In der Herbstausgabe der vierteljährlichen Zeitung „Deutsche Sprachwelt“ kritisiert der Sprachwissenschaftler Horst Haider Munske den Stand der deutschen _Rechtschreibung_ seit Inkrafttreten vom 1. August als „verordnetes Durcheinander“. Denn die wenigsten kennen sich noch aus und wissen, welche Regel gerade gilt. Der seit 2004 emeritierte Professor für Germanische und Deutsche Sprachwissenschaft und Mundartkunde an der Universität Erlangen-Nürnberg trat 1997 unter Protest gegen die Reformbestrebungen aus der Zwischenstaatlichen Kommission für deutsche Rechtschreibung aus und hat seither in einer Vielzahl von Publikationen gegen die unsinnige Schreibreform der Kultusminister Stellung bezogen.
Der Rat zur deutschen Rechtschreibung hat Ende Oktober nun weitere Empfehlungen zu Silbentrennung und Zeichensetzung beschlossen. Die Abtrennung von Einzelbuchstaben („E-sel“) sowie sinnentstellende Trennungen („Urin-stinkt“) sollten rückgängig gemacht werden. Beibehalten wird die reformierte Trennung bei „ck“.
Mit der neuen Regierung kommen die Steuererhöhungen und der Börsenverein muss um die Beibehaltung des _reduzierten Mehrwertsteuersatzes auf Bücher_ kämpfen. Seit der Frankfurter Buchmesse wird das bei jedem Treffen mit Politikern zur Sprache gebracht. Aber schon vor der Bundestagswahl hatten sich alle politischen Parteien für eine Beibehaltung des reduzierten Steuersatzes ausgesprochen. Dennoch hatten für die Sanierung der Staatsfinanzen der hessische Ministerpräsident Roland Koch und der designierte Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) eine generelle Anhebung des reduzierten Steuersatzes um einen Prozentpunkt auf acht Prozent gefordert. Bei den Koalitionsverhandlungen war durchaus im Gespräch gewesen, nur noch Lebensmittel zu privilegieren und alle anderen Güter – also auch Bücher – der vollen Mehrwertsteuer zu unterziehen. Zwar blieb nun alles bei den 7 %, was laut Alexander Skipis, Hauptgeschäftsführer des Börsenvereins, als „Signal für die herausgehobene kulturpolitische Wertschätzung“ gewertet werden darf, aber in vielen anderen Ländern liegt der Steuersatz auf Bücher noch niedriger. Im Verhältnis von reduziertem Mehrwertsteuersatz zu dem generell geltenden Mehrwertsteuersatz in den einzelnen Ländern belegt Deutschland nach Dänemark und Österreich den drittletzten Platz im EU-Vergleich. Ziel müsse deswegen – so Skipis – letztlich eine gänzliche Steuerbefreiung sein.
Mittlerweile etwas verspätet, aber der Verkaufstag des _[Harry Potter VI 1932 _in deutscher Sprache zum 1. Oktober darf in der regelmäßigen Branchenkolumne nicht fehlen. Wieder war dieser ein bundesweites Ereignis und die Geschäfte liefen für den Handel bestens. In der Nacht noch lieferte Weltbild in Kooperation mit der Deutschen Post 100.000 Bände direkt in die Wohnungen aus. Mit 200.000 Exemplaren war er auch bei Amazon das bisher erfolgreichste Buch in den Vorbestellungen der Firmengeschichte. Carlsen Verlag hat zum Start insgesamt zwei Millionen Exemplare ausliefern lassen und davon allein am 1. Verkaufstag eine Million auch verkauft, eine Herausforderung für die KNO Verlagsauslieferung. Frankreich hatte auch zwei Millionen Startauflage drucken lassen, lag aber mit 800.000 verkauften Exemplaren am Starttag hinter Deutschland zurück. Der 6. Potter-Band brach noch einmal alle bisherigen Rekorde und wurde übersetzt in 62 Sprachen mit einer derzeitigen Gesamtauflage von rund 258 Millionen Exemplaren. Carlsen durfte auch schon wieder nachdrucken. Beim Erstverkaufstag fanden bundesweit überall erneut große Events statt. Mittlerweile lesen aber fast alle potenziellen Fans das Buch natürlich sofort bei Erscheinen, nach diesem Tag gehen wie bereits im Vorjahr die Verkaufszahlen drastisch zurück. Das Interesse wird allerdings durch den neuen Film „Harry Potter und der Feuerkelch“ noch mal geweckt, auch laufen die älteren Filme nunmehr im Fernsehen.
Vom Potter-Fieber profitieren natürlich auch ähnliche Fantasy-Autoren. Cornelia Funke läuft mit ihrer „Tinten“-Trilogie, deren zweiter Teil „Tintenblut“ erschienen ist, bereits in Deutschland Kopf an Kopf mit Joanne K. Rowling, dicht gefolgt von „Eragon“ (Christopher Paolini) und „Bartimäus“ (Jonathan Stroud). Das Kinder- und Jugendbuch nimmt in den Bestseller-Listen mehr und mehr an Bedeutung zu.
Dachte man noch, das Interesse an _Papst-Büchern_ – ausgelöst durch den Tod von Johannes Paul II. und die Wahl von Benedikt XVI. – sei eine kurzlebige Sache, so erstaunt eine gegenteilige Entwicklung. Der Run auf die Bücher nimmt nicht ab, allein bei Herder Verlag sind inzwischen 14 Titel über den neuen Papst im Programm, ständig vergriffen und werden nachgedruckt. Eine parallele Eintrittswelle in die katholische Kirche bleibt allerdings aus. Unverändert kündigt die Bevölkerung stetig ihre Mitgliedschaft in beiden christlichen Lagern. Die Anzahl der Nichtchristen ist inzwischen genauso hoch wie die der beiden großen Kirchen. Allerdings hat die Evangelische Kirche in Deutschland mittlerweile ihre Mehrheit verloren, da sie von einer größerer Austrittswelle betroffen war, und die Katholiken stellen momentan die Mehrheit der deutschen Christen.
Die _Editionen der Zeitungen_ boomen unverändert. Die Jugendbibliotheken der „Süddeutschen Zeitung“ und von „Geolino“ (Gruner + Jahr) finden reißenden Absatz. Von den ersten fünf Bänden der „SZ“-Edition wurden mehr als 400.000 Exemplare verkauft und sie wurde von 13.000 Kunden abonniert, knapp dahinter liegt „Geolino“ mit 380.000 Exemplaren. Allein über den Bertelsmann-Club sind davon 160.000 Exemplare weggegangen, weswegen im Frühjahr die nächste Reihe „Zeit-Kinder“-Edition – die schönsten Bücher zum Vorlesen – startet. Auch die Comic-Editionen liefen bestens. Die zwölfbändige Reihe von „Bild“ und „Weltbild“ übertrafen die Erwartungen und ging pro Titel im sechsstelligen Bereich über den Ladentisch, allein die erste Ausgabe „Asterix“ verkaufte sich mehr als 200.000-mal. Auch die „FAZ“ zeigte sich mit ihrer Comicreihe zufrieden: 800.000 Vorbestellungen. Comics gelten mittlerweile nicht mehr als Schund, sondern als Mittel zur Leseförderung. Die eigentlichen Comic-Verlage versprachen sich von beiden Editionen eigentlich auch Zulauf, aber dies führte nicht zu erkennbaren Verkaufsausschlägen nach oben. Als mit der „SZ“-Bibliothek die erste deutsche Zeitungs-Buchedition auf den Markt kam, hielt man das für ein einmaliges Ereignis. Doch mittlerweile sind 15 Editionen im Markt und weitere 10 für 2006 geplant. Vorreiter war Italien, dort erschienen allein 2004 mehr als 100 Zeitungs-Editionen und ein Ende des Booms ist nicht in Sicht. Im ersten Quartal 2006 startet die „Süddeutsche Zeitung“ eine 50-bändige Krimibibliothek. Schon im Dezember startete der „Stern“ eine 24-bändige Krimibibliothek mit Random House als Vertriebspartner. Nach dem „Handelsblatt“ ist auch „Financial Times Deutschland“ in das Editionsgeschäft eingestiegen: zwölf Bücher zur Globalisierung im Wochentakt. Und die „SZ“ startet zum WM-Fieber mit Bänden zu Turnieren früherer Weltmeisterschaften. Die „Zeit“ startete in Zusammenarbeit mit „Brockhaus“ eine 20-bändige Welt- und Kulturgeschichte und hatte bereits nach einer Woche 20.000 Komplettpakete der Reihe verkauft. Vom ersten Band wurden 660.000 Exemplare über die „Zeit“-Ausgabe kostenlos verschenkt. Auch die DVD-Reihen werden fortgesetzt: Die „FAZ“ macht weiter mit ihrer „Faszinierende Natur“-Edition; „Welt“ und „Welt am Sonntag“ machen weiter mit der „Biografie der Weltgeschichte“ und die zweite Staffel der „SZ“-Cinemathek mit weiteren 50 Filmen kommt auch im nächsten Jahr. Auch der „Spiegel“ wird nun mit einer eigenen Buchreihe starten.
Das _politische Sachbuch_ dagegen hält nicht die Verkaufserwartungen, vor allem die Bücher zur Bundestagswahl waren nicht wirklich gefragt. Schröder und Merkel in Buchform haben offenbar nicht interessiert. Nur Oscar Lafontaines „Politik für alle“ kletterte auf den Bestseller-Listen nach oben. Nach dem unübersichtlichen Wahlergebnis waren die Leser das Thema leid, sie sind einfach übersättigt. Schon während der Wahlen war die Resonanz schlecht. Auch berichtenswert: Das Landgericht Hamburg hat gegen den Eichborn-Verlag eine einstweilige Verfügung ausgesprochen. Bundeskanzler Gerhard Schröder hatte sich dagegen gewehrt, dass Textstellen in Hans-Joachim Selenz` „Schwarzbuch VW“ suggerieren könnten, er habe im Jahr 1992 Sexdienste in Anspruch genommen. Der Verlag ändert nun diese Passagen in den nächsten Auflagen.
Auch die Erfolgsstory des _Hörbuchs_ geht weiter; in den ersten neun Monaten 2005 stieg der Umsatz im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um fast 20 %. Als „Hörbücher des Jahres“ gewählt wurden „Wörter Sex Schnitt“ von Intermedium Records – Tonaufzeichnungen von Rolf Dieter Brinkmann in einer fünf CDs umfassenden Box – und als Kinder- und Jugendhörbuch „Winn-Dixie“ von Kate DiCamillo, erschienen bei der Hörcompany. Die Preisverleihung findet am Sonntag, den 22. Januar 2006 um 11 Uhr im Staatstheater Wiesbaden statt. Auch auf der Leipziger Buchmesse wird die Erfolgsgeschichte des Hörbuchs seine Fortsetzung finden. Mit über 100 Hörbuch-Ausstellern, rund 100 Veranstaltungen, zahlreichen Prominenten und einer Präsentation aller ARD-Hörfunkanstalten ist die Leipziger Buchmesse noch vor der Frankfurter Messe die wichtigste und größte Hörbuch-Veranstaltung in Deutschland. Im letzten Jahr noch umstritten, scheint nun aber die Zeit für eine Hörbuch-Zeitschrift langsam reif zu sein. Gleich zwei herausgebende Verlage platzieren je ein eigenes Magazin auf dem deutschen Zeitschriftenmarkt. Das _“HörBuch Magazin“_ erscheint alle acht Wochen zum Preis von stolzen 9,90 Euro (10,90 Euro in Österreich, 19,80 Franken in der Schweiz), beinhaltet eine Audio-CD mit kurzen Hörbüchern (bisher die kostenlosen Märchen von Vorleser.net) und wird gestaltet vom Pressebüro Typemania, das seinen eigentlichen Schwerpunkt im Computerbereich hat. Allerdings erscheint dieses Magazin zu dünn für seinen durchaus respektablen Preis.
Das zweite Magazin hat noch keinen Namen: Die „_Goodlife Media Group_“ plant ein Print-Magazin über Hörbücher (zunächst 3000, später 12.000 Exemplare) und sucht dafür zurzeit ehrenamtliche (!) Mitarbeiter, die Lust haben, Rezensionen zu schreiben und Interviews zu führen.
Der Deutsche Literaturfonds und die Bundesakademie Wolfenbüttel laden junge Autoren, die für das Hörspiel professionell schreiben möchten, zu einem _Workshop für Hörspielautoren_ nach Wolfenbüttel und Hamburg ein. Der Kurs vom 7. bis 16. Juni 2006 richtet sich an deutschsprachige Autoren, die bereits mindestens einen literarischen Text veröffentlicht haben (keine Publikationen im Selbstverlag oder als Book-on-Demand). Bewerbungsschluss ist der 31. März 2006, weitere Infos gibt es auf http://www.deutscher-literaturfonds.de.
Claudio.de und Abebooks.de starten den Wettbewerb „_Rote Feder 2006_“ für Liebhaber von Klassiker-Geschichten. Wer diese in moderner Form umsetzt und als MP3-Datei aufnimmt, hat die Chance, sein Werk auf zwei großen Internetplattformen zu präsentieren. Unter allen Einsendungen, die bis zum 31. Januar eingegangen sind, wird von den Redaktionen eine Vorauswahl getroffen – diese Beiträge werden bei Claudio.de und Abebooks.de veröffentlicht. Dann haben die User das Wort: Ihr trefft per Voting eine Vorauswahl und bestimmt eure Favoriten für die Endausscheidung. Eine Jury aus Autoren, Sprechern, Hörbuchproduzenten und Feuilleton-Redakteuren wird schließlich aus den beliebtesten Beiträgen die Gewinner des 1. bis 3. Preises auswählen. Der Gewinner der „Roten Feder 2006“ wird zur offiziellen Preisvergabe am 16. März auf der Leipziger Buchmesse 2006 eingeladen und darf dort seinen Beitrag persönlich vorstellen. Außerdem wird sein Wettbewerbsbeitrag in einem Tonstudio professionell produziert. Alle weiteren Informationen: http://www.claudio.de/cms.do?cms=/opencms/sites/Claudio/rfeder.html.
_Die Andere Bibliothek_, von Hans Magnus Enzensberger im Eichborn-Verlag herausgegeben, wird bis Ende 2007 fortgesetzt. Das Oberlandesgericht Frankfurt hatte Hans Magnus Enzensberger verpflichtet, seinen Vertrag mit Eichborn zu erfüllen (über die Hintergründe berichteten wir schon, siehe Archiv früherer Buchbranchen-Kolumnen).
_Suhrkamp_ expandiert kräftig. Nachdem das Projekt _Deutscher Klassiker Verlag_ im Taschenbuch gut startete, folgt im Herbst 2007 der _Verlag der Weltreligionen_. Zum wissenschaftlichen Beirat gehören u. a. der Ägyptologe Jan Assmann und der Soziologe Ulrich Beck. Zudem ist eine neue Taschenbuchedition innerhalb des Suhrkamp-Programms vorgesehen, die _Edition Unseld_. Diese neue Reihe ist interdisziplinär angelegt und soll Erkenntnisse der Naturwissenschaften mit denen der Geistes- und Kulturwissenschaften verbinden.
_Neclak Kelek_, Türkin mit deutschem Pass und Autorin „Die fremde Braut“ (Kiepenheuer & Witsch), schildert in ihrem Buch die Folgen der türkischen Zwangsheirat in Deutschland. Zuweilen, meint sie, verstellt das besondere Schuldgefühl der Deutschen „den klaren Blick auf die heutigen Realitäten von Unterdrückung und Ausgrenzung“. Für ihr Engagement erhielt sie am 14. November vom Landesverband Bayern des Börsenvereins und der Stadt München den Geschwister-Scholl-Preis, der mit 10.000 Euro dotiert ist. Heribert Prantl, der Preisträger von 1994, verglich ihr Buch in seiner Rede mit einem „Faustschlag auf den Schädel“, der dem Leser die Augen öffnen solle für die jungen türkischen Frauen, „die das Wort Gleichberechtigung nicht sprechen, nicht schreiben, nicht leben können“.
_Marcel Reich-Ranicki_ sagte in der „Bunten“ über _Martin Walser_: „Er verübelt Juden, dass sie überlebt haben. Das ist durchaus kein Antisemitismus. Das ist Bestialität“. Martin Walser reichte daraufhin Unterlassungsklage gegen Reich-Ranicki ein. Um den gerichtlichen Streit abzuwenden, unterzeichnete Reich-Ranicki eine Unterlassungserklärung.
_Indizierung_: Das im Bohmeier Verlag erschienene Buch „Das Buch Noctemeron – Vom Wesen des Vampirismus“ von Frater Mordor ist von der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften auf den Index gesetzt worden. Die Indizierung wurde im „Bundesanzeiger“ Nr. 206 veröffentlicht.
Ganz interessant bei der _Frankfurter Buchmesse_ ist seit letztem Jahr zu beobachten, wie sich Film und Literatur aufeinander zu bewegen. Bereits seit 2003 ist neben dem „Deutschen Buchpreis“ und dem „Friedenspreis“ das „Forum Film & TV“ ein weiterer Höhepunkt. Seit dem Frühjahr 2005 besteht nun auch eine Kooperation mit der „Berlinale“. Die drei Branchen Buch, Musik und Film beginnen im deutschen Sprachraum eng zusammenzuarbeiten. Auf der diesjährigen Frankfurter Buchmesse fanden nun erstmals so genannte „Speed Dating Sessions“ statt, bei denen sich Produzenten und Redakteure, Agenten und Autoren näher kamen, für die auch ein Verfilmungsrechtekatalog vorbereitet wurde. In noch größerem Rahmen wird diese Kontaktpflege zwischen Autoren, Verlagen und Produzenten auf der Berlinale 2006 fortgesetzt.
Auch in diesem Jahr war die Messe sehr erfolgreich und hatte mit 284 838 Besuchern ein Plus von 6,3 % im Vergleich zum Vorjahr auf mehr Ausstellungsfläche und auch mit mehr Ausstellern.
Dieses Jahr war Korea Gastland, 2006 folgt Indien und 2007 die „Katalanische Kultur“. Für 2009 wird China anvisiert, da Deutschland 2007 auch Gastland auf der chinesischen Buchmesse in Peking sein wird. Allerdings sollten dann auch kritische Diskussionen möglich sein und auch Hongkong und Taiwan einbezogen werden.
Auf Hinweis der Frankfurter Buchmesse klärt nun die Frankfurter Staatsanwaltschaft Vorwürfe gegen iranische Aussteller, an deren Gemeinschaftsstand Bücher und Broschüren mit antisemitischem und gewaltverherrlichendem Inhalt ausgestellt waren.
Wie wir schon berichteten, ging der diesjährige _Friedenspreis_ an den türkischen Schriftsteller Orhan Pamuk, der in der Türkei angeklagt wird wegen Äußerungen über getötete Kurden und Armenier. Im türkischen Fernsehen sagte er jetzt: „Ich will der erste Schriftsteller der Türkei sein, der nicht ins Gefängnis geht“. Wie Nazim Hikmet und Yasar Kemal saßen bisher praktisch alle bedeutenden Schriftsteller des Landes wegen unbequemer Äußerungen hinter Gittern. Pamuk sieht seinen Prozess als Testfall dafür, inwieweit die in den vergangenen Jahren wegen der türkischen EU-Bewerbung beschlossenen Reformen in der Türkei umgesetzt werden. In einem Land, das in die Europäische Union will, sollten die Bürger das Recht haben, auch unbequeme Meinungen zu äußern. Seine Auszeichnung in Deutschland durch den Börsenverein hat allerdings die türkische Öffentlichkeit gespalten. Liberale Zeitungen wie „Radikal“ druckten den gesamten Text seiner Dankesrede ab, andere Blätter beschränkten sich auf kleine, unkommentierte Meldungen. Die auflagenstärkste Zeitung „Hürriyet“ kritisierte, dass in der Pauluskirche seine Äußerungen zur dunklen Geschichte der Türkei Beifall hervorrief. Aufgrund seines Interviews, das Pamuk anlässlich der Preisverleihung der „Welt“ gab, ermittelt erneut die Istanbuler Staatsanwaltschaft wegen angeblicher Verunglimpfung des türkischen Militärs. Im Interview hatte er gesagt, die türkische Armee behindere manchmal die demokratische Entwicklung. In Deutschland hat Pamhuks jüngster Roman „Schnee“ inzwischen die Bestseller-Listen erreicht.
Wenige Tage vor der Frankfurter Buchmesse hatte _Dieter Schormann_ bekannt gegeben, dass er sein Amt als Vorsteher des Börsenvereins zum Jahresende niederlegt. Aufgrund seines Wechsels von einer traditionsreichen inhabergeführten Buchhandlung zur expandierenden Buchhandelskette Thalia sah er das Vertrauen in ihn durch die Mitglieder auch kleiner Unternehmen nicht mehr gegeben. Aber zuvor war auch entsprechende Kritik der Mitglieder erfolgt. Schormann war vier Jahre lang als Vorsitzender fast ununterbrochen täglich für den Börsenverein unterwegs: Umbau zum Gesamtverein, Preisbindungsgesetz, Urheberrechtsnovelle, Lobbyarbeit im In- und Ausland. Am 1. Januar übernimmt der stellvertretende Vorsitzende _Gottfried Honnefelder_ (DuMont Literatur- und Kunstverlag) diese Aufgaben. Bei der Hauptversammlung im Mai wird aber ein neuer Vorsteher gewählt.
|Das Börsenblatt, das die hauptsächliche Quelle für diese Essayreihe darstellt, ist selbstverständlich auch im Internet zu finden, mit ausgewählten Artikeln der Printausgabe, täglicher Presseschau, TV-Tipps und vielem mehr: http://www.boersenblatt.net/.|