle nach. Immer mehr isoliert sie sich von ihrer Umwelt, kämpft für ihre eigenen, vom Hass getrieben Ideale und rennt dabei gegen eine Wand an. Noch hat sie Erfolg mit ihrer eigensinnigen Art, doch sie weiß auch, dass ihr das Glück nicht immer hold sein kann.
Diese Misere zu umschiffen, ist Nihals größte Prüfung. Sie muss lernen, das Leben zu lieben und sich selber gegenüber nicht gleichgültig zu sein. Es gilt ihre Motive zu überdenken, nicht blindwegs in den Tod zu laufen und ihren Hass zu kanalisieren. Im Kampf gegen den Tyrannen kann sie nur dann zur ausschlaggebenden Waffe werden, wenn sie lernt, ein Teamspieler zu werden. Und das, obwohl die letzten Jahre ganz im Zeichen der Einzelkämpferin Nihal standen …
Was Licia Troisi aus dieser Figur macht, ist einfach nur ganz große Klasse. Als vereinsamtes, ungeliebtes Kind des Schicksals gibt Nihal die perfekte Hauptfigur eines Fantasy-Romans ab und bleibt in ihrem Wesen dabei ähnlich undurchdringlich wie die Geschichte selber. Es gibt noch so viel zu ergründen, so viele Geheimnisse aufzudecken, und zum Ende hin offenbart sich „Im Land des Windes“ sogar als Beginn einer noch größer angelegten Serie. Der Umfang wird immer größer, die Verstrickungen immer tiefer und die Atmosphäre immer dichter – dieses Buch hat bis zum Ende all das zu bieten, was man von einem fesselnden Serienauftakt erwartet, und noch ein bisschen mehr. Mir tut es zwar schon ziemlich weh, dass ich mich jetzt bis 2007 bzw. 2008 gedulden muss, um die Fortsetzungen zu lesen, aber die hier in kürzester Zeit aufgesogenen Eindrücke sind so tief durchgedrungen, dass ich die Person Nihal und ihr tragische Schicksal bis dahin sicherlich nicht vergessen werde. Nein, dafür habe ich mich zu sehr in diese sture Heldin verliebt.
Lirael und Sam haben es bis ins Haus der Abhorsen geschafft, wo sie allerdings bald von den Sklaven einer größeren Toten belagert werden. Um das Haus verlassen zu können, müssen sie einen unterirdischen Tunnel benutzen, was nicht ganz ungefährlich ist. Auch sonst müssen sie sich einige Tricks und Kniffe einfallen lassen, um ungeschoren den roten See zu erreichen, wo Sams Freund Nick sich aufhält und das Grauen ausgräbt. Bei ihrer Ankunft stellen sie mit Schrecken fest, dass die beiden silbern schimmernden Hemisphären, um die es geht, bereits auf Kähne verladen werden. Obwohl es Lirael gelingt, Nick aus dem Lager zu holen, kann sie nicht verhindern, dass er sich von ihr losmacht und zu Hedge zurückkehrt, und dass die Hemisphären abtransportiert werden. Auch die Überwindung der Mauer kann sie nicht verhindern. Jetzt bleibt nur noch, die Blitzfarm in Ancelstierre zu vernichten, ehe die Hemispären dort eintreffen. Doch die Zeit läuft Lirael und ihren Freunden davon …
|Charakterreifung und Enthüllungen|
Im letzten Band gelingt es Lirael endlich, sich von ihrem verzweifelten Wunsch nach einem Leben als Clayr zu lösen und sich selbst und ihre wahre Aufgabe zu akzeptieren. Zwar ist sie nicht frei von Angst bei dem, was sie tun muss, doch wie so oft hat sie als Heldin weder eine Wahl noch die Zeit, überhaupt darüber nachzudenken. Am Ende der Ereignisse fehlen allerdings die Bitterkeit und das Selbstmitleid, welche die Erkenntnis, dass sie keine echte Clayr ist, stets begleitet haben. Lirael ist erwachsen geworden.
Ebenso Sam. Seit sich herausstellt hat, dass er gar nicht der Abhorsen-Nachfolger ist, sondern das Blut der Mauermacher trägt, jener Chartermächte, die sich mit den Steinen der Mauer zwischen Ancelstierre und dem alten Königreich verbanden und darin aufgingen, ist der Druck einer Bürde, für die er nicht gemacht ist, von ihm abgefallen. Auch er hat immer noch Angst, aber jetzt, wo er weiß, dass er seiner Aufgabe auch gewachsen ist, fällt es ihm leichter, die Angst zu beherrschen. Er ist sogar bereit, sich Hedge zu stellen! Sein gestärktes Selbstbewusstsein ist für Lirael eine große Hilfe.
Aber nicht nur Lirael und Sam sind innerlich gewachsen, auch Hedges Macht hat außerordentlich zugenommen, seit die Hemisphären ans Tageslicht gelangt sind. Gleichzeitig verschiebt sich der Schwerpunkt des Kampfes von Hedge weg. Obwohl noch gefährlicher als zu Anfang, ist Hedge jetzt endgültig nur noch der Handlanger einer weit größeren Macht, die immer selbstständiger agiert, je näher sie ihrem Ziel kommt.
Die größte Überraschung waren Moggets wahre Identität sowie die der fragwürdigen Hündin. Wobei die Enthüllung Letzterer nicht ganz so überraschend war, eher wie ein Déjà-vu, das mich schmunzeln ließ.
|Die Magie des alten Königreichs|
Diese Enthüllungen gehörten unter anderem auch zu den Puzzleteilen, die das Bild von der Magie des alten Königreiches weiter vervollständigten. Der Zusammenhang zwischen den Glocken und der Charter, das Rätsel um die Neun und die Entstehung der Welt sind nun geklärt. Trotzdem gibt es noch unbeantwortete Fragen, zum Beispiel die nach dem Geschlecht der Mauerbauer. Auch fragte ich mich, warum im ersten Band weder Mogget noch Touchstone über die Charter reden konnten. Bei Mogget ist es inzwischen nachvollziehbar, nicht aber bei Touchstone. Allerdings schätze ich, diese Fragen werden wohl unbeantwortet bleiben. Da es schwierig werden dürfte, eine Bedrohung zu ersinnen, die noch umfassender ist als die eben Bezwungene, ist in diesem Fall wohl nicht unbedingt mit einer Fortsetzung zu rechnen. Einerseits schade. Andererseits soll man immer dann aufhören, wenn es am schönsten ist!
Am schönsten trifft es in diesem Zusammenhang vielleicht nicht ganz, aber am besten. Während in Band zwei die Spannung zugunsten der Charaktere ein wenig nachgelassen hatte, zieht sie in Band drei wieder massiv an. Wer bei Nicks Entführung durch Lirael und der Erfüllung der Sicht der Clayr schon glaubte, die Entscheidung stünde kurz bevor, der hatte sich kräftig verrechnet. Stattdessen knickt der Autor die Handlung ab, lässt Nick fliehen und fängt damit quasi noch einmal von vorne an, nur diesmal unter größerem Zeitdruck. Und je größer der Zeitdruck wird, desto mehr Zeit lässt sich der Autor. Wieder mal wünscht sich der Leser eine Peitsche, die er knallen lassen kann, um die Handlung anzutreiben. Dabei kann man Lirael nicht vorwerfen, dass sie trödeln würde. Diesmal liegt es eher daran, dass auf den letzten paar Seiten mehr Handlungsstränge gleichzeitig ablaufen als im gesamten Zyklus! Gekonnt lässt Nix den Leser beobachten, wie die Vorbereitungen zum Countdown ablaufen, schön langsam, aber offenbar immer noch schneller als alles, was Lirael und ihre Gefährten unternehmen, um es zu verhindern. So, wie in Band eins Kerrigor ins College eindringt, bevor sein Körper zerstört ist, so ist auch diesmal der Bösewicht befreit, bevor irgendjemand etwas dagegen unternehmen konnte. Und genau wie in Band eins nimmt der Kampf auch diesmal eine unerwartete Wendung …
|Abschlussbetrachtung|
Garth Nix ist es gelungen, einen spannenden und düsteren Zyklus zu schaffen, ohne seine Erzählung besonders auszuschmücken oder in unappetitlichen Details zu versinken, was sich auch in der relativen Kürze von ca. vierhundert Seiten der einzelnen Bände zeigt. Der Schwerpunkt liegt größtenteils auf der Handlung und der Magie rund um den Tod und die Totenbeschwörung. Erstaunlicherweise führt |Amazon| Band zwei und drei in der Kategorie Jugendbuch, was bei Band eins nicht der Fall ist. Meiner Meinung nach gehört der Clayr-Zyklus nicht unbedingt in die Jugendbuchsparte. Nicht, weil er „nicht jugendfrei“ wäre – alles, was hier mit Liebe zu tun hat, ist kaum mehr als die Andeutung einer Randerscheinung – sondern weil der finstere Tenor des Buches und die starke Betonung der Nekromantie stellenweise doch recht starker Tobak sind.
Also nichts für Liebhaber romantischer Fantasy, sondern eher für Leute, die es gern dunkel und ein wenig gruselig mögen. Für Letztere allerdings gilt: unbedingt lesen!
Sehr angenehm war das nahezu fehlerfreie Lektorat. Auch die Karte ist gut lesbar, was bei Taschenbuchausgaben nicht unbedingt immer der Fall ist. Zusätzlich hat |Lübbe| gegenüber der gebundenen Ausgabe von |Carlsen| einen Knacks bereinigt, sodass Lirael jetzt auf beiden Einbänden von Teil zwei und drei gleich aussieht. Dafür ist die Grundstimmung des Buches nur beim dritten Cover einigermaßen getroffen, in dieser Hinsicht hat |Carlsen| die bessere Ausführung.
Garth Nix ist gebürtiger Australier und war nach dem Studium in den verschiedensten Bereichen der Buchindustrie tätig, ehe er selbst zu schreiben begann. Außer seinem Zyklus |Clayr| stammen von ihm die Jugendbuch-Zyklen |Seventh Tower| und |Keys to the Kingdom|. Letzterer ist noch nicht abgeschlossen – Band fünf ist für März nächsten Jahres vorgesehen. Auf Deutsch erhältlich sind bisher nur |Clayr| und |Seventh Tower|.
Band 1: [„Die Suche nach dem Auge der Welt“ 700
Band 2: [„Die Jagd beginnt“ 730
_Story_
In der Schlacht von Falme hat sich Rand al’Thor endgültig als die Reinkarnation des Drachen offenbart, doch er fühlt sich dieser Aufgabe derzeit noch nicht gewachsen. Er sucht in den Bergen Unterschlupf und möchte dort lernen, mit der verfluchten männlichen Seite der Wahren Quelle umzugehen. Da er bevorzugt, alleine weiterzureisen, beseitigt er sämtliche Spuren und wähnt sich bereits in Sicherheit, ahnt jedoch nicht, dass Moiraine, Perrin und Lan ihm auf den Fersen sind.
Rands Weggefährten haben jedoch auch einige harte Kämpfe zu bestehen. So leidet Mat immer noch unter den Folgen des Fluchs des gestohlenen Dolchs. Zurück in Tar Valon, sucht er die heilende Rettung bei den Aes Sedai, die ihn schließlich auch von seiner Last befreien können. Doch schon kurze Zeit später wird Mat eine weitere Bürde auferlegt: Er ist die ausgewählte Person, die als einzige das Horn von Valere blasen kann und somit im strategischen Kriegsgeplänkel das Zünglein an der Waage darstellt.
Sein Freund Perrin hingegen ringt weiter mit dem Schicksal der Wölfe, das unmittelbar mit seiner Person verknüpft ist. Die Magie erfüllt ihn mit den Realträumen der Wölfe, und während Perrin damit beschäftigt ist, ihre Hintergründe zu erforschen, muss er sich gleichzeitig darum kümmern, dass seine Begleiter nichts von den ihn plagenden Visionen erfahren. Doch Moraine kann man nur schwerlich etwas vorenthalten …
Auf ihrem Weg zur Aes Sedai erleben Nynaeve, Egwene und Elayne einen ersten ernsthaften Rückschlag. Nachdem sie einer Hinterlist der schwarzen Ajah zum Opfer gefallen sind, wird ihnen eine harte Strafe auferlegt, aber weil die Novizinnen für die Gilde der Magierinnen unverzichtbar sind, werden sie nicht aus dem Lehrstuhl entlassen. Stattdessen sollen sie Tar Valon nach der bösen Seite der Aes Sedai ausspionieren. Doch ihre Spur weist in die Festung Tear, in welcher der Sage nach das kristallerne Callandor beherbergt wird, ein magisches Schwert, mit dem der wiedergeborene Drache ein für allemal die bösen Mächte aus der Welt vertreiben soll. Rand macht sich alsbald auch auf den Weg, um die Prophezeihung zu erfüllen, doch wiederum plant die schwarze Ajah einen Hinterhalt. Nur seine Freunde können Rand nun noch vor der Falle bewahren und den Untergang des Dunklen Herrschers in die Wege leiten …
_Meine Meinung_
Nachdem der letzte Band der „Rad der Zeit“-Saga sich zunehmend konfuser gestaltete, spinnt Robert Jordan die Fäden in „Die Rückkehr des Drachen“ wieder in geordnete Gewebe und löst viele offene Handlunseinheiten schon zu einem relativ frühen Zeitpunkt auf. Ruhe lässt der Autor den Lesern allerdings nicht, denn schon wieder gilt es für Rand und seine Wegbegleiter, neue Abenteuer zu bestehen, neue Hürden zu bewältigen, weiterhin aber dieselben alten Gegner zu bekämpfen. Besonders die schwarze Ajah wird in diesem Buch zu einer sehr mächtigen Gegenspielerin, der alle Mittel recht sind, um den einzig würdigen Widersacher ihres Herrschers in die Schranken zu weisen. Und dies scheint ihr auch zu gelingen; jedenfalls schreibt Jordan die Geschichte teilweise aus einer sehr pessimistischen Perspeketive, aus der Rand heraus trotz scheinbar optimaler Voraussetzungen quasi in die Falle tappen muss. Er hat sich selber die Bürde auferlegt, die Prophezeihung im Alleingang zu erfüllen, doch ausgerechnet diese Engstirnigkeit soll ihm anschließend zum Verhängnis werden – zumindest wenn die geheimnisvolle Ajah ihre Pläne verwirklichen kann …
Andererseits ist der dritte Band der Werkausgabe gespickt mit den persönlichen Schattenseiten der Hauptcharaktere. In diesem Sinne rückt auch der bislang etwas abseits agierende Perrin immer weiter in den Vordergrund. Ebenso wie seinem alten Freund aus Emondsfeld, Mat Cauthon, liegt auch seinem zukünftigen Weg eine Prophezeihung zugrunde, deren tatächliche Bedeutung er jedoch noch nicht abschätzen kann. Stattdessen muss er sich erst einmal mit den magischen Realträumen der Wölfe beschäftigen und sie analysieren, was ihm angesichts der kritischen Situation um Rand al’Thor noch um einiges erschwert wird.
Mat hingegen blickt optimistisch voraus. Er ringt noch mit dem Tode, doch er hat wieder Hoffnung, denn die Aes Sedai scheinen mächtig genug, um ihn vom Fluch der Schatten zu befreien. Die Magierinnen wissen jedoch auch um den Wert des jungen Kriegers. Ohne ihn kann das Horn von Valere nämlich nicht geblasen werden, was für die Gilde im Falle des Krieges einen erheblichen Nachteil nach sich ziehen würde.
Die Hauptfigur wird dafür in „Die Rückkehr des Drachen“ ziemlich stark an den Rand gedrängt. Dieses Mal sind es die anderen Helden, um die sich das Geschehen dreht, denn neben den beiden Jungen aus Emondsfeld übernehmen auch die drei angehenden Aes Sedai einen sehr wichtigen Part. Zum ersten Mal seit Beginn der Saga wird ihnen eine gewisse Verantwortung zugesprochen, und ähnlich wie ihre Kollegen wissen sie damit auch umzugehen. So entwickeln sich auch die letzten vordergründigen Charaktere aus der umfangreichen Serie ein ganzes Stück weiter, zumal sie auch in ihrer Lehre erhebliche Fortschritte machen.
Die Geschichte lässt also mal wieder keine Wünsche offen, ist aber durch den gradlinigeren Aufbau auch wieder angenehmer zu lesen. Durch den Abschluss verschiedener Nebenstränge kann Jordan außerdem wieder sehr fokussiert arbeiten und lässt parallel neben der Flucht von Rand al’Thor nur noch zwei weitere Einheiten laufen, was den Überblick über die hier schon unheimlich breit gefächerte Geschichte enorm erleichtert. Das heißt aber nicht, dass sich zum Ende des Buches nicht schon wieder unzählige neue Möglichkeiten ergäben. In diesem Punkt ist sich der Autor nämlich voll und ganz treu geblieben.
Nach den ersten drei Bänden frage ich mich daher auch, warum die Serie so stark kritisiert wird, denn bis auf die etwas übertrieben komplexe Herangehensweise aus dem zweiten Buch der Originalausgabe kann ich keine wesentlichen Angriffspunkte ausmachen. Da im hier vorgestellten Band nun auch noch die Ähnlichkeiten zu „Der Herr der Ringe“ größtenteils beseitigt wurden, kann ich mich nur voll des Lobs über „Das Rad der Zeit“ äußern. Und daher noch ein weiteres Mal die Empfehlung: Wer die erforderliche Zeit aufbringen kann, sollte sich möglichst schnell mit dieser Materie auseinander setzen!
Elfen, Zwerge, Trolle … Gestalten, die in standardisierter Form die vielzähligen Welten der Fantasy bevölkern. Heidrun Jänchen zeigt in einer erfrischenden Auffassung von den Möglichkeiten der Fantasy das Potenzial des Genres jenseits der abgegriffenen Völker, Kriege, Schauplätze und Charaktere af. »Nach Norden!« erzählt auf spannende und unterhaltsame Art, mit mehr als nur einem zwinkernden Auge an der einen und anderen Stelle, die Geschichte von zwei Außenseitern auf der gemeinsamen Suche nach einem Zuhause oder einer Identität. In einer Welt voll Mythen, Göttern und Helden, die sich am Ende in ihrem Wesen von der unseren kaum unterscheidet, sind es ganz besondere Charaktere – mit Schrullen und Kanten und gerade dadurch lebendig. Es macht Spaß, sie auf ihrem Weg nach Norden zu begleiten, ihre Ängste zu begreifen und unter Spannung ihre Hoffnungen zu verfolgen.
Frett ist der eigentliche Protagonist des Romans. Er ist der Charakter aus dem Romandebüt »Der eiserne Thron« des Autorentrios Jänchen, Savoy, Tillmanns, dessen sich Heidrun Jänchen schon damals vordringlich annahm. Damals stand er auf der falschen Seite im Kampf um die Macht, er musste seine Wahlheimat im Süden des Landes verlassen und fliehen. Sein Weg führt ihn im vorliegenden Roman anfangs nach Süden, bis er auf die ebenso geheimnisvolle Elra trifft. Ihr Geheimnis ist für Frett keins: Er assistierte bei ihrer Geburt und erkannte sie als Gestaltwandlerin. Elra war ebenfalls in die Wirren um den »Eisernen Thron« involviert, doch für sie begann damit ein neues Leben. Sie ist auf der Suche nach ihrem verfolgten Volk, das man gemeinhin im Norden vermutet. Frett fühlt in ihr die gleichen Probleme, die ihn unruhig von einem Ort zum nächsten treiben. Sie ist heimatlos wie er, eine Außenseiterin, die ihr wahres Wesen vor der Welt verstecken muss. Es ist die Angst der Menschen, die sie zu einer Waffe im Kampf um den eisernen Thron machte: ihre Fähigkeit der Gestaltwandlung, in der die Menschen eine Bedrohung sehen. Frett führt sie auf ihrem Weg nach Norden, und in ihre Reise mischt sich auch die Gegenseite ein: ein Mann, der ebenfalls auf der Suche nach den Wandlern ist, aber seine Triebkraft ist der Hass. Er will die Wandler umbringen.
»Nach Norden!« ist ein eigenständiger Roman, der nur über wenige Berührungspunkte mit dem oben erwähnten »Eisernen Thron« in Verbindung steht. Die fehlenden Informationen verschafft Jänchen ihren Lesern über luftige Rückgriffe, ohne sich dabei von den damaligen Geschehnissen fesseln zu lassen. Dadurch entsteht die erfreuliche Feststellung, dass die Lektüre des »Throns« keine Voraussetzung für das Verständnis dieser Geschichte ist.
Heidrun Jänchen benutzt eine ungezwungene Sprache und erzählt die Geschichte in einem Fluss, dem der Leser für die Bedürfnisse seines realen Lebens künstliche Sperren in den Weg setzen muss. Es ist nicht nochmals in Worte zu fassen, aber es ist der Stil der Autorin, der ihre Erzählung zu einem wunderbaren Erlebnis macht.
»Frett stellte fest, daß er in seiner Hast die Jacke des Mannes geprügelt hatte. Vermutlich war sie bewußtlos […]«
(»Nach Norden!«, Seite 91, Zeile 8f)
Derlei überraschende Wendungen sorgen für den letzten Pfiff im Text. Jänchen setzt sie dosiert ein und erzielt damit die beste Wirkung. Es gibt keine zwanghaften Witzeleien, man kann nach der Lektüre nicht sicher sagen, ob man überhaupt alle humorvollen Stellen bewusst erlebt hat – ungeachtet der Frage, ob eine solche Trennung möglich ist. Es ist Kunst, der Roman ist ein kunstvolles Geflecht, das erst in seiner Gesamtheit die ganze Wirkung entfaltet, aber nicht um seiner selbst Willen, sondern immer nur als Träger der Geschichte. Man vergisst sofort, dass es sich erst um den zweiten Roman der deutschen Autorin handelt, noch dazu aus einem Kleinverlag. Es ist das Werk einer echten Schriftstellerin, selbst wenn sie nebenbei noch einen anderen Beruf ausübt.
Gegen die anderen Veröffentlichungen des Verlags fällt auf, dass der Roman in der alten Rechtschreibung vorliegt. Auch eine Möglichkeit, mit den Konflikten dieses Themas umzugehen: Die Formen der Rechtschreibung als Stilmittel …
Ein Wort zum Titelbild von Ernst Wurdack: Es ist eine Tatsache, dass bei Buchbesprechungen die Titelbilder und ihre Künstler in der Regel zu kurz kommen. Das hat möglicherweise seinen Grund, denn Rezensenten behandeln die Literatur, nicht den Einband. Manche mögen sogar sagen, dass sie nichts von Bildkunst verstehen und die Kritik an Bildern lieber einem anderen Fachkreis überlassen. Nun ja. Aber das Titelbild von »Nach Norden!« ruft das Gefühl hervor, schon lange kein wirkliches Titelbild mehr gesehen zu haben, eines, das zu seinem Roman passt, das den Roman abrundet. Das nicht reißerisch im Regal stehen will und HIER ruft, indem es sich durch möglichst große Abgefahrenheit von den Mitbewerbern absetzt. Es setzt sich ab, keine Frage, aber es fängt das vom Roman vermittelte Gefühl ein und ist damit ein gleichwertiger Bestandteil des Gesamtbildes.
»Nach Norden!« ist einer der beachtenswertesten Romane des Jahres und ein Aushängeschild für Autorin und Verlag.
broschiert, 220 Seiten
ISBN-13: 978-3938065099
Der Autor vergibt: (5/5) Ihr vergebt: (3 Stimmen, Durchschnitt: 2,33 von 5)
Andrea Tillmanns zählt mit über 300 veröffentlichten Texten zu den produktivsten Nachwuchsautorinnen Deutschlands. Zusammen mit Heidrun Jänchen und Christian Savoy verfasste sie den Fantasyroman „Der eiserne Thron“ als Preisgewinnerin bei der Storyolympiade. Die vorliegende Sammlung von Fantasystorys und modernen Märchen ist ihre erste Einzelpublikation.
Die Geschichten wie „Wenn das Tier erwacht“ erzählen von mythisch erscheinenden Begebenheiten, die uns unglaublich anmuten, durch ihr verhüllendes Ende aber wie phantastische Thriller einen Hauch von „könnte es nicht doch … ?“ ausstrahlen. Andere Erzählungen wie „Der dritte Armreif“ sind echte moderne Märchen, deren phantastische Komponente (in dem gewählten Beispiel) in der unerklärlichen Vorwegnahme von Begebenheiten liegt. „Die Insel der Delphine“ konfrontiert uns eindringlich mit der tragischen Rolle der Delphine in der Erdengeschichte und unserer menschlichen Schuld an der rückgehenden Zahl so intelligenter Tiere. Die Geschichte konfrontiert nur, benutzt dabei zwar Tillmanns stark ausgeprägte Einfühlsamkeit, verzichtet aber auf moralische Zeigefinger.
Allen Geschichten ist die sehr gefühlvolle Stimmung gemein, anzuerkennen als hohe Kunst der Autorin, die mit den wenigen Absätzen, aus denen die Geschichten bestehen, ein eindringliches Gefühlsbild zu erschaffen vermag und mit jedem einzelnen der sieben Stücke die sprichwörtlichen Saiten im Leser zum Schwingen bringt.
Aufgrund des Umfangs der Sammlung fehlen füllende Texte, die Lektüre fühlt sich an wie ein Stück ausgesuchter Qualität, mit der die Autorin die verschiedenen Felder der Phantastik beleuchtet. Einzig „Ein letzter Wunsch“ entzieht sich meinem direkten Verständnis, allerdings bleiben auch hier der emotionale Eindruck und das sinngemäße Verständnis der Erzählung unberührt.
Es ist dem Augenschein nach ein unscheinbares Heftchen, in dem sich aber sieben fesselnde Geschichten von hoher Qualität verbergen, die nicht nur unterhalten, sondern im selben Maße zum Nachdenken anregen.
Sabriel ist inzwischen mit Touchstone verheiratet und damit nicht nur die Abhorsen, sondern auch Königin des alten Königreiches. Sie hat zwei fast erwachsene Kinder, die sie zu ihrem Leidwesen fast nie sieht, da sie ständig unterwegs ist, um gegen die Toten zu kämpfen. Vor allem in neuester Zeit braut sich ganz offensichtlich etwas zusammen! Deshalb hofft sie auf Unterstützung durch ihren Sohn Sameth.
Sameth allerdings hat seit einem alptraumhaften Erlebnis jenseits der Grenze massive Angst vor dem Tod und vor einem Nekromanten namens Hedge. Er bringt es weder fertig, das Buch der Toten zu studieren, noch die Glocken zu benutzen. Allein ihr Anblick ist ihm unerträglich. So nimmt er einen Brief seines Freundes Nick aus Ancelstierre zum Anlass, sich aus dem Schloss zu stehlen. Denn Nick, der aufgrund seiner Herkunft keinerlei Sinn für Magie hat, ist ganz offensichtlich in massiven Schwierigkeiten, weil er allein mit einem verdächtigen Mann die Grenze zum alten Königreich überschritten hat. Schon bald stellt sich heraus, dass Nicks Probleme auch nicht größer sind als Sameths.
Zur selben Zeit erhält im Norden unter dem Gletscher der Clayr die junge Lirael die Erlaubnis, als Bibliotheksgehilfin zu arbeiten. Das ist nur ein schwacher Ersatz dafür, dass sie bereits eine junge Frau ist, aber noch immer nicht die Sicht hat. Dass sie dafür eine ungewöhnlich gute Chartermagierin ist, scheint sie ebenfalls nicht entschädigen zu können. Eines Tages jedoch entdeckt sie in einem geheimen – und für sie eigentlich verbotenen Bereich – einen Gang, der „Liraels Pfad“ heißt. Er führt zu einer Höhle mit einem Buch, einer Panflöte und einem Spiegel. Und kurz darauf erhält sie von den Sprecherinnen der Neuntagewache den Auftrag, einen jungen Mann zu finden, der zum einen selbst in Gefahr ist, zum anderen das ganze Königreich ins Unglück zu stürzen droht. Lirael bleibt nichts anderes übrig, als den Gletscher zu verlassen und sich auf die Suche zu machen …
|Charakterzeichnung|
Diesmal ist also die nächste Generation am Zug. Das Hauptaugenmerk liegt dabei auf Lirael und Sameth.
Lirael ist ein intelligentes Mädchen, aber auch ein wenig stur und verbohrt. Sie ist kaum dazu zu bringen, sich auf ihre wertvollen Talente zu besinnen, weil sie ständig damit beschäftigt ist, dem nachzuweinen, was sie nicht hat. Einerseits verständlich, da sie sowohl durch ihr Aussehen als auch den fehlenden Blick auf die Zukunft zur Außenseiterin geworden ist und nicht einmal eine Familie hat. Andererseits für ein so neugieriges und aufgewecktes Mädchen auch ungewöhnlich. Wer ständig nach Neuem und Unerforschtem sucht, sollte doch auch in der Lage sein, für sein Leben etwas Neues zu wagen. Trotzdem geht sie nur, weil sie weiß, dass sie nicht anders kann, denn schließlich haben die Clayr ja gesehen, dass sie gehen wird. Erstaunlich, dass sie so sehr an einem Ort hängt, an dem sie gar nicht glücklich war. Aber die Hoffnung stirbt ja bekanntlich zuletzt.
Sameth geht es keinen Deut besser. Zwar hat er Eltern, von denen er weiß, dass sie ihn lieben, aber sie sind so selten da, dass er kaum etwas von ihnen hat. Außerdem drückt ihn seit seinem Erlebnis im Tod die ungeheure Bürde der Erwartung: dass er der Abhorsen-Nachfolger werden soll. Mehrmals nimmt er Anlauf zu der Erklärung, dass er das einfach nicht kann, wird aber jedesmal abgewürgt. Die Tatsache, dass seine Mutter Unterstützung braucht, macht ihm ein ungeheuer schlechtes Gewissen, dennoch kann er sich nicht überwinden zu tun, was alle von ihm erwarten. Dabei ist er keineswegs eine Memme! Bei dem Angriff auf sein Cricket-Team in Ancelstierre hat er bewiesen, dass er Mum hat und auch Führungsqualitäten.
Beide sind anfangs noch ein wenig weinerlich, wachsen aber im Laufe der Handlung zunehmend in ihre Rollen hinein. Auch wenn sie noch gar nicht wissen, welche das eigentlich sind …
Gelungen ist auch der Charakter der so genannten fragwürdigen Hündin, die Lirael sich ursprünglich als Sendling erschaffen wollte, um nicht so allein zu sein. Irgendwie hat der Zauber sich selbstständig gemacht und dabei ein Wesen geschaffen, das weit wirklicher ist als ein Sendling, und vor allem weit mächtiger. Die Hündin ist, wie Mogget für Sameth, die Stimme der Vernunft, Berater und Wächter. Allerdings ist sie nicht so zickig wie die Katze.
Da Kerrigor von Sabriel gebannt wurde, tritt auch ein neuer Bösewicht auf, ein Nekromant namens Hedge, einst ein Diener von Kerrigor. Ein äußerst gefährlicher Mann; nicht nur, weil er ein mächtiger Nekromant ist, sondern auch, weil er flexibel ist und in der Lage, auch aus einem Fehlschlag noch etwas für sich herauszuschlagen. Dennoch ist er nur ein Diener von etwas weit Mächtigerem und Gefährlicherem, das er offenbar unbedingt befreien will.
|Handlungsfortschritt|
Die Handlung ging diesmal etwas langsamer voran als im ersten Band, was auch daran liegen mag, dass der Autor sich diesmal nicht auf eine einzelne Protagonistin konzentriert und diese durch das halbe Land gejagt, sondern zwei Charaktere allmählich aufeinander zugeführt hat. Auch wurde vieles weiter ausgebaut, was im ersten Band aufgrund mangelnder Erklärung noch für ein wenig Verwirrung gesorgt hat. Nix geht diesmal genauer auf die Eigenarten der Charter ein. Während im ersten Band als Träger des Charterbluts die Abhorsen im Vordergrund standen, sind es diesmal die Clayr, die Seher. Gleichzeitig nutzt er diesen Ausbau für Hinweise auf die neue Bedrohung, die hinter Hegde steht und in ihrer Dimension offenbar selbst Kerrigor weit übersteigt.
Der Spannungsbogen ist deshalb in diesem zweiten Band weit weniger straff gespannt als bei seinem Vorgänger. Nix hat sich diesmal Zeit gelassen. Es ist klar, dass Lirael erst den jungen Mann aus der Vision der Clayr finden muss, ehe es zum Showdown kommen kann, sodass diesmal der Gedanke „nun mach schon endlich“ vollkommen fehlt. Der Zeitdruck überfällt den Leser schließlich im Epilog, wo erwähnt wird, dass das gefährliche Ding schon beinahe ausgegraben ist, und transportiert den letzten Spannungsschub dadurch hinüber in den nächsten Band. Teil zwei ist nämlich nicht in sich abgeschlossen, im Gegensatz zu Teil eins.
Der Wechsel der Handlungsstränge hat mehrere kleinere Spannungsbögen anstelle eines großen, durchgehenden zur Folge – auch weil Nix im Gegensatz zu Clemens seine Szenen erst dann wechselt, wenn die Gefahr überstanden ist -, dennoch ist die Erzählung frei von Längen oder Durchhängern.
Sie ist auch weitgehend frei von logischen Fehlern. Das Einzige, was ich mich fragte, war, wie Lirael den Stilken in einer Glasflasche dauerhaft einsperren kann. Zwar hat sie den Korken mit einem mächtigen Charterspruch versiegelt. Wenn aber ihr ebenso mächtiger Spruch, mit dem sie die Tür zu dem Gang versiegelt hatte, von dem Stilken langsam aber sicher zerstört werden konnte, warum dann nicht auch der auf dem Korken? Müsste der Stilken nicht, um tatsächlich gebannt zu sein, so in Glas eingeschlossen werden, dass dieses keine Öffnung hat, sozusagen eingeschmolzen?
|Insgesamt|
Obwohl es in diesem Band weit geruhsamer zuging als im ersten, fand ich ihn durchaus gelungen. Er hat einige wichtige, grundlegende Fragen geklärt, bietet detailierte, interessante Charaktere und durchaus Spannung, wenn auch nicht ganz so viel, sowie einen interessanten Ausblick auf die Fortsetzung. Es steht zu erwarten, dass es darin wieder weit heftiger zur Sache geht. Band zwei war wohl sozusagen die Ruhe vor dem Sturm!
Garth Nix ist gebürtiger Australier und war nach dem Studium in den verschiedensten Bereichen der Buchindustrie tätig, ehe er selbst zu schreiben begann. Außer seinem Zyklus |Clayr|, dessen erster Band „Sabriel“ ist, stammen von ihm die Jugendbuch-Zyklen |Seventh Tower| und |Keys to the Kingdom|. Letzterer ist noch nicht abgeschlossen – Band fünf ist für März nächsten Jahres vorgesehen. Auf Deutsch erhältlich sind bisher nur |Clayr| und |Seventh Tower|.
In dem Versuch, aus der antiquierten Romanheftszene heraus zu treten und erneut Fuß in Form von Taschenbüchern zu fassen, konzipieren die Macher der großen Science-Fiction-Serie „Perry Rhodan“ seit ein paar Jahren erfolgreich neue Abenteuer, die aus der Hauptserie ausgekoppelt eigenständig lesbar sind. Verlegt werden diese Romane vom Heyne-Verlag, außerdem kommen regelmäßig Schriftsteller zum Zuge, die sich nicht oder selten bei Perry Rhodan blicken lassen. Der aktuelle PAN-THAU-RA-Zyklus, bestehend aus drei Paperbacks, bildet die Spielwiese von gleich zwei vor allem außerhalb der Serie bekannten Autoren.
Andreas Brandhorst ist der Autor des vorliegenden zweiten Bandes. Er arbeitete die letzten Jahre vor allem als Übersetzer, derzeit verlegt er den Schwerpunkt seiner Arbeit wieder mehr zu Gunsten eigener Romane. So erschien bei Heyne seine Trilogie um die „Kantaki“, die als hervorragende deutsche Space-Opera gilt und ab Oktober 2006 Sprungbrett für eine weitere Trilogie bilden soll.
In den ersten Jahren der Einkehr der Loower, ihrer Sesshaftwerdung um den Planeten Alkyra II und des Verlustes ihres Tiefenbewusstseins äußerten sich verschiedene Persönlichkeiten gegen diesen Weg des Volkes. Karn-Terg, Pilot eines interstellaren Raumschiffes, wird von der neuen Ordnung verurteilt und zum Kinderwart degradiert, bei den Loowern die niederste Aufgabe, die vorstellbar ist. Doch seine Kommandantin schickt ihm kurz vor ihrem Tod eine Nachricht: Seine Aufgabe ist wichtig für die Zukunft der Loower, wichtiger, als er bisher ahnt. Er kann diese Worte noch nicht deuten, doch in seinem langen Leben wird ihm klar, dass damit sein Einfluss auf den Nachwuchs der Gesellschaft gemeint ist, denn er erzählt den Kindern ergreifende Geschichten über die glorreiche Zeit vor der Einkehr.
Größten Erfolg hat er bei einem Zwillingspaar. Die Brüder sind hochintelligent, entwickeln sich aber in ganz unterschiedliche Richtungen. Kilan-Gerp wird heißer Verfechter einer neuen Idee, den Weg zu den Sternen erneut zu wagen und den höheren Mächten, von denen die Loower verbannt wurden, den Krieg zu erklären (für das Leben des Universums). Hisk-Mekang wird erster Konstrukteur des Volkes und bietet Kilan die Stirn. Er vertritt die andere Seite, die an der Einkehr und dem neuen Leben festhält und im Krieg gegen die hohen Mächte den Weg in den Untergang sieht. So kommt es zur Eskalation, als die beiden Brüder mit ihren Anhängern die Schiffe der Loower wieder flott machen, aus dem Verbund der Trümmersphäre, einer gigantischen Stadt um den Planeten, lösen und in einen Bruderkrieg stürzen.
Zwischen die Fronten gerät die Liga Freier Terraner, deren Oberhaupt Perry Rhodan verschollen ist. Während seine Getreuen auf der Suche nach ihm mehr über die Absichten der Loower erfahren, findet er sich in der Gefangenschaft von Hisk-Mekang wieder. Er soll den Loowern gegen Kilan-Gerp helfen, ehe die hohen Mächte eingreifen. Mal wieder fokussiert sich das Geschehen um den unsterblichen Terraner …
Nachdem Frank Borsch im ersten Band der Trilogie die undankbare Aufgabe hatte, einen spannenden Roman zu schreiben, in dessen Verlauf Perry Rhodan verlustig geht und ein Licht auf den Krieg der Loower geworfen wird, um den Boden für die Vorgeschichte zu bereiten, befasst sich Brandhorst nun mit eben dieser Vorgeschichte und wenig mit der Gegenwart. Trotzdem oder gerade deshalb erhält der Leser viele neue Informationen, die die Absichten der Loower deutlich aufdecken und den unnachvollziehbaren Krieg aus dem ersten Roman in eine verständliche Perspektive rücken.
Nach wie vor bleibt allerdings die Erzählung um die Loower, in diesem Fall die Erzählung des Kinderwarts Karn-Terg und seines Einflusses auf den Werdegang der loowerischen Gesellschaft, der weitaus unterhaltsamste und interessanteste Teil des Romans. Die Figur des Perry Rhodan bleibt dagegen blass und stellenweise sogar unglaubwürdig, wenn er trotz seiner jahrtausendelangen Erfahrung mit sich umspringen lässt wie ein Schuljunge. Zur Verteidigung muss noch gesagt werden, dass eine Überfigur wie der strahlende Titelheld der 45-jährigen Serienhandlung mittlerweile schwer geschildert werden kann, will man ihm weiterhin die Menschlichkeit lassen. Von daher packt Brandhorst die Sache richtig an, indem er sich der Darstellung neuer, unverbrauchter Charaktere widmet und um sie eine dichte Erzählung strickt, die die Geschichte in einer straffen Weise voranbringt. So kommt es endlich mal in einer Trilogie vor, dass die Geheimnisse nicht krampfhaft bis zum letzten Teil gehütet werden und dadurch die Frustration in den ersten Teilen hervorruft, sondern dass man durch die Aufdeckung der Informationen bei der Stange gehalten wird, denn nun ist die Auflösung der Geschichte der Knackpunkt, nachdem der Hintergrund deutlich dargestellt ist.
Es bleiben natürlich ein paar Rätsel für den letzten Band zurück, so zum Beispiel die Frage nach den Monaden, den offenbar geknechteten Wesen aus einem anderen Universum. Und wie der visionäre Kilan-Gerp zu einem anscheinend durchgedrehten und rücksichtslosen Fanatiker hat werden können.
Der Roman ist eine gelungene Fortsetzung der Reihe und baut wunderbar auf die Erzählung aus dem ersten Teil auf, beleuchtet die Geschichte von einer anderen Seite. Noch ist offen, was der merkwürdige Shon Leehan Perry Rhodan erzählt hat, um ihn zu einem Angriff auf die Loower zu veranlassen und entgegen seiner sonstigen Art das Leben vieler Millionen Menschen zu gefährden. Rhodan sitzt erstmal fest und seine Freunde vermeiden bisher den Konflikt mit den Loowern.
Fazit:
Der Roman ist eine wunderbare Erzählung über ein Einzelschicksal und seine Verknüpfung mit dem Schicksal eines Volkes. Dabei führt er die große Handlung spannend und unterhaltsam weiter und bereitet den Boden für das Finale, das den Zyklus vielleicht zum bisher besten Spin-off-Zyklus der Serie machen wird.
Der Autor vergibt: (4/5) Ihr vergebt: (5 Stimmen, Durchschnitt: 1,00 von 5)
„Das Rad der Zeit“ ist die wohl umfangreichste und aus diesem Grunde auch oft am heftigsten kritisierte Fantasy-Serieauf dem gesamten weltweiten Buchmarkt. Knapp 30 Bände zählt Robert Jordans englischsprachige Originalausgabe bereits, und nach aktuellem Stand ist auch noch immer nicht ganz klar, wann das Rad seine Rotation beenden wird. Aus diesem Grunde sollte man sich schon sehr gut überlegen, ob man die Geduld und vor allem die Zeit hat, um sich dieser Zerreißprobe auszuliefern, und dabei auch die gelegentliche Kritik nicht außer Acht lassen. 10.000 Seiten und mehr sind nun mal kein Pappenstiel, und mittendrin aufzuhören, ist ja auch nicht das erklärte Ziel des Fantasy-Lesers. Nachdem ich nun den ersten Band der Serie in der Originalzusammenstellung ziemlich rasch verschlungen habe, plädiere ich aber definitiv dafür, Zeit und Umwelt sich selbst zu überlassen und dem Riesenprojekt zu folgen. Warum? Nun, bitte weiterlesen:
_Story_
Jedes Jahr wieder feiern die Bewohner des Dörfchens Emondsfeld das traditionsreiche Frühlingsfest Bel Tine. Auch Rand al’Thor und sein Vater Iam sehen den bald anstehenden Festlichkeiten mit großer Vorfreude entgegen und nehmen rege an der Vorbereitung der üppigen Feier teil. Bevor es jedoch losgehen kann, ereignen sich seltsame Dinge in und um Emondsfeld. Seltsame schwarze Reiter werden gesichtet und verbreiten unter manchen Bewohnern des Ortes Unruhe. Und auch der gerne gesehene Händler Padan Fain zeugt nicht gerade von Optimismus, als er seinen Freunden von den düsteren Geschehnissen aus der Ferne berichtet. Padan Fain weiß von einem bevorstehenden Krieg und berichtet auch von einem versteckten Drachen, der in wahrer Gestalt die einzige Person sein soll, die die befürchtete Herrschaft des aus der Gefangenschaft entflohenen Dunklen Königs aufhalten kann. Als dann auch noch Lady Moiraine Damodred und ihr Leibwächter Lan Mandragoran in Emondsfeld auftauchen, ist der Gemeinderat zutiefst verunsichert. Die Lady ist zwar ein willkommener Gast, doch meist verbirgt sich hinter ihrer Ankunft auch ein besonderer Zweck. Und der scheint nach den jüngsten Begebenheiten kein erfreulicher zu sein …
Auf dem Weg zurück zur Hütte der Familie al’Thor lässt Rand die Ereignisse der letzten Stunden Revue passieren und erinnert sich dabei vor allem an die mehrfach gesichteten schwarzen Ritter. Und seine Sorge soll sich alsbald auch als berechtigt herausstellen, denn sein Vater und er werden in der Dunkelheit von den mysteriösen Trollocs überfallen, seltsamen Hybridwesen, die dem Jungen bisher nur aus Sagen bekannt waren. Iam wird dabei schwer verletzt und bedarf dringender Hilfe, die ihm nur noch die Magierin Moiraine gewähren kann. Diese hat nämlich den gleichzeitig gestarteten Angriff auf das Dorf mit der Kraft ihrer magischen Formeln – sie gehört der verachteten Gruppe der Aes Sedai an – gerade noch abwenden und die völlige Zerstörung verhindern können und besitzt als Einzige die Möglichkeit, Rands Vater zu heilen. Doch der Preis ist hoch: Moiraine fordert von Rand, dass er sie in die Stadt Tar Valon begleitet, und verspricht, dass sie dort Hilfe finden werden. Sie eröffnet ihm, dass er eine der drei jungen Personen ist, die vom Dunklen Herrscher und dessen Mächten gesucht werden. Die übrigen sind Rand ebenfalls nicht unbekannt; es sind seine beiden besten Freunde Perrin und Mat, die sich der neu geformten Gemeinschaft widerstandslos anschließen und gemeinsam mit Egwene al’Vere, der Tochter des Dorfvorstehers, dem komischen Barden Thom Merrlin und der Seherin Nynaeve al’Meara die lange Reise antreten.
Geplagt von den schrecklichen Zuständen in Emondsfeld geht die Gruppe ihren Weg, wird dabei allerdings von weiteren Rückschlägen heimgesucht. Rand muss sich damit auseinander setzen, dass der zurückgebliebene Iam nicht sein wahrer Vater ist und wird zudem von Alpträumen und Visionen geplagt. Doch eine nähere Auseinandersetzung ist vorerst nicht möglich, denn auf ihrer Flucht in die scheinbare Sicherheit sind ihnen die Trollocs und ihre Befehlshaber, die Myrdraal, dicht auf den Fersen. Mit der List der Aes Sedai und ihrer neuen Gehilfin Egwene gelingt es dem Trupp mehrfach, den feindlichen Attacken zu trotzen, bis sie dann in den Ruinen von Shagar Logoth in einen weiteren Hinterhalt geraten und schließlich getrennt werden. Geführt von Rand, der Aes Sedai und Egwene suchen die Kleingruppen ihren eigenen Weg nach Tar Valon, bestehen dabei gefährliche Abenteuer und finden wieder zusammen. Denn nur gemeinsam können sie den Dunklen Herrscher davon abhalten, das Auge der Welt zu blenden. Und wäre dies nicht schon Last genug, muss sich Rand auch noch seinem eigenen Schicksal stellen …
_Meine Meinung_
Es ist schon der helle Wahnsinn. Da schreibt man schon eine ellenlange Inhaltsangabe und deckt damit trotzdem nur gut die Hälfte der tatsächlichen Erzählung in diesem ersten Band ab. Robert Jordans Welt um die bemerkenswerten Helden Rand, Mat und Perrin ist bereits hier so umfassend eingeleitet worden, dass man schon erahnen kann, welche Dimensionen das „Rad der Zeit“ eines Tages annehmen würde. Natürlich nutzt Jorden den Umfang der Geschichte aber auch dazu, seine Charaktere sehr eingehend vorzustellen. Wirklich jede Person unterliegt einer sehr genauen Betrachtung, und obwohl man in den vielen Dialogen unheimlich viel über die Hauptpersonen erfährt, wird das Wissen auch in späteren Passagen immer noch durch sehr wichtige Nuancen ergänzt. Und dennoch hat man den Eindruck, als stünde man gerade erst am Anfang damit, die einzelnen Personen kennen zu lernen.
Die Kunst dabei ist zweifelsohne, den Plot nicht mit den großzügigen Darstellungen zu ersticken, und diesbezüglich scheint Jordan ein absoluter Meister seines Faches zu sein. Der Autor nimmt sich Zeit, viel Zeit, baut das Ganze aber so geschickt auf, dass er den Leser nicht mit zu vielen Informationen erdrückt. Die Mischung aus Action, Hintergrundinformationen, Zwischenmenschlichem und handlungstechnischer Weiterentwicklung ist exzellent ausgewogen und hält den Leser durchgehend bei der Stange. Selbst nach der überlangen Einleitung, die an manch anderer Stelle schon dazu geführt hätte, dass man das Buch auf Nimmerwiedersehen beiseite gelegt hätte, ist die Neugier nach dem Fortschritt der Geschichte unheimlich groß und kann trotz der Masse an Inhalt kaum befriedigt werden. Man fühlt sich geradezu überwältigt von der Legende des Drachen und dem fortwährenden Kampf gegen den Dunklen Herrscher, und selbst wenn dieser erste Band (bei sage und schreibe knapp 900 Seiten!) mehr oder weniger nur die Einleitung zu einem gewaltigen Epos ist, findet man sich schon sehr schnell in der großen Welt um das Rad der Zeit (bzw. hier um das Auge der Welt) zurecht. Bis zum Ende hält die Neugier an, und selbst die schon bald zu erahnende Ernüchterung über die vielen offen bleibenden Handlungsabschnitte, die in irgendeinem Folgeband wieder aufgegriffen werden müssen, stört nicht.
Den Autor gilt es schließlich auch noch deswegen zu loben, weil er bei all den Möglichkeiten dennoch nicht auf ziellose Komplexität setzt. Der Plot ist zielstrebig geschrieben, allerdings nur sehr umfangreich ausgeschmückt worden. Wer also hier den Faden verlieren sollte, hat entweder nur halbherzig die Geschichte verfolgt oder ist der Fantasy-Welt Jordans nicht würdig.
So, tief durchatmen, denn bei aller Genialität des ersten Buches (wir sprechen bei „Die Suche nach dem Auge der Welt“ übrigens über einen neu veröffentlichten Sammelband in Originalumfang, in dem die beiden vorherigen deutschen Ausgaben „Drohende Schatten“ und „Das Auge der Welt“ zusammengefasst wurden), darf man aber auch nicht über die Kehrseite hinwegsehen. Und an der werden sich vor allem die Geister der Tolkien-Anhänger scheiden. Bei wohl keinem anderen Fantasy-Zyklus – gut, ich spreche hier vom eröffnenden Buch – sind die Parallelen zum Vaterwerk „Der Herr der Ringe“ so deutlich wie hier. Sowohl bei den verschiedenen Hauptfiguren als auch im Hinblick auf den weiteren Verlauf der Story findet man so viele Ähnlichkeiten, dass sich der Autor wohl kaum den Vorwürfen des Ideenklaus widersetzen können wird. Auch hier tritt eine zunächst aussichtslose Ansammlung von stillen Helden eine lange Reise an, wird zwischendurch getrennt, von furchtbaren schwarzen Reitern getrennt, durch eine Magierin beschützt und in den Kampf gegen den Dunklen Herrscher getrieben. In diesem Sinne hätte Jordan seine Charaktere auch Gandalf, Frodo und Sauron, die Reiter Nazgul und die Welt Mittelerde nennen können. Aber lassen wir das.
Festzuhalten bleiben enorm starke Übereinstimmungen, an denen man sich aber nur dann stoßen wird, wenn man sich nicht wirklich auf den Plot einlassen möchte. Ich wage nämlich einfach mal zu behaupten, dass einen die Erzählung bei neutraler Herangehensweise mit sofortiger Wirkung beeindrucken wird und man sich mit solchen Stolpersteinen schließlich auch nicht mehr aufhalten wird. Penible Gemüter, und nur diese, sollten daher die Finger von diesem Monster-Zyklus lassen! Alle anderen, sollten sie die erforderlichen Wochen und Monate aufbringen und investieren können, dürfen indes nicht am „Rad der Zeit“ vorbeisehen – was ja schließlich auch kaum möglich ist, wenn man mal bedenkt, wie viel Platz die Serie mittlerweile in den Regalen der Händler einnimt. Mein erster Eindruck ist jedenfalls durch und durch positiv, und dies bezieht sich auf wirklich alles, was in „Die Suche nach dem Auge der Welt“ geschieht. Gott, was freue ich mich auf die Fortsetzung!
In einer an das viktorianische England angelehnten Welt wächst Robert Burrows auf, ein ganz normaler und unbedeutender Junge aus einer Arbeiterfamilie. Eigentlich soll Robert Werkzeugmacher werden wie sein Vater, aber das Schicksal meint es nicht gut mit ihm:
Die Arbeit mit dem Aether hat seine Mutter in einen Wechselbalg verwandelt und sie eines grausamen Todes sterben lassen. Dasselbe magische fünfte Element, das für den unglaublichen Aufstieg der englischen Industrie verantwortlich ist. Aether treibt die Maschinen der reichen Gilden an, gleichzeitig sind sie abhängig vom Aether. Andere Energiequellen können nicht an die Kraft und Flexibilität des Aethers heranreichen, den man in Bergwerken aus der Erde fördert. Darum vernachlässigt man die Erforschung alternativer Energiequellen.
Doch der Aether ist ein zweischneidiges Schwert: Immer wieder kommt es zu Unfällen, wer zu lange mit dem Aether arbeitet, wird krank und stirbt oder verwandelt sich gar in einen Wechselbalg, Troll oder Kartoffelmann. Während die reichen Gildenmeister ein Leben im Überfluss führen, riskieren rangniedere Gildenmitglieder ihre Gesundheit, gildenlose Menschen leben in Slums und stellen die unterste Schicht der Gesellschaft dar.
Robert Burrows will fort von der grausamen Industrie seiner Heimat und zieht nach London. Doch sein Traum von Freiheit vom Aether verwandelt sich in einen Alptraum. Hart arbeitend geht er zwielichtigen Beschäftigungen nach, hat nur wenige Freunde und nur seinen eisernen Willen als Kapital.
„Aether“ ist die Geschichte von Robert Burrows, der in den Rang eines Gildengroßmeisters aufsteigen und seine große Liebe finden wird. Sein Glück und Leid gleichermaßen verdankt er dem Aether …
Der in den Midlands um Birmingham aufgewachsene Ian R. MacLeod schreibt in seinem Roman „Aether / The Light Ages“ über sehr englische Themen. Die viktorianische Epoche und die Thematik erinnern an Charles Dickens, während seine Sozialkritik eher mit der eines China Miéville zu vergleichen ist. Allerdings ist MacLeod vornehmlich ein distanzierter Beobachter, der sich mit Wertungen oder Kritik viel mehr zurückhält als Miéville.
Seine Hauptfigur Robert Burrows ist Dreh- und Angelpunkt der Geschichte. Trotz des Fokus auf Robert behält MacLeod stets eine gewisse Distanz vom Geschehen, was es leicht macht, die Handlung kritisch zu reflektieren. Dabei kommen emotionale Momente nicht zu kurz. Wird der Tod der Mutter sehr nüchtern geschildert, ist die sich im zweiten Teil des Buches anbahnende Liebesgeschichte ergreifend. Dennoch werden einfühlsamere Szenen ebenso wie Schilderungen der sozialen Missstände durch diese Erzählweise ihrer Intensität beraubt. Die unkommentierte und oft langatmige Schilderung des quasi-viktorianischen Englands verliert schließlich ihren Reiz, das Buch beginnt stark und fällt dann drastisch ab, bis MacLeod endlich zur Sache kommt; er redet zu lange um den heißen Brei herum: die Aether-Problematik.
Aether erinnert bewusst an Uran; die Mutationen, die er auslöst, sind Folgen einer Verstrahlung. Trotzdem setzt man beharrlich auf den Aether – nicht einmal die Elektrizität hat man erfunden, per Aether ins unermessliche verstärkte Dampfmaschinen sind das Nonplusultra. Erst mit dem unerwarteten Erlöschen des Aethers, was eher an Erdöl denn Kernkraft erinnert, beginnt man mit der Suche nach alternativen Energiequellen.
„Aether“ gefällt mit vielen Bezügen zur Realität in einer verfremdeten und doch sehr bekannten viktorianischen Parallelwelt. Sprachlich ist MacLeod ein sehr visueller Schriftsteller, er lässt den Blick des Lesers of schweifen. Die Übersetzerin Barbara Slawig hat exzellente Arbeit geleistet, auch die Aufmachung und Qualität des Buchs können auf ganzer Linie überzeugen.
Bei so vielen brisanten und aktuellen Themen verwundert jedoch, wie distanziert MacLeod beobachtet. Auch wenn diese Sachlichkeit durchaus angenehm ist, fehlt einfach ein Standpunkt, der rechte Biss bisweilen. Der Wandel der Gesellschaft und der Aufstieg Roberts werden hier nicht aggressiv durch einen Klassenkampf erreicht, sondern sind die Folge des Versiegens des Aethers. Robert ist ein getriebener, passiver Charakter. So dümpelt die Story bisweilen dahin, denn die Faszination des quasi-viktorianischen Englands erlischt schnell; diese Epoche und ihre Probleme sind trotz aller moderner Bezüge dem Leser einfach zu bekannt.
Etwas mehr Dramatik, Pep und Biss anstelle der distanzierten Beobachterperspektive hätten dem Roman gut getan; trotz dieser Schwächen ist er jedoch ansprechend und intelligent. Gerade der Verzicht auf derbe Plastizität und vorgekaute Schlussfolgerungen oder Kommentare könnte die Lebensgeschichte Robert Burrows für viele Leser interessant machen.
Sabriel ist gerade erst mit der Schule fertig. Eigentlich freut sie sich darauf, ihren Vater wiederzusehen, aber er kommt nicht. Nur ein Sendling von hinter der Grenze des Todes taucht auf und bringt Sabriel Schwert und Glocken ihres Vaters. Sie weiß nun, dass ihm etwas zugestoßen sein muss. Noch in derselben Nacht packt sie ihre Sachen und macht sich auf zur großen Mauer, die Ancelstierre vom alten Königreich trennt. Kaum hat sie das alte Königreich betreten, gerät sie in eine extreme Gefahr, welche sie mit tödlichem Hass durch das gesamte Land verfolgt …
|Charaktere|
Garth Nix‘ Heldin ist noch jung und unerfahren. Da sie in Ancelstierre aufgewachsen ist, weiß sie fast nichts über ihre Heimat, das alte Königreich. Ihr Durchsetzungsvermögen und ihr Wagemut basieren nicht zuletzt darauf, dass sie so wenig Ahnung von den Verhältnissen auf der anderen Seite der Mauer hat. Sie handelt aus dem Bauch heraus und tut manches Mal nur instinktiv das Richtige, nicht, weil sie die Situation beherrscht. In eine Rolle gedrängt, die ihr zu groß scheint, legt sie nur umso größeren Wert darauf, sie selbst zu sein. Das macht sie sympatisch.
Mogget, die weiße Katze, ist ziemlich gut getroffen. Sie hat viel Kätzisches an sich, obwohl sie eigentlich gar keine Katze ist, sondern ein gebundener Geist freier Magie. Mit ihrer Herablassung geht sie Sabriel manches Mal gehörig auf die Nerven, ist aber auch ein guter Ratgeber, ein verlässlicher Wächter und ein machtvoller Verbündeter.
Touchstone ist dagegen zunächst ein ziemlicher Jammerlappen. Er muss offenbar erst einmal richtig aufwachen, ehe er nützlich werden kann. Das bezieht sich weniger auf seine Erinnerungen, die nach seiner Rettung aus dem Totenreich nur langsam zurückkehren, als vielmehr auf sein Verhalten. Ansonsten ist er der typische Adlige: edelmütig, tapfer und mächtiger als erwartet.
Der Bösewicht ist Kerrigor, ein so genannter Großer Toter. Wer sich hinter dieser schattenhaften Bedrohung wirklich verbirgt, erfährt der Leser erst gegen Ende, da Kerrigor zunächst nur seine Handlanger in den Kampf schickt. Feststeht jedoch, dass es sich bei ihm um die größte Gefahr handelt, die das Totenreich zu bieten hat: einen ehemaligen Adepten der freien Magie.
Die Charakterzeichnung ist deutlich, geht aber nicht über das Minimum hinaus. Lediglich Sabriel ist etwas genauer ausgeführt, sie hat Gedanken und Gefühle. Über die anderen erfährt man kaum etwas: nichts über die Motive Kerrigors, fast nichts über Moggets wahres Wesen und über Touchstone nur das, was man zum Verständnis der Handlung wissen muss.
|Anceltierre und das alte Königreich|
Das gilt auch für andere Teile des Buches. Zum Beispiel für den Entwurf Ancelstierres und des alten Königreiches.
Ancelstierre wirkt ein wenig wie ein europäisches Land in den Endzwanzigern des letzten Jahrhunderts. Es gibt bereits Autos und Flugzeuge, aber die meisten Leute fahren offenbar noch mit dem Pferdefuhrwerk. Es gibt elektrisches Licht und Telefon, es gibt Läden mit Schaufenstern, Kinos und wahrscheinlich auch Tanzbars und Ähnliches. Andererseits wird am College noch Etikette unterrichtet, und es gilt als höchst unanständig, wenn ein junges Mädchen allein mit einem jungen Mann unterwegs ist.
Da Ancelstierre offenbar eine Nation aufstrebender Technik ist, hält die Regierung nicht viel von Zauberei. Dennoch wird am College auch Magie unterrichtet. Denn so mancher Bedrohung an der Grenze kann man einfach nicht anders als mit Magie begegnen.
Im alten Königreich dagegen hat Magie ihren festen Platz. Sie tritt in zwei Formen auf. Einerseits als Chartermagie, wobei Charter die Bezeichnung für die guten Elemente der Magie ist, wenngleich eine genaue Definition nicht gegeben wird. Sichtbare Zeichen dieser Magie sind die Chartersteine, die das Land beschützen, sowie Moggets Halsband und der dazugehörige Ring. Auf der anderen Seite gibt es die freie Magie, die in der Regel zerstörerisch wirkt und daher als böse gilt. Mit ihr werden Chartersteine zerstört, sie schützt Kerrigors Sarkophag.
|Nekromantie und der Tod|
Detaillierter ausgebaut ist nur der zentrale Punkt der Handlung, die Nekromantie.
Nekromantie wird eigentlich definiert als Totenbeschwörung in dem Sinne, dass Tote aufgeweckt werden, zu welchem Zweck auch immer. Garth Nix hat die Bedeutung ein wenig aufgeweitet, denn auch Sabriels Vater wird als Nekromant bezeichnet, obwohl seine Aufgabe darin besteht, die Toten zu binden, also dort zurückzuhalten, wo sie sein sollten. Dazu wird auch Chartermagie benutzt, ein weiteres Zeichen dafür, dass Nekromatie nicht zwangsläufig böse ist. In der Hauptsache ist sie aber auch hier negativ behaftet. Um die Aufgabe der Totenbindung von den Nekromanten der freien Magie abzugrenzen, trägt der entsprechende Magier den Titel Abhorsen.
Auch ist es hier bei der Totenbeschwörung nicht damit getan, dass im Schein brennender Kerzen und im Rauch irgendwelcher Käuter Blut vergossen und zusammen mit den entsprechenden Gesten Formeln gemurmelt werden müssen. Hier gehören zum Handwerk eines Nekromanten lediglich eine magische Formel, gepaart mit Gestik, und diverse Glöckchen, welche die Toten auf verschiedene Weise beeinflussen. Wer allerdings Kontakt mit den Toten aufnehmen will, muss zunächst einmal selbst die Grenze zum Tod überschreiten, je nachdem, zu welchem Zweck, mehr oder weniger weit. Dass das nicht ungefährlich ist, versteht sich von selbst.
Die massive Konfrontation mit dem Tod macht dieses Buch zu einer recht düsteren, bedrohlichen Lektüre, zumal Kerrigor ein Adept der freien Magie war. Das verleiht ihm Macht nicht nur über geringere Tote, sondern auch über die Lebenden! Abgesehen davon hat er die unterschiedlichsten Helfer, von lebensaugenden Parasiten bis hin zu feurigen Schöpfungen aus Sumpferde, Menschenblut und freier Magie, die Garth Nix alle sehr anschaulich beschreibt.
Zusätzlich droht er ständig mit Demontage, damit, die Sicherheit eines Ortes als trügerisch zu entlarven. Das gilt für das Haus von Sabriels Vater ebenso wie für Heiligenhall. Je weiter der Leser kommt, desto größer wird die Bedrohung, als sich herausstellt, dass nicht einmal mehr der Sonnenschein oder fließendes Wasser eine Garantie dafür sind, dass die Protagonisten vor der ständigen Verfolgung durch den Tod geschützt sind. Die Aussicht, dass der Tod nicht das Schlimmste ist, was ihnen widerfahren wird, tut ein Übriges.
|Leseerlebnis|
Seit Clemens‘ |Hexenzyklus| habe ich nichts mehr gelesen, das so spannend gewesen wäre! Noch dazu, weil Sabriel genau den Fehler macht, den alle Helden ständig machen: sie trödelt! Immer wieder! Sie weiß doch, dass sie verfolgt wird, und trotzdem steht sie draußen am Tor herum und wartet auf den Nebel, oder sie steht an der Haustür des College und beobachtet den Kampf gegen die einfachen Untoten. Warum zum Henker kümmert sie sich nicht endlich um den Sarkophag?! Ich hätte sie schütteln mögen! Und prompt war es dann zu spät!
Natürlich ist das Autorentaktik. Es steigert nicht nur die Spannung, sondern lässt auch überraschende Wendungen zu, eine Lösung des Problems, die von der ursprünglichen Planung abweicht. Trotzdem kann der Leser nicht anders, als dem Autor zu folgen, wider besseres Wissen, und er kaut sich dabei die Fingernägel ab. Trotz Nix‘ zügiger Erzählweise ist man gelegentlich versucht, ihn anzutreiben, aber genau dann lässt er sich natürlich Zeit. Eine Grenze aber, die Clemens nicht im geringsten gekümmert hat, hat Nix nicht überschritten: Er hat keinen seiner drei Hauptprotagonisten vernichtet. Zumindest jetzt noch nicht …
|Der Autor|
Garth Nix ist gebürtiger Australier und war nach dem Studium in den verschiedensten Bereichen der Buchindustrie tätig, ehe er selbst zu schreiben begann. Außer seinem Zyklus |Clayr|, dessen erster Band „Sabriel“ ist, stammen von ihm die Jugendbuch-Zyklen |Seventh Tower| und |Keys to the Kingdom|. Letzterer ist noch nicht abgeschlossen – Band fünf ist für März nächsten Jahres vorgesehen. Auf Deutsch erhältlich sind bisher nur Clayr und Seventh Tower.
Bereits im ersten Teil des „Drachen-Nimbus“ hegte ich einige Zweifel am qualitativen Output von Irene Radford. Die Dame zeigte nämlich bei der Einführung von Charakteren, Schauplätzen und der grundlegenden Problematik zwei elementare Schwächen, die sich in ihrer Erscheinung eigentlich widersprechen. Zum einen nämlich brauchte die Autorin unheimlich lange, um mit der Schilderung der Lage um die vom Aussterben bedrohten Drachen mal auf den Punkt zu kommen, und zum anderen nahm sie vielen Handlungseinheiten schon vorweg die Spannung, weil ihre geheimnisvollen Umschreibungen viel zu leicht durchschaubar waren. Man sollte meinen, dass Radford aus ihren Fehlern gelernt hat, und dennoch tritt sie auch in der Fortsetzung zu [„Der Glasdrache“ 1755 von einem Fettnäpfchen in das nächste …
_Story_
Die Lage um Coronnan ist weiterhin prikär. Der einst verschollene Prinz Darville ist durch die bedrohliche Magie weiterhin gefährdet, im Körper des Wolfes weiterzuleben und vorerst ohnmächtig in seiner Handlungsfähigkeit. Diese Schwäche nutzt der verräterrische Vetter des Prinzen, Krej, um weitere finstere Intrigen zu spinnen. Während er den Fürsten des Rates von Coronnan glaubhaft seine Treue versichert, plant er im Hintergrund die endgültige Machtergreifung, die er momentan nur vorübergehend bis zur Rückkehr von Darville innehat. Falls dieser überhaupt wieder dazu befähigt wird, seinen Thron einzunehmen.
Währenddessen wird die Gefahr durch die feindlichen SeLenicca immer größer; eine Invasion droht, und damit das Ende der Krone von Coronnan. Um dem hinterhältigen Treiben ein Ende zu bereiten, entschließt sich Darville zu einer Hochzeit mit der fremdrassigen Prinzessin Rossemikka, die im Gegenzug zum Treuebund eine Armee zur Verfügung stellt, um Coronnan zu verteidigen. Doch auch ihre Hilfe wird immer zweifelhafter, denn nach ihrer Ankunft verhält sich die zweckgebundene Gattin immer merkwürdiger und scheint nicht das zu sein, wofür Darville sie anfangs gehalten hat.
Währenddessen plagen Jaylor ganz andere Probleme; er ist nicht mehr dazu in der Lage, magische Sprüche zu wirken und somit auch ungeschützt vor feindlichen Übergriffen. Sein Verhältnis zu Brevelan ist indes sehr viel inniger geworden, so dass die beiden sich kurzerhand vermählen und ihr erstes gemeinsames Kind erwarten. Statt harmonischer Zweisamkeit erwartet die beiden jedoch eine allzu brutale Realität. Brevelan und das Kind geraten in große Gefahr, und aufgrund seiner neuerlichen magischen Starre ist Jaylor auf fremde Hilfe angewiesen. Ausgerechnet Krej soll als mächtiger Verbündeter aushelfen …
Wird Darville trotz allem auf den Thron zurückkehren können? Ist Krej wirklich so vertrauenswürdig, wie Jaylor es sich erhofft? Und welche Rolle spielt eigentlich die mysteriöse Katze Mica, die sich unablässig in der Nähe Darvilles aufhält?
_Meine Meinung_
Der zweite Band der Trilogie beginnt recht gefällig und nimmt den Faden aus „Der Glasdrache“ ohne Umschweife wieder auf, so dass man sich trotz längerer Pause relativ zügig wieder in den Machtspielchen um Coronnan zurechtfindet. Und im Gegensatz zum vorangegangenen Buch geht Irene Radford auch ein ganzes Stück gradliniger vor und hält sich (zunächst) nicht an nebensächlichen Randschauplätzen auf. Dann aber gerät die Geschichte zunehmend ins Stocken; die Autorin eröffnet noch einige und meiner Meinung nach zu viele neue Handlungseinheiten, um die Story ein wenig komplexer zu gestalten, was aber absolut nicht vonnöten gewesen wäre. Und dennoch verwendet sie dabei die schon durchgekauten Elemente des ersten Buches, so zum Beispiel hinsichtlich der ach so rätselhaften Katze, die als Darvilles ständiger Wegbegleiter ein fester Bestandteil des Buches ist und um die Radford ein großes Mysterium machen möchte. Dabei hat man bereits seit geraumer Zeit eine Vorahnung über den wahren Hintergrund Micas, der zu einem späteren Zeitpunkt dann – und das ähnlich wie damals bei Darville – mit einem Schlag und völlig unspektakulär aufgelöst wird. Hier offenbart sich die eingangs erwähnte Unlogik ein weiteres Mal: Erst wird eine Sache ellenlang durch die Story getragen, um dann später ganz abrupt und plötzlich aus dem Fokus genommen zu werden. Das nervt und zeugt nicht gerade von der Klasse der Autorin!
Doch noch mal zurück zur Erweiterung der Rahmenhandlung: Grundsätzlich ist ja nichts dagegen einzuwenden, wenn Radford neue Alternativen zur Fortgestaltung des eigentlichen Plots heranschafft, doch dann sollte sie diese auch konsequent ausführen. Immer wieder treten Ungereimtheiten infolge zu schwammiger Abarbeitungen auf, sei es nun beim seltsamen Zusammenschluss von Krej und Jaylor oder aber beim Auftreten der Prinzessin Rossemikka, die einem schon merkwürdig vorkommt, bevor sie in Erscheinung tritt. Hier lässt die Autorin die Hauptfigur Darville in ihrem Handeln recht unlogisch auftreten, denn eigentlich sollte er schon vorab wissen, dass an der Prinzessin und der dürftigen Zukunftsplanung etwas faul ist bzw. ihre Heirat als letzter Rettungsanker für seinen Thronanspruch und die Rettung Coronnans als Lösung eher zweifelhaft erscheint. Wären diese Gedankengänge von Radford (und gleichermaßen auch in der dürftigen Übersetzung) besser durchdacht und logischer umgesetzt worden, hätten sie das Salz in der Suppe sein können. Nun aber stellen sie lediglich Anteilscheine an einer komisch überfrachteten Fantasy-Aktie dar, die durch das unnötig schwächelnde „Der verbotene Zauber“ in den Keller zu sinken droht.
Zu viele Köche verderben den Brei; diese alte Phrase hätte sich die Urheberin des „Drachen-Nimbus“ mal besser zu Herzen nehmen sollen. Nach gutem Beginn weicht Radford immer mehr von ihrer willkommen stringenten Erzählform ab und verliert die ursprüngliche Hauptthematik meines Erachtens zu oft aus den Augen. Zu selten ist vom Vermächtnis der Drachen die Rede, und zu häufig stören Kleinigkeiten den Erzählfluss. Dazu bleiben viele wichtige Fragen unbeantwortet, was manchmal eine recht große Tragweite nach sich zieht. Ich frage mich, wie Irene Radford all die ungeklärten Ereignisse im letzten Buch der Trilogie noch logisch auflösen will. Weitere radikale Schnitte scheinen mir der letzte, wenngleich alles andere als wünschenswerte Ausweg. Doch da Autorin auf diesem Gebiet ja in den ersten beiden Büchern schon massig Erfahrungswerte gesammelt hat, wird dies, einhergehend mit der zunehmenden Abnahme der Spannung, die einzige Lösung sein. Schade um viele gute Ideen, schade um die gar nicht mal schlecht umschriebenen Charaktere, die sich leider nicht entsprechend weiterentwickeln können.
Wer „Der Glasdrache“ bereits gelesen hat, kann sich ja dennoch mal an „Der verbotene Zauber“ versuchen. Neueinsteigern hingegen möchte ich schon fast von dieser mageren Fantasy-Kost abraten.
„Flucht ins Feenland“, erschienen 1926, war ein Fantasy-Roman der ersten Stunde, hat allerdings einen halben Dornröschenschlaf hinter sich. Erst in den Siebzigern wurde er wiederentdeckt und gilt seither als Kult. Es dauerte aber noch bis ins neue Jahrtausend, ehe das Buch endlich auch auf Deutsch erschien.
Es ist ein Skandal! Der Sohn des Bürgermeisters von Lud-in-den-Nebeln hat Feenfrüchte gegessen. Und das, obwohl per Gesetz weder die Feen noch ihre Früchte existieren! Aber das ist nicht die einzige Ungeheuerlichkeit: Die Mädchen auf der höheren Töchterschule sind alle ausgeflippt und davongelaufen!
So ungern der Bürgermeister sich aus seiner Bequemlichkeit aufrafft, aber dem muss ein Riegel vorgeschoben werden, bevor das Land im Chaos versinkt!
Zunächst wird also Sohn Ranulph aus der Stadt aufs Land gebracht. Sodann macht sich der Bürgermeister daran, den Schmuggel von Feenfrüchten, die es offiziell gar nicht gibt, zu bekämpfen. Zunächst ist er damit genauso erfolglos wie seine Vorgänger schon seit Jahrhunderten. Erst eine Entdeckung seiner Frau und ein altes Gerichtsprotokoll bringen ihn auf die richtige Spur. Aber da scheint es schon zu spät! Kurz darauf wird er abgesetzt, und als er den Bauernhof aufsucht, wo sein Sohn den Sommer verbracht hat, muss er feststellen, dass er den übergeschnappten Mädchen gefolgt und davongerannt ist, ins Feenland, aus dem es keine Wiederkehr gibt.
Trotz dieser entmutigenden Erkenntnis ist Bürgermeister Hahnenkamm nicht bereit, sich geschlagen zu geben …
Bürgermeister Nathan Hahnenkamm, der Held dieses Buches, ist zumindest oberflächlich gesehen ein typischer Dorimaraner: rundlich, rotwangig, fröhlich, praktisch, vernünftig, gemütlich. Wobei er zugegebenermaßen gelegentlich doch auch ein wenig wunderlich wirkt. So hat er einen massiven Widerwillen gegen Worte wie zum Beispiel Fluch, und dem Leser wird mit der Zeit klar, dass Herr Hahnenkamm durchaus nicht so prosaisch und trocken veranlagt ist, wie er gerne möchte, dass man es von ihm glaubt. Tatsächlich wird der gute Mann seit seiner Kindheit gelegentlich von einem unbestimmbaren Gefühl drohenden Unheils heimgesucht, das er nicht deuten kann, und vor dem er sich am liebsten verkriechen möchte. Als es dann schließlich ernst wird, widersteht er jedoch der Versuchung, den Kopf in den Sand zu stecken, rafft sich auf und wächst schließlich sogar über sich hinaus.
Die übrigen Honoratioren der Stadt sehen das zunächst natürlich nicht so. Sie sind zwar auch praktisch und vernünftig, aber nur, soweit ihre Weltanschauung dadurch nicht betroffen ist. Ansonsten sind sie eher verbohrt, engstirnig, herablassend und bequem. Nur Nathans alter Freund Ambrosius Geißblatt hält zu ihm, selbst als sein Verstand gezwungen wird, sich mit Dingen zu befassen, die es dem Gesetz nach eigentlich nicht gibt.
Dem Gegenspieler des Bürgermeisters ist das nur recht. Dieser Mensch ist ein so geschickter Intrigant, dass er fast eine Frau sein könnte. Er lässt hier ein Wort fallen, macht dort eine beiläufige Äußerung, und sein guter Ruf tut das Übrige. Bald hat er den Bürgermeister so isoliert, dass dieser schließlich seines Amtes enthoben wird. Er will diesen Hahnenkamm unbedingt loswerden. Denn der ist eine Gefahr für ihn …
Dieses Buch zu lesen, ist wie bei schönem Sommerwetter durch einen lichten Laubwald zu spazieren. Der Reiz der Geschichte erwächst aus dem Zusammenspiel von Licht und Schatten, von Schönem und Schauerlichem, die sich durch ihren Widerspruch gegenseitig hervorheben. Die Feen in diesem Roman sind noch nicht zu reinen Lichtgestalten idealisiert oder zu romantischen Kindgestalten gewandelt. Eher scheinen sie den Anderweltgeschöpfen der englischen Sagen ähnlich: Musikanten und Dichter, verträumt, überschwänglich, gefühlvoll, aber auch boshaft und hinterlistig. Ferdie Fetz, der dauernd auftaucht, Unfug anstellt und wieder verschwindet, würde sich in Shakespeares Sommernachtstraum sicherlich recht wohl fühlen. Ein zweischneidiges Schwert …
Kein Wunder, dass dies den Kaufleuten von Lud-in-den-Nebeln höchst suspekt ist. Wer mit Waagen und Gewichten oder mit Rechnungsbüchern zu tun hat, hat nicht viel übrig für Überschwang und Träume. So wurden die Feenfrüchte unter anderem für die Abgedrehtheit des letzten Herzogs und seiner Adligen verantwortlich gemacht, weshalb nach der Revolution und der Vertreibung des Herzogs alles Feengut für tabu erklärt wurde. Mit der Zeit wurde selbst die Existenz des Feenreiches schlicht geleugnet. Allein etwas zu erwähnen, das mit den Feen in Zusammenhang stand, galt als obszön. Das ging so weit, dass im Gesetz der Stadt keine Strafe für den Schmuggel von offiziell nicht existierendem Obst vorgesehen war!
Spätestens an dieser Stelle entlarvt sich die neu errichtete Ordnung der Vernunft und Tüchtigkeit als ebenso illusorisch, wie das Feenreich angesehen wurde, das Leben in dieser Gesellschaftsordung als stumpfes, verknöchertes Dahindümpeln, dem jegliche Lebendigkeit, jegliches Gefühl und jeglicher Bezug zur Welt fehlt.
Wer jetzt glaubt, es handle sich bei diesem Roman um Gesellschaftskritik, der ist wahrscheinlich auf dem Holzweg. Es soll sogar Leute gegeben haben, die das Buch für eine Parabel auf den Klassenkampf hielten! Ein Beweis dafür, dass es möglich ist, jeden Text auf jede beliebige Weise zu interpretieren, wenn man die Worte darin nur mit genügend Ausdauer immer wieder dreht und wendet.
Eine viel einfachere Deutung lässt sich aus dem Gegensatz zwischen Dorimare und Feenland ableiten. Auf der einen Seite das Vernunftbetonte, das sich an den Tatsachen festklammert, die es jedoch durchaus in seinem Sinne zu verbiegen bereit ist, falls es seinen Zwecken dient, und dem jegliche Gefühle und Träume nur Überspanntheit und Spinnerei sind. Auf der anderen Seite das Träumerische, Bunte, Verrückte, das alles auf den Kopf stellt, überall Verwirrung stiftet, aber auch Farbe und Abwechslung, Leben bedeutet. Beide für sich genommen sind nicht praktikabel!
Vernunft allein ist grau und trist, Träume allein führen zum Wahnsinn. Nur gemeinsam ergeben sie eine lebenswerte und liebenswerte Welt! Und ob wir glücklich sind, hängt davon ab, ob es uns gelingt, die richtige Balance zwischen beiden zu finden.
Dieser Widerspruch, die Spannung zwischen Realität und Fantastik, war es, was Hope Mirrlees‘ gesamtes Schaffen prägte. Ihre ersten beiden Anläufe, dies zu Papier zu bringen, waren von wenig Erfolg gekrönt. Erst durch den Kontakt mit Alexej Remisov, einen russischen Schriftsteller, erhielt sie offenbar den entscheidenden Impuls. Der Humor fand Einzug in ihre Arbeit und führte letztlich zu dem beschriebenen Licht-und-Schatten-Effekt, wo das Lustige das Düstere betont, und das Gruslige das Lächerliche offenbart. So fühlte ich mich stellenweise nicht nur an Shakespeares Sommernachtstraum, sondern auch an die Sieben Schwaben erinnert. Die Fahndung nach den Schmugglern und das Aufdecken eines alten Mordkomplotts sorgen letztlich dafür, dass der Roman sich erfolgreich jeglicher Zuordnung zu einem bestimmten Genre entzieht.
Hope Mirrlees hat sich auch in anderer Hinsicht widersetzt. Im Zeitalter des literarischen Realismus bedeutet ihr Roman einen Kontrapunkt. Sogar sprachlich ist sie ausgebrochen, hat sich dem Bemühen um eine straffere, zügigere Sprache verweigert und schreibt in langen, verschlungenen Sätzen, ihr Stil ist blumig, duftig, ausdrucksstark.
Mit anderen Worten: Sie macht es ihren Lesern nicht leicht. Aber wer sich darauf einlässt, kommt in den Genuss eines kleinen Juwels, das es in dieser Form kein zweites Mal gibt, das verwirrt, beunruhigt, aber auch amüsiert. Prädikat: sehr wertvoll.
Hope Mirrlees wuchs teilweise in England und Südafrika auf. Sie war eine der ersten Frauen, die an einer Universität studierten, sprach eine ganze Latte mehr oder weniger exotischer Sprachen fließend, darunter Zulu, Arabisch und Russisch, war viel auf Reisen und gehörte neben Virginia Woolfe u.a. zur Bloomsbury-Gruppe, einem Literatenzirkel. Ihr erstes Werk, das Aufmerksamkeit erregte, war das Gedicht „Paris“, das recht erfolgreich war, doch mit „Flucht ins Feenland“ wurde sie berühmt. Nicht lange nach der Veröffentlichung dieses Romans aber starb ihre langjährige Freundin und Vertraute Jane Harrison. Offenbar hat dieser Verlust ihren inneren Antrieb zur Schriftstellerei vollständig zum Erliegen gebracht, denn außer einigen unbedeutenden Gedichten und einer unvollständigen Biographie hat Hope Mirrlees nichts mehr zu Papier gebracht. Sie starb am 01. August 1978.
Band 1: Rhapsody: Child of Blood, Tor 1999, ISBN 0-312-86752-2
Tochter des Windes, Heyne 2003, Übersetzer Michael Windgassen, ISBN 3-453-86372-0
Band 2: Prophecy: Child of Earth, Tor 2000, ISBN 0-312-86751-4 Tochter der Erde, Heyne 2003, Übersetzerin Christine Struth, ISBN 3-453-87069-7
Band 3: Destiny: Child of Sky, Tor 2001, ISBN 0-312-86750-6 Tochter des Feuers, Heyne 2004, Übersetzer Michael Siefener, ISBN 3-453-87549-4
Band 4: Requiem for the Sun, Tor 2002, ISBN 0-312-87884-2 Tochter der Zeit, Heyne 2005, Übersetzer Michael Siefener, ISBN 3-453-87911-2
Band 5: Elegy for a Lost Star, Tor 2004, ISBN 0-312-87883-4 Tochter des Sturms, Heyne 2006, Übersetzer Michael Siefener, ISBN 3-453-52067-X
Band 6: The Assassin King, Tor 2007, ISBN 0-765-30565-8 Tochter der Sonne, Heyne 2008, Übersetzer Michael Siefener, ISBN 978-3-453-53256-4
Band 7: The Merchant Emperor, Tor 2014, ISBN 978-0-7653-0566-4
Band 8: The Hollow Queen, Tor 2015, ISBN 978-0-7653-0567-1
Band 9: The Weaver´s Lament, Tor 2016, ISBN 978-0-7653-2055-1
Lost Journals of Ven Polypheme
The Floating Island, Starscape 2006, ISBN 0-765-30867-3
The Thief Queen’s Daughter, Starscape 2007, ISBN 978-0-7653-0868-9
The Dragon’s Lair, Starscape 2008, ISBN 978-0-7653-0869-6
The Tree of Water, Starscape 2014, ISBN 978-0-7653-2059-9
(Quelle: Wikipedia.de)
Als Achmed von der Westküste zurückkehrt, wo er Rhapsodys Entführer nachgejagt ist, findet er schon auf den Krevensfeldern Glassplitter, die eindeutig von den Scheiben in der Kuppel des Gurgus stammen! Fluchend reitet er weiter. Aber kaum zu Hause angekommen, muss er schon wieder aufbrechen …
Rhapsody und Ashe haben beschlossen, Gwydion sei alt genug, um die Nachfolge seines Vaters als Herzog von Navarne anzutreten. Zusammen mit Anborn führt ihn sein erster offizieller Staatsbesuch nach Tyrian. Die Fortsetzung der Reise nach Sorbold ist eher weniger offizieller Natur. Schon die ersten Entdeckungen allerdings sorgen dafür, dass Gwydion eilig nach Navarne zurückkehrt, um Ashe zu warnen, während Anborn auf seiner Erkundung bis in die Hauptstadt Jierna’Sid vordringt …
Ashe ist allerdings nicht mehr zu Hause, als Gwydion zurückkehrt. Denn Rhapsody ist gleichzeitig mit Gwydion aufgebrochen, um die Drachin Elynsinos zu besuchen, wo jetzt wiederum Ashe sie besucht, denn sie fehlt ihm ganz entsetzlich! Er kommt fast gleichzeitig mit Achmed dort an, der zum Glück Krinsel, die Hebamme, dabeihat. Nur alle gemeinsam sind sie in der Lage, Rhapsody und ihr Kind heil durch die Geburt zu bringen! Der Knabe erhält den Namen Meridion.
Er ist allerdings noch keine Stunde alt, als er sich bereits auf der Flucht befindet. Anwyn, die als Drachin das erste Konzil der Cymrer nach dem cymrischen Krieg verheerte und daraufhin von Rhapsody in der Erde eingeschlossen wurde, ist entgegen aller Annahmen nicht tot. Die Erschütterung der Explosion am Gurgus hat sie geweckt und ihr Gefängnis aufgebrochen. Nun will sie Rache!
Als wäre das noch nicht übel genug, hat der neue Kaiser von Sorbold Faron, das missgestaltete Kind von Rhapsodys Entführer, durch irgendeine alte Magie in eine Statue aus lebendigem Stein verpflanzt, um einen willenlosen und unbesiegbaren Soldaten zu schaffen. Dafür musste er die Kathedrale von Terreanfor schänden und hinterher sämtliche Priester beseitigen, weil sie allesamt Zeuge der Schändung waren.
Und dann taucht auch noch Estens Stellvertreter Dranth bei ihm auf, um ihm ein Geschäft vorzuschlagen …
Sechs verschiedene Handlungsstränge, das klingt komplizierter, als es wirklich ist. Grob gesagt teilt sich der Band in zwei Hälften, wobei „teilt“ eigentlich zu viel gesagt ist. Die Gewichtung verschiebt sich lediglich im Laufe der Erzählung ein wenig. Liegt sie zunächst etwas mehr auf Sorbold und seinem Kaiser, so wechselt sie später stärker zu den Ereignissen um Anwyn.
Kaiser Talquist von Sorbold stellt sich allmählich als extrem skrupellos heraus. Er giert nach Macht mindestens ebenso sehr wie die F’dor nach Zerstörung. Nicht nur, dass er die Waage manipuliert hat, um Kaiser zu werden, inzwischen zeigt sich, dass er absolut alles gnadenlos ausbeutet, was sich ihm nähert beziehungsweise dem er sich nähern kann. Der Nachschub an Sklaven, der durch Sorbold strömt, ist nahezu unermesslich, und man fragt sich, wo in aller Welt er diese vielen Menschen herholt! Er betreibt Raubbau an der Macht eines Heiligtums und bedient sich ihrer ganz unverblümt. Er benutzt jedermann, selbst jene, die ihn für ihren Freund halten, er intrigiert und schachert, und als Krönung verpflanzt er einfach ein Geschöpf von einem Körper in den nächsten, nur so als Test, und nimmt in Kauf, dass so ziemlich alles schief geht, was nur schief gehen kann. Und tatsächlich entzieht sich das Ergebnis des Experiments sogleich seiner Kontrolle …
Faron, das einst hilflose, ans Wasser gebundene Geschöpf, steckt jetzt in einem Körper, den es kaum versteht. Es versteht überhaupt fast nichts, weder die Welt selbst, noch die Wesen darin, noch was mit ihm geschehen ist. Aber er spürt die Klänge der bunten Schuppen, von denen ihm auf dem Weg nach Sobold zwei abhanden gekommen sind. Unwillkürlich folgt er den vertrauten Klängen durch den Kontinent zurück, um sich das Verlorene wiederzuholen. Und womöglich die violette Schuppe gleich dazu, die sich in den Händen Talquists befindet? Beim Anblick des stumpfsinnigen, aber unverwundbaren Kriegers aus lebendem Gestein packt den neuen Kaiser von Sorbold die Panik …
Am gelungensten fand ich die Beschreibung von Anwyn, die sich beim Erwachen an nichts mehr erinnert, nicht einmal an ihren eigenen Namen. Nur langsam und allmählich gehen ihre Gedanken über bloßen Instinkt hinaus, findet sie Antworten auf die vielen Fragen, die durch ihren Kopf schwirren. Und je mehr sie herausfindet, desto größer wird ihre Wut!
So kann man für diesen Band getrost dasselbe feststellen wie für den Vorgängerband: Die Autorin hat wieder viel Sorgfalt auf ihre Nebenfiguren verwendet.
Leider muss gleichzeitig auch für das ursprüngliche Trio Rhapsody/Achmed/Grunthor dasselbe festgestellt werden wie zuvor: Im Vergleich zu den ersten drei Bänden wirken sie einfach blass. Immerhin hat Rhapsody endlich ihr Kind entbunden. Jetzt, wo es ihr wieder besser geht, wird sie hoffentlich auch wieder aktiver und stärker, und zwar in jeder Hinsicht, in der sie es ursprünglich war. Auch Achmed wird hoffentlich wieder vermehrt zu dem dhrakischen F’dor-Jäger, der er sein sollte, denn im Augenblick ist er ein wenig zum Dauerretter Rhapsodys verkommen! Grunthor kommt ja fast gar nicht mehr vor.
Handwerklich gesehen, ist der Band gewohnt souverän aufgebaut. Elizabeth Haydon hat ein paar kleine Details eingestreut, die grundsätzlichen Fragen aber offen gelassen, um die Neugier wach zu halten. So erfährt der Leser zwar, dass es sich bei Farons bunten Schuppen offenbar um eine Art Kartenspiel handelt, aber nicht, wozu es dient und wie man es benutzt; dass die Glaskuppel, die Achmed so verbissen nachzubauen versucht, alte Magie anzapft, aber nichts Genaues über ihre Funktion. Außerdem finden sich wie gewohnt Ansätze zu neuen Handlungssträngen, zum Beispiel in der Figur des Jal’asee, des Gesandten der Magierinsel, oder der der Portia, die Ashe von Tristan Steward sozusagen aufgedrängt wurde, und die offenbar geheime Fähigkeiten hat. Die Frage, zu welchem Zweck genau Tristan sie unbedingt dort haben will, ist noch offen, ebenso wie die Pläne, die Dranth von der Rabengilde und der sorboldische Kaiser miteinander geschmiedet haben.
Das größte Rätsel ist allerdings erst zur Welt gekommen, nämlich Meridion. Aus dem dritten Band ist bekannt, dass er sein körperloses Selbst nicht nur durch die Zeit bewegen, sondern auch in die Geschehnisse eingreifen kann. Woher er diese Fähigkeiten hat, wie es dazu kam, dass er diese Fähigkeiten tatsächlich einsetzte, und wer sein Meister ist, der kurz erwähnt wurde, sind die Fragen, die mich derzeit am brennendsten interessieren. Ich fürchte allerdings, um diese zu beantworten, wird die Autorin – im Hinblick darauf, dass das Kind gerade erst geboren wurde – noch mal drei zusätzliche Bände brauchen! Ob sie dann noch alle Fäden ohne Verhedderungen weiterführen kann?
Schon in Band vier zeigen sich erste Schwierigkeiten, als Rhapsodys Entführer einen bestimmten Raum seiner Behausung aufsucht, um mit dem F’dor zu sprechen, dessen Wirt er doch ist, sodass das eigentlich gar nicht nötig sei sollte. Schnitzer dieser Art tauchen jetzt öfter auf. Anwyn hat bei ihrem Erwachen nicht mehr alle Verletzungen, die sie beim Kampf auf dem Konzil davongetragen hat, und von der Rede bei Meridions Namensgebung, die am Ende von Teil drei erwähnt wird, fehlt bei der tatsächlichen Namensgebung im neuesten Band jede Spur.
Auch das Lektorat war nicht ganz fehlerfrei. So tauchte die überraschende Mehrzahl Kinds auf, gemeint sein dürften wohl Kinder. Und obwohl sich die Verlage bei der Übersetzung von Titeln jegliche Freiheiten nehmen – was besonders bei den beiden neuesten Bänden auffällt, deren Titel wohl nur noch der Einheitlichkeit des Zyklus dienen und keinerlei Bezug zum Inhalt mehr haben -, schaffen sie es nicht, ihre Übersetzung sprachlicher Logik anzupassen. So heißt es an einer Stelle: “ … sprach drei Worte …: ‚Es tut mir leid.‘ „. Das sind eindeutig vier Worte, und nicht drei wie im englischen Original. Hier wäre ein Abweichen vom Originalwortlaut wenigstens mal sinnvoll gewesen!
Insgesamt entspricht das Niveau des fünften Bandes ungefähr dem vierten, was schade ist. Der Spannungsbogen ist längst nicht mehr so straff gespannt wie in den ersten drei Bänden. Der Leser ist zwar neugierig, weil die Autorin immer noch geschickt ihre Antworten nur häppchenweise verteilt, aber das Mitfiebern, das zu Anfang noch vorhanden war, schwindet zusehends, weil die drei Sympathieträger des Zyklus so schwächeln. So interessant die neuen Ideen auch sind, richtig mitreißen kann die Handlung nicht mehr. Ich hoffe doch sehr, dass wenigstens im sechsten Band, wo voraussichtlich die Zuspitzung auf den Höhepunkt erfolgen dürfte, endlich wieder Schwung in die Geschichte kommt.
Das Erscheinen dieses sechsten Bandes wurde allerdings auf Januar 2007 verschoben; wann die deutsche Übersetzung zu „Assassin King“ erscheinen wird, steht also noch in den Sternen. Ob diese großen Abstände zwischen den einzelnen Bänden dem Zusammenhang und der Logik dienlich sind, wird sich noch zeigen.
Elizabeth Haydon lebt an der Ostküste der USA mit ihrem Mann und drei Kindern. Sie interessiert sich für Kräuterkunde und Geschichte, singt und spielt selbst Harfe. Bevor sie zu schreiben begann, arbeitete sie im Verlagswesen. Außer |Symphony of Ages| schrieb sie auch |The Journals of Ven Polypheme| für Kinder.
… für all jene, die den ersten Band [„Die dunkle Quelle“ 1938 noch nicht kennen, sich aber trotzdem diese Rezension einverleiben wollen. Ich bin ein (so weit es geht) beinharter Verfechter von „spoilerfreien“ Rezensionen, aber hier werden zwangsläufig Details angesprochen, die sich im ersten Band erst entwickeln mussten. Um trotzdem Interessierte nicht unverrichteter Dinge von dieser Seite zu scheuchen, sei wiederholt, dass „Im Zeichen des Mammuts“ ein origineller Fantasy-Zyklus ist, dessen kompletter Plot während einer siebenjährigen Rollenspiel-Kampagne entwickelt wurde. Keine ermüdende Endlosreihe also, sondern ein kompaktes Fantasy-Spektakel mit definitiv geplantem Ende.
_Können Mammuts schwimmen?_
Diese Frage muss sich die Truppe um Rodraeg Delbane und das Schmetterlingsmädchen Naenn bald stellen, denn eine neuer Auftrag ist in ihr Hauptquartier geflattert, losgeschickt vom geheimnisvollen „Kreis“ und dem rasch sich verjüngenden Kindgreis Riban Leribin. Ausgeruht vom Desaster in den Schwarzwachsminen und unter den ersten Ausläufern von Langeweile leidend, kommt den Streitern vom „Mammut“ die neue Aufgabe gerade recht: In der Hafenstadt Wandry soll eine Herde Buckelwale angespült werden und verenden, wenn das Mammut nichts dagegen unternimmt. Das Schmetterlingsmädchen vermutet „Fängermagie“, eine seit Generationen verbotene Form der Zauberei, die unbedingt verhindert werden muss.
Gar nicht so einfach das Ganze, denn mit Migal, der sich der Truppe „Erdbeben“ angeschlossen hat, fehlt ihnen ein Mann, Rodraeg hustet sich wegen seiner schlimmer werdenden Schwarzwachsvergiftung die Seele aus dem Leib, und als ob das nicht schon genug Motivationsbremsen wären, bekommt Rodraeg von dem Schmetterlingsmädchen noch eine richtig üble Enthüllung an den Kopf geknallt.
Wenigstens ein neuer Mitstreiter wird schnell gefunden. Eljazokad ist ein umgänglicher, bescheidener Lichtmagier, der ähnlich mystische Träume hat wie Rodraeg und glücklicherweise in einer Hafenstadt aufgewachsen ist, was ihn zu einem idealen Kompagnon für ihr Vorhaben macht. Außerdem hat das Mammut vom Kreis eine Kutsche nebst Kutscher gestellt bekommen und könnte sich eigentlich entspannt auf die Reise machen. Dumm nur, dass sich Rodraeg von einem unheimlichen Fremden überreden lässt, ihn als Fahrgast mitzunehmen …
Tja, und dann taucht man wieder mitten ein in eine Geschichte voller Rätsel und Aufgaben, begegnet einem unheimlichen Geisterschiff, das einen Mitstreiter des Mammuts versklaven möchte, erlebt die erste Fantasy-Rock-Kapelle mit menschlicher P.A., schlendert zwischen den Rotleuchten des käuflichen Gewerbes umher, trifft Magier, Piraten, Säufer und Kinderbanden und sieht sich Auge in Auge mit einer Truppe unheimlicher Gesellen, deren Herkunft sich niemand erklären kann …
_Abenteuerlust und Fernweh._
Das befällt einen unweigerlich, wenn man die ersten Zeilen gelesen hat. Zwar war „Die dunkle Quelle“ schon mitreißend und spannend, kam aber, nach dem rasanten Prolog, erst allmählich in die Gänge, da Meißner ja erst seine Truppe zusammenwachsen lassen musste. In „Die letzten Worte des Wolfs“ ist das ganz anders: Man ist schon mittendrin, kennt jeden und fühlt sich beinahe wie zu Hause im Hauptquartier des Mammuts. Man freut sich über Bestars Speerwundengenesung, sorgt sich um Rodraeg wegen seines brutalen Hustens und brennt unglaublich auf die Abenteuer, die am Ende der zwölftägigen Kutschfahrt auf die Gruppe warten werden.
Damit kommt dann schon der nächste Pluspunkt. Das Abenteuer gestaltet sich vollkommen anders als im Vorgängerbuch: Lag der Schwerpunkt des ersten Bandes noch auf Konflikten zwischen den Figuren und auf wilden Actionszenen, so liegt er in diesem Band auf den Rätseln, die dem Mammut in der Stadt Wandry gestellt werden. „Rätsel“ ist dabei ein entscheidendes Wort: Die werden nämlich immer zahlreicher und tauchen Dinge, die man im ersten Band einfach als gegeben hingenommen hat, in völlig neues Licht. Wie sagte noch das Mädchen aus Eljazokads Traum so passend: „Ein Irrgarten, verdunkelt durch ein Rätsel, entfernt durch einen Abgrund, und dennoch greifbar nah.“
„Die dunkle Quelle“ war tatsächlich nur ein Auftakt, und im zweiten Band eröffnen sich viel mehr Zusammenhänge, aber auch viele neue Fragen, die einen darüber staunen lassen, in welche Tiefe die Details wirklich hinabreichen.
Abgesehen davon, dass die Handlung wesentlich praller ist als im Vorgänger, gibt es diesmal auch mehr Gerüche und optische Eindrücke zu bestaunen. Meißners Erzählstil ist „sinnlicher“ geworden, und das füllt eine Story gerade dann mit den nötigen Facetten, wenn sie in einer stinkenden Hafenstadt spielt! Besonders hervorzuheben ist Rodraegs Husten. Man kann mit dem armen Kerl tatsächlich mitfühlen, ständig glaubt man diesen kitzelnden Hustenreiz selbst in sich zu spüren und fürchtet mit ihm, wenn er mal wieder in einem verstaubten Archiv recherchieren muss …
_Ein Mammut ohne Konditionsprobleme._
Es bleibt beim positiven Resümee, das schon „Die dunkle Quelle“ für sich verbuchen konnte: keine überflüssigen Informationen, rasante Dialoge, eine Fantasywelt, in der sich Düsternis und Feenstaub angenehm die Waage halten, und Figuren, die glaubwürdig und konsequent gezeichnet wurden. Auch wenn „Das Paradies der Schwerter“ von der Presse (zu Recht) hochgelobt wird, kann die Atmosphäre, die Meißner dort erschaffen hat, nicht mit der Magie mithalten, die uns in der Welt des Mammuts verzaubert.
Ich werde die Fährte des Mammuts jedenfalls begierig weiterverfolgen, so viel steht schon mal fest, und es sieht nicht so aus, als ob Meißner auf halbem Weg die Ideen-Puste ausgehen könnte. Wer den ersten Band mochte, wird auch diesen mögen. Schade nur, dass das Buch schon zu Ende ist, wenn man erst richtig Lust auf mehr bekommen hat; die 340 Seiten verdampfen einem geradezu unter den Fingern. Aber wenn wir Glück haben, ist die Wartezeit auf den nächsten Band ja ebenso angenehm kurz wie jene zwischen Band 1 und 2. Wiederum ein herzliches „Respekt!“, Herr Meißner!
Das Land Wlachkis steht unter der Fremdherrschaft des Volkes der Masriden. Die letzten freien Wlachaken führen eine Art Bürgerkrieg gegen die Besatzer. Einer der Widerstandskämpfer, Sten cal Dabran, wird von Zorpad, dem Masridenherrscher, gefangen genommen. Als Strafe soll Sten in einem engen Käfig im tiefsten Wald ausgesetzt werden, um dort den Tod durch wilde Tiere oder etwas Schlimmeres zu erlangen. Und Zorpads Plan scheint aufzugehen, denn als fünf Trolle bei dem Wlachaken auftauchen, scheint dessen Leben wohl beendet. Aber es kommt anders: Nicht nur, dass die Trolle, die eigentlich als ausgestorben gelten, Stens Sprache sprechen können, nein, sie scheinen auch noch intelligent zu sein. Der Anführer der Trolle, Druan, befragt den Widerstandskämpfer über die Menschen.
Da die Trolle normalerweise unter der Erde leben, wissen sie natürlich nur wenig über Menschen und deren Gepflogenheiten. Hinzu kommt, dass die Zwerge, die Todfeinde der Trolle, von eben jenen Menschen Hilfe erhalten, um die Monster auszurotten. So kommt es zu einem brüchigen Pakt: Die Trolle nehmen Sten mit sich, und dieser erzählt ihnen von den Menschen. Doch nicht alle Trolle sind mit dieser Situation einverstanden, so dass der größte und stärkste Troll, Pard, den Menschen lieber tot sehen würde. Auch der Wlachake bemerkt schnell, auf was er sich da eingelassen hat, denn die Trolle sind, obwohl intelligent und sprachbegabt, doch eben unberechenbare Ungeheuer, für die das Leben eines Menschen nicht viel Wert besitzt.
_Der Autor_
Christoph Hardebusch, geboren 1974 in Lüdenscheid, studierte Anglistik und Medienwissenschaften und arbeitete anschließend als Texter bei einer Werbeagentur in Heidelberg, wo er seitdem auch lebt. Sein großes Interesse an Fantasy und Geschichte führte ihn schließlich zum Schreiben. „Die Trolle“ ist sein erster Roman.
_Mein Eindruck_
Christoph Hardebusch hätte es sich wohl wirklich leichter machen können. Seinen Debütroman gleich in einer Reihe mit etablierten Autoren wie Stan Nicholls, Markus Heitz und Bernhard Hennen zu veröffentlichen, ist sicherlich keine leichte Situation für einen „Neuling“. Umso beachtlicher ist das Endprodukt, das er abgeliefert hat: 766 Seiten echtes Fantasy-Lesevergnügen. Wobei ja schon die pure Seitenanzahl ein ordentliches Wort ist. Doch wollen diese auch erst einmal sinnvoll gefüllt werden. Eines im Voraus: Es ist ihm auf beachtliche Art und Weise gelungen!
Mal ganz davon abgesehen, unterscheiden sich „Die Trolle“ schon etwas von den anderen Romanen aus der Reihe. Denn bei Hardebusch spielen die Trolle zwar eine wichtige Rolle, doch ist der Wlachakenrebell Sten der eigentliche Protagonist. Aha, ertappt: Etikettenschwindel, werden sich jetzt einige denken. Nein, dem ist nicht so, eher würde ich es als gelungenes Stil-und Darstellungsmittel beschreiben, denn somit erreicht der Autor, dass man die Trolle aus menschlichen Augen beobachtet und so die Ungeheuer mit gemischten Gefühlen wahrnimmt. Einerseits ist natürlich das Ziel der Trolle – nämlich ihre Rasse vor dem Aussterben zu bewahren – nur allzu verständlich. Andererseits aber sind sie eben trotz alledem Trolle: gefährlich, monströs und unberechenbar. Dieser Zwiespalt betrifft sowohl den Leser, als auch Sten. Dieses von Hardebusch verwendete Stilmittel ist von daher so interessant, da ja speziell die Fantsayliteratur gerne zur Schwarzweißmalerei neigt. So ist etwa bei Tolkien von Anfang bis Ende immer klar, wer gut und wer böse ist.
Der Kniff mit der Perspektive lässt sich besonders schön daran ersehen, dass die Zwerge die Trolle aus ihren Stollen haben wollen. Da diese auch nicht gerade mit Freundlichkeit glänzen, ein verständliches Anliegen. Wäre der Roman nun aus der Sicht eines Zwergs geschrieben, wäre klar, wer hier der Böse ist. So allerdings steht eigentlich nur ein richtiger Bösewicht fest: Zorpad, der Masridenherrscher. Alle anderen bewegen sich in den verschiedenen Abstufungen zwischen Schwarz und Weiß. Dies macht die Lektüre enorm kurzweilig, und man fragt sich häufig: Wie würdest du an Stens Stelle handeln?
Desweiteren hat Christoph Hardebusch es geschafft, die Trolle nicht zu stereotypen Monstern verkommen zu lassen. Allerdings liegt auch hier mein Hauptkritikpunkt an diesem Roman. So haben etwa die Trolle Druan, Pard und Roch ein klares Charakterprofil, das heißt man kann sie sich plastisch vorstellen. Bei den anderen Trollen Zdam und Anda fehlt dies leider weitestgehend. Diese beiden erweckten in mir den Eindruck, nur „Auffüllmaterial“ oder „Kanonenfutter“ zu sein, vor allem, wenn man bedenkt, dass dies bei den anderen Figuren nicht der Fall ist. So sind etwa die drei anderen Trolle, Sten, Zorpad, Flores oder Sargan äußerst gelungene Figuren geworden, mit einem hohen Wiedererkennungsfaktor. Doch muss ich ehrlich zugeben, dass diese Kritik bei einem Debütroman schon ein wenig an Erbsenzählerei grenzt. Andererseits wäre es ja fast schon erschreckend, wenn ein neuer Autor sofort perfekt schreiben würde.
Auch das Setting ist sehr überzeugend. Man merkt, dass sich Hardebusch richtig Gedanken über das „Land zwischen den Bergen“ gemacht und nicht einfach halbgare Kost geliefert hat. Dies sieht man einerseits an den historischen Ereignissen, von denen erzählt wird, und andererseits an der überaus athmosphärischen und plastischen Schilderung des Landes und der Städte. Auch die verschiedenen Kulturen der Völker sind interessant gestaltet. Besonders deutlich wird das an der Figur von Sargan, der aus einem Land jenseits der Berge kommt und mit der Kultur – oder dem Fehlen einer solchen – der hiesigen Völker teilweise Schwierigkeiten hat. Auch der Plot ist sinnvoll gewählt. So lernt man im ersten Teil des Buches erst einmal die Trolle und Sten kennen. In der zweiten Hälfte dagegen spielen dann auch weitere Figuren eine Rolle. So wird dem Leser Zeit gegeben, um erst die Trolle kennen zu lernen und sie dann später in Aktion zu erleben.
_Fazit_
„Die Trolle“ sind für Fantasy-Fans ein Muss. Der Roman wird auf seinen 766 Seiten nie langweilig oder eintönig, sollte wohl jedem Fan der |Heyne|-Reihe gefallen und viele vergnügliche Stunden Lesespaß bereiten. Ich bin mir sicher, dass wir an Christoph Hardebusch noch einige Freude haben werden, und bin schon jetzt gespannt, was auf „Die Trolle“ folgen wird!
http://www.hardebusch.net/
|Ergänzend dazu siehe auch:|
[Interview mit Christoph Hardebusch]http://www.buchwurm.info/artikel/anzeigen.php?id=65
[Teaser und Lesprobe zu „Die Trolle“]http://www.buchwurm.info/artikel/anzeigen.php?id=62
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