Archiv der Kategorie: Thriller & Krimis

Holtkötter, Stefan – Geheimnis von Vennhues, Das

Vennhues im Münsterland, 1982. Beim Spielen im Moor findet ein Junge die grausam zugerichtete Leiche eines Kindes. Schnell hat man einen Hauptverdächtigen gefasst, den knapp achtzehnjährigen Peter Bodenstein. Peter beteuert seine Unschuld, doch die Dorfbewohner sind davon überzeugt, dass er der Mörder ist. Kurz vor der Tat hat er sich mit dem Opfer zerstritten, die Tatwaffe stammt aus seinem Haus und er hat kein Alibi. Sogar seine Eltern zweifeln. Peter wird aus Mangel an Beweisen freigesprochen. Aus Angst vor Rache verlässt er den Ort und meldet sich zur See.

Mehr als zwanzig Jahre danach kehrt Peter Bodenstein zurück auf den Hof seines Vaters. Er will endlich seine Unschuld beweisen, aber er wird kalt empfangen. Bis auf seinen Vater halten nur wenige Dorfbewohner zu ihm, der Rest sieht in ihm nach wie vor den Mörder, zumal es nie einen weiteren Verdächtigen gab. Bald darauf geschieht die Katastrophe: Wieder findet man die Leiche eines Jungen im Moor und wieder gerät Peter Bodenstein in Verdacht. Die aufgebrachten Dorfbewohner wollen Peter lynchen, der im letzten Moment flüchten kann.

Hauptkommisar Bernhard Hambrock aus Münster, der in Vennhues aufgewachsen ist, übernimmt den Fall. Vor zwanzig Jahren war er mit Peter befreundet und er hält seine Unschuld für möglich. Bei seinen Ermittlungen rollt er auch den alten Mordfall wieder auf. Doch obwohl er selber aus dem Dorf stammt, erhält er bei seinen Nachforschungen kaum Unterstützung. Die eingesessenen Dorfbewohner betrachten den Großstädter als Fremdling, der nicht mehr zu ihnen gehört, und verweigern die Zusammenarbeit. Doch Hambrock gibt nicht auf. Bei seinen Untersuchungen stößt er auf düstere Geheimnisse und kämpft darum, die Wahrheit ans Licht zu holen. Die Spur führt schließlich ins Moor …

Ein kleines Dorf, ein düsteres Moor, eine verschworene Gesellschaft und grausige Morde … Aus bewährten Zutaten zaubert Stefan Holtkötter einen Krimi der Extraklasse, den sich kein Spannungsfreund entgehen lassen sollte.

|Überzeugende Charaktere|

Einen großen Anteil daran haben die Charaktere, die von Beginn an überzeugen können und dem Leser plastisch vor Augen treten. Da ist der Mordverdächtige Peter Bodenstein, damals ein halber Junge, der gerade das Erwachsenenalter erreicht hatte und seitdem auf den Schiffen um die halbe Welt gereist ist. Mit Anfang vierzig kehrt er nun zurück in seine alte Heimat, um den zweimonatigen Landurlaub bei seinem alten Vater zu verbringen. Mit Peter Bodenstein ist dem Autor eine zwiespältige und gerade deshalb hochinteressante Figur geglückt, die einerseits das Misstrauen des Lesers weckt, da man nicht zu hundert Prozent von seiner Unschuld überzeugt ist. Andererseits empfindet man tiefes Mitgefühl für diesen Mann, der sein halbes Leben auf der Flucht verbringen musste. Nicht einmal sein Vater kann sagen, dass er ihn für unschuldig hält, obwohl er trotzdem zu seinem Sohn steht und ihn liebt. Peters Mutter ist vor ein paar Jahren verstorben, ohne ihren Sohn noch einmal wiedergesehen zu haben. Auch wenn nicht sehr viele Worte gebraucht werden, um Peters Schicksal zu beschreiben, spürt man die Hoffnungslosigkeit, die über seinem Leben schwebt, das an jenem Tag zerbrach, an dem die Leiche von Willem van der Kraacht gefunden wurde.

Unauffälliger aber nicht weniger interessant ist die Gestalt von Hauptkommissar Bernhard Hambrock, der ihn, nur wenige Jahre jünger als Peter, in Jugendtagen einst bewunderte und fest an seine Unschuld glaubte. Zwei Jahrzehnte und viele Berufserfahrungen später weiß Hambrock, dass es kein Indiz für Peters Unschuld gibt, dass sich Mörder hinter den unwahrscheinlichsten Masken verbergen. Hambrock steckt in einem Dilemma: Die Dorfbewohner kritisieren seine Ermittlungen und fordern eine schnelle Vertreibung von Peter Bodenstein aus Vennhues; der um Neutralität bemühte Hambrock ist für sie ein Verräter, der einen Mörder schützt. Umgekehrt sieht Peter Bodenstein in dem alten Freund nur noch den Gesetzeshüter, der seine Schritte überwacht. Zu allem Überfluss war Hambrocks ehemaliger Vorgesetzter, auf dessen Urteil er große Stücke hält, der damals leitende Ermittler, der nach wie vor von Bodensteins Schuld überzeugt ist. Bernhard Hambrock präsentiert sich als tüchtiger und gewissenhafter Ermittler, dessen private Persönlichkeit nie in den Vordergrund gedrängt wird. Immer wieder gibt es kleine Episoden aus seinem Ehe- und Familienleben, vor allem wegen der wenigen Zeit, die er seiner Gattin widmen kann, nette Anspielungen auf seine Zwangsdiät – aber der Roman dreht sich nicht um ihn als Hauptfigur, sondern um die Aufklärung zweier Verbrechen und die Schuldfrage eines verjagten Verdächtigen und ehemaligen Freundes. Auch die restlichen Nebenfiguren wissen zu überzeugen. Der Leser begegnet im Dorf den verstockten Altbewohnern, die am liebsten Selbstjustiz verüben würden, den zurückhaltenden Vernünftigen, die sich um Neutralität bemühen und den wenigen Menschen, die zu Peter halten und seinen Aussagen Glauben schenken oder es zumindest versuchen. Für kleine Auflockerungen sorgt Hambrocks Assistent Phillip, ein junger, impulsiver Polizeipraktikant, der den Hauptkommissar mit seiner fehlenden Besonnenheit manchmal fast zur Verzweiflung treibt.

|Dramatik bis zum Schluss|

Von Beginn an liegt Spannung in der Luft: Der Prolog führt zurück ins Jahr 1982, als der junge Frank im Moor über die Leiche des erstochenen Willem van der Kraacht stößt. Das dörfliche Vennhues mit seinen alteingesessenen Bewohnern, die zusammenhalten und gegen jeden Außenstehenden misstrauisch reagieren, wird anschaulich und atmosphärisch dicht geschildert. Schon bald ist der Leser mittendrin in dieser Gemeinschaft, spürt den Hass, der gegen Peter Bodenstein in der Luft liegt und die Zerrissenheit von Bernhard Hambrock, der sich von seiner Subjektivität gegenüber Peter befreien muss. Rasch ahnt man, dass die Mordfälle viel komplexer sind, als die Bewohner angenommen haben, und dass es düstere Geheimnisse unter ihnen gibt. Nach und nach kristallisiert sich bei Hambrocks Ermittlungen heraus, dass es neben Peter noch andere Dorfbewohner gibt, die Motiv und Gelegenheit zu den Morden gehabt hätten. Doch zwanzig Jahre nach einem Verbrechen ist es schwer, glaubhafte Indizien zu finden und die Nachforschungen der Polizei kommen nur langsam voran. Die Spannung liegt nicht nur in der Mördersuche, sondern auch in der Frage, was mit Peter am Ende geschehen wird – hat er Schuld an den Morden, und wenn nicht, wird er rehabilitiert? Verübt einer der Bewohner zuvor Selbstjustiz an ihm? Ist seine Flucht nach dem zweiten Mord erfolgreich, wird er gefasst oder wird er sich sogar stellen? Alles scheint möglich, und je mehr Einwohner in den Fall verwickelt werden, desto unvorhersehbarer wird das Finale. Der Leser erhält nicht nur Anteil an einer bis zuletzt abwechslungsreichen Mörderjagd, sondern wird auch ein wenig nachdenklich bei dieser Suche nach Schuld und Sühne und der Darstellung dessen, was Vorverurteilungen aus einem Menschenleben machen können. Zusammen mit dem stets gegenwärtigen Ortshintergrund des bedrohlichen Moors ergibt sich eine unheilvolle Atmosphäre, die für wohlige Schauer sorgt.

|Minimale Mankos|

Schwächen gibt es kaum in diesem durchgehend überzeugenden Krimi. Routinierte Genreleser mögen jedoch vielleicht bemängeln, dass das Setting der dörflichen Gemeinschaft, die gegen Fremde erbarmungslos zusammenhält, mittlerweile sehr bekannt ist. Etwas gewöhnungsbedürftig ist auch das Ende, bei dem der Autor darauf verzichtet, sämtliche Fäden sauber zu verknüpfen und einen kleinen Raum für Spekulationen lässt, wenn auch nicht in den wesentlichen Fragen. Dass er kein reines Happy-End liefert, verstärkt allerdings den Authentizitätscharakter der Geschichte, da auch in der Realität selten alles einen uneingeschränkt guten Schluss findet.

_Unterm Strich_ erwartet den Leser ein hervorragender Krimi aus deutschen Landen mit viel Lokalkolorit. Schnörkellos und klar geschrieben, lässt sich der kompakte Roman locker und leicht lesen. Die Spannung wird bis zum Schluss aufrechterhalten und unterhaltsames Mörderraten ist garantiert. Ein Muss für alle Freunde von Lokalkrimis.

_Der Autor_ Stefan Holtkötter wurde 1973 im Münsterland geboren. Er absolvierte unter anderem eine Ausbildung als Sozialpädagoge und arbeitet heute neben seiner Autorentätigkeit in Berlin als Motivationstrainer und Berater für Arbeitslose. 2005 erschien sein erster Roman, der Berlin-Krimi „Fundort Jannowitzbrücke“. Mehr über ihn auf seiner Homepage http://www.stefan-holtkoetter.de.

Max Allan Collins – CSI Las Vegas: Killing Game

Zwei neue Fälle für das aus dem US-Fernsehen bekannte CSI-Team von Las Vegas beanspruchen nicht nur die ermittlerischen Fähigkeiten der Beteiligten, sondern stehen außerdem unter dem Unstern büropolitischer Intrigen … – Diese nicht verfilmte Story bietet einen Routine-Plot, der vom CSI-erfahrenen Verfasser immerhin mit der üblichen Nähe zur Vorlage im positiven Sinn routiniert erzählt wird, sodass vor dem geistigen Auge sogleich die entsprechenden Bilder ablaufen: für Fans ohnehin ein Muss, für den ‚normalen‘ Krimifan ein Kann.
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James, Peter – Stirb ewig

„Stirb ewig“ ist der spannungsgeladene Auftakt zu Peter James‘ Kriminalreihe um Detective Superintendent Roy Grace, die vor kurzem durch [„Stirb schön“ 3154 fast ebenso packend fortgesetzt wurde:

Der erfolgreiche Unternehmer Michael Harrison steht kurz vor seiner Hochzeit mit der schönen Ashley, als er mit seinen besten Freunden nochmal ordentlich einen trinken gehen und bei seinem Junggesellenabschied auf den Putz hauen möchte. Doch Michael ahnt noch nicht, was für einen perfiden Joke sich seine Freunde mit ihm erlauben wollen, die wollen sich nämlich ein wenig an Michael und seinen schlechten Scherzen der Vergangenheit rächen und planen eine „Beerdigung“ für ihn. Auf einem verlassenen Grundstück haben die Freunde ein Grab ausgehoben und einen passenden Teakholzsarg bereitgestellt, der leider an der Unterseite etwas leck geschlagen ist und Wasser durchlässt. Im betrunkenen Zustand heben sie Michael in den Sarg, drücken ihm eine Taschenlampe, ein Pornoheft, eine Flasche Whiskey und ein Walkie-Talkie in die Hand, bevor sie den Deckel herunterlassen und fest verschrauben. Noch machen die vier Freunde sich keine Sorgen um Michael, denn der ist mit seinem Atemschlauch versorgt und durch das Walkie Talkie direkt mit ihnen verbunden, allerdings wissen sie auch noch nicht, dass sie auf dem Weg zur nächsten Kneipe einen schrecklichen Autounfall haben werden: Drei der Freunde sind auf der Stelle tot, der vierte schwebt in Lebensgefahr und liegt im Koma. Und das lebensrettende Walkie Talkie wird von dem geistig zurückgebliebenen Davey gefunden, der den Ernst der Lage nicht erkennt und das Walkie-Talkie vor seinem Vater versteckt.

Derweil sitzt Michaels Geschäftspartner Mark Warren im Flugzeug und hat aufgrund von Nebel stundenlang Verspätung, sodass er nicht wie geplant am Junggesellenabschied teilnehmen kann. Der Nebel allerdings rettet sein Leben, denn sonst hätte auch Mark im Unfallauto gesessen. Als er von dem schweren Autounfall hört, sieht er seine Chance gekommen: Er behauptet, von dem inszenierten Begräbnis und von Michaels Verbleib nichts zu wissen, insgeheim schmiedet er jedoch ganz andere Pläne, denn der Stachel der Eifersucht nagt tief in ihm, weil Michael schon immer erfolgreicher war. Michael kommt aus guten Verhältnissen und hatte schon immer den deutlich größeren Erfolg beim weiblichen Geschlecht – damit soll nun Schluss sein.

Roy Grace ahnt von diesem verhängnisvollen Zusammenspiel noch nichts, als er vor Gericht steht, um dem Prozess eines Schwerverbrechers beizuwohnen, der daran zu scheitern droht, dass Roy Grace zur Aufklärung des Falles ein Medium hinzugezogen hat. Als die Presse davon Wind bekommt, wird Roy Grace zum Gespött aller Zeitungen, sein Ruf ist ruiniert und seine Chefin ziemlich schlecht auf ihn zu sprechen. Doch auch auf der Suche nach Michael Harrison wird er auf paranormale Hilfe zurückgreifen müssen.

Michael weiß von all diesen Geschehnissen nichts, während er mit steifen Gliedern im Sarg liegt, Hunger und Durst leidet und das Grundwasser im Sarg immer höher steigt. Seine Panik wächst und wächst, doch die mögliche Rettung weiß noch nicht einmal von seiner prekären Lage …

Dies sind die Komponenten für Peter James‘ hochspannenden Thriller, der von dem Moment an mitzureißen weiß, als Michaels Freunde ihren schweren Autounfall haben und Michael hilflos in einem stabilen Sarg begraben liegt, über dessen Verbleib niemand etwas weiß. Was zunächst wie ein Dummer-Jungen-Streich wirkt, wird schlagartig todernst, als Michaels Freunde verunglücken und nur noch eine winzige Hoffnung besteht, dass der schwer verletzte Josh erwacht und Michaels Aufenthaltsort verraten kann. In jeder Minute fiebert man mit Michael mit und hofft, dass Josh erwachen möge, dass Mark es sich vielleicht anders überlegen könnte oder dass Davey sich verraten und damit seinen Vater auf den Plan rufen würde. Doch nichts davon geschieht, Peter James macht in seinem Spannungsroman jede aufkeimende Hoffnung sehr schnell zunichte, wodurch er seinen Spannungsbogen immer weiter ausbaut, sodass man schließlich fingernägelkauend mit dem Buch in der Hand dasitzt und einem Schweißperlen vor Aufregung auf der Stirn stehen. Ich habe selten ein Buch gelesen, das spannender war als „Stirb ewig“. Und das liegt noch nicht einmal an der ausgefeilten Charakterzeichnung, einem überragenden Ermittler oder einer besonders ausgeklügelten Story. Nein, Peter James fügt die Bausteine, die ihm zur Verfügung stehen, klug zusammen und konzentriert sich größtenteils darauf, das Tempo immer weiter anzuziehen – und genau das schafft er meisterlich.

Nach und nach fügen sich die einzelnen Informationen zu einem Ganzen zusammen und hierbei hat Peter James so einige Überraschungen für uns parat, sodass man einige Male ziemlich erstaunt ist angesichts der Wendung, die sich einem beim Lesen eröffnet. Allerdings muss man auch so ehrlich sein und zugeben, dass insbesondere die allerletzte Wendung gen Buchende ein wenig viel des Guten gewesen ist. Dass James uns überraschen will, ist legitim und an den meisten Stellen auch gelungen, aber leider übertreibt der Autor es am Ende ein wenig, sodass die finale Auflösung etwas unrealistisch anmutet. Aber was soll’s – in Anbetracht von gut 300 Seiten Hochspannung mag man ihm dies verzeihen.

„Stirb ewig“ ist der Auftakt zu Peter James‘ Kriminalreihe rund um Roy Grace, der uns hier erstmals präsentiert wird. In diesem Buch erfahren wir einiges zu seiner Person und insbesondere zu seiner Vergangenheit. Vor genau zehn Jahren ist an Roys Geburtstag seine geliebte Frau Sandy spurlos verschwunden, die er seitdem mit allen Mitteln aufzuspüren versucht, selbst wenn es sich bei diesen Mitteln um Medien handelt, die ihn später bei der Polizei in Verruf bringen werden. Peter James‘ Hang zur Esoterik fand ich etwas gewöhnungsbedürftig und ehrlich gesagt auch völlig überflüssig, aber das scheint nun mal sein Markenzeichen zu sein. Nach der Lektüre beider Roy-Grace-Romane muss ich allerdings anmerken, dass Roy Grace im Laufe dieser beiden Romane nur wenig an Profil gewinnt, „Stirb schön“ trägt kaum dazu bei, uns diesen Ermittler besser vorzustellen, das haben andere Autoren vor Peter James schon deutlich überzeugender geschafft.

Verzichtbar fand ich die Nebengeschichte rund um den Strafprozess, an dem Roy Grace ebenfalls beteiligt war. Dieser Prozess hat rein gar nichts mit dem aktuellen Kriminalfall zu tun und lenkt daher nur überflüssig vom eigentlichen Geschehen ab, aber glücklicherweise trat dieser Prozess sehr schnell in den Hintergrund.

Insgesamt bleibt festzuhalten, dass Peter James mit „Stirb ewig“ ein grundsolider Thriller mit einem hervorragenden Spannungsbogen gelungen ist, der von Beginn an zu fesseln weiß. Auf jeder Seite fiebert der Leser mit dem eingeschlossenen Michael Harrison mit, der erst nach und nach ahnt, in welch prekärer Lage er sich wirklich befindet. „Stirb ewig“ ist spannende Unterhaltung für einige Stunden, die man sich als Thrillerfan nicht entgehen lassen sollte.

http://www.fischerverlage.de/

Sylvain, Dominique – Schöne der Nacht

Endlich hat |List| die junge französische Autorin Dominique Sylvain für sich entdeckt, sodass der bibliophile Leser nun auch in den großartigen Genuss der Lola-Jost-Reihe kommt. Der Verlag selbst macht Werbung für das vorliegende Buch mit den Worten „die Krimientdeckung aus Paris“ und trifft damit ins Schwarze, denn genau das ist es, eine wunderbare Entdeckung, die jedem Krimifreund das Herz höher schlagen lässt! Aber genug der Lobesworte vorweg, beschäftigen wir uns zunächst mit dem Inhalt:

Zu Beginn lernen wir Jean-Luc und die beiden unzertrennlichen „siamesischen Zwillinge“ Farid und Noah kennen, die gemeinsam den Coup ihres Lebens planen. Am frühen Morgen rammen sie mit ihrem Geländewagen eine Wechselstube und rauben diese gründlich aus. Die Beute bei diesem Raubzug ist enorm, insgesamt anderthalb Millionen Euro haben die Räuber eingesackt. Doch Farid hat Erstaunliches mit seinem Anteil vor, er nimmt die 500.000 € und macht sich damit zu seiner Exfreundin Vanessa auf, um diese noch einmal umzustimmen. Besonders Jean-Luc ist schockiert von dieser Wendung, doch kann er noch nicht ahnen, welchen Rattenschwanz an Ereignissen Farids Entscheidung nach sich ziehen wird.

Denn am nächsten Morgen wird Vanessa ermordet aufgefunden. Jemand hat sie erwürgt und ihr fein säuberlich mit einem Beil die Füße abgetrennt. Farid ist apathisch und muss mit vereinten Kräften aus seiner Wohnung gerettet werden. Aber ausgerechnet Vanessas Mitbewohnerinnen Khadidja, die zufälligerweise Farids Schwester ist, und die psychisch labile Chloé finden ihre ermordete Freundin und auch Farids Geld, das in einer Sporttasche neben der Toten liegt. Als die Polizei am Tatort eintrifft, haben die beiden jungen Mädchen das Geld bereits an die Seite geschafft. Jean-Pascal Grousset soll die Ermittlungen im Fall Vanessa Ringer leiten, das wiederum gefällt seinem Mitarbeiter Jérôme Barthélemy überhaupt nicht, da er seinen Vorgesetzten, den er wenig schmeichelhaft den Gartenzwerg nennt, nicht ausstehen kann. Da seine ehemalige Chefin Lola Jost in der Nähe des Tatorts wohnt, eilt er sogleich zu ihr, um ihr von dem Leichenfund zu berichten.

Zunächst ist die pensionierte Lola Jost viel mehr an ihrem 5000-teiligen Puzzle als an dem Mordfall interessiert, als jedoch Maxime Duchamp ins Zielfeuer der Ermittlungen gerät und zum Hauptverdächtigen avanciert, wird Lola auf den Plan gerufen, denn Maxime ist der Küchenchef in ihrem Stammrestaurant und damit für sie unentbehrlich. Aber Lola Jost ist nicht die Einzige, die auf Maxime nicht verzichten kann; auch die blonde Bohnenstange Ingrid Diesel, die Maxime leidenschaftlich gerne massiert und gerne noch viel mehr mit ihm anstellen würde, möchte ihren Angebeteten vor der Justiz retten, da sie fest an seine Unschuld glaubt. So macht sich schließlich dieses unvergleichliche Duo an die Ermittlungen und ist der Polizei stets mindestens einen Schritt voraus …

Zugegeben, das klingt zunächst nach einem ganz alltäglichen Kriminalfall, der sich auch nicht sonderlich von anderen Spannungsromanen abhebt. Doch weit gefehlt; Dominique Sylvain gelingt etwas ganz Seltenes, nämlich die Erschaffung eines Ermittlerduos, das vom ersten Moment an süchtig macht. Während Ingrid Diesels erster Auftritt als verliebte Masseuse noch eher gewöhnungsbedürftig ist, sammelt sie als Partnerin von Lola Jost viele Sympathien. Diese beiden Damen, die ein wenig an Pat und Patachon erinnern mögen, sind es, die mit viel Engagement den Restaurantbesitzer Maxime Duchamp aus den Fängen der Polizei retten wollen. Als Duo sind die beiden Frauen so ungewöhnlich und so sympathisch, dass der Kriminalfall fast ein wenig in den Hintergrund treten mag, wenn die beiden sich vorzugsweise nachts auf die Tätersuche machen und dabei trotz zahnhygienischer Unannehmlichkeiten einige Nächte im Auto schlafen müssen, um dann allerdings am Ende natürlich triumphieren zu können.

Die übergewichtige grauhaarige und bereits pensionierte Ex-Polizistin Lola Jost, die eigentlich ja Marie-Thérèse heißt, entwickelt von ihrem ersten Auftritt an Kultstatus. Forsch, energisch und mit einer gewissen Portion Rücksichtslosigkeit entreißt sie ihrem Nachfolger seinen Fall und spielt ihn dabei an die Wand. Während der Ermittlungen wagt sie sich sogar todesmutig zu ihrem übermotivierten Friseur, der sie schließlich mit einer Volierenfrisur aus seinem Laden entlässt, die aber glücklicherweise dem schlechten Wetter auf den stürmischen und regnerischen Straßen von Paris nicht lange standhalten kann. Doch ist dies für Lola nebensächlich, solange sie durch den Friseurbesuch doch an gewünschte Informationen kommen kann.

Aber auch Ingrid Diesel hat es faustdick hinter den Ohren. Nicht ganz unauffällig schwärmt sie für den gutaussehenden Maxime Duchamp, der leider bereits mit der schönen Khadidja liiert ist, auf die Ingrid schrecklich eifersüchtig ist. Doch was Maxime noch nicht weiß, ist, dass Ingrid als Schöne der Nacht sehr erfolgreich in einer Stripteasebar auftritt, in der sie ihm schließlich auch den Kopf verdrehen kann. Lola und Ingrid ergänzen sich hervorragend zu einem unvergleichlichen Duo, das gemeinsam alle Schwierigkeiten zu meistern weiß und auch dem äußerst verwickelten Mordfall auf den Grund kommen wird.

Und das muss man Dominique Sylvain ebenfalls lassen: Sie schafft nicht nur eine geniale Figurenzeichnung, sie versetzt ihre beiden Krimiheldinnen auch in einen ziemlich gut durchkonstruierten Kriminalfall, in den alle beteiligten Figuren irgendwie verwickelt sind. Beim Lesen mag man zwischendurch zwar etwas den Durchblick verlieren, aber genau das wünscht man sich bei einem guten Krimi ja, sofern am Ende alles aufgeklärt wird. Hier bleiben einfach keine Wünsche offen: Sylvain führt uns auf die eine oder andere falsche Fährte, sie lockt uns mit Informationen, die mehr verheimlichen als offenbaren und die uns dadurch nur umso neugieriger machen. Schon früh wird klar, dass Chloé eine schreckliche Begegnung mit Farid hinter sich haben muss, die sie schließlich psychisch aus dem Gleichgewicht gebracht hat. Denn seitdem sucht sie regelmäßig einen Psychiater auf, der natürlich ebenfalls eine wichtige Rolle spielt. So fügt sich am Ende alles stimmig ineinander und der Leser bleibt staunend und außerordentlich zufrieden zurück.

Aber hier sind wir noch nicht am Ende der Lobeshymne angekommen, denn „Schöne der Nacht“ ist darüber hinaus einfach wunderbar geschrieben. Dominique Sylvain versetzt uns gekonnt in ein verregnetes Paris, in dem etliche Rätsel zu lösen sind. Man fühlt sich dort einfach wohl, hinzu kommt ein äußert feiner Humor, der dem Leser immer wieder ein Lächeln ins Gesicht zaubert. Am amüsantesten mutet wohl die Ergreifung eines Übeltäters mittels Schnellkochtopf und Cello an, die zu Gehirnerschütterung und Nierenverletzung, aber auch zu einer erfolgreichen Festnahme geführt hat. An diesen Stellen beweist Sylvain viel Sprachgefühl und auch einen Wortwitz, der den vorliegenden Kriminalfall zu einem absoluten Lesevergnügen macht.

So bleibt am Schluss nur festzuhalten, dass „Schöne der Nacht“ für mich in der Tat die angekündigte Krimientdeckung war. Schon jetzt warte ich ungeduldig auf den nächsten Lola-Jost-Fall, den sie hoffentlich wieder gemeinsam mit Ingrid Diesel lösen wird. Dominique Sylvain punktet insbesondere mit ihrer äußerst sympathischen Figurenzeichnung und ihrem wunderbaren Ermittlerinnenduo, das mich immer wieder köstlich amüsiert hat. Aber auch der zu lösende Kriminalfall hat es in sich; hier geht es einige Jahre in die Vergangenheit, viele Rätsel müssen gelöst und sämtliche Figuren in die Handlung einsortiert werden. „Schöne der Nacht“ ist ein Spannungsroman, der das Herz jedes bibliophilen Krimifreundes höher schlagen lässt!

Berndorf, Jacques – Eifel-Kreuz

_Die Handlung_

Berndorfs aktueller Krimi „Eifel-Kreuz“ konfrontiert den Journalisten Siggi Baumeister mit einem absurden Mord, denn in einer verlassenen Villa entdeckt Baumeister einen jungen Mann namens Sven Dillinger, der wie Jesus Christus gekreuzigt wurde. Fast zeitgleich wird die ermordete Gabriele Sikorkski in der Nähe entdeckt. Die Polizei stellt fest, dass die beiden Fahrzeuge der Ermordeten nebeneinander abgestellt wurden. Ein Zusammenhang scheint deutlich und wird dadurch bewiesen, dass beide Toten auf einem Foto einer Radarfalle erkannt werden. Beide saßen im Porsche der Gabriele Sikorski.

Schnell stellt Siggi Baumeister fest, dass der tote Schüler Sven Dillinger an seiner von Patres geführten katholischen Schule als Querulant galt, der die biblischen Überlieferungen immer wieder anzweifelte. Baumeister stellt zudem fest, dass der Tote den Geistlichen wegen seiner Führungsrolle unter den Schülern ein Dorn im Auge war. Bald stellt sich Baumeister die Frage, ob die Lehrer der Schule so weit gehen würden, den Schüler durch eine Kreuzigung zu bestrafen …

_Das Thema_

Der mittlerweile 70-jährige Autor Jacques Berndorf scheut sich nicht, Strukturen der katholischen Kirche in seinem Roman „Eifel-Kreuz“ zu kritisieren. Das Verschweigen von kirchlichen Skandalen und auch den Missbrauch von jungen Schulkindern durch Geistliche, wie es immer wieder bekannt wurde, stellt Berndorf in den Mittelpunkt. Besonders erschreckend wirkt, wie Rat suchende junge Menschen immer wieder an einer Mauer des Schweigens scheitern.

Stilistisch dreht Berndorf richtig auf. Seine 70 Lebensjahre haben seine literarischen und inhaltlichen Qualitäten nicht verändert. Berndorf vermischt Offenheit für die Kirche und deren Historie mit harscher Kritik an Geistlichen, die weltfremd und herrisch ihren Glauben vertreten. Privat erlebt Berndorfs Titelheld Siggi Baumeister ein „Coming-out“ – seine Tochter offenbart sich als lesbisch. Doch mit ihrer Homosexualität haben Gesellschaft, Kirche und Freunde offenbar mehr Probleme als der weltoffene Siggi Baumeister.

Die Geschichte von „Eifel-Kreuz“ ist spannend, atmosphärisch und zugleich auch sehr kritisch. Berndorf greift Kritiken an der katholischen Kirche auf, die spätestens durch Dan Browns Verfilmung des Romans [„Sakrileg“ 1897 im Jahr 2006 zu heißen Diskussionen führten. Er scheut sich nicht, den Finger in diese Wunde zu legen.

Ohne Zweifel berührt er ein sehr sensibles Thema – vor allem in der erzkatholischen Eifel. Man mag gespannt sein, wie die Leser darauf reagieren. Aber: Er greift nie die Gläubigen an, nein, er greift die „Instrumente“ der Kirche an, die unter Umständen ihre Macht missbraucht.

Berndorf begibt sich in flache Gewässer, traut sich einiges. Und im Grunde spricht er Skandale an, die in den Medien immer wieder ein Thema sind. Dies paart er mit einer äußerst spannenden Kriminalgeschichte. Gelungen!

_Der Autor_

Jacques Berndorf, der eigentlich Michael Preute heißt, feierte am 22. Oktober seinen 70. Geburtstag und lebt in der Eifel. Geboren wurde er in Duisburg, bis er sich Anfang der achtziger Jahre in der Eifel niederließ.

Seine Wege als Journalist führten ihn um zwei Drittel unseres Planeten, und Michael Preute war vor allem auch Berichterstatter aus Krisenregionen. Zu seinen wohl namhaftesten Arbeitgeber gehörten die deutschen Magazine „Stern“ und „Der Spiegel“. Neben zahlreichen Veröffentlichungen als Journalist begann Michael Preute, damals noch nicht unter seinem Pseudonym Jacques Berndorf, auch Bücher zu schreiben, von denen – zwanzig Jahre und älter – viele vergriffen sind.

Heute kaum noch bekannt und doch 1977 ein sicher erfolgreiches Taschenbuch, war eine Biografie über den verstorbenen „King Of Rock ’n‘ Roll“ Elvis Presley. Neben Romanen sah sich Michael Preute auch bei Sachthemen als „Lieferant“ interessanter Fakten. Sein erster Roman jedoch erschien bereits 1970 und hieß „Magnetfeld des Bösen“.

Politik, und dies auch in Verbindung mit Krimis, prägt verschiedene Phasen des Schreibens bei Jacques Berndorf. In den 80er Jahren – der Journalist war mittlerweile in die Eifel gezogen und lebt heute in dem kleinen Südeifeler Ort Dreis-Brück – widmete er sich seiner Kultfigur Siggi Baumeister, einem freien Journalisten, der immer wieder in rasante Storys mit Mord- und Totschlag inmitten der Eifel stürzt.

Seine politischen Erfahrungen als Journalist verarbeitete Preute immer wieder. Bestes Beispiel ist der Krimi „Eine Reise nach Genf“ (1993/2001). Dort arbeitet der Autor eine Legende um den mysteriösen Tod eines deutschen Politikers auf und präsentiert eine spannende Idee, wie es vielleicht war … vielleicht aber auch nicht. Oder „Der letzte Agent“: Nach dem Zusammmenbruch der DDR führen letzte Wege zu Stasi-Spionen im „Westen“, die ihre Machenschaften noch nicht aufgegeben haben, aber natürlich nicht auffliegen wollen.

Bekannt und beliebt ist das Urgestein aber vor allem durch seine Eifel-Krimis, die im |Grafit|-Verlag seit 1989 erscheinen. Über drei Millionen Exemplare der Romane um seinen Helden Siggi Baumeister, den in der Eifel lebenden Journalisten mit der Spürnase für mörderische Fälle, wurden bislang verkauft. Jede neue Story um seinen Helden Siggi Baumeister hat Pfiff und bietet ganz neue Aspekte. Vor allem ist ein freier Journalist als Held der Geschichten eine gute Alternative zu den üblichen Kripobeamten in deutschen Krimis. Seine Recherchen sind daher weitgehend glaubwürdig, und immerhin hat er ja einen Kriminalrat a. D. namens Rodenstock als guten Freund, der ihm bei festgefahrenen Situationen mit guter Spürnase hilft.

http://www.jacques-berndorf.de/
http://www.grafit.de/

Läckberg, Camilla – Eisprinzessin schläft, Die

Das schwedische Fjällbacka ist ein Kaff, wie es im Buche steht. Irgendwo an der ländlich-provinziellen Küste Schwedens gelegen, wo vor allem der Tourismus als Lebensgrundlage dient, seit der Fischfang kein ganz so einträgliches Geschäft mehr darstellt. Klingt alles in allem nicht gerade nach einem Ort, an dem viel passiert – schon gar nicht nach einem Ort, der Stoff für spannende Krimis bietet. Dennoch hat Camilla Läckberg sich gerade ihren Geburtsort Fjällbacka als Handlungsort ihrer Krimis auserkoren. Und das ist durchaus eine kluge Wahl gewesen …

Während des Winters liegt in Fjällbacka der sprichwörtliche Hund begraben. Umso höher schlagen die Wellen, als ein Leichenfund die schwedische Winteridylle trübt. Alexandra Wijkner wird ermordet im gefrorenen Wasser ihrer Badewanne gefunden. Die junge Frau war erfolgreich, reich und schön, doch ihr Ableben gibt allen in Fjällbacka und auch der Polizei Rätsel auf. Wen mochte Alexandra Wijkner sich zum Feind gemacht haben?

Auch Erica Falk stellt sich Fragen wie diese. Erica ist nach Fjällbacka zurückgekehrt, um im Haus ihrer verstorbenen Eltern Klarschiff zu machen und wird dabei in den Mord an ihrer früheren Busenfreundin Alexandra hineingezogen. Gemeinsam mit Kriminalassistent Patrik Hedström sammelt Erica Informationen zu dem Fall, in dem sich so manche sonderbare Verbindung auftut. Eine Spur führt zur Familie des reichen Konservenfabrikanten Lorentz, eine andere zu einem stadtbekannten Säufer. Und was ist mit dem ungeliebten Ehemann der Toten?

Irgendwo hinter all den winzigen Puzzlestückchen, die Erica und Patrik ausgraben, scheint ein altes Geheimnis verborgen zu liegen. Irgendetwas, das vielleicht bis in Alexandras Kindheit in Fjällbacka zurückreicht …

Camilla Läckberg ist mit ihren Krimis in Schweden bislang ziemlich erfolgreich. Über 500.000 verkaufte Bücher sind in einem Land wie Schweden schon ein Wort und dementsprechend wird die Autorin auch von der deutschen Presse gefeiert. Die |Bild am Sonntag| kürt sie gar zu einer „Krimi-Queen“. All das Lob lässt in jedem Fall auf Gutes hoffen, und diese Hoffnungen werden nicht enttäuscht.

Mit Erica Falck und Patrik Hedström schickt Camilla Läckberg ein außerordentlich sympathisches Ermittlerduo ins Rennen. Erica stolpert eher unverhofft in den Fall hinein. Durch Zufall ist sie bei der Entdeckung der Leiche dabei, und da sie früher einmal Alexandras beste Freundin war und nun als Schriftstellerin prädestiniert für die Aufgabe ist, bitten Alexandras Eltern sie darum, den Nachruf für die Zeitung zu schreiben.

Ehe Erica sich versieht, steckt sie auch schon mitten in den Ermittlungen, und da sie nun einmal Schriftstellerin ist, macht sie sich auch gleich ein paar Notizen, um aus der Geschichte um Alexandras Tod später einen Roman entwickeln zu können. Ericas Interesse an dem Fall ist also eher auf persönlichen und schriftstellerischen Interessen begründet. Daraus resultiert auch eine gewisse Unbefangenheit, mit der sie an den Fall herangeht. Sie folgt einfach ihrer Intuition und macht dabei so manche Entdeckung, um die Patrik Hedström sie nur beneiden kann.

Auch Patrik und Erica kennen sich aus früheren Zeit. Im Zuge der Ermittlungen kreuzen sich ihre Lebenswege wieder. Dabei kommen die beiden sich nicht nur beruflich näher. Auch Patrik ist eine äußerst sympathische Figur. Zu lesen, wie die beiden sich vorsichtig einander annähern, ergänzt den Krimi um eine weitere menschliche Facette.

Überhaupt liefert Camilla Läckberg mit „Die Eisprinzessin schläft“ einen Krimi ab, der stets auch immer ein wenig über den Horizont des eigenen Genres hinausschaut. Es trifft genau das zu, was Läckberg ihre Protagonistin Erica über das Schreiben von Krimis sagen lässt: Erica interessiert sich eigentlich weniger für Krimis als vielmehr für die Menschen, die dahinter stecken. Genau das wendet auch Camilla Läckberg an. Sie rückt die Menschen in den Mittelpunkt der Betrachtung, und das hebt sie sehr schön aus der Masse vieler anderer Kriminalautoren heraus. Bei ihr verdient so ziemlich jede Figur eine genauere Betrachtung, auch wenn sie nur marginal Einfluss auf die Handlung nimmt. Da sie dabei auch gleichzeitig beweist, dass sie es vermag, ihren Figuren in die Herzen zu schauen, geht die Rechnung auf. Läckbergs Krimis haben eine unverkennbar menschliche Sicht der Dinge, die einen zusätzlichen Lesegenuss darstellt.

Es ist diese menschliche Sicht der Dinge, die dem Roman auch immer wieder eine positive Note verleiht. Die Autorin krempelt die Vergangenheit ihrer Figuren um und fördert dabei wirklich unschöne und erschütternde Dinge zu Tage, dennoch hat der Roman insgesamt auch eine unverkennbar positive Ausstrahlung.

Damit schafft Camilla Läckberg es (und wenn wir uns schon im Spannungsfeld schwedischer Krimiliteratur bewegen, ist dieser Vergleich wohl unvermeidlich), einen schönen Gegenpol zu den düsteren Krimis zu schaffen, die beispielsweise ein Henning Mankell abliefert. Läckberg braucht den Vergleich mit Mankell nicht zu scheuen, einfach weil die beiden sich letztendlich an entgegengesetzten Punkten des Krimigenres bewegen.

Läckberg schafft in ihrem Plot immer wieder auch Raum für Nebenhandlungen, die der Geschichte zusätzliche Tiefe verleihen. Dabei bettet sie diese Nebenstränge so gut in den Haupthandlungsstrang ein, dass man kaum Kritikpunkte findet – zumal ihr flüssiger und lockerer Erzählstil sein Übriges zum Gelingen beiträgt. Am Ende ergibt die Geschichte ein überzeugendes großes Ganzes. Läckberg hat nicht nur einen Kriminalfall gelöst, sondern auch menschliche Schicksale entblättert. Die Auflösung des Falls gelingt ihr dabei sehr gut und stimmig. Die Motive des Täters werden deutlich nachvollzogen und die losen Enden der Geschichte stimmig zusammengeführt. Handwerklich gibt es daran nichts auszusetzen.

Schön sind auch immer wieder die etwas humorvolleren Töne. So beschreibt Läckberg durch wechselseitige Perspektiven wunderbar Hedströms Chef, der sich einfach absolut unmöglich benimmt, sich dabei aber jederzeit für einen glanzvollen Helden hält. Auch die Betrachtungen von Ericas Verhalten ganz allgemein und speziell gegenüber Patrik geben immer wieder Anlass zum Schmunzeln. Ich musste bei der Lektüre hin und wieder an Bridget Jones denken und war daher auch nicht sonderlich verwundert, als Erica im Laufe des Romans Bridget Jones als ihre Lieblingsheldin nennt. Läckberg schafft es mit diesen humorvollen Zwischentönen und ihrer positiven Grundstimmung, den Krimiplot ganz hervorragend abzurunden.

Bleiben unterm Strich eigentlich keine Wünsche offen. Camilla Läckberg weiß mit ihrem Debütroman „Die Eisprinzessin schläft“ auf ganzer Linie zu überzeugen. Mit Erica Falck und Patrik Hedström hat sie ein wunderbar sympathisches Ermittlerduo geschaffen, dem man gerne bei weiteren Ermittlungen über die Schulter schauen möchte. Die Geschichte ist stimmig erzählt, lässt humorvolle Zwischentöne zu und wirkt trotz der erschütternden Hintergründe des Falls in den Grundzügen ausgesprochen positiv und realitätsnah. Spannend und gleichermaßen unterhaltsam erzählt Läckberg ihre Geschichte und macht dabei wirklich Lust auf mehr. Wie gut, dass mit [„Der Prediger von Fjällbacka“ 2539 bereits ein weiterer Krimi mit Erica und Patrik in den Hauptrollen vorliegt.

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Jane R. Goodall – Keltenmond

Im ländlichen England der 1970er Jahre schlägt ein mysteriöser Mörder seinen Opfern die Schädel ein. Ein weiblicher Polizeiinspektor muss sich die Frage stellen, ob sie einem leibhaftig gewordenen Halbgott aus der Urzeit folgt … – Klassisch britischer Krimi, der den psychologischen Hintergrund nicht vernachlässig. Die Autorin übertreibt es freilich mit dem Legen falscher Spuren und opfert den ausführlich entwickelten ‚keltischen‘ Background für eine ‚normale‘ Auflösung, die so, wie sie präsentiert wird, enttäuscht. Als Lektüre primär dem Krimi-Vielfraß empfohlen.
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Kramp, Ralf – Hart an der Grenze

_Blick in die Vergangenheit_

_Die Story von „Hart an der Grenze“:_

Der US-Amerikaner David Nizer kehrt nach dem Zweiten Weltkrieg zurück an die Front, jener Grenzregion zu Deutschland, wo er als Soldat in den belgischen Ardennen half, die Nazis zurückzuschlagen. Am Ort des Schreckens holen ihn seine Erinnerungen ein. Es verschlägt ihn später in die Eifel. Und Nizer wird tot, mit einer Kugel im Kopf, aufgefunden.

Jedermann denkt, er sei aus freien Stücken aus dem Leben geschieden, aber Herbie Feldmann nicht! Er, der Spinner, der Stimmen hört und von einem Geist namens Julius stets verbal und nur für ihn sichtbar, begleitet wird, stürzt sich in den Fall. Nicht ganz unschuldig daran ist die unattraktive Nelli, die Herbie eigentlich nur heimfahren soll. Auf der pompösen Geburtstagsfeier seiner Tante Hettie wird er zu diesem Auftrag verdammt, die Tochter von Tante Hetties Rechtsanwalt nach Hause zu begleiten.

Doch Nelli schwärmt für Herbie Feldmann, und ihr ist nach Abenteuer zumute. Sie lockt ihn mit dem Fall um den toten Amerikaner und wird neben dem Unsichtbaren Julius Herbies nächster nervtötender „Schatten“ …

_Der Autor_

Ralf Kramp wurde 1963 geboren und arbeitete zunächst als Karikaturist, um sich dann der Schreibkunst zu widmen. Zudem veranstaltet er beliebte Krimi-Wochenenden und ist Eigner des Hillesheimer |KBV|. Zu seinen Autoren gehören unter anderem Jacques Berndorf, Carola Clasen und Carsten Sebstian Henn.

_Eindrücke_

Gewohnt amüsant erzählt Kramp die Story des Herbie Feldmann, der leicht verspinnert ist und nach einer Psychose von dem nur für ihn wahrnehmbaren Julius stets durch freche Kommentare begleitet wird.

Das Strickmuster rund um Herbie Feldmann ist in sechs Romanen recht identisch und starr, doch hat man nie das Gefühl, dass ein Roman dem anderen gliche. Kramp ist als Autor ideenreich und kreativ, weiß zudem, Leser zum Schmunzeln zu animieren. Herbie hat das Anrecht auf einen Kultstatus.

Aber auch der Autor Kramp ist nicht fehlerfrei. In einem der ersten Kapitel wird von einer alten Frau namens Lämpchen berichtet. Diese ist eigenartig und fährt mit ihrem Mofa gerne über Stock und Stein in den Wald, um nachts Tiere zu beobachten. Einige Seiten weiter berichtet der Autor, dass die alte Dame namens Lämpchen keinen rechten Arm, sondern nur einen verkrüppelten Stumpf hat. Der aufmerksame Leser wird sich fragen, wie sie dann überhaupt ein Mofa steuern kann, vor allem, weil der Gasgriff eines Zweirades sich rechts befindet. Und wer kann schon ohne zwei flinke Arme ein Mofa über Stock und Stein bewegen? Diese Art „logischer Fehler“ kann einen aufmerksamen Leser dazu führen, die Lust am Roman zu verlieren.

Trotzdem: Wer diesen „Fauxpas“ schluckt, entdeckt in den vielen weiteren Kapiteln eine sehr spannende und auch atmosphärische Story. Herbie und Julius sind Sympathieträger, kultig, verwegen und in Sachen Humor verschmitzt. „Hart an der Grenze“ ist in der Reihe um Kramps Kultfigur Herbie Feldmann der vielleicht schwächste Roman, und doch ist er lesenswert für all jene, welche die anderen Romane um den sonderbaren „Spinner“ Herbie schätzen.

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Driest, Burkhard – Brennende Schuld

Burkhard Driests Krimis spielen da, wo andere Urlaub machen – auf Ibiza. „Brennende Schuld“ ist bereits Driests dritter Roman um den auf Ibiza ermittelnden Hauptkommissar Toni Costa, der sich stets ein wenig hin- und hergerissen fühlt zwischen seinen Aufgaben als Polizist und den Erwartungen seiner mächtigen und einflussreichen Verwandtschaft.

In seinem dritten Fall ermittelt Costa im Fall einer des Nachts an den Strand gespülten, entstellten Leiche, die seine Lebensgefährtin Karin entdeckt. Bei den Ermittlungen finden Costa und seine Kollegin Elena vor einem antiken Altarstein in einer Höhle unter dem Meer zwei weitere Leichen, beide bis auf die Knochen verbrannt. Die Höhle befindet sich unterhalb der Nekropolis Ibizas, der phönizischen Totenstadt im Herzen der Stadt.

Als Costa das dortige Gelände in Augenschein nimmt, trifft er die Archäologin Dr. Laureana Sanchez, eine Koryphäe auf dem Gebiet der karthagischen Geschichte, die bei den Ermittlungen behilflich ist. Costa und seine Kollegen vermuten hinter den Morden zunächst eine rituelle Opferung. Doch Costa kommen Zweifel an dieser These. Auf eigene Faust deckt er noch andere mögliche Hintergründe auf, bei denen er schon bald auf einen Verdächtigen stößt. Doch als er den verhaften will, bricht ein wahres Inferno los. Plötzlich steht der Wald in Flammen, doch die Löschflugzeuge bringen nicht die erhoffte Rettung, sondern Costa beinahe den Tod …

Schon beim Blick auf den Klappentext verspricht „Brennende Schuld“ eine feine Mischung. Ein spannender Krimiplot, ein bislang im Krimigenre wenig abgenutzter Handlungsort, den viele zumindest aus Urlauberinnerungen kennen, und eine Prise geschichtlicher Kontext. Doch bis ins Letzte kann der Roman dann doch nicht den hoch gesteckten Erwartungen gerecht werden. Gerade anfangs kommt die Geschichte irgendwie nüchtern und distanziert rüber. Man braucht einige Zeit, ehe man wirklich in die Geschichte eintaucht.

Driest lässt zwar sprachlich kaum einen Wunsch offen, dennoch gilt es, die Distanz zwischen Leser und Figuren erst einmal zu überwinden, und das dauerte zumindest in meinem Fall dann doch eine ganze Weile. Immer wieder springt der Autor in der Zeit hin und her. Gerade zu Anfang werden häufig Kapitel eingeschoben, die in der Kindheit der Hauptfiguren spielen und deren tieferer Sinn sich nicht immer direkt erschließt. So wird es tendenziell schwerer, in die Handlung einzutauchen und sich darauf einzulassen.

Erschwerend kommt hinzu, dass Driest mit dem Auftauchen der Archäologin Dr. Sanchez auch den einen oder anderen Ausflug in die phönizische Geschichte macht. Das bremst die Spannung ein wenig aus und trägt ähnlich wie die Vergangenheitskapitel dazu bei, dass die Geschichte sich etwas schwer tut, richtig in Fluss zu kommen. Erst mit fortschreitender Seitenzahl schafft Driest es, mit seinem Plot zu fesseln. Der Fall entwickelt sich zielgerichteter, man taucht tiefer in die Geschichte ein und das Spannungsfeld der Figuren wird zunehmend faszinierender. Was letzteren Punkt anbelangt, entwickelt gerade das Verhältnis von Costa zu seiner Lebensgefährtin Karin seinen Reiz. Karin, die die erste Leiche gefunden hat, ist als Journalistin tätig, was für Costas Arbeitsalltag einiges an Konfliktpotenzial bereithält.

Costa selbst gerät im Laufe der Ermittlungen immer wieder in brenzlige Lagen, die sich spannungssteigernd auf den Plot auswirken. Zumindest in einem Fall ist aber die Auflösung einer solchen brenzligen Situation etwas zu haarsträubend zufallsgeprägt. Dass rein zufällig in dem Moment, als Costa bewusstlos in einem Swimmingpool treibt, die Kollegin mit einem mobilisierten Hubschrauber mitten durch ein Großfeuer zu seiner Rettung herbeieilt, klingt dann doch eher so, als hätte Driest seinen Helden hier in eine Situation manövriert, aus der er keinen glaubwürdigen Ausweg mehr gefunden hat. Das schmälert dann wieder etwas den Lesegenuss, auch wenn der Plot zu diesem Zeitpunkt schon mächtig in Fahrt gekommen ist und sein Spannungspotenzial unaufhaltsam zu entrollen beginnt. Auch die Auflösung des Falls birgt noch einiges an Spannung und ist durchaus klug inszeniert.

Die Figur des Hauptkommissars Toni Costa ist dabei durchaus interessant und facettenreich. Ein bisschen südländisch machohaft wirkt er, obwohl er durch seine deutsche Mutter von den Kollegen kaum als echter Ibizenker angesehen wird. Er ist geschieden, und während er mit seiner deutschen Lebensgefährtin Karin auf Ibiza lebt, wohnt seine Ex-Frau mit den beiden Kindern in Deutschland. Familiäre Dinge spielen in den Plot immer wieder hinein. Toni ist ein Spross einer der einflussreichsten ibizenkischen Familien, die die Insel in politischen wie auch in wirtschaftlichen Belangen ziemlich unter ihrer Fuchtel hat. Und nicht immer scheint der Machterhalt der Familie Costa ganz treu mit den Gesetzen des Landes konform zu gehen. So bringt die Familie für Toni Costa durchaus auch Konflikte in seinem Beruf als Polizist mit sich.

Eine weitere Annehmlichkeit birgt der Handlungsort des Romans. Ibiza ist als Krimischauplatz noch ziemlich unverbraucht, und eine Insel, die der Durchschnittsdeutsche höchstens durch Urlaubsreisen kennt, mal durch die Brille der Einheimischen zu betrachten, hat durchaus seinen Reiz. Driest weiß dabei, wovon er spricht, lebt er doch selbst schon seit Jahren auf der Insel. Für Ibizafans ist die Krimireihe um Hauptkommissar Costa sicherlich ohnehin ein größerer Genuss.

Eine Anmerkung noch zur Kontinuität der Reihe. Man kann die Bände auf jeden Fall einzeln für sich lesen, doch Driest verfährt ähnlich wie beispielsweise ein Henning Mankell. Hier und da nimmt er in der persönlichen Reflektion der Figuren gerne mal Bezug auf vorangegangene Fälle. Wer sich also nicht die Spannung vermiesen möchte, tut gut daran, die Reihe in der vorgesehenen Reihenfolge zu lesen, d. h. erst „Roter Regen“, dann „Liebestod“ und zu guter Letzt „Brennende Schuld“.

Bleibt unterm Strich ein etwas durchwachsener Eindruck zurück. Ibiza als Handlungsort ist durchaus reizvoll, auch wegen der interessanten geschichtlichen Hintergründe. Auch die Figur des Hauptkommissar Costa weiß zu überzeugen. Ein paar Schwächen im Handlungsaufbau können diese Vorzüge allerdings nicht verbergen. Auch wenn Driest sprachlich sein Handwerk durchaus versteht, bremst er im Aufbau die Spannung manchmal etwas aus, greift zumindest in einem Fall zu sehr in die Zufallskiste und gestaltet den Einstieg in die Geschichte durch seine Handlungssprünge und geschichtlichen Einschübe leider so unruhig, dass man sich etwas schwer tut, richtig in die Geschichte einzutauchen.

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Ed McBain – Big Bad City

Trotz Sommerhitze und Überlastung versuchen die Polizisten des 87. Reviers, einige ebenso blutige wie bizarre Verbrechen aufzuklären, während sich ein Attentäter daranmacht, an einem der Beamten tödliche Rache zu üben … – Mit dem 49. Band führt Autor McBain seine legendäre Krimi-Serie problemlos ins 21. Jahrhundert. Klassisch setzt er diverse Stränge zu einer spannenden Geschichte zusammen, die wie immer auch Teil der Chronik des 87. Polizeireviers ist: wunderbar!
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Noll, Ingrid – Apothekerin, Die (SZ Kriminalbibliothek 45)

Die Apothekerin Hella Moorman liegt im Heidelberger Frauenkrankenhaus. Ihre Bettnachbarin ist die ältere Rosemarie Hirte, der sie nach und nach aus ihrem abenteuerlichen Leben erzählt. Hella erlebte eine schwere Kindheit, mit einem strengen Vater und einem Außenseiterdasein in der Schule. Ein katastrophaler Unfall sorgt endgültig für ein Trauma bei dem jungen Mädchen, das sich seitdem ganz zurückzieht und verbissen für gute Noten arbeitet.

Ihre Partner entpuppen sich gewöhnlich als labile Sorgenkinder, die mit Selbstmordgedanken spielen oder Drogen nehmen. Mit dreißig Jahren lernt sie den jüngeren Zahnmedizin-Studenten Levin kennen, mit dem sie erstmals an eine dauerhafte Zukunft mit Familie denkt. Levin jedoch ist ein sprunghafter, verschwenderisch lebender Jüngling mit deutlich weniger ernsten Absichten. Während Hella hofft, dass ihr Traum von Hochzeit und Kindern doch noch in Erfüllung geht, wartet Levin auf den Tod seines reichen Großvaters Hermann Graber, der an einer Herzkrankheit leidet. Der alte Herr, der wenig von Levin hält, lebt in einer feudalen Villa, gemeinsam mit der jungen, liederlichen Margot, die ihm den Haushalt führt. Levin steht unter Druck, seit Dieter, Margots Ehemann, aus dem Gefängnis entlassen wurde. Dieter ist sein alter Kumpel, der Rache sucht und Levin erpresst. Levin überredet Hella zur Beihilfe zum Giftmord an seinem Großvater, um rascher an das Erbe zu gelangen. Nach langem Zögern willigt Hella ein. Sie mag den alten Großvater zwar, aber die Angst um Levin ist größer.

Das Testament birgt eine Überraschung: Als Haupterbin ist Hella eingesetzt, unter der Voraussetzung, dass sie Levin innerhalb eines halben Jahres heiratet. Das frische Brautpaar zieht in die Villa ein, Levin gewährt dort außerdem seinem versöhnten Kumpel Dieter und seiner Frau Margot Unterschlupf. Mit Unbehagen bemerkt Hella, dass Levin sie hauptsächlich wegen des Geldes geheiratet hat und vermutet auch langsam ein Verhältnis mit Margot. Dafür nähert sie sich selber Dieter an, der viel mehr Verständnis aufzubringen scheint als Levin. Doch es dauert nicht lange, bis diese prekären Beziehungskonstellationen eskalieren. Levins Großvater wird nicht der letzte Tote in Hellas Leben sein …

_Morde im Stil der Borgias_

Mörderische Ladys sind Ingrid Nolls Spezialgebiet. Auch ihr dritter Roman überzeugt durch Spannung und viel schwarzen Humor, den ihre Fans so sehr an ihr lieben.

Mit Hella Moormann hat sie eine für sie sehr typische Frauenfigur geschaffen. Hella ist intelligent und strebsam, ein bisschen spröde, vernunftbetont und gut organisiert. Diese Eigenschaften zeichneten sich bereits in der Kindheit ab, die zu Beginn in kurzen Auszügen erzählt wird. Hella hängt an ihrem Vater, der es jedoch als strenger Vegetarier seiner Familie nicht leicht macht. Ein schlimmer Zwischenfall mit katastrophalen Folgen in der Schule zerrüttet das familiäre Verhältnis endgültig und Hellas Außenseiterleben bestätigt sich. Der Beruf als Apothekerin entspricht in mehrfacher Hinsicht ihrem Charakter. Sie hat einen guten Sinn für Details und Kleinigkeiten, sie arbeitet mit viel Sorgfalt und liebt es, Dinge zu sortieren und mit viel Feinsinn zu behandeln. Gleichzeitig besitzt sie ein ausgeprägtes Helfersyndrom. Um die Leere in ihrem eigenen Leben auszufüllen, widmet sie sich mit Hingabe problembelasteten Männern; Selbstmordkandidaten, labile Persönlichkeiten und ehemalige Häftlinge finden bei ihr Zuspruch und ein warmes Bett. Da ist es kein Wunder, dass auch Levin in diese Sammlung hineinpasst. Levin gehört zum Typ der „großen Jungen“; er ist ein Wildfang mit viel Temperament, der sich zu Hellas Freude wie ein Kind für bestimmte Dinge begeistern kann. Andererseits gehört auch eine gehörige Portion Unreife zu seiner Person. Levin liebt den Luxus und die Verschwendung, Porschewagen sind seine große Leidenschaft und er besitzt keine Ambitionen, sein Studium zu beenden. Die kluge Hella erkennt zwar seine Unzulänglichkeiten und sie ahnt, dass Levin ihren Traum von einer kleinen Familie kaum teilen wird, doch sie hofft, mit dem nötigen Einfluss seinen Charakter zu festigen.

Fast alle Figuren im Roman vereinen mehrere Seiten in sich. Das gilt auch besonders für Dieter, den man vor seinem ersten Auftritt als gefährlichen Ex-Knacki beschrieben bekommt, ehe er sich dann zeitweise sogar sehr sensibel verhält und vorübergehend Levin aus Hellas Herz verdrängt. Hauptfigur Hella ist eine gelungene Mischung aus positivem und negativem Charakter. Sie ist wahrlich keine Heldin, beweist Unzulänglichkeiten, fällt auf die falschen Männer herein und nimmt es später mit der Treue selber nicht mehr so genau. Trotzdem fiebert man mit ihrem Schicksal mit, amüsiert sich über ihre ironisch-zynischen Schilderungen und ist gespannt, was in ihrem Leben als nächstes geschieht.

|Viel Spannung, viel Humor|

Die Spannung entspringt dabei vor allem zwei Gründen: Zum einen läuft bei Ingrid Noll fast jeder Charakter Gefahr, um die Ecke gebracht zu werden. Die Handlung nimmt immer neue überraschende Wendungen, sodass man nicht sicher sein kann, wer hier als nächstes gegen wen intrigiert und ob man jemanden nicht voreilig falsch eingeschätzt hat. Nicht nur der leichtlebige Levin, der zwielichtige Dieter und die ordinäre Margot sind unberechenbar, sondern auch Hella selbst. Das beste Beispiel dafür ist die Beihilfe zur Ermordung von Hermann Graber, die Hella schwerste Gewissensbisse einbringt. Auch das reiche Erbe ist kein Trost für sie, denn geldgierig ist sie nie gewesen. Doch der brennende Wunsch, mit Levin ein glückliches Familienleben führen zu können, ist so stark, dass sie dafür selbst kriminelle Methoden in Kauf nimmt. Zum anderen deutet Hella in ihren Gesprächen mit Rosemarie Hirte immer wieder bestimmte Ereignisse an, ohne zu viel vorwegzunehmen, sodass der Leser es kaum erwarten kann, bis er Genaueres erfährt. Nicht nur Frau Hirte wundert sich über manche Andeutungen und fragt sich, welche Wendungen auf den Hörer bzw Leser noch zukommen werden.

Auch in diesem Roman überzeugt die Autorin durch den unverwechselbaren Stil, in dem sie ihre Protagonistin erzählen lässt. Hella Moormann kommentiert ihr Leben in einer lakonischen Sprechart, hat keine Scheu vor Selbstironie und gewinnt so auch tragischen und dramatischen Ereignissen eine galgenhumorige Note ab. Auch wenn Hella ihre Fehler erkennt und vor Selbstkritik nicht zurückschreckt, wird es mit der Moral nicht gerade genau genommen. Empfindliche Leser, die mit schwarzem Humor nicht viel anfangen können, werden womöglich eher befremdet reagieren. Allen anderen dürfte dieser spezielle Krimispaß ein großes Lesevergnügen bereiten.

|Wiedersehen mit Frau Hirte|

Die Handlung spielt zwar in zwei Zeitrahmen, aber Gefahr, dabei durcheinanderzukommen, läuft man ganz sicher nicht. Der größte Teil der Erzählung besteht aus Rückblenden, in denen Hella aus der Zeit mit Levin erzählt. Die Kapitel werden dann oft mit Szenen aus der Gegenwart eingeleitet, in denen Hella im Krankenhaus liegt und sich mit Frau Hirte unterhält. Der besondere Clou in diesem Gegenwartsstrang liegt darin, dass Rosemarie Hirte für Noll-Leser keine Fremde ist, sondern die Hauptfigur in Nolls Debütroman „Der Hahn ist tot“ war. Während Hella Moorman die 58-jährige Dame neben sich für eine alte, etwas langweilige Jungfer hält, die sie mit ihren Mordgeschichten schockt, ahnt sie nicht, dass Rosi Hirte ihr vor nicht allzu langer Zeit in nichts nachstand, selber ein paar Leutchen auf dem Gewissen hat und nicht weniger schauerliche Geschichten zum Besten geben könnte.

|Kleine Mankos|

Nolls große Stärken sind zum einen das Erschaffen von emanzipierten Frauenfiguren, die sich trotz ihrer Durchschnittlichkeit und Sympathie zu Mörderinnen entwickeln, und zum anderen die humorvolle Darstellung von Rache- und Mordgeschichten. Die Schwäche liegt darin, dass sich dieses Schema beinahe in jedem Roman finden lässt und sich die Figuren wie auch die Motive ähneln. Fans kommen dabei jedes Mal aufs Neue auf ihre Kosten, andere Leser können sich, wenn sie schon eines oder mehrere Werke gelesen haben, allerdings langweilen. Alleine die Protagonistinnen aus den Romanen „Der Hahn ist tot“, „Die Apothekerin“ und „Die Häupter meiner Lieben“ weisen starke Parallelen auf. Kindheit, Jugend und frühe Erwachsenenzeit sind geprägt durch Konflikte, Außenseiterdasein und viele Enttäuschungen in zwischenmenschlicher Hinsicht, vor allem in Liebesdingen. Hella Moorman ist zwar jünger als Rosemarie Hirte, aber beide Frauen verbindet die vergebliche Suche nach einem passenden Partner, nach der großen Liebe, mit der sie traute Zweisamkeit und ein Familienleben verwirklichen können. Die Morde ergeben sich nicht aus Gier oder gar Grausamkeit heraus, sondern entstehen beinah ungewollt und als notwendige Übel. Ohne Zweifel ist es höchst amüsant, wie diese jungen und nicht mehr ganz so jungen Damen auf der Suche nach dem großen Glück zu unpopulären Mitteln greifen und in Mordangelegenheiten verwickelt werden, die nicht einmal sie selber sich jemals zugetraut hätten. Doch der Abnutzungseffekt kann nicht wegdiskutiert werden, und wer kein erklärter Fan von Ingrid Noll ist, wird dem Schema auf Dauer kritisch gegenüberstehen.

Stärke und Schwäche liegen auch in den Insideranspielungen nah beieinander. Wer Nolls Debütroman „Der Hahn ist tot“ noch gut in Erinnerung hat, wird über das Wiedersehen mit Rosemarie Hirte begeistert sein. Die Anspielungen auf Rosi Hirtes Leben sind recht dezent gehalten, sodass die Kenntnis des anderen Romans nicht zwingend notwendig ist. Aber der Spaßfaktor liegt doch beträchtlich höher, wenn man um die Umstände aus „Der Hahn ist tot“ weiß. Zudem besteht die Gefahr, dass einem der Lesespaß bei „Der Hahn ist tot“ durch manche Details aus der „Apothekerin“ verdorben wird, denn Rosi Hirte gibt ein paar Einzelheiten preis, die recht bedeutsam für den Handlungsverlauf ihrer Geschichte sind – im letzten Drittel wird sogar ein Teil des Ausgangs dieser Geschichte verraten. Auch wenn die Bücher grundsätzlich voneinander unabhängig zu lesen sind, ist es deswegen dringend anzuraten, sich erst „Der Hahn ist tot“ zu widmen und anschließend zur Lebensbeichte von Hella Moormann zu greifen.

Irritierend ist außerdem Hellas Reaktion auf einen positiven Schwangerschaftstest, den sie erst vom Arzt überprüfen lassen will. Dass ein Test fälschlich negativ ausfällt, kommt schon mal vor, entweder weil man zu früh getestet hat oder sich das Schwangerschaftshormon erst später in ausreichender Menge bildet. Dass umgekehrt das Hormon vorhanden ist, obwohl man nicht schwanger ist, ist praktisch nicht möglich, außer bei seltenen Tumoren, die das Hormon ebenfalls produzieren, oder bei einer unbemerkten Fehlgeburt im frühen Stadium. So wie die Protagonistin hier spricht, klingt es, als sei es gar nicht mal selten, dass falsch positive Teste vorkommen, was so nicht stimmt. Gerade weil Hella Moormann selber Apothekerin ist, also das nötige Fachwissen besitzt, stört diese Ungenauigkeit.

_Unterm Strich_ hat man es hier mit einem vergnüglich-spannenden Krimi zu tun, der vor allem weibliche Leser mit Spaß an schwarzem Humor begeistern wird. Kleine Parallelen zu Nolls anderen Romanen schwächen den Gesamteindruck zwar ein klein wenig, der aber trotzdem insgesamt sehr überzeugend ist.

_Die Autorin_ Ingrid Noll wurde 1935 als Tochter eines Arztes in Shanghai geboren. Mit 14 Jahren siedelte sie mit ihrer Familie nach Deutschland über, wo sie in Bonn Germanistik und Kunstgeschichte zu studieren begann. Erst im Alter von 55 Jahren veröffentlichte sie mit „Der Hahn ist tot“ ihren ersten Roman, der sofort die Bestsellerlisten stürmte. Es folgten weitere Werke, allesamt humorvolle Krimis, die sich meist um mordende Alltagsfrauen drehen, u. a.: „Die Häupter meiner Lieben“, „Selige Witwen“, „Röslein rot“. Mehrere ihrer Bücher wurden bereits verfilmt.

James, Peter – Stirb schön

Mit „Stirb schön“ veröffentlicht Peter James den zweiten Roman rund um Roy Grace, der bereits in „Stirb ewig“ einen grausigen Fall zu lösen hatte. Peter James ist von Haus aus eigentlich Filmproduzent und versteht es vielleicht auch deshalb besonders gut, seine Leser von der ersten bis zur letzten Seite zu fesseln, ohne sein Publikum zu Atem kommen zu lassen.

Das vorliegende Buch beginnt mit einem Paukenschlag; gleich im ersten Satz lernen wir Janie Stretton kennen, eine wunderschöne und intelligente Jurastudentin, die nebenbei für einen Begleitservice gearbeitet hat. Noch im ersten Absatz teilt James uns mit, dass Janie nicht mehr lange zu leben hat, denn wir begegnen ihr am letzten Tag ihres Lebens. Gleich von Beginn an ist die Zielrichtung also klar. Bevor allerdings Janie ihrem Mörder begegnet, lernen wir auch Tom Bryce kennen, der ein eigenes Unternehmen leitet, das finanziell in der Krise steckt. Doch das ist nicht die einzige Sorge, die Tom quält, denn der Umzug in ein teures neues Heim und die eBay-Sucht seiner geliebten Frau Kellie treiben Tom noch weiter in den Ruin. Hinzu kommen die nervige Pendelei im überfüllten Zug und der fette Mann, der ihm dieses Mal gegenüber sitzt und ganz besonders lautstark telefoniert. Als der dicke Mann aussteigt, bemerkt Tom, dass dieser eine CD-ROM vergessen hat. Tom nimmt diese an sich, ahnt allerdings noch nicht, dass er sich damit viel Ärger eingehandelt hat …

Als Tom Bryce abends besagte CD-ROM in seinen Laptop einlegt und startet, wird er live Zeuge, wie Janie Stretton von ihrem Mörder brutal abgeschlachtet wird. Tom ist schockiert, glaubt jedoch zunächst, einen besonders realistischen Filmtrailer gesehen zu haben. Kurze Zeit später wird ein menschlicher Torso gefunden, der Kopf bleibt jedoch verschwunden. Detective Superintendent Roy Grace beginnt seine Ermittlungen und findet bald heraus, dass es sich bei der ermordeten jungen Frau um Janie Stretton handelt. Nach und nach taucht er in den Fall ein und kommt langsam, aber sicher den Mördern näher, die ihre grausige Tat live ins Internet übertragen haben.

Schneller, als ihm lieb ist, muss Tom Bryce erkennen, dass er nicht nur einen Filmtrailer, sondern einen realen Mord gesehen hat, denn er bekommt Drohmails, die anschließend seine Festplatte löschen. Als er seiner Frau Kellie von diesen erschreckenden Ereignissen erzählt, rät sie ihm, entgegen der Forderung des unbekannten Mailabsenders doch zur Polizei zu gehen. So gibt Bryce sich bei der Polizei schließlich als Mordzeuge zu erkennen, wird diesen Schritt allerdings noch bitter bereuen …

Peter James hat mit „Stirb schön“ einen rasanten und spannenden Thriller vorgelegt, der seine Leser von der ersten bis zur letzten Seite zu fesseln weiß. Von Anfang an legt James ein Tempo vor, dem der Leser sich nicht entziehen kann. Dabei macht er verschiedene Handlungsebenen auf, auf denen sich später die Ereignisse abspielen werden. Ein Schauplatz rankt sich um Tom Bryce und seine Familie sowie seine familiären Probleme. Obwohl er seine Frau über alles liebt, erkennt Bryce doch auch auftauchende Schwierigkeiten, die insbesondere finanzieller Art sind, da seine Frau ihm zuletzt einen mehrere tausend Dollar teuren Grill ersteigert hat.

Eine weitere Erzählebene widmet sich dem Ermittler Roy Grace, dessen Frau Sandy vor einigen Jahren spurlos verschwunden ist. Seitdem sucht Grace verzweifelt nach Spuren, die ihn zu seiner Frau führen könnten. Sobald ein bekanntes Medium die Stadt bereist, besucht er die Aufführung und versucht dort ebenfalls, die Gründe für das Verschwinden seiner Frau zu ergründen. Doch nun hat Grace sich neu verliebt und lässt sich auf Anraten seines Kollegen neu einkleiden, um die angebetete Cleo zu beeindrucken. Und tatsächlich wird das erste Date ein voller Erfolg, nur leider muss Grace später erfahren, dass er offensichtlich nicht der einzige Mann in Cleos Leben ist. Im Laufe der Geschichte kann Roy Grace beim Leser jede Menge Sympathiepunkte sammeln und wird so zu einer hoffentlich festen Größe in Peter James‘ Spannungsromanen.

Aber auch die Ermittlungen selbst nehmen natürlich einen großen Raum im Buch ein. Ein wichtiger Punkt ist hierbei Tom Bryces Laptop, auf dem Spuren nach den unbekannten Betreibern der Snuff-Homepage gesucht werden. Die Polizei lässt ihre besten Computerspezialisten ans Werk gehen, doch auch diese stehen dem Laptop ziemlich ratlos gegenüber. Auch Janie Strettons bewegtes Leben wird genau unter die Lupe genommen, wobei die Polizei recht bald auf einen Freier stößt, mit dem Janie in der Zeit vor ihrem Tod mehrere Verabredungen hatte und der dadurch zu einem der Verdächtigen wird. Ein großes Rätsel stellt auch der tote Skarabäus dar, der in der Leiche gefunden wird. Was will der Mörder damit sagen?

Während die Polizei lange Zeit im Dunkeln tappt, nähern die Verbrecher sich mit rasenden Schritten Tom Bryce und seiner Familie, die immer wieder bedroht werden und ganz offenbar im Zielkreuz stehen. Am Ende ist die Polizei so verzweifelt, dass sie sogar ein Medium zurate ziehen, das per Auspendeln bei der Auflösung des Mordfalles helfen soll.

Peter James eröffnet zahlreiche Handlungsstränge, zwischen denen er in rasantem Tempo hin- und herschaltet, um die Spannung immer weiter zu steigern. Zwischendurch kann man allerdings leicht den Überblick über alle ermittelnden Polizeibeamten verlieren, die größtenteils mit familiärem Anhang vorgestellt werden, sodass ich mir nur einen Bruchteil der Figuren überhaupt merken konnte. In Anbetracht des eher geringen Buchumfangs hätte Peter James sich durchaus auf einige wenige Ermittler beschränken und diese umso besser vorstellen können. Aufgrund der Fülle der auftauchenden Figuren erhalten nur die wichtigsten ein eigenes Profil, auf die anderen Charaktere hätte man daher größtenteils auch gut verzichten können.

Insgesamt bleibt aber definitiv ein positiver Gesamteindruck zurück, da Peter James es ausgesprochen gut versteht, seine Leser ans Buch zu fesseln und gekonnt zu unterhalten. „Stirb schön“ reicht sicherlich nicht an großartige Thriller wie „Das Schweigen der Lämmer“ und Co. heran, dennoch habe ich das Buch sehr gerne gelesen und werde mit Sicherheit wieder zu einem Buch von Peter James greifen. „Stirb schön“ ist genau das Richtige für dunkle, verregnete und ungemütliche Winterabende, bei denen man es sich mit einem spannenden Buch auf dem Sofa gemütlich machen möchte.

http://www.stirbschoen.de/
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Huston, Charlie – Ein gefährlicher Mann

Anfangs war der sympathische Verlierertyp Hank Thompson noch [„Der Prügelknabe“. 1469 Durch Zufall und weil er ein so netter Kerl ist, der nichts Böses ahnt, gerät er in einer Auseinandersetzung unter Gangstern zwischen die Fronten. Doch Hank hat eine gehörige Portion Glück und so gelingt ihm die Flucht – im Gepäck viereinhalb Millionen Dollar, die nicht wirklich ihm gehören.

Und so wird aus dem Prügelknaben [„Der Gejagte“. 1518 Hank setzt sich nach Mexiko ab und lebt ein gemütliches Leben zwischen Bungalow und Strandbar. Das geht aber nur so lange gut, bis in Hanks geliebter Strandbar ein Typ mit russischem Akzent auftaucht. Hanks geheimes Leben in Mexiko droht aufzufliegen und so tritt er erneut die Flucht nach vorn an. Zurück in den USA, zieht Hank schon bald wieder eine Spur der Verwüstung hinter sich her, doch so sehr Hank auch zu entkommen versucht, am Ende hat David Dolokhov, ein russischer Gangsterboss, Hank in der Hand. Und Hank hat nicht einmal mehr die viereinhalb Millionen Dollar parat, um sich freizukaufen.

Hank hat keine andere Wahl als in den Dienst von David zu treten, und so wird er „Ein gefährlicher Mann“. Mit David ist vereinbart, dass Hank für ihn als Schläger und Killer arbeitet und David im Gegenzug das Leben von Hanks Eltern verschont. Hank macht, was von ihm verlangt wird, aber er selbst geht dabei vor die Hunde. Er verliert jeglichen Lebensmut und übersteht die meisten Tage nur zugedröhnt mit Tabletten.

David bleibt die schlechte Verfassung seines geheimen Schützlings nicht verborgen, und so setzt er Hank bald auf einen neuen Auftrag an, der etwas weniger düster ist: Hank soll den aufstrebenden Baseballstar Miguel Arenas als Bodyguard beschützen. Arenas hat aufgrund seiner Spielsucht einen riesigen Berg Schulden bei David. Davids Plan ist es, Miguel von sich abhängig zu machen. Unter Hanks Aufsicht soll Miguel weiter Schulden aufhäufen, damit er als Profibaseballer manipulierbar wird.

Doch nebenbei hat Hank noch andere Sorgen. Davids Schwägerin Anna (deren Sohn Mickey in Mexiko von Hank umgebracht wurde) schwört Rache und will Hank aufspüren und notfalls mit Hilfe ihrer beiden skrupellosen, russischen Neffen ermorden. Es kommt zum Showdown in New York, wo sich schon bald die Ereignisse überschlagen …

Bereits mit den ersten beiden Teilen seiner Trilogie um den sympathischen Verlierertypen Hank Thompson hat Charlie Huston, von Haus aus Drehbuchautor, bewiesen, dass er sein Handwerk versteht. Ein Buch der schnellen Schnitte – hart, lakonisch und temporeich erzählt. Die Geschichte ist für eine Verfilmung prädestiniert und so verwundert es nicht, dass die Filmrechte bereits nach Hollywood verkauft wurden. Für „Der Gejagte“ wurde Charlie Huston obendrein mit dem Edgar Award, dem wichtigsten amerikanischen Krimipreis, belohnt.

Huston versteht es, einen actiongeladenen Plot mit rabenschwarzem Humor zu verquicken und hat mit Hank Thompson eine Hauptfigur erschaffen, der man viele Sympathien entgegenbringen kann. Hank schliddert im ersten Band der Reihe so unverhofft in die Geschichte, wie es jeden Menschen treffen könnte. Seine Hilfsbereitschaft wird damit belohnt, dass er zwischen die Fronten einer Auseinandersetzung unter Gangstern gerät. Für Hank geht es dabei ums nackte Überleben, und um mit heiler Haut aus der Sache rauszukommen, muss er schon bald Gewalt anwenden.

Dadurch verliert er im Laufe der Reihe natürlich ein paar Sympathiepunkte. Hanks Weg durch die Geschichte ist gepflastert mit Leichen, dennoch bleibt er durchaus sympathisch. Hank versucht mit allem, was er tut, das Leben seiner Eltern zu schützen, das der Gangsterboss David Dolokhov quasi als Pfand für Hanks Loyalität missbraucht. Die eingebüßten Sympathiepunkte erobert Hank Thompson sich dabei zum Ende der Geschichte wieder zurück. Huston beendet die Geschichte so, dass Hank einem wieder so sympathisch ist wie ganz am Anfang – und das durchaus glaubwürdig.

Auch ganz grundsätzlich betrachtet, ist „Ein gefährlicher Mann“ ein stimmiger Schlusspunkt der Trilogie. Huston führt die Geschichte gelungen und glaubwürdig zu Ende und rundet die Geschichte damit auf gelungene Weise ab. Zwar wirkt der letzte Teil nicht mehr ganz so spritzig und humorvoll, wie es gerade beim zweiten Teil „Der Gejagte“ der Fall ist, dennoch führt Huston die Geschichte auf stimmige Weise fort. Der Humor konzentriert sich in diesem Band vor allem auf den Starkult, den die „Fans“ von Hank Thompson um den meistgesuchten Mann Amerikas in Internet zelebrieren. Letztendlich fällt der letzte Teil gerade anfangs um einiges düsterer aus. Hank ist drauf und dran, den Lebensmut völlig zu verlieren. Ohne Tabletten läuft eigentlich nichts mehr und sein Dasein ist dermaßen trostlos, dass die humorvolle Note des Vorgängerbandes zwangsläufig weniger ausgeprägt ist.

Seinem Stil bleibt sich Huston ansonsten treu. Schnelle Schnitte, wie in einem Actionfilm, harte, ungeschönte Beschreibungen, die auch mit Brutalität nicht geizen, und Dialoge mit vielen F-Wörtern. Charlie Huston lässt sich innerhalb des Krimigenres eben eher der Hard-Boiled-Ecke zuordnen.

Für Quereinsteiger ist „Ein gefährlicher Mann“ übrigens absolut ungeeignet. Wer nicht weiß, was vorher alles schon passiert ist, der wird kaum folgen können. Da sich die Bücher von Charlie Huston aber ohnehin in Rekordzeit durchlesen lassen, da sie äußerst locker und flott geschrieben sind, kann das eigentlich niemanden stören.

Bleibt unterm Strich festzuhalten, dass Charlie Huston mit „Ein gefährlicher Mann“ einen stimmigen Schlusspunkt für seine Hank-Thompson-Trilogie geschaffen hat. Wer schon die Vorgängerbände mochte, der wird auch an diesem Band seine wahre Freude haben. Hank Thompson bleibt ein Sympathieträger in einem temporeichen und mitunter ziemlich blutigen Plot. Actionreiches, rasantes und mitunter schwarzhumoriges Kopfkino, das über alle drei Teile der Reihe zu überzeugen weiß. Das gelungene Finale rundet die Reihe stimmig ab und unterstreicht den guten Eindruck, den Charlie Huston mit den ersten beiden Bänden hinterlassen hat.

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Thomas Harris – Hannibal Rising

Thomas Harris‘ Hannibal-Trilogie (mittlerweile muss man wohl Quatrologie sagen) schlug im Thriller-Genre ein wie eine Bombe. Hannibal Lecter ist der Prototyp des wahnsinnigen und intelligenten Bösewichts, der grausamer ist als viele seiner „Kollegen“ und oft kopiert, aber bislang selten (gar nicht?) erreicht wurde. Auch die Verfilmungen der drei Romane waren erfolgreich wie kaum andere Thrilleradaptionen, der Film zum zweiten Teil [„Das Schweigen der Lämmer“ 354 wurde nicht zu Unrecht als bester Film ausgezeichnet und hat in diesem Genre Maßstäbe gesetzt, die natürlich auch auf dem Erfolg des gelungenen Buches fußen.

Wie so oft, wollen Autoren ihre erfolgreichen Reihen fortsetzen, solange sich damit noch Geld machen lässt, doch leider können diese Fortsetzungen oder auch Sequels/Prequels oft genug nicht adäquat an die Erfolge der Vorgängerromane anknüpfen. Dies ist leider auch bei „Hannibal Rising“ der Fall. Doch beginnen wir am Anfang:

Zur Zeit des zweiten Weltkrieges leben der junge Hannibal Lecter und seine kleine Schwester Mischa zusammen mit ihren Eltern in der Burg Lecter in Litauen. Der einstige Reichtum der traditionsreichen Familie Lecter ist bereits vergangen, die Gemälde und Schätze der Burg Lecter wurden gestohlen und werden Hannibal zu späteren Zeiten erneut begegnen. Nazis treiben ihr Unwesen in der Gegend, und nachdem Hannibals Eltern ums Leben kamen, sind Hannibal und die kleine Mischa auf sich alleine gestellt. Als sich einige Deserteure bei den Lecters einquartieren, erlebt Hannibal die bislang schlimmste Zeit seines Lebens. Seine Schwester und er werden von den Deserteuren gequält, doch schließlich kann Hannibal entkommen.

Als man den inzwischen stummen und verstörten Jugendlichen findet, bringt man ihn in ein Waisenheim, wo Hannibal von schweren Albträumen heimgesucht wird. Seine Schwester Mischa dagegen ist verschwunden und Hannibal kann sich an nichts erinnern. Nachts quälen ihn böse Gedanken, die ihn zurück in eine düstere Scheune und zurück zu seiner Schwester führen. Doch tagsüber lässt Hannibal diese Gedanken nicht zu, aus Angst, mit ihnen nicht fertig werden zu können.

Hannibals Onkel und seine schöne japanische Frau, die Lady Murasaki, nehmen den Jungen zu sich nach Frankreich, wo Hannibal endlich wieder im Kreise seiner Familie leben kann. Hannibal fühlt sich immer mehr zu Lady Murasaki hingezogen und rächt die japanische Dame auf grausame Weise, als diese empfindlich beleidigt wird. Der Junge überspringt einige Jahre in der Schule und beginnt in jungen Jahren sein Medizinstudium, in dem er seine besonderen Talente in der Anatomie entdeckt. Nachdem er sich durch eine Wahrheitsdroge an die Dinge erinnern kann, die seiner geliebten Schwester angetan wurden, sinnt Hannibel auf Rache und wird zu dem uns bekannten Kannibalen …

Thomas Harris‘ Ansinnen, uns Hannibal Lecters Wandlung zum Kannibalen zu erklären, ist gar nicht so verkehrt. Natürlich interessiert es den Fan der vergangenen drei Bände, wie Hannibal Lecter zu dem brutalen und berechnenden Monster werden konnte, als das wir ihn ab dem „Roten Drachen“ antreffen. Doch leider verpackt uns Thomas Harris diese spannenden Informationen in einem Roman, der jeglichen Spannungsbogen vermissen lässt und mir schier endlos vorkam. Stilistisch fällt „Hannibal Rising“ damit völlig aus dem Rahmen und will sich so gar nicht in die Hannibal-Reihe einfügen. Harris bemüht sich in diesem Prequel, uns Hannibal als kleinen noch unschuldigen Jungen zu präsentieren, der glücklich in seiner Familie aufwächst und einen Narren an seiner kleinen Schwester gefressen hat. Doch diese menschliche Seite ist es gar nicht, die man uns noch vorstellen muss, da wir diese durchaus kennen. Immerhin hat Hannibal gegenüber Clarice Starling schon oft genug Sympathie und menschliche Gefühle gezeigt.

Hannibals schlimme Kindheit breitet uns Thomas Harris in nahezu epischer Breite aus, ohne dabei aber auf den Punkt zu kommen. Immer wieder deutet Harris an, dass Mischa etwas Schreckliches passiert sein muss, doch kann man als Leser natürlich bereits ahnen, was die Deserteure mit ihr angestellt haben müssen, um Hannibals Wandlung zu einem Kannibalen zu erklären. Die stärksten Szenen im Buch sind meiner Meinung nach diejenigen, als wir den kleinen Hannibal als verstörten und stummen Jungen im Waisenheim treffen, der von Alpträumen geplagt wird und sich ständig fragt, was bloß aus seiner Schwester geworden ist, die auf mysteriöse Weise verschwand. In manchen Situationen blitzt bereits Hannibals aggressiver Charakter hervor, doch dominiert hier noch Hannibals verletzliche Seite, die schlussendlich zu seiner grausamen Wandlung führt.

Leider häufen sich im weiteren Verlauf des Buches die Ungereimtheiten, die uns kaum oder gar nicht erklärt werden. Mir ist beispielsweise Hannibals merkwürdige Liebe zu Lady Murasaki, die scheinbar auch noch erwidert wird, nicht wirklich klar geworden. Wieso die glücklich verheiratete Lady Murasaki sich zu einem Jugendlichen hingezogen fühlt, von dem sie weiß, dass er mindestens ein Menschenleben auf dem Gewissen hat, lässt Thomas Harris weitgehend im Dunkeln.

Insgesamt zieht sich der Plot zäh wie Kaugummi und mag nicht so recht mitreißen. Hannibals spätere Seelenqualen lassen uns bei der Lektüre ziemlich kalt, seine Charakterzeichnung fand ich in allen drei anderen Romanen weitaus faszinierender und authentischer. Wie Hannibal zum Kannibalen werden konnte, lässt sich praktisch in einem Satz zusammenfassen, doch nimmt Thomas Harris sich 345 Seiten lang Zeit, um uns dies in allen Einzelheiten darzulegen. Mich konnte diese Vorgehensweise nicht überzeugen, zumal ich den Stilbruch nicht gelungen fand. Von Thomas Harris und von Hannibal Lecter erwarte ich packende und gruselige Spannung, da erwarte ich einen Roman, der mich von der ersten Seite an mitreißt und mir kalte Schauer über den Rücken laufen lässt. Nichts davon ist bei „Hannibal Rising“ eingetreten. Schade, aber ich fand Thomas Harris‘ Versuch, uns Hannibal Lecters Vergangenheit näher zu bringen, ziemlich misslungen und hoffe nun eher auf eine Fortsetzung, die sich wieder Hannibals Zukunft widmet.

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Clasen, Carola – Wildflug

_Eine Kommissarin im Abseits: Carola Clasen wartet mit einem atmosphärischen Eifelkrimi auf._

Ein neuer Roman der 1950 in Köln geborenen Autorin Carola Clasen führt den Leser erneut in die Eifel. Mittelpunkt des Geschehens von „Wildflug“ ist die Ermittlerin Sonja Senger, bereits bekannt aus dem erfolgreichen Kriminalroman „Auszeit“ aus dem |KBV|-Verlag in Hillesheim.

Doch scheint das Leben der Sonja Senger, die vor mehreren Jahren von Trier in ein Forsthaus nahe Wolfgarten zog, von Trauer und Wut geprägt. Ihr Lebensgefährte Jerome hat sie im Stich gelassen, und die Kommissarin bewältigt ihren Schmerz nicht. Einen neuen Job in einem Kölner Kriminalkommissariat tritt sie nicht an, betrinkt sich lieber regelmäßig und riskiert einen Rausschmiss und den Verlust ihrer Pensionsansprüche.

An ihr geht dennoch nicht vorbei, dass die Eifeler Presse in Aufruhr ist, da der Sohn des Emirs von Abu Dhabi die Greifvogelstation Hellenthal besuchen wird und seinen geliebten Falken Amir mitbringt.

Ausgerechnet Sonja Senger entdeckt Tage später bei einem Waldspaziergang einen verletzten Raubvogel. Es ist Amir, der Falke des hochherrschaftlichen Sohnes Karim bin Tayed Al Nahyan, der sich angeblich wieder in seinem Heimatland befindet. Doch allen Beteiligten, mit denen Sonja Senger spricht, ist klar, dass der junge Sohn des Emirs das Land nie ohne seinen Lieblingsfalken verlassen hätte. Die Kommissarin steigt in den Fall ein.

Der Autorin Carola Clasen ist es gelungen, einen atmosphärischen Roman zu schreiben, der gleich aus mehreren Gründen gefällt. Sie beherrscht das Eifeler Lokalkolorit, ohne sich in Klischees über die Bewohner des Landstriches zu verzetteln. Und zudem ist die Idee des Romans ausgefallen und gut ausgearbeitet, so dass dem Leser viel Spannung gegeben wird. Richtig brillant ist der Roman zudem durch die Lebenssituation der Sonja Senger. Die ersten Kapitel sind geprägt von der durch die Trennung vom Partner desolaten Situation der Kommissarin. Carola Clasen weiß den Leser tief in die Seele der wechselweise wütenden und traurigen Kommissarin schauen zu lassen.

Der aktuelle Roman „Wildflug“, der bei |KBV| erschien, ist vielleicht der bisher beste Krimi der Autorin. Die Mischung aus Spannung und angenehmem Schreibstil gefällt, auch die Persönlichkeit Sonja Sengers als Titelheldin überzeugt eben dadurch, dass sie Schwächen hat, die den Leser auch emotional ansprechen.

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Sheldon Rusch – Rabenmord

Das geschieht:

Ihr aktueller Fall führt Elizabeth Hewitt, Special Agent der Illinois State Police, in den winterlichen Chain-O-Lakes-Nationalpark. Dort haben Spaziergänger einen Frauenschädel gefunden. Er wurde an einen Baum genagelt, aus einer Augenhöhle hängt an einem Band die Nachbildung eines Käfers. Die literarisch vorgebildete Hewitt erkennt, wen der unbekannte Schöpfer dieser Szene hier nachahmt: Edgar Allan Poe, der berühmte Schriftsteller, verfasste 1843 die Kurzgeschichte „Der Goldkäfer“, in der besagtes Insekt den Hinweis auf einen vergrabenen Schatz gab.

In diesem Fall findet man im Boden unter dem Käfer allerdings die sorgsam zerteilte Leiche der seit sechs Wochen verschwundenen Brandi Kaczmarek, der auch der Schädel am Baum gehört. Der „Rabe“, wie die begeisterten Medien den unbekannten Mörder umgehend nennen, hat schon eine weitere Poe-Geschichte nachgestellt: „Die schwarze Katze“, entstanden ebenfalls 1843, beschreibt das schreckliche Ende einer Frau, die mit einem einäugigen Katzentier in ihrem Haus eingemauert wird. Genevieve Bohannon, der dieses Schicksal beschert wurde, kann nur noch tot geborgen werden. Sheldon Rusch – Rabenmord weiterlesen

Ian Smith – Der innere Zirkel

Das geschieht:

Wieder einmal wird Professor William Bledsoe, Naturwissenschaftler und Dozent am Dartmouth College zu Hanover im US-Staat New Hampshire, mit einem hohen Preis ausgezeichnet. Der bescheidene Mann schätzt das Rampenlicht wenig. So stiehlt er sich früh davon, als er gefeiert werden soll, und fährt zu seinem einsam gelegenen Haus im Wald, wo seine Frau auf ihn wartet. Kurz vor dem Ziel, fällt Bledsoe ein am Straßenrand liegengebliebener Wagen auf. Er bietet seine Hilfe an – und erkennt zu spät, dass er in eine Falle geraten ist: Rednecks wollen ihn entführen. Bledsoe kann fliehen, wird jedoch gestellt und umgebracht.

In New York wird Sterling Bledsoe vom Verschwinden seines Bruders informiert. Der FBI-Agent bricht sofort in den Norden auf, um sich in die Ermittlungen der örtlichen Polizei einzuschalten. Als wenig später Williams Leiche gefunden wird, scheint alles auf eine rassistisch begründete Bluttat hinzuweisen: Die Bledsoes sind Afro-Amerikaner, und eine entsprechende Verunglimpfung wurde der Leiche tief in die Brust geschnitten. Ian Smith – Der innere Zirkel weiterlesen

Venn, Hubert vom – Väter unser …

_Hubert vom Venn präsentiert den zweiten Fall eines chaotischen Eifeler Journalisten_

Aktuell im Rhein-Mosel-Verlag erschienen, präsentiert der Kabarettist und Theaterleiter Hubert vom Venn seinen zweiten Krimi mit dem Journalisten Nusselein. Der Autor bedient sich seiner Heimat, vor allem der Region um Monschau.

Charly Nusselein wird vom Kripobeamten Zimmermann auf Trab gebracht. Er braucht die Hilfe und die Spürnase des Journalisten, denn eine Provinzgröße wurde ermordet und nackt an ein Andreaskreuz gehängt. Schmiereien an einer Wand und die verschlüsselte Botschaft

SATOR
AREPO
TENET
OPERA
ROTAS

verwirren die Kripo und auch die Presse. Das Rätsel bleibt ungelüftet. Ein zweiter Mord geschieht, und wieder sind es die sonderbaren Buchstaben, die Nusselein und Zimmermann beschäftigen. Zudem findet sich die gesprühte Botschaft „Bande de Nivelles“. Erste Vermutungen reichen dahin, dass es einen Zusammenhang zu besonders brutalen Überfällen der 80er Jahre auf belgische Supermärkte in der Wallonie geben könnte. Auch vor bereits Toten schreckt der unbekannte Mörder nicht zurück. Ein Grab wird geschändet, und zufällig finden Nusselein und Zimmermann heraus, dass alle Toten einem Monschauer Stammtisch angehörten.

Hubert vom Venn wurde 1953 geboren und ist gelernter Journalist. Ein knappes Jahrzehnt arbeitete er für Tageszeitung und ist seit 1983 freischaffend. Unter anderem arbeitete er für Musiksendungen und für den Sender Radio Luxemburg. Der Leiter der Theater Monschau und Roetgen geht zudem reglemäßig mit Jupp Hammerschmidt auf Kabarett-Tournee.

Besonders witzig verbindet Hubert vom Venn Krimi und Humor. Der Leser kann entscheiden, ob es eine kriminelle Komödie oder doch eher ein komödiantischer Krimi ist, wenn er „Väter unser …“ liest. Stilistisch ist der Roman brillant, zudem besticht er durch gute Spannung und eine doppelte Prise Witz, wie dies ganz besonders Hubert vom Venn beherrscht. Als Komödiant, der auch regelmäßig auf Tour ist, mag es zum Naturel des Autors gehören, einen Krimi mit ausgesprochenen spaßigen und spritzigen Dialogen zu verbinden. Auf 200 Seiten jedenfalls wird „Väter unser …“ nie langweilig.

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Hammesfahr, Petra – Schatten, Der

Einst war Stella Helling eine glückliche Frau: Als Filmproduzentin feierte sie große Erfolge und mit dem Polizeikommissar Heiner heiratete sie ihre große Liebe. Doch wenige Jahre später wendet sich das Schicksal. Stella kommt nicht mit ihrer dominanten Schwiegermutter aus, die mit dem Ehepaar zusammenlebt, die Quoten sinken, ihre Sendungen werden der Reihe nach abgesetzt und Stella verfällt mehr und mehr dem Alkohol. Zu allem Überfluss kommt das ersehnte Kind schwerbehindert auf die Welt. Stella ist völlig überfordert und wird zum menschlichen Wrack. Ihr einziger Halt ist ihr Mann Heiner, dem es jedoch auch immer schwerer fällt, zu seiner Frau zu stehen.

Eines Nachts ist Heiner mal wieder im Dienst und Stella allein zuhause mit Schwiegermutter Therese und der kleinen Tochter Johanna. Im Fernsehen wird Stellas größter Erfolg wiederholt, „Der Schatten mit den Mörderaugen“. Mit viel Mühe versorgt Stella notdürftig ihr Kind und schläft wie so oft betrunken auf der Couch ein. Sie erwacht durch einen lauten Schrei und sieht die Schattengestalt aus dem Film vor sich. Am nächsten Morgen ist das Haus verwüstet, Therese wird erschlagen im Badezimmer aufgefunden und von dem Baby fehlt jede Spur.

Niemand will Stella glauben, dass der Schatten mit den leuchtend grünen Augen leibhaftig vor ihr stand. Stattdessen gerät sie in Verdacht, Therese und ihr Kind ermordet zu haben. Auch ihr Mann Heiner scheint Probleme zu haben, seiner Frau zu glauben. Kommissar Arno Klinkhammer stößt bei seinen Nachforschungen in Stellas Vergangenheit auf einige interessante Details und eine gemeinsame Bekannte. Gabi Lutz ist nicht nur seit Jahren mit Stella verfeindet, sondern lieferte auch die Romanvorlage für den Schatten-Film. Einige Leute sagen ihr übersinnliche Fähigkeiten nach, mit denen sie schon andere Menschen ruiniert haben soll. Hat sie Anteil an der Tragödie? Oder ist Stella tatsächlich die Täterin? Welche Rolle spielt ihr Mann Heiner in dem Drama? Wurde das Baby entführt oder ist es bereits tot? Klinkhammer steht vor einer Reihe von Rätseln, die weit in Stellas Vergangenheit zurückführen …

Eines kann man Petra Hammesfahr gewiss nicht vorwerfen, nämlich Vorhersehbarkeit der Handlung ihrer Romane. Die Autorin, die sich in Interviews gerne als „gemein“ bezeichnet, neigt dazu, fast jede ihrer Figuren als verdächtig erscheinen zu lassen und verschmäht auch keine offenen Enden, die den Leser grübeln lassen. Es gibt keine Garantie, dass die Hauptperson sich als unschuldig entpuppt, und jeder läuft Gefahr, im Verlauf der Handlung ebenfalls zu sterben.

|Verwirrung durch Zeitsprünge|

In diesen Merkmalen, die Hammesfahr von Durchschnittsthrillerautoren abheben, liegt jedoch auch die Schwäche, die auch diesen Roman kennzeichnet. Das Ausgangsszenario ist spannend und wirft viele Fragen auf, doch anstatt ein solides Grundgerüst zu errichten, verwirrend sich die Fäden im weiteren Verlauf immer mehr. Dabei besitzen die zahlreichen Rückblicke einen nicht unerheblichen Anteil. Immer wieder führen Kapitel zurück in Stellas Vergangenheit, zunächst in ihre frühe Kindheit, später in die Zeit ihrer Erfolge, ihres Kennenlernens mit Gaby und ihrer Ehe mit Heiner. Natürlich sind diese Stationen wichtig für die Entwicklung der Geschichte, aber es das Hin- und Herspringen reißt den Leser immer wieder aus dem Lesefluss heraus. Erschwerend kommt hinzu, dass sich die Rückblicke auch intensiv um Gabis Vergangenheit kümmern. Die kleingewachsene Frau mit dem Elvis-Faible und dem Hexenruf wird zu einer der wichtigsten Personen im Buch, die man als Leser recht intensiv kennen lernt. Allerdings ist auch ihre Vergangenheit kompliziert angelegt und es braucht eine gewisse Konzentration, um den notwendigen Überblick über alle Parallelen im Kopf zu behalten. Je weiter man in die Handlung vorstößt, desto tiefer verweben sich die einzelnen Schicksale miteinander. Kommissar Klinkhammer – übrigens in [„Die Mutter“ 1419 als Ermittler tätig -, Therese, Heiner, Gabi, Stella, Stellas Kollegen, sie alle gehören auf die eine oder andere Art zueinander, und dass diese Verhältnisse oft zwiespältiger Natur sind, macht es nicht einfacher.

Schwierigkeiten bringen auch die mitunter zu ausführlichen Schilderungen mit sich. Wenn die Polizeibeamten versuchen, den Tathergang in Stellas Haus zu rekonstruieren, ziehen sich diese Überlegungen schon mal über mehrere Seiten, in denen es fast nur um Fuß- und Fingerabdrücke, Spurensuche und zeitliche Abfolgen geht. Diese Gedankengänge mögen der Autorin authentisch gelungen sein, passen aber eher in einen Polizeibericht als in einen Roman, wo sie auf Dauer ermüden und einen Spannungsabfall verursachen.

|Licht und Schatten bei den Charakteren|

Auf der Habenseite stehen ein interessanter Ausgangspunkt mit der nötigen Dramatik, schließlich kommen genug Verdächtige für den Mord in Frage und lange Zeit ahnt man nicht, was mit dem verschwundenen Baby geschehen ist. Die Zeit drängt, als sich herausstellt, dass entgegen der Theorie, dass Therese das Kind vor ihrem Tod bei jemandem unterbrachte, sich niemand aus dem Verwandten- und Bekanntenkreis meldet und man über einen weiteren Mord oder eine Entführung spekulieren muss. Zugute halten muss man Petra Hammesfahr die psychologische Tiefe, die sie in den Roman einbringt. Keiner der Charaktere handelt willkürlich, sie alle haben ihre Traumata erlebt, die sie zu ihren Handlungen treiben. Stellas Wandlung von der ehrgeizigen Karrierefrau kommt schleichend, aber nachvollziehbar und ist bereits in ihrem familiären Hintergrund angelegt. Heiner vermittelt ihr Rückhalt und repräsentiert als Polizeikommissar besondere Stärke und Souveränität, gleichzeitig aber wird er von Therese bemuttert und lebt noch als verheirateter Familienvater mit ihr unter einem Dach. Auch die resolute und als Gemeindeschwester sich aufopfernd engagierende Therese ist keine eindimensionale Figur, sondern offenbart eine leichtlebige Einstellung zu Männern, die sie später noch einholen wird. Ebenfalls lange Zeit unklar bleibt, wie man Gabi einzuschätzen hat. Das zierliche Persönchen mit dem frechen Auftreten, dem enormen Arbeitspensum, einem schweren persönlichen Verlust, der zu einem Selbstmordversuch führte, und den angeblich telekinetischen Fähigkeiten ist ebenfalls eine vielschichtige Figur, die man gleichzeitig als unsympathisch und beeindruckend zielstrebig erlebt. Auf der Strecke geblieben ist leider die Sympathie für Stella, für die man zwar gegen Ende ein gewisses Mitleid empfindet, aber zu wenig und zu spät, als dass man intensiv um sie bangen und fiebern würde. Wie üblich entpuppt sich ein scheinbares Dorfidyll als Wespennest. Hammesfahr desillusioniert und das offenbar mit Vergnügen. Nichts ist, wie es scheint, und das wäre gut so, wenn sie es nicht mit den nebulösen Verwirrungstaktiken übertrieben hätte.

Positiv ist dagegen, dass sie sich mit den offenen Fragen diesmal angenehm zurückgehalten hat. Zwar bleibt ein wenig Raum für Spekulationen, aber das Ende befriedigt, wird sogar mehr erläutert als notwendig und das abschließende Grübeln, das man von anderen Werken kennt, bleibt aus.

_Zum Schluss_ kommt man leider zum Fazit, dass „Der Schatten“ kein Highlight unter den Hammesfahr-Romanen ist, trotz des eigentlich Spannung verheißenden Themas. Die Hauptfigur erweckt zu wenig Mitgefühl, die Zeitsprünge und vielen falschen Fährten verwirren und entnerven den Leser, bestimmte Szenen werden unnötig in die Länge gezogen. Erfreulich ist, dass nicht so viele offene Fragen wie bei anderen Werken der Autorin bleiben und sie sich wie üblich um psychologische Tiefe und Vielschichtigkeit bemüht.

_Petra Hammesfahr_ wurde 1951 geboren. Bereits mit 17 Jahren begann sie zu schreiben, doch anstatt zu veröffentlichen, arbeitete sie zunächst als Einzelhandelskauffrau. 1991 erschien ihr erster Roman, weitere Kriminalromane folgten. Ab Mitte der Neunziger schrieb sie u. a. auch Drehbücher fürs Fernsehen. Weitere Werke sind u. a.: „Das Geheimnis der Puppe“ (1991), „Merkels Tochter“ (1993), „Der stille Herr Genardy“ (1993), „Die Sünderin“ (1999), „Der Puppengräber“ (1999), „Die Mutter“ (2000), „Lukkas Erbe“ (2000), „Meineid“ (2001), „Das letzte Opfer“ (2002) und [„Die Lüge“ 2278 (2003).

Kramp, Ralf – Ein kaltes Haus

_Idealer Stoff für ein Drehbuch_

Die Flut an Eifelkrimis hat vermutlich ganz Deutschland im Griff. Auch in Österreich und in der Schweiz findet man sie in vielen Buchhandlungen. Erfolgreichster Autor mag Jacques Berndorf mit seiner Kultfigur Siggi Baumeister sein. Ralf Kramp gehört jedoch zu den ebenfalls erfolgreichen Autoren von Romanan mit Eifeler Flair.

_Autor_

Ralf Kramp wird wohl nicht unbegründet als „Tausendsassa“ tituliert, denn er ist Autor, Verleger, Theaterregisseur und Karikaturist in einer Person. Mit der Übernahme des |KBV|-Verlags ist er auch seiner eigener Herausgeber und bietet ein breites Spektrum an Romanen anderer Autoren.

Geboren wurde er 1961 in Euskirchen, lebt und arbeitet mittlerweile in der Vulkaneifel.

_Story_

Nicht in der Eifel, sondern im australischen Sydney beginnt die Geschichte, denn Fried Söntgens feiert seinen 68. Geburtstag. Der Eifelstämmige hat es zu einem guten Leben gebracht und überlegt, sich bald geschäftlich zurückzuziehen. Während seiner Feier in einem renommierten Restaurant klingelt sein Handy. Michael, ein junger Mann aus der Eifel, ruft an und ist zutiefst verbittert. Als das Gespräch abreißt, fackelt Fried nicht lange und trommelt sein Jugendfreunde Clara und Gregor zusammen, die vor 40 Jahren schworen, sich um den damals kleinen Michael finanziell zu kümmern. Michael war noch ein Baby, als seine Eltern – enge Freunde von Fried, Clara und Gregor – durch ein dummes Wettrennen auf Eifelstraßen tödlich verunglückten.

Fried, Clara und Gregor unterstützten Michael finanziell, und nun treffen sich die Senioren in Köln im Hauptbahnhof, um in dem kleinen Dorf an der Ahr nach dem Rechten zu schauen. Clara ist im Begriff, in ein Seniorenheim umzuziehen, Gregor ist ein nicht sehr erfolgreicher und homosexueller Schauspieler, der sich mit Jobs in der Werbung über Wasser hält.

Wieder vereint, nehmen sie den Zug Richtung Eifel und lassen sich zu dem kleinen Hotel fahren, das Michael gehört und dank der Finanzspritzen von Fried, Clara und Gregor florieren sollte. Doch sie entdecken nur ein eher heruntergekommenes Gemäuer statt ein erwartetes Waldhotel mit Eifeler Flair.

Ratlos verschaffen sie sich Zugang und entdecken Michael im ersten Stock. In Zimmer 11 liegt er tot in der Badewanne und hat seinem Leben ein Ende gesetzt. Der Suizid, dies heruntergekommene Hotel und die Unwissenheit, was Michael zu diesem Schritt getrieben hat, lässt Fried, Clara und Gregor nicht ruhen. Die Polizei schließt den Fall klar als Suizid ab.

Sie erfahren bald, dass sich Michaels Frau Ellen von ihm getrennt hatte und mit dem kleinen Sohn Thommy zu ihrer Familie zurückgezogen sei.

Schulden und Kasinobesuche zeigen bald, dass im Leben von Michael einiges schiefgelaufen ist und auch die Ehe mit Ellen Risse zeigte.

Geschockt aber sind Fried, Clara und Gregor, als sie im Garten Reste einer erloschenen Feuerstelle entdecken. Clara stochert darin herum und entdeckt Reste von Porno-Magazinen, wo Männer mit kleinen Jungen sexuell verkehren. Fragen tauchen auf, ob Michael solch eine Neigung hatte. Im Keller finden sie ferner Fotokopien von Zeitungsberichten über den Missbrauch kleiner Jungen in der näheren Eifeler Umgebung, aber auch ein Foto, das Michael in einer anscheinend norddeutschen Landschaft zeigt.

Alles lässt vermuten, dass Michael pädophil sein könnte, aber tief in ihrer Seele ahnen Fried, Clara und Gregor, dass an der Sache etwas nicht stimmt …

_Eindrücke_

Kurz und knapp: Lieber Gott, lass‘ jemanden so clever sein und ein Drehbuch zu dieser spannenden Geschichte schreiben.

Die Geschichte ist bedrückend und sicher von einem schrecklichen Thema bestimmt, denn Kindesmissbrauch ist das Schäbigste, was man sich vorstellen kann. Dass ein Vater in den Verdacht kommt, selbst ein solcher Täter zu sein, ist besonders bedrückend, zumal wir ja seit Marc Dutroux‘ grausige Taten in Belgien wissen, dass so etwas sehr wohl geschehen kann. Dieser Verbrecher hatte schließlich selbst drei Kinder, entführte aber andere Kinder, um sie zu missbrauchen.

Die Story von „Ein kaltes Haus“ wäre zu simpel, wenn dies auch hier der Fall wäre. Umso erschreckender ist das Komplott, das dahintersteckt und einen Menschen sogar in den Selbstmord treibt. Die Geschichte ist zu gut konstruiert, um durch zu ausufernde Einzelheiten an der Spannung zu rütteln, die sich Seite für Seite mehr und mehr aufbaut.

Dieses Buch glänzt ferner durch drei Hauptdarsteller, die als nahezu 70-jährige sehr untypisch Mittelpunkt eines Krimis sind. Wer aber glaubt, nur drahtige und junge „Typen“ seien in der Lage, souverän Spannung aufzubauen, irrt sich absolut.

Mehr noch: Dem Autor gelingt es, den Leser bis zum nahenden Ende vollkommen im Dunkeln tappen und ihn bestenfalls falsche Vermutungen anstellen zu lassen. Nichts ist unlogisch, nichts ist langatmig, nichts ist überzogen oder unrealistisch konstruiert.

Zudem – von der tollen Spannung abgesehen – ist der Schreibstil von Ralf Kramp sehr einladend. Dieser Roman ist einer der fesselndsten Krimis auf dem deutschen Büchermarkt.

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