Archiv der Kategorie: Horror & Unheimliches

Kim Harrison – Blutjagd

Der Dark-Fantasy-Trend reißt einfach nicht ab. Aus den USA eingeschleppt, können sich auch hierzulande immer mehr vornehmlich weibliche Autoren und ihre düsteren Romanreihen etablieren. Bei der amerikanischen Autorin Kim Harrison steht nicht, wie in den meisten anderen Fällen, ein Vampir im Mittelpunkt, sondern eine Erdhexe, die mithilfe von Amuletten und Kraftlinien Magie anwendet.

Die Erdhexe Rachel Morgan ist eine chaotische, dickköpfige junge Frau, die nach ihrem Weggang vom FIB – dem Federal Inlander Bureau, das sich darum kümmert, dass das Zusammenleben zwischen den Inderlander-Wesen und den normalen Menschen geregelt wird – eine glänzende Karriere als Runnerin hingelegt hat. Gemeinsam mit ihren Partnern, dem zehn Zentimeter großen Pixie Jenks und der Vampirin Ivy, bildet sie nicht nur eine Wohngemeinschaft, sondern auch eine Runneragentur, die sich um das Auffinden von vermissten Personen und derlei kümmert.

Ein solcher Job birgt natürlich einige Gefahren: Im zweiten Band der Reihe, [„Blutspiel“, 4512 hat Rachel ihre Seele an den Dämonen Algaliarept verkauft, um Piscary, den ältesten und gefährlichsten Vampir von Cincinnati, hinter Gitter zu bringen. Dadurch hat sich das Machtgleichgewicht in der Unterwelt der Stadt verschoben. Ein gewisser Saladan versucht, seinen Teil vom Kuchen abzubekommen. Er probiert es mit Schutzgelderpressung und Drogenhandel und zieht dadurch die Aufmerksamkeit zweier Männer auf sich: Kisten ist ein getreuer Anhänger Piscarys und Trent Kalamack der Drogenbaron der Stadt, der sich hinter seinem Wohltäter-Image verschanzt.

Beide bitten Rachel um Hilfe, um Saladan aus der Stadt zu vertreiben. Während Trent nach wie vor Rachels Lieblingsfeind ist, muss sie sich Kistens Annäherungsversuche gefallen lassen – und ist dabei gar nicht mal so abgeneigt. Das allerdings führt dazu, dass ihre Mitbewohnerin Ivy reichlich verstimmt ist. Schließlich ist Kisten nicht nur ihr Exfreund, sondern sie sieht Rachel, ganz nach Vampirmanier, als ihr Eigentum an …

„Blutjagd“ schließt nahtlos an die beiden bereits veröffentlichten Bände von Kim Harrison an. Ohne Vorwissen kommt man daher nicht weit. Die Autorin nimmt sich nicht die Zeit, um Wichtiges vorneweg zu klären, wobei anzumerken ist, das dies bei der Komplexität ihrer Serie auch nur schwer möglich wäre. Woran sie ebenfalls nahtlos anknüpft, ist ihre Vorliebe für eine langatmige, leicht überladene Handlung: Was in [„Blutspur“ 3253 und „Blutspiel“ ärgerlich war, wird bei der Vielschichtigkeit, die Harrisons Serie bereits erreicht hat, manchmal zur Geduldsprobe. Erst möchte die Geschichte nicht in Schwung kommen und dann ist häufig unklar, wohin die Handlung eigentlich führen soll. Erst gegen Ende des Romans kommt richtige Spannung auf; die Autorin konzentriert sich auf einen einzigen Handlungsstrang und verfolgt nebenbei nicht noch mehrere unwichtige. Zusammen mit der stellenweise überzogenen Detailliertheit bezüglich der Geschehnisse und der Beschreibungen krankt „Blutjagd“ vor allem daran, dass die Geschichte zu lang, zu umfangreich und vor allem zu unfokussiert ist. Ein roter Faden fehlt beinahe vollständig, viele Nebensächlichkeiten werden aufgebauscht – das sind nicht gerade die besten Voraussetzungen für ein paar spannende Lesestunden.

Auch wenn die Handlung eines Buches sehr wichtig bei dessen Bewertung ist, gibt es einige Dinge, die man Harrison abseits davon zugute halten muss. Zum einen ist das der Schauplatz, an dem die Geschichte spielt. Harrison beweist nicht zum ersten Mal, wie gut sie darin ist, eine komplett andere Welt zu entwerfen, die alleine aufgrund ihrer Darstellung schon Spannung erzeugt. Vampire, Pixies, Elfen und Hexen sind sicherlich nichts Neues, aber die Autorin siedelt diese in einem recht düsteren Setting an. Die Stadt Cincinnati verfügt mit den Hollows über ein Stadtteil, in dem man vorzugsweise Inderlander, also sämtliche fantastische Wesen, antrifft. Dass deren Zusammenleben nicht immer reibungslos abläuft, ist klar, und somit ist von vorneherein für eine Menge Reibung gesorgt. Harrisons Einfallsreichtum kennt dabei keine Grenzen. Ihre Welt ist dicht besiedelt von übernatürlichen Gestalten, denen sie gerne einen humoristischen Anstrich verpasst und die durch ihre sorgfältige Ausarbeitung glänzen. Jede der Arten besitzt bestimmte Eigenarten, die durch ihre Innovativität gefallen und „Blutjagd“ trotz der Schwächen in der Storyline über den Durchschnitt hieven.

Dieselbe Sorgfalt, die Harrison den Details und dem Setting angedeihen lässt, widmet sie auch den Figuren. Rachel Morgan zeigt auch nach zwei dicken Vorgängerbänden noch keine Ermüdungserscheinungen. Sie ist eine sympathische, chaotische Hexe, die mit einer spannenden Vergangenheit glänzt, die immer noch nicht völlig ausgeleuchtet ist. Auch über die anderen Charaktere lernt man immer wieder interessante Dinge, die man noch nicht wusste. Die Zahl an Figuren ist im übrigen mittlerweile ebenfalls sehr hoch. Allerdings schafft die Autorin es, die einzelnen Charaktere so voneinander abzugrenzen, das man sie nicht verwechselt. Die verschiedenen Eigenarten und Macken sind dabei abwechslungsreich und häufig witzig. Gerade die Pixies – das heißt, Jenks und seine ziemlich große Familie – sorgen immer wieder für Lacher.

Getragen wird das Ganze von Harrisons amüsantem Schreibstil. Sie berichtet aus Rachels Perspektive und benutzt dazu eine Sprache, die weniger Wert auf Erhabenheit als auf die Vermittlung von Emotionen und Gedanken legt. Der Wortschatz ist groß, klingt aber nie hochgestochen. Am prägnantesten ist Harrisons Humor. Ihre bissigen, manchmal fast schon boshaften Witze und die flapsigen Bemerkungen von Rachel lassen die Geschichte erst richtig lebendig werden. Schlagfertige Dialoge und der angemessene Gebrauch von Stilmitteln schließen das Ganze sauber ab. Stellenweise wird man zwar an einschlägige amerikanische Frauenlektüre erinnert, die sich mit einer halbwegs kessen Protagonistin schmückt, letztendlich ist „Blutjagd“ aber wesentlich bissiger und düsterer und wirkt nie seicht oder halbherzig.

Halbherzig ist ein gutes Stichwort; die Autorin Kim Harrison ist nämlich alles andere als das. Sie ist geradezu detailversessen, was ihren Figuren und ihrer Fantasy-Welt gut tut, der Handlung aber schadet. „Blutjagd“ ist damit bislang der schwächste Band der Reihe, weist aber großes Potenzial auf. Die zwischenmenschlichen Beziehungen und einzelnen Handlungssträge pochen geradezu auf eine Fortsetzung, und tatsächlich wurden in Amerika mittlerweile sechs Bücher mit Rachel Morgan veröffentlicht, ohne dass sich bereits ein Ende abzeichnete. In Deutschland ist man noch nicht ganz so weit, aber auch hier wird laut Verlag im Januar 2009 der vierte Band „Blutpakt“ auf den Markt kommen. Dann erscheint für diejenigen, die jetzt vielleicht – nun ja: Blut geleckt haben, auch der Auftaktband „Blutspur“ als preisgünstigere Taschenbuchausgabe in überarbeitetem Coverlayout.

|Originaltitel: Every which way but dead
Deutsche Übersetzung von Vanessa Lamatsch
686 Seiten, Taschenbuch
ISBN-13: 978-3-453-53279-3|
http://www.kimharrison.net
http://www.heyne.de

_Kim Harrison bei |Buchwurm.info|:_
[„Blutspur“ 3253
[„Blutspiel“ 4512

Lindqvist, John Ajvide – So finster die Nacht

_Das geschieht:_

Blackeberg, ein geschichts- und gesichtsloser Vorort von Stockholm im Jahre 1981: Der zwölfjährige Oskar verbringt hier ein freudloses Leben als Außenseiter. In der Schule wird er gemobbt, die Mutter arbeitet und kehrt erst abends heim, der Vater ist schon lange ausgezogen. Mit Ladendiebstählen und Rachefantasien, die sich gegen seine Peiniger richten, verbringt Oskar seine Tage.

Aktuell gibt es freilich etwas Interessantes für ihn, der eifrig Zeitungsartikel über Serienmorde und andere Untaten sammelt: Ein Schlächter geht in der Vorstadt um. Er hat es auf Kinder abgesehen, denen er auflauert und sie betäubt, um ihnen dann das Blut abzuzapfen. Oskar ist fasziniert; nur zu gern sähe er seine Feinde dem Mörder zum Opfer fallen. Deshalb hält er die Augen offen und versucht sich als Ermittler.

In diesen aufregenden Tagen lernt Oskar eine neue Nachbarin kennen. Eli behauptet, im selben Alter wie er zu sein, doch obwohl sie körperlich in der Tat jung wirkt, hat Oskar Zweifel. In der Wohnung, wo sie mit ihrem ‚Vater‘ lebt, sind alle Fenster stets verhüllt. Nur in den Abendstunden verlässt Eli das Haus. In Oskar, der auch für Horrorgeschichten schwärmt, steigt ein bestimmter Verdacht auf …

_Untot im hohen Norden_

Vampire in Schweden: Das hatten wir zumindest hierzulande noch nicht. Wir verdanken sie wohl vor allem der Popularität, die der skandinavische Kriminalroman aktuell genießt. Kaum verwunderlich, dass deutsche Verlage versuchen, diese auf weitere Genres zu übertragen. Dem Leser kann’s recht sein, denn auch das Grauen fremder Länder kann erschreckend faszinierend sein.

Dem skandinavischen Krimi sagt man spätestens seit Sjöwall/Wahlöö einen ausgeprägten Hang zur politischen und gesellschaftlichen Sozialkritik nach, die (mehr oder weniger gelungen) in die Handlung integriert wird und diese auf ein Niveau hebt, das auch das eher krimifeindliche Feuilleton aufmerken lässt. „So finster die Nacht“ stößt ebenfalls in dieses Horn. Erfreulicherweise wird dies nicht zur Pflichtaufgabe, der sich der Autor eher aufdringlich entledigt, sondern ist Teil eines Geschehens, das ohne diesen Faktor nicht denkbar ist.

Vampire in der Gegenwart: Macht man sich Gedanken über die Realität ihrer Existenz, taucht unweigerlich die Frage auf, wie sich diese Wesen in einer Hightech-Welt behaupten könnten. Zwar spielt „So finster die Nacht“ im Jahre 1981, doch war auch dies eine denkbar ungünstige, weil kriminalpolizeilich durchsetzte Gegenwart für Kreaturen, die regelmäßig töten müssen, wenn sie überleben wollen.

_Die Vorteile der Unpersönlichkeit_

John Lindqvist findet eine simple und gleichzeitig überzeugende Lösung für das Problem, einen ‚modernen‘ Vampir wirken und wüten zu lassen: Er versetzt ihn in eine Trabantenstadt, die hauptsächlich von den abgestumpften Verlierern der modernen Leistungsgesellschaft bewohnt wird. Blackeberg ist quasi ein Synonym für anonymes Leben in einem gesellschaftlichen Vakuum. Es gibt in dieser Vorstadt keine Kommunikation zwischen den Bürgern, die in ihren Wohnsilos vegetieren.

Oskar ist das perfekte Produkt seiner Umgebung – ein Scheidungskind, das von einer überarbeiteten und meist abwesenden Mutter ‚erzogen‘ und in der Schule von ebenso perspektivenlosen jugendlichen Gewalttätern gepiesackt wird. Sowohl das Quälen als auch das Leiden sind in der Ödnis von Blackeberg absolut sinnlos und wirken dadurch umso bedrückender. Dieser isolierte und trübe Kosmos benötigt keine Vampire; seine Bewohner verstehen es selbst, sich das Leben zur Hölle zu machen.

Den Erwachsenen geht es in dieser den Geist tötenden Umgebung nicht besser. Parallel zu Oskars Geschichte erzählt Lindqvist von der traurigen Realität einer Gruppe schon mittelalter Freunde, die im Grunde Oskar in späteren Jahren widerspiegeln: Ausgebrannt, resigniert, im Leben bereits tot, repräsentieren sie die ideale Beute nicht nur für Vampire.

_Der Vampir – nordisch nüchtern_

Eli ist nicht nur ein Vampir, der sich nicht unbedingt an die Regeln hält, die Bram Stoker 1897 in [„Dracula“ 3489 zusammenfasste, sondern auch quasi geschlechtslos. Das kann der Leser nur begrüßen, denn längst zerrt die Allgegenwart glutvoll-brünstiger Vampir-Hengste an den Nerven. Primär für pubertierende Jungmädchen entstehen gegenwärtig geistlos genormte Blutsauger-Schmonzetten in schwindelerregender Zahl. Ein Vampir-Roman ‚für Erwachsene‘, wie ihn Lindqvist vorlegt, gehört fast schon zur Ausnahme.

Eli ist ganz sicher keine charismatische Gestalt, sondern ein Überlebenskünstler. Er ist nicht freiwillig zum Untoten geworden, hat sich aber im Laufe von Jahrhunderten mit seiner Existenz arrangiert. Sehr geschickt charakterisiert Lindqvist ein Wesen, das seine Menschlichkeit nicht vergessen hat und dessen Einsamkeit anrührt. Gleichzeitig ist Eli mörderisch und manipulativ.

Was Eli durchmachen musste, demonstriert Lindqvist am Beispiel der Figur Virginia. Sie wird ebenfalls zum Vampir; eine Frau, die im gesellschaftlichen Abseits steht und intellektuell verkümmert ist, was es ihr unmöglich macht, sich Hilfe von ‚außen‘ zu suchen. Wie einst Eli versucht Virginia sich über ihr neues ‚Leben‘ mit seinen gründlich veränderten Regeln klar zu werden. Lindqvist bietet dies die Möglichkeit, den Vampirismus ‚wissenschaftlich‘ zu beleuchten. Er hinterfragt das alte Wissen über die Blutsauger, findet Erklärungen für ihr körperliches Funktionieren, ihre Furcht vor der Sonne, vor Silber, vor dem Kreuz, ohne dadurch den Mythos unnötig zu zerstören: Vampire sind auch nur Menschen, so lautet die nüchterne Zusammenfassung. Es gibt sie und die erste große Herausforderung ihres ‚Lebens‘ ist es, sich den Bedürfnissen ihres mutierten Körpers zu stellen. Eli ist es mit allen Konsequenzen gelungen, Virginia scheitert.

Die grässliche Alternative verkörpert Håkan Bengtsson. Er ist die Figur, die „So finster die Nacht“ zu einem echten Horroroman werden lässt. Seine Wiederauferstehung erinnert an das Erscheinen eines Zombies, seine Untaten verstärken diesen Eindruck. Wenn Bengtsson auf der Szene erscheint, wird es blutig und hässlich. In der ansonsten meist gemächlichen Handlung wirkt er grell. Andererseits dürfte seine Existenz den Hardcore-Gruselfan zufriedenstellen, der Eli trotz gelegentlicher Brutal-Exzesse zu zahm findet.

_Eine spannende Geschichte?_

„Dieser Thriller ist eine Offenbarung der schwedischen Literatur“, dröhnt die Werbung und fordert die nachdrückliche Überprüfung dieser Behauptung förmlich heraus. Es dürfte kaum überraschen, dass die Fakten ein anderes Bild ergeben. „So finster die Nacht“ ist ein spannender Thriller mit vielen eindrucksvollen Szenen, die sich indes zu keinem überragenden Gesamtbild fügen wollen. Die Geschichte weist Längen auf, schwankt unentschlossen zwischen ‚richtigem‘ Horror und einer düsteren „Coming-of-Age“-Story mit phantastischen Elementen. Übrigens ist es nie Lindqvist, der literarische Ansprüche erhebt; er spinnt sein Garn, in das er wohl auch autobiografische Elemente einfließen lässt, wurde der Autor doch 1968 in Blackeberg geboren und war folglich 1981 so alt wie seine Figur – sein Alter Ego? – Oskar.

Warum die Geschichte unbedingt 1981 spielen muss, bleibt Lundqvists Geheimnis. Er schließt seinem Roman zwar ein Nachwort an, spart diese Frage aber aus. Die deutsche Übersetzung ist ein weiteres Rätsel. Zwar gut gelungen, wird sie von einem merkwürdigen Titel gekrönt. „So finster die Nacht“ hat rein gar nichts mit dem Original zu tun, das sehr viel anschaulicher „Lass den Richtigen ein“ lautet, denn genau gegen dieses Gebot verstoßen die (menschlichen) Figuren immer wieder und geben dem Grauen dadurch die Möglichkeit, sich zu verbreiten. Offensichtlich soll die bibelähnliche Eindeutschung die Assoziation an die geschwätzigen, pseudo-wichtigen Krimi-Bestseller wecken, die sich auf den „Nimm’s mit!“-Tischen deutscher Kettenbuchläden türmen. Wer darauf hereinfällt, wird sein blutrotes Wunder erleben! „So finster die Nacht“ ist – wenn man unbedingt eine Schublade sucht – die solide, aber sicherlich nie geniale skandinavische Variation einer Geschichte, wie sie z. B. Stephen King in [„Brennen muss Salem“ 3831 („Salem’s Lot“) 1975 ersann. In diesem Umfeld vermag sich Lindqvist wacker zu schlagen. Mehr ist da nicht – doch muss da unbedingt mehr sein?

_Der Autor_

John Ajvide Lindqvist wurde 1968 in Blackeberg, einem Vorort der schwedischen Hauptstadt Stockholm, geboren. Nachdem er schon in jungen Jahren als Straßenmagier für Touristen auftrat, arbeitete er zwölf Jahre als professioneller Zauberer und Comedian.

Sein Debütroman „Låt den rätte komma“ (dt. „So finster die Nacht“), eine moderne Vampirgeschichte, erschien 2004. Bereits 2005 folgte „Hanteringen av odöda“ (dt. „So ruhet in Frieden“), ein Roman um Zombies, die Stockholm terrorisieren. „Pappersväggar“ ist eine Sammlung einschlägiger Gruselgeschichten. Lindqvist schreibt auch Drehbücher für das schwedische Fernsehen. Das prädestinierte ihn, das Script für die Verfilmung seines Romanerstlings zu verfassen, die 2008 unter der Regie von Tomas Alfredson entstand.

Als Buchautor ist Lindqvist in kurzer Zeit über die Grenzen Schwedens hinaus bekannt geworden. Übersetzungen seiner Werke erscheinen in England, Deutschland, Italien, den Niederlanden, Polen und Russland.

_Impressum_

Originaltitel: Låt den rätte komma in (Stockholm: Ordfront förlag 2004)
Übersetzung: Paul Berf
Deutsche Erstausgabe: Oktober 2007 (Bastei-Lübbe-Verlag/TB Nr. 15755)
639 Seiten
EUR 8,95
ISBN-13: 978-3-404-15755-6
http://www.basteiluebbe.de

Als Hörbuch: Oktober 2007 (Lübbe Audio)
5 CDs, gelesen von Sascha Rotermund
344 min
EUR 19,95
ISBN 978-3-7857-3277-9

Ropes, Arthur R. – Aus dem Abgrund

_Das geschieht:_

Im Jahre 1645 befindet sich der Bürgerkrieg in England in seiner Endphase. Der Sieg der Republikaner unter Oliver Cromwell zeichnet sich ab, während sich die Royalisten zerstreuen. Viele der adligen Untertanen des Königs verweigern Cromwell jedoch die Gefolgschaft. Zu ihnen gehört Philipp, Graf von Deeping, der sich mit 40 ihm treu ergebenen Kriegern in seinem einsam inmitten unzugänglicher Salzsümpfe gelegenen und schwer befestigten Burg Deeping Hold verschanzt. Seine Pächter im nahen Dörflein Marsham hat er ultimativ aufgefordert, ihn binnen einer Woche mit Vorräten zu versorgen; ansonsten wird er mit seinen Männern über sie kommen.

In ihrer Not senden die so Bedrohten einen Boten zum einzigen Verwandten des Grafen. Hubert Leyton, sein Vetter, ist ein friedlicher Bücherwurm, aber bereit, dem Tyrannen ins Gewissen zu reden. Er macht sich auf die beschwerliche Reise nach Deeping Hold. Dort wird er ungnädig empfangen und gefangen gesetzt. Schlimmeres als Rebellion scheint allerdings in den Mauern des düsteren Herrenhauses zu nisten. Die Gräfin ist eines merkwürdigen Todes gestorben. An Philipps Seite sitzt nun die Italienerin Fiammetta Bardi, die als böse Hexe verrufen ist. Angeblich geht der Geist der Gräfin in Deeping Hold um.

Zu allem Überfluss meldet sich ein alter Fluch, der auf der Grafenfamilie lastet. In einer bodenlosen Höhle am Boden des Flusses, der Deeping Hold umfließt, haust eine dämonische Kreatur, die ihr Lager zu verlassen und die Burg anzugreifen droht. Leyton muss fliehen, will er nicht mit ins Verderben geraten. Er ist jedoch nicht gerade ein Mann der Tat und außerdem gebunden: Mit ihm gefangen in Deeping Hold ist die junge Rosamund, Zofe und Vertraute der Gräfin, in die er sich verliebt und die er retten will. Als sich endlich eine Fluchtmöglichkeit bietet, scheint es zu spät zu sein: Der Fluch ist entfesselt und gestattet kein Entrinnen …

_Verdammt sind sie alle!_

|“Als der von Deeping Hold hienieden / dem Satan seine Seel verschrieben;
als er damit hat aufgeschreckt, / was in der finstren Grube steckt,
im Schlunde hockt es seit all den Jahren, / da fraß es ihn mit Haut und Haaren.“|

Welcher Gruselfreund, der die altmodische, nein, klassische Geistergeschichte liebt, kann diesem düsteren Spruch widerstehen? Auf ihn stößt Hubert Leyton, der zaghafte ‚Held‘ dieser Geschichte, als er eines Tages in einem verborgenen Winkel der Familienbibliothek stöbert. Bevor die eigentliche Handlung beginnt, ist damit ihr Fundament gelegt. Schon einmal hat ein Graf von Deeping sich mit Mord & Magie beschäftigt und ist deshalb umgekommen. Wir Leser ahnen bereits, dass sein Nachfahre nicht klüger geworden ist.

Das Ambiente ist exotisch: „Aus dem Abgrund“ ist ein historischer Roman, der 1914 veröffentlicht wurde. Gleichzeitig ist dieses Buch ein Historienroman, denn Verfasser Ropes siedelt die Handlung im Herbst des Jahres 1645 an. Diese Entscheidung beeinflusst ihren Verlauf enorm, denn was hier geschieht, spielt sich lange vor der Epoche der Aufklärung ab. Leyton, der Erzähler, ist ein Zeitgenosse. Wir sehen die Welt durch seine Augen – eine seltsame, erschreckende Welt, die von Gewalt und Willkür, von Religion und Aberglaube bestimmt wird, während die (Natur-)Wissenschaft noch stark mit der mittelalterlichen Alchemie verwandt ist.

Der geistige Horizont der Menschen ist verglichen mit der Gegenwart bestürzend eng. Das trifft auch oder gerade auf Leyton zu, der zwar als gebildeter Mann gilt, jedoch der Denkweise seiner Epoche verhaftet bleibt. Zauberei ist für ihn keine Fantasie und eine entschlossene, selbstbewusst auftretende Frau wie die Signora Fiammetta gilt auch ihm sogleich als verdächtig.

Fremd mutet heute auch das Verhalten des Grafen an. Obwohl auf der Flucht, hat er in seinem Territorium weiterhin die uneingeschränkte Macht. Seine Pächter, die er wie in alter Zeit eher als Leibeigene zu betrachten scheint, sind hilflos, London und Cromwell weit: In einem Land ohne echtes Straßennetz kann sich der Graf in seinem Schlupfwinkel recht sicher fühlen.

Die Gesellschaftsstruktur ist rigide: Philipp ist von Adel und kann nur von anderem Adel zur Rechenschaft gezogen werden. Völlig selbstverständlich ist deshalb der Plan der Bürger von Marsham, Hubert Leyton zum Parlamentär zu ernennen – er mag faktisch denkbar ungeeignet für diese Aufgabe sein, doch er ist selbst ein Mann von Stand und darf deshalb damit rechnen, vom Grafen vorgelassen und angehört zu werden. Dessen größter Fehler ist seine Launenhaftigkeit. In Momenten klarer Selbstreflektion erkennt Philipp seine Schuld. Als alter Soldat findet er sich fatalistisch mit den Folgen ab, um im nächsten Moment in unberechenbarem Zorn zu entflammen.

_Eine versunkene Welt wird gehoben_

Seine archaisch wirkende Welt hat Arthur R. Ropes meisterhaft zu neuem Leben erweckt. Ob er sie historisch korrekt schildert, bleibt Nebensache; wichtiger ist, dass sie historisch echt wirkt. Für die Schaffung dieser Illusion ist der ‚historisierende‘ Tonfall des Erzählers wichtig, der den Sprachduktus des 17. Jahrhunderts aufgreift bzw. imitiert. In der deutschen Übersetzung entfällt die Möglichkeit zu prüfen, wie Ropes mit dieser Herausforderung umging. Manfred Allié hat jedenfalls bemerkenswert gute Arbeit geleistet, die nicht einfach gewesen sein dürfte.

Man muss sie allerdings zu würdigen wissen, was nicht selbstverständlich ist, denn der Fluss der Worte und Sätze mag dem heutigen Leser blumig, schleppend und umständlich vorkommen. Ausgiebig werden Landschaften und Stimmungen beschrieben, viele Bibelstellen zitiert. „Aus dem Abgrund“ stellt als Buch eine Herausforderung dar, die Geschichte muss man sich als Leser verdienen. Ropes war sehr konsequent; sein Roman sollte wie ein Bericht aus alter Zeit wirken. Der Verfasser verkneift sich deshalb auch den Zugriff auf ‚zukünftiges‘ Wissen. Blendet das Geschehen auf die Zeit nach der Tragödie von Deeping Hold um, spricht der alte Leyton, der seine Geschichte im Rückblick erzählt.

Allerdings hält sich Ropes in Sachen Gewalt nicht zurück. Seine Geschichte spielt in einer vom Krieg gezeichneten Ära, und das wird nicht verschwiegen. Philipp und seine Männer sind roh und mit dem Schwert schnell bei der Hand, und die schließlich zu stark gepiesackten Dörfler zahlen es ihnen mit gleicher Münze heim. Auch in der Burg sind Handgreiflichkeiten an der Tagesordnung. Der Fluch hält sich zwar im Hintergrund, doch was er seinen Opfern antut, wird mit viel Freude am blutig-schleimigen Detail beschrieben.

_Der Mensch ist sein eigenes Monster_

Auf die Frage, wer ihm als Vorbild als Autor einer Geistergeschichte gedient habe, nannte Arthur Ropes ausdrücklich Montague Rhodes James (1862-1936), der für seine ebenso nüchtern konstruierten wie wirksamen, fein ziselierten und äußerst beliebten Storys gerühmt wurde. James schrieb nur nebenberuflich; er war Historiker und Universitätsdozent. Sein immenses Wissen ließ er spielerisch in seine Erzählungen einfließen. Sie wirken dadurch dokumentarisch, zumal sich James emotionale Verwicklungen und psychologische Untiefen ausdrücklich verkniff.

Auf eine Liebesgeschichte wollte Ropes nicht verzichten. Sie wird die Freunde dieses Genres freilich kaum entzücken. Rosamund ist eine Nervensäge und auf ihre Art sogar noch bornierter als der Graf. Sie hat sich zum Sprachrohr ihrer toten Herrin und zum Gewissen ihres treulosen Gatten ernannt. Unermüdlich und voller Selbstgerechtigkeit stichelt sie den Grafen und die Signora, die das entgegen ihres Rufes erstaunlich friedfertig hinnehmen. Leyton ist – er gibt es selbst zu – nur in religiösen Dingen ein standfester Charakter. Deshalb lässt er sich von Rosamund sogleich instrumentalisieren; ihre Art imponiert ihm sogar, denn er hat es gern, wenn man ihm sagt, was er tun soll.

Wesentlich besser gelungen ist die Figur der Fiammetta Bardi. Zwar bedient Ropes zeitgenössische Klischees, indem er Fiammetta als intrigante Giftmischerin vom Schlage der Borgias brandmarkt. Darüber geht nicht verloren, was sie wirklich auszeichnet: ein unbändiger Überlebenswille, der sie aus der Gosse an die Seite eines Grafen brachte – eine Position, die sie mit allen Mitteln und äußerst manipulativ zu sichern gedenkt. Außer Philipp hält sie sich wohlweislich einen weiteren Favoriten warm, und sogar den steifen Leyton versucht sie – Sicher ist sicher! – auf ihre Seite zu ziehen.

_Was lauert in der Grube?_

Ropes übernimmt zum Glück auch das Dokumentarische. Wie der englische Herausgeber Richard Dalby in seinem ebenfalls übersetzten Nachwort erläutert, hat Ropes ’seine‘ Heimsuchung weniger nach James, sondern nach William Hope Hodgson (1877-1918), dem Großmeister des amorphen, aus den Tiefen des Meeres gekrochenen Schreckens, gestaltet.

Unabhängig davon, ob James oder Hodgson Ropes Vorbilder waren, hat der Verfasser sehr genau begriffen, dass der Spuk am wirksamsten erschreckt, der nur in Ansätzen sichtbar gemacht wird. Der Fluch von Deeping Hold wird nie völlig enthüllt. Die Fantasie des Lesers muss dort einspringen, wo der Verfasser schweigsam bleibt – ein Trick, der, gut beherrscht, eine Geschichte auf eine weitere Ebene heben kann. Ropes beherrscht sein Handwerk: Jeder Leser stellt sich letztlich ’seine‘ eigene Kreatur vor, die in der Dunkelheit von Deeping Hold haust. Letztlich trifft vor allen anderen Theorien zu, was Leyton in seinem Schlusssatz so zusammenfasst: |“Und eines jeden Mannes Seele, ja, und auch die einer jeden Frau, gleicht einem Deeping Hold mit ihrem launischen Herrn, ihren bösen Ratgebern und mit dem Feinde, welcher da lauert im Schlunde.“| (S. 229) Gemeint ist der Abgrund der menschlichen Seele, deren Existenz sogar ein frommer Puritaner nicht mehr leugnen kann.

_Was (zu) gut ist, ist oft nicht von Dauer_

„Aus dem Abgrund“ ist der zehnte Band der „Bibliothek des Phantastischen“, mit der ab 1990 der |DuMont|-Verlag klassische und moderne Meisterwerke des Unheimlichen neu oder sogar zum ersten Mal veröffentlichen wollte. Die Reihe wurde parallel zur „Kriminalbibliothek“ des Verlags, die ähnlich Verdienstvolles für den Kriminalroman leistete, ins Leben gerufen. Anders als diese war der „Bibliothek des Phantastischen“ leider kein Erfolg beschieden. Zu anspruchsvoll war das Programm, zu klein der Kreis der Leser, die sich dafür begeisterten. Nur zwölf Ausgaben erschienen, bevor die Reihe aufgegeben wurde; die Bände erfreuen sich unter Genrefreunden antiquarisch großer Beliebtheit.

_Der Autor_

Am 23. Dezember 1859 wurde Arthur R. Ropes in Lewisham, einem Stadtteil von London, geboren. Er studierte in Cambridge Geschichte, wurde später dort Dozent (und ein Kollege und Freund von Montague Rhodes James), erwarb sich Meriten als Übersetzer französischer und deutscher Literatur und wurde für seine Gedichte ausgezeichnet. Dennoch wandte er sich der leichten Muse zu und wurde einer der erfolgreichsten Musical-Autoren des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts. Allerdings glaubte Ropes, es seiner Alma Mater schuldig zu sein, diese ‚minderwertige‘ Tätigkeit unter Pseudonym zu leisten: Als Adrian Ross ist er deshalb in die britische Bühnengeschichte eingegangen. In den 41 Jahren seiner Karriere schrieb er mehr als zum Teil überaus erfolgreiche 60 Musicals. Im Alter von 73 Jahren ist Ropes am 10. September 1933 gestorben.

Ropes einziger Roman erschien 1914, weil sein Freund James sich für ihn stark machte: „The Hole in the Pit“ (dt. „Aus dem Abgrund“) ist eine Geschichte in der klassischen Tradition der britischen Phantastik. Der Misserfolg seines Buches ließ Ropes, den Erzähler, aufgeben. „The Hole in the Pit“ wurde erst 1992 von Ramsey Campbell, dem Meister des modernen englischen Horrors, wiederentdeckt und neu veröffentlicht.

Arentzen, Gunter – Türen der Unterwelt, Die

_Inhalt:_

Jaqueline Berger hat sich von der Schatzjägerei zurückgezogen und führt das Leben einer erfolgreichen Geschäftsfrau in New York City. Sie lernt eine Studentin kennen und verliebt sich in sie, ihr Unternehmen floriert und alles könnte wunderbar sein.

Aber … Unerwartet erhält sie eine Botschaft, laut der die Türen der Unterwelt geöffnet würden. Und sie sei die Person, die sie wieder zu schließen habe. Weder weiß sie, wer wo oder warum die Türen öffnet, noch wie man sie wieder schließt. Aber all das spielt für jenen, der ihr die Botschaft übermittelt, keine Rolle.

Denn er ist immerhin ein Gott, und dem widerspricht man nicht …

_Meinung: _

Und wieder fabuliert er – Gunter Arentzen, der sich durch seine Serien „Die Schatzjägerin“ und „Christoph Schwarz“ seine Leserschaft schuf. Nun legt er beim |vph|, der seit kurzem neben E-books auch Prints anbietet, mit „Die Türen der Unterwelt“ einen komplexen Jaqueline-Berger-Roman vor. Und der hat es in sich!

Wer den Stil des Autors kennt, weiß, dass ihn eine flott erzählte actionreiche Handlung erwartet. So auch in diesem Band, der keinerlei Längen aufweist und auf spannende Weise mehrere Handlungsstränge aufbaut und mit der ägyptischen Mythologie verknüpft. Und das von der ersten bis letzten Seite.

|Zeit für einen guten Fick.| So beginnt der Roman – damit ist garantiert jedes Leserinteresse geweckt – da soll keiner heucheln. Gunter Arentzens Opener ist in einer psychatrischen Klinik in Maine angesiedelt, und beginnt damit, dass der zwielichtige Pfleger Simon Wolf an der jungen Patientin Nina Decker seinen sexuellen Sadismus auslebt. Die Archäologin wird von Ängsten gepeinigt, die sie mittels Medikamenten, die ihr Wolf gegen spezielle „Gegenleistungen“ verschafft, zu bannen versucht. Doch schon bald soll sich herausstellen, dass Nina Decker, ihres Zeichens Archäologin, keineswegs wahnsinnig ist, wenn sie von den Toten spricht, |die kommen und die Lebenden fressen werden|.

Derweil erlebt der Leser Jaqueline Berger (JB) in New York, in der ihr eher verhassten Vorweihnachtszeit – und erfährt einige Rückblicke auf ihr Leben. In einem Ego-Shooter begegnet ihr die Studentin Erin Summer und die beiden Frauen verlieben sich ineinander – womit auch die unvermeidliche Liebesgeschichte Einzug hält.

Geschickt verknüpft Gunter Arentzen schon bald seine Charakteren an zwei Punkten: Da ist zum einen das mysteriöse Parker-Anwesen, das leersteht und eine blutige Geschichte vorweisen kann: Sein Erbauer hat seine gesamte Familie niedergemeuchelt. Dan Craft, der derzeitige Besitzer des Anwesens, schuldet JB Geld und bietet ihr stattdessen das Haus an. JB schlägt in den Handel ein.

Als sie mit Erin das Anwesen zum ersten Mal besuchen und in Augenschein nehmen will, trifft sie dort auf ein Team des Kabelsenders „Premium-Cable TV NYC“, das eine Livsendung über das Parker-Haus drehen will, in dem es angeblich spuken soll. Die drei stehen in Konkurrenz zueinander, was sich deutlich an ihrer Stimmung und ihrem Umgangston bemerkbar macht: Da ist Gina Simmon, die Moderatorin, die sich „hochgeschlafen“ hat und mit Argusaugen ihre neue Assistentin Renana Schwarz betrachtet, die sie als bedrohliche Konkurrentin empfindet. Dazwischen steht Leo Washington, der Kameramann, der es sich mit keiner der beiden Damen verscherzen will.

Ein weiterer wichtiger Knotenpunkt der Handlung ist das „Institute for Historical Research“ in Wilbanks. Dort arbeitet Prof. Phil Danatu, Archäologe, der sich später auf Religionswissenschaft spezialisiert hat, an einem sehr „speziellen“ Projekt: Er will mit seinen Kollegen die Türen der Unterwelt aufstoßen (anhand eines Schlusssteines). An seiner Seite ist Danielle Lacomte, seine Assistentin und Nachfolgerin in spe. Dem Team gelingt es tatsächlich, die Türen der Unterwelt zu öffnen – und schon nimmt das Unheil seinen Lauf.

Fortan haben die Cops von Wilbanks alle Hände voll zu tun, wieder Herr des Chaos zu werden, das um sie herum ausbricht. Eine stetig wachsende Armee von Untoten ist auf dem Weg – mit einem schier unersättlichen Hunger auf Fleisch. Sie sind gekommen, um die Lebenden zu fressen und zu ihresgleichen zu machen.

Auch JB wird von Beginn an damit konfrontiert, als auf dem Seziertisch eines Pathologen die Leiche der bestialisch ermordeten Imara Halil wieder ins „Leben“ tritt. Dr. Lindstroem sieht sich einer „Toten“ gegenüber, deren Augen sich plötzlich öffnen und golden leuchten und die mit der Stimme eines Mannes – der, wie sich später herausstellt, Osiris ist – nur einen Namen nennt: Jaqueline Berger! Diese wird rasch herbeigerufen und erfährt von Osiris aus dem Mund der „Toten“, dass die Türen der Unterwelt geöffnet werden und das Unheil über die Menschen komme. JB solle eben jene Türen wieder verschließen und das Übel abwenden. Natürlich stellt sie sich dieser Aufgabe.

Gunter Arentzens Texte leben durch ihre „Beweglichkeit“ und die gelungene Mischung aus Mystery-Action mit der Prise Erotik, wie sie zum vergnüglichen Lesen dazugehört. „Die Türen der Unterwelt“ ist ein rasantes mystisches Action-Spektakel mit eingestreuten Horrorelementen.

Der Autor scheint eine besondere Verbindung zu vorantiken Mythen zu haben, betrachtet man eine Texte. Und so fließt auch in diese Handlung ein Nebenstrang ein, der ins Alte Ägypten führt. In Teil III geht es um Akasha, einer Kriegerin des Pharao Snofru, die in Akkara lebt und von Osiris in sein Totenreich geholt wird. Dort trifft sie auf JB, die auf ihrer Mission ebenfalls dort gelandet ist und sich einer schweren Entscheidung gegenübersieht.

Mehr sei über den Inhalt nicht verraten – außer, dass das Buch auf gleichbleibend flottem Level unterhält und somit vergnügliche Lesestunden beschert.

Die Aufmachung des Titels ist dankenswert professionell und erstklassig. Vor allem wenn man bedenkt, dass dies erst der dritte Printtitel des |vph| ist. Aber da stimmt alles, angefangen bei dem handlichen Taschenbuchformat über das stimmungsvolle weinrote Cover bis zur Papierqualität und den Satz, der bis auf ein oder zwei kleine Patzer auch korrekt ist, und auch das Lektorat ist (auch gemessen an den anderen Titeln des Autors) sehr gut! Der Klappentext ist im vernünftigen Blocksatz – einziges Manko: Er ist in einem zu kleinen Schrifttyp verfasst und kaum zu lesen.

Besser geht es also bis auf Winzigkeiten nicht und man kann dem |vph| nur wünschen, dass er auf diesem Niveau weitermacht und sich eine illustre Autorenriege dort eine Verlagsheimat verschafft.

_Fazit:_

„Die Türen der Unterwelt“ ist ein spannender, flüssig zu lesender, mystischer Thriller mit einer exzellenten Aufmachung. Absolut empfehlenswert! Da stimmt das Preis-Leistungsverhältnis.

http://www.vph-ebooks.de

Briggs, Patricia – Bann des Blutes (Mercy Thompson 02)

_Mercy-Thompson-Serie:_

Band 1: [„Ruf des Mondes“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=4490
Band 2: _Bann des Blutes_
Band 3: Spur der Nacht
Band 4: Zeit der Jäger

Nachbarn müssen nicht immer nett und freundlich sein. Davon kann die Automechanikerin Mercedes Thompson, Heldin von Patricia Briggs‘ gleichnamiger Buchreihe, ein Liedchen singen. Ihr Nachbar ist ein gutaussehender Werwolf, der Alpha des Rudels in den Tri-Cities, der ein Auge auf sie geworfen hat und dummerweise ein Kontrollfreak ist.

Dementsprechend ist Adam nicht sonderlich begeistert, als sich Mercy vom Vampir Stephan breitschlagen lässt, ihm bei einer Aufgabe beizustehen. Stephan soll herausfinden, welcher fremde Vampir sich im Revier seiner Herrin Marsilia befindet, ohne sich vorgestellt zu haben. Da er befürchtet, dass der Fremde magische Kräfte besitzt, die ihn beeinflussen könnten, soll Mercy, die sich als Walkerin in eine Koyotin verwandeln kann, ihm in Tierform beistehen.

Diese Aufgabe wird ihnen beinahe zum Verhängnis, denn es stellt sich heraus, dass Cory Littleton, so der Name des Zugereisten, kein gewöhnlicher Vampir ist, sondern ein Zauberer. Mit seinen Kräften schafft er es, Vampire zu lenken und ihre Erinnerungen zu verändern. So bildet sich Stephan nach dem Zusammentreffen mit Littleton ein, einen Menschen umgebracht zu haben. Zum Glück hatte er Mercy, auf die Vampirmagie keine Wirkung besitzt, dabei und sie kann seine Unschuld bezeugen. Sie schaffen es, vor Littleton zu fliehen, doch der treibt weiterhin sein Unwesen in den Tri-Cities.

Die Fälle von Gewalttaten nehmen zu, die Menschen werden aggressiver. Marsilias Vampire wie auch Adams Werwölfe machen sich daher auf die Suche, um Littleton zu töten. Zu gefährlich ist es, wenn er durch seine Taten die anderen Wesen in Gefahr bringt. Die Werwölfe haben sich zwar, genau wie das Feenvolk vor einigen Jahren, „geoutet“ und der Öffentlichkeit gestellt, doch das bedeutet noch lange nicht, dass die Menschen ihnen vertrauen.

Die Jagd nach Littleton wird Mercys Freunden allerdings zum Verhängnis. Ein Werwolf wird schwer verletzt, mehrere andere und Stephan verschwinden plötzlich von der Bildfläche. Mercy beschließt zu handeln und sucht Marsilia, die intrigante Führerin von Stefans Sidhe, auf. Sie stellt der Walkerin einen Partner an die Seite, mit dem sie den Zauberer auffinden und unschädlich machen soll. Mercy hat nur wenig Vertrauen in ihren Partner Andre, da er Stephan nicht wohlgesonnen war, und so ist sie mehr oder weniger auf sich alleine gestellt. Zu allem Überfluss stellt sich heraus, dass nicht jeder der Beseitigung Cory Littletons zustimmt …

„Bann des Blutes“ ist der zweite in Deutschland erschienene Teil der Mercy-Thompson-Reihe. Er nimmt häufig Rückgriff auf die Ereignisse in [„Ruf des Mondes“ 4490, stellt an und für sich aber eine eigenständige, abgeschlossene Geschichte dar. Während im ersten Band hauptsächlich die Werwölfe im Vordergrund standen, konzentriert sich die Autorin dieses Mal stark auf die Vampire. Da Mercy in deren Sitten und Bräuche nicht besonders eingeweiht ist, erfährt der Leser durch ihre Augen eine Menge interessanter Dinge. Leider fehlt die Komponente der persönlichen Erfahrung, wie das bei den Werwölfen der Fall ist, da Mercy unter diesen aufwuchs. Trotzdem ist die Geschichte von diesem Gesichtspunkt aus sehr interessant.

Patricia Briggs hat eine abwechslungsreiche, detaillierte Welt geschaffen und sehr gut in die reale integriert. Die Eigenschaften von Werwölfen, Vampiren und Feen sind zwar nicht immer neu, werden aber häufig sehr schön dargestellt oder interessant differenziert. Sie bekommen bestimmte Eigenschaften zugeschrieben, die in der Geschichte immer wieder durchschimmern. So reden Vampire beispielsweise gerne um den heißen Brei herum, während Werwölfe sehr autoritäre, kontrollierende Tiere sind, die auch in Menschenform einer bestimmten Hierarchie gehorchen, deren Aufbau durch Rangkämpfe des Öfteren neu geordnet wird. Gerade an solchen Stellen merkt man, dass Patricia Briggs mit der grassierenden Vampir-Liebesroman-Epidemie nur wenig am Hut hat. Ihr geht es nicht darum, romantische Verbindungen zwischen ihren Charakteren zu knüpfen. Im Vordergrund stehen die spannende Handlung sowie die schön erdachte Welt.

Die Handlung ist allerdings nicht immer gelungen. Das Drumherum hat beinahe mehr zu bieten als die Geschichte an sich. Schuld daran sind der konstruiert wirkende Aufbau sowie die nicht klar erkennbare Spannungskurve. Die Geschichte hat zwei Höhepunkte, die ungeschickt miteinander verknüpft sind, und Briggs versäumt es von Anfang an, eine stufenweise Steigerung aufzubauen. Das ist sehr schade, denn ansonsten ist wirklich alles stimmig bei „Bann des Blutes“. Doch gerade das Ende wirkt wie nachträglich angeklebt. Es hat zwar einen Bezug zu den vorherigen Erlebnissen, wirkt jedoch unnötig beziehungsweise ungeeignet integriert. Trotzdem muss man Patricia Briggs lassen, dass sie es schafft, eine gewisse Atmosphäre zu schaffen, die es dem Leser an der einen oder anderen Stelle kalt den Rücken hinunterlaufen lässt. Dazu gehören beispielsweise Mercys Zusammentreffen mit Cory Littleton oder auch ihre Besuche im Hauptquartier der Vampire.

Briggs‘ Dark-Fantasy-Reihe hebt sich auch dadurch von anderen Büchern ab, dass Mercy als Charakter nicht den üblichen Klischees entspricht. Abgesehen von ihrem Geschlecht hat sie nur wenig mit den Frauen zu tun, die in Büchern des gleichen Genres verführerischen Vampiren zum Opfer fallen. Zum einen ist Mercy keine Außenstehende. Sie ist als Walkerin direkt in das Treiben integriert, nimmt aber durchaus eine Außenseiterrolle ein, was ihr erlaubt, einen frischen, kritischen Blick auf die drei Völkchen – Vampire, Werwölfe, Feen – zu werfen. Sie gehört nirgends dazu, was ihre Persönlichkeit insofern beeinflusst, als sie eine sehr starke, unabhängige Frau ist. Sie ist jedoch nicht unnahbar oder unsterblich, sondern begeht Fehler und zeigt Schwächen, die sie sehr sympathisch werden lassen. Da aus ihrer Perspektive erzählt wird, baut der Leser schnell eine Beziehung zu ihr auf. Da sie überdies sehr realistisch gezeichnet ist, kann man sich gut mit ihr identifizieren, obwohl sie eine Walkerin ist und ein sicherlich nicht alltägliches Leben führt.

Eng mit Mercy verknüpft ist der Schreibstil von Patricia Briggs. Sie präsentiert sehr ausführlich über Mercys Gedanken und Gefühle, vergisst darüber hinaus aber nicht die nachvollziehbaren Erklärungen und die saubere Beschreibung der Ereignisse. Sie schwankt dabei zwischen nüchtern und humorvoll, denn Mercy tendiert zu (selbst-)ironischen Gedanken. Das Buch entwickelt in dieser Hinsicht zwar keinen solchen Sog, wie das beispielsweise bei den Büchern von Kim Harrisson der Fall ist, hat sich allerdings im Gegensatz zum ersten Band der Reihe schon wesentlich gesteigert. Briggs ist bissiger geworden, ohne dabei zu sehr abzuschweifen. Geradlinig und sehr flüssig schreibt sie ihre Geschichte herunter, ohne störende Einschübe oder Nebensächlichkeiten. Dementsprechend einfach und zügig lässt sich das Buch lesen. Tatsächlich fällt es manchmal schwer, es überhaupt zuzuschlagen, da es solchen Spaß bereitet, an Mercys Leben teilzuhaben.

Im Großen und Ganzen ist „Bann des Blutes“ sicherlich kein Überwerk. Dazu ist die Handlung zu wenig ausgefeilt, obwohl sie den Anspruch erhebt (und teilweise auch erfüllt), spannend zu sein. Auf der Habenseite stehen allerdings die fantastische Hauptperson, der verbesserte Schreibstil und vor allem die sorgsam ausgearbeitete Welt – alles Punkte, die nicht jeder Roman, der sich mit dem Label „Dark Fantasy“ schmückt, für sich verbuchen kann. Dementsprechend dürfte es Fans freuen, dass am Ende des Buches bereits der dritte Band „Spur der Nacht“ für Februar 2009 angekündigt wird.

|Originaltitel: Blood Bound
Aus dem Amerikanischen von Regina Winter
Taschenbuch, 415 Seiten|
http://www.heyne.de
http://www.patriciabriggs.com

_Patricia Briggs bei |Buchwurm.info|:_
[„Ruf des Mondes“ 4490
[„Drachenzauber“ 3933
[„Rabenzauber“ 4943

Dave Freedman – Creature

Eine Umweltkatastrophe lässt Tiefsee-Riesenrochen zu lufttauglichen Flugdrachen mutieren, die an der US-Küste gefräßig für Angst, Schrecken & Verluste unter Anwohnern und Touristen sorgen … – Das gute, alte Garn vom Monster aus dem Meer erfährt hier seine genrekonforme, d. h. auf Originalität verzichtende Neuauflage; die Story wird jedoch flott und spannend entwickelt und geschrieben, was mit der Reihung einschlägiger Klischees aussöhnt: Lesefutter der leichten aber bekömmlichen Art.
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Markus K. Korb – Grausame Städte II (Edgar Allan Poes phantastische Bibliothek, Band 9)

Edgar Allan Poes phantastische Bibliothek auf Buchwurm.info:

Band 1: „Grausame Städte“ (Markus K. Korb)
Band 2: „Das Alptraum-Netzwerk“ (Thomas Ligotti)
Band 3: „Spuk des Alltags“ (Alexander Moritz Frey)
Band 4: „Die weißen Hände und andere Geschichten des Grauens“ (Mark Samuels)
Band 5: „Cosmogenesis“ (Jörg Kleudgen)
Band 8: „Der dünne Mann“ (Anthologie, herausgegeben von Alisha Bionda)

Markus K. Korb – Grausame Städte II (Edgar Allan Poes phantastische Bibliothek, Band 9) weiterlesen

Bionda, Alisha / Kleudgen, Jörg – Seelentor, Das (Wolfgang Hohlbeins Schattenchronik, Band 8)

Im letzten Band der Serie, [„Zorn des Drachen“, 5032 begann das Autorenduo Alisha Bionda und Jörg Kleudgen einen neuen Gegner für den Bund der Fünf und die Vampire im Allgemeinen vorzustellen: Ein geheimnisvoller Chinese pirschte sich an Dilara und ihre Gefährten heran und hatte offensichtlich nichts Gutes im Sinn. Bisher hielten sich die Autoren allerdings reichlich bedeckt zu der Frage, was es mit dieser neuen Unbekannten in der Welt der Schattenchronik auf sich hatte. Der achte Band der Serie, „Das Seelentor“, soll nun jedoch etwas Licht ins Dunkel bringen.

Lee Khan ist der Name des Drachens, der in London Unruhe in der Gemeinschaft der Vampire verbreitet. Wie ein Schnitter geht er durch ihre Reihen und befördert sie in die ewigen Jagdgründe, ohne dass jemand dazu fähig wäre, den Drachen aufzuhalten. Zu allem Überfluss entführt er dann auch noch Dilara ins ferne China, um den Bund zu spalten und ihre Freunde in eine Falle zu locken.

Natürlich ist Calvin, Dilaras Gefährte, außer sich vor Wut und Sorge. Zwar kann er selbst über diese Entfernung spüren, dass Dilara noch am Leben ist, doch ist der Drachen noch immer eine unbekannte Größe, und so ist es schwierig, seinen nächsten Schachzug vorherzusagen. Zusammen mit dem Cop Mick macht sich Calvin also nach China auf, um die Fährte des Drachen aufzunehmen und Dilara aus seinen Fängen zu befreien.

Dilara wiederum wird vom Drachen in einem fensterlosen Zimmer gehalten und bekommt von Zeit zu Zeit ein Kaninchen zugeschoben, damit sie nicht vollkommen vom Fleische fällt. Da sie nichts hat, womit sie sich die Zeit vertreiben könnte, erinnert sie sich an ihren ersten Besuch in China im Jahre 1908. Damals hatte sie Antediluvian ins Reich der Mitte geschickt, um der dort herrschenden Vampirin ein Geschenk zu überreichen. Dilara ist fasziniert von der vollkommen gegensätzlichen Kultur und lässt sich gern von Tai Xian, der Antediluvians Statthalter in Shanghai ist, führen, um diese fremde Welt zu erkunden. Gemeinsam reisen sie in die Verbotene Stadt, wo sie feststellen muss, dass dieses Zentrum chinesischer Macht ausschließlich von Vampiren bewohnt wird. Selbst Tze Hsi, die Nebenfrau des verstorbenen Kaisers, die nun die Geschicke des Landes führt, hat den Kuss der Verdammnis empfangen, und sie ist es, für die Antediluvians Geschenk bestimmt ist.

Tze Hsi findet Gefallen an Dilara (und ihrem Geschenk) und lädt sie ein, der Vernichtung einiger Vampire beizuwohnen, die die Gunst der Kaiserwitwe verloren haben. Die chinesischen Vampire bedienen sich dazu des Seelentors, durch das ein in Ungnade gefallener Vampir treten muss, um daraufhin ins ewige Nichts einzugehen. Die Vampire verschwinden einfach und niemand weiß so genau, was eigentlich mit ihnen geschieht. Das Schauspiel ist faszinierend und angsteinflößend zugleich.

Während Dilara also ihren Gedanken nachhängt, reisen Calvin und Mick nach Shanghai, um dort die Spur des Drachen aufzunehmen. Durch seinen Job bei der Polizei kann Mick der ganzen Sache einen halboffiziellen Anstrich verleihen, und so wird ihnen bei ihrer Ankunft die Geheimdienstlerin Suemi an die Seite gestellt, die sie bei ihren Ermittlungen unterstützen soll. Es dauert nicht lange, bis die beiden Männer wissen, wo der Drache zu finden ist. Doch Dilara zu befreien, wird sich schwierig gestalten, schließlich rechnet Lee Khan mit der Ankunft der beiden und sehnt sie sogar herbei. Die Befreiungsaktion der beiden ist das letzte Puzzlestück in Lee Khans Racheplan.

Nach dem eher beschaulicheren siebten Teil dreht die „Schattenchronik“ nun wieder auf und liefert mehr Action, mehr wechselnde Schauplätze und mehrere Zeitebenen, auf denen die Geschichte spielt. Bionda und Kleudgen haben sich diesmal China vorgenommen und entführen den Leser sowohl in das heutige Shanghai, das sich als pulsierende Metropole präsentiert, als auch in das vergangene Kaiserreich China, das exotisch und gleichzeitig gefährlich daherkommt. Wieder einmal sind diese Passagen das Highlight des Bandes – sie erweisen sich als gut recherchiert und überzeugend dargestellt. Besonders die Tatsache, dass die Autoren reale Personen in ihre Handlung einweben, macht die China-Passagen reizvoll.

Hinter dem schillernden China des beginnenden 20. Jahrhunderts verblasst das heutige Shanghai etwas, in das es Calvin und Mick verschlägt. Die beiden geben kein besonders gutes Team ab: Während Calvin von einer Depression in die nächste verfällt, weil er sich Sorgen um Dilara macht, versucht Mick mit coolen Sprüchen zu punkten, die zu salopp und gekünstelt für die eher ernste Situation wirken. Beide Charaktere verfallen in Extreme, die übertrieben wirken – der eine erscheint zu leidend, während der andere zu forsch wirkt. Ein wirklich gutes Gleichgewicht stellt sich nicht ein.

Auch der Drache Lee Khan gibt längst nicht alle seine Geheimnisse preis. Der Leser lernt zwar, warum er Rache an den Vampiren nehmen will, doch bleibt im Dunkeln, warum es gerade diese Vampire sein müssen. Ist Dilara persönlich für Lee Khans Unglück verantwortlich oder hofft er, die Vampirgemeinschaft völlig zu zerschlagen, indem er ihre Führer tötet? Lee Khan lässt sich nicht vollkommen in die Karten schauen, und so steht zu vermuten, dass der Leser noch nicht alles von ihm gesehen hat.

In guter Serienmanier dreht „Das Seelentor“ gerade am Schluss so richtig auf, wenn es zur Konfrontation zwischen den Vampiren und dem Drachen kommt. Der Showdown ist actionlastig und schnell, und mit sadistischer Freude reißen Bionda und Kleudgen auf der letzten Seite das Ruder noch einmal komplett herum und drehen die Handlung in eine neue beunruhigende Richtung. Wie immer darf man gespannt sein, wie Dilara und Calvin sich aus dieser misslichen Lage befreien!

http://www.blitz-verlag.de

_Wolfgang Hohlbeins Schattenchronik auf |Buchwurm.info|:_

Band 1: [„Der ewig dunkle Traum“ 1899
Band 2: [„Kuss der Verdammnis“ 1900
Band 3: [„Die Kinder der fünften Sonne“ 1949
Band 4: [„Blutopfer“ 1977
Band 5: [„Der Schattenkelch“ 2483
Band 6: [„Calvin“ 2490
Band 7:
[„Zorn des Drachen“ 5032
Band 9: [„Der Vampir von Düsseldorf“ 4100
Band 10: [„Vabanque“ 4787
Band 11: [„Der Sturz des Drachenthrons“ 4809

Bionda, Alisha / Kleudgen, Jörg – Zorn des Drachen (Wolfgang Hohlbeins Schattenchronik, Band 7)

Der sechste Band der „Schattenchronik“ – [„Calvin“ 2490 – endete mit großen Umstürzen: Der Schattenkelch ist gefunden und entfaltet in einem Blutritual seine ganze Kraft. Aus Dilara, ihrem Gefährten Calvin, ihrem Bruder Guardian, dem Vampircop Mick und der unberechenbaren Vampirin Luna Sangue wird der Bund der Fünf. Solange der Bund einig ist, werden die Fünf wirklich unsterblich sein, und ihre Macht über die Vampire der Welt ist grenzenlos.

Guardian, der Besonnene und Nachdenkliche, ist sofort in seinem Element. Zusammen mit Dilara arbeitet er an einer Art Gesetzessammlung für Vampire und lädt die Ältesten ein, zusammen mit dem Bund so etwas wie den Bundestag der Vampire zu bilden.

Lunas Konzentration ist während dieser Formungsphase etwas abgelenkt: Ein Unbekannter versucht ihr Kosmetikimperium zu unterwandern. Es sind bereits Nachahmerprodukte ihrer überaus erfolgreichen LUNATICS-Reihe auf dem Markt aufgetaucht, und es wird höchste Zeit, dass sie dem Problem ihre ganze Aufmerksamkeit schenkt. Dazu stellt sie einen neuen Mitarbeiter – Mike O’Connell – ein, der mit allen verfügbaren Mitteln zum Kern der Wirtschaftsspionage vordringen soll.

Auch Calvins Freude über die Bildung des Bunds der Fünf ist getrübt. Ihn plagt die Tatsache, dass er praktisch nichts über seine Mutter und deren Familie weiß. Nach dem Bruch mit seinem Vater fühlt er sich – abgesehen von Dilara – vollkommen allein gelassen und wünscht sich nichts sehnlicher als seine Familie ausfindig zu machen. Er hat jedoch wenig mehr als nebulöse Erinnerungen: Diese führen ihn in ein verschlafenes Nest in Wales, wo er hofft, mit seinen Nachforschungen, wenn nicht auf seine Mutter, so doch wenigstens auf den Rest seiner Familie mütterlicherseits zu stoßen.

All diese Vorkommnisse werden jedoch überschattet von einer Reihe von Morden in der Vampirgemeinde. Jemand will den Untoten wohl wirklich ans Leder, doch lange bleiben sein Name und seine Motivation im Dunkeln. Nur eines ist schnell klar: Sein Zeichen ist ein Drache.

Nachdem der „Schattenkelch“ nun die fünf Hauptcharaktere der Serie in einem machtvollen Bund vereint, könnte man annehmen, dass Ruhe in Dilaras Leben einkehrt. Und tatsächlich startet „Zorn des Drachen“ durchaus gemächlich. Die neue Situation in der Gemeinschaft der Vampire will erkundet und ausgelotet werden. Es gilt, neue Regeln des Zusammenlebens aufzustellen und seinen Platz in der veränderten Hierarchie zu finden. So ganz trauen sich die fünf Bündler allerdings nicht über den Weg. Besonders die undurchschaubare Luna Sangue ist den anderen vier ein Dorn im Auge. Sie halten sie für die Schwachstelle im Bund, müssen sie doch jederzeit damit rechnen, dass Luna sich entscheidet, fortan doch nur ihre eigenen Ziele zu verfolgen. Sollte das geschehen, wäre die Macht des Bundes zerschlagen und keiner der fünf könnte künftig vom Schattenkelch profitieren.

In „Zorn des Drachen“ gibt es – und das ist ungewöhnlich für die „Schattenchronik“ – keinen zweiten Handlungsstrang, der in Rückblenden erzählt wird. Ausnahmsweise widmen sich Alisha Bionda und Jörg Kleudgen nicht fremden Kulturen und vergangenen Zeiten, um Dilaras Unleben auszuloten. Stattdessen konzentriert sich das Autorenduo auf Calvin, der allein nach Wales reist, um dort Näheres über seine Familie zu erfahren. Diese Passagen sind die besten und spannendsten des Romans – denn im Gegensatz zur nur angedeuteten Gefahr des titelgebenden Drachen gelingt es ihnen, den Leser sofort zu fesseln. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass Calvin eine Reise in die Vergangenheit unternimmt. Brynddumaen, der kleine Küstenort, den Calvin in Wales besucht, erscheint dem Leser fast wie unter einer Glasglocke konserviert. Die Urlaubssaison ist vorüber und die Bürgersteige wurden hochgeklappt. Kaum jemand lässt sich in dem Örtchen blicken. Die meisten Hotels scheinen bereits für den Winter geschlossen zu haben. Calvin kommt in einem Hotel unter, das offenbar auch schon bessere Tage gesehen hat – man sieht förmlich den Staub im faden Sonnenlicht tanzen. Nur noch ein Angestellter ist anzutreffen und Calvin ist der einzige Gast. Das Hotel wird sein Hauptquartier, von dem aus er seine Nachforschungen anstellt. Bald stößt er auf erste Anzeichen, dass die Familie seiner Mutter tatsächlich aus dieser Gegend stammt. Außerhalb des Ortes lebte sie zurückgezogen in einem Haus am Meer, das in einem tragischen Feuer komplett zerstört wurde. Doch was hatte das Feuer verursacht?

Die Kapitel in Wales atmen Lokalkolorit. Sie machen schon durch das leicht staubige und gottvergessene Ambiente unglaublich Spaß, denn als Leser hat man fast das Gefühlt in einem Horrorfilm aus den 50ern gelandet zu sein, in dem es Protagonisten in ein menschenleeres Hotel verschlägt. Und auch das Geheimnis, das Calvin im Verlauf des Romans aufzudecken beginnt, passt sich in diese Gefühlswelt ein. Dahinter verblassen allerdings die anderen Handlungsstränge des Romans. Gerade der Drache, der Vampire mordend durch London zieht, ist bisher nicht mehr als ein Schemen. Seine Identität wird nicht preisgegeben – ein Vergnügen, das sich Bionda und Kleudgen offenbar für den nächsten Band aufheben -, und so bleibt dem Leser nichts anderes übrig als Vermutungen anzustellen. Aber auch das ist schließlich ein Teil der Lektüre, der ungemein Spaß machen kann!

„Zorn des Drachen“ entbehrt eines wirklichen „Gegners“. Die Autoren Alisha Bionda und Jörg Kleudgen konzentrieren sich im Gegenzug auf ihre Charaktere und versuchen, sie im siebten Band der „Schattenchronik“ etwas mehr auszuleuchten und ihnen mehr Tiefe zu geben. Das bietet dem Leser eine wohlverdiente Verschnaufpause zwischen den actiongeladenen Teilen der Romanserie. Denn vermutlich wird es schon im Nachfolger, „Das Seelentor“, wieder heiß hergehen.

http://www.blitz-verlag.de

_Wolfgang Hohlbeins Schattenchronik auf |Buchwurm.info|:_

Band 1: [„Der ewig dunkle Traum“ 1899
Band 2: [„Kuss der Verdammnis“ 1900
Band 3: [„Die Kinder der fünften Sonne“ 1949
Band 4: [„Blutopfer“ 1977
Band 5: [„Der Schattenkelch“ 2483
Band 6: [„Calvin“ 2490
Band 9: [„Der Vampir von Düsseldorf“ 4100
Band 10: [„Vabanque“ 4787
Band 11: [„Der Sturz des Drachenthrons“ 4809

Festa, Frank (Hg.) – Denn das Blut ist Leben. Geschichten der Vampire

Schon einmal ist im |Festa|-Verlag eine Anthologie mit Vampirgeschichten erschienen. Damals suchte HR Giger, wohl am besten bekannt als der Schöpfer des „Aliens“, die Geschichten aus und veröffentlichte sie in einem durchaus umfangreichen Band namens „HR Gigers Vampirric“ – mehrere Geschichten dieser Anthologie fanden sich später auch als [Hörbuchfassungen bei LPL records 1839 wieder. Nun hat Verleger Frank Festa die Zügel selbst in die Hand genommen und ebenfalls eine stattliche Zahl von Geschichten zusammengestellt: „Denn das Blut ist Leben“ heißt seine Anthologie ziemlich treffend. Und im Untertitel liest man dann „Geschichten der Vampire“ – nicht etwa Geschichten |von| Vampiren oder |über| Vampire. Nein, solcherart einschränken möchte sich Festa nicht, und daher sind die zweiundzwanzig ausgewählten Erzählungen so abwechslungsreich wie nur irgend möglich. Sie sind jung oder alt, lang oder kurz, bekannt oder unbekannt, realistisch oder völlig fantastisch, historisch oder zeitgenössisch. Kurzum, in „Denn das Blut ist Leben“ dürfte sich für jeden Geschmack die passende Geschichte finden.

Dabei sieht sich eine Vampiranthologie natürlich mit einer gewissen Startschwierigkeit konfrontiert: Der Leser weiß, womit er es zu tun hat. Die Überraschung, die ein Autor für seine Geschichte geplant hatte, wird eventuell dadurch zerstört, dass der Leser zu gut informiert ist. Er weiß, dass es in der Geschichte auf irgendeine Art und Weise um Vampire gehen muss, und er interpretiert die Hinweise, die ein Autor wohlweislich hinterlässt, in entsprechender Weise. Dadurch durchschaut er in der Regel die Crux einer Geschichte schneller, als der Autor dies wohl ursprünglich geplant hatte.

Mit diesem Problem müssen sich viele Geschichten dieser Anthologie herumschlagen. So könnte „Stragella“ von Hugh B. Cave den Leser lange an der Nase herumführen. Cave spinnt hier ein wunderbares Seemannsgarn und erzählt die Geschichte von zwei Schiffbrüchigen, die in ihrem kleinen Rettungsboot in einer Nebelbank auf ein verlassenes Schiff treffen. Lange könnte der Leser spekulieren, was es mit diesem Schiff auf sich hat, denn es wird bald klar, dass hier nicht alles mit rechten Dingen zugeht. Doch der Leser kommt ihm zuvor und erwartet förmlich die Ankunft der Vampire. Dieses Wissen, diese Erwartungshaltung schmälert in Caves Fall kaum die Wirkung der Geschichte. Seine Erzählung ist so wild, abenteuerlich und ungeheuerlich, dass man sie trotzdem in vollen Zügen genießen kann. Einer kurzen Erzählung wie „Rückkehr in den Tod“ von J. Wesley Rosenquist ist dieses Privileg nicht vergönnt. Seine kleine Mär von einem lebendig Begrabenen, der bei seiner „Wiederauferstehung“ fälschlicherweise für einen Vampir gehalten und daraufhin prompt wieder in die ewigen Jagdgründe befördert wird, kann den Leser kaum überraschen.

Ein erstes Highlight (wenn man mal von der Auftakterzählung [„Draculas Gast“ 1086 von Bram Stoker absieht, die sich ohnehin in wirklich jeder Vampiranthologie wiederfindet) ist Graham Mastertons „Der Laird von Dunain“. Als armer Leser fühlt man sich zunächst wie im falschen Film: Claire macht Bildungsurlaub in Schottland. Zusammen mit einer Gruppe Gleichgesinnter verbringt sie einige Tage auf dem Anwesen des Laird von Dunain, um dort einen Malkurs zu absolvieren und etwas von der Landschaft zu sehen. Der Laird stellt sich zunächst als archetypischer Schotte dar, komplett mit Kilt, Schafwollpullover und roter, wilder Mähne. Die Frauen im Malkurs können sich ob des Anblicks einen kollektiven Seufzer nicht verkneifen, doch es ist Claire, auf die es der Laird abgesehen hat. Sein Porträt soll sie malen, doch da sie seine Gesichtsfarbe auf der Leinwand einfach nicht hinbekommt, greift sie zu drastischen Mitteln … Zu Beginn fühlt man sich ein bisschen wie in einem Groschenroman – dieses Setting, diese Charaktere sind wie gemacht für eine Liebesschnulze. Doch Masterton dreht das Ruder flott herum und schreibt stattdessen eine Geschichte, die sich irgendwo zwischen Vampirmär und Dorian-Grey-Interpretation einordnen lässt. Das Thema des Porträts, das stellvertretend für einen Menschen steht, scheint ihn zu faszinieren. In seinem Roman „Family Potrait“ hat er diesen Plot noch einmal aufgegriffen.

Auch Edgar Alan Poe findet sich mit seiner Geschichte „Ligeia“ in Festas Anthologie. Sicherlich hätte es auch „Berenice“ treffen können – beide Geschichten befassen sich mit dem Vampirthema. Poe jedoch, und diese Meisterschaft erkennt man schon nach wenigen Absätzen, verabschiedet sich vom gemeinen Blutsauger, vom geradlinigen Blutausaugen, Sterben, Wiederauferstehen. Bei ihm geht es um die vampirische Liebe – um die Liebe, die alles verzehrt, bis das geliebte Objekt daran zugrunde gehen muss. Dieses subtile Grauen, dieses Unterschwellige, nie wirklich Ausgesprochene macht Poes Erzählung so beunruhigend. Der Ich-Erzähler verfällt dem Wahn, kann nichts anderes denken als „Ligeia“, verzehrt sich nach der Geliebten und bringt ihr damit den Tod. Doch dieser Wahn ist nicht nur böse, er leuchtet mit einer düsteren Schönheit, und diese Schönheit ist es, die den Leser ängstigt.

Noch einmal ist es Graham Masterton, der mit der kurzen Geschichte „Verkehrstote“ ein kleines Juwel besteuert, das ganz auf den Effekt und die Pointe setzt. Sein Protagonist ist Dracula, doch ist er nicht der übergroße Vampir, den wir aus Stokers Roman kennen. Auch Dracula scheint müde geworden. So ganz ist er nicht im 20. Jahrhundert angekommen. Er ärgert sich darüber, dass man heutzutage kein vernünftiges Personal mehr finden kann, und hat das Briefeschreiben aufgegeben, weil es ihn deprimiert, dass seine Briefpartner irgendwann sterben. Dieser Dracula ist kauzig, nicht lebensfähig, und so wird ihm am Ende der Geschichte ein wirklich banaler Schicksalsschlag den Garaus machen. Er wird eingeholt von der Zivilisation, wortwörtlich überfahren vom Fortschritt. Der arme Kerl!

Frank Festa ist mit „Denn das Blut ist Leben“ eine vergnügliche (nun ja, im gruseligen Sinne) Auswahl gelungen. Die Geschichten kommen, bis auf wenige Ausnahmen, auf wirklich hohem Niveau daher. Man wird einige alte Bekannte wiedertreffen, wie zum Beispiel H. P. Lovecraft oder Théophile Gautier. Und man kann einige unbekanntere Namen entdecken – Frank Festa ist sich auch nicht zu schade, seinen „eigenen“ Autoren (wie F. Paul Wilson oder P. N. Elrod, die eine ungemein amüsante Geschichte aus ihrem Jack-Fleming-Universum beisteuert) eine Plattform zu bieten. Mit den über 400 Seiten garantiert die Anthologie jedenfalls langanhaltenden Lesegenuss.

In Festas Anthologie sind folgende Geschichten enthalten:

Bram Stoker: „Draculas Gast“
J. Wesley Rosenquist: „Rückkehr in den Tod“
Graham Masterton: „Der Laird von Dunain“
Simon Clark: „Vampir-Abschaum“
Edgar Allan Poe: „Ligeia“
Edmond Hamilton: „Das Vampirdorf“
F. Marion Crawford: „Denn das Blut ist Leben“
Brian Hodge: „Die Alchemie der Stimme“
H.P Lovecraft: „Das gemiedene Haus“
Simon Clark: „Hotel Midnight“
Théophile Gaultier: „Die verliebte Tote“
Alice Olsen: „Winternacht“
Raymond Whetstone: „Die durstigen Toten“
Clark Ashton Smith: „Ilalothas Tod“
Graham Masterton: „Verkehrstote“
Karl Hans Strobl: „Das Aderlassmännchen“
Anonymus: „Die Vampirkatze von Nabèshima“
Hugh B. Cave: „Stragella“
Henry Kuttner: „Ich, der Vampir“
Patricia N. Elrod: „Spätvorstellung“
Lester del Rey: „Feuerkrank“
F. Paul Wilson: „Mitternachtsmesse“

|Originalausgabe
Großformat Paperback 13,5 x 21 cm
416 Seiten|
http://www.FESTA-Verlag.de

Wellington, David – Stadt der Untoten

Romane und Filme, die sich mit dem Ende unserer heutigen Zivilisation beschäftigen, gibt es in einem breiten Angebot. Zuletzt kämpfte Will Smith im verlassenen New York als letzter überlebender Mensch gegen eine Reihe von Untoten im Film [„I am Legend“.]http://www.powermetal.de/video/review-1376.html Angefangen von „Resident Evil“ bis „28 Weeks Later“ ist die Idee einer tödlichen Seuche, welche die Menschheit bedroht, nicht neu und überrascht uns nicht.

Auch David Wellington ist auf solch eine Thematik verfallen und nutzt die Gunst der Stunde, zwar keine neue Idee damit zu verbinden, doch hat er als Novum seinen Roman „Stadt der Untoten“ erstmalig häppchenweise in seinem Blog den Lesern präsentiert. „Monster Island“ schaffte es so vom Internet auf die Bestsellerlisten, denn die Resonanz der Leser war so positiv gewesen, dass sich schließlich ein Verlag fand und das Werk veröffentlichte. Ähnlich wie sein vorheriges Werk [„Der letzte Vampir“ 4613 ist so auch dieser Roman entstanden.

„Stadt der Untoten“ wird ausgesprochen cineastisch erzählt, und David Wellington ist sich sicherlich dessen bewusst, dass er sich dabei an wohlbekannten Werken von Autoren und Regisseuren bedient.

_Handlung_

New York ist hermetisch abgeriegelt und isoliert, jedoch beileibe nicht als einzige Stadt in den Vereinigten Staaten von Amerika; auch in Europa grassierte eine tödliche Epidemie. Nur bedeutet hierbei der Tod nicht das Ende, denn die Toten erheben sich, als wäre das jüngste Gericht angebrochen, und existieren untot weiter. Ihre einzige Motivation ist die Nahrungssuche, und ohne Intelligenz oder Gefühl töten und infizieren sie andere menschliche Wesen. Einzig und allein der afrikanische Kontinent ist zwar nicht immun gegen diese Seuche, aber doch noch lange nicht so kontaminiert wie Amerika oder Europa – eine Umkehrung der aktuellen Verhältnisse bei der AIDS-Epidemie.

Der ehemalige UN-Waffeninspektor Dekalb, der sich mit seiner Tochter in Afrika aufhält, wird von einem mächtigen weiblichen Warlord aus Somalia dazu gezwungen, möglichst viele AIDS-Medikamente zu besorgen. Andere Möglichkeiten, Medikamente gegen die Immunschwäche auf afrikanischem Gebiet zu organisieren, sind ausgeschöpft und Dekalb unterbreitet den nicht unbedingt ernst gemeinten Vorschlag, doch im verseuchten New York auf die Suche nach ihnen zu gehen. Ironischerweise wird er nun dazu gezwungen, mit Hilfe einer kleinen Gruppe von weiblichen Kindersoldaten die verseuchte Stadt betreten zu müssen, um vielleicht in der medizinischen Forschungs- und Krankenabteilung des UN-Hauptgebäudes die gewünschten Medikamente aufzuspüren. Dekalbs Tochter wird für die Dauer des Selbstmordkommandos als Geisel festgehalten – ein Faustpfand, das dem Waffeninspekteur nur eine Handlungsmöglichkeit lässt.

Bei der Ankunft seiner Truppe in New York empfangen ihn Tausende von untoten Zombies, die auf der Suche nach Nahrung durch die Straßen wandern. Die Flüsse der Stadt und auch die Straßen sind mit verwesenden Leichen verstopft, ein Durchkommen zum UNO-Hauptgebäude erscheint unmöglich. Der erste Versuch, in ein an der Küste liegendes Krankenhaus einzudringen, wird zur Tragödie, denn die Truppe um Dekalb wird angegriffen und fast aufgerieben, die Kommandeurin durch einen Biss infiziert. Unter einigen Verlusten schaffen es die Überlebenden, in einen |VIRGIN Megastore| zu flüchten, doch auch dieser wird wenig später von unzähligen Untoten belagert.

Dekalb, nunmehr neuer Kommandant der Truppe, bekommt unerwartet von Gary, einem Untoten, Unterstützung. Gary wusste, als die Krankheit ausbrach, keinen anderen Ausweg als sich kontrolliert mittels Gas und Eis selbst zu töten, um ein intelligenter Zombie zu werden. Dies ist ihm geglückt, scheinbar als einzigem, denn als Medizinstudent wusste er, dass er im Zwischenstadium der Krankheit sein Gehirn mit Sauerstoff versorgen musste, so dass dessen Aktivität nicht zum Erliegen kam.

Dekalb beginnt Gary zu vertrauen, aber er weiß auch, dass er den intelligenten Untoten niemals aus New York entkommen lassen darf, geschweige denn mitnehmen kann. Doch Dekalbs Naivität hat furchtbare Konsequenzen, denn der Drang Garys nach warmem Fleisch und dem Blut eines Menschen wird übermächtig und die Schicksalsgemeinschaft zerbricht …

_Kritik_

David Wellington erzählt seinen Zombieroman recht geschickt und verteilt die zwei Handlungsebenen parallel in einer unglaublichen Geschwindigkeit. Im Wechsel vereinigen sich diese beiden Szenarien, um sich kurz darauf wieder dramatisch zu trennen – eine Dynamik, die nicht neu, aber ungemein passend gewählt wurde, um die Spannung von Kapitel zu Kapitel zu erhöhen.

Auch die Sicht der beiden Hauptprotagonisten ist interessant aufbereitet. Dekalb berichtet die Geschehnisse der Suche nach den Medikamenten aus seiner verzweifelten Sicht und Gary, der schlaue Untote, erzählt diese Ereignisse aus der distanzierten Perspektive einer dritten Person.

David Wellington verzichtet in „Stadt der Untoten“ auf jegliche Erklärungen und geht auf keine Vorgeschichte ein, denn der vorliegende Roman ist der Anfang einer Trilogie. Im zweiten Roman wird der Leser die Vorgeschichte erfahren, den Ausbruch der Krankheit, und im dritten Part wird Dekalbs Tochter zwanzig Jahre später die Akteurin sein, um die sich alles dreht.

In „Stadt der Untoten“ wird der Leser in die Anfänge der Krankheit, die das Ende der zivilisierten Welt bedeutet, gestoßen. Die Kulisse New York ist wie auch in „I am Legend“ eindrucksvoll und düster beschrieben. Ein Labyrinth aus Straßenschluchten, verzweifelte und überrannte Barrikaden, die eine letzte Bastion darstellten. New York ist in diesem Roman eine Geisterstadt, keine pulsierende lebende Metropole, sondern hier kriecht und schlurft der Tod durch die Straßen der Stadt.

Wie in jeder Zombiegeschichte stürmen die Untoten jedes Hindernis und zeigen außer Hunger keine Gefühlsregungen. Einzig und allein Gary gibt als intelligenter Untoter neue Impulse und wirkt dabei nicht unbedingt bösartig, eher verzweifelt und melancholisch, seinem Schicksal und seiner Zukunft ins Auge blickend. Er ist ein verschlagener, raffinierter Charakter und wird schnell zum Anführer der untoten Armee, mit überraschenden Auswirkungen

„Stadt der Untoten“ bietet neben schauriger und überzeichneter Brutalität, wie sie einem Splatterroman gebührt, ungewöhnliche Handlungsweisen seiner Protagonisten. Überraschend, abwechslungsreich und vielseitig, zudem mit viel Ironie gespickt, beschreitet David Wellington Neuland in diesem Genre.

Viel Mühe hat er mit der Ausarbeitung seiner Charaktere auf sich genommen. Nicht nur Gary wird analysiert und dargestellt, sondern auch Dekalb erhält seinen Part als verzweifelter Vater, der in einer solchen Extremsituation menschliche Fehler begeht. In der gesamten Handlung gibt es allerdings kaum den abwechslungsreichen Part einer weiblichen Komponente. Einzig und allein die Kindersoldatin Ayann nimmt die Rolle einer Ersatztochter für Dekalb ein. Wellington beschreibt sie nicht nur einseitig als verblendete Fundamentalistin, sondern emotional auch als ein Mädchen, das keine Kindheit kennenlernen durfte. Hier gibt es neben viel Blut eben auch weich gezeichnete und emotionale Szenen, denen Beachtung geschenkt werden sollte.

_Fazit_

David Wellington bewegt sich immer auf Messers Schneide zwischen einer Parodie und einer ernst erzählten Geschichte, doch entscheidet er sich im letzten Akt für ein spannendes Drama.

Um auf die filmischen Vergleiche zu Beginn zurückzukommen: „Stadt der Untoten“ könnte man auch sehr gut mit den heutigen Mitteln der Trick- und Filmtechnik auf die Leinwand bringen. Wellington macht sicherlich keinen Hehl daraus, sich bei Ideen anderer (Drehbuch-)Autoren zu bedienen, doch verfolgt er dabei seinen ganz eigenen zynischen Stil.

Wie in jedem Zombieroman gibt es ultraharte und brutale Szenen, jedoch greift Wellington in dieser Horrorgeschichte nicht auf sadistische Folter- und Tötungsfallen wie „Saw“ oder „Hostel“ zurück, sondern überzeugt durch eine spannende und vielschichtige Geschichte, die mit facettenreichen und tiefgründigen Charakteren ihren eigenen Stil findet.

Der Grundstein ist also gelegt für zwei weitere Romane, die hoffentlich ebenso überraschend und unterhaltsam sein werden.

_Der Autor_

David Wellington wurde 1971 in Pittsburgh, Pennsylvania, geboren. Er schloss sein Studium an der Syracuse University mit dem Master in Fine Arts ab und arbeitete als Archivar in der Bibliothek der Vereinten Nationen. Mit „Der letzte Vampir“ hat er den kompromisslosesten und wichtigsten Vampirroman des modernen Horrors und der Dark Fantasy vorgelegt. David Wellington lebt heute mit seiner Frau in New York City, wo er über Zombies, Vampire und andere düstere Gestalten schreibt.

http://www.piper-verlag.de

Aster, Christian von – Nachmieter gesucht

_Inhalt:_

|“Ich gebe zu, dass es keine besonders schöne Geschichte ist. Aber was will man machen? Dafür gibt es Groschenromane und Seifenopern. Keine Wand der Welt besitzt das Bedürfnis, einen Menschen zu schonen.“|

Und es sind Wände, welche die sieben Geschichten des Bandes „Nachmieter gesucht“ erzählen. Die Wände alter Häuser, einsamer Hütten oder städtischer Wohnungen, die dem Insassen einer Psychiatrie schonungslos vom Unglück ihrer Bewohner oder Besucher berichten und so ein düster groteskes Bild des menschlichen Zusammenlebens zeichnen.

_Meine Meinung: _

Über Christian von Aster gäbe es viel zu sagen, denn das Multitalent ist ein „Hans Dampf in allen Gassen“ – so auch in der Literatur. Das beweist er in „Nachmieter gesucht“ einmal mehr. Der Autor versteht es, den Leser von der ersten Zeile an in seine skurrilen und unheimlichen Welten zu ziehen und seine scharfen Sprachkrallen in ihn zu schlagen.

Michael Siefener, selbst eine Größe in der düsteren Phantastik („Nathaniel“, „Hinter der Maske“), aber auch Autor von Eifelkrimis („Somniferus“) und seines Zeichens Übersetzer (Elizabeth Haydon, Mary H. Herbert), verfasste ein einleitendes Vorwort, das dem Leser den Weg in den Band ebnet, der sieben Erzählungen beinhaltet, durch die sich ein roter Faden zieht: Häuser und ihre Bewohner und deren Geschichten.

Ich möchte über den Inhalt des hundertzweiundzwanzig Seiten starken Bandes nicht zu viel Worte verlieren, weil Kurzgeschichten nur durch die Worte der Autoren leben sollten, daher sei nur ein knappes Statement zu jeder Story abgegeben.

|Haus im Wald|

Man nehme einen Urlauber, schicke ihn in ein Haus im Wald – und schon geschehen aberwitzige Dinge, die die Frage aufwerfen: Kann ein Haus leben? Können seine Wände aus Haut, Fleisch, Nerven, Muskeln und Sehnen bestehen?

|Die Mieter|

Dieser Text mahnt: Seien Sie auf der Hut, wenn Sie eine Wohnung in einem Haus beziehen, dessen Bewohner alle im Rentenalter sind. Vor allem, wenn Sie auf einen geheimen Innenhof stoßen, zu dem man Ihnen vehement den Zutritt verweigert.

|Der letzte Frühling|

Eine kurze fabulös anmutende Vision von dem Einzug neuer Nachbarn, deren kleiner Tochter Sarah und einem wundersamen Baum.

|Der Schrank|

Und wieder sind ein Haus und seine mysteriöse Mietergemeinschaft „Tatort“ der Handlung, die die Geschichte des kleinen Jakob Erdmann erzählt, der im Keller des Mietshauses einen Schrank entdeckt, der einen morbiden Inhalt verbirgt.

|Schneeschmelze|

Fünf Freunde in der Steiermark geraten in einen Schneesturm, verlieren einen ihrer Kumpane und suchen Zuflucht in einer Hütte. Dort finden sie ein „Tagebuch“ mit höchst beunruhigendem Inhalt.

|Die flüsternden Eiben von Eisenstein|

Schauplatz dieser Geschichte ist der kleine Ort Eisenstein an der Grenze zu Österreich. Joseph Blümstein erbt dort ein Grundstück aus altem Familienbesitz, auf dem ein Fluch liegt, denn ständig erhängen sich Menschen an den Eiben, die auf dem Grundstück stehen. Doch Joseph Blümstein schmiedet einen gewinnträchtigen Plan, wie mit dem fluchbeladenen Land Geld zu machen ist – und stößt an seine Grenzen.

|Der Spielplatz|

Hartmann zieht in ein Haus, das einer einzigen Freakshow gleicht. Besonders ein absonderlicher Junge sucht ihn immer wieder heim – mit fatalen Folgen.

_Insgesamt:_

Und somit wäre ich schon am Ende und jeder Leser wird wie ich Bedauern verspüren, dass sich der Band allzu rasch schließt. Doch sicher wird Christian von Asters Ideenschmiede weitere Werke freigeben..

Dieser Kurzgeschichtenband könnte unter dem Motto stehen: „Wenn Steine reden“. Aber wozu braucht man Steine, wenn man Christian von Aster hat, denn dieser versteht es zu fabulieren. So drehen sich seine Wortgebilde in diesem Band um Steine – die Mauern bilden, Häuser festigen, aber auch in uns sind. Die uns abschotten von unseren Mitmenschen, uns einengen und in Zweckgemeinschaften pressen. Die vorliegenden Episoden beleuchten das von vielen Seiten und unterhalten meisterlich. Das ansprechende Titelbild, das gute Papier und der einwandfreie Druck runden die Sache ab.

_Fazit:_ Interessantes Oberthema, das spannend-phantastisch umgesetzt wurde und kurzweilige Lesestunden verschafft.

|Titelillustration/Titelgestaltung von Thomas Franke
Innenillustrationen von Thomas Franke
ISBN13: 9783935901079|
http://www.medusenblut.de

Kinman, Ben (McGrew, Chandler) – Todesfluch

Öfter mal was Neues – Chandler McGrew hat in Deutschland bislang nur handfeste Thriller veröffentlicht, doch mit „Todesfluch“ schlägt er nun eine andere Richtung ein. Damit es nicht zu Verwechslungen kommt, benutzt er dafür das Pseudonym Ben Kinman.

Der Anfang der Geschichte erinnert an einen herkömmlichen Thriller. Die Privatdetektivin Lucy wird von zwei übel aussehenden Männern entführt, die davon reden, sie zum „Boss“ zu bringen. Wer dieser Boss ist, wollen sie ihr jedoch nicht verraten, und die junge Frau bekommt es mit der Angst zu tun. Als das Auto der Kidnapper unerwartet in eine Schießerei mit einer Gruppe von Männern gerät, nutzt sie die Gunst der Stunde und haut ab.

Doch das ist noch nicht alles. Nachdem sie den Vorfall der Polizei gemeldet hat, muss sie die Erfahrung machen, dass diese nicht immer der Freund und Helfer ist: Der Beamte, der sie eigentlich überwachen sollte, versucht sie zu töten. Erneut ist vom „Boss“ die Rede, doch Lucy kann auch dieses Mal fliehen. Eine Gruppe von militärisch aussehenden Männern nimmt sie während ihrer Flucht unter ihre Fittiche, und schon bald merkt sie, dass die Welt auf dem Kopf steht. Denn ihre Verfolger sind mittlerweile keine breitschultrigen Männer mehr, sondern Rothags – riesige, menschenfressende Monster mit gutem Geruchssinn. Aber Lucy stellt fest, dass sich nicht nur ihre Verfolger verändert haben. Auch sie hat sich gewandelt und entdeckt ungeahnte Kräfte in sich …

Zeitgleich macht der Kampfsportler Dylan die unheimliche Erfahrung, dass sich etwas in seinem Haus herumtreibt. Er vermag dessen Existenz zu spüren, ja sogar zu riechen, aber sehen kann er es nicht. Ist es überhaupt da oder wird er mittlerweile einfach verrückt?

Nach dem Tod seiner Frau Bonnie ist sein Leben nicht mehr wie zuvor, und es würde ihn nicht überraschen, wenn er tatsächlich den Verstand verlöre. Zu allem Überfluss verwüstet das „Etwas“ auch noch seine Wohnung – kurz bevor die Polizei bei ihm klingelt, um ihm mitzuteilen, dass die Leiche seiner Frau vom Friedhof entführt wurde. Was hat das zu bedeuten? Und wieso scheint sich die Polizei weniger um Bonnies Leichnam als vielmehr für die Frage, ob die beiden gemeinsame Kinder haben, zu interessieren?

Auch Dylan macht sich schließlich auf, um den unerklärlichen Dingen zu entkommen, und auch er macht die Erfahrung, dass etwas mit der Welt nicht stimmt. Elektrizität funktioniert plötzlich nicht mehr, Menschen verschwinden, das Wetter spielt verrückt. Die Leute, die sich Dylans angenommen haben, als dieser von Rothags verfolgt wurde, scheinen nicht wirklich ob dieser Entwicklungen beunruhigt. Vielmehr hat er das Gefühl, dass sie darauf gewartet haben …

„Todesfluch“ beginnt spannend und weiß diese Spannung über einen langen Zeitraum zu halten. Viele Ereignisse sind unvorhersehbar und die Geschichte ist anfangs dicht und sauber aufgebaut. Sie steigert sich allmählich und die Fragezeichen in den Augen des Lesers werden immer größer. Was passiert als nächstes? Können Dylan und Lucy ihren Gefährten wirklich vertrauen? Geht die Welt unter oder nicht? Der Roman entwickelt Page-Turner-Qualitäten, die zumindest bis zur Mitte des Buches ihren Zweck erfüllen. Selbst die zahlreichen blutgetränkten Actionszenen wirken in diesem Zusammenhang passend. Anschließend kommt es leider zu einigen Längen, die Spannung flacht ab. Ob das dem Leser dann noch gefällt, liegt vermutlich im Auge des Betrachters. Den einen wird die religiös gefärbte Apokalypse überzeugen, die Rezensentin fand es jedoch eher störend, dass Kinman nach dem vielversprechenden Anfang auf solche stereotypen Ereignisse zurückgreift.

Die Personen dagegen überzeugen, auch wenn sie aufgrund des Fokussierung auf die Handlung ein wenig oberflächlich bleiben. Sie besitzen jedoch Ecken und Kanten und sind so authentisch, dass sich der Leser mit ihnen identifizieren kann – jedenfalls mit Lucy und Dylan. Die beiden sind unwissend, was sie sehr menschlich wirken lässt, und keineswegs heldenhaft. Sie stolpern unbedarft in das Weltuntergangsszenario und wissen häufig nicht, was sie glauben und tun sollen. Anders verhält es sich mit ihren jeweiligen Begleitern, die nicht nur wesentlich cooler mit der Situation umgehen, sondern auch mehr Krieger als Menschen sind. Trotzdem schafft es der Autor, ihnen Leben einzuhauchen und sie in bestimmten Situation verletzlich darzustellen.

Der Schreibstil ist handwerklich solide, obwohl er kaum wirkliche Erkennungsmerkmale aufweist. Kinman schreibt ganz in Thrillermanier, also eher kühl und distanziert. Durch seine humorvolle Dialogführung und den Einblick in Gedanken und Gefühle der jeweilig erzählenden Person haucht er seiner Geschichte allerdings Leben ein. Das unterscheidet das Buch angenehm von ähnlich gelagerten Werken, auch wenn es ihm nicht über die Längen in der Handlung hinweghilft.

In der Summe ist „Todesfluch“ eine spannende Geschichte, für die man Interesse mitbringen sollte. Wer Blut, Action und Weltuntergangsszenarien nur wenig abringen kann, der wird sich auch von Ben Kinman nicht davon überzeugen lassen.

http://www.knaur.de

Goingback, Owl – Dunkler als die Nacht

_Das geschieht:_

Nach vielen Jahren kehrt Michael Anthony, ein berühmter Autor von Fantasy-Romanen, ins kleine Städtchen Braddock zurück. Hier in Hudson County, Missouri, wurde er nach dem Unfalltod der Eltern von seiner Großmutter Vivian Martin aufgezogen, bis die Behörden einschritten und der zunehmend wunderlich werdenden Frau das Sorgerecht entzogen.

Nun ist Vivian gestorben und hat ihrem Enkel ihr Haus hinterlassen. Michael, inzwischen Ehemann und Vater, nimmt das Erbe gern an, denn schon lange plant er, mit seiner Familie die Stadt zu verlassen. Während der achtjährige Tommy sich auf das Abenteuer, in dem einsam gelegenen Haus zu leben, schon freut, vermisst die 15-jährige Megan ihre Freunde und die vertraute Umgebung sehr, zumal die Bewohner von Braddock die Anthonys unfreundlich empfangen: Vivian galt als verrückte Hexe, und in ihrem Haus soll es umgehen. So spricht auch Sam Tochi vom Stamm der Hopi-Indianer, der von einem unterirdischen Höllenreich schwadroniert, aus dem fiese kleine Schreckgespenster zu entweichen suchen.

Michaels Gattin Holly ist die Erste, die bemerkt, dass in der Tat etwas nicht stimmt. Sie hört Geräusche, für die keinesfalls Mäuse oder andere Ungeziefer verantwortlich gemacht werden können. Auf dem Fußboden zeichnen sich wunderliche Muster ab. Die Manifestationen nehmen erst an Stärke und dann an Bedrohlichkeit zu. Etwas lebt in den Wänden oder im Boden unter dem Haus. Es hat sich schon Vivian Martin geholt und ist jetzt auf größere Beute aus. Die Begriffsstutzigkeit Michaels, der seine Familie und seinen Besitz notfalls mit der Schrotflinte zu schützen gedenkt, gibt ihm die Chance, sich zu formieren …

_Schema-F-Horror mit abgelaufener Haltbarkeitsdauer_

Gibt es unter uns Horrorfreunden jemanden, der die gerade skizzierte Story nicht mitsingen kann? Wie wird sie sich weiterentwickeln? Wird der indianerweise Sam dabei eine Rolle spielen? Kommt es am Ende zur großen Konfrontation zwischen Menschen und Monstern? Sind das nicht müßige Fragen, da die Antworten nur zu bekannt sind?

Leider, leider, denn man möchte die gute, alte Mär vom verfluchten Haus im einsamen Wald ja mögen. Sie ist ein unverwüstlicher Dauerbrenner des phantastischen Genres, was für die literarische Variante ebenso gilt wie für den Film. Man sollte sie freilich variieren – ein bisschen wenigstens, eine Herausforderung, die Autor Goingback jedoch meidet wie seine Spukschatten die hölzernen Schutzgeister im Haus der Anthonys.

Unbarmherzig reiht sich Klischee an Klischee. Die typische Großstadtfamilie fällt mit viel Hallo in die Provinz ein. Dort lebt einfaches Landvolk, das Misstrauen und Ablehnung als Primärtugenden pflegt. Der Sheriff ist ein Widerling, taub und blind für jeden Wink aus dem Jenseits, wobei die Hausgeister allerdings Spielverderber genug sind, jedes Mal durch Abwesenheit zu glänzen, sobald die aufgeregten Anthonys Zeugen oder Hilfe in ihr Heim einladen.

Wie üblich geht es mit schemenhaften Bewegungen und unerklärlichen Geräuschen los. Diese Vorfälle sowie die Suche nach einer ’natürlichen‘ Erklärung walzt Goingback ordentlich aus, bis er sich an der Katze vergreift, die er den Anthonys an die Seite schrieb, damit sie von den Geistern gekillt werden kann. (Vorher ist sie aber noch für einen beliebten Billig-Schock nützlich: Es tappt und schleicht durch die Flure, der ängstliche Hausherr treibt den Spuk in die Enge, reißt die Tür auf – und die fauchende Katze springt ihm ins Gesicht!)

Damit signalisiert er, dass die Handlung in den zweiten Gang schaltet. Ihren Kurs kann sie dennoch weiterhin per Autopilot halten. Jetzt kracht’s und buht’s tüchtig in dem alten Gemäuer, Kinder und Gattin werden nacheinander publikumswirksam in Gefahr gebracht, bis es endlich auch dem notorisch begriffsstutzigen Familienvorstand Michael dämmert: Hier geht es um!

_Figuren ohne Profil und Tiefe_

In Sachen Figurenzeichnung sollte Goingback noch einmal intensiv seinen Stephen King studieren. Wo dieser echte Menschen in die literarische Welt setzt, produziert Goingback nur Pappkameraden. Vor allem die Charakterisierung der Anthony-Kinder provoziert heftiges Augenrollen: Hollywood lässt grüßen. Kiddy- und Teenie-Klischees ergießen sich über den Leser, und wem dies nicht reicht, der wird auch den bigotten Pfarrer, den bodenständigen Bauersmann und andere Knalltüten im Figurenarsenal finden.

Auftritt Sam Tochi, denn natürlich wuchert Owl Goingback mit dem Pfund, das ihm seine Herkunft verleiht: Er ist ein ‚richtiger‘ Indianer, was die Beschreibungen uramerikanischer Folklore quasi zur dokumentarischen Realität erhebt: |“Man metzelte Indianer nieder und verwendete ihre Namen anschließend für Orte, Städte, Staaten. Man brachte ihre Bilder auf Geld, Tabak und Immobilien an, um Profit aus für immer verlorenen Dingen zu schlagen. So liefen die Dinge in Amerika.“| (S. 195)

Wer erschauert ob solch ernster Worte nicht in Ehrfurcht? Heben sich die Schwaden politisch korrekter Akzeptanz, wird dahinter zumindest im Rahmen dieses Buches allerdings nur Budenzauber sichtbar. Goingback selbst war die Figur Sam Tochi nicht wirklich wichtig; irgendwann lässt er sie aus dem Geschehen verschwinden, und niemand – auch nicht die Leserschaft – vermisst ihn.

_“Lang“ und „langweilig“ – das gnadenlose Duo_

Ein etwas strengeres Lektorat hätte „Dunkler als die Nacht“ womöglich um diverse Längen oder merkwürdige Exkurse erleichtert. Was soll der innere Monolog auf den Seiten 88 bis 90, als Goingback Michael Anthony endlos über die Zensur klassischer Zeichentrickserie im US-Fernsehen sinnieren lässt? Ist das ein Kommentar zur Kritik, der sich ein Schriftsteller, der vor allem Horrorgeschichten verfasst, immer wieder ausgesetzt sieht? Aber was hat der an dieser Stelle verloren? Hier gilt es eine Handlung voranzutreiben!

Abschweifungen dieser überflüssigen Art pfropft Goingback viel zu oft einer Handlung auf, die sich ohnehin recht lendenlahm dem Höhepunkt und Finale entgegenschleppt. Dem Text fehlt eine ausgewogene Struktur; die Konfrontation der Anthonys mit den Schreckgespenstern kommt abrupt, sie wird hastig und wiederum unter Einsatz ausgelaugter Spannungsklischees in Szene gesetzt und endet unbefriedigend. Der Tor zur Hölle sollte auf eine Weise geschlossen werden, die nicht gar zu viele logische Hintertürchen offen lässt.

_Klischee – eine Definitionsfrage?_

Vielleicht sollte ich an dieser Stelle einhalten und eine Differenzierung versuchen, um diesem Buch gerecht zu werden, das keineswegs ’schlecht‘ im Sinne von langweilig oder stilistisch stumpf, sondern vor allem mittelmäßig ist: Einer jüngeren Generation, die sich noch nicht durch unzählige kongruent gestrickte Vorgänger gequält hat, mag „Dunkler als die Nacht“ besser gefallen als dem erfahrenen und von Erfahrung gezeichneten Leser. Es ist eine gute, alte Geistergeschichte, die Goingback immerhin professionell abspult. Wer es nicht besser weiß oder wem dies reicht, der wird gut bedient.

_Der Autor_

Owl Goingback (geb. 1959) begann nach einer beruflichen Orientierungsphase, die unter anderem Tätigkeiten als Flugzeugmechaniker und Eigentümer eines Restaurants einschlossen, 1987 professionell zu schreiben. Seitdem ist er als Roman- und Kinderbuchautor, aber auch als Verfasser von Kurzgeschichten und journalistischen Beiträgen aktiv. Außerdem verdingte er sich als Ghostwriter für mitteilsame, aber des Schreibens unkundige Prominenz. Für seinen Horrorroman [„Crota“ 4838 wurde Goingback 1996 mit einem |Bram Stoker Award| für den besten Debütroman ausgezeichnet.

Der Autor trägt seinen indianischen Wurzeln Rechnung, indem er über die Sitten und Bräuche der US-amerikanischen Ureinwohner Vorträge hält. Mit seiner Familie lebt Owl Goingback in Florida. Über seine Arbeit informiert er auf seiner Website:

http://www.otherworld-verlag.com
http://www.owlgoingback.com

King, Stephen – Wahn

Edgar Freemantle ist ein äußerst erfolgreicher Bauunternehmer in den Fünfzigern, der mit seiner Frau Pam und den erwachsenen Töchtern Ilse und Melinda ein glückliches Leben führt. Alles ändert sich schlagartig, als Edgar auf einer Baustelle einen schweren Unfall erleidet. Er überlebt knapp, verliert aber seinen rechten Arm. Dazu kommen immer wieder kurzzeitige Gedächtnislücken durch die Kopfverletzung und Probleme beim Laufen, die ihn zu heftigen Wutanfällen veranlassen. Während der komplizierten Genesungszeit verlässt ihn seine Frau und Edgar steht kurz vor dem Selbstmord. Sein Psychologe Dr. Kamen rät ihm zu einer Auszeit an einem abgeschiedenen Ort.

Edgars Wahl fällt auf die idyllische Florida-Insel Duma Key, wo er sich für ein Jahr ein Strandhaus mietet. Hier widmet er sich der Malerei, eine längst verschollen geglaubte Tätigkeit, die seit vielen Jahren auf Eis lag. Überrascht stellt Edgar fest, dass Duma Key eine starke Inspiration auf ihn ausübt. Im Rausch entstehen zahlreiche brillante Gemälde, deren Intensität Edgar zugleich beunruhigt.

Bei seinen Strandspaziergängen lernt er den ehemaligen Anwalt Wireman kennen, der die alte Dame Elizabeth Eastlake betreut und bald zu einem engen Freund von Edgar wird. Miss Eastlake gehört der größte Teil der Insel, darunter auch Edgar gemietetes Haus. Obwohl sie langsam im Alzheimer versinkt, erlebt Elizabeth immer wieder wache Momente, in denen sie Edgar mit ihrem Scharfsinn erstaunt. Nach und nach erschließt sich ihm ihre tragische Familiengeschichte, die eng mit der Insel verbunden ist – und mit seinen Bildern. Nicht nur, dass Edgar sich über sein plötzliches Talent wundert, in seinen Bildern schlummern auch übernatürliche Fähigkeiten – die allmählich ein gefährliches Eigenleben entwickeln …

Nachdem es sich bei Kings letztem Werk um einen kurzen Roman im Bachman-Stil handelte, legt er mit „Wahn“ (eine unselige ‚Übersetzung‘ des Originaltitels „Duma Key“) wieder einen Wälzer im gewohnten Umfang von über 800 Seiten vor – und weiß damit, von Kleinigkeiten abgesehen, auch zu überzeugen.

|Vom Leben und Leiden des Edgar Freemantle|

Betrachtet man den Ich-Erzähler Edgar Freemantle, so liegt es nahe, eine Parallele zu Kings eigenem Leben zu ziehen. 1999 erlitt er selbst einen schweren Autounfall, den er bereits in seinem Sachbuch „Das Leben und das Schreiben“ thematisierte. Edgar Freemantle ist in einem ähnlichen Alter wie King damals und der Autor dürfte viele der schmerzhaften Situationen in der Rehabilitationszeit aus eigener Erfahrung kennen. Edgar ist ein glaubwürdiger Charakter, der sich schnell zur Sympathie- und Identifikationsfigur entwickelt, denn trotz seiner Millionen und seines außergewöhnlichen Schicksals verbirgt sich dahinter ein Durchschnittsmensch mit nachvollziehbaren Schwächen und angenehmer Bodenständigkeit. Man erlebt förmlich mit, wie ihn die Phantomschmerzen in den Wahnsinn treiben, wie er immer wieder automatisch an den fehlenden Arm greift und mit sich ringt, wenn ihm wieder einmal kurzzeitig das passende Wort entfallen ist.

Auch das Scheitern der langjährigen Ehe will verarbeitet werden, nicht zu vergessen die Schuldgefühle, da Edgar seit jeher die jüngere Ilse zu seiner Lieblingstochter erkoren hat. Phantastik oder gar Horror nehmen sehr lange nur einen untergeordneten Raum in der Handlung ein, der Fokus liegt stattdessen auf der langsamen Rückkehr des Protagonisten ins Alltagsleben, auf die Bewältigung seiner persönlichen Schwierigkeiten und der Auseinandersetzung mit Verlust, Beinah-Tod und Depressionen.

|Gelungene Nebencharaktere|

Weitere starke Figuren sind Wireman und die alte, pflegebedürftige Elizabeth Eastlake. Wireman entpuppt sich als raubeiniger Geselle mit weichem Kern, mit Sinn für trockenen Humor und Selbstironie und gelegentlichen lakonischen Einwürfen auf Spanisch. Aus dem ehemaligen Anwalt ist ein Aussteiger geworden, der sein Leben ganz auf Elizabeth Eastlake eingerichtet hat, für die er mehr Freund als Betreuer geworden ist. Der tragische Verlust von Ehefrau und Tochter hat Schatten auf Wiremans Seele hinterlassen, ihn jedoch nicht davon abgehalten, seinem neuen Leben eine Chance zu geben – kein Wunder also, dass die neuen Nachbarn rasch zu engen Verbündeten werden.

Elizabeth Eastlake, aufgrund ihrer grotesken Erscheinung mit Sonnenhut und Turnschuhen von Edgar spontan als „Braut des Paten“ bezeichnet, schwankt zwischen hellwachen Augenblicken, in denen sie sarkastische Bemerkungen einstreut, Zigaretten raucht und direkt in Edgars Seele zu blicken scheint, und den alzheimertypischen Versinkungen, in denen ihr die einfachsten Begriffe entfallen. Ihre lichten Momente sind Trost und Schmerz zugleich, denn die alte Dame ist sich ihrer Krankheit bewusst. Mit fortschreitender Handlung enthüllt sich ihre Familiengeschichte, die auf unheimliche Weise mit Edgars Bildern verknüpft ist. Ertrunkene Zwillingsschwestern spielen dabei eine wichtige Rolle, ebenso wie Elizabeth‘ eigenes Maltalent und ein roter Picknickkorb, in dem der Schlüssel zu allem verborgen liegt.

|Humor und Sensibilität|

Wie üblich bei King liegen Lachen und Grauen eng beieinander. Seine Charaktere verhalten sich erfrischend uneitel und können sich über ihre eigenen Schwächen amüsieren. Für bizarre Komik sorgt immer wieder Edgars Wut-Managementpuppe Reba, die ihm seit seiner Krankenhauszeit als Ventil für seine Ausraster dient, wenn ihm ein Wort entfällt, was Reba stets mit einem Blick, der „Aua, du böser Mann!“ zu sagen scheint, erwidert.

Obwohl man sich über Edgars Ausbrüche amüsiert, läuft man als Leser nie Gefahr, den Respekt vor ihm zu verlieren. Gleiches gilt auch für Elizabeth Eastlake, über deren schrulliges Auftreten man zwar schmunzeln mag, ohne jedoch sie oder ihre Krankheit zu veralbern. Damit gelingt King die schwierige Gratwanderung, die Gebrechen seiner Charaktere humorvoll zu schildern und gleichzeitig anzurühren. Vor allem in Hinblick auf das Ende, das, wie man schon vorher ahnt, nicht alles zum Besten zusammenfügt, überwiegt im Roman die Melancholie, und es ist typisch King, dass dies keineswegs zahlreiche witzige Szenen ausschließt.

|Nur kleine Schwächen|

Mit knapp über 800 Seiten ist „Wahn“ ein Mammutwerk, in dem sich der Autor phasenweise zur übertriebenen Geschwätzigkeit hinreißen lässt. Sehr detailliert verfolgt man Edgars tägliche Abläufe, oft unnötig weitschweifig geschildert. Für Horror-Fans kommt enttäuschend, dass gerade dieser Part sehr spät einsetzt. Abgesehen von den wahnhaften Malereien kann man erst ungefähr ab Seite 500 von einem Horror-Roman sprechen, zuvor dominiert eindeutig das Seelenleben des Edgar Freemantle. Unheimliche Szenen gibt es zwar, doch ist der Horror-Teil eindeutig nicht das Stärkste im Werk. Das spricht zum einen für die Darstellung und Entwicklung der Charaktere, zum anderen bedeutet es kleine Durststrecken im Spannungsaufbau. Auch Actionfreunde kommen kaum auf ihre Kosten, trotz einiger Turbulenzen im Finale. Nicht ganz befriedigend ist außerdem das Schicksal, das am Ende Jerome Wireman widerfährt.

Für treue Kingfans könnten sich Parallelen zu früheren Werken störend auswirken. Bilder, die augenscheinlich zum Leben erwachen, kennt man aus „Das Bild“, eine übernatürliche Fähigkeit nach einem Unfall gewinnt auch der Protagonist in „Dead Zone – Das Attentat“, verstorbene Zwillingsmädchen tauchen bereits in „Shining“ auf, wiederkehrende Tote allgemein in „Friedhof der Kuscheltiere“. Das Buch ist eindeutig mehr als ein Aufguss früherer Ideen und kein Meisterwerk des Originellen. Es ist vor allem Kings solidem Stil zu verdanken, der sich vor anderen literarischen Größen nicht zu verstecken braucht, dass der Leser trotz manch langwieriger Phase nicht den Anschluss verliert.

_Als Fazit_ bleibt ein überzeugender Roman aus der Feder von Meisterautor Stephen King, der nicht ganz an seine besten Erfolge heranreicht, aber dennoch sehr gute Unterhaltung, sympathische Charaktere und eine schlüssige, oft bewegende Handlung bietet. Auffallend sind die Weitschweifigkeit und die Parallelen zu früheren Werken, zudem kommt der Horror erst spät ins Spiel – davon abgesehen jedoch ist „Wahn“ ein empfehlenswerter Roman.

_Stephen King_, Jahrgang 1947, zählt zu den erfolgreichsten Autoren der Welt. 1973 veröffentlichte der ehemalige Lehrer mit »Carrie« nach mehreren Anläufen seinen ersten Roman, der zum Bestseller wurde. Alle folgenden Bücher wurden ebenfalls Welterfolge, viele davon sind von namhaften Regisseuren verfilmt worden. Bislang hat der Autor mehr als 400 Millionen Bücher verkauft (Verlagsangabe |Heyne| 2007).

King wurden sechs |Bram Stoker Awards|, sechs |Horror Guild Awards|, fünf |Locus Awards|, drei |World Fantasy Awards| (darunter der |Lifetime Achievement Award| 2004), ein |Hugo Award|, der |Lifetime Achievement Award| 2003 von der |Horror Writers‘ Association| sowie 2003 eine noch immer diskutierte Medaille für |Distinguished Contribution to American Letters| von der |National Book Foundation| und 2007 als einzigem Nicht-Kanadier ein |Award for Lifetime Achievement| von der |Canadian Literary Guild| verliehen.

Zu den bekanntesten Werken gehören unter anderem: »Es«, »Christine«, »Shining«, »Misery«, »The Stand« und die siebenteilige Saga vom »Dunklen Turm«. Weitere Bücher erschienen unter dem Pseudonym Richard Bachman. Mehr über ihn auf seiner Homepage http://www.stephenking.com.

|Originaltitel: Duma Key
Originalverlag: Scribner
Aus dem Amerikanischen von Wulf Bergner
Gebundenes Buch, 896 Seiten
2 Schwarzweiß-Abbildungen|
http://www.heyne.de

_Stephen King bei |Buchwurm.info|_ (Auswahl):

[„Qual“ 4056
[„Brennen muss Salem – Illustrierte Fassung“ 3027
[„Brennen muss Salem“ 3831 (Hörbuch)
[„Briefe aus Jerusalem“ 3714 (Audio)
[„Friedhof der Kuscheltiere“ 3007 (Audio)
[„Puls“ 2383
[„Trucks“ 2327 (Audio)
[„Colorado Kid“ 2090
[„The Green Mile“ 1857 (Audio)
[„Das Leben und das Schreiben“ 1655
[„Atemtechnik“ 1618 (Audio)
[„Todesmarsch“ 908
[„Der Turm“ 822 (Der Dunkle Turm VII)
[„Der Sturm des Jahrhunderts“ 535
[„Tommyknockers – Das Monstrum“ 461
[„Achterbahn“ 460
[„Danse Macabre – Die Welt des Horrors“ 454
[„Christine“ 453
[„Der Buick“ 438
[„Atlantis“ 322
[„Das Mädchen“ 115
[„Im Kabinett des Todes“ 85
[„Duddits – Dreamcatcher“ 45

Keene, Brian – lange Weg nach Hause, Der

Steve Leibermann und drei seiner Arbeitskollegen befinden sich auf der Heimfahrt von der Arbeit, als sie eine gewaltige Explosion wahrnehmen und ein Geräusch wie das Trompeten einer riesigen Posaune. Hunderte von Autos geraten in einen Massenunfall, und in dem allgemeinen Chaos fällt erst relativ spät auf, dass mehrere Menschen von einem Augenblick zum anderen spurlos verschwanden.

So auch Steves Kollege Craig. Hector, der Fahrer, stirbt bei dem Unfall, so dass sich Steve und Charlie allein auf den langen Weg nach Hause machen. Steve hat nur den einen Wunsch, seine Frau Terrie wiederzusehen. Der merkwürdige Vorfall scheint sich nämlich auf das ganze Land, wenn nicht die ganze Welt ausgewirkt zu haben. Die Handynetze sind zusammen- und Anarchie ist ausgebrochen, jeder kämpft ums Überleben. Den beiden Kollegen schließt sich der Bauarbeiter Frank an. Gemeinsam machen sich die drei Männer auf den Weg ins Ungewisse …

_Meine Meinung:_

Mit Brian Keene hat der |Otherworld|-Verlag einen Autor an der Hand, der nicht zu Unrecht als neuer Stern am Horror-Himmel gefeiert wird. Mit seinen umfangreichen Büchern „Die Wurmgötter“ und „Im Reich der Siqqusim“ bildet die vorliegende Novelle das bislang kürzeste Werk des Schriftstellers in deutscher Sprache. Auf gerade mal 152 Seiten entwirft Keene ein Horror-Szenario sondergleichen und schafft eine gelungene Endzeitstimmung, die auch ohne menschenfressende Zombies wunderbar eindringlich und atmosphärisch wirkt.

Die Charaktere wurden sehr real dargestellt, und die Schilderung aus der Perspektive Steve Leibermanns hilft dem Leser dabei, sich besser in das düstere Geschehen hineinzudenken. Ebenso wie Leibermann wird auch dem Leser suggeriert, dass am Ende alles gut werden könnte; die Hoffnung bleibt bis zum Schluss erhalten, obwohl die Geschichte durchzogen ist von einem immerwährenden Schleier der Trostlosigkeit und der bangen Erwartung, ob Leibermanns Frau noch lebt oder bereits tot oder verschwunden ist.

Zugleich hat sich der Autor die Gelegenheit nicht entgehen lassen, mit den Arschlöchern des täglichen Lebens abzurechnen und sie literarisch mal richtig zur Ader zu lassen. Der christlich-religiöse Plot der Story ist hingegen Geschmackssache; man muss sich schon zum Ende hin bewusst machen, dass man keine Werbebroschüre der Kirche in Händen hält. Hier liegt das einzige Manko dieser rasanten Achterbahnfahrt zwischen Hoffen und Verzweifeln. Die zuerst als Kurzgeschichte konzipierte Story hätte weitaus besser funktioniert, wenn die Ursache für das Verschwinden der Menschen und das Ausbrechen der Anarchie im Dunkeln geblieben wäre.

Eine kleine Entschädigung für den wirklich sehr kurzen Roman ist das ausführliche Vorwort des Horror-Experten John Skipp, der sich unter anderem mit der Anthologie „Book of the Dead“ (dt. „Das große Horror-Lesebuch“, erschienen im |Goldmann|-Verlag) einen Namen machte, das er gemeinsam mit Graig Spector herausbrachte.

Wie immer glänzt der |Otherworld|-Verlag durch eine ansprechende Aufmachung und hochwertiges Papier. Ein Glossar der handelnden Personen erleichtert das schnelle Nachschlagen und ein ausführliches Autorenportrait ist mittlerweile aus den Büchern des Verlages nicht mehr wegzudenken. Die große Schrift ist zur Abwechslung mal ganz angenehm für die Augen, nur der hohe Preis wirkt abschreckend und ist unangemessen hoch für eine Geschichte in Heftromanlänge.

_Fazit:_

„Der lange Weg nach Hause“ bietet ein düsteres und spannend geschriebenes Endzeitszenario mit glaubhaften Charakteren. Einzig das Ende der Geschichte ist etwas zu religiös ausgefallen. Leider ist das Büchlein mit 8.95 €uro zu teuer für die 160 Seiten geraten. Allerdings bietet das Buch eine kurzweilige Lektüre und lässt sich binnen zweier Stunden wunderbar flott durchlesen.

|Originaltitel: Take the long way home, 2006
159 Seiten Taschenbuch
Aus dem Englischen von Michael Krug
Titelillustration: Claudia Flor
ISBN: 9783902607010|
http://www.otherworld-verlag.com

_ Brian Keene auf |Buchwurm.info|:_

[„Das Reich der Siqqusim“ 3368
[„Die Wurmgötter“ 4469

_Florian Hilleberg_

John Connolly – Der brennende Engel [Charlie Parker 5]

Die Suche nach einer vermissten Frau wird für den Privatdetektiv Charlie Parker zum Krieg mit einem gefallenen Erzengel und seinen höllischen Helfershelfern … – Der fünfte Band der Parker-Serie verzichtet nicht auf die ‚realistischen‘ Elemente des Thrillers, erzählt aber eine gänzlich phantastische Geschichte, die zwar die üblichen Strickmuster moderner „Mystery“ bemüht, jedoch aufgrund der erzählerischen Qualitäten des Verfassers und einer Flut bizarrer Einfälle außerordentlich spannend ist.
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Brian Keene – Der lange Weg nach Hause

Das geschieht:

Was wie eine normale Heimfahrt nach einem langen Büroarbeitstag aussah, endet für die Freunde Steve, Charlie, Hector und Craig aus dem Städtchen Shrewsburg im US-Staat Pennsylvania als Katastrophe. Ein greller Trompetenton schallt über den Erdball, Millionen Menschen lösen sich in Luft auf, Flugzeuge fallen ohne Piloten vom Himmel, Atomkraftwerke explodieren, auf den Straßen rammen sich fahrerlose Kraftwagen in endlosen Massenkarambolagen.

Auch unserem Quartett ergeht es übel; nach einem Unfall ist Craig spurlos verschwunden, Pechvogel Hector tot. Benommen finden sich Steve und Charlie unter den verwirrten Überlebenden eines in seinem Ausmaß unbekannten Desasters wieder. Haben Terroristen zugeschlagen? Das Telefonnetz ist zusammengebrochen. Keine Polizei erscheint, Krankenwagen fahren nicht. Das Chaos regiert und verstärkt sich, als den Menschen dämmert, dass Hilfe ausbleiben wird. Brian Keene – Der lange Weg nach Hause weiterlesen

Wolfgang Hohlbein – Das Haus der bösen Träume (Der Hexer von Salem 8)

„Die Spur des Hexers“ (Der Hexer von Salem 1)
„Der Seelenfresser“ (Der Hexer von Salem 2)
„Engel des Bösen“ (Der Hexer von Salem 3)
„Der achtarmige Tod“ (Der Hexer von Salem 4)
„Buch der tausend Tode“ (Der Hexer von Salem 5)
„Das Auge des Satans“ (Der Hexer von Salem 6)
„Der Sohn des Hexers“ (Der Hexer von Salem 7)

Acht Bände umfasst die Sammleredition der Reihe „Der Hexer von Salem“, die Wolfgang Hohlbeins Erfolgszyklus um Robert Craven erstmals vollständig und in chronologisch richtiger Reihenfolge auflistet. Im |Bastei|-Verlag ist mit „Das Haus der bösen Träume“ nun der letzte Band erschienen. Der Roman kommt mit fünfhundert Seiten etwas dünner als die vorigen Bände daher, schließt dafür jedoch endgültig die Geschichte des Hexers ab. Er enthält die stark revidierten |Dämonenland|-Hefte „Das Labyrinth von London“ und „Fluch aus der Vergangenheit“, mit denen Hohlbein in den 90ern noch einmal, wenn auch nur für zwei Ausgaben innerhalb einer Best-of-Reihe, den Hexer in sein ursprüngliches Format als Heftroman zurückgeholt hat. Darüber hinaus liegt mit der namensgebenden Abschlussgeschichte „Das Haus der bösen Träume“ eine völlig neu geschriebene Geschichte bei, die die letzten lose Fäden aufgreift und am Ende zusammenführt.

Wolfgang Hohlbein – Das Haus der bösen Träume (Der Hexer von Salem 8) weiterlesen

Hohlbein Wolfgang – Der Sohn des Hexers (Der Hexer von Salem 7)

„Die Spur des Hexers“ (Der Hexer von Salem 1)
„Der Seelenfresser“ (Der Hexer von Salem 2)
„Engel des Bösen“ (Der Hexer von Salem 3)
„Der achtarmige Tod“ (Der Hexer von Salem 4)
„Buch der tausend Tode“ (Der Hexer von Salem 5)
„Das Auge des Satans“ (Der Hexer von Salem 6)

Zusätzlich zu den acht Bänden, die vorab in der Serie „Gespenster-Krimis“ erschienen waren, umfasste die „Hexer“-Reihe in Heftromanform 49 Folgen. In „Der Sohn des Hexers“, dem siebten Band der neu überarbeiteten und vollständigen „Der Hexer von Salem“-Sammleredition, sind die letzten Episoden 46 bis 49 nun enthalten. Damit endet die Geschichte um Robert Craven und mündet in einem fulminanten Finale, in dem Wolfgang Hohlbein noch einmal alle Register zieht. Doch wäre dieses Finale die wirklich letzte Geschichte des Hexers, hätte dieser neunhundertseitige Sammelband nur 300 Seiten Umfang und könnte darüber hinaus nicht auf den achten, letzten Band der Reihe verweisen.

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