Archiv der Kategorie: Thriller & Krimis

Holt, Anne – Was niemals geschah

Die norwegische Autorin Anne Holt hat sich mit ihren Büchern rund um ihre Krimiheldin Hanne Wilhelmsen einen Namen gemacht, der sich nicht hinter denen anderer großer (auch nordischer) Krimiautoren verstecken muss. Doch der vorliegende Roman wird dieses Mal nicht von der lesbischen Krimiheldin Wilhelmsen gelöst, sondern vom nicht minder interessanten Ermittlerduo Yngvar Stubø und seiner Frau Inger Johanne Vik, die nicht bei der Polizei arbeitet, sondern als Profilerin hilft.

In diesem Fall ist von Beginn an alles anders. Während nämlich die erste Leiche gefunden wird, ist Stubø auf dem Weg ins Krankenhaus zu Inger Johanne und ihrem gemeinsamen Baby, das zeitgleich mit der norwegischen Thronerbin Ingrid geboren wurde. Als er also von seinen Kollegen die Nachricht erhält, dass eine bekannte Fernsehmoderatorin ermordet und mit herausgeschnittener und gespaltener Zunge aufgefunden wurde, muss Stubø sich zunächst um seine schwierige Stieftochter Kristiane kümmern, die sehr sensibel und „komisch“ ist, ohne dass irgendjemand Stubø und seiner Frau sagen könnte, was mit Kristiane eigentlich los ist. Dementsprechend groß ist Inger Johannes Angst, dass auch ihre zweite Tochter krank sein könnte. Nach der Geburt ist sie deshalb höchst sensibel und zunächst überhaupt nicht am Kriminalfall interessiert. Als allerdings eine bekannte norwegische Politikerin gekreuzigt in ihrem eigenen Schlafzimmer und mit einem Koran zwischen ihren Beinen aufgefunden wird, drängt sich eine düstere Ahnung in Inger Johannes Bewusstsein.

Es dauert nicht lange, bis eine dritte bekannte Persönlichkeit unter mysteriösen Umständen ermordet wird, doch die Polizei tappt im Dunkeln, keine einzige Spur ist zu finden, niemand wurde am Tatort beobachtet und der Täter hat offensichtlich auch keine verwertbaren Spuren hinterlassen. Stubø und seine Kollegen jagen also ein Phantom, das sie nicht greifen können. Aber Inger Johanne wühlt in ihrer Vergangenheit beim FBI, die sie viel lieber vergessen würde, da sie so unvorstellbar große Wunden hinterlassen hat, dass sie nicht einmal mit ihrem Mann darüber sprechen kann. In ihrer Erinnerung findet sie eine Mordserie, von der ihr Ausbilder beim FBI in seiner Vorlesung erzählt hat und die viele Gemeinsamkeiten mit der jetzigen Mordserie aufweist. Was Inger Johanne aber am meisten Angst macht, ist der noch ausstehende fünfte Mord, denn hier wartet ein Anschlag auf den ermittelnden Polizeibeamten und seine Familie, was in diesem Fall Yngvar Stubø und Inger Johanne selbst sind. Die junge Mutter kann kein Auge mehr zutun und muss hilflos mit ansehen, wie der vierte Mord geschieht und sie die nächste auf der Liste ist.

Anne Holt inszeniert ein perfides Katz-und-Maus-Spiel, das von seinen Hauptfiguren lebt. Auch wenn man zunächst Hanne Wilhelmsen vermissen mag, so erinnert man sich schnell und gerne an „Das einzige Kind“ zurück – den ersten Fall, den Stubø und Inger Johanne einst zusammen gelöst haben. Doch „Was niemals geschah“ ist wahrscheinlich noch spannender und packender als dieser erste Stubø-Fall.

Auf den ersten Blick scheint es ein Mörder auf Prominente abgesehen zu haben, die in ihrem Leben etwas zu verbergen haben. Schnell kommt die Polizei dem dunklen Geheimnis des ersten Opfers auf die Spur und damit einem dringenden Tatverdächtigen. Doch nichts ist so, wie es scheint. Denn hinter der Mordserie steckt noch viel mehr. Und wie findet man eigentlich einen Mörder, der kein Motiv für seine Taten hat? Diese Frage muss sich die Polizei stellen, denn bei der erfolglosen Suche nach Spuren und Motiven tappt sie weiterhin im Dunkeln. Und auch wenn die Opfer genügend Feinde gehabt haben, so können doch alle Verdächtigen ein zumindest oberflächlich betrachtet wasserdichtes Alibi nachweisen.

Anne Holt wühlt im Privatleben ihrer Protagonisten und zerrt Geheimnisse ans Licht, die ihre Charaktere gerne im Dunkeln belassen hätten. So hat auch der Verlobte des zweiten Opfers einiges zu verbergen, was ganz nebenbei offenkundig wird. Es gibt daher neben den Mordopfern noch weitere Opfer zu beklagen, die im Laufe der Ermittlung plötzlich im Rampenlicht stehen und ihre Geheimnisse aufgedeckt finden. Bei Anne Holt haben alle Charaktere Ecken und Kanten, aber insbesondere auch einige Leichen im Keller. Doch wer hat das nicht? Wir lernen hier Personen kennen, die viel erlebt und auch Fehler gemacht haben, die sie nun gerne verheimlichen würden. Aber die Polizei deckt so manches davon auf, weil sie vergeblich hofft, dem Täter auf der Spur zu sein.

Die Charakterzeichnung ist absolut großartig und hält so einige Überraschungen für den Leser bereit, die erstmal verdaut werden wollen. Wir lernen die handelnden Figuren sehr genau kennen und blicken bis in ihr Innerstes. Besonders lobend hervorheben muss man hier die Beziehung zwischen Yngvar Stubø und Inger Johanne Vik, die eigentlich angesichts ihrer quietschfidelen Tochter überglücklich sein müssten, deren Glück aber überschattet wird von der grausamen Mordserie und von Inger Johannes düsteren Erinnerungen, die nun wieder ans Tageslicht kommen.

Stubø kann sich nicht damit abfinden, dass seine Frau nicht über ihre Zeit beim FBI reden möchte, obwohl die beiden doch ihr Leben teilen. Dies sorgt für prickelnde Spannung zwischen den beiden jungen Eltern, obwohl sowohl Stubø als auch Inger Johanne gerade in dieser schwierigen Situation doch alle Unterstützung von ihrem Partner benötigt hätten. Und dies sei vorweg genommen: Dieses Spannungsverhältnis ist noch nicht aus der Welt geschafft und hält genügend Potenzial bereit für weitere Kriminalromane mit diesem Ermittlerduo.

Langsam aber sicher kommt Stubø schließlich mit der Hilfe seiner Frau, aber auch mit der Hilfe des Täters selbst, dem Mörder auf die Spur. Doch was er hier entdeckt, kann er zunächst selbst kaum glauben, da er sich so etwas Perfides auch in seinen dunkelsten Alpträumen nie hätte vorstellen können. Anne Holt durchschreitet hier Abgründe, wie sie düsterer kaum sein könnten. Den Leser wiederum überrascht dies nicht wirklich, da er den Täter von Beginn an kennt und ihn auf seinen Wegen oftmals begleitet hat. Dies mindert allerdings weder Spannung noch Lesegenuss, da man immer gespannt darauf wartet, ob die Mordserie weitergeht oder ob die Polizei dem Täter noch rechtzeitig auf die Spur kommt, um den fünften Mord zu verhindern und dadurch Stubø und seine Familie zu retten.

Schade fand ich, dass Anne Holt einige Fragen offen lässt, die zum Teil wohl nie erklärt werden. Zur Abrundung des Buches hätte die Aufklärung der offenen Fragen sicher gutgetan, doch auch so bleibt ein durchweg positiver Eindruck zurück. „Was niemals geschah“ ist der gut durchkonstruierte zweite Kriminalfall eines sympathischen Ermittlerduos, das nicht nur bei der Arbeit, sondern auch privat einige Schwierigkeiten zu meistern hat.Doch wenn alles ganz einfach wäre, würde es sich ja nicht lohnen, ein Buch darüber zu schreiben. Trotz winziger Abzüge in der „B-Note“ freue ich mich schon jetzt auf den nächsten Fall, den Stubø und Vik zu lösen haben!

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O’Connor, Ed – Mit eiskalter Klinge

Das Cover von Ed O’Connors Thriller „Mit eiskalter Klinge“ sorgt für Gänsehaut. Ein blutbeflecktes Messer zieht sich über die gesamte Seite und scheint eine blutrünstige Story zu versprechen.

Unblutig geht es tatsächlich nicht zu. Detective Alison Dexter hat gerade einen Vergewaltiger hinter Gitter gebracht, als bei einem illegalen Faustkampf einer der Kämpfer getötet wird. Blutspuren und DNA-Material des Mörders gehören zu einem guten Bekannten von Alison. Bartholomäus Garrod wurde vor sieben Jahren von ihr verdächtigt, mehrere Menschen geschlachtet und anschließend verspeist zu haben. Während die Polizisten beim Stürmen des Wohnhauses der Gebrüder Garrod dessen Bruder töteten, konnte Bartholomäus entkommen. Seitdem hält er sich versteckt, doch als Alison Dexter wieder auf den Plan tritt, will er seine Drohung von damals wahrmachen und sich für den Tod seines Bruders rächen. Alison befindet sich in größerer Gefahr, als sie ahnt, denn Garrod war in den letzten sieben Jahren nicht untätig und weiß mehr über sie, als ihr bewusst ist …

Wirklich viel kann man über „Mit eiskalter Klinge“ nicht erzählen, denn der Thriller ist sehr durchschnittlich geraten.

Die Handlung ist solide aufgebaut und erzählt sowohl aus der Perspektive von Alison als auch von Garrod, wobei nicht immer deutlich wird, wer Jäger und wer Gejagter ist. Das ist allerdings kein Nachteil, sondern ein geschickter Schachzug. O’Connor schafft es, kontinuierlich Spannung aufzubauen und immer wieder Wendungen und neue, zwielichtige Personen einzubringen.

Die Spannung, die O’Connor aufbaut, ist allerdings nichts weiter als solides Handwerk; Bewunderungsrufe kann er dem Leser nicht entlocken. Dafür fehlt es zu sehr an unkonventionellen Handlungselementen.

Die Protagonisten sind ebenfalls als solide, aber nicht als herausragend zu bezeichnen. Es ist schön, dass O’Connor darauf verzichtet, Unmassen an privaten Details einfließen zu lassen und sich hauptsächlich auf die Kriminalhandlung konzentriert. Trotzdem wirken die Charaktere tiefgründig und gut ausgearbeitet. Sie transportieren die Handlung anschaulich, mehr allerdings auch nicht. Auch in diesem Fall gilt, dass der Autor auf dem sicheren Weg bleibt und sich dadurch einige Möglichkeiten nimmt.

Der Schreibstil erfüllt alle Anforderungen. Er beschreibt schön und anschaulich und weist ein gehobenes, dennoch verständliches Vokabular auf. Dialoge spielen eine wichtige Rolle im Buch und sorgen dafür, dass es lebendig und authentisch wirkt. Ansonsten geschieht nicht viel. Ein übersichtlicher Einsatz von rhetorischen Mitteln und Humor hieven das Buch in die Mittelklasse, aber kein bisschen darüber hinaus.

Ed O’Connors Thriller „Mit eiskalter Klinge“ ist solide Handarbeit. Spannend, gut erzählt, aber nichts Besonderes. Es gibt wenig, das man bekritteln kann, aber genauso wenig, das man wirklich loben möchte. Letztendlich bleiben knapp 400 Seiten gute Unterhaltung. Nicht mehr und nicht weniger.

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Vlugt, Simone van der – Schattenschwester

Brennpunktschulen scheinen nicht nur in Deutschland ein Problem zu sein. Auch in Holland gibt es sie, und Simone van der Vlugt hat diese Tatsache genutzt, um daraus einen Thriller zu basteln.

Die junge Marjolein, verheiratet und Mutter einer sechsjährigen Tochter, ist Lehrerin am Rotterdams College, das mit sinkenden Schülerzahlen und vielen ausländischen Schülern zu kämpfen hat. Eines Tages wird sie von einem ihrer Schüler mit einem Messer bedroht. Obwohl zutiefst verängstigt, gibt sie keine Anzeige auf, unter anderem auch deshalb, weil der Rektor um den Ruf des College fürchtet.

Wenig später wird ihr Auto demoliert und immer wieder wird Marjolein von dem Schüler, der sie bedroht hat, verfolgt. Doch niemand kümmert sich um die junge Frau, und wenig später ist sie tot.

Doch damit ist das Buch natürlich noch nicht zu Ende. Marjoleins eineiige Zwillingsschwester Marlieke ist fest davon überzeugt, dass der Schüler, der ihre Schwester bedrohte, sie auch auf dem Gewissen hat. Doch während sie sich immer mehr mit dem Fall beschäftigt, stellt sich heraus, dass sowohl in Marjoleins als auch in ihrem Leben nicht alles so ist, wie es scheint. Und dass sie den Täter vielleicht ganz woanders suchen muss …

Die Besonderheit von „Schattenschwester“ sind die beiden Perspektiven von Marjolein und Marlieke. Beide im Präsens geschrieben, finden sie zu zwei verschiedenen Zeiten statt. Während Marjolein von den Tagen bis zu ihrem Tod berichtet und davon, wie sie sich währenddessen immer wieder verfolgt fühlt, setzt Marlieke beim Mord an ihrer Schwester an. Sie erzählt, wie es danach mit ihr und Marjoleins Familie weitergeht und wie sie dem Täter auf die Spur kommt.

Diese Kombination ist insofern spannend, dass die Täterentlarvung auf zwei Ebenen passiert. Marjolein steht ihm am Ende ihres Lebens gegenüber und ein Kapitel später findet Marlieke heraus, wer ihre Schwester auf dem Gewissen hat. Das ansonsten in Krimis und Thrillern so oft vorkommende einleitende Kapitel, in dem der Mord geschieht, fällt weg, wodurch ein gewisses Maß an Spannung erhalten bleibt.

Wirklich spannend ist das Buch allerdings nicht, jedenfalls nicht im Sinne von mitreißender Thrillerspannung. Das Buch von van der Vlugt kann sich einer gewissen Frauenbuchlastigkeit nicht erwehren. Die Schwestern erzählen aus der Ich-Perspektive und so viel aus ihrem Alltag, dass man sich oft fragt, worauf die Autorin eigentlich hinauswill. Möchte sie das Leben der beiden Zwillingsschwestern sezieren oder möchte sie dem Leser hochwertige Thrillerkost servieren? Falls sie Letzteres vorgehabt hatte, gelingt ihr Ersteres wesentlich besser. Das Spannungspotenzial wird dementsprechend nicht vollständig ausgeschöpft.

Das Alltagsgeschehen der beiden Schwestern wird dafür sehr authentisch dargestellt. Hierfür muss man die Autorin loben, genau wie für ihre reifen Charaktere. Auch wenn man ab und an das Gefühl hat, dass die Protagonistinnen ein bisschen zu gut dargestellt werden, weisen sie eine seltene Tiefgründigkeit auf. Man erfährt viel über ihr Privatleben, ihre Vergangenheit sowie Gedanken und Gefühle, da sie aus der Ich-Perspektive erzählen. Ab und an schweift van der Vlugt dabei ein wenig ab, aber letztendlich hilft das nur, die beiden Schwestern noch plastischer darzustellen. Das ist auch notwendig. Schließlich tragen die beiden Frauen die Geschichte. Sie sind sogar wichtiger als die eigentliche Handlung, die, wie bereits erwähnt, nicht so viel hergibt.

Einher mit der guten Darstellung geht der Schreibstil, der ungekünstelt und einfach ist, dabei aber alles auf den Punkt bringt. Da in der Ich-Perspektive, also mehr oder weniger aus dem Kopf der Erzählerinnen, geschrieben wird, ist es wichtig, dass ihre Worte so klingen, als ob sie auch aus dem Mund des Lesers kommen könnten. Das gelingt van der Vlugt sehr gut. Sie schafft eine angenehme Leseatmosphäre, auch wenn das Präsens anfangs gewöhnungsbedürftig ist. Hat man sich aber erst mal mit dem seltenen Tempus zurechtgefunden, fühlt man sich tatsächlich so, als ob man am Leben der beiden Schwestern teilhaben würde.

„Schattenschwester“ ist eine zwiespältige Angelegenheit. Obwohl es eine Kriminalhandlung beherbergt, ist es auf weiten Strecken doch eher ein Buch für das weibliche Geschlecht. Die genaue Darstellung der Leben der beiden Frauen führt dazu, dass dies so ist. Allerdings wird der Alltag der beiden sehr authentisch dargestellt und der Schreibstil ist sehr warm und zieht in den Bann. Wer also ein Freund der milden Unterhaltung mit vielen Belletristikelementen ist, kann bei „Schattenschwester“ von Simone van der Vlugt beruhigt zugreifen.

http://www.diana-verlag.de

|Siehe ergänzend dazu: [„Klassentreffen“ 3850 (2006/2007)|

Fischer, Claus Cornelius – Und vergib uns unsere Schuld

Eigentlich ist der Königinnentag in Holland ein Feiertag, doch während ganz Amsterdam feiert, irrt ein vierzehnjähriger Junge im Dunkeln durch einen Park und hat Angst. Er weiß, dass er etwas gesehen hat, das er nicht hätte sehen dürfen, und nun ahnt er, dass ihn etwas Gefährliches verfolgt. Und richtig, es dauert nicht lange, bis er Schritte hinter sich hört und weiß, dass es nun zu Ende ist für ihn. Einen Tag später wird der Junge ermordet aufgefunden. Aber es ist nicht nur irgendein Mord, den Commissaris Bruno van Leeuwen aufzuklären hat, dieser Mord setzt neue Maßstäbe: Dem Jungen ist nämlich der Kiefer aufgestemmt und das Gehirn entfernt worden. Bruno van Leeuwen ist eigentlich nicht schnell zu erschrecken, hat er doch schon viel erlebt in seiner Laufbahn als Kommissar, doch diese brutale Tat lässt ihm das Blut in den Adern gefrieren.

Langsam tastet er sich näher, er verhört Zeugen und befragt die Freunde des ermordeten Jungen, die am Tatabend eigentlich verabredet waren, doch haben die Freunde vergeblich warten müssen. Viele Hinweise sind es allerdings nicht, die van Leeuwen zur Verfügung stehen, doch das Schicksal ist auf seiner Seite: Während er eines Abends durch die Straßen Amsterdams irrt, entdeckt er ein junges Mädchen, das auf der Suche ist nach einem Mann, mit dem sie die Nacht oder auch nur eine Stunde verbringen kann. Van Leeuwen quartiert es einfach in einem Hotel ein, kann aber noch nicht ahnen, dass genau dieses Mädchen einen wichtigen Hinweis für ihn parat hat.

Aber der Mordfall ist nicht die einzige Sorge, die Bruno van Leeuwen plagt, denn seine geliebte Frau Simone ist schwer krank, sie hat keine Erinnerungen mehr und ist den ganzen Tag auf Pflege angewiesen. Doch mitten in den Ermittlungen weigert sich die Pflegerin, weiterhin den ganzen Tag bis spätabends bei Simone zu bleiben, weil Bruno nie pünktlich nach Hause kommt, um sich selbst um seine Frau zu kümmern. Er ist verzweifelt, zumal es nicht lange dauert, bis er vor die Wahl gestellt wird: entweder seine Frau oder sein Job. Da er Simone immer noch über alles liebt, fällt ihm die Wahl nicht schwer – bis ein weiterer, noch grausamerer Mord geschieht und van Leeuwen Dinge aus Simones Vergangenheit herausfindet, von denen er lieber nichts gewusst hätte …

Claus Cornelis Fischer begnügt sich nicht einfach damit, einen spannenden Kriminalfall zu schreiben, nein, er gibt seinem Kommissar so viel Profil, dass er schon als tragischere Figur erscheint, als es ein Kurt Wallander jemals gewesen ist. Nach und nach kommt Bruno van Leeuwen den Geheimnissen des Mörders, aber auch den Geheimnissen seiner Ehefrau auf die Spur, und man weiß als Leser eigentlich nicht, was schlimmer ist: eine Frau, die viel zu verbergen hat, aber sich an ihre Geheimnisse nicht mehr erinnern kann und deswegen keine Aussprache mehr möglich ist oder ein brutaler Mörder, der seinen Opfern das Hirn entwendet. Dieses Buch ist folglich nichts für Warmduscher; man sollte sich schon warm anziehen, wenn man den ersten Fall dieses holländischen Kriminalkommissars zu lesen beginnt.

Was den vorliegenden Roman auszeichnet, ist die ausschmückende Sprache des Autors. Etwa die Hälfte des Umfangs verwendet er darauf, seine Charaktere von allen Seiten zu beleuchten, wir blicken mit Bruno van Leeuwen in die Vergangenheit, wir begeben uns an den Tag zurück, an dem er die schlimme Diagnose erfahren hat, wir durchleben die schwere Zeit mit, in der es Simone immer schlechter ging und sie es aber noch selbst bemerkt hat. Wir folgen auch jedem Gedanken des geplagten Ehegatten, der sich in seiner Fantasie oftmals ausmalt, wie es hätte kommen können, wenn Simone nicht krank geworden oder er selbst nicht so blind gewesen wäre. Manchmal gehen diese Tagträume allerdings so fließend in die Erzählung über und umgekehrt, dass man beim Lesen den Faden zu verlieren droht und den Gedanken nicht mehr so recht folgen kann. Claus Cornelius Fischer setzt seinen Schwerpunkt meiner Meinung nach etwas zu sehr auf die Figurenzeichnung und auf das tragische Familienleben des Kriminalkommissars. Klar, ich mag es auch, wenn die Charaktere an Profil gewinnen, wenn ein Autor erzählen und vor allem schön umschreiben kann, aber manchmal gerät der eigentliche Mordfall so sehr ins Hintertreffen, dass die Spannung arg absinkt und man ungeduldig die Seiten umblättert und auf den Moment wartet, wo es endlich wieder um die Ermittlungen geht.

Ein weiterer Minuspunkt ist die Konstruktion der gesamten Geschichte. Was sich Claus Cornelius Fischer da ausgedacht hat, ist zwar eine hochbrisante Tat mit spannendem Hintergrund, aber wie Bruno van Leeuwen dem Mörder schließlich auf die Spur kommt, ist mir persönlich mit zu vielen Zufällen verbunden. Immer wieder trifft er genau im richtigen Moment die richtige Person, die ihm netterweise den passenden Hinweis geben kann. Hier geraten van Leeuwens private Geschichte und seine beruflichen Ermittlungen zu sehr aneinander – was im Privatleben passiert, ist plötzlich das wichtige Aha-Erlebnis bei den Ermittlungen. Diese Schnittpunkte der beiden Handlungsstränge fügen sich allerdings nicht stimmig in die Geschichte ein, sondern sie werden so plump präsentiert, dass man den Eindruck gewinnt, dass der Autor sonst den Dreh nicht bekommen hätte.

Eigentlich schade, dass Claus Cornelius Fischer sich etwas in seiner Geschichte verfranst, denn sowohl sein Kommissar hat Potenzial als auch der Autor selbst, denn wenn man Fischer etwas zugute halten muss, dann, dass er sehr gut erzählen, Dinge beschreiben und Situationen so vortrefflich darstellen kann, dass man in der Geschichte versinkt. Nur leider versinkt man manchmal eben so sehr, dass man vergisst, hier einen Kriminalroman in den Händen zu halten. Was man Fischer für seinen hoffentlich nächsten Roman nur wünschen kann, ist, dass er die richtige Balance aus interessanter Rahmenhandlung und einem gelungenen Spannungsaufbau während der polizeilichen Ermittlungen findet; dann könnte der nächste Fall von Bruno van Leeuwen ein echter Leckerbissen und Lesegenuss für jeden Krimifan werden. Der erste Fall allerdings lässt leider noch ein paar Wünsche offen.

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Franz, Andreas – Unsichtbare Spuren

Norddeutschland, 1999: Nach einer verregneten Nacht wird die brutal zugerichtete Leiche der siebzehnjährigen Sabine gefunden, die per Anhalter zu einer Chatfreundin reisen wollte. Aufgrund von Spermaspuren stößt die Polizei sehr schnell auf den vorbestraften Georg Nissen. Nissen gesteht zwar, Sabine mitgenommen und einvernehmlichen Sex mit ihr gehabt zu haben, er beteuert jedoch, mit ihrem Tod nichts zu tun zu haben. Doch für Kommissar Sören Henning ist der Fall klar. Kurz nach der Verurteilung nimmt sich der vermeintliche Täter das Leben – zu spät erkennt Henning, dass er tatsächlich unschuldig war.

Fünf Jahre später: Kommissar Henning hat seinen fatalen Irrtum bis heute nicht verkraftet. Seine Ehe ist zerbrochen, seine Frau versucht den Kontakt zu den Kindern zu unterbinden, er selber hat sich auf Büroarbeit verlegt. Doch dann wird die Leiche einer jungen Frau gefunden, am gleichen Ort wie damals Sabine. Fast alles deutet darauf hin, dass der Täter wieder zugeschlagen hat. Henning recherchiert und erkennt, dass Dutzende Morde ähnlicher Art seit rund fünfzehn Jahren in ganz Deutschland verübt wurden. Trotz der Skepsis seiner Kollegen glaubt er an einen Serientäter, der schon zahlreiche Opfer auf dem Gewissen hat.

Ermuntert von seiner jungen, temperamentvollen Kollegin Lisa Santos, steigt Sören Henning wieder in die Ermittlungen ein. Er glaubt, dass der Mörder ein überdurchschnittlich intelligenter Mann ist, der mit seinen Verfolgern spielen will. Bald folgt die Bestätigung in Form eines Briefes an Henning. Der Mörder schickt Fotos seiner toten Opfer und fordert den Ermittler zur Suche heraus. Die Zeitspanne zwischen seinen Taten wird immer kürzer und Kommissar Henning befindet sich mitten in einem grausame Katz-und-Maus-Spiel …

Mit den Krimis um Julia Durant und Peter Brandt existieren bereits zwei Ermittlerreihen von Andreas Franz, doch mit Hauptkommissar Sören Henning gibt ein sehr menschlicher und sympathischer Ermittler sein Debüt, von dem man hoffentlich noch viele weitere Fälle lesen wird.

|Interessante Charaktere|

Hauptkommissar Henning ist Anfang vierzig und ein seelisch gebeutelter Mann. Nach dem fatalen Irrtum, der zum Tod des unschuldig verurteilten Georg Nissen führte, ging sein Leben stetig bergab. Um zu vermeiden, dass ihm jemals etwas Ähnliches nochmal passiert, hat er sich aufs Aktenbearbeiten verlegt, anstatt vor Ort zu ermitteln. Seine Ehe ist unter dieser Belastung zerbrochen, seine Frau verlangt horrenden Unterhalt, während sie sich weigert, arbeiten zu gehen. Seine Töchter vermissen ihn zwar, doch ihre Mutter unterbindet den Kontakt, wo immer es möglich ist. Eine der wenigen Stützen in seinem Leben ist seine langjährige Kollegin Lisa Santos. Die temperamentvolle Halb-Spanierin arbeitet zwar seit rund zehn Jahren mit ihm zusammen, doch erst jetzt lernt er ihre privaten Seiten kennen, die sie im Job erfolgreich verbirgt. Das schlimme Schicksal von Lisas Schwester hilft Henning aufzuwachen und die Resignation von sich abzuwerfen. Gemeinsam mit Santos macht er sich auf die Jagd nach dem brutalen Mörder, dem endlich das Handwerk gelegt werden muss.

Ebenso gut wie den Hauptkommissar lernt der Leser den mysteriösen Butcher kennen. Ein Mann mit biederer Fassade, verheiratet und Vater zweier Töchter, doch dahinter lauert ein Mörder, der Dutzende Opfer auf dem Gewissen hat. Zwar kommt natürlich weder Verständnis noch Mitleid für Butcher auf, aber man gewinnt zumindest Einblick in seine kaputte Psyche. Von klein auf wird er von seiner herrischen Mutter gedemütigt, zum Lernen getrimmt und von der Außenwelt ferngehalten. Freunde werden vergrault, körperliche Nähe gibt es nicht, jeder Fehler wird grausam bestraft. Die Ehe mit seiner Frau scheint ein Rettungsanker zu sein, doch stattdessen wird alles noch schlimmer. Seine Frau gleicht seiner Mutter charakterlich aufs Haar, die beiden Frauen verbünden sich, seine Mutter wohnt mit ihnen unter einem Dach.

So unbarmherzig Butcher mit seinen Opfern umgeht, so sehr schreckt er davor zurück, sich von Frau oder Mutter zu befreien. Die Demütigungen im eigenen Haus werden durch Sadismus sublimiert. Aber der Drang zu töten wird immer stärker, seine unterdrückte Wut lässt sich kaum noch kontrollieren. Für eine überraschende Seite in seinem Wesen sorgt das Zusammentreffen mit Carina, einer alleinerziehenden Mutter, die alles verkörpert, was sich Butcher insgeheim immer von einer Frau gewünscht hat: liebevolle Ausstrahlung, Rücksichtnahme, Güte und Herzlichkeit. Während die ahnungslose junge Frau sich eine Beziehung mit dem scheinbar so verständnisvollen Mann erhofft, reagiert Butcher verzweifelt. Für einen Neuanfang mit Carina ist es zu spät, es ist bereits schwer genug, sein Doppelleben als Mörder und Familienvater zu verbergen. Er ahnt, wie anders sein Leben hätte verlaufen können, wenn Carina ihm früher begegnet wäre, aber gleichzeitig weiß er, dass nichts davon jemals wahr werden kann.

|Fesselnd bis zum Schluss|

Ein weiterer Pluspunkt ist die Spannung, die den Leser von Anfang bis Ende durchgängig in den Bann zieht. Das ist vor allem bemerkenswert, wenn man bedenkt, dass es hier nicht um einen Whodunit-Krimi handelt, sondern dass dem Leser die Identität des Täters früh bekannt ist. Abwechselnd wird aus dem Leben des Ermittlers und aus dem des Mörders erzählt, sodass man beide Figuren gleichermaßen kennen lernt. Lange bevor der erste Kontakt zwischen Täter und Verfolger zustande kommt, ist der Leser umfassend informiert über die Hintergründe der grausamen Taten und besitzt einen großen Wissensvorsprung gegenüber Hauptkommissar Henning. Trotzdem bleiben genug Fragen, die den Leser bis zum Schluss fesseln.

Zwar rechnet man nicht damit, dass Henning bei seinem Katz-und-Maus-Spiel das Leben verliert, doch seine Kollegen, insbesondere die ihm nahestehende Lisa Santos, sowie Hennings Familie können durchaus ins Blickfeld des Täters geraten. Sehr lange unklar bleibt auch, ob sich „Butcher“, so der Spitzname des Mörders, stellen wird, ob er sich womöglich umbringt oder ob die Polizei ihn fasst. Was geschieht mit seinen Angehörigen, seiner verhassten Mutter und der nicht weniger verhassten Frau? Wie viele Opfer müssen ihr Leben lassen, bis es zu einem Ende kommt? Welches Schicksal wartet auf Carina und ihre Tochter, die nichts vom wahren Wesen des netten Mannes ahnen, der in ihr Leben getreten ist? Bei Andreas Franz muss man damit rechnen, dass sich nicht alles in glückliches Wohlgefallen auflöst, sondern dass auch zum Schluss noch deprimierende Elemente übrig bleiben.

|Geringe Schwächen|

Es gibt nicht viele Punkte, die man dem Roman ankreiden kann. Die Entwicklung des Serienmörders erscheint ein wenig klischeehaft. Die dominante Mutter, die empfundene Hass-Liebe und das zerrüttete Verhältnis zu Frauen sind bekannte Begründungen aus Psychothrillern, spätestens seit dem populären „Psycho“ fast schon Standard in der Thriller- und Kriminalliteratur. Zudem fällt das Ende etwas zu knapp aus. Zwar werden die wichtigsten Fragen geklärt, aber gerade was Nebenfiguren angeht, etwa Butchers Familie sowie seine neue Freundin Carina, verrät der Roman nur sehr wenig über deren Schicksal, zu wenig angesichts der Neugierde, die zuvor geweckt wurde. Unter Umständen enttäuscht auch, dass Hauptkommissar Henning nicht viel Ermittlungsarbeit leisten muss, um an den Täter zu gelangen. Butcher hat Recht, wenn er behauptet, dass er der Polizei sehr entgegengekommen ist, indem er selber den Kontakt suchte und die Leichen teilweise extra so arrangierte, dass die Zusammenhänge zwischen den Morden offensichtlich wurden. So geschickt der Mörder bei allem vorgeht, etwas zu glatt laufen seine Taten dennoch ab. Es wäre wünschenswert gewesen, ihn nicht ganz so souverän zu gestalten, sondern auch hin und wieder in brenzliche Situationen zu bringen. Allerdings trüben diese Kritikpunkte den positiven Gesamteindruck nur wenig.

_Als Fazit_ bleibt ein durchgängig spannender Krimi über einen Serienmörder und einen Hauptkommissar, von dem man hoffentlich noch einige weitere Fälle lesen wird. Dem Autor ist eine überzeugende Ermittlerfigur gelungen, die man gerne begleitet. Von kleinen Schwächen abgesehen, liegt hier ein sehr unterhaltsamer Roman vor, der allen Krimilesern ans Herz zu legen ist.

_Der Autor_ Andreas Franz wurde 1956 in Quedlinburg geboren. Bevor er sich dem Schreiben widmete, arbeitete er unter anderem als Übersetzer, Schlagzeuger, LKW-Fahrer und kaufmännischer Angestellter. 1996 erschien sein erster Roman. Franz lebt mit seiner Familie in der Nähe von Frankfurt, wo die meisten seiner Krimis spielen. Weitere Werke von ihm sind u. a.: „Jung, blond, tot“, „Das achte Opfer“, „Der Finger Gottes“, „Letale Dosis“, „Das Verlies“ und [„Teuflische Versprechen“. 1652

Mehr über ihn auf seiner Homepage: http://www.andreas-franz.org.

http://www.droemer-knaur.de

Hunter, Stephen – Im Fadenkreuz der Angst

Bob Lee Swagger ist einer aus dem Millionenheer blutjunger Amerikaner, die einst für die USA und scheinbar für eine „gerechte“ Sache in den Vietnamkrieg gezogen sind. In Asien hat er dem Marinekorps alle Ehre gemacht, doch Anerkennung und Ehre durfte er dafür nicht erwarten: Swagger ist der geborene Scharfschütze. Als „Bob der Knipser“ konnte er 87 bestätigte „Abschüsse“ verzeichnen, bis die Kugel eines noch geschickteren Vietkong-Heckenschützen seiner Laufbahn jäh ein Ende setzte.

Im Zivilleben stürzte Swagger tief und kehrte nie wirklich aus dem Krieg zurück. Töten will er zwar nicht mehr, aber Waffen sind immer noch sein Leben, und seine Treffsicherheit hat eher noch zugenommen. In seinem Heimatort Blue Eye im ländlichen West-Arkansas führt er am Rande der Gesellschaft ein zurückgezogenes Leben und wird von den Bürgern in Ruhe gelassen.

Swagger ist der einsame amerikanische Waffennarr par excellence. Das macht ihn zum wertvollen Instrument und Sündenbock für die düsteren Pläne des skrupellosen Colonel Raymond Shreck. Der hoch dekorierte, doch sang- und klanglos in den Ruhestand geschickte Soldat ist inzwischen ein verbitterter, aber einflussreicher und auch geschäftlich erfolgreicher Mann mit einer eigenen Firma, die vorgeblich Sicherheitsdienste aller Art anbietet. „RamDyne Security“ ist aber auch das ideale Aushängeschild für Shrecks wahre Aktivitäten, Sammelbecken für eine handverlesene Schar rücksichtsloser, zu allem entschlossener Söldner – und Anlaufpunkt für jedes korrupte und machtgierige Regime dieser Welt, das sich seiner Gegner gewaltsam entledigen will.

Der von Shreck umworbene Swagger kann der Verlockung, wenigstens als angeblicher „Berater“ endlich wieder einmal sein immenses Fachwissen unter Beweis stellen zu können, nicht widerstehen. Als Shrecks Falle zuschnappt, muss Swagger mit zwei Kugeln im Leib und dem gesamten Polizei- und Geheimdienstapparat hart auf den Fersen erkennen, dass er Opfer eines internationalen Komplotts geworden ist. Aber auch Shreck muss sich nun sorgen, denn er weiß sehr wohl: Sein Opfer wird ihm den Verrat niemals verzeihen, sondern sich rächen. Deshalb schickt er ihm ein Killerheer hinterher. Allein gegen scheinbar übermächtige Verfolger zu stehen, ist freilich nicht neu für Bob Lee Swagger. Wenn er ehrlich sein soll, fühlt er sich sogar wie neugeboren, als er beginnt, RamDynes Schergen aus dem Hinterhalt – wie in alten Zeiten – aufzurollen …

„Im Fadenkreuz der Angst“ ist ein bemerkenswerter Thriller. Kompromisslos ignoriert Autor Stephen Hunter beinahe jede Regel, die sein Werk für ein möglichst breites Massenpublikum kompatibel machen könnte. „Amoralisch“ ist wohl der Terminus, mit dem sich die Welt beschreiben ließe, in der sich seine Protagonisten bewegen. Das gilt für die „Bösen“ genauso wie für die „Guten“. Bob Lee Swagger, der „Held“, ist wahrlich kein angenehmer Charakter. Hat der Wolf anfangs noch Kreide gefressen, kehrt er schon sehr bald zu dem zurück, was er am besten kann: Töten auf große Entfernung.

Über die Existenz von Scharfschützen in allen Kriegen seit der Erfindung von Waffen, mit deren Hilfe sich Projektile – Speer- und Pfeilspitzen, später Metallkugeln – über weite Strecken verschießen lassen, scheinen nicht einmal jene gern nachzudenken, die dem Militärischen gegenüber üblicherweise aufgeschlossen sind. Der Gedanke ist – wie alle genialen Einfälle – bestechend simpel: Schalte so viele deiner Gegner aus, wie es dir möglich ist, ohne dich selbst dabei in Gefahr zu bringen, und richte dein Augenmerk dabei auf jene, die jenseits der eigenen Linien die Entscheidungen treffen. Doch es ist in der Tat schwer, etwas Heldenhaftes darin zu finden, ahnungslose Menschen aus dem Hinterhalt niederzuknallen.

Aber Stephen Hunter wählt sich als zentrale Figur einen Mann, der genau dies getan hat. Er geht sogar noch weiter: Bob Lee Swagger haben seine Erlebnisse in Vietnam nur marginal geläutert. Tatsächlich ist er als Zivilist mehr denn je eine menschliche Zeitbombe, der in seiner Hütte, die einer vom Feind dauerbelagerten Festung gleicht, mehr Waffen und Munition lagert als eine mittelgroße Guerillatruppe.

Überhaupt: Waffen! Es gibt „Im Fadenkreuz der Angst“ eine Erzählebene, die man als Hymne auf die Kunst verstehen kann, mit Faust- und Langfeuerwaffen Unglaubliches anzustellen. Das muss auf den europäischen Leser noch wesentlich provokanter wirken als auf das amerikanische Publikum, das ja in seiner Mehrheit das Recht des Bürgers auf seinen eigenen Schießprügel (oder deren zwei oder drei …) gegen alle Widerstände anders denkender Zeitgenossen erbittert verteidigt. Hunter schwelgt in technischen Daten und betont sachlich gehaltenen Darstellungen dessen, was Bob Lee Swagger mit einer Waffe in der Hand zu leisten vermag: das Gewehr als Stradivari des Scharfschützen.

„Im Fadenkreuz der Angst“ ist (abgesehen von der unglaublich rasanten und hochspannenden Handlung) auch deshalb als Thriller so überragend, weil Hunter auf jegliche Anbiederung oder moralisierende Bücklinge verzichtet: In diesem Buch spielen neben den menschlichen Figuren Waffen eine entscheidende Rolle; es ist daher erforderlich, mit besonderer Aufmerksamkeit zu verfolgen, wie sich dies auf den Gang der Geschehnisse auswirkt – und Punkt. Die Schlüsse aus dem, was Hunter dem Leser präsentiert, muss dieser schon selbst ziehen. Der Autor ist viel zu klug, sein Publikum mit vorgestanzten Friede=Freude=Eierkuchen-Klischees einzulullen. Wer die Waffe zieht, kann durch die Waffe umkommen: Wie viel Wahrheit in diesem Kalenderspruch liegt, setzt Hunter viel lieber – und wirksamer – in explosive Bilder um.

Das heißt aber nicht, dass er das Innenleben seiner Protagonisten darüber vernachlässigt. Vorab sei daran erinnert, dass „Im Fadenkreuz der Angst“ ein Thriller ist, der primär der Unterhaltung dient. Im Rahmen seines Talents und der gewählten Form hat Hunter auch hier vorzügliche Arbeit geleistet. Nach 500 Seiten liebt man Bob Lee Swagger genauso wenig wie zu Beginn, aber man versteht ihn nun besser, ohne dass Hunter die „Rambo“-Klischees vom armen, an Leib und Seele verwundeten, für seinen aufopfernden Dienst schnöde vom eigenen Land verratenen Vietnam-Veteranen allzu aufdringlich bedient.

Dasselbe gilt für die übrigen Figuren; Polizisten, Geheimdienstleute und Shrecks Meuchelmörder eingeschlossen. Selbst primitive Schlagetots wie Jack Payne, Shrecks roboterhafte rechte Hand, haben bei Hunter ein Profil: So unerfreulich dies den Gandhis dieser Welt in den Ohren klingen mag – es gibt Menschen, die mit der Gewalt und von der Gewalt leben und sich eines gesunden Nachtschlafes und eines erfüllten Daseins erfreuen. Das ist nicht erfreulich, aber Realität. Man erfährt in den Nachrichten darüber und hat sich gefälligst damit auseinanderzusetzen. Stephen Hunter spielt virtuos mit der unterbewussten Angst, die den „normalen“ Zeitgenossen ob dieser Tatsache bewegt.

Das Bild auf der Website http://www.stephenhunter.net zeigt einen beleibten, kahlköpfigen Herrn mit verschmitztem Gesichtsausdruck, der fabelhaft den Bruder Tuck der Robin-Hood-Legende geben könnte. Dahinter verbirgt sich ein (1946 geborener) Journalist und – ausgerechnet! – Comedy-Schreiber, der außerdem als Filmkritiker der |Baltimore Sun| (1971-1996) einen geradezu legendären Ruf besitzt. Baltimore ist auch Hunters Heimatstadt, wo er mit seiner Lebensgefährtin und zwei Söhnen lebt.

Hunters soldatische Laufbahn beschränkt sich (soweit ich dies in Erfahrung bringen konnte) auf einen zweijährigen Einsatz in einem Ehrenwacht-Regiment, das in der US-Hauptstadt Washington (ähnlich wie die Bärenfellmützen-Witzgestalten der englischen Queen) zeremoniell für die zivile Öffentlichkeit paradiert … In die zwielichtige Welt der amerikanischen Waffennarren ist Hunter hauptsächlich durch Recherche eingetaucht, wie es sich für einen guten Journalisten ziemt, auch wenn er selbst als eifriger, aber nicht fanatischer Schütze und Jäger bekannt ist.

Schriftstellerisch wurde Hunter schon 1980 tätig. Er begann mit einem wüsten Garn um einen Nazi-Heckenschützen (!) im Jahre 1945 („The Master Sniper“), dem er bis heute weitere Thriller folgen ließ, die allesamt nichts für den schöngeistigen Leser sind, aber stets zu unterhalten wissen. Anfang der 90er Jahre begann Hunter mit einer Serie von Romanen, die sich grob um die Familiengeschichte des Swagger-Clans ranken und neben Bob Lee auch seinen Vater und Großvater auftreten lassen.

In Deutschland ist außer „Im Fadenkreuz der Angst“ (noch?) kein weiterer Band der Swagger-Reihe erschienen. Überhaupt sieht es hierzulande für Stephen Hunter düster aus: Außer „Target“, dem Roman zum gleichnamigen (schrecklichen) Film mit Gene Hackman, erschienen nur „Titan“ und „Die Gejagten“ („Dirty White Boys“, 1994), ein wiederum unerhört spannender Thriller um einen spektakulären Gefängnisausbruch mit anschließender Flucht, der immerhin mit einem „Gastauftritt“ Earl Swaggers – Bobs Vater – aufwarten kann.

Nicht einmal zum Start des ungemein erfolgreichen Films „Shooter“, der nach „Point of Impact“, dem ersten Swagger-Roman, mit Mark Wahlberg in der Hauptrolle unter der Regie von Antoine Fuqua gedreht wurde und 2007 in die Kinos kam, wurde die deutsche Übersetzung neu aufgelegt.

James, Peter – Stirb schön

Tom Bryce, Inhaber einer Marketingfirma, die gerade in finanziellen Schwierigkeiten steckt, nimmt im Zug eine CD-ROM mit, die ein Fahrgast vergessen hat. Als er zuhause aus Neugierde den Inhalt ansieht, stockt ihm der Atem: In einem kurzen Video wird gezeigt, wie eine junge, blonde Frau grausam erstochen wird. Zunächst hält er den Film für einen perversen Erotikstreifen. Doch am nächsten Tag ist seine Festplatte gelöscht. Sein Kollege vermutet einen Virus auf der mysteriösen CD-ROM und will sie untersuchen. Kurz darauf wird in dessen Haus eingebrochen und die CD-ROM gestohlen. Tom erhält erhält eine E-Mail, in der er davor gewarnt wird, die Polizei aufzusuchen, anderenfalls wird seine Familie ermordet werden.

Wenig später taucht die kopflose Frauenleiche des Opfers auf. Durch DNA-Tests wird sie als Janie Stretton identifiziert, eine junge Jura-Studentin aus reichem Haus, die ein heimliches Doppelleben als Prostituierte für einen Begleitservice führte. Detective Superintendent Roy Grace führt die Ermittlungen. Sein Ruf hat in der letzten Zeit gelitten, sein Privatleben ist seit dem spurlosen Verschwinden seiner Ehefrau Sandy vor acht Jahren nicht mehr stabil. Grace braucht dringend einen Erfolg, doch die Ermittlungen laufen schleppend.

Tom Bryce entscheiden sich nach Rücksprache mit seiner Frau, die Polizei einzuschalten. Doch trotz aller Diskretion sickert diese Information zu den Tätern durch und Tom und seine Familie schweben in höchster Gefahr. Für Roy Grace und sein Team beginnt ein Wettlauf mit der Zeit, um die Mörder hinter dem grauenvollen Video zu finden …

Nach [„Stirb ewig“ 3268 darf sich der Ermittler Roy Grace nun ein zweites Mal einem Leserpublikum stellen und einen kaum weniger spektakulären Fall klären. Drehte es sich im Vorgänger um einen lebend Begrabenen, steht hier ein Snuff-Film im Mittelpunkt. Erfreulicherweise steht steht dieser Thriller „Stirb ewig“ nicht nur in nichts nach, sondern setzt für Neueinsteiger auch keine Vorkenntnis voraus.

|Spannung auf zwei Ebenen|

Sowohl Tom Bryce als auch Roy Grace können als Hauptfigur des Romans betrachtet werden. Tom gerät zufällig an die brisante CD-ROM, die ihn zum unfreiwilligen Zeugen eines Mordes macht, sodass er von nun an rund um die Uhr überwacht und schließlich gejagt wird. Sein Zwiespalt ist für den Leser gut nachvollziehbar: Einerseits drängt ihn sein Gerechtigkeitssinn dazu, der Polizei bei den Ermittlungen zu helfen. Als Vater zweier Kinder ahnt er, wie sehr der Vater des ermordeten Mädchens darauf hofft, dass die Mörder gefasst werden. Auf der anderen Seite will er um nichts in der Welt riskieren, dass seine eigene Familie in Gefahr gerät. Wie immer er sich entscheidet, die Konsequenzen werden nachhaltig sein, sodass man unweigerlich mit ihm fühlt. Auch davon abgesehen ist Tom ein Charakter, der sich in nichts vom Durchschnittsmenschen unterscheidet. Seine Firma läuft nicht gut, seine Frau Kellie gibt zu viel Geld bei eBay aus und greift heimlich zum Alkohol.

Ein problematisches Leben führt auch Roy Grace, der auch nach acht Jahren noch nicht mit dem Verschwinden seiner Frau Sandy abgeschlossen hat. Er lässt sich auf eine Verabredung mit der attraktiven Pathologin Cleo ein, die er schon lange bewundert, doch hier läuft nicht alles ohne Hindernisse ab. Trotz allem gibt er sein Bestes, um den Fall um die ermordete Studentin zu klären. Ihn berührt ihr Schicksal, er leidet mit ihrem alten Vater und gleichzeitig fühlt er sich dabei immer an seine eigene Frau erinnert, von der er nicht weiß, ob sie vielleicht etwas Ähnliches erlebt hat. Roy Grace ist ein sehr menschlicher Ermittler, der Schwächen besitzt, Fehler begeht, sich von seiner Vorgesetzten Ermahnungen einfängt und mehr als einmal an sich selber zweifelt, weit entfernt von einem perfekten Helden. Besonders liebenswert erscheint er an einer Stelle, an der er die Hündin der Familie Bryce streichelt und sich anschließend ihr gegenüber ebenso verpflichtet fühlt wie ihren Besitzern.

Eine Reihe von Nebenfiguren bevölkert die Handlung, so etwa Tom Ehefrau Kellie, die er für kaufsüchtig hält, die insgeheim aber ein viel größes Problem hat. Ihre eBay-Ersteigerungen sind nur Tarnung, um ihre hohen Alkohol-Ausgaben zu verschleiern. Im Umfeld von Roy Grace begegnet man einigen Personen, die schon im Vorgänger „Stirb ewig“ auftauchen, etwa der hübschen und schlagfertigen Pathologin Cleo, mit der sich Grace endlich auf ein Rendevouz einlässt, seinem Partner Glenn Branson, einem humorvollen Schwarzen, der bei jeder Gelegenheit Filmzitate einfließen lässt, der jungen und ehrgeizigen Kollegin Emma-Jane, die sich hier ein zweites Mal beweisen kann. Für Farbe im Team sorgt außerdem Norman Potting, ein Polizist der alten Schule kurz vor der Pensionierung. Seine politisch unkorrekten, oft auch derben Äußerungen sind berüchtigt, und niemand freut sich auf die Zusammenarbeit. Tatsächlich aber erweist sich Potting durchaus als brauchbarer Mitarbeiter.

|Sehr dezente Mystery|

Eine wichtige Eigenschaft von Roy Grace ist sein Hoffen auf Hellseherei als Unterstützung. Da er auf der Suche nach seiner Frau nach jedem Grashalm greift, konsultiert er auch regelmäßig Wahrsager, die in seiner Stadt auftreten. Über Sandy hat ihm bisher keiner davon etwas sagen können, doch in Ermittlungen konnte er schon Erfolge verzeichnen. Wie in „Stirb ewig“ bittet er auch hier um den Rat von Harry Frame, ein Medium, das ihm schon brauchbare Tips geliefert hat, jedoch auch nicht immer richtig liegt.

Autor Peter James kann seiner Vorliebe für Übersinnliches hier adäquat einbringen, denn auch wer selber diesem Gebiet eher abgeneigt gegenübersteht, wird einsehen, dass es in Graces Lage passt, sich diesen Dingen zuzuwenden. Roy Grace ist durchaus ein rationaler Mensch, doch er will nichts unversucht lassen, um eine Spur seiner Frau zu finden. In diesem Fall aber kann das Medium Harry Frame, ein emsiger kleiner alter Mann mit Ähnlichkeit mit einem Gartenzwerg, zunächst gar keinen Tipp liefern und Grace muss ohne seine Hilfe weiterermitteln. Später kommt eine Eingebung Frames zwar zum Tragen, aber erst, nachdem das Finale schon über die Bühne gegangen ist. Damit kommt der übersinnliche Aspekt auch den abgeneigten Lesern entgegen, da nichts davon handlungsentscheidend eingeflochten wird. Wen der Hintergrund um Graces Frau Sandy näher interessiert, der darf sich über die Ankündigung von Peter James freuen, dass der dritte Band, der zum Jahreswechsel erscheinen soll, ein wenig das Geheimnis um ihr Verschwinden lüften wird.

|Keine großen Schwächen|

Da sich die temporeiche Handlung auf nicht unbedingt epischen 380 Seiten drängt, ist es unvermeidlich, dass einige Charaktere und Aspekte etwas oberflächlich behandelt werden. Das Ende verläuft recht hastig, nach dem Actionfinale folgen nur noch knappe Informationen über den weiteren Verlauf. Auch der Vater des Opfers, Mr. Stretton, tritt nur einmal in Erscheinung, als ihm die Todesbotschaft überbracht wird, anstatt dass man ihn noch während der Ermittlungen begleitet. Gerade da Janies Mutter bereits verstorben ist und seine Tochter sein Ein und Alles war, wäre es schön gewesen, seinen Charakter noch etwas stärker einzubinden. Das gilt auch für das Opfer, schließlich ist es ungewöhnlich, dass eine finanziell unabhängige und scheinbar brave Studentin nebenbei als Sadomaso-Prostituierte arbeitet. Hier wären ein etwas weiter ausgearbeiteter Hintergrund wünschenswert gewesen.

Ein wenig unglaubwürdig wird die Stelle beschrieben, an der Tom und Kellie in höchster Gefahr schweben und ihre Situation kurzzeitig mit Humor zu ertragen versuchen. Noch unpassender ist Toms Gedanke, dass er seine morgige Präsentation in der Firma verpasst, was angesichts seines drohendes Todes unwichtig sein sollte.

_Als Fazit_ bleibt ein spannender und unterhaltsamer Roman über ein Snuff-Video mit einem sympathischen Ermittler. Der übersinnliche Aspekt, der Roy Grace immer begleitet, hält sich angenehm in Grenzen. Von kleinen Schwächen abgesehen, bietet sich dem Leser ein solider und temporeicher Thriller.

_Der Autor_ Peter James, Jahrgang 1948, liebt Autos, Sport und alles Paranormale. Er lebte jahrelang in den USA als Drehbuchautor und Filmproduzent, ehe er wieder nach England zurückkehrte. Zu seinen Werken zählen unter anderem „Ein guter Sohn“ (Neuauflage im Juni 2007 bei |Knaur|), „Die Prophezeihung“ und „Wie ein Hauch von Eis“. Zuletzt erschienen der Horror-Thriller [„Stirb ewig“ 3268 sowie „Sündenpakt“. Für den Jahreswechsel kündigt |Scherz| „Nicht tot genug“ als Hardcover an.

http://www.stirbschoen.de/
http://www.fischerverlage.de/

Goga, Susanne – Tod in Blau

2005 erschien Susanne Gogas Debütroman [„Leo Berlin“. 1597 Mit „Tod in Blau“ löst der Berliner Kommissar Leo Wechsler nun seinen zweiten Fall. Wie schon der erste Band, spielt auch „Tod in Blau“ im Jahr 1922 und ist damit in bewegten Zeiten angesiedelt. Deutschland ächzt unter den Reparationszahlungen, die Inflation schreitet voran. Das politische Klima der Weimarer Republik ist aufgeheizt. Die rechtskonservative Oberschicht sehnt die alte Kaiserzeit herbei, während die Arbeiterklasse in tristen Hinterhöfe vor sich hinvegetiert.

Mit „Leo Berlin“ hat Susanne Goga diese Zeit wunderbar heraufbeschworen, und nun soll „Tod in Blau“ direkt daran anknüpfen. Es sind provozierende Bilder, die der Maler Arnold Wegner malt. Ungeschönt stellt er die sozialen Spannungen der frühen 20er Jahre dar. Er malt bettelnde Kriegsveteranen, Prostituierte in dunklen Hinterhöfen und fängt die widersprüchlichen Kontraste seiner Zeit in seinen Bildern ein: Armut und Luxus, Vergnügungssucht und Kriegsschrecken. Die einen bewundern Wegner für seine Bilder und mutigen Darstellungen, die anderen verabscheuen ihn.

Doch reicht das für einen Mord? Dieser Frage muss Leo Wechlser mit seinen Kollegen auf den Grund gehen, als der Maler tot in seinem Atelier aufgefunden wird. Spuren gibt es nur wenige. Eine führt zu Wegners vernachlässigter Ehefrau Nelly. Eine andere in die illustren Kreise der rechtsextremen Asgard-Gesellschaft, in der viele ehemalige Offiziere Mitglied sind. Gibt es gar eine Verbindung zu der Leiche, die kurz zuvor aus dem Landwehrkanal gefischt wurde und ebenfalls eine Verbindung zur Asgard-Gesellschaft erkennen lässt?

Leo und seine Kollegen versuchen die mageren Spuren zu deuten und den Täter zu finden. Da bringt ihn unerwartet ein Hinweis der avantgardistischen Tänzerin Thea Pabst voran, und dann scheint es da plötzlich auch einen Zeugen zu geben, der den Täter möglicherweise gesehen hat. Doch der entzieht sich dem Zugriff durch die Polizei …

Der Plot verspricht zunächst einmal Spannung. Wie schon in „Leo Berlin“ verwebt Susanne Goga ihre Krimihandlung mit den zeitgeschichtlichen Zusammenhängen und lässt damit das Berlin der 20er Jahre vor dem Auge des Betrachters auferstehen. Man muss ihr schon zugestehen, dass sie sich für ihre Krimis ein außerordentlich interessantes Jahrzehnt herausgepickt hat.

Die politisch unruhige Lage zwischen erstem und zweitem Weltkrieg, die gesellschaftlichen Kontraste zwischen adeliger Oberschicht und den ärmlichen Arbeiterschichten, die in düsteren Hinterhöfen unter menschenunwürdigen Bedingungen leben, die wirtschaftlich zunehmend heikler werdende Lage, die mit steigender Inflation für so manche Familie den Ruin bedeutet – die 20er Jahre sind eine Zeit, die wie geschaffen ist für Romane, die auch den zeitgeschichtlichen Kontext widerspiegeln wollen. Und genau das gelingt Susanne Goga mit ihren Romanen sehr gut.

Neben der interessanten Epoche sind es auch die Figuren, mit denen Goga punkten kann. Mit Leo Wechsler hat sie einen sympathischen Titelhelden geschaffen. Wechsler, Witwer mit zwei Kindern, der zusammen mit seiner Schwester in einer kleinen Berliner Wohnung lebt, wird sehr menschlich und einfühlsam skizziert. Er hadert mit seinem Privatleben, das in diesem Fall auch sein Berufsleben nicht unbeeinflusst lässt, und ist ein Mensch, mit dem man fühlen kann.

Die übrigen Figuren nehmen sich gegenüber Leo stets ein wenig zurück. Ihre Gedankenwelt und ihre Gefühle werden nicht so offen dargelegt. Das Spannungspotenzial, das sich bereits im ersten Band zwischen Wechsler und seinem Kollegen Herbert von Malchow entwickelt hat, findet im aktuellen Band seine Fortsetzung und würzt den Plot mit zwischenmenschlichen Scharmützeln im gesellschaftlichen Kontext.

Schaffte Goga es noch mit „Leo Berlin“, sowohl in Sachen Atmosphäre, Figurenskizzierung und Plot zu punkten, kommt Letztgenannter in diesem Band nicht so gut in Schwung wie in Gogas Debütroman. Der Verlauf des Krimiplots ist insgesamt etwas schwächer als im ersten Teil. Die Spannung ist nicht so sehr greifbar, wie sie es im Vorgängerband war, wo der Leser durch Perspektivenwechsel und die stetige Beobachtung des Täters zwar mehr wusste als Leo Wechsler, aber eben auch mehr mitgefiebert hat.

Diesmal verläuft der Spannungsbogen nicht ganz so steil. Zum Einstieg wird die Untersuchung des Mordes an dem Mann begleitet, der aus dem Landwehrkanal gefischt wird. Leo und seine Kollegen stellen die Identität fest und untersuchen das Umfeld des Toten. Mit dem Mord an Arnold Wegner rückt dieser Fall völlig in den Hintergrund, bis die Frage nach einem Zusammenhang aufgeworfen wird. Interessanterweise wird dieser Frage aber später gar nicht weiter nachgegangen. Auch in der Auflösung wird der erste Todesfall mit keinem Wort mehr erwähnt, was den gesamten Erzählstrang in ein merkwürdiges Licht rückt. Die Geschichte wirkt dadurch unausgewogen und verzettelt.

Die Auflösung der Geschichte vollzieht sich am Ende dann recht schnell und nicht unbedingt zur vollen Zufriedenheit. Nachdem die erste Hälfte des Buches größtenteils eher beschaulich ausfällt und die Spannung sich nur langsam aufbaut, geht am Ende alles plötzlich ganz schnell, und so fällt dann auch die Erwähnung der Leiche aus dem Landwehrkanal völlig unter den Tisch.

Das ist insgesamt betrachtet sehr schade, denn mit „Leo Berlin“ hat Susanne Goga einen Roman abgeliefert, der sowohl spannend erzählt ist als auch voller Atmosphäre und Lokalkolorit steckt und sich auf interessante und sympathische Figuren stützt. Mit „Tod in Blau“ kann sie die durch ihr Debüt geweckten Erwartungen leider nicht ganz so gut erfüllen, und es fällt ihr sichtlich schwerer, daran anzuknüpfen. Mag die persönliche Betrachtung ihrer Hauptfigur Leo Wechsler auch noch so gelungen sein, der Krimiplot schwächelt demgegenüber leider.

Bleiben unterm Strich also gemischte Gefühle zurück. Zum einen ist „Tod in Blau“ zwar wie auch schon „Leo Berlin“ ein Buch mit interessanten Figuren und einer Atmosphäre, die das Berlin der 20er Jahre sehr schön heraufbeschwört, andererseits kann aber leider der Krimiplot nicht gänzlich überzeugen. Die Spannung baut sich nur gemächlich auf und ein eingangs eigentlich durchaus wichtig erscheinender Nebenhandlungsstrang fällt am Ende komplett unter den Tisch. So wirkt der Roman leider nicht völlig stimmig und kann die Erwartungen, die Susanne Goga mit „Leo Berlin“ geweckt hat, nicht so ganz erfüllen.

http://www.dtv.de

Max Allan Collins – Chicago 1933

collins heller01 chicago 1933 cover kleinDas geschieht:

Anfang der 1930er Jahre hat die Großstadt Chicago einen weithin üblen Ruf. Die Behörden sind mindestens so kriminell wie das organisierte Verbrechen. Zwar sitzt Al Capone seit einiger Zeit hinter Gittern, doch er zieht von dort weiterhin an den Fäden. Sein Imperium verwaltet Frank Nitti, der dafür sorgt, dass der Dollar weiterhin rollt. Nun hat ausgerechnet Bürgermeister Anton Cermak, der korrupteste Beamte der Stadt, dem Verbrechen den Kampf angesagt, denn Chicago wird 1933 die Weltausstellung ausrichten. Den zahlreichen Besuchern aus aller Welt soll eine ‚saubere‘ Stadt präsentiert werden.

Cermak geht auf für ihn typische Weise vor: Er stellt einen Killertrupp aus ihm hörigen Polizisten zusammen und lässt sie die lästigen Gangster einfach umbringen. Zuerst erwischt es Nitti. Doch unter den Beamten, die ihm eine Falle stellen, ist der ahnungslose Nate Heller, ein Mann, der sich nicht kaufen ließ. Er soll als Sündenbock dienen, falls etwas schief geht – und genau das geschieht: Von drei Kugeln getroffen, überlebt Nitti das Attentat. Max Allan Collins – Chicago 1933 weiterlesen

Peter Hoeg – Das stille Mädchen

Peter Høeg, der Autor von „Fräulein Smillas Gespür für Schnee“, hat seit langem kein neues literarischen Werk veröffentlicht.

Nach knapp zehn Jahren Pause hat der dänische Schriftsteller mit „Das stille Mädchen“ einen umfangreichen Roman vorgelegt, in dem eine ganz besondere Gabe, eine Wahrnehmung im Mittelpunkt steht. Wie schon bei Patrick Süskinds [„Das Parfum“ 3452 geht es um die starke Ausprägung eines Sinnes, in diesem Falle des Gehörsinns.

Wie auch bei „Fräulein Smillas Gespür für Schnee“, handelt es sich hier um einen belletristischen Thriller. Verschiedene Kritiker des Buches haben den Literaturliebhabern unter uns viel versprochen. Die Erwartungen sind entsprechend hoch angesetzt.

Peter Hoeg – Das stille Mädchen weiterlesen

John Sandford – Kaltes Fieber

Sandford Kaltes Fieber TB 2007 Cover kleinDas geschieht:

Ein Serienmörder treibt im Umfeld der Doppelstadt Minneapolis/St. Paul sein Unwesen. Mindestens drei Menschen sind ihm bereits zum Opfer gefallen, als Lucas Davenport, der das „Amt für Regionale Ermittlungen“ des US-Staates Minnesota leitet, und sein Kollege und Freund Detective Sloan von der Mordkommission Minneapolis den Fall übernehmen.

Als an einem der Tatorte Hautfetzen des Täters gefunden und die DNA entschlüsselt werden kann, scheint der Fall seiner Lösung nahe. Identifiziert wird Charlie Pope, ein unverbesserlicher Frauenschänder, der bereits diverser Morde verdächtigt wird. Vor kurzer Zeit ist er aus dem Gefängnis entlassen worden, aber es sollte einfach werden, ihn zu schnappen, denn Pope ist ebenso dumm wie brutal. John Sandford – Kaltes Fieber weiterlesen

Matthew Pearl – Die Stunde des Raben

Das geschieht:

Entsetzt muss Quentin Clark feststellen, dass in dem ärmlichen Sarg, der vor seinen Augen in ein Armengrab gesenkt wird, sein Idol ruht: Wir schreiben das Jahr 1849, und im ereignislosen Leben des jungen Anwalts aus Baltimore war seine Korrespondenz mit dem Schriftsteller und Dichter Edgar Allan Poe der Höhepunkt. Deshalb gibt sich Clark nicht mit den dürftigen Informationen über Poes elendes Ende zufrieden, die ihn misstrauisch werden und ein Verbrechen vermuten lassen. Wurde der lästige Künstler, der das behäbige Establishment durch seine düstere Lyrik und Poesie zu beunruhigen und zu ärgern pflegte, etwa durch Mord zum Schweigen gebracht?

Clarks Nachforschungen verlaufen im Sande. Ihm wird deutlich, dass er sich der Hilfe eines Fachmanns versichern muss. Wer wäre dazu besser geeignet als C. Auguste Dupin, der französische Meisterdetektiv, dem Poe ein literarisches Denkmal setzte und der sich zu Clarks Erstaunen als reale Person entpuppt? Der Amerikaner reist nach Paris, wo er Dupin alias Auguste Duponte tatsächlich aufspüren kann: einen teilnahmslosen, ausgebrannten Mann, der nichts als seine Ruhe wünscht.

Intensiv kümmert sich Clark um Duponte, und tatsächlich glimmt noch Feuer unter der depressiven Asche, das aufzuflackern beginnt, als sich ein zweiter Dupin in die Nachforschungen einschaltet: ‚Baron‘ Claude Dupin ist ein Glücksritter, der den potenziellen Mord an Poe zur medientauglichen Affäre aufbauscht, um mit der Aufklärung viel Geld zu verdienen. Den echten Dupin/Duponte versucht er durch Drohungen einzuschüchtern, doch dieser beginnt zur alten Form zurückzufinden, reist mit Clark nach Baltimore und beginnt dort mit eigenen Ermittlungen.

Auch der Baron wird in Baltimore tätig und scheut keinen bösen Trick, um Clark und Duponte auszuschalten. Schlimmer noch: Anonyme Männer mit großer Macht werden unruhig. Sie ziehen im Hintergrund Fäden, die sich in Stolperdrähte verwandeln. Clark wird bedroht, verfolgt, ruiniert. Er weigert sich trotzdem nachzugeben und gerät endgültig in den Sog einer fernen Verschwörung, die ihn unbarmherzig in den Abgrund zu reißen droht …

Ein Leben wie ein Roman?

Das Ende Edgar Allan Poes (1809-1849) beschäftigt (Literatur-) Historiker und Leser seit mehr als anderthalb Jahrhunderten. Zu mysteriös und gleichzeitig ‚romantisch‘ ist der Tod eines Mannes, der nicht nur zu den bedeutendsten Schriftstellers des 19. Jahrhunderts zählt, sondern auch Interesse und Mitgefühl durch sein tragisches Privatleben erweckt.

Poe gesellte sich zu jenen Genies, die angeblich von den Göttern so sehr geliebt werden, dass diese sie möglichst rasch zu sich holen. Dies ist ein unglaublich dämliches Sprichwort, das nur Zeitgenossen prägen konnten, die das Glück hatten, von einem Leben verschont zu bleiben, wie Poe es führte oder führen musste. Er gehörte zu den Unglücklichen, die über künstlerisches Talent verfügen, ohne gleichzeitig mit der Gabe der Selbstvermarktung oder – noch besser – mit den finanziellen Mitteln gesegnet zu sein, die es ihm gestatteten, seiner Kunst zu frönen. Stattdessen war Poe zu einem Leben in Armut und Unverständnis verdammt, während er gleichzeitig um sein Leben schrieb: Die Werke, für die er heute verehrt wird, wurden zu seinen Lebzeiten abgelehnt oder – für ihn ebenso bitter – miserabel honoriert.

So reihte sich Poe in die Reihen derjenigen Pechvögel ein, die in einer materialistisch ausgerichteten Welt ein Hofnarrendasein fristen – geduldet, wenn sich die Reichen & Mächtigen amüsieren wollen, aber ignoriert bzw. davongejagt, sobald sich diese den wirklich wichtigen Dingen des Lebens – Geldscheffeln, Kampf um Macht & Stellung – widmen möchten. Privates Unglück addierte sich zu den daraus resultierenden Enttäuschungen, was Poes Depressionen und seinen Hang zu diversen Drogen und zum Alkohol erklärt.

Spannender Start, dann Bruchlandung

Poes Leben, Wirken & Tod bieten reichlichen Stoff und gleichzeitig Lücken, was Matthew Pearl die Gelegenheit schafft, seine eigene Sicht der Vergangenheit zu entwickeln. Hier beginnt der Bereich, in dem wir die historische Realität verlassen und das Reich der (literarischen) Fiktion einsetzt. Pearl will die Wahrheit aufdecken. Da diese bekanntlich sehr banal sein kann, gibt er der Fantasie den Vorzug und denkt sich eine zweite, den Konventionen der Krimis folgende Handlungsebene aus, was sein Recht und seine Pflicht als Romanschriftsteller ist: Dies ist der Humus, auf dem ein fabelhafter Historienthriller keimen könnte. Dem ist leider nicht so. „Die Stunde des Raben“ ist stattdessen ein unfreiwilliges Paradebeispiel dafür, wie ein ehrgeiziges Projekt scheitern kann.

Unbestritten ist Pearls Fähigkeit, das Baltimore des Jahres 1850 zum Leben zu erwecken. Quentin Clark ist Bürger einer Stadt, die sich der Industriellen Revolution verschrieben hat und prächtig gedeiht. Die daraus resultierende Mischung aus Geschäftstüchtigkeit, Korruption und Fixierung auf den schnellen Dollar weiß Pearl deprimierend gut darzustellen. Bedrückend sind jene Szenen, die deutlich machen, dass in dieser ‚modernen‘ Metropole Sklavenhandel legitim und an der Tagesordnung ist. Die Polizei verfügt kaum über das Wissen oder das Instrumentarium zur Auswertung von Indizien. Armut und Einflusslosigkeit machen für die schlecht ausgebildeten, unterbezahlten und korrupten Beamten aus einem Verdächtigen rasch einen Schuldigen. Umgekehrt nutzen die Reichen und Mächtigen ihre angemaßten Vorrechte ohne Scham – sie betrachten diese als ihnen zustehend.

Immer wieder gelingen Pearl Szenen, die deutlich machen, wieso Außenseiter wie Poe und Clark in dieser Welt nicht gelitten sind und quasi scheitern müssen. Lokalkolorit ersetzt indes keine spannende Handlung; die vermisst der Leser schmerzlich. Auch ‚literarische‘ Qualitäten, die der kundige Kritiker in „Die Stunde des Raben“ entdecken mag, entschädigen nicht. Der Plot um Poes Ende überzeugt, während das Konspirationsgarn aufgesetzt wirkt.

Die Story, von Pearl sorgfältig entwickelt, ist vor allem im Mittelteil abschweifend, schrecklich lahm und öde. Hinzu kommen Fehler, die den Krimifreund aufstöhnen lassen. Wie wahrscheinlich ist es beispielsweise, dass Clark ständig gerade dort hinter einer Mauer oder unter einem Fenster steht, wo just Verschwörer oder Verfolger diverse Geheimnisse ausplaudern?

Das große Finale teilt Pearl: in Clarks Aufdeckung der Verschwörung und Dupontes Darstellung der letzten Tag des Edgar Allan Poe. Leider haben beide Handlungsstränge nichts miteinander zu tun. Die Auflösung verleiht dem Roman ein ‚gespaltenes‘ Ende. Zwar mag dies der Realität eher entsprechen, es lässt aber den Leser frustriert zurück, der sich von Pearl getäuscht fühlt: Poes Tod und Clarks Odyssee haben im Grunde nichts miteinander zu tun. Die Auflösung der Konspiration ist mau, die Rekonstruktion von Poes Schicksal wird dem eigentlichen Geschehen angeklebt. Am Ende sind alle ein wenig schlauer aber nicht wirklich zufrieden: die Protagonisten des Romans und dessen Leser.

Lebensplanung oder Zwangsjacke?

Pearl investiert viel Mühe in die Zeichnung seiner Figuren, die untereinander in einer komplizierten Dreiecksbeziehung stehen. Die Spitze nimmt Quentin Clark ein, der natürlich – „Die Stunde des Raben“ soll schließlich ein Historienkrimi der A-Kategorie sein – weit mehr ist (oder sein soll) als der Protagonist in einem rätselhaften Geschehen. Der in Ich-Form präsentierter Bericht ist gleichzeitig Beleg für einen entscheidenden Wendepunkt in Clarks Leben. Angesichts seines Alters – Clark ist 27 – möchte man eigentlich nicht von einer „Coming-of-Age“-Handlung sprechen, doch im Grunde erleben wir durchaus, wie sich ein Mann aus den Fesseln löst, die ihm die Gesellschaft anlegt, um ihn in ein geordnetes Leben zu zwingen.

Clark soll gefälligst ein guter Geschäftsmann, ein gesetzter Bürger und ein vorbildlicher Ehemann werden, so fordert es die High Society Baltimores, der er durch Geburt angehört. Das will er nicht, was wir gut verstehen; er will Freiheit und ein wenig Abenteuer. Dies zu verwirklichen bedeutet 1850 einen gewagten Schritt, möchte uns Pearl verdeutlichen, indem er Clark in immer neue Konflikte verwickelt.

Freilich macht ihn uns das keineswegs sympathisch. Der Prozess, der aus Clark einen ‚freien‘ Menschen werden lässt, langweilt, weil diese Figur als hoffnungsloser Naivling dargestellt wird. Clark verliert seine Anstellung? Pearl hat uns die Kanzlei, in welcher sein Held tätig war, als Hort der puren Langeweile geschildert. Clark geht seiner Braut verlustig? Er sollte froh sein, dieses Gänslein und ihre schreckliche Familie los zu sein! Welche ernsthaften gesellschaftlichen Konsequenzen diese Ereignisse haben, wird dem modernen Leser vermutlich unklar bleiben. Als Clark endlich ‚erwachsen‘ wird, erfolgt diese Reifung viel zu abrupt und unbegründet, um überzeugen zu können.

Ein Papier-Detektiv bleibt flach

Clark gibt außerdem den Dr. Watson für den Sherlock Holmes dieser Geschichte. C. Auguste Dupin oder Duponte gilt in der Tat als eines der Vorbilder für Arthur Conan Doyles berühmten Meisterdetektiv. Um der Dramatik willen charakterisiert Pearl Duponte zunächst als Mann mit einem düsteren Geheimnis, das ihn in Lethargie verfallen ließ. Die Rückkehr ins Leben und in seinen ‚Job‘ ergibt eine zweite Handlungsschiene, die keineswegs stärker interessiert als Quentin Clarks Ringen um Selbstständigkeit, da Duponte sich anders als Holmes (oder Poes Dupin) als Mensch niemals öffnet. Zwar meint Pearl dafür gute Gründe anführen zu können, doch da irrt er. Dupontes Schicksal interessiert uns bis zum Schluss herzlich wenig. Deshalb verpuffen auch die von Pearl eingeflochtenen deduktiven Zauberkunststücke, die stets nach Schema F ablaufen: Clark zerbricht sich den Kopf über einen ihm unklaren Sachverhalt, Duponte scheint seine Gedanken zu lesen und klärt ihn auf. Anschließend erzählt er dem aufgeregten Clark (und dem Leser) haarklein, wie er zu seinen Schlussfolgerungen kam.

Wenig aufregend verläuft der Kampf der beiden Dupins. Wer ist der ‚echte‘, d. h. Poes Dupin – Duponte oder der zwielichtige Baron? Dass der notorisch im Dunkeln tappende Clark in dieser Frage ständig schwankt, dürfte wenig verwundern. Auch die Bürgerschaft Baltimores scheint mit Blind- oder Blödheit geschlagen zu sein, will uns Pearl doch weismachen, der Baron könne sich so erfolgreich als Duponte maskieren, dass niemand dies erkennt. Immerhin ist der Baron noch die einzige halbwegs interessante Figur in dieser Geschichte – ein Marktschreier und Manipulator, der längst jene Freiheit erlangt hat, nach der Clark sich sehnt, und der die Konsequenzen eines freien Lebens kennt.

Fast 600 (allerdings großzügig bedruckte) Seiten schleppen sich die Ereignisse dahin. Im Vergleich mit Pears raffinierten Erstling „Der Dante-Club“ kann „Die Stunde des Raben“ nicht mithalten, sondern wirkt wie eine blasse Kopie, die nicht nur den mit hohen Erwartungen und Vorfreude zur Lektüre schreitenden, sondern auch den Pearl-unkundigen Leser bitter enttäuscht.

Autor

Matthew Pearl (geb. 1977) studierte an der Harvard University (1997) bzw. an der Yale Law School (2000) Englische und Amerikanische Literatur. Anschließend lehrte er diese Fächer und gab Kurse für Kreatives Schreiben in Harvard sowie am Emerson College. Seit 2007 arbeitet er als Gastdozent für die Harvard Law School. Pearl lebt in Cambridge, Massachusetts, Über sein Werk informiert er auf dieser Website.

Taschenbuch: 575 Seiten
Originaltitel: The Poe Shadow (New York : Random House 2006)
Übersetzung: Karl-Heinz Ebnet
http://www.droemer-knaur.de

Der Autor vergibt: (1.0/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (No Ratings Yet)

Mo Hayder – Die Sekte

Auf einer einsamen Insel realisiert ein fundamentalreligiöser Fanatiker groteske ‚Auslegungen‘ der Bibel, bis ihn ein neugieriger Reporter aufstört, endgültig in den Wahnsinn treibt und den Plan eingibt, durch ein furioses Finale unvergesslich zu werden … – Der vierte Roman der für ihre bizarren, meist sexuell unterfütterten Mordszenarien bekannten Autorin ist ein gut erzähltes Garn mit deutlichen Horror-Anleihen, das in seiner zweiten Hälfte auszufransen beginnt aber gute Unterhaltung bietet.
Mo Hayder – Die Sekte weiterlesen

James Lee Burke – Weißes Leuchten [Dave Robicheaux 5]

In einem US-Südstaaten-Nest gerät eine zwielichtige Geschwisterschar ins Visier der Mafia. Ein Polizist gerät in ein altes, gut abgehangenes Geheimnis um Mord, Wahnsinn, Rache und Schuld, das ihn mit in den Strudel des Verderbens zu ziehen droht … – Der fünfte Fall von Dave Robicheaux ist erneut ein Meisterwerk des modernen Thrillers. So wichtig wie der gut konstruierte Plot ist die Louisiana-Hitze, die Leidenschaften kochen und altes Unrecht reifen lässt, bis die Eiterblase platzt: uneingeschränkte Leseempfehlung.
James Lee Burke – Weißes Leuchten [Dave Robicheaux 5] weiterlesen

Donzowa, Darja – Nichts wäscht weißer als der Tod

Sie ist reich, hat einen gutaussehenden Mann, ist kränklich und hat jede Menge Allergien. Sie ist eine graue Maus und mit sechsunddreißig nicht mehr im besten Alter. Die Protagonistin von Darja Donzowas Krimi „Nichts wäscht weißer als der Tod“ erinnert nicht umsonst an eine kleine verwöhnte Prinzessin, doch als sie erfährt, dass ihr Mann sie betrügt, beschließt Tanja, einen Schlussstrich zu ziehen.

Doch statt zu sterben, wird sie von der barmherzigen Schilddrüsenchirurgin Katja aufgesammelt, die in einer chaotischen Familie mit vielen Tieren lebt und ein großes Herz hat. Wenig später ist Tanja, die noch nie in ihrem behüteten Leben einen Putzlappen oder einen Kochlöffel in der Hand gehalten hat, die Haushälterin der Familie. Sie tritt natürlich von einem Fettnäpfchen ins andere. Sie vergisst die Hunde auszuführen, verkocht das Essen und kann nicht mit dem Geld umgehen.

Sie versagt auch beinahe, als Katja sie anruft und bittet, bei einem gewissen Kostja eine Dokumentenmappe zu holen und zu einem Treffpunkt zu bringen. Dort wartet Katja mit einem dicken Kriminellen auf sie, doch die Mappe enthält nicht die gewünschten Dokumente. Der dicke Kriminelle, der Katja entführt und mit Handschellen an sich gefesselt hat, setzt Tanja ein Ultimatum. Wenn sie in zwei Wochen die Dokumente nicht aufgetrieben hat, muss Katja sterben. Tanja springt über ihren Schatten und beginnt Nachforschungen anzustellen. Sie findet heraus, dass Kostja ermordet wurde, doch eine seiner Geliebten hat ihre Handtasche in seiner Wohnung vergessen. Hat sie den erfolglosen Schauspieler umgebracht? Tanja fragt sich von Haustür zu Haustür durch und immer wieder tauchen neue Namen auf – und Leichen …

Darja Donzowa schuf mit dem ersten Buch der Tanja-Reihe einen lockeren Alltagskrimi, der durch seine Bodenständigkeit, Spannung und Selbstironie gefällt.

Tanja, von Natur aus eher ängstlich, verzichtet auf übertriebene Actioneinlagen und begnügt sich damit, sich als Polizistin auszugeben und alle möglichen Leute, die mit der Entführung und dem Mord an Kostja in Zusammenhang stehen, zu befragen. Doch anstatt einen Verdächtigen zu finden, kommen immer mehr Leute dazu, die Tanja ihre Lebensgeschichte erzählen und irgendwie Dreck am Stecken haben, aber dann doch wieder nicht so viel, dass sie die Täter sein könnten.

Genau das ist der Knackpunkt der Geschichte. Ein paar Lebensgeschichten sind ja ganz lustig und bringen frischen Wind in den Roman. Wenn jedoch alle zehn Seiten eine neue Geschichte erzählt wird, zieht es das Buch unnötig in die Länge, und Längen bedeuten Spannungsverlust. „Nichts wäscht weißer als der Tod“ beginnt spannend, lässt dann aber nach. Gegen Ende scheint der Fall gelöst, doch aufgrund widriger Umstände entkommt der Täter erneut und Tanja muss nach ihm suchen. Dieses doppelte Ende quetscht dem Roman das letzte bisschen Luft aus den Lungen, das er noch hatte.

Dass man das Buch trotzdem nicht aus der Hand legt, ist Schuld der sympathischen Protagonistin Tanja. Sie ist eine ganz normale Frau, deren Leben lange fremdbestimmt war, doch nun nimmt sie alles selbst in die Hand. Am Anfang hat sie dabei sehr zu kämpfen, doch es ist sehr interessant, wie sie lernt, all die kleinen Angelegenheiten des Alltags zu meistern. Die junge Dame hat beileibe keine Superkräfte, aber ihre Standhaftigkeit und Frechheit helfen ihr, ihren Weg zu verfolgen. Der Weg, der sie von einem kleinen Mädchen zu einer erwachsenen Frau reifen lässt.

Donzowa stattet ihre Protagonistin mit einem sicheren Auge fürs Detail mit authentischen Charakterzügen und einer interessanten Geschichte aus. Einer der prägnantesten Charakterzüge der jungen Russin ist ihre Selbstironie, die sich vor allem in dem Ich-Schreibstil niederschlägt. Immer wieder hat sie ein Witzchen auf den Lippen und redet von sich nicht gerade besonders ernsthaft. Dadurch macht es sehr viel Spaß, ihrem Leben zu folgen.

Auch die meisten anderen Charaktere nehmen sich nicht sonderlich ernst. Besonders die Familie um Katja, bestehend aus dem erwachsenen Sohn Serjosha, seiner Freundin Julia und dem zehnjährigen Kira sowie der gefürchteten (Ex-)Schwiegermutter Viktoria im weiteren Verlauf, weiß immer wieder zu entzücken. Im Haus geht es sehr chaotisch, aber immer liebenswert zu und es ist kein Wunder, dass sich Tanja sofort dort wohlfühlt.

Wohlfühlcharakter hat auch Donzowas Schreibstil. Wenn eine so quirlige, humorvolle Protagonistin in der Ich-Perspektive aus ihrem Leben erzählt, kann es ja nur gut werden. Ohne übertriebenen Ballast, dafür aber mit Witz und treffenden Beschreibungen tänzeln die Wörter durch das Buch, dessen Aufbau nicht immer Spannung garantiert. Unterhaltung ist auf jeden Fall geboten, denn Donzowas Schreibstil ist unverwechselbar leichtfüßig.

„Nichts wäscht weißer als der Tod“ ist noch nicht der große Wurf, aber Darja Donzowas sympathische Protagonistin und ihr lässiger Schreibstil zeigen, wo es lang geht. Und nicht umsonst wurde die Reihe um Tanja mit [„Spiele niemals mit dem Tod“ 3391 fortgesetzt.

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Ed McBain – Selbstmord kommt vor dem Fall

McBain Selbstmord Cover 1989 kleinDas geschieht:

Frühling in Isola. Für die Männer vom 87. Polizeirevier beginnt er alltäglich, d. h. hässlich: Ein Pechvogel von Vertreter wird durch eine Gasexplosion in Stücke gerissen. In den Trümmern der verwüsteten Wohnung findet man zwei weitere Leichen: Der junge Tommy und die noch jüngere Irene haben offenbar den Gashahn aufgedreht; ein Abschiedsbrief, der ihre unmögliche Liebe beklagt, wird gefunden.

Routine also für Steve Carella und Cotton Hawes, die mit dem Fall betraut werden. Doch die erfahrenen Beamten stoßen bei ihren Nachforschungen auf seltsame Widersprüche. So schildern die Familien ihre Verstorbenen keineswegs als lebensmüde Zeitgenossen. Im Gegenteil: Irene schöpfte gerade neuen Lebensmut, nachdem sie sich entschlossen hatte, den ungeliebten Gatten Michael Thayer für besagten Tommy zu verlassen. Dieser wird wiederum von seinem jüngeren Bruder Amos als Ausbund schierer Lebensfreude geschildert. Ed McBain – Selbstmord kommt vor dem Fall weiterlesen

Stieg Larsson – Verdammnis (Millennium 2)

Mit „Verblendung“ erschien 2006 der erste Teil von Stieg Larssons „Millennium-Trilogie“. Hier durfte der Leser erstmals dem Journalisten Mikael Blomkvist und der raffinierten Hackerin Lisbeth Salander bei den Ermittlungen über die Schulter schauen. In Larssons aktuellem Roman „Verdammnis“ kann der Leser nun sehen, wie es mit Blomkvist und Salander weitergeht.

Nachdem Mikael Blomkvist in „Verblendung“ mit der Aufdeckung eines Skandals reichlich Schlagzeilen gemacht und für sein Magazin „Millennium“ einen wahren Knüller gelandet hat, besteht nun Aussicht auf die nächsten heißen Schlagzeilen. Der junge Journalist Dag Svensson bietet „Millennium“ eine absolut wasserdichte Knüllerstory zum Thema Mädchenhandel an. Junge russische Frauen werden zur Prostitution gezwungen und „dürfen“ in Schweden gegen ihren Willen für „Zerstreuung“ bei hohen Amts- und Würdenträgern sorgen.

Svensson kennt die Namen der Täter und kann alles belegen. Blomkvist und seine Kollegen bei „Millennium“ bereiten die Veröffentlichung dieses Skandals vor. Eher zufällig bekommt auch Lisbeth Salander Wind von der Geschichte und schaltet sich in die Recherchen ein, denn pikanterweise scheint es eine Verbindung zwischen Lisbeths Betreuer Nils Bjurman und dem Mädchenhandel zu geben.

Wenig später werden Dag Svensson und seine Freundin und auch Nils Bjurman ermordet aufgefunden; auf der Tatwaffe sind ausgerechnet Lisbeths Fingerabdrücke zu finden. Sie gerät ins Fadenkreuz der Ermittler und taucht unter, während Mikael Blomkvist die wahren Hintergründe der Morde aufzudecken versucht. Dabei stößt er auf einige haarsträubende Details aus Lisbeths Vergangenheit …

Nachdem Stieg Larsson mit „Verblendung“ einen außerordentlich vielversprechenden Auftakt zu seiner „Millennium-Trilogie“ hingelegt hat, ist die Lektüre des Nachfolgebandes „Verdammnis“ logischerweise mit entsprechend hohen Erwartungen verknüpft. In Schweden schlug die Veröffentlichung der Trilogie hohe Wellen. Die Verfilmung ist in Arbeit (angedacht sind drei TV-Zweiteiler und ein Kinofilm) und die schwedische Akademie für Krimi-Literatur zeichnete „Verdammnis“ mit dem Preis als besten Krimi des Jahres 2006 aus. Für den Autor kommen diese Ehrerbietungen leider zu spät, denn er starb 2004 an den Folgen eines Herzinfarkts.

Mit „Verdammnis“ führt Larsson konsequent fort, was er mit „Verblendung“ begonnen hat. Man taucht schnell wieder in die Handlung ein und hat die Protagonisten Blomkvist und Salander sofort wieder bildlich vor Augen. Wie schon bei „Verblendung“ geht Larsson auch diesmal den Spannungsbogen wieder ganz gemächlich an. Er widmet sich einem ausgiebigen Portrait seiner Figuren, wobei Lisbeth Salander im Mittelpunkt des Interesses steht. Und die ist alles andere als langweilig, so dass die ausführliche Figurenbetrachtung absolut nicht stört.

Lisbeth ist eine wunderbar ambivalente Figur mit einer geheimnisvollen Vergangenheit. Sie ist scharfsinnig und gewitzt, moralisch, aber nicht gesetzestreu, und schlägt aus dem Umstand, dass sie aufgrund ihrer körperlichen Erscheinung immer wieder unterschätzt wird, Kapital. Im Grunde reicht schon allein die Betrachtung von Lisbeth dazu, einen Roman zu füllen. Sie ist die Figur, in der sich die Spannung bündelt, die den Plot zusammenhält und um die sich alles dreht. Ihre Person hat schon im ersten Band gewisse Fragen aufgeworfen, denen Larsson sich nun ausgiebiger widmet.

Der Blick in Lisbeths Vergangenheit ist dabei gleichermaßen spannend wie düster. Stück für Stück kommt eine unheimliche Wahrheit ans Tageslicht, deren ganzes Ausmaß durchaus erschreckend ist. Der um Realismus besorgte Leser wird hier aber auch so manchen Kritikpunkt finden. Manches mag ein wenig zu konstruiert klingen, und auch die Figur der Lisbeth Salander, die manchmal wie eine moderne Ausgabe einer technikbegabten und aggressiven Pippi Langstrumpf wirkt, erscheint teils ein wenig zu überzeichnet. Dennoch geht von der Figur eine nicht zu leugnende Faszination aus, die den Leser zu fesseln vermag.

Und so versetzt auch der teils etwas konstruiert wirkende Plot der Euphorie nicht mehr als einen kleinen Dämpfer. Am Ende schießt Larsson zwar ein wenig über das Ziel hinaus, lässt Salander zu sehr wie einen mutierten Superhelden erscheinen, der Übermenschliches zu leisten vermag, und reizt damit ihre Möglichkeiten bis an die Grenze aus, dennoch ist „Verdammnis“ absolut spannende Kost mit „Pageturner“-Potenzial.

Der gemächliche Start täuscht ein wenig darüber hinweg, aber wenn der Krimi-Plot erst einmal richtig losgeht, zieht Larsson kontinuierlich die Spannungsschraube an. Wechselnde Perspektiven tragen das Ihre zur Spannung bei, und so entwickelt „Verdammnis“ sich zu einem Roman, den man kaum aus der Hand legen mag und bei dem man zu keinem Zeitpunkt das Gefühl hat, Larsson hätte auch nur eine Seite zu viel geschrieben. Er hält den Spannungsbogen bis zum letzten Augenblick straff gespannt.

Das Ende der Geschichte kommt dann etwas abrupt und der Leser wird ohne Vorwarnung und ohne dass eigentlich die Handlung richtig abgeschlossen wird, aus der Geschichte gerissen. Das lässt ihn etwas unbefriedigt zurück, sorgt aber gleichzeitig auch schon für Vorfreude auf den dritten Band der Trilogie.

Für Quereinsteiger ist die „Millennium-Trilogie“ übrigens gänzlich ungeeignet. Die Handlung baut aufeinander auf und in „Verdammnis“ werden viele Details ausgeplaudert, die man vor der Lektüre von „Verblendung“ definitiv nicht wissen sollte.

Bleibt unterm Strich trotz kleinerer Mängel und einem etwas überzogenen Finale immer noch ein sehr guter Eindruck zurück. Stieg Larsson hat auch mit dem zweiten Band der „Millennium-Trilogie“ die Erwartungen voll erfüllt und einen zweiten, durchgängig spannenden Roman abgeliefert. Lisbeth Salander ist eine absolut beeindruckende Figur, wenngleich sich zum Ende von „Verdammnis“ ein wenig das Gefühl breit macht, Larsson hätte ihre Figurenzeichnung nun etwas überspannt.

Dennoch ein Thriller, der von Anfang bis Ende die Spannung auf einem so hohen Niveau hält, dass man das Buch kaum zur Seite legen mag. Und so siegt am Ende eben doch die freudige Erwartung des dritten Teils der Trilogie über das Stirnrunzeln wegen dier vereinzelten Kritikpunkte an „Verdammnis“.

 

Vargas, Fred – dritte Jungfrau, Die

Die Grande Dame des französischen Kriminalromans ist zurück. Nicht, dass sie jemals weg gewesen wäre, aber ein neuer Roman von Fred Vargas ist immer ein Grund für Lobhudelei.

In „Die dritte Jungfrau“ vertraut der verschrobene Kommissar Adamsberg mal wieder mehr auf seine Intuition als auf Tatsachen. Zwei tote Männer werden an der Porte de la Chapelle gefunden, und alles deutet darauf hin, dass sie in den Bereich der Drogendelikte fallen. Aber Adamsbergs Intuition sagt, dass die beiden vorsätzlich ermordet worden. Der Grund: Sie haben Erde unter den Fingernägeln, und so ein winziges Detail reicht dem Kommissar, um von seiner Theorie überzeugt zu sein und seine Kollegen auf verschlungene Ermittlungswege zu schicken, die nur er selbst versteht.

Es stellt sich heraus, dass Adamsberg Recht hatte. Die beiden Männer starben tatsächlich nicht wegen Drogen, sondern weil sie einer unbekannten Person dabei geholfen haben, den Sarg einer jungen Frau auszugraben. Das alleine ist natürlich noch kein Grund für einen Mord. Was steckt also hinter diesen seltsamen Vorkommnissen?

In einem Dorf in der Normandie findet Adamsberg neben einer weiteren ausgegrabenen Leiche mehrere tote Hirsche (was vor allem die Stammkundschaft in der kleinen Dorfkneipe beunruhigt), einen Reliquienraub und einen mysteriösen grauen Schatten auf dem Friedhof. Und ein Reliquienbuch aus dem 17. Jahrhundert, über das einige seiner Kollegen auffällig gut Bescheid wissen. Darin ist von einem Elixier für ewiges Leben die Rede, und die Zutaten darin verlangen neben dem Knochen, der im Hirschherz enthalten ist, nach etwas „Lebendigem von Jungfrauen“. Genauer gesagt von drei Jungfrauen und zwei wurden bereits behelligt. Für Adamsberg und seine Kollegen beginnt die Jagd nach einem Wahnsinnigen …

Kommissar Adamsberg ist wirklich ein Thema für sich. Man möchte gerne sagen, dass er nur ein wenig schrullig ist, aber eigentlich ist er einfach sehr still und sehr philosophisch und seine Ermittlerarbeit besteht aus unkonventionellen Gedankengängen. Hinzu kommen sein trockener Humor und dass er den Kopf ständig in den Wolken hat. Adamsberg ist ein echtes Original und Fred Vargas weiß ganz genau, wie sie damit umzugehen hat. Sie stellt ihm Personen an die Seite, die prima zu ihm passen und durch ihre Details den Ton des Buches treffen.

Zum Beispiel der Neue in der Mannschaft, Veyrenc, der aus der gleichen Pyrenäengegend wie Adamsberg kommt, weshalb sich zwischen diesen beiden ein kleiner Konflikt entwickelt. Veyrenc zeichnet sich durch seinen besonderen Haarschopf aus (braun mit roten Strähnen, die natürlich sind) und dadurch, dass er mit Adamsbergs Ex und Mutter seines Sohnes etwas anfängt. Der Konflikt der beiden, den Adamsberg seinem kleinen Sohn in einer Fabel mit Steinböcken und Kamelen darlegt, schwelt im ganzen Buch und weiß immer wieder zu unterhalten. Dadurch gerät die Geschichte sehr vielschichtig, da es nicht nur um den mysteriösen Fall geht.

Diese und andere kleine Nebengeschichten sorgen dafür, dass „Die dritte Jungfrau“ nie an Spannung verliert. Die Geschichte ist, genau wie ihr Protagonist Adamsberg, nicht sonderlich stringent, aber in diesem einen Ausnahmefall ist dies das Beste, was dem Buch passieren konnte. Auf Fred Vargas muss man sich einlassen. Man kann nicht erwarten, dass in einem ihrer Bücher etwas so abläuft wie in normalen Krimis.

Deshalb sind wir der Französin auch nicht böse, dass Adamsberg manchmal Zusammenhänge herstellt, wo gar keine sind, und dass seine Gedanken teilweise sehr skurrile Abwege gehen. Hinterher wird doch alles so erklärt, dass es passt, und bis dahin weiß Vargas mit ihrem charmanten Erzählstil, dem Humor und dem Auge für die kleinen, versteckten Details zu erfreuen.

Gerade dadurch, dass Vargas mit so viel Herzenswärme und Spaß erzählt, ist das Buch sehr spannend, denn man fragt sich ständig, was nun als Nächstes passiert und vor allem, auf welche Weise.
Na gut; vielleicht sind wir Vargas doch ein wenig böse, dass sie bei all der erzählerischen Dichte und kurzweiligen Spannung, die sie zwischen zwei Buchdeckel quetscht, am Ende ein wenig über das Ziel hinausschießt. Dort verstrickt sich die Handlung ein wenig in sich selbst, und das Knäuel, das dabei entsteht, wirkt etwas an den Haaren herbeigezogen.

Andererseits macht die Lektüre so viel Spaß, dass man die paar Seiten schnell vergessen hat. Adamsberg trockener, unbeabsichtigter Humor durchzieht nämlich den ganzen Roman. Vargas erzählt nicht nur einfach trocken, sie spielt mit der Handlung und den Charakteren Pingpong und verwendet dabei die Wörter als Spielbälle. Hier passt jeder Satz wie die Faust aufs Auge. Wenn die Präsidiumskatze fett ist und von einigen Kollegen „Die Kugel“ genannt wird, nun, warum sollte man sie nicht das ganze Buch über so nennen? Und was spricht dagegen, ihr ein Alkoholproblem anzudichten?

Vargas schreibt amüsant, ohne dass der Ernst der Sache dabei völlig verloren ginge. Im Gegenteil hat man das Gefühl, dass sie sich einfach sehr wohl fühlt in ihrer Erzählwelt und das dementsprechend auslebt. Sie benutzt Metaphern, kleine Aufhänger aus der Geschichte, Spitznamen, Eigenschaften der Personen, um sie so bunt und lebendig wie möglich zu gestalten. Die Dialoge sprühen nur so vor Leben und Humor und halten sich weder an alltägliche noch an literarische Maßregeln. Und genau dadurch wirken sie so authentisch.

Eine skurrile Geschichte, skurrile Charaktere und ein unglaublich lebendiger, sprühender Schreibstil – das zeichnet Fred Vargas seit vierzehn Büchern aus. Und das Schönste dabei ist, dass sie einfach nicht nachlässt. „Die dritte Jungfrau“ ist in bester Tradition proppevoll mit Humor, einer dichten Handlung und jeder Menge Alltag. Und dem Gegenteil von Langeweile.

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Thomas Harris – Hannibal Rising

Das geschieht:

Litauen im Winter des Jahres 1945: In seinen letzten Wochen erreicht der II. Weltkrieg auch das Jagdhaus, in dem sich die Familie des Grafen Lecter bisher verbergen konnte. Die Eltern und das Gesinde kommen um, nur Sohn Hannibal und seine kleine Schwester Mischa überleben, bis eine versprengte Gruppe litauischer Nazi-Kollaborateure das Jagdhaus entdeckt und besetzt. Als die Lebensmittel knapp werden, schlachten und fressen die Eindringlinge Mischa. Verzweifelt kann Hannibal fliehen; der hochintelligente Junge wird das Erlebte nie vergessen und schwört den Mördern Rache.

Der im Schock stumm gewordene Hannibal kommt in ein Kinderheim. Dort spürt ihn sein in Frankreich lebender Onkel Robert auf. Der berühmte Maler nimmt ihn auf, aber Hannibals Liebe gilt vor allem seiner Gattin, der Japanerin Lady Murasaki, die ihn zum Sprechen bringt, fördert, als der Onkel stirbt und sogar seine Geliebte wird. Thomas Harris – Hannibal Rising weiterlesen

Clare Clark – Vermesser, Der

Im Jahre 1855 war London noch nicht die moderne und pompöse Metropole, wie wir sie heute kennen. Nein, vor gut 150 Jahren, also in der Zeit, in der Clare Clarks Debütroman „Der Vermesser“ spielt, ging London unter in seinem eigenen Unrat. Schon auf dem vorderen Buchdeckel wird Patrick Süskinds berühmter Roman [„Das Parfum“ 3452 als Vergleich herangezogen, denn auch das „Parfum“ spielt in einer Zeit, in der eher die „Un-Wohlgerüche“ das Leben der Menschen beherrschten. Und genau wie schon Patrick Süskind zuvor, schafft es auch Clare Clark, ihren Lesern diese Gerüche, diesen Gestank und diesen dreckigen Moloch so nahe zu bringen, dass diesen ein kalter Schauer nach dem anderen den Rücken herunterläuft …

Schon in der ersten Szene begleiten wir den Vermesser William May hinunter in das Labyrinth im Untergrund. May ist unser Roman“held“, der gezeichnet und verwundet aus dem Krimkrieg zurückgekehrt ist und zu seinem Glück eine sehr angesehene und gut bezahlte Stelle als Vermesser erhält. Zur Zeit der Romanhandlung wird in London an einer gewaltigen Kanalisation gebaut, die das Abwasserproblem lösen soll und an der May als Vermesser entscheidend beteiligt ist. Immer wieder zieht es ihn in den Untergrund zurück, wo er einmal die zahllosen Gänge erforscht, wo er aber auch die Abgeschiedenheit nutzt, um sich selbst mit dem Messer zu schneiden, um seine Wunden aus dem Krimkrieg zu vergessen.

Auch die zweite Hauptfigur, der Kanaljäger Tom, lebt von den Kanälen im Untergrund Londons, wo er Ratten fängt, um diese an einen Kneipenwirt zu verkaufen, der diese für Hundekämpfe einsetzt, in denen die Hunde so viele Ratten wie möglich in einer Minute totbeißen müssen. Tom lebt recht gut von dieser Arbeit, sieht aber bereits das Ende der Rattenfänge gekommen, wenn nämlich die Kanalisation immer besser von den Ausspülern bewacht wird und auch zu viele andere Kanaljäger sich über die Ratten hermachen. Als er eines Abends einen Hundekampf besucht, fällt ihm ein Hund auf, der still und nicht besonders gefährlich aussieht. Später auf dem Heimweg läuft ihm der Hund wieder über den Weg und Tom beschließt, Lady – so hat er die Hundedame getauft – mit zu sich nach Hause zu nehmen. Zu seiner großen Überraschung erweist sich Lady als wahre Kampfmaschine gegen die Ratten, was auch nicht dem „Captain“ entgeht, der auf der Suche nach einer solchen Kampfmaschine ist und sich bereit zeigt, eine Menge Geld für einen solch gefährlichen Hund auszugeben. Tom braucht das Geld für seinen Ruhestand und für die Zeit, in der er kein Geld mehr mit Kanalratten machen kann, also beschließt er schweren Herzens, sich von seinem geliebten Hund zu trennen. Noch ahnt er allerdings nicht, dass er damit in eine Falle tappt.

Aber auch May trifft das Schicksal hart: Ganz ungewollt verscherzt er es sich durch seine gewissenhafte Arbeit als Vermesser mit dem Ziegeleibesitzer Alfred England, der einen ersehnten Auftrag nicht erhält. Eines Abends läuft May in den düsteren Straßen Londons dem wütenden Ziegeleibesitzer über den Weg, der William bedroht. May weiß sich keinen anderen Weg als die Flucht in die Kanalisation, die er wie seine Westentasche kennt. Dort jedoch verliert er das Bewusstsein und kriegt nur in einem tranceartigen Zustand mit, wie ein grausamer Mord geschieht, an den er sich zunächst nicht erinnern kann. Nach diesem schrecklichen Erlebnis wird May sehr krank, als er sich jedoch auf dem Wege der Besserung befindet, wird er plötzlich des Mordes an Alfred England beschuldigt. Ihm droht der Galgen – und genau in diesem kritischen Moment wendet sich selbst Mays geliebte Frau Polly von ihm ab …

Es ist eine düstere, stinkende und bedrohliche Welt, in die Clare Clark uns entführt. Wie in Patrick Süskinds großartigem Roman „Das Parfum“ begibt man sich auch hier Schritt um Schritt in eine fremde Welt, in die uns die eindringlichen Worte der Autorin entführen. Clarks Situationsbeschreibungen könnten nicht realistischer und eindrucksvoller sein; sie verwendet viele Metaphern, um uns die dunklen Straßen Londons und vor allem die dreckige Kanalisation vor Augen zu führen. Sie verwendet viele Worte, um ihrer Erzählung eine Atmosphäre einzuhauchen, die es dem Leser ermöglicht, vollkommen in die Geschichte einzutauchen und alles um sich herum zu vergessen. „Der Vermesser“ ist die ideale Lektüre für einen dunklen Winter- oder Herbstabend, wenn draußen der Regen auf die Fensterbänke prasselt und am besten noch Blitze am Himmel zucken, die den Leser zwischendurch immer wieder aufschrecken lassen. Es sind die düstersten Ecken Londons, die zwielichtigsten Kneipen und die unratüberspülten Kanäle, die Clare Clark als Kulisse für ihren spannenden und atmosphärisch dichten Debütroman auswählt. Und eins ist sicher: Sie braucht den Vergleich mit Patrick Süskind nicht zu scheuen. Denn es ist nicht nur die dramatische Szeneriebeschreibung, die für Clare Clark spricht, sondern es ist darüber hinaus die authentische und gefühlvolle Zeichnung zweier Charaktere, die im London des 19. Jahrhunderts ein eher tristes Leben fristen.

Im Mittelpunkt der Geschichte steht die Titelfigur William May, der als Vermesser sein Auskommen hat, aber trotz der gut bezahlten Arbeit sein Glück nicht findet. Der schreckliche Krimkrieg steckt ihm immer noch in den Knochen, außerdem hat er die seelischen Wunden, die ihm damals zugefügt wurden, noch nicht überwunden. Seine Zuflucht findet William May in den scheinbar unbeobachteten Kanalgängen, in denen er sich Wunden zufügen und sein eigenes Blut schmecken kann. Mays Psyche scheint angeknackst, seine Ehe nicht sonderlich glücklich, da Polly mit ihren Forderungen zu viel von ihrem Ehemann einfordert. Sie macht Pläne, mietet ein Haus, stellt ein Hausmädchen ein und wird ein zweites Mal schwanger, doch William entzieht sich immer mehr seiner wachsenden Familie und findet in ihr auch keinen Rückhalt, als er des Mordes beschuldigt wird und seine einzige Hoffnung in seinem Pflichtverteidiger liegt, der jedoch nicht so recht an Mays Unschuld glauben mag und darüber hinaus seinen allerersten Mandanten zu verteidigen hat.

Ungeahnte Schützenhilfe erhält William May in dieser ausweglosen Situation allerdings von dem Kanaljäger Tom, der übers Ohr gehauen wurde und nun auf Rache sinnt. Obwohl er ebenfalls von Mays Schuld überzeugt ist, da er selbst ihn mit einem blutigen Messer am Tatort entdeckt hat, muss Tom doch erkennen, dass May und er den gleichen Feind haben und dem gleichen Schlitzohr aufgesessen sind. Eine verzweifelte Rettungsaktion beginnt, die sowohl Toms wie auch Williams Leben retten soll. Doch ob dies gegen einen so übermächtigen Gegner gelingen kann, das ist fraglich.

Clare Clark nimmt sich viel Zeit, um ihre Protagonisten vorzustellen und dem Leser die Straßen ober- und unterhalb Londons zu schildern, in denen sich alles abspielen wird. Fast die Hälfte des Buches braucht Clark für ihre Vorbereitungen, bis es schließlich zu dem grausamen Mord kommen kann, der auf dem Buchrücken bereits angekündigt wird. Der Spannungsbogen setzt demnach erst recht spät ein, steigt dann kontinuierlich an und fesselt den Leser zum Schluss des Buches aber vollends, sodass man unbedingt weiterlesen und wissen muss, ob William May gerettet werden kann, und um zu erfahren, was nun tatsächlich vorgefallen ist. Doch obwohl der Spannungsbogen erst auf der Mitte des Buches einsetzt, ist die erste Hälfte keineswegs langweilig, da Clark hier die Voraussetzungen schafft und uns in das schmutzige London entführt, in dem wir zusammen mit dem Protagonisten umherirren werden.

„Der Vermesser“ ist ein literarischer Leckerbissen, den sich kein Buchwurm entgehen lassen sollte. Auf der Handlungsebene mag vielleicht nicht allzu viel passieren, dennoch hat Clare Clark ein beeindruckendes Debüt vorgelegt, das man einfach würdigen muss. Alle Lobeshymnen sind hier vollkommen berechtigt, da Clark ein Buch geschrieben hat, das sich positiv aus der Masse anderer Krimis heraushebt und durch seine dichte Atmosphäre, die eindrucksvollen Beschreibungen und die glaubwürdigen Figurenzeichnungen zu überzeugen weiß. An diesem Buch stimmt einfach alles, sodass ich nur eine uneingeschränkte Empfehlung aussprechen kann!

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