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Buchwurminfos II/2004

Die _Verlagsgruppe Weltbild_ hat aufgegeben und die Beschwerde vor dem Bundeskartellamt in Sachen _Random House_ zurückgenommen, obwohl ein umfangreiches Gutachten zu Fehlern in der Entscheidung des Kartellamtes vorlag. Der |Weltbild|-Konzern gehört der katholischen Kirche, und bringt dieser wirtschaftlich Kapital. Jedes zehnte Buch wird inzwischen bei Weltbild gekauft. |Hugendubel| mit |Weltbildplus| und |Holtzbrinck| mit |Droemer-Weltbild| sind allerdings außerkirchliche Partner. Die Gesellschaftsanteile der einzelnen Bistümer sind sehr unterschiedlich. Durch seinen Sitz in Augsburg war Weltbild ein schon immer ausgesprochen bayrisches Unternehmen und die dortigen Diözesen sind deshalb besonders stark im Gesellschaftsvertrag vertreten. Neuerdings erschließt Weltbild behutsam den ausländischen Markt, besonders in Richtung Osteuropa. Theologie als hauptsächlicher Programminhalt ist schon allein deswegen im Rückgang, weil die daran interessierten Studentenzahlen natürlich auch drastisch schrumpfen.

Weltbild war bislang führend im Wettbewerb des Massengeschäfts mit _Billigbüchern_. Seit 1999 wird der Katalog „Jokers Restseller“ herausgegeben und mittlerweile gibt es dafür schon fünf eigene „Test“-Shops in deutschen Städten. _Bertelsmann_ (|Random House|) will dieses Feld |Weltbild| nun nicht mehr allein überlassen und hat mit 1,5 Millionen Exemplaren auch einen Katalog „BestSeller“ gestartet, mit Mängelexemplaren und Restposten von 40 bis 90 Prozent Preisabschlag gegenüber dem ursprünglichen Ladenpreis. Denn der Sprung über die Gewinnschwelle der |Bertelsmann-Club|s wurde bislang noch nicht geschafft, aber die Verluste bereits um 70 Prozent verringert.
Der endgültige Wechsel ins Plus soll das Joint Venture mit dem chinesischen Partner |21st Century Bookchain| bringen. Weitere solcher Joint Ventures sind mit Japan und Korea geplant. In Deutschland ist aber auch noch der Streit um die Zeit- und Preisabstände sogenannter _Clubausgaben_ zur regulären Buchhandelsausgabe in vollem Gang. Als nächstes wird jetzt vor dem Oberlandesgericht Frankfurt über den Widerspruch des Clubs gegen die einstweiligen Verfügungen verhandelt, die das Landgericht Wiesbaden im Oktober 2003 verhängt hatte. Das Landgericht empfahl dabei die außergerichtliche Einigung.
Alle anderen Bereiche des |Bertelsmann|-Medienkonzerns schreiben allerdings schwarze Zahlen. Die Schulden wurden 2003 von 2,7 Milliarden Euro auf 820 Millionen Euro gesenkt, wozu unter anderem der Verkaufserlös von |Bertelsmann Springer| (972 Millionen Euro) beigetragen hatte. Auf dem deutschen Buchmarkt hat _Random House_ bei Hardcovern das Geschäft sehr verbessern können. Im Taschenbuchbereich sind sie die Nummer 1 und für den Kinder- und Jugendbereich ist Platz 3 angestrebt. Deswegen wurde in Anlehnung an das Label _btb_ (|Bertelsmann Taschenbuch|) nun auch das Jugendbuchlabel |C. Bertelsmann| in _cbj_ umbenannt, wobei das „j“ für Jugendbuch steht. Wie bei |btb| sind die drei Buchstaben |cbj| dezent auf dem Buchcover platziert. Das neue Logo gilt für das gesamte Hardcover-Programm. _cbt_ bleibt das Label für das Jugendtaschenbuch, das Kindertaschenbuch wird aber weiterhin unter der bekannten Dachmarke |Omnibus| laufen.
Ungewiss bleibt das 2000 von |Random House| eingekaufte Jugendbuchlabel |Elefanten Press|. Deren Backlist wird seitdem gepflegt, aber Neuerscheinungen blieben aus. Nun denkt man auch noch über weitere Verlagszukäufe auf dem englischsprachigen Buchmarkt nach. Für Mai 2006 ist der Gang an die Börse geplant. Die Mitarbeiter scheinen ungeachtet solcher Entwicklungen aber nicht so zufrieden zu sein, das Personalkarussell ist ständig am Wirbeln. Gerade erst hatte _Markus Klose_ (seit 2001 Vertriebsleiter bei |Heyne|) die Vertriebsleitung für die gesamte |Random House|-Gruppe übernommen und nun ist er schon wieder zu |Hoffmann & Campe| gewechselt. Für Klose konnte |Random House| noch keinen Nachfolger finden. Und Geldgeschäfte, die in anderen Branchen gerade für gerichtliche Nachspiele sorgen, sind bei |Bertelsmann| scheinbar noch etwas Normales. Die beiden Ex-AOL-Deutschlandmanager _Jan Henric Buettner_ und _Andreas von Blottnitz_ hatten ihre Gewinnanteile aus dem Verkauf von _AOL-Europe_ eingefordert und erhielten in außergerichtlicher Einigung von |Bertelsmann| 160 Millionen Euro ausgezahlt.

Obwohl _Walter de Gruyter_ eine einstweilige Verfügung gegen das vom wissenschaftlichen _Springer-Verlag_ herausgegebene „Springer Lexikon Medizin“ erwirkt hatte – weil dieses als „die neue Nr. 1 unter den medizinischen Nachschlagewerken“ beworben wird – geht der Verkauf weiter. |Springer| hatte gegen die Verfügung beim Kammergericht Berlin Widerspruch eingelegt.
Die Landschaft der Medizinverlage hatte sich letztes Jahr insgesamt immens verändert: Nicht nur |Bertelsmann-Springer| ging ins Ausland an die Investoren |Cinven & Candover|, auch |Urban & Fischer| ging an den niederländischen Verlag |Elsevier| und |Springer Science & Business Media| fusionierte mit |Kluwer Academic Publishers| (KAP). Für die größte Irritation sorgt dabei, dass in allen Fällen branchenfremde Investoren in das Geschäft mit medizinischer und naturwissenschaftlicher Fachinformation eingestiegen sind. Nur wenige sind da noch als klassische Medizinverlage übrig geblieben. Z.B. _Schattauer_ hält, obwohl nicht zu den Großen zählend, seine unangefochtene Position, da er in den 55 Jahren Bestehen mehrere Spezialsegmente einführen konnte und auch 17 medizinische Fachzeitschriften unterhält. Vor allem an den Publikationen aus den „Psycho“-Wissenschaften (Psychiatrie, Psychotherapie, Psychosomatik) kommt kein Student und Facharzt vorbei. Mit all den Nachbardisziplinen – wie Neurowissenschaften – wird das unter der Leitlinie „bio – psycho – sozial“ zusammengefasst. Die Neurobiologie der Psychotherapie stellt dar, was sich im Gehirn abspielt, wenn Psychotherapie wirkt. Da dieser Markt große Entwicklungen im Grenzgebiet von Psychologie und Neurobiologie bedient, sieht |Schattauer| optimistisch in die Zukunft.

_Bloomsbury_ wurde durch |Harry Potter| einer der ganz „Großen“. Durch den Potter-Hype erlangte 2003 der britische Originalverlag erneut eine Umsatzsteigerung von 22 Prozent und erwirtschaftete damit 124,4 Millionen Euro im letzten Jahr. |Bloomsbury| hat sich mit deutschem Programm selbstständig auch beim von |Random House| ausgeschiedenen |Berlin|-Verlag angesiedelt und vertreibt ab diesem Jahr dort aber auch sein gesamtes englisches Programm inklusive des TB-Labels |Penguin Books|. Dem |Berlin|-Verlag wurde dafür eine Finanzspritze von 1,95 Millionen Euro gezahlt. Viele ausländischen Verlage starten, anstatt länger Lizenzen zu vergeben, selber in Deutschland. Beispiele: |Dorling Kindersley| (die aber inzwischen Teil des weltweiten Konzerns |Pearson| sind), |Phaidon, Flammarion| und |Sutton|.

Nachdem _Amazon_ seit Jahren gigantisches Minus machte und man deswegen bis vor kurzem fragen musste, wie dies in solchen Summen überhaupt möglich sei, hat sich das in diesem Jahr gewandelt und das jahrelange Investieren tatsächlich gelohnt. Der weltweit größte Online-Einzelhändler macht zum ersten Mal tatsächlich Gewinne. 80 Prozent Umsatzsteigerung weltweit mit einem Umsatz von 1,5 Milliarden Dollar allein in den USA und noch mal 684 Millionen Dollar bei den ausländischen Töchtern in Großbritannien, Deutschland, Frankreich und Japan allein im ersten Quartal 2004.

Der _Süddeutsche Zeitungsverlag_ ist mit einer niedrigpreisigen belletristischen Hardcover-Reihe, die insgesamt im Februar 2005 50 Bände umfassen soll, ins Buchgeschäft eingestiegen. Es gibt schon so viele Abonnenten der Gesamtreihe, dass die Planungsziele bereits übertroffen wurden und die Auflagen nach oben korrigiert werden. Von Band 1 waren 300.000 Exemplare an die „SZ“-Abonnenten verschenkt worden.

Der Münchner _Piper-Verlag_ feiert hundertjähriges Jubiliäum. 90 Jahre lang einer der traditionellen Familienverlage, der, seit zu |Bonnier| gehörend, auch moderner agiert. Dennoch scheint die Traditionslinie erhalten zu bleiben. Das Taschenbuchprogramm – das sich nicht so sehr von der Konkurrenz (|dtv| oder |Rowohlt|) unterschied – wurde in der „Serie Piper“ auf Belletristik und hochwertiges Sachbuch begrenzt. Ein auffälliges neues Logo wurde eingeführt.

Expandieren will nun auch die Verlagsgruppe |Lübbe|, die sich von ihren Medizinratgebern |Ehrenwirth| getrennt hatte und im Herbst nun ein Niedrigpreislabel im Taschenbuchsektor einführen will, wofür auch Zukäufe anvisiert werden. Chancen für so etwas sieht die Geschäftsführung in der Aufspaltung der |Ullstein-Heyne-List|-Gruppe, denn dadurch kam |Lübbe| in eine bessere Marktposition (derzeit die Nummer 4).

Nachdem das Filmproduktions- und Verleihunternehmen _Senator Entertainment AG_ im Frühjahr Insolvenz eröffnen musste, war auch das Tochterunternehmen _Europa-Verlag_ in seinem Bestehen bedroht. Verlagsleiter _Vito von Eichborn_, der 1994 seine Anteile an dem von ihm gegründeten |Eichborn|-Verlag verkauft hatte und dort 1996 ausschied, hatte im Auftrag der |Senator Entertainment| den |Europa|-Verlag erworben. Dieser, von Emil Oprecht 1933 in Zürich gegen die Nazis gegründet, war Zufluchtsort für viele verfolgte Schriftsteller. Hier erschien die von Thomas Mann herausgegebene Zeitschrift „Maß und Wert“, wurden Ignazio Silone und Arthur Koeppen verlegt. 1953, nach dem Tod des Verlegers, wurde der Verlag an den Österreichischen Gewerkschaftsbund verkauft. Anfang der 90er Jahre von Otto Wolf von Amerogen und dem Bankier Oppenheim gekauft, zog der Verlag nach München. Nach der Übernahme durch |Senator| und dem Umzug nach Hamburg expandierte der Verlag mit einem politisch-zeitgenössischen Sachbuchprogramm ([Noam Chomsky 196 z.B.). Um den Verlag vor der Insolvenz zu retten, hat Eichborn nun selbst |Europa| von |Senator| gekauft, zusammen mit den Gesellschaftern des _Baumhaus-Verlages_, was man Management-Buyout nennt.

Unverändert geht es mit _Hörbüchern_ aufwärts. Allein der _Audio-Verlag_ (|Aufbau|-Verlagsgruppe) hatte ein im letzten Jahr ein Umsatzplus von 60 Prozent. In der Jahresbilanz der |Aufbau|-Gruppe bestand aber als Betriebsergebnis noch ein Minus von 80.000 Euro trotz Gesamtumsatz von 16 Millionen Euro. Auch die _Jumbo Neue Medien_ hatten einen Umsatzzuwachs von 45 Prozent und konnten damit die Vier-Millionen-Euro-Marke deutlich übersteigen. Insbesondere das Hörbuchprogramm von „Goya Lit“ für Erwachsene und Jugendliche findet zunehmend Resonanz.
Aufgrund hoher Produktionskosten sind Hörbücher bislang noch verhältnismäßig teuer. Im Segment der urheberrechtsfreien Werke ändern sich aber derzeit die Preise. Die _Deutsche Grammophon_ hat ihre Reihe „Eloquence“ mit Klassikern zwischen 4,99 und 7,99 Euro gestartet und der Musikvertrieb _Joan Records_ wird unter dem Label |Brilliant Books| ebenso 200 Titel zum empfohlenen Preis von 4,99 Euro auf den Markt bringen. Neben der Leipziger Buchmesse, der bedeutendsten bisherigen Hörbuchmesse, wird es im nächsten Jahr bei der Kölner Literaturmesse eine zusätzliche _Audiobooks Cologne_-Messe geben. Die Hörbuchverlage möchten diese als zentrales Festival fürs Hörbuch etablieren, die eigentliche Hörbuchmesse aber in Leipzig beibehalten.

Außerhalb der Jugendliteratur befindet sich _Science-Fiction und Fantasy_ noch immer in der Schmuddel-Ecke. Dennoch pflegen Verlage wie |Heyne| ihre fantastischen Literaturreihen. _Heyne Fantasy_ gehört nunmehr allerdings zu |Bonnier| und konnte aufgrund des Kartellamtsbeschlusses nicht unter das neue |Heyne|-Dach |Random House| kommen, wodurch |Heyne| ein wichtiges Fantasy-Backlist-Standbein verlor. Das ist für das Genre gut, denn |Bonnier| wird das Programm aufstocken. Schwerpunkt wird auf Science-Fiction gelegt, die in den letzten Jahren zugunsten von Fantasy mehr in den Hintergrund geriet. Auch die _Verlagsgruppe Lübbe_ startet diesen Sommer unter dem Motto „Fantastische Welten“ mit SF neu durch. Große Verlage bleiben gegenüber SF noch skeptisch und konzentrieren sich weiterhin auf Fantasy, ganz vorne natürlich nach wie vor _Klett-Cotta_ mit seinem „Herr der Ringe“. Hintendran der _Piper-Verlag_ (auch |Bonnier|) mit einer sehr hervorzuhebenden Reihe, die allerdings nicht ganz der Tradition der damals von |Weitbrecht| übernommenen Fantasy-Reihe entspricht. _Droemer_ hat eine interessante Reihe gestartet: „Die Legenden von Phantasien“, die an die „Unendliche Geschichte“ Michael Endes anschließt, aber eigenständige Romane renommierter deutscher Autoren ausmacht. Empfehlenswerte derzeitige Renner sind alle Bücher von Terry Pratchett, Andreas Schlussmeier „Grimmige Zeiten“ (Knaur 2003), alle Bücher von Wolfgang Hohlbein und Herbie Brennans [„Elfenportale“ 313 (dtv 2003).

Entgegen der „PISA“-Situation wächst glücklicherweise wieder die Bedeutung des Segments _Kinder- und Jugendbuch_. Im Gesamtmarkt der Bücher in Deutschland stellen sie die stärkste Warengruppe und dies jährlich steigend. Das liegt allerdings auch daran, dass immer mehr Erwachsene wieder öfters zum Jugendbuch greifen. In den Bestsellerlisten stehen ja auch Autoren wie Colfer, Funke, Gaarder oder Rowling, die eigentlich „All Age“-Titel sind. Das „Crossover“-Konzept funktioniert recht gut. Der Fantasy-Sättigungsgrad scheint derzeit hier aber überschritten. Führender Verlag ist natürlich _Carlsen_ aufgrund von „Harry Potter“, aber auch sonst ist er beim deutschen Jugendliteraturpreis mit sieben nominierten Titeln vertreten. Seine Pixie-Bücher im Miniformat verkaufen sich auch im 50. Jahr noch millionenfach. Carlsen macht nunmehr allerdings auch Bücher für Erwachsene. Seine „Erdsee“-Hardcover-Ausgaben für Jugendliche von [Ursula K. Le Guin 146 verkaufen sich interessanterweise viel besser als die billigeren Erwachsenen-Ausgaben im |Heyne|-Taschenbuch. Umgekehrt geht’s aber auch – Kai Meyers Venedig-Trilogie, beginnend mit der „Fließenden Königin“ im Hardcover, als Jugendbuch bei |Loewe| gibt’s dann auch für Erwachsene im Taschenbuch bei |Heyne|.
Ansonsten bleibt es eigentlich dabei, dass nach Studien 42 Prozent der 15-Jährigen niemals Bücher zum Vergnügen lesen würden. Noch lesen aber 70 Prozent zumindest in den Sommerferien wenigstens ein Buch. Geschlechtsspezifisch dabei unterschiedlich: 72 Prozent der Mädchen und 64 Prozent der Jungen. Dabei spielt der Ausbildungszweig auch seine Rolle – Gymnasiasten lesen mehr als Realschüler und diese mehr als Hauptschüler. Je tiefer Jugendliche in die Pubertät kommen, desto weniger haben sie Interesse am Lesen. Die Lesequalität ist einer Lesequantität gewichen, vorherrschend ist ein „Lese-Zapping“ von einer bloß überfliegenden und sprunghaft parallelen Lektüre ganz im Trend der Prophezeiung Neil Postmans, wonach die Zersplitterung der Wahrnehmung zu immer kleineren Leseportionen führt.

Die _Geisteswissenschaften_ zerfließen in der modernen Zeit in eine Vielfalt und neue Unübersichtlichkeit, so dass das Angebot an einen Supermarkt erinnert. Für die wissenschaftlichen Verlage spielt immerhin die Schnelllebigkeit solcher Titel bei der Produktion keine Rolle. Philosophische oder literaturwissenschaftliche Publikationen brauchen Zeit und Ruhe, um überhaupt entstehen zu können. Titel bleiben lieferbar und haben kanonischen Bestand. Für die produzierenden Verlage bedeutet das aber auch Kontinuität und Geduld.
Die Geisteswissenschaften des 19.Jahrhunderts erleben seit dem Ende des 20.Jahrhunderts einen tiefgreifenden Wandel. Die Entwicklung geht zu interdisziplinären Ansätzen in den Geistes- und Naturwissenschaften und alle Verlage übernehmen solche Forschungsansätze in ihre Programme – etwa die Transformation der Literaturwissenschaften und Philologien in Kultur- und Medienwissenschaften. Die Geistes- und Kulturwissenschaften formieren sich mit Fächern wie Medienwissenschaften, Wissenschaftsforschung und Bildwissenschaften völlig neu. Die Kernfächer der Geistes- und Sozialwissenschaften sind neuen Herausforderungen durch die Naturwissenschaften ausgesetzt. Ein starker kulturwissenschaftlicher Akzent verdrängt die klassischen Philosophien.
Für Verlage sind die Einkaufstops der Universitäten und Fachschulen ein hoher Verlust, Buchhandlungen haben auch weniger Interesse an solcher Literatur, denn davon können sie nicht leben. Die Studenten kaufen sowieso auch nur das Nötigste und recherchieren lieber im Internet. „Geiz ist geil“ ist notgedrungen der Trend. Die an den Universitäten voranschreitende Differenzierung in Bachelor- und Masterstudiengänge beschleunigt diese Entwicklung, denn ihre Bücher müssen didaktisch aufgebaut und „modular lesbar“ sein. Um ein ganzes Buch zu lesen bleibt keine Zeit.
Junge neue Verlage reagieren auf die neuen Wissenschaftstrends sehr viel besser als die geisteswissenschaftlichen Traditionshäuser, die bereits in der dritten Verlegergeneration geführt werden und häufig mit verkrusteten Strukturen in ihren Unternehmen zu tun haben.
_Vandenhoeck & Rupprecht_ wird sogar bereits in der siebten Generation von der Familie Rupprecht geführt. 1735 vom Niederländer Abraham Vandenhoeck in Göttingen gegründet, seit 1787 unter der heutigen Namensfingierung. Also schon 50 Jahre vor der Französischen Revolution gegründet, aber nicht verkrustet. Traditionspflege bedeutet nicht, jedes Segment um jeden Preis zu erhalten. Geschäftsführerin Reinhilde Rupprecht hat sich von einigen Programmfeldern verabschiedet. Die Standbeine bleiben Theologie, Altertumswissenschaften und Latein, der Schwerpunkt liegt aber bei Forschungsliteratur.
_Frommann-Holzboog_ ist auch schon 277 Jahre alt mit seiner Gesamtpalette der Geisteswissenschaften und sehr speziellen Disziplinen wie Judaistik, Mediävistik oder Orientalistik. Ein Verlag wie _Walter de Gruyter_ rechnete sicherlich nicht damit, dass der 1900 erschienene Band von „Kants gesammelten Schriften“ ein Jahrhundertwerk geben würde und erst 2007 mit 29 Bänden zum Abschluss kommt. Zwar lag das an den politischen Umständen – Ende des Kaiserreichs, zwei Weltkriege, Teilung Deutschlands -, aber die Finanzquellen werden auch immer dünner. Die Aufwendungen, die einzelnen Bände lieferbar zu halten, belaufen sich auf zwei Millionen Euro. In ganzen hundert Jahren sind schätzungsweise nur 3.000 bis 4.000 Einzelexemplare pro Band verkauft worden.
Für den verkauften _Springer-Verlag_ sieht es um den Weiterbestand der bislang elf Bände umfassenden „Wiener Ausgabe“ der Wittgenstein-Edition (seit 1994) mager aus. Seit 2001 gibt es keine Finanzierung mehr und die Reihe wird wohl nicht überleben. Angelegt war die Edition auf 40 Bände. Trotz großen internationalen Interesses konnten pro Band nur 1.200 Exemplare abgesetzt werden.
Bei _Klostermann_ gibt es seit 1975 die Heidegger-Edition, bisher bereits 70 Bände und ihr Ende ist noch völlig offen. Demnächst wird „Zu Ernst Jünger“ erscheinen und mit diesem Titel rechnet der Verlag zu Recht auf breites Interesse. Interessanterweise ist diese Edition erfolgreich. Die Bände liegen in der dritten Auflage vor und haben mehr als 8.000 Interessenten gefunden, die Hälfte geht ins Ausland. Ohne öffentliche Förderung konnte die Edition also finanziert werden.
Andere Traditionsverlage wie _Meiner_ arbeiten nur mit Verlust – ihnen geht es nicht ums Geldverdienen, sondern um die Sache, den großen Philosophen eine verlegerische Heimat zu bieten. Ob der Verlag als Familientradition aber einmal weitergehen kann, bleibt sehr fraglich. Um einen wirklichen Überblick über alle geisteswissenschaftlichen Verlage zu geben, wäre eine eigenständige Arbeit notwendig.

Auf der _Frankfurter Buchmesse_ will man mit dem diesjährigen Gastland _“Arabische Welt“_ Maßstäbe setzen. Allein im Forum 14 Ausstellungen und dazu drei Zelte auf der Agora, die Einblicke in die Vielfalt der arabischen Welt vermitteln sollen. Auch mit dem Rahmenprogramm wollen die 22 Länder der arabischen Liga sich nicht nur als kulturelle Vergangenheit präsentieren, sondern in Verbindung von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft die lebendige Weiterentwicklung der arabisch-islamischen Welt dokumentieren. Der Austausch ist angesagt und Dialog erwünscht. Die Gewährleistung der Sicherheit macht der Messeleitung aber derzeit noch Sorge. Dagegen plagen die arabischen Ausrichter andere Sorgen, denn rund sechs Monate vor Beginn der Frankfurter Messe fehlte noch das zugesagte Geld von mehr als der Hälfte der 22 Teilnehmerländer.
Auf der diesjährigen Frankfurter Buchmesse wird das „Zentrale Verzeichnis Antiquarischer Bücher“ (ZVAB) erstmals eine _Antiquariatsmesse_ organisieren. Diese Bezeichnung der angemieteten Fläche stieß allerdings bei der Messeleitung auf Befremden, da sie nicht mit einer solchen Messe in Verbindung gebracht werden will, und so wurde das Ganze in „Antiquariatsquartier“ umbenannt.
Auf der _Leipziger Buchmesse_ dagegen ist die Antiquariatsmesse bereits seit zehn Jahren eines der dortigen Glanzstücke. Bislang verdankte in Leipzig diese Messe ihre Anziehungskraft der Einzigartigkeit, denn nur hier findet im Rahmen einer internationalen Buchmesse auch eine Antiquariatsmesse statt. Auf der Leipziger Buchmesse ging auch das zunächst auf drei Jahre angelegte _“Projekt Deutscher Bücherpreis (Bücher-Butt)“_ in diesem Jahr zu Ende. Als einzige Deutsche wurde dabei Mirjam Pressler für ihr Lebenswerk geehrt, alle anderen Kategorien gingen an ausländische Autoren. Die Leipziger Messe möchte die Verleihung gerne fortsetzen. Wie man beim MDR denkt, der zeitversetzt mit 3sat die Verleihung bisher übertrug, ist noch offen. Zwar steigt die Einschaltquote von 2,1 auf 2,9 Prozent, aber diese insgesamt 270.000 Zuschauer sind zu wenig. Der Börsenverein und seine Partner werden nun über Positionierung und Konzept des Preises beraten. Wie in Frankfurt gab es zur jetzigen Leipziger Messe auch dort zum ersten Mal am Messeabschlusstag _Direktverkauf von Büchern_, was auch 80 Prozent der Verleger befürworten. Das Lager von Befürwortern (Verlagen) und Gegnern (Buchhandlungen) driftet sehr konfrontativ aufeinander und beide Seiten sind ja Mitglied im gemeinsam getragenen Börsenverein.

Die Initiative von Joschka Fischer _“Bücher für den Irak“_ läuft erfolgreich. Durch US-Bombardements war der Bestand allein deutscher Bücher von 15.000 Exemplaren in der |Germanistischen Bibliothek| der Universität Bagdad vernichtet worden. 10.000 Bücher deutscher Verlage konnten bereits wieder gesammelt werden und die Aktion läuft noch weiter.

Erwähnenswert ist auch der jüngste _Schildbürgerstreich der EU-Wettbewerbshüter_. Eine neue EU-Richtlinie schreibt den Kommunen vor, dass sie ihre Schulbucheinkäufe europaweit öffentlich ausschreiben müssen. Bislang war es normal, dass man dies an die örtlichen Buchhandlungen vergibt. Das hatte ja seine Gründe und Vorteile: Die Buchhandlungen vor Ort engagieren sich kulturell, bilden aus, zahlen Gewerbesteuer an die Kommune und sind direkt ansprechbar und schnell bei den zu beliefernden Schulen. Nach europäischem Vergaberecht ist der Zuschlag an örtliche Buchhandlungen aus den genannten Gründen aber verboten. Nun machen solche Ausschreibungen für Schulbücher aber keinen Sinn, denn jeder Anbieter darf nur das selbe Angebot machen, sowohl im Preis wie im Service. Sogar längere Zahlungsziele gelten schon als Verstoß gegen die Preisbindung. Diese Tatsachen überzeugten die Europäische Kommission jedoch nicht. Setzen sich die Kommunen gegen die Ausschreibungspflicht hinweg, drohen ihnen Nachprüfungsverfahren und Schadensersatz. Die Schuldezernenten sind sauer, denn die Zusammenarbeit mit dem örtlichen Buchhandel hatte nicht nur reibungslos geklappt, sondern die neuen Richtlinien bedeuten für sie einen immensen sinnlosen bürokratischen Aufwand und unnötige Geldverschwendung. Und da letztlich ja alle Angebote gleich sein werden, entscheidet das Zufallsprinzip. Die Städte wollen deswegen ein Losverfahren einführen. Zur Problematik des Losverfahrens gibt es aber auch wiederum keine gefestigte Rechtssprechung – sogar die Frage selbst, ob es überhaupt zulässig ist, dass Verwaltungsbeamte bei der Vergabe öffentlicher Aufträge auslosen, ist höchstrichterlich ungeklärt.

Aber auch bundesdeutsche Gesetzesvorgaben stoßen auf Irritationen. So durften – um das Urheberrecht zu schützen – bislang Kontrolleure in Copyshops _unangemeldete Stichproben_ vornehmen, ob ein Fachbuch z.B. gleich zehnmal kopiert wird. Diese Stichproben wurden nun vom Bundesgerichtshof untersagt, weil sie den im Grundrecht verankerten Schutz der Wohn- und Geschäftsräume berühren.

Die Zensur greift mehr und mehr um sich. Vielleicht gibt es schon bald eine Art _Literaturpolizei_, denn als jüngstes Beispiel hat eine Integrationsbehörde einen Beitrag „Die Zigeuner“ auf einer CD mit Texten von Walter Benjamin (!) als problematisch eingestuft und |Hoffmann & Campe| wurde empfohlen, von einer weiteren Publikation des Textes abzusehen. Anscheinend werden nunmehr auch politisch unkorrekte Begriffe indiziert.

|Hauptsächlichen Quellen wurden dem Börsenblatt des deutschen Buchhandels entnommen.|

Marburg-Con 2004

Am 24. April 2004 war es wieder soweit: Nach einer einjährigen Pause fand im hessischen Marburg erneut die beliebte [Marburg-Con]http://www.marburg-con.de statt. Die Veranstaltung, die dieses Jahr unter dem Motto „Welten des Horrors“ stand, startete in alter Tradition mit einer Romanbörse bereits morgens um 9 Uhr. Viele Besucher und Interessenten fanden den Weg in den großen Saal des Bürgerhauses Wehrda.

Bei zahlreichen Händlern gab es nicht nur die Möglichkeit, die neusten Bücher der deutschen Kleinverlage zu erstehen, sondern auch gut gefüllte Kartons mit Romanheften, Taschenbüchern, Comics und Hörspielen aus dem Antiquariat zu durchforsten. Schon in den ersten Stunden der Convention sah man viele mit Suchlisten herumstöbern, um ihre Sammlung zu vervollständigen. Und bei dem riesigen Angebot hatte man auch bei fast allen Serien das Glück etwas zu finden.

Gegen 14 Uhr wurde die Con von den Veranstaltern offiziell eröffnet und begann mit einer Lesung von _Heike Wolf_ aus ihrem DSA-Roman „Spielsteine der Götter“ im kleinen Saal. Nach dem Beitrag, der vor allem bei den Fantasy-Freunden Anklang fand, startete um 15 Uhr der Vortrag von _Christian Montillon_: „Wie Dan Shocker Larry Brent erfand und die Gruselheftromane geboren wurden“.

Hierzu hatte er zahlreiche Skripte und Exposés von Dan Shocker zur Hand, die den Werdegang des Serienhelden von der Planungsphase bis zum endgültigen Serienstar, wie wir ihn heute kennen, belegten. Dabei erfuhr man auch bisher unbekannte Fakten, wie zum Beispiel die Tatsache, dass für Larry Brent eigentlich der Name Larry Kent vorgesehen war. Um diese frühen Vorlagen und Ausarbeitungen den vielen Fans zur Verfügung zu stellen, plant Christian Montillon ein Paperback, das im |Blitz|-Verlag erscheinen soll.

Der 16-Uhr-Programmpunkt gehörte _Thomas Birker_, dem Produzenten der MacKinsey-Hörspiele. Neben Hörproben erläuterte er die Geschichte seiner Firma |Dreamland Productions| und verriet einige Geheimnisse der nächsten Produktionen. Neben den MacKinsey-Hörspielen 03 („Kampf gegen den Grünen Tod“) und 04 („Die toten Augen von Balmoral“) gelang es Thomas Birker, die Verträge für eine neue Grusel-Hörspielserie unter Dach und Fach zu bringen. Autoren wie H. G. Francis und Hugh Walker stellen ihre Romane zur Vertonung zur Verfügung.

Als nächstes war _Walter Appel_ am Zuge. Er las, während im großen Saal die Anproduktion eines |Maddrax|-Fanhörspiels stattfand, im kleinen Saal aus seinen bei der |Romantruhe| erscheinenden Romanen, der Serie „Geister-Schocker“.

Den vorletzten offiziellen Programmpunkt gestaltete _Markus K. Korb_, indem er professionell seine beim |Blitz|-Verlag herausgegebene Buchreihe „Edgar Allan Poes Phantastische Bibliothek“ vorstellte. Während er die Handlungen der Bücher erläuterte, stand ihm _Mark Freier_ zur Seite, der die Reihe grafisch betreut und mit seiner unverwechselbaren Coverarbeit versieht. Die Stimmung, die Korb durch seine Erläuterungen bei den Zuhörern hervorrief, konnte man nur als atemberaubend beschreiben. Fasziniert von den Geschichten, den Autoren und den Ausführungen verging die Zeit wie im Fluge.

Der endgültige Höhepunkt des Tages war jedoch die lang erwartete Preisverleihung des |Marburger Vereins für Phantastik e.V.| Bei einem Kurzgeschichtenwettbewerb zu dem Thema „Eine unheimliche Verwandlung“ gab es zahlreiche Einreichungen, die, in zwei Fanmagazinen zusammengefasst, allesamt beim Team der Veranstalter käuflich zu erwerben war. Als Sieger aus dem Wettbewerb ging _Markus K. Korb_ mit seiner Geschichte „Joanna“ hervor.

Zweiter Sieger wurde _Ralph Haselberger_ mit seiner Story „Die Gedanken lasse ich treiben“ und den dritten Platz heimste _Christian Boller_ mit der Geschichte „Niemandsland“ ein. Von _Thomas Backus_ wurde der Pokal an den stolzen Gewinner des ersten Platzes überreicht, unter der Vorgabe, die anbei überreichte Flasche Sekt zu köpfen und aus dieser zu trinken.

Nach dem endgültig letzten offiziellen Programmpunkt, der kurz vor 20 Uhr sein Ende fand, wurde es erst richtig gemütlich. Die immer noch zahlreich anwesenden Fans, Verleger, Autoren und Künstler gaben sich ein Stelldichein. Diskussionen über weitere Projekte waren ebenso zu hören wie Planungen neuer Miniserien, Klärungen von Storylines und auch einfach nur Gespräche mit Autoren über die „gute alte Zeit“, sowie die Zukunft der bekannten Serien. Die Möglichkeit, endlich mal den sonst nur von Büchern, Romanen und Internetseiten bekannten Namen wie W. K. Giesa, Walter Appel, Martin Kay, Jörg Kaegelmann und vielen anderen Fragen zu stellen und mit ihnen interessante Gespräche zu führen, wurde rege genutzt.

Auch der zu späterer Stunde gezeigte |Professor Zamorra|-Film „Satans Todesschwadron“, der über Laserbeamer vorgeführt wurde, heizte die Stimmung nur noch mehr an. Der Film ist einer, den man wirklich gesehen haben sollte. Hochrangige Besetzung, klasse Handlung, tolle Effekte und herausragende Synchronisation. Ein Film mit Kultstatus!!!

Dieser Film ist übrigens nicht öffentlich und wird nur im privaten Rahmen der beteiligten Schauspieler oder auf Conventions vorgeführt. Ein weiterer Grund, die nächsten Marburg-Con nicht zu verpassen.

_Christian Daber_
mit freundlicher Unterstützung und Genehmigung durch [Gruselromane.de]http://www.gruselromane.de

Buchwurminfos I/2004

Das Bundeskartellamt hatte durch das Verfahren der letztjährigen |Random House|-Übernahme bestätigt, dass es einen eigenen _Taschenbuchmarkt_ gibt, was für die Buchhandelsgeschichte ein wichtiges Urteil darstellt. |Random House| hatte diese Sachlage versucht zu bestreiten. Mit der Genehmigung der Verkäufe durch das Urteil des Kartellamts vom 25. November 2003 begann eine neue Zeitrechnung für den Taschenbuchmarkt. |Random House| ist klarer Marktführer, danach der |Holzbrinck|-Konzern (|Rowohlt, Fischer, Knaur|), neu gefolgt von |Bonnier| auf dem dritten Platz und dahinter der |Lübbe|-Gruppe. Dennoch sind die Machtverhältnisse klar. Im lukrativen Massenmarkt ist |Random House| mit |Goldmann, Heyne| und |Blanvalet| die unumschränkte Nummer Eins. Die Taschenbuchreihen sind für Verlage das wichtigste Standbein – für Verlage wie den |dtv| sowieso. Selbst reine Hardcover-Verlage finanzieren ihre Programme zum Großteil durch Lizenzeinnahmen. Der harte Verteilungskampf um diese Taschenbuchlizenzen wird nach dem |Ullstein-Heyne-List|-Verkauf nun sehr scharf. Die kleinen Taschenbuchverlage befürchten nicht mithalten zu können und zu den „kleinen“ gehören |Suhrkamp| (1,3 % Marktanteil), |Reclam| (1,5 %), |Aufbau| (1,9 %), |Diogenes| (2,1 %). Mit |Random House| (29,9 % derzeit) kann niemand mehr konkurrieren. |Bonnier| an dritter Stelle hat es trotz des überraschenden Einstiegs auch nicht einfach, denn |Ullstein|- und |List|-Taschenbücher haben ziemlich an Profil verloren. |List| ist untergegangen und |Ullstein| muss seine Position gegen |Goldmann, Heyne, Lübbe| und |Knaur| erst finden.

Das ganze Hin- und Herschieben der Verlage in der globalen Konzernwirtschaft hat dem Profil geschadet und die traditionellen Verlage eigentlich überflüssig gemacht. Spannend wird sein, wie |Random House| zwei programmatisch ähnlichen Verlage wie |Goldmann| und |Heyne| aufeinander abstimmen wird. Aber im eigenen Haus wird man sich kaum das Wasser abgraben wollen. Es gibt Grundabsprachen, dass man bei Lizenzversteigerungen natürlich nicht gegeneinander bieten wird. Gerade das macht den kleinen Verlagen wie |dtv, Piper| und |Rowohlt| Sorgen, denn sie spielen nun in der ganz kleinen Liga, die Konkurrenz ist wirtschaftlich zu groß, was Lizenzeinkäufe betrifft und da geht dann sehr früh die Luft aus. |Random House| ist so mächtig, dass er sogar den Handel unter Druck setzen kann. Außerdem hat er bereits selbst den Nebenmarkt-Vertrieb in die Hand genommen.

Alle kleinen TB-Verlage hatten ihre Preise in den letzten Jahren erhöht, womit die Schmerzgrenze auch erreicht war. Bei etwa 500 Neuerscheinungen pro Monat sind allerdings Taschenbücher optisch gleichförmig und kaum zu unterscheiden. Nur |Diogenes, dtv| oder |Serie Piper| sind als eigenständige Marken noch zu erkennen. Das Markenzeichen der Verlage ist verloren gegangen. Die kleinen versuchen das zu ändern: |Suhrkamp| plant einen kompletten Relaunch, |Knaur| ändert die Covergestaltung und führte kürzlich ein neues Logo ein. |Random House| kündigte an, für bestimmte Bereiche des Taschenbuchgenres die Preise zu senken und darauf müssen die Kleinen nun reagieren. Auch hier steht ein harter Preiskampf bevor. Die billigen Titel von |Random House| werden allerdings ein riesiges Angebot von Liebesromanen, historischen Schmökern und 08/15-Krimis ausmachen.

Eigentlich dachte jetzt jeder, die Diskussion wegen der Übernahme von |Heyne| durch |Random House| sei durch die Zustimmung des Bundeskartellamtes endgültig beendet. Dem ist nicht so, denn der Medienkonzern _Weltbild_, der 15 katholischen Bistümern gehört, hat überraschend _Beschwerde beim Oberlandesgericht_ Düsseldorf eingelegt. Der Beschluss des Bundeskartellamtes sei fehlerhaft und müsse aufgehoben werden, verbunden mit dem Eilantrag, den Vollzug des Zusammenschlusses bis zur juristischen Entscheidung auszusetzen. Als Zeugen werden wie zuvor die Verlagsgruppen von |Holtzbrinck, dtv, Lübbe| und |Weltbild| selbst geladen. Mit einer Entscheidung ist nach Einschätzung des OLG Düsseldorf nicht vor dem Sommer zu rechnen. |Random House| ist mit 25 zugehörigen Verlagen der größte deutsche Buchkonzern.

Seitdem |Random House| auf die |Ullstein|-Buchverlage verzichten musste, gehört der Stockholmer Medienkonzern _Bonnier_, die hier kurzfristig aufkauften, auch in Deutschland zu den ganz Großen der Branche. Sie sind nun die drittstärkste Kraft auf dem deutschen Buchmarkt. Schwierig für Synergieeffekte ist allerdings, dass die vielen verschiedenen |Bonnier|-Verlage unterschiedliche Standorte aufweisen: Die |Ullstein|-Buchverlage sind nach Berlin zurückgekehrt, |Ars Edition| und |Piper| sitzen in München, |Carlsen| in Hamburg und |Thienemann| in Stuttgart. Aber die gesamte Administration läuft von München aus und alles befindet sich auch in einer gemeinsamen Auslieferung. Die Hersteller arbeiten zusammen, so dass mit Druckereien bessere Konditionen ausgehandelt werden können. |Bonnier| setzt im Gegensatz zu |Random House| auf Individualität und Eigenverantwortung, die Verlage arbeiten unabhängiger. Lizenzgeschäfte laufen dort auch nicht in Absprache. |Bonnier| gibt es seit 200 Jahren, begonnen 1804 mit einer Buchhandlung in Kopenhagen. Heute sind mehr als 10.000 Mitarbeiter beschäftigt, davon 1.500 im Verlagsbereich. Außer im Buchgeschäft (einschließlich Buchclubs) ist |Bonnier| auch im Zeitschriftenmarkt aktiv. Datenbanken, Film-, TV-, Radio- und Multimedia-Produktionen gehören ebenso zum Spektrum wie Musik- und Audiobook-Produktionen. Mit |SF Bio| ist der Konzern außerdem der größte Kinobesitzer Kopenhagens. Der Vergleich mit |Bertelsmann| drängt sich auf, doch anders als der Medienriese aus Gütersloh agiert Bonnier nur auf europäischem Terrain. In Deutschland hatte sich |Bonnier| langsam Schritt für Schritt eingekauft. Im Kinderbuchbereich sind sie bereits die Marktführer (natürlich dank „Harry Potter“). Durch den Zukauf von |Econ-Ullstein-List| rangiert dieser Zweig nun aber vor dem Kinderbuch. Damit gibt man sich nicht zufrieden, geplant ist der weitere Ausbau in der deutschen Verlagslandschaft. Aber in den nächsten zwei Jahren bleibt der Schwerpunkt auf der Konsolidierung von |Ullstein|.

Bereits im letzten Jahr berichtet gingen die _Springer Wissenschaftsverlage_ an _Cinven und Candover_, womit sich auch von gewachsenen Traditionen und Strukturen verabschiedet wurde. Das englische Unternehmen hat ganz andere Rendite-Erwartungen als bisher in Fachverlagen üblich. Gewinnmaximierung bleibt nicht ohne Auswirkungen auf Führung und das Programm, das für eine große Tradition, editorische Sorgfalt und Interesse an Wissenschaft und Bildung stand. Nach 20 Jahren gingen nun der Verlagsbereichsleiter Verkauf und Marketing, Arnoud de Kemp, und der Verlagsbereichsleiter Medizin, Thomas Hopfe, nachdem zuvor schon der langjährige Verlagsleiter Dietrich Götze ausschied. Kündigungsgründe sind die neuen Verkaufsstrategien. Und deren aggressives Marketing zeigt auch schon juristische Auseinandersetzungen. |Springer Wissenschaftsverlag| hatte seinen neuen Titel „Lexikon Medizin“ damit beworben, er sei die neue Nummer Eins unter den medizinischen Nachschlagewerken und habe in jeder Hinsicht die Nase vorn. Das ging dem „Psychrembel“-Herausgeber _de Gruyter_ zu weit und er erließ eine einstweilige Verfügung gegen |Springer|.

Nach den stattgefundenen Aufregungen bei _Suhrkamp_ verließen nun wichtige Autoren das Haus. Der ehemalige Geschäftsführer ist inzwischen bei |Hoffmann und Campe|, _Martin Walser_ ist zu _Rowohlt_ gewechselt und will alle seine Rechte an bisherigen Büchern vertraglich zurück. Dieser Vertrag hat jedoch Tücken und |Suhrkamp| will formaljuristisch nichts herausrücken. |Rowohlt| ist an einem Streit mit |Suhrkamp| nicht interessiert und wird sich auf die neuen Titel |Walser|s konzentrieren. Dass bei |Suhrkamp| einiges im Argen ist und sehr viel umstrukturiert wird, wurde mittlerweile schon hinreichend berichtet.

Das literarische Programm des _Kindler_-Verlags ist ebenso an _Rowohlt_ gegangen und wird dort zwischen |Rowohlt| und |Wunderlich| positioniert. Autoren wie Salman Rushdie sind damit künftig nun auch bei |Rowohlt|. Das |Kindler|-Sachbuchprogramm wird allerdings zurückgefahren.

In den Schulen müsste weiterhin viel mehr Gewicht auf die _Leseförderung_ gelegt werden, als es der Fall ist. Laut Untersuchung der |Internationalen Grundschul-Lese-Untersuchung IGLU| können 39 Prozent aller Viertklässler Textinformationen nicht anhand des Zusammenhangs erkennen. 10,3 Prozent gelten als Risikogruppe: Sie sind teilweise nicht einmal in der Lage, gesuchte Wörter in einem Text zu erkennen. Im Bundesland Bremen kann sogar ein Fünftel der Schüler Texte nicht zusammenhängend erfassen. Generell lässt die orthografische Kompetenz zu wünschen übrig. Zur Erinnerung die bereits bekannten Fakten: Mehr als fünf Millionen Analphabeten in Deutschland, 15 Prozent der Ausbildungsanwärter sind wegen ihrer Lesedefizite nicht vermittelbar, ebenso viele Auszubildende brechen wegen ihrer Lese- und Schreibschwächen die Ausbildung vorzeitig ab, 70.000 Schüler verlassen jährlich die Schule ohne Abschluss. Der Börsenverein des Buchhandels kennt diese Problematik nicht erst seit PISA und setzt sich mit seiner Kulturarbeit und Leseförderung schon lange für die Beseitigung dieser Missstände ein, zum Beispiel mit Initiativen wie dem „Lesenden Klassenzimmer“ oder „Ohr liest mit“. Derzeit wird in enger Zusammenarbeit mit den Kinder- und Jugendbuchverlagen und der |Stiftung Lesen| auch auf der nächsten Frankfurter Buchmesse mit dem Preis der Leseförderung ein höherer Stellenwert gesetzt.

Eigentlich soll in diesem Jahr die neue _Rechtschreibreform_ endgültig eingeführt sein, obwohl viele Verlage, die etwas auf sich halten, die alte Rechtschreibung beibehalten haben. Nun fordern aber noch einmal mehr als 50 Professoren, überwiegend Rechtswissenschaftler, die Rückkehr zur alten Rechtschreibung, da die jetzt noch einmal vorgeschlagenen Änderungen das bereits angerichtete Chaos nur vergrößern würden. Sie beklagen gravierende Mängel, die die Einheitlichkeit der deutschen Schriftsprache zerstörten und die Ausdrucksvielfalt der Sprache gefährden. Dem haben sich zehn Wissenschafts- und Kunstakademien angeschlossen, die in einem Brief an die Kulturminister diese auffordern, ihre politische Verantwortung für die deutsche Rechtsschreibung wahrzunehmen. Dies ist ein historisch bisher einmaliger Appell. Weltfremd ist dieser Personenkreis sicherlich nicht. Sogar das |Goethe-Institut| hat sich diesen Meinungen angeschlossen. Die neue Rechtschreibung wird nach sieben Jahren immer noch nur von einem Teil der Bevölkerung praktiziert und dies meist äußert fehlerhaft. Es gilt die Qualität, Einheitlichkeit und Kontinuität der geschriebenen deutschen Sprache wieder zurückzugewinnen.

Neben der Frankfurter Buchmesse gibt es im Frühjahr immer auch die _Leipziger Buchmesse_. Diese besticht seit ihrer Einführung durch Opulenz und Qualität. Jedes Jahr wird ein Ausstellerzugang verzeichnet und das „Leipzig liest“ war ja auch das Vorbild für das neuerdings eingeführte „Hessen liest“ der Frankfurter Messe. Mehr als 1.200 Veranstaltungen in Leipzig sind eine Menge. Vor allem nationale und internationale Autoren kommen für Lesungen in großem Ausmaß. Für das Hörbuch, das nun auch in Frankfurt ein eigenes Forum bekam, ist Leipzig bislang viel wichtiger gewesen. Mehr als 100 Verlage und Labels sowie sämtliche ARD-Anstalten präsentierten ihre aktuellen Programme. Der Trend zur Live-Performance beim Hörbuch stammt von der Leipziger Messe. Bei den Hörbuchnächten im Jazzclub war an den vier Messetagen jede Menge schräge Tonkunst zu bestaunen. Leipzig ist auch das größte Festival für Kinder- und Jugendbücher im deutschsprachigen Raum. Der dafür vorhandene Bereich liegt bei 25 Prozent der Gesamtausstellungsfläche. Ein neues Hauptthema war diesmal aber auch eine Reihe jüdischer Lebenswelten, die von Salomon Korn, Vizepräsident des Zentralrates der Juden, in der Leipziger Synagoge eröffnet wurde. Politischer Schwerpunkt war „Vom Alten zum Neuen Europa“. Es geht in Leipzig sowieso nicht nur um Lesefest und Erlebnispark. Die Messe entwickelt sich kontinuierlich zu einem deutschlandweit wahrgenommenen Forum für Bildungsthemen. Integriert war diesmal der zweite gemeinsame Kongress der |Bundesvereinigung Deutscher Bibliotheksverbände| (BDB) und der |Deutschen Gesellschaft für Informationswissenschaft und Informationspraxis| (DGI). Die Mammutveranstaltung wurde mit einer Fachausstellung der Informationswirtschaft unter dem Motto „Information macht Bildung“ begleitet. Auch Preise werden regelmäßig verleiht: der |Butt| (deutscher Bücherpreis), der |Preis für Literaturkritik|, der |Preis für Europäische Verständigung| sowie der für das „schönste Buch aus aller Welt“. Die Renner der deutschen Sachbuchneuerscheinungen waren übrigens wieder wie bereits im letzten Jahr die _Anti-Bush-Titel_. Auch in den USA erscheinen gerade 25 Bush-kritische Bücher auf dem Markt, ein Trend, den es noch bei keinem Präsidenten zuvor gab. Und querbeet werden diese bei allen deutschen Verlagen auch veröffentlicht, denn das Thema sorgt für ausgezeichnete Verkäufe.

Aufgrund der terroristischen Anschläge in Madrid, die dem Islam zugerechnet werden, bleibt das diesjährige Gastland _Arabische Liga_ auf der _Frankfurter Buchmesse_ politisch so spannend wie schon bei der Entscheidung dazu. 350 Personen des kulturellen islamischen Lebens werden erwartet, darunter 150 Verleger und 130 Autoren aus dem arabischen Raum.

Bei der Frankfurter Messe ist bislang noch offen, wie es mit dem Versuch, am letzten Tag Bücher direkt verkaufen zu dürfen, weitergeht, denn 2003 war es dabei ja auch zu massiven _Preisbindungsverstößen_ gekommen. Einen richtig fetten Preisbindungsverstoß leistete sich dagegen zu Jahresbeginn der _Media Markt_, der den jüngsten „Harry Potter“ ein Drittel billiger für 20 Euro verkaufte. Die Klage läuft natürlich prompt. Vorher hatten schon _Kaufhof_ und _Kaufland_ beim neuen Potter gegen die Preisbindung verstoßen. Die Preisbindung für Bücher in Deutschland ist über 100 Jahre alt und wird von außen auch nicht bedroht. Nur wenn, wie es sich anbahnt, die Einzelinteressen innerhalb der Branche stärker werden, kann sie zu Fall gebracht werden. Streitigkeiten gibt es vor allem durch die Buchclubs. Aber es zeigt sich, dass, wie im jetzigen Fall, durch eine Schnäppchenwelle der Buchverkauf aus den Buchhandlungen nur in die Nebenmärkte abwandert.

_Heinz Friedrich_, Geschäftsführer des |dtv|-Verlags von 1961 bis 1990, ist kurz vor seinem 82. Geburtstag im Februar verstorben. Bevor er Verleger wurde, war er einer der Mitbegründer der |Gruppe 47|, Rundfunkredakteur und Rezensent. Mit seinen Rezensionen legte er den Grundstein seiner legendären Bibliothek mit zuletzt 40.000 Bänden, in der er auch lebte. Schon sehr früh stand er in Kontakt mit den wichtigen Verlegern wie Vittorio Klostermann, Peter Diederichs, Heinrich Reclam, Ernst Rowohlt und Ernst Heimeran. Als er 1965 das Cheflektorat der |Fischer|-Bücherei übernahm, belastete das seine Freundschaft zu Peter Suhrkamp sehr, denn |Suhrkamp| und |Fischer| waren richtige Konkurrenten. 1961 ging er aber zu |dtv|, wo er 29 Jahre blieb und wo er den deutschen Taschenbuchmarkt und Buchmarkt insgesamt grundlegend prägte durch klare Orientierung an inhaltlicher Qualität und konsequent anspruchsvoller innerer wie äußerer Gestaltung. Friedrich brachte Taschenbücher auf den Markt, die es zuvor so nicht gab: 20-bändiger |Brockhaus|, 45 Bände Goethe, 149-bändige |Sophien|-Ausgabe, Friedrich Nietzsche, Lexika aller Art, Atlanten und das 33-bändige |Grimmsche Wörterbuch|. Sein Wagemut und sein Erfolg mit den ganz taschenbuch-ungemäßen Werken sind schon Legende. Er bekam vielfältige Preise und Auszeichnungen, Doktor- und Professurentitel wie auch das Große Bundesverdienstkreuz.

Im Alter von 74 Jahren ist auch die Verlegerin _Gertraud Middelhauve_ verstorben. Mit Bilderbüchern von Helme Heine, Leo Lionni und Janosch entwickelte sie einen der bedeutendsten Kinderbuchverlage Deutschlands. Inzwischen ist |Middelhauve| längst bei |Beltz & Gelberg| untergebracht.

_Abraham Melzer_ hat den legendären |Melzer|-Verlag wiederbelebt. Viele erinnern sich vielleicht an die Beat-Literatur dort von den 60ern bis in die 80er Jahre, die erotischen Bildbände oder vor allem die legendäre |Prinz Eisenherz|-Serie und andere Comics. Mit dem ersten Programm nun, das er zusammen mit seiner Frau zu bewältigen versucht, eröffnet er ein lobenswertes kritisches Forum. Wieder aufgelegt werden die |Prinz Eisenherz|-Comics in einer gewohnt hervorragenden Sammler-Edition, ansonsten aber liegt der Schwerpunkt auf Literatur, Kunst, politischem Sachbuch und Judaica. Sensationell gleich der Start: Bei |Suhrkamp| war letztes Jahr das Buch „Nach dem Terror“ von Ted Honderich erschienen, das aber wegen der Kritik aufgrund des Antisemitismus-Vorwurfs sofort vom Markt zurückgezogen wurde. Über das Buch wurde viel geredet, aber kaum jemand kannte es. Abraham Melzer startete mit einer überarbeiteten erweiterten Ausgabe als seinem erstem Titel.

Und _Wagenbach_ feierte 40-jähriges Jubiläum. Seit seinen Anfängen 1964 ist Wagenbach ein politisch engagierter linker Verlag. Der Leiter Klaus Wagenbach war als Lektor wegen eines Protestbriefes gegen die Verhaftung eines DDR-Verlegers bei S. Fischer rausgeflogen und hat den eigenen Verlag gegründet. Die Veröffentlichung von Ulrike Meinhofs „Bambule“, Text eines Fernsehspiels über Fürsorgeerziehung, trug ihm 1971 ein Ermittlungsverfahren ein. Aufgrund der Veröffentlichung eines politischen Manifests der RAF und des „Roten Kalenders für Lehrlinge und Schüler“ stürmte ein schwer bewaffnetes Polizeiaufgebot den Verlag. Aus dem Verlag der Studentenbewegung wurde in der mediengesteuerten öffentlichen Wahrnehmung der „Baader-Meinhof-Verlag“. Mit Otto Schily als Verteidiger hat Klaus Wagenbach vier Prozesse verloren. Auch von linksradikaler Seite drohte Zensur, denn im Vorfeld des Buches von Peter Brückner über den Totalitätsanspruch der RAF sah er sich massiven Drohungen ausgesetzt. Der Verlag war sowohl beim bürgerlichen Lager als auch bei den Linken unten durch. In dieser Zeit der Prozesse und des Verlagskollektivs Anfang der 70er Jahre spaltete sich deswegen auch _Rotbuch_ vom Verlag ab. Klaus Wagenbach ist inzwischen 72 Jahre und bekam sogar das Bundesverdienstkreuz. Noch heute erscheinen in seinem Verlag wichtige politische Bücher, vor allem auch gegen Globalisierung und Amerika. Dieses Land, wo sich nicht einmal die Hälfte der Bevölkerung in die Wahllisten aufnehmen lässt, mit dem Ergebnis, dass ein Präsident Bush gerade mal von neun Prozent der Bevölkerung gewählt wurde, ist für den Verleger Wagenbach nicht demokratisch. Ökonomisch sind alle Titel ein Wagnis, Gewinn wird nicht wirklich gemacht, obwohl es nicht nur um Politik, sondern von Anfang an auch um gehobene Literatur geht – in der Mehrheit Übersetzungen aus romanischen Sprachen. Ein paar Bestseller hatte der Verlag aber auch, z.B. Erich Frieds „Gesammelte Liebesgeschichten“ mit einer Million verkaufter Exemplare oder in jüngerer Zeit Luigi Malerbas „Die nackten Masken“. Auch die |Kleine Kulturwissenschaftliche Bibliothek|, seit 1988 eine Sammlung wissenschaftlicher Essays, muss hervorgehoben werden. Autorenpflege wird wie die Nähe zum engagierten Buchhandel ganz groß geschrieben. Genauso zum Kunden. Im kostenlosen jährlichen Verlagsalmanach „Zwiebel“ erscheinen sehr ansprechende Textauszüge aus dem Verlagsprogramm und ganz ungewöhnlich im Vergleich zu anderen Verlagen sind dort auch genauestens die Verlagsbilanzen (Einnahmen und Ausgaben) aufgeführt.

|Hauptsächliche Quellen sind dem Börsenblatt des deutschen Buchhandels entnommen.|