Hoffmann, Bernd – Katharer Schriften, Die

_Der Autor:_

Bernd Hoffmann, geboren 1962 in Horn, untermauert seine Theorie der geheimnisvollen Katharer Schriften und des heiligen Grals mit vielen historisch verbürgten Gegebenheiten, etwa der politischen Situation in Italien und Deutschland, dem Jesuiten-Orden und schließlich der Reise der Italia, die am 25. Mai 1928 vor Grönland abstürzte und von der weder Gepäck noch Überlebende geborgen werden konnten. Der Autor erzählt eine ungewöhnliche Geschichte, in der sich Abenteuer und historischer Mystizismus mischen. Er lässt seinen Ermittler tief in die Welt der Geheimbünde eintauchen und zeigt faszinierende Aspekte der frühen Christenheit auf. Ein spannender Roman, der seine Leser in die Vergangenheit entführt und die Zeit vergessen lässt.

Von Bernd Hoffmann erschien 2003 „Das Gemälde“, ein historischer Krimi um ein verschollenes Kandinsky-Bild.

_Das Buch:_

Im Berlin des Jahres 1928 arbeitet der Archäologe Dr. Julius Weymann an der Übersetzung und Restauration einiger mysteriöser und anscheinend sehr wichtiger Schriftrollen. Kurz darauf begeht er Selbstmord.

Adalbert von Grolitz, ein junger Geschäftsmann und ein Bekannter Weymanns, misstraut der Zeitungsmeldung über dessen Tod und vermutet Mord hinter Weymanns plötzlichem Ableben. Bei seinen Recherchen stößt er auf eine Verbindung zur Prieuré de Sion, eines tausend Jahre alten Geheimbundes, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, die Dokumente des von der katholischen Kirche vernichteten Katharer-Ordens zu schützen und zu bewahren. Diese Schriftrollen sind seit Weymanns Tod verschwunden und es wird bald deutlich, dass sie in den falschen Händen einen großen politischen und gesellschaftlichen Schaden anrichten können.
Adalbert von Grolitz wird auf Wunsch seines Berliner Verbindungsmannes Kessler in die Schweiz geschickt, wo man die geheimen Dokumente vermutet.

Sein Weg führt ihn nach Grindelwald in die Gegen des Eiger-Bergmassivs. Dort trifft er auf seinen neuen Verbindungsmann Max Strickler, der ihm nach und nach mehr über den Inhalt der mysteriösen Schriften erzählt. Gemeinsam kommen sie der Spur einer geheimnisvollen Seilschaft unter der Führung eines Ordensbruders auf die Spur und entdecken so den Aufenthaltsort der gestohlenen Dokumente.

Dieser verbirgt sich mitten in einem Höhlensystem und ist von einer mit Sprengzündern ausgestatteten Wand geschützt. Von Grolitz und Strickler bleibt nichts anderes übrig, als weitere Leute für ihre Mission zu gewinnen, die aber gleichzeitig nicht zu viel von der wahren Begebenheit wissen dürfen. Mit einem kleinen Team erfahrener Alpinisten planen sie den Abtransport der Schriften, was jedoch nicht unbeobachtet gelingt, denn die Ordensbrüder sind ihnen immer einen Schritt voraus und schrecken mittlerweile auch vor keiner Methode mehr zurück …

_Meine Meinung:_

Es ist schon fast unheimlich, mit welchem Erzähltempo Bernd Hoffmann in diesem Roman loslegt, und wie viele verschiedene Aspekte er schon auf den ersten fünfzig Seiten berücksichtigt. Der Autor schildert so zum einen die Brisanz der nationalen Zeitgeschichte und das Aufkeimen der Nationalsozialisten, die es unter anderem auch auf den linksgerichteten Großunternehmer von Grolitz abgesehen haben, andererseits aber natürlich auch die unheimlichen Enthüllungen, die sich hinter den Katharer Schriften verbergen, wobei er die Geschichte schon noch eine ganze Weile lang unter einem Schleier des Geheimnisvollen verhüllt und erst nach und nach Details freigibt.

Hoffmann hat sich wirklich sehr intensiv mit der Theorie der Katharer auseinandergesetzt und deren Vermutung, dass Jesus die Kreuzigung überlebt hat und nach Frankreich fliehen konnte, um dort ein abgeschiedenes aber friedliches Leben mit Familie zu führen, bis ins letzte Detail in den Roman einfließen lassen. Selbst der größte Zweifler wird hier nach und nach erkennen, dass diese Theorie zwar einerseits ziemlich weit hergeholt scheint, andererseits aber so logisch und schlüssig dargestellt wird, dass man auch gut glauben könnte, dass es tatsächlich so gewesen ist und die vielen Mysterien um den Tod Jesu an den Haaren herbeigezogen wurde. Und was dabei herumkommt, ist wirklich sehr interessant und spannt den Bogen um die Entstehung der Kirche über die Tempelritter und den heiligen Gral bis hin zur politisch sehr brisanten Situation des dritten Jahrzehnts in Italien und Deutschland, alles vergepackt in eine unglaublich spannende Abenteuergeschichte, deren Reiz vor allem auf dem historischen Mystizismus beruht.

Ich muss zugeben, dass ich lange überlegt habe, aus welcher Richtung ich diese Rezension angehen sollte, und bin dabei in Versuchung gekommen, das tatsächliche Mysterium dieses Romans genauer zu beschreiben und Kernpunkte der Story nachzuerzählen. Doch genau damit würde man dem Buch einen erheblichen Teil der Spannung nehmen und schon zu weit vorgreifen. „Die Katharer Schriften“ ist jedoch ein Werk, das man erleben muss, in dessen faszinierende Theorien man eintauchen muss, denn nur so wird man auch erkennen können, welche Auswirkungen die Geschichte für den Verlauf der Weltgeschichte gehabt hätte, hätte sie tatsächlich den hier als wahrhaftig dargestellten Verlauf genommen. Das mag dem rational denkenden Menschen möglicherweise schwerer fallen als dem träumerischen Charakter, aber darin liegt ja zu einem gewissen Teil auch das Verlockende hinter den Katharer Schriften. Man muss sich auf einen Prozess einlassen, der einem mit wachsender Dauer immer suspekter, vielleicht als gläubigem Christen auch unangenehmer erscheinen mag, weil man ja schließlich keine Zweifel an seinem Glauben duldet.

Und all das ist ja letztlich auch nur ein Nebeneffekt dieser mitreißend geschriebenen und in Hinsicht auf das stetig hohe Spannungslevel intelligent strukturierten Abenteuergeschichte. „Die Katharer Schriften“ zählt jedenfalls, das steht für mich bereits jetzt fest, zu den besten Büchern, die ich je gelesen habe, nicht zuletzt, weil es einfach Spekulationen und Gedankengänge in mir geweckt hat, die zwar vom Verstand abgelehnt werden mögen, aber trotzdem nicht abgelegt werden können – auch jetzt nicht, wo das Buch längst beiseite gelegt wurde. Daher möchte ich diesen Bericht mit einem lautstarken Applaus für Bernd Hoffmann beschließen, der es geschafft hat, mich stunden- und tagelang in eine ganz andere Welt abtauchen zu lassen. „Die Katharer Schriften“ ist definiv ein Buch, das man so schnell nicht mehr vergessen wird.

Leroux, Gaston / Gruppe, Marc – Phantom der Oper, Das (Gruselkabinett 4)

„Das Phantom der Oper“ ist das vierte Hörspiel aus der kultigen „Guselkabinett“-Reihe mit den miesen Coverbildern und den höchst unterhaltsamen Inhalten. Beim „Phantom der Oper“ denkt jeder zwangsläufig an Andrew Lloyd Webber, Kahnfahrten in unterirdischen Gewölben und schmachtende Opernduette. Dagegen anzukämpfen, ist nicht leicht, doch in gewohnt überzeugender Manier liefern |Titania Medien| unter der Leitung von Marc Gruppe ein schauerliches Hörspiel in Starbesetzung.

Die Handlung ist wohl in den groben Zügen bekannt: Die junge Christine Daaé (gesprochen von Marie Bierstedt) fristet ihr Dasein als Chormädchen an der Pariser Oper, bis das geheimnisvolle Phantom (Torsten Michaelis) sie unter seine Fittiche nimmt und unterrichtet. Selbiges Phantom ist von Geburt an entstellt und lebt, zynisch und Menschen verachtend, unter der Oper, um zur abendlichen Vorstellung heraufzuklettern und in Loge 5 die Musik zu genießen (denn zufällig ist er auch noch ein sehr guter Sänger UND Architekt). Die neue Leitung der Oper sieht dieses Arrangement gar nicht gern, schließlich ist Loge 5 eine der teuersten des Hauses und könnte auch anderweitig verkauft werden. So entbrennt ein Machtkampf zwischen dem Opernmanagement und dem Phantom, während dieser Christine fördert und die Operndiva La Carlotta (Ursula Heyer) zum Gespött des Publikums macht. Dann betritt auch noch Christines Jugendfreund Raoul (Patrick Winczewski) die Bühne und Christine findet sich plötzlich zwischen zwei Männern wieder, von denen einer nicht davor zurückschrecken wird, den Rivalen zu töten …

Das Hörspiel kann wie immer mit wunderbaren Soundeffekten garantieren, sodass der geneigte Zuhörer prompt in die richtige Stimmung gebracht wird. Im Hintergrund breiten sich orchestrale Klangteppiche aus und erschaffen überzeugend die Illusion, sich in einer Oper zu befinden. Doch das Hörspiel steht und fällt mit der Darstellung des Phantoms, und Torsten Michaelis (Stimme von Wesley Snipes und Sean Bean) macht seine Sache ausgesprochen gut. Sein Phantom pendelt zwischen dem Bedürfnis nach Zuneigung und Freundschaft und dem Wunsch, die Menschen, die ihm das Leben so schwer machen, möglichst genussvoll zu zerstören. Er kann liebenswert und hilfsbereit, aber auch rachsüchtig und gnadenlos sein. Ob man nun Mitleid mit dem Phantom hat oder ihm dem Tod wünscht, bleibt also dem Zuhörer überlassen – eine leichte moralische Entscheidung ist es auf keinen Fall.

Hinter Torsten Michaelis‘ brillanter Darstellung müssen die anderen Sprecher zwangsläufig zurückstehen. Gerade des Phantoms Gegenspieler Raoul, gesprochen von Patrick Winczewski (wohl eher bekannt als Synchronstimme von Tom Cruise und Hugh Grant), bleibt im direkten Vergleich blass, naiv und uninteressant. Einzig die zickige Diva La Carlotta kann mit dem Phantom mithalten, da Ursula Heyer sich schwer ins Zeug legt und wohl über vier Oktaven schreit, zickt, meckert und generell ziemlich unerträglich ist.

Gaston Leroux’s „Das Phantom der Oper“, das 1910 erstmals erschien, hat bis heute nichts von seiner Faszination eingebüßt. Angelehnt an die Geschichte von der Schönen und dem Biest, spricht die romantische Handlung immer noch Menschen aller Couleur an. Wohl auch darum wird der Stoff immer wieder neu verarbeitet. Schon 1925 gab es die erste Verfilmung des Romans und erst 2004 kam die vorerst letzte in die Kinos. Am bekanntesten ist sicherlich die Musical-Adaption von Andrew Lloyd Webber. Und Marc Gruppes Hörspielversion reiht sich nahtlos in die lange Geschichte des Stoffes ein.

Der versprochene Grusel ist hier allerdings eher ein angenehmer Schauer, der sich ausbreitet, wenn man mit Christine die unterirdischen Gewölbe der Oper erkundet und die Gegenspieler des Phantoms in meisterlichen Spiegelkabinetten gefangen sind. Im Vordergrund steht die dem Untergang geweihte unglückliche Liebesgeschichte zwischen Christine und dem Phantom. Es lässt sich also ausgesprochen gut schmachten bei diesem Hörspiel aus dem |Titania|-Programm und romantische Gemüter werden am Ende sicherlich die eine oder andere Träne wegwischen müssen.

[Titania Medien]http://www.titania-medien.de hat sich innerhalb kürzester Zeit mit seiner Gruselkabinett-Reihe bei Hörern und Kritikern nach vorn gebracht. Bereits im Frühjahr dieses Jahres konnte |Titania| den Kritikerpreis der Hörspiel-Awards abstauben und auch dieses Jahr ist das Label gleich bei zwei Awards nominiert. Zu einem echten Kauf-mich-Preis bringt Marc Gruppe klassische Texte der Horrorliteratur auf den Silberling, jedes Mal mit bekannten Sprechern und tollen Klangeffekten. Da macht das Reinhören immer wieder aufs Neue Spaß.

_Das |Gruselkabinett| auf |Buchwurm.info|:_

[„Carmilla, der Vampir“ 993 (Gruselkabinett 1)
[„Das Amulett der Mumie“ 1148 (Gruselkabinett 2)
[„Die Familie des Vampirs“ 1026 (Gruselkabinett 3)
[„Das Phantom der Oper“ 1798 (Gruselkabinett 4)
[„Die Unschuldsengel“ 1383 (Gruselkabinett 5)
[„Das verfluchte Haus“ 1810 (Gruselkabinett 6)
[„Die Totenbraut“ 1854 (Gruselkabinett 7)
[„Spuk in Hill House“ 1866 (Gruselkabinett 8 & 9)
[„Dr. Jekyll und Mr. Hyde“ 2349 (Gruselkabinett 10)
[„Untergang des Hauses Usher“ 2347 (Gruselkabinett 11)
[„Frankenstein. Teil 1 von 2“ 2960 (Gruselkabinett 12)
[„Frankenstein. Teil 2 von 2“ 2965 (Gruselkabinett 13)
[„Frankenstein. Teil 1 und 2“ 3132 (Gruselkabinett 12 & 13)
[„Die Blutbaronin“ 3032 (Gruselkabinett 14)
[„Der Freischütz“ 3038 (Gruselkabinett 15)
[„Dracula“ 3489 (Gruselkabinett 16-19)
[„Der Werwolf“ 4316 (Gruselkabinett 20)
[„Der Hexenfluch“ 4332 (Gruselkabinett 21)
[„Der fliegende Holländer“ 4358 (Gruselkabinett 22)
[„Die Bilder der Ahnen“ 4366 (Gruselkabinett 23)
[„Der Fall Charles Dexter Ward“ 4851 (Gruselkabinett 24/25)
[„Die liebende Tote“ 5021 (Gruselkabinett 26)
[„Der Leichendieb“ 5166 (Gruselkabinett 27)

O’Neal, Tatum – Und mein Leben beginnt jetzt

1973 wird die Schauspielerin Tatum O’Neal mit einem „Oscar“ für den Film „Paper Moon“ ausgezeichnet. Niemals hat es eine jüngere Gewinnerin dieses wichtigen Preises gegeben. Doch der frühe Ruhm bringt dem Kind kein Glück. Ohnehin wächst es in desolaten Familienverhältnissen auf, wird von der süchtigen Mutter vernachlässigt und vom cholerischen Vater Ryan O’Neal – selbst ein bekannter Darsteller – nicht nur geschlagen, sondern auch mit Drogen versorgt.

So ist ein Lebensweg quasi vorgezeichnet, der zwischen strahlenden Auftritten als prominentes Mitglied der Hollywood-High-Society und einem zunehmend desaströsen Privatleben schlingert. Frühe Drogen- und Alkoholsucht, sexuelle Übergriffe, Kämpfe mit den gleichzeitig schwachen und herrschsüchtigen Eltern, Depressionen, die Flucht in eine Ehe, die sich als neuer Lebenskampfschauplatz erweist, und ein schmutziger Scheidungskrieg sind nur einige Stationen eines langen Absturzes ins persönliche und gesellschaftliche Nichts.

Erst spät kann sich Tatum O’Neal fangen. Der Rückweg in ein geordnetes Leben ist schwierig und schmerzhaft, aber er gelingt. Mit den meisten Dämonen der Vergangenheit vermag sich O’Neal zu arrangieren. Für die zweite Lebenshälfte sieht die Prognose deutlich besser aus als für die ersten vier Jahrzehnte eines verpfuschten doch gleichzeitig ungewöhnlich ereignisreichen und interessanten Lebens. Beide Aspekte finden Erwähnung in der Autobiografie, die Tatum O’Neal selbst verfasst hat und die hier in deutscher Übersetzung vorgelegt wird.

Reiches Kind, armes Kind … Wie oft haben wir diese Melodei eigentlich schon gehört? Besonders Hollywood scheint prädestiniert für Schicksale wie das der Tatum O’Neal. Filmreif klingt, was faktisch durchaus glaubwürdig erscheint. Das nährt gleichzeitig Misstrauen, zumal sich die O’Neal-Biografie ebenso eng wie letztlich zweifelhaft an jenen Spannungsbogen hält, den die US-Amerikaner so lieben: Da gerät jemand bis auf die Spitze der gesellschaftlichen Pyramide, ist reich, berühmt, beliebt, um anschließend genauso tief zu fallen. Grausiges reiht sich an Trauriges, und wenn man als bangender und leidender Leser schon glaubt, es geht nicht mehr und die arme Tatum endgültig verloren glaubt, kommt irgendwo doch ein Lichtlein her: Kraft fährt aus Wolke Sieben in das geplagte Menschenkind. Es besinnt sich uramerikanischer Tugenden, streift ab die Fesseln der Sucht und der Erniedrigung, findet zu sich, erschafft sich neu. Aus der Gosse erhebt sich gleich Phoenix die neue Tatum O’Neal, clean und schön, selbstsicher und erfolgreich, bereit und willens, sich dem Leben zu stellen.

Solche Storys lieben Amerikaner bzw. Zeitgenoss/inn/en mit einfach gestrickten Gemütern, denn sie projizieren selbstverständlich das eigene, zur Zeit womöglich nicht gerade günstige Geschick in die Lektüre und schöpfen Hoffung: Siehe, es geht doch; da steckt ein Mensch viel tiefer im Dreck als ich und hat es geschafft, sich zu befreien. Dass dieses Lehrstück womöglich nach dem Handbuch „Wie konstruiere ich einen Bestseller?“ inszeniert ist – als Genre fällt es in die Kategorie „Frauenschicksal“ -, scheint kaum eine Rolle zu spielen. Wie im Märchen geht die Geschichte gut aus; das ist es, was primär den Erfolg solcher Bücher ausmacht. Recht perfide ist, dass „Und mein Leben beginnt jetzt“ ganz und gar nicht als Rührspiel beginnt. Die Selbstreflexion bewegt sich auf einem niedrigen Niveau, aber als einfach gehaltener, lesbar geschriebener Bericht (keine Selbstverständlichkeit bei Autobiografien) über vier schauerlicher Jahrzehnte überzeugt O’Neals Autobiografie in der ersten Hälfte durchaus.

Dann aber wird’s wüst & wohlig schmutzig. Tatum schreibt schonungslos. Sex sells, doch solches profane Denken spielt hier selbstverständlich keine Rolle: Der gefallene Engel will beichten, um anschließend seine Absolution zu erfahren. Es fällt schwer nachzuvollziehen, welchen Aufklärungswert die einschlägigen Skandal-Anekdoten besitzen, mit denen die Leserschaft konfrontiert wird. In den US-Medien wurden aufgeregt gewisse „Stellen“ zitiert, die Tatum und einen schon damals offensichtlich psychisch derangierten Michael Jackson beim Techtelmechtel zeigen. Rabenvater Ryan prügelt neidisch die talentierte Tochter und macht sie mit diversen Drogen vertraut. Die junge Melanie Griffith soll die 12-jährige Tatum in Rom unter Drogen gesetzt und zu einer Orgie verführt haben. (Dieses Ereignis wird den deutschen Lesern indes unterschlagen – offenbar konnten Griffith’ Anwälte wenigstens für die Auslandsausgaben der O’Neal-Biografie eine Tilgung erstreiten …)

So geht das weiter, während der Tonfall der Erzählerin falsch zu klingen beginnt. Den Entbehrungen der Jugend, welche sie objektiv erleiden musste, folgen die erwachsenen Jahre. Hier ist es nun nicht mehr möglich, Alleinschuld auf die feindliche Umwelt abzuschieben. Tatum O’Neal, ohne Zweifel seelisch schwer geschädigt, begibt sich auf einen Höllentrip, bei dem sie selbst am Steuer sitzt. Das passt nur bedingt zum Bild der von Gott, der Welt & der Familie gebeutelten Frau. O’Neal versucht einen Spagat: Sie leugnet ihre Exzesse nicht, Schuld sind jedoch weiterhin die Anderen. Die arme Tatum möchte doch weiter nichts als mit ihren vergötterten Kindern in Ruhe gelassen werden und hier und da einen Film drehen, weil Geld nun einmal zu den Konstanten eines stabilen Lebens gehört. Sie selbst benötigt natürlich nichts außer Liebe und Anerkennung und was der positiven Folgen einer Wiedergeburt mehr sind.

Für Tatum O’Neal mag die Niederschrift ihrer Autobiografie ein Akt der Befreiung und eine Form der Selbsttherapie gewesen sein. Da sie nach eigener Auskunft seit vielen Jahren Tagebuch führt, dürfte ihre Rückschau der Wahrheit entsprechen; sie ergibt ein Leben, das man seinem ärgsten Feind nicht wünscht. Doch Wahrheit ist etwas Subjektives. Sie besitzt zwei Seiten, von denen man hier nur die eine hört. So ungeheuerlich sind die Erinnerungen der Tatum O’Neil, dass diejenigen, die Erwähnung finden, praktisch chancenlos bleiben, sollten sie widersprechen. Ex-Ehemann John McEnroe hat es mit dem zu erwartenden negativen Ergebnis versucht. Zur Zeit gilt als „wahrer“ McEnroe primär O’Neals McEnroe, ein labiler, selbstsüchtiger, brutaler usw. Zeitgenosse. So gefällt es den Medien und jenen Tugendbolden, die es empörend finden, dass ein cholerischer Widerling gleichzeitig ein Sportass sein kann.

Noch komplizierter wird es, wenn der Drang, die „Wahrheit“ zu berichten mit sehr menschlichen Irrtümern kollidiert. „Und das Leben beginnt jetzt“ ist vor allem ein Dampfablassen der Verfasserin. (So interpretiert es übrigens auch der bloßgestellte Vater Ryan.) Die historischen Fakten sollte man hingegen lieber nicht auf die Goldwaage legen. So behauptet O’Neal u. a., der sich weiterhin in unerwiderte Liebe zu ihr verzehrende Michael Jackson habe nach ihrer Trennung den Klagesong „She’s out of my Life“ geschrieben. Das fügt sich wunderschön zur Story, ist aber falsch: Das Lied stammt aus der Feder des Komponisten und Musikers Tom Bahler.

So ist „Und das Leben beginnt jetzt“ nur eine hoffentlich heilsame Abrechnung im Gewand einer weiteren Skandalbiografie geworden. Die deutsche Ausgabe setzt dem durch den schwachsinnig „übersetzten“ Titel ein trübes Glanzlicht auf. „A Paper Life“ nennt Tatum O’Neal ihre Lebensgeschichte im Original. Sie spielt damit auf ihren ersten und größten Filmerfolg „Paper Moon“ von 1973 an, der ihr Leben in jeder Hinsicht veränderte.

Tatum Beatrice O’Neal wurde 1963 als Tochter der Schauspieler Ryan O’Neal und Joanna Cook Moore geboren. Die Eltern lassen sich wenige Jahre später scheiden. Tatum wächst bei der Mutter auf, deren Alkoholismus und Drogensucht eine kindgerechte Erziehung praktisch unmöglich machen. Vater Ryan nimmt die verwilderte Tochter später auf, erweist sich jedoch als – gelinde ausgedrückt – unkonventioneller Vater.

1973 ist er einverstanden, als Regisseur Peter Bogdanovich für sein Filmprojekt „Paper Moon“, die Geschichte einer Vater-Tochter-Beziehung im Amerika der Depressionszeit, Tatum und ihn als Schauspieler verpflichten möchte. Der Film wird ein Riesenerfolg und Tatum O’Neal erhält mit zehn Jahren den „Oscar“ als beste Darstellerin des Jahres – die jüngste Gewinnerin dieses Preises überhaupt.

Weitere Filmerfolge: „The Bad New Bears“ (1976; dt. „Die Bären sind los“), eine Baseball-Komödie mit Walter Matthau, für die Tatum O’Neal die bisher höchste Gage für eine Kinderdarstellerin erhält, sowie „Nickelodeon“ (1976), eine zwar gefloppte aber von der Kritik hoch gelobte Komödie über die Anfänge der amerikanischen Filmindustrie.

Das schwierige Privatleben beeinträchtigt die Karriere der Schauspielerin, die sich nach der Geburt dreier Kinder während ihrer Ehe mit dem Tennisspieler John McEnroe (1986-1994) weitgehend ins Privatleben zurückzieht. Persönliche Probleme lassen O’Neal, die schon früh Erfahrungen mit Rauschgift gemacht hatte, erneut der Sucht verfallen. Erst nach mehrfachen Klinikaufenthalten gelingt es der Schauspielerin, von den Drogen freizukommen. Das Auf und Ab ihres Lebens hält Tatum O’Neal 2004 in ihrer Autobiografie „A Paper Life“ fest, die als Skandalchronik große Aufmerksamkeit erfährt, die Bestsellerlisten erklimmt und Tatum O’Neal den Weg zurück ins Rampenlicht ebnet.

Clemens, James – Schattenritter (Die Chroniken von Myrillia 1)

Eigentlich wollte Tylar nur mit sich selbst einen heben gehen. Immerhin hatte er an diesem Tag Geburtstag. Leider war die Wahl des Lokals etwas ungünstig für ihn ausgefallen. Der heruntergekommene und gebrochene Mann ist in den feineren Schänken der Stadt nicht willkommen, die Türsteher werfen ihn raus. Und nicht nur das! Nur das Eingreifen eines Schattenritters verhindert, dass Tylar totgeschlagen wird. Trotz dieser Rettung hat die ganze Sache verheerende Auswirkungen. Auf dem Heimweg wird Tylar Zeuge eines Mordanschlags. Nicht an irgendjemandem, sondern an Meeryn, der Göttin der Sommerinseln! Als der unheimliche Angreifer wieder verschwunden ist, eilt Tylar der verletzten Göttin zu Hilfe. Zu seinem Entsetzen stirbt sie in seinen Armen, und nicht, ohne ein geheimnisvolles und höchst unwillkommenes Geschenk in ihm zurückzulassen, das ihn auf kürzestem Wege in den Kerker und auf den Richtplatz bringt. Doch gemeinsam mit seinem Mithäftling Rogger kann Tylar fliehen. Jetzt machen alle neun Länder Myrillias Jagd auf den „Gottesmörder“ …

Dart lebt im Konklave von Chrysmafähr. Hier werden die adligsten und vielversprechendsten Jungen und Mädchen der neun Länder dazu ausgebildet, den Göttern als Leibdiener zu fronen, und als „Hand“ eines Gottes erwählt zu werden, gilt als große Ehre. Dart allerdings ist eine Außenseiterin. Ihre Eltern kennt sie nicht, die ehemalige Rektorin der Schule hatte sie als Säugling ins Konklave gebracht und dort aufgezogen. Doch vor drei Jahren starb ihre Gönnerin, und Dart fühlt sich nur noch geduldet. Sie hat keine Familie, keine Abstammung, ist nicht einmal hübsch, und die anderen Mädchen treiben ihren derben Spott mit ihr. Ihr einziger Freund ist ein kleiner Hund, den außer ihr niemand sehen kann. Trotz all dem fühlt Dart sich im Konklave zu Hause, es ist der einzige Ort, den sie kennt.

Dann allerdings geschehen Dinge, die innerhalb weniger kurzer Tage ihre gesamte Welt völlig auf den Kopf stellen! Zutiefst gedemütigt und kurz darauf aufs Höchste geehrt, entkommt sie nur knapp einem Mordanschlag und macht schließlich eine Entdeckung, die sie und ihre Freundin Laurelle schlagartig zu Flüchtlingen macht! Und das ist noch gar nicht alles …

James Clemens verschwendet keine Zeit damit, erst eine heile Welt zu entwerfen, um sie dann zu zertrümmern, sondern er fängt gleich mit dem ersten Steinwurf an! Die Welt, die vor dem Auge des Lesers entsteht, hat von Anfang an Risse, und am Ende des Buches ist dem Leser klar, dass es eine heile Welt eigentlich nie gegeben hat.

Tylar ist dafür ein deutliches Zeichen. Einst war er ein Schattenritter und Protegé des Ordensvorstehers in Tashijan, verlobt mit seiner klugen und hübschen Kollegin Kathryn. Doch er machte den Fehler, sich mit den Grauhändlern anzulegen. Plötzlich fand er sich auf der Anklagebank wieder, als Mörder! Ihm drohte der Strick. Nur durch das Eingreifen seines Gönners Ser Henri blieb er am Leben, kam allerdings auf ein Sklavenschiff und landete in einer Kampfarena. – Kein strahlender Held also, sondern einer mit Dreck am Stecken. Kein unfehlbarer Übermensch, sondern einer, der seine üble Lage zumindest teilweise sich selbst zuzuschreiben hat. Natürlich besitzt er im Übrigen alle Eigenschaften, die ein Held haben muss, damit er mit den Gefahren eines Fantasy-Romans fertig werden kann: Er ist zäh, entschlossen und im Grunde von rechtschaffener Gesinnung.

Darts Charakter liegt mehr auf der typischen Schiene: ein junges Mädchen, das trotz seiner Außenseiterrolle im Grunde behütet aufgewachsen ist und von der Welt im Grunde nicht viel weiß. Ihr ganzer Horizont besteht aus seiner künftigen Aufgabe als göttliche „Hand“, bis das Unheil über sie hereinbricht, zunächst in Gestalt eines Lehrers, dann plötzlich auch noch in Gestalt eines Gottes. Zu guter Letzt wird ihr Leben auch noch von der Lösung des Rätsels um ihre Herkunft überschwemmt. Wie auch für Tylar gilt für Dart natürlich das ungeschriebene Gesetz, dass sie zwar Angst haben darf, sich aufgrund ihrer Rolle als Heldin aber tapfer und mutig verhalten und natürlich im entscheidenden Moment die rettende Idee haben muss!

Die bisher geheimnisvollste Persönlichkeit ist Rogger. Er nennt sich einen Dieb, aber abgesehen von einer gewissen Schlitzohrigkeit und großem Geschick beim Öffnen von Schlössern wirkt er dafür eigentlich zu gebildet. Nur eines ist sicher: Er ist weit herumgekommen und kennt die neun Königreiche offenbar wie seine Westentasche. Es würde mich allerdings nicht wundern, wenn sich irgendwann rausstellen sollte, dass der Dieb nur eine Tarnung für einen adligen Spion ist! Aus irgendeinem Grund fühlte ich mich gelegentlich an Silk aus Eddings |Belgariad|-Saga erinnert. Beide sind mehr, als sie scheinen …

Der obligatorische Bösewicht ist wie so oft ein Vertreter der machthungrigen Sorte, allerdings kein stumpfsinniger Brutalo, sondern intelligent und weltmännisch. Um an die Macht zu kommen, hat er seine Fäden im Hintergrund gezogen, bis er in einem dichten Netz aus Unterstützung saß, wie eine Spinne. Nur an einer Stelle scheint sein Verstand ein wenig vernebelt, und zwar in Bezug auf die Frau, die er unbedingt für sich haben will, die aber überhaupt nichts für ihn übrig hat. Das ist ausgerechnet Tylars frühere Verlobte.

Was der Sache den letzten Schliff verleiht, ist, dass dieser Mann nicht den einzigen Bösewicht der Geschichte darstellt!

Die Gruppe um Elena in Clemens‘ erstem Zyklus |Banned and the Bannished| hatte noch recht deutlich etwas von einer Rollenspielgruppe an sich. In den |Chroniken von Myrillia| spürt man davon nicht mehr so viel. Auch hier haben wir Vertreter verschiedener Bereiche: Schwertkämpfer, einen Dieb, eine Art Priesterin der Götter. Jedoch ist die Gruppe insgesamt so klein, dass die Sache eher im Hintergrund bleibt.

Der Weltentwurf ist diesmal frei von Zauberei, dafür bevölkert von einer ganzen Heerschar von Göttern. Die Magie hat Clemens in das Gewand der Alchemie gekleidet. Basis für die Wirkung der alchemistischen Mittel sind die Körperausscheidungen der Götter. Nicht unbedingt in jeder Hinsicht lecker, aber die unangenehmeren Körpersäfte blieben zumindest bisher eher am Rande, der Ekelfaktor hält sich stark in Grenzen. Blut fließt allerdings in Strömen, obwohl weder Schlachten geschlagen noch anderweitige Gemetzel veranstaltet werden. Denn das Blut der Götter enthält die mächtigste der „Gaben“ …

Die Monster, die im Hexenzyklus noch so zahlreich und detailliert beschrieben wurden, sind hier weit weniger vertreten. Ganz ohne Grausamkeit kommt allerdings auch „Schattenritter“ nicht aus. Clemens versteht es wieder einmal, den Leser gegen Ende, als er eigentlich schon aufatmen will, mit der Aussicht auf völlige Finsternis zurückzulassen. Auch der Verlauf des Buches steht unter Dauerspannung. Es dauert eine Weile, bis erkennbar wird, wer Freund und wer Feind ist. Das gilt vor allem für den Handlungsstrang um Dart, deren Verwirrung und Angst hinter jeder Ecke eine Bedrohung sehen. Aber auch sonst ist kaum etwas so, wie es scheint. Und die hartnäckige Verfolgung des Gottesmörders sorgt für ein hohes Erzähltempo.

Was sich da bisher so abzeichnet, scheinen die |Chroniken von Myrillia| durchaus mit Clemens‘ Erstlingswerk mithalten zu können. Die Charaktere sind interessant und machen neugierig auf mehr, das Schwert der Götter dürfte auch noch einige Geheimnisse bergen, und die Intrigen innerhalb des Ordens der Schattenritter bieten sicherlich noch genug Stoff, an dem man weiterweben kann. Clemens hat seine Geschichte gekonnt aus Politik, Religion, Magie, Wissenschaft und zwischenmenschlichen Beziehungen zusammengesetzt, die in viele Richtungen verzweigen und eng miteinander verwoben sind. Jede Menge Platz für die Entwicklung der Charaktere sowie unvorhergesehene Wendungen und sonstige Überraschungen.

James Clemens ist gebürtiger Amerikaner, wuchs aber in Kanada auf. Er studierte Veterinärmedizin und eröffnete schließlich eine Praxis in Kalifornien. Von 1998 bis 2003 erschien der Fünfteiler |Banned and the Banished|. Danach gönnte sich der Autor eine Pause und brachte im Juli dieses Jahres den ersten Band seiner |Chroniken von Myrillia| unter dem Titel „Schadowfall“ heraus. Schon zwei Monate später erschien das Buch auch auf Deutsch. Der Autor arbeitet unterdessen an der Fortsetzung „Hinterland“, die nächstes Jahr erscheinen soll.

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Holmberg, Bo R. – Schneegrab

_Der Autor:_

Bo R. Holmberg wurde 1945 in Ådalen geboren. Er ist heute als Lehrer in Bredbyn im Ångermanland tätig, dort lebt er auch mit seiner Frau Dorotea und seinen drei Kindern. Bo R. Holmberg ist mit seinen Kinderbüchern auch in Deutschland sehr erfolgreich.
Sein erster Kriminalroman „Rabenseelen“ wurde von der Presse mit Begeisterung aufgenommen und mit dem Schwedischen Krimipreis ausgezeichnet.
Mehr Infos zum Autor findet man [hier.]http://www.schwedenkrimi.de/bo__holmberg__biografie.htm

_Story:_

Die kleine Pfarrei Anundsjö im Jahre 1849: Im selbst für die frostigen Witterungsverhältnisse ungewöhnlich tiefen Schnee wird eine Leiche entdeckt, deren Arm aus dem Schnee herausragt. Schon tagelang muss der erstochene, ziemlich große Mann unter der Schneedecke versteckt gewesen sein, bis er schließlich nach leichtem Abtauen gefunden wird.

Polizeiamtmann Harald Morell macht sich gemeinsam mit seinem jungen Helfer Johan Anundsson auf die Suche nach dem Mörder. Dabei stoßen sie nur auf wenige hilfreiche Informationen, weil die Spur des Täters ganz aus Anundsjö herauszuführen scheint. Dann verschwindet eines Tages die Altenpflegerin Greta Sigurdsdotter, und die Beamten vermuten das Schlimmste. Tatsächlich wird auch sie gefunden, nachdem die erneut heftigen Schneefälle nach acht Tagen endlich beendet sind. Die Art und Weise der schrecklichen Tat scheint ähnlich; auch Gretas Arm ragt aus dem Schnee empor, und auch sie hat Wunden, die auf Messerstiche schließen lassen.

Für Länsmann Morell, der sich gleichzeitig auch um seine zutiefst depressive Frau und seinen neugeborenen Sohn kümmern muss, steht fest, dass es zwischen den beiden Mordfällen einen Zusammenhang gibt, und als sie schließlich den Hauptverdächtigen Grels Persson gefangen nehmen, ist der Fall für Morell eigentlich schon abgeschlossen. Persson gesteht schließlich den ersten Mord und bezeichnet sein Handeln als Notwehr. Jedoch bestreitet er, auch Greta umgebracht zu haben, doch da Morell dem Verbrecher, der auch wegen verschiedener Raubdelikte angeklagt wird, nicht glaubt, bleibt dieser bis zur Verhandlung in Haft. Dann jedoch taucht die neue Altenpflegerin Lisbet im Hause Morells auf und erzählt ihm von ihren Beobachtungen und Vermutungen. Auf einmal zieht auch Morell die Unschuld Perssons in Erwägung, auch wenn die neue Wahrheit sehr seltsam klingt …

_Bewertung:_

„Schneegrab“ ist ein Krimi, der sich einfach liest, durch seine chronologische Abfolge stets nachvollziehbar bleibt und diesbezüglich auch wenig Tiefgang beinhaltet. Aber das ist auch nicht die Intention des Autors. Bo R. Holmberg hat nämlich eine Geschichte über ganz einfache Menschen geschrieben; Bauern, Mägde, Knechte und das arme Volk stehen im Mittelpunkt seines neuen Romans „Schneegrab“, und alleine aus der Stellung und der oftmals damit verbundenen Armut lassen sich für dieses Buch auch schon diverse Tatmotive ableiten, die man während der 350 Seiten immer wieder im Hinterkopf behalten sollte.

Doch „Schneegrab“ ist nicht ausschließlich Krimi, dieses Werk ist auch in gewissem Maße eine Beschreibung der bürgerlichen Gesellschaft Schwedens zur Mitte des 19. Jahrhunderts, und genau hierbei setzt Holmberg schließlich auch die Glanzpunkte. Holmberg beschreibt das simple Gefühl der Geborgenheit, erörtert die Schlichtheit der Liebe zweier ganz einfacher Menschen, er philosophiert über die Dunkelheit und den Winter in seiner Heimat und schlussendlich zeichnet er auch noch ein authentisches Bild der damaligen Umgangsformen nach, das einerseits erschreckend, andererseits aber auch erstrebenswert klingt. Die Charaktere in Holmbergs Roman geben sich mit dem wenigsten zufrieden, werden aber zu reißenden Tieren, wenn man ihnen ausgerechnet dies noch nimmt. Das Leben als Ein und Alles, so erfährt man es im Alten- und Armenhaus von Anundsjö, so verkörpern es einfache Mägde wie Lisbet, die Tochter des plötzlich verstorbenen Herrn Olofsson, die ermordete Greta Sigurdsdotter, der Polizeigehilfe Johan Anundsson samt seiner Verlobten Annika, aber auch der lediglich aus Überlebenstrieb stehlende Gauner Grels Persson.

Es gibt einige Momente im Buch, da vergisst man die grausamen Morde und taucht selber in diese Zeit ein, denkt dabei über sein eigenes Umfeld nach und beginnt zu hinterfragen, warum der Mensch eigentlich nie zufrieden ist. Dies ist ein Thema, das Holmberg unterschwellig (vielleicht sogar unbewusst) in den Kapiteln von „Schneegrab“ versteckt hat, das sich aber auch irgendwie als roter Faden durch das Werk zieht.

Davon einmal abgesehen, ist das Buch aber natürlich auch ein spannender Krimi, bei dem es um die Schicksale der Betroffenen geht. Da wäre der Komissar Harald Morell, dessen Frau nach drei Fehlgeburten endlich einen Sohn gebar, seitdem aber fast geistesabwesend in ihrem Bett liegt. Sie kann ihr Kind nicht stillen, so dass Harald eine Magd für diese Aufgabe hinzuziehen muss. Das Dilemma, eigentlich glücklich über das Kind, andererseits aber auch traurig über das geistige Ableben der eigenen Gattin zu sein, trägt Morell schließlich auch in sich, als er nach dem Mörder von Greta sucht. Als er glaubt, ihn gefunden zu haben, wird Harald aus Wut und Bosheit richtig aggressiv und brutal und schlägt wohl teilweise auch aus einer Verzweiflung heraus auf ihn ein.

Es sind diese Momente, die aus diesem Krimi eine ganz besondere Geschichte machen und mich schließlich doch zu der Aussage führen, dass Holmberg eine sehr tiefgreifende Story kreiert hat, zu der die simple Stilistik und das umgangssprachliche Schriftbild fast schon konträr sind. Dies hat jedoch auch eine ganz spezielle Wirkung, denn so findet man sich schnell in die Handlung ein, begreift aber dennoch, dass hinter „Schneegrab“ mehr als nur ein Kriminalroman steckt. Was soll ich sagen, mich hat das Buch auf eine ganz eigene, schwer zu beschreibende Art und Weise berührt. Ich liebe diese Geschichten, in denen ganz einfache Leute die Hauptrollen übernehmen, und in dieser Hinsicht ist „Schneegrab“ wirklich eine Ausnahmeerscheinung.

Der schwedische Krimi hat ja aufgrund der ureigenen Mentalität der dort lebenden Menschen ohnehin eine Sonderstellung inne, und mit diesem Buch hat er diese noch weiter ausbauen können.

Azzarello, Brian / Risso, Eduardo – 100 Bullets Bd. 8 – Der unsichtbare Detektiv

Als Milo Garret in den Spiegel blickt, muss er zugeben, dass er schon besser ausgesehen hat: Bandagen verdecken sein Gesicht, er gleicht einem überdimensionalen Pflaster mit Augen, Ohren und Mund. „Solch eine Visage würde nicht einmal eine blinde Mutter lieben“, stöhnt er. Die Hauptfigur in Brian Azzarellos „Der unsichtbare Detektiv“ hat einen schweren Autounfall hinter sich. Als ein mysteriöser Agent ihm offenbart, dass er das Opfer eines Anschlags geworden ist, macht Garret sich auf die Suche nach den Tätern. Bald wird er seine Entscheidung bereuen. Denn er findet mehr heraus, als ihm lieb ist.

Frustriert setzt sich Milo auf den Klodeckel und zündet sich eine Zigarette an. Nebenan auf dem Bürotisch liegt ein Stapel Akten. Bis vor wenigen Tagen war Milos Leben noch in Ordnung. Bis zu dem Unfall. Ein Schlagloch und ein Augenblick der Unaufmerksamkeit entpuppten sich als ein zu starker Cocktail für den Privatdetektiv. Die Motorhaube ging hoch und verdeckte die Sicht. Als Letztes erinnert sich Milo an berstendes Metall und Glassplitter. Dann erwachte er im Krankenhaus.

Autounfälle passieren. Milo hatte Glück im Unglück. Abgesehen von seinem Gesicht ist er in bester Verfassung. Man kann versuchen, die Sache so zu betrachten. Akzeptieren, was geschehen ist. Zurück zum alten Leben, weitermachen wie bisher. Als ein Mann das Krankenzimmer betritt, dessen Antlitz aussieht wie eine Luftaufnahme der Wüste von Nevada, erfährt Milo jedoch, dass die Sache nicht so einfach ist. Agent Graves stellt sich kurz vor und legt einen Aktenkoffer auf den Tisch. In dem Koffer befinden sich Beweise, die belegen, dass der Unfall kein Unfall war, sondern ein abgekartetes Spiel.

Milo war an einem heißen Job dran, heißer, als er ursprünglich angenommen hatte. Der Kunsthändler Karl Reynolds wurde von einem seiner Handlanger gelinkt, der Privatdetektiv sollte ihn suchen. In Graves Koffer liegen nicht nur Beweise dafür, dass Reynolds für Milos Autounfall verantwortlich ist, sondern auch eine nicht registrierte 9mm-Pistole, inklusive einhundert Kugeln Munition. Alles ist clean. Nichts kann zurückverfolgt werden. Das perfekte Werkzeug für einen Mord.

So schnell, wie Agent Graves kam, verschwindet er wieder. Die Sache bleibt nebulös. Milo ist kein Killer, sondern Privatdetektiv, also von Beruf aus neugierig. Bevor er schießt, will er die Wahrheit wissen. Er legt die Pistole beiseite und geht zu Reynolds, um ihm ein paar Fragen zu stellen. Der wird jedoch nicht mehr viel beantworten können. Als Milo ihn findet, ist seine Leiche noch warm. Der Kunsthändler hat ein Loch mitten in der Stirn. Worin auch immer er verwickelt war – es hat ihn zur Strecke gebracht.

Milo Garret wird in ein Katz-und-Maus-Spiel verstrickt, in dem jeder mit verdeckten Karten spielt. Und mit einer Kanone unter dem Tisch. Aber wer spielt mit? Was ist der Einsatz, was der Gewinn? Wer spielt mit wem? Milo selber ist ein gnadenloser Hund, ein Schläger, Säufer und schlauer Kopf. Die Antworten, die er sucht, muss er sich erkämpfen. Oberflächlich betrachtet, geht es in „Der unsichtbare Detektiv“ um eine klassische Detektivgeschichte, sozusagen Humphrey Bogart in den 90ern mit einem Schuss Brutalität. Der Bissen, um den sich die Figuren prügeln, ist ein altes Gemälde aus Frankreich. Mit von der Partie sind der erbarmungslose Schläger Lono, der schmierige Kunstdieb Monroe Tannenbaum und die arrogante Managerin Megan Dietrich.

Obwohl sich der Weg des gestohlenen Gemäldes bis zum Ende des Bandes entschlüsselt und die Motive der Beteiligten größtenteils klar werden, bleiben für den Leser viele Fragen offen. Es lohnt sich, „Der unsichtbare Detektiv“ zweimal zu lesen. Zwischen den Zeilen, hinter der vordergründigen Story, finden sich Hinweise, dass Milo Garret unter einem Trauma leidet. Er hat keine genaue Erinnerung an seine Vergangenheit. In seinem Kopf herrscht ein Tohuwabohu. Ist er der, der er zu sein glaubt?

Die Personen um ihn herum wissen mehr über seine wahre Identität, hüllen sich jedoch in Schweigen. Nicht zuletzt wegen dieser persönlichen Misere begibt sich Milo auf die Suche nach den Hintermännern seines Unfalls. Wie immer ist dabei am interessantesten, was nicht gesagt wird. Anspielungen deuten darauf hin, dass Milo einst zu einem Killerkommando namens »Minuteman« gehörte – was seine beachtliche Kondition und seine Nahkampf-Fähigkeiten erklären würden. Was Agent Graves und das Schlüsselwort »Croatoa« damit zu tun haben, bleibt ein Geheimnis.

Der Zeichner von „100 Bullets“, Eduardo Risso, setzt den Band über Milo Garret und seine Widersacher mit harten Linien und viel Schatten in Szene. Häufige Perspektivwechsel und eine dynamische Anordnung der Panels machen „Der unsichtbare Detektiv“ zu einer Augenfreude. Eigenartig, wie es Risso gelingt, Stimmungen einzufangen, die für das Verstehen der Geschichte essenziell sind. Als Milo und die Diebin Echo Memoria durch ein Fenster gestoßen werden, ist in seinem Gesicht nicht ein Hauch von Misstrauen zu erkennen? Als würde er ihr falsches Spiel ahnen? Bild und Text verschmelzen hier wie nur selten zu einer Einheit.

Brian Azzarello und Eduardo Risso verstehen ihr Handwerk. Der unsichtbare Detektiv macht Lust darauf, mehr von 100 Bullets zu lesen. Nicht grundlos gewannen Autor und Zeichner 2002 den |Harvey and Eisner Award| für die beste fortlaufende Serie. Wer auf eine rundum abgeschlossene Geschichte warten kann und Lust an Handlungen voller Gewalt, Sex und doppelten Böden hat, dem ist „Der unsichtbare Detektiv“ nur zu empfehlen. Wann das Geheimnis um die Minuteman und Agent Graves gelüftet wird, steht noch aus. Ungeduldigen sei die Recherche im Internet empfohlen, denn während man in Deutschland noch bei Ausgabe 36 der Originalserie steht, wartet man in den USA bereits auf Ausgabe 63.

Froideval, François Marcela / Ledroit, Olivier – Scharlachroter Tanz (Die Chroniken des schwarzen Mondes 5)

Band 1: [Das Zeichen der Schatten 1625
Band 2: [Der Flug des Drachen 1638
Band 3: [Das Zeichen der Dämonen 1697
Band 4: [Die Stunde der Schlange 1767

Nach der einstimmigen Kriegserklärung sämtlicher Parteien werden nun im fünften Band, leider dem letzten unter der Mitwirkung von Olivier Ledroit, das Zusammentreffen der unterschiedlichen Armeen und der Verlauf der blutigen Schlacht beschrieben. Die Geschichte befindet sich auf ihrem vorläufigen Höhepunkt, doch François Marcela Froideval, der Ideengeber dieser Serie, hat auch hier wieder einige Überraschungen aus dem Ärmel gezaubert, welche die Geschichte zum Ende hin erneut in eine unerwartete Richtung lenken …

_Story:_

Lange hing der Krieg wie ein Diamoklesschwert in der Luft, nun ist das Urteil ausgesprochen und der Ort der Schlacht besiegelt. Wismerhill, der seinem neuen Herren Hazeel Thorn einen Lehnseid geleistet hat, richtet derweil in den Ländereien der kaiserlichen Vasallen weitere Blutbäder an und plündert Stadt für Stadt und Dorf für Dorf. In Tsaroth versammeln sich schließlich die gesamten Streitkräfte zum vereinigten Kräftmessen und zur Entscheidung über die Neuverteilung der Macht im Kaiserreich. Obwohl die Truppen des Kaisers zahlenmäßig überlegen sind, gelingt es Hazeel Thorn in dieser Schlacht durch Einsatz seiner Magie einen entscheidenden Vorteil herauszuschlagen, indem er die Armee der Untoten herbeiruft.

Und dies ist nicht der einzige kluge Schachzug des Meisters, denn schließlich verwandelt er sich selber in einen monströsen Riesen und schickt eine tödliche Feuersbrunst über das Schlachtfeld. Die Armeen des Kaisers können dem Angriff dennoch standhalten und zerstören den Titanen, wähnen sich am Ende sogar als sichere Sieger nach diesem blutigen Massaker. Wismerhill und seine Gesellen haben die Schlacht aber ebenfalls unbeschadet überstanden, da sie sich ebenso wie Fratus Sinisters Armee der weißen Ritter aus dem Geschehen herausgehalten haben.

Ansonsten scheinen die Führer aber allesamt die Kämpfe mit dem Tod bezahlt zu haben, selbst Großmeister Parzival und der von Thorn beauftragte Baron Greldinard von Moork. Wismerhill wähnt sich im Nachhinein als einziger wahrer Eroberer dieser Stadt und wandert nach Moork, um dort den Stuhl des verstorbenen Barons einzunehmen. Doch da macht er erneut eine unglauebliche Begegnung …

Der Höhepunkt ist schließlich erreicht, das gilt für den Inhalt der gesamten Serie als auch für die Kombination aus Wort und Bild, die hier einmal mehr wahrhaft fabelhaft geworden ist. Olivier Ledroit hat in seinem letzten Band für „Die Chroniken des schwarzen Mondes“ noch einmal die ganze Palatte seines zeichnerischen Könnens bereitgestellt und mit einer weiteren Darstellung des Schnitters in Verbindung mit dem Tanz der Toten erneut eine doppelseitige Illustration kreiert, die uns minutenlang völlig verblüfft auf das Bild starren lässt. Gleiches gilt für die verschiedenen Darstellungen der Schlachtsequenzen und der darin wütenden Monster. Selbst wenn Ledroit hier sehr offenherzig und auch ziemlich brutal zeichnet – was er zu Wege bringt, ist einfach beeindruckend. Dieser Mann versteht sein Handwerk, und ich bin jetzt schon sehr gespannt, ob ihm sein Nachfolger bei diesem Projekt das Wasser reichen kann.

Aber auch Froideval ist über sich hinausgewachsen und hat sich auch für den weiteren Verlauf der Geschichte alle Trümpfe zurückbehalten. Die Schlacht scheint entschieden, der schwarze Mond gefallen und Hazeel Thorn besiegt, und auch die Rollenverteilung scheint klarer nie gewesen zu sein. Doch da verblüfft uns der Autor am Ende wieder mit einer vollkommen überraschenden Wendung, und es kommen dem Betrachter tausend mögliche Gedanken in den Kopf, wie es denn nun weitergehen mag. Die Antwort darauf kann nur der sechste Band, „Die Krone des Schattens“, geben, und auch wenn ich das wohl irgendwie in jeder Rezension zur Serie geschrieben habe, so möchte ich meiner vorzeitigen Spannung darauf durch eine erneute Begeisterungsbekundung Luft machen. Diese farbenfrohe und zunehmend verzwicktere Serie ist schlichtweg genial!

Pearl, Matthew – Dante-Club, Der

|“Hier sei jedweder Argwohn weggebannt,
Und jede Feigheit sterb‘ an diesem Orte.
Wir sind zur Stelle, die ich dir genannt,
Hier wirst du jene Jammervollen schauen,
Für die das Heil des wahren Lichtes schwand.“|
(Dante – „Göttliche Komödie“)

[Dante]http://de.wikipedia.org/wiki/Dante__Alighieri hat mit seiner „Göttlichen Komödie“ ein eindringliches Höllen-Szenario heraufbeschworen, das nicht nur zur damaligen Zeit bleibenden Eindruck hinterließ. Die „Divina Commedia“, Dantes Lebenswerk, mit dem er Jahre seines Lebens verbrachte, ist nicht im heutigen Sinne eine Komödie, sondern eher ein Werk, dem es an einem tragischen Helden mangelt und das deswegen zu seinem Titel kam.

Dante beschreibt in seiner 1321 vollendeten „Göttlichen Komödie“ seine Reise (die er angeblichen im Jahr 1300 persönlich und tatsächlich angetreten haben will) durch die drei Reiche der Toten: die Hölle (Inferno), das Fegefeuer (Purgatori) und das Paradies (Paradiso). Dort begegnet Dante vielen berühmten Persönlichkeiten. Dantes Reisebegleiter durch die neun Kreise der Hölle und das Fegefeuer ist der römische Dichter Vergil.

Dantes Werk, das mittlerweile als absoluter Klassiker der Weltliteratur anzusehen ist, dürfte schon die Phantasie so mancher Autoren beflügelt haben. Einer, der das Thema Dantes in einen überaus spannenden historischen Thriller verpackt hat, ist der Amerikaner Matthew Pearl. Matthew Pearl entpuppt sich schon beim Blick auf seine Biographie als prädestiniert für einen solchen Roman, gingen seinem Debütroman „Der Dante Club“ doch wissenschaftliche Arbeiten über Dante voraus, die von der |Dante Society of America| ausgezeichnet wurden.

_“Lasst, die ihr eingeht, jede Hoffnung fahren“_

Boston 1865: Der Dichter Henry W. Longfellow arbeitet an der englischen Übersetzung von Dantes „Göttlicher Komödie“. Woche für Woche trifft er sich zusammen mit den übrigen Mitgliedern des frisch gegründeten Dante Clubs zum Diskutieren und Korrigieren seiner jüngst übersetzten Passagen. Zum Dante Club zählen neben Longfellow der Dichter und Harvardprofessor James Russell Lowell, der Autor und Professor für Anatomie Dr. Oliver Wendell Holmes, der alternde Reverend Greene und der einflussreiche Verleger J. T. Fields – allesamt Dante-Verehrer, die versuchen, Dantes Lebenswerk der amerikanischen Bevölkerung gegen die heftigen Widerstände aus Bostons traditionalistischen akademischen Kreisen zugänglich zu machen.

Gleichzeitig macht sich ein Unbekannter daran, Dante auf seine ganz eigene Art zu „übersetzen“ – wesentlich plastischer als es in der Studierstube Longfellows geschieht, aber dafür auch umso blutiger. Ein Serienmörder setzt eiskalt und geradezu detailbesessen die in Dantes „Inferno“ beschriebenen Höllenqualen in die Tat um. Einflussreiche Persönlichkeiten fallen seinen grausamen Taten zum Opfer und während die Stadt in Angst und Schrecken erzittert, ist die Polizei ratlos und tritt auf der Stelle.

Nur die Mitglieder des Dante Clubs durchschauen das Muster der Taten. Doch wie kommt der Täter an sein Wissen über Dante und das „Inferno“, wo die „Göttliche Komödie“ doch noch gar nicht übersetzt ist? Longfellow und seine Kollegen machen sich auf eigene Faust auf die Suche nach dem unbekannten Dante-Kenner …

_“Dahin, wo Stille lautem Tosen wich,
Und dorthin, wo nichts leuchtet, schritt ich weiter.“_

|“Raffinierte Handlung, klassische Motive, gelehrte Figuren … dieses Buch muss man einfach lieben!“| Mit solch überschwänglichen Worten lobt Dan Brown, Autor von [„Sakrileg“, 184 Matthew Pearl als |“den leuchtenden neuen Stern am Literaturhimmel“|. Etwas übertrieben mag das klingen, aber bei genauerer Betrachtung bleibt einem kaum eine andere Wahl, als Dan Brown, zumindest mit Blick auf den Roman, beizupflichten. „Der Dante Club“ ist in der Tat ein Thriller, der im Gedächtnis haften bleibt und der aufgrund seiner Vielschichtigkeit Eindruck schinden kann.

Pearls Roman liegt eine große Kennerschaft der historischen Umstände zugrunde. Seine Hauptfiguren sind reale historische Figuren und die Tatsache, dass Pearl englische und amerikanische Literatur in Harvard und Yale studiert hat, lässt keinen Zweifel daran aufkommen, dass der Mann weiß, wovon er spricht. Die Mitglieder des Dante Club (allesamt historische Figuren der amerikanischen Literatur) wirken allesamt sehr plastisch. Auch das gesellschaftliche Leben in den gelehrten Bostoner Kreisen sowie insbesondere das Innenleben des akademischen Apparates der Eliteuniversität Harvard werden sehr lebendig geschildert.

„Der Dante Club“ ist ein Sammelsurium vieler historischer und literaturgeschichtlicher Aspekte, die die Thrillerhandlung bereichern. Der Roman entwickelt dadurch neben einem spannenden Thrillerplot auch eine beachtliche Tiefe. Der Leser nimmt nach der Lektüre Wissen mit, das er vorher eventuell noch nicht hatte. Eine spannungsgeladenere und fesselndere Einführung in Dantes „Göttliche Komödie“ wird man wohl kaum finden, als man sie von Pearl präsentiert bekommt.

Während seine historisch verbrieften Protagonisten Zigarre rauchend vor dem knisternden Kamin über Leben und Wirken Dantes diskutieren und ihre Interpretation seiner „Göttlichen Komödie“ zum Besten geben, wird ganz nebenbei auch der Leser immer tiefer in den Plot hineingezogen. Pearl gelingt der Balanceakt zwischen der Vermittlung historischer und literarischer Hintergründe und einem nervenaufreibenden Thriller. Das Ergebnis ist gehaltvolle Spannungslektüre, an die man gerne zurückdenkt.

Dabei muss man Pearl als Leser zugegebenermaßen eine gewisse Aufbauphase für Hintergründe, Plot und Figuren zugestehen. Nach dem ersten Höhepunkt des „Eröffnungsmords“ widmet sich Pearl erst einmal ausgiebig seinen Protagonisten und dem Zwist zwischen den obersten Harvardvertretern und dem Dante Club um die Veröffentlichung der Übersetzung der „Göttlichen Komödie“. Mit dem nächsten Mord zieht Pearl dann kontinuierlich die Spannungsschraube an. Der Dante Club beginnt mit ersten Nachforschungen, die die Spannung stetig ansteigen lassen und in ein Finale münden, das in einem dramatischen Wettlauf zwischen dem Mörder und seinen Häschern gipfelt, und allerspätestens dann kann man das Buch nicht mehr zur Seite legen.

Der Leser tappt bei der Lösung weitestgehend im Dunkeln. Die Morde werfen eine Vielzahl offener Fragen auf und die Lösung, die Pearl am Ende präsentiert, beantwortet sie durchaus zufrieden stellend. Er setzt im Finale ein riesiges Puzzle zusammen, in dem jede Komponente des Romans ihren Platz findet. Jede Facette der Geschichte bekommt dabei ihre Bedeutung und man kommt nicht umhin, die Konstruktion des Plots zu loben. Pearl lässt sich so leicht nicht in die Karten gucken und hält dadurch die Spannung bis zum Finale aufrecht.

Was den Roman neben seinen realen historischen Hauptfiguren und dem Bezug zu Dantes „Göttlicher Komödie“ so interessant macht, ist die Atmosphäre des Jahres 1865. Boston ist gebannt von den Eindrücken des Sezessionskrieges, stetig strömen mehr irische Einwanderer in die Stadt und der öffentliche Nahverkehr kommt mit fortschreitender Geschichte durch eine grassierende Pferdeseuche fast vollständig zum Erliegen. Solche historischen Rahmenbedingungen prägen die Atmosphäre des Romans und sind die besondere Würze des Plots.

Sprachlich ist das Ganze recht leicht verdaulich. Pearls Stil lädt dazu ein, das Buch binnen kurzer Zeit zu verschlingen. Was den Lesefluss hin und wieder allerdings etwas ins Stocken bringt, ist das Fehlen von Absätzen. So nimmt man radikale Handlungssprünge teils nicht auf den ersten Blick wahr, einfach, weil der Text nach einem Zeilenumbruch einfach weiterläuft. Ob das ein Problem speziell dieser Ausgabe ist oder ein ganz allgemeines, vermag ich nicht zu beurteilen.

Auch der zeitliche Rahmen insgesamt droht einem während der Lektüre ab und zu mal ein wenig abhanden zu kommen. Pearl liefert insgesamt einfach zu wenig Indizien, anhand derer der Leser sich den gesamten zeitlichen Rahmen vor Augen führen kann, und so ist man manchmal überrascht, dass zwischen verschiedenen Ereignissen viele Tage oder nur wenige Stunden liegen. Aber das ist ein eher kleiner Schönheitsfehler, der lediglich zu Abzügen in der B-Note führt.

_“Nie ruht der Höllenwirbelwind vom Toben
Und reißt zu ihrer Qual die Geister fort“_

Alles in allem ist „Der Dante Club“ ein Roman, der sehr positiv im Gedächtnis bleibt. Der Plot ist sauber konstruiert, die Atmosphäre des Jahres 1865 wirkt sehr lebendig, ebenso wie Pearl seine historisch real existenten Protagonisten sehr glaubwürdig zum Leben erweckt. „Der Dante Club“ ist in jedem Fall ein Buch, das nicht nur unterhält, sondern dem Leser auch noch Wissen mit an die Hand gibt. Wer vorher noch nicht viel über Dante und seine „Göttliche Komödie“ wusste, erhält dank Pearls so unterhaltsam eingewobener Hintergründe zu diesem Thema eine ganz ordentliche Einführung.

Somit liefert Matthew Pearl mit seinem Debütroman außerordentlich lehrreiche und fesselnde Spannungslektüre ab. Wer „Die Einkreisung“ von Caleb Carr mochte, der wird Pearls „Dante Club“ lieben, denn Pearl erzählt straffer und weniger langatmig als Carr, aber ganz gewiss nicht weniger spannend: historisch, lehrreich, raffiniert und fesselnd.

[Die deutsche Übersetzung von Dantes „Göttlicher Komödie“ bei Wikipedia]http://de.wikisource.org/wiki/Dante__-__Goettliche__Komoedie

Website zum Roman: [thedanteclub.com]http://www.thedanteclub.com

[Unsere Rezension der Hörbuchfassung 406

Doyle, Arthur Conan / Gustavus, Frank – vergessene Welt, Die

„Die vergessene Welt“ („The Lost World“) aus der Feder von Sherlock-Holmes-Erfinder Sir Arthur Conan Doyle wurde im Jahr 1912 zunächst als Fortsetzungsroman im britischen |Strand Magazine| veröffentlicht, eroberte kurz darauf als Buch die Bestsellerlisten und gilt heute zusammen mit Werken wie Jules Vernes „20.000 Meilen unter den Meeren“ und H. G. Wells‘ „Die Zeitmaschine“ als Meilenstein der phantastischen Literatur und des SciFi-Genres. Die |Great Britain Oxford Press| nennt „The Lost World“ eine der größten Abenteuergeschichten, die je geschrieben wurden. Conan Doyles Urzeitriesenspektakel war außerdem Inspirationsquelle für Werke wie „King Kong“ und „Jurassic Park“.

_Die Sprecher in der Reihenfolge ihres Auftretens:_
Maple White: Robert Missler
Blondell: Thomas Nicolai
McArdle: Jochen Schröder
Edward D. Malone: Timmo Niesner
Der alte Malone (Erzähler): Peter Weis
Professor Summerlee: Jürgen Thormann
Dr. Illingworth: Lothar Blumhagen
Professor Challenger: Klaus Sonnenschein
Lord Roxton: Ronald Nitschke
Sir Douglas: Friedrich Schoenfelder
Affenmenschen und Indianer: Die Maulhelden

Musik und Sounddesign: Jan-Peter Pflug
Geräusche: Martin Langenbach
Technik Berlin: Ahmed Chouraqui und Max von Werder
Technik Hamburg: Fabian Küttner
Regieassistenz: Antje Seibel/Kai Lüftner
Hörspielbearbeitung, Produktion und Regie: Frank Gustavus

Aufgenommen im On Air Studio Berlin, April 2005
Hörsaalaufnahmen: Museum für Völkerkunde Hamburg, Mai 2005
Gemischt im Eimsbütteler Tonstudio Hamburg, Juli/August 2005

http://www.ripperrecords.de

_Story:_

London im Jahre 1912: Der durchgeknallte Professor Challenger ist unter seinen Kollegen alles andere als beliebt und gilt gemeinhin als Aufschneider, der keinen Widerspruch duldet und auch gerne mal handgreiflich wird, wenn man versucht, ihm ins Werk zu pfuschen. Dementsprechend froh ist der Redner einer Podiumsdiskussion auch, als der verschrobene Wissenschaftler nicht wie angekündigt an dieser teilnimmt. Als dann aber bei eben jener Sitzung über das Leben von Tieren aus der Urzeit gesprochen wird, taucht Challenger plötzlich auf und behauptet, auf einem Hochplateau im südamerikanischen Dschungel lebendige Dinosaurier entdeckt zu haben.

Natürlich wollen ihm seine Kollegen nicht glauben, doch als der Redner die Menge anstachelt und schließlich veranlasst, dass Challengers größter Kritiker Professor Summerlee, sein Anhänger Lord Roxton und der abenteuerlustige Zeitungsreporter Edward D. Malone sich vor Ort selber ein Bild machen sollen, um die Welt vom Wahrheitsgehalt von Challengers Aussagen zu unterrichten, brechen die Abenteurer zu einer Expedition in den südamerikanischen Urwald auf, die sie wohl ihr Leben lang nicht vergessen werden …

Bevor sie jedoch im Dschungel ankommen, fühlen sie sich schon gelinkt, weil der angebliche Lageplan eine Fälschung ist. Dann taucht jedoch der Überraschungsgast Challenger auf und betont, dass er dringend bei dieser Reise selber dabei sein muss.

Gemeinsam zieht das vierköpfige Team, unterstützt von einigen Expeditionshelfern, mitten in den Urwald, und noch bevor Summerlee Challenger zum hundersten Mal beschuldigt, dass dieser sich lediglich Lügengeschichten ausgedacht habe, muss auch der ‚vernünftige‘ Professor feststellen, dass der Dschungel voll von Sauriern, totgeglaubten Vögeln und verschiedenen Eidechsen ist. Und bevor sich Summerlee und seine Gefährten richtig eingelebt haben, werden sie auch schon von diesen Geschöpfen verfolgt, müssen sich vor Flugsauriern verstecken und aus der Gefangenschaft eines Stammes von Affenmenschen entfliehen. Das Abenteuer in der vergessenen Welt hat begonnen …

„Die vergessene Welt“ ist ein vielzitierter Klassiker, der ganz klar als Inspiration für diverse Monster-Filme aus der Mitte des letzten Jahrhunderts, aber auch für solche Spektakel wie „Jurassic Park“ hergehalten hat.

Die Hörspiel-Version dieses legendären Werkes bringt es insgesamt auf eine Spielzeit von 122 Minuten, und obwohl die Art und Weise, wie die Geschichte aufgebaut ist, und auch der inhaltliche Aspekt wirklich vom Allerfeinsten sind, wünscht man sich zwischendurch noch etwas mehr Detailarbeit, denn für meinen Geschmack kommt die Action im Dschungel ein wenig zu kurz. Natürlich ist es nicht leicht, die dort vorherrschende Atmosphäre auf diesem Medium originalgetreu wiederzugeben, gerade wenn man bedenkt, dass der Schwerpunkt auf den Dialogen liegen muss. Aber hier hätte man meiner Meinung nach ein wenig die Prioritäten verschieben müssen. Ich finde nämlich, dass die ständigen Feindseligkeiten zwischen Challenger und seinem gesamten Kollegium zugunsten tiefer ausgeschmückter Action-Sequenzen etwas in den Hintergrund gehören, aber da kann man sicher auch geteilter Meinung sein.

Ansonsten ist „Die vergessene Welt“ allerdings wirklich ein echtes Meisterwerk, auch als Hörspiel. Die Geschichte um den Professor, dem keiner glaubt, das von ihm entdeckte Urzeit-Gebiet und die spannende Expedition von vier vollkommen unterschiedlichen Charakteren, gibt nun mal eine ganze Menge her, und |Ripper Records| haben diese Vorgaben auch fabelhaft umgesetzt.

Das Abenteuer wird aus der Perspektive des alten Malone erzählt, der rückblickend wie in Tagebuch-Form von seinem Erlebnis im südamerikanischen Urwald mit den beiden Professoren und dem schießwütigen Lord Roxton berichtet. Dabei wechselt das Szenario im Jahre 1912 immer wieder zwischen dem Professoren-Kollegium in London, das den Schilderungen des Zeitungsreporters Malone in seinem Stammblatt |Gazette| keinen Glauben schenken will, und den vier Menschen, die im Urwald um ihr nacktes Überleben kämpfen. Vielleicht hätte man auch hier nicht immer wieder betonen müssen, dass die Menschen abseits des Dschungels die Ergebnisse der Expedition für bloßes Gewäsch halten, denn das kommt seitens der Erzählerstimme wirklich sehr häufig durch. Ansonsten ist das ständige Pendeln aber genau das richtige Mittel, um die beiden Welten sinnvoll miteinander zu verknüpfen und die Spannung in Bezug auf das eigentliche Abenteuer immer am Höhepunkt zu halten.

Zu meiner Schande muss ich allerdings gestehen, dass ich den Roman von Sir Arthur Conan Doyle noch nicht gelesen habe, gelobe aber für die nächsten Wochen Besserung. Das Hörspiel hat auf jeden Fall Lust auf mehr gemacht, und wenn die Romanvorlage nur ansatzweise so gut gestaltet ist wie dieses zweistündige Hörspiel, dann blicke ich der Lektüre mit großer Vorfreude entgegen. Aber immerhin hat ja hier der Autor von Sherlock Holmes zur Feder gegriffen …

_Fazit:_

„Die vergessene Welt“ ist ein tolles Abenteuer-Hörspiel, das zwar in wenigen Passagen ein bisschen überdramatisiert dargestellt wird, ansonsten aber von der fabelhaften und ausnahmslos überzeugenden Performance der Sprecher über die Produktion bis hin zum wundervollen Inhalt gelungen ist.

G. M. Ford – Erbarmungslos

Kurz vor seiner Hinrichtung mehren sich die Zeichen, dass ein angeblicher Serienmörder unschuldig ist. Einem Journalisten und einer unkonventionellen Fotografin bleiben sechs Tage, die Wahrheit zu ermitteln, während das düpierte Gesetz mauert und die Medienkollegen nach der „Story“ schnappen … – Konventioneller Thriller mit wirklich allen Elementen des modernen Mainstream-Krimis. Mangelnde Originalität wird durch gelungenes Erzählhandwerk, Spannung und trockenen Witz wettgemacht: kein Muss aber ein unterhaltsames Kann.
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Wexler, Mark – Mr. & Mrs. Smith

„Mr. & Mrs. Smith“ – was hat dieser Kinostreifen in der Klatschpresse nicht alles ausgelöst. Die angebliche und stets abgestrittene Beziehung zwischen den beiden Hauptdarstellern Angelina Jolie und Brad Pitt wurde über Monate hinweg in sämtlichen Schmierheftchen dargestellt, und irgendwie interessierte sich ein großer Teil des Publikums im Nachhinein mehr für dieses Techtelmechtel als für den eigentlichen Film. Regisseur Doug Liman war das allerdings ziemlich egal; Hauptsache die Leute strömten in Massen ins Kino und schauten sich die gewagte Action-Komödie mit ihren pikanten Hauptfiguren an, und das taten sie dann auch – vielleicht nicht ganz wegen der Story, sondern schon eher wegen der Reize von Herrn Pitt und Frau Jolie. Verdenken kann man es keinem, aber vielleicht war das ja auch gerade der Grund dafür, dass die meisten doch recht enttäuscht aus der Vorstellung kamen, denn Liman hat aus der interessanten Geschichte einen typischen Hollywood-Reißer gemacht, dessen Besonderheit lediglich die Schauspieler waren. Irgendwie ging dem Streifen der Witz ab, und um dies zu kaschieren, lag die Betonung auf den zahlreichen Actionszenen. Schön und gut, ganz normales Bubblegum-Kino eben, aber richtig anspruchsvoll war das Ganze eben nicht.

Nun ja, es gibt aber noch eine zweite Chance, nämlich das Buch zum Film, und siehe da, dieses kommt wie so oft ein ganzes Stück besser weg, denn obwohl man die beiden Hauptfiguren Pitt und Jolie bildlich immer vor Augen hat, betrachtet man sie im Buch fernab vom übertriebenen Rummel, der um sie gemacht wird, und kann sich so voll und ganz auf die Story einlassen. Das Ende vom Lied: „Mr. & Mrs. Smith“ macht plötzlich doch noch eine Menge Spaß und begeistert durch eine intelligent arrangierte, von Autor Mark Wexler gut in Szene gesetzte Handlung.

_Story:_

Mr. & Mrs. Smith führen scheinbar eine Bilderbuch-Ehe: Sie sind attraktiv, gut situiert und wohnen in einem hübschen Haus vor den Toren New Yorks. Was aber niemand weiß, der Ehepartner eingeschlossen: Hinter der Fassade des bürgerlichen Lebens sind John und Jane als hoch bezahlte Auftragskiller für zwei verfeindete Organisationen tätig. Die ständige Heimlichtuerei hat ihre Ehe zu einer reinen Zweckgemeinschaft gemacht, in der beide eigentlich todunglücklich sind. Als sie bei einer Auktion ihrer Nachbarn vier Sitzungen beim Eheberater gewinnen, ist das die Chance, einander wieder näher zu kommen. Eines Tages holt sie jedoch die Realität des Killergeschäfts ein: Sie werden beide aufeinander angesetzt. Und so nimmt ein mörderisches Katz- und Maus-Spiel seinen Lauf, das beide mit voller Leidenschaft austragen.

_Bewertung:_

Auch wenn sich das Buch sehr stark am Film orientiert, so hat die Story hier insgesamt doch sehr viel mehr Freiräume, und ich behaupte einfach mal, dass man, wenn man den Streifen noch nicht im Kino gesehen hat, auch noch viel besser auf die cineastisch gezwungen wirkende Handlung eingehen kann. Die Angelegenheit beginnt mit den ersten beiden Sitzungen des Ehepaars, die quasi als Rückblick zu betrachten sind. Anschließend werfen beide individuell einen Blick auf die turbulenten Geschehnisse der letzten Wochen, Monate und Jahre, in denen das Drama um ihre Ehe langsam aber sicher ausgelöst wurde. So erzählen sowohl John als auch Jane, was ihnen widerfahren ist, wie es zu dieser Zweckgemeinschaft namens Ehe überhaupt kommen konnte und welche Beweggründe dazu führten, sich gegenseitig umbringen zu wollen. Besonders Jane erzählt sehr schön, wie aus einer unterbewussten Vorahnung (sie wusste zunächst natürlich nicht, dass der andere Agent ihr Mann ist) die Gewissheit wurde, dass sie ihr Privatleben und schließlich ihren Gatten für den Job opfern musste. Auf der anderen Seite steht schließlich John, der die Sache in dieser Form gar nicht wahrhaben wollte, sich aber irgendwann darauf eingelassen hat und schließlich ebenfalls die Bereitschaft erlangte, seine Frau zu töten, auch um sich selbst zu schützen.

Dadurch, dass hier auch die gesamten Gedankengänge der beiden Hauptpersonen viel besser beschrieben werden, geht die Handlung im Buch besonders bei den actiongeladenen Szenen über das pure Geballer des Films hinaus und bekommt, man glaube es oder nicht, stellenweise auch ein wenig Anspruch und Tiefgang, wobei der Wortwitz und der Komödien-Anteil natürlich weiterhin im Vordergrund stehen. Die Geschichte ist eben durch ihre seltsame Handlung auch witzig, und das kommt hier viel besser rüber als im Film.

Und das sollte dann auch die Hauptaussage dieser Rezension sein: Ein Film kann mit noch so vielen Stars, noch so viel Action und noch so viel Charme auftreten – sobald der zugehörige Autor des Begleitbuches auch nur über ein wenig Witz und Gefühl für seine Wortwahl verfügt, ist seine Version immer vorzuziehen. Und genau das ist bei „Mr. & Mrs. Smith“ der Fall. Den Kinofilm fand ich eher bescheiden, das Buch hingegen wirklich unterhaltsam und gelungen.

Clemens, James – Buch der Prophezeiung, Das (Alasea / Banned and the Banished 4)

Band 1: [Das Buch des Feuers 969
Band 2: [Das Buch des Sturms 996
Band 3: [Das Buch der Rache 1007

Elena und ihre Gefährten haben den Krieg um A’loatal gewonnen und das Buch des Blutes errungen. Aber jetzt scheint die Situation plötzlich festgefahren! Seit Wochen sitzen die Verbündeten im Thronsaal herum und streiten sich über das weitere Vorgehen. Schließlich platzt Elena der Kragen, sie würgt die Beratung ab und stellt ein Ultimatum: Bis morgen wird sie über das weitere Vorgehen entschieden haben. Wem das nicht passt, der braucht zur nächsten Beratung gar nicht zu erscheinen!

Dabei ist sie selbst noch gar nicht sicher, was sie tun soll. Da erreichen sie zwei Hilferufe. Einen überbringt ein Zo’ol-Schamane, einen Merik, der Ni’lahns Laute hütet. Ein Blick in das Buch des Blutes gibt den Ausschlag: Die Wehrtore, Skulpuren der mythischen Tiere Greif, Mantikor, Basilisk und Wyvern, mit dem heiligen Hammer der Zwerge aus Schwarzstein gehauen, müssen zerstört werden! Ein schier hoffnungsloses Unterfangen, aber was bleibt ihnen übrig?

Der Wyvern floh während der Schlacht um A’loatal mit dem Dunkelmagier Schorkan nach Schwarzhall, dem Sitz des dunklen Herrschers, und ist damit unerreichbar. Die drei anderen Tore müssen zuerst gefunden werden. Also machen sich drei Gruppen auf den Weg:
Die erste, bestehend aus Merik und dem Zo’ol-Schamanen auf einem Windschiff der El’ven, folgt Mikela und ihrer Truppe zum Nordwall, um ihnen zu Hilfe zu eilen. Denn dort wurde ein Greif gesichtet …
Die zweite Gruppe, bestehend aus Joach, Kast und Saag’wan, folgt einer jungen Frau namens Kesla auf einem weiteren Windschiff in die südlichen Ödlande. Denn Kesla hat um Hilfe gebeten. Sie erzählt von einem schwarzen Basilisken, der monatlich einen Tribut von dreißig Kinder fordere!
Die dritte Gruppe, bestehend aus Elena, Er’ril, Mama Freda und einer Gruppe Zwerge, folgt Tol’chuk nach Gul’gotha. Tol’chuk soll nach Anweisung der Seelen den Herzstein dorthin bringen, wo er gebrochen wurde. Elena hofft, dort auch die Skulptur des Mantikor zu finden. Um die junge Frau, in der das Blut ihres verlorenen Königs fließt, nicht aus den Augen lassen zu müssen, besteht die El’ven-Königin Tratal darauf, dass Elena auf ihrem Windschiff reist.

Während die drei Gruppen sich auf den Weg machen, braut sich an anderer Stelle neues Unheil zusammen. Und als ob die Suche nicht schon gefahrvoll genug wäre, wird der Zusammenhalt der Gefährten auch noch durch Egoismus und Ignoranz aufs Glatteis geführt …

Allmählich macht es sich bemerkbar, dass der Zyklus sich seinem Ende nähert. Im Verhältnis zu den neu aufgeworfenen Fragen sind die erhaltenen Antworten eindeutig in der Überzahl. So erfährt der Leser endlich, wo sich Ni’lahns alte Heimat Lok’ai’hera befand, was es mit den Wehrtoren auf sich hat und wo Chi, die alte Magie Alaseas, sich befindet. Die diversen Prophezeiungen, die gelegentlich am Rande erwähnt wurden, werden gedeutet. Und außerdem erfährt der Leser auch ein paar Antworten, zu denen er sich bisher noch gar keine Fragen gestellt hat.

Die Antworten auf die entscheidenden Fragen hat sich der Autor natürlich für den letzten Band aufgehoben: Was wird aus Joach? Was aus den Si’lura-Zwillingen? Natürlich auch: Was wird aus Elena? Und vor allem: Wer ist der dunkle Herrscher? Nach den Andeutungen, die bisher gefallen sind, wird vor allem die letzte Antwort immer interessanter. Im Hinblick auf die vorletzte stellt sich die Frage, ob der Autor seine Geschichte tatsächlich mit einem Scheitern Elenas enden lassen wird.

Unwahrscheinlich, denn obwohl der Mann mit seinen Protagonisten um einiges rüder umspringt als mancher seiner Kollegen, ist er immer noch Amerikaner, und die Amerikaner scheinen irgendwie immer ein Happyend zu brauchen. In diesem Falle müsste allerdings noch ein Weg gefunden werden, um das Ende der Geschichte mit dem Rahmen des Buches in Einklang zu bringen, in dem Elena als bösartig und der Erzähler ihrer Geschichte als Irrer dargestellt wird. Man darf gespannt sein.

Und das ist gut so. Auf die bisherige Vorgehensweise, am Ende des Bandes schon die Bedrohungen im nächsten anzudeuten, hat der Autor diesmal nämlich verzichtet. Jemand, dem der Zyklus allmählich doch etwas lang wird, könnte jetzt am ehesten in Versuchung geraten aufzuhören. Der Spannungsbogen ist nicht annähernd so straff gespannt wie bei seinen Vorgängern, vor allem dem zweiten Band. Zwar hat jede Gruppe mit ihren eigenen Schwierigkeiten zu kämpfen, allerdings sind es diesmal keine übermächtigen oder besonders zähen, hartnäckigen Gegner, sondern eher lauter kleine Widrigkeiten, die war aufhalten, aber doch alle verhältnismäßig schnell überwunden sind. Das ganze wirkt ein wenig wie ein Hindernisrennen.
Auch kappt der Autor diesmal die Erzählstränge der einzelnen Gruppen nicht unbedingt an einem Punkt, an dem man unbedingt wissen will, wie es jetzt weitergeht. Das nimmt ebenfalls einiges von der Spannung raus, die bei den Vorgängerbänden noch vorhanden war.

Wie es bei vorletzten Bänden oft der Fall ist, scheint auch hier ein gewisses Innehalten gegeben zu sein, ein Atemholen für den Endspurt sozusagen. Fäden müssen zusammengeführt und auf das Ende hin gebündelt, Personen entsprechend gruppiert und die Ausganssituation für den letzten Kampf vorbereitet werden. Je länger der Zyklus, desto schwieriger wird es, alle Details bis zum letzten Band aufzuheben und dann den angesammelten Knoten auf einen Schlag aufzulösen. Eine gewisse Windstille ist einfach notwendig.

Insofern mangelt es vielen vorletzten Bänden ein wenig an Eigenständigkeit, auch diesem vierten Band von |Banned and the Banished|. Er zieht sich manchmal ein wenig, was gerade im Vergleich zu dem atemlosen Tempo der Vorgänger stark auffällt. Dennoch bietet er ein paar interessante Wendungen, und die gebotenen Antworten fügen sich lückenlos in das Puzzle, das der Autor aufgebaut hat. Allein einen kleinen Logikfehler hab ich gefunden: Kral tut sich bei seinem Kampf gegen die Besatzer seiner Heimatburg ein wenig zu leicht damit, mehrmals seine Gestalt zu wechseln, wenn man bedenkt, dass kurz vorher erklärt wurde, eine Gestaltwandlung koste viel Kraft, und zwei an einem Tag ließen bereits nicht mehr genug für eine dritte übrig! Ein relativ kleiner Fehler und im Hinblick auf die Gesamtheit der bisherigen weit über 2.000 Seiten nicht wirklich gravierend.

Auch diesmal hat sich die Übersetzerin wieder eine gewisse Freiheit beim Buchtitel erlaubt. Der Originaltitel „Wit’ch Gate“ wurde diesmal mit „Buch der Prophezeiung“ übersetzt, obwohl die Prophezeiungen in diesem Band nur wenig mehr Raum einnehmen als die Rache im dritten Teil, wohingegen die Wehrtore das alles beherrschende Thema darstellen. Vielleicht kann mir irgendwann mal jemand erklären, was gegen eine originalgetreue Übersetzung von Buchtiteln spricht. Auch hier hatte sich der Autor bei der Namensgebung seines Buches durchaus etwas gedacht!

James Clemens ist gebürtiger Amerikaner, wuchs aber in Kanada auf. Er studierte Veterinärmedizin und eröffnete schließlich eine Praxis in Kalifornien. 1998 erschien der erste Band des Zyklus |Banned and the Banished| unter dem Titel „Wit’ch Fire“. In der deutschen Übersetzung wurde daraus „Das Buch des Feuers“. Die übrigen Bände folgten, jedes Jahr einer. Nach einer längeren Pause kam im Juli dieses Jahres der erste Band des neuen Zyklus |Godslayer Chronicles| heraus unter dem Titel „Shadowfall“. Die deutsche Übersetzung erschien im September unter dem Titel „Schattenritter“.

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Rendell, Ruth – Wer Zwietracht sät

In der englischen Kleinstadt Kingsmarkham stehen die Zeichen auf Sturm: Eine neue Umgehungsstraße soll gebaut werden. Sie wird durch die Wälder des Framhurst Great Wood verlaufen. Bäume, Sumpfauen und Teiche müssen weichen, der Lebensraum vieler Tierarten wird vernichtet. Das ruft eine Reihe von Umweltschutz-Gruppen auf den Plan, die nach Kingsmarkham reisen und für Unruhe sorgen. Einige Aktivisten erweisen sich als recht militant. Ihr Widerstand ist nicht nur passiv, so dass die Situation außer Kontrolle zu geraten droht.

Chief Inspector Wexford von der Mordkommission verfolgt die Ereignisse zunächst aus der Ferne. Er wird indes bald in darin verwickelt, als bei einer der Protestaktionen im Wald eine Leiche gefunden wird. Rasch kann sie identifiziert werden: Die junge Studentin Ulrike Ranke aus Deutschland, zu Besuch bei einer englischen Freundin, wurde vergewaltigt und erdrosselt. Wexford und seine Leute nehmen die Ermittlungen auf. Der Mord ist jedoch noch ungeklärt, als in rascher Folge mitten in Kingsmarkham auf offener Straße fünf Menschen entführt werden. Zufällig befindet sich Wexfords Ehefrau Dora darunter. Zu der Tat bekennt sich eine Gruppe namens „Sacred Globe“. Sie fordert den sofortigen Stopp der Bauarbeiten und droht die Geiseln zu töten, wenn ihr dies nicht zugesichert wird. Man geht zunächst darauf ein. Die Kidnapper lassen Dora Wexford mit einer Botschaft frei: Der Bau der Umgehungsstraße soll offiziell und damit endgültig eingestellt werden. Erst dann wolle man auch die übrigen Geiseln freilassen.

Die Suche nach dem Versteck der Entführer beginnt. Bald gibt es Hinweise auf einige besonders fanatische Aktivisten, die bei ihrem Kreuzzug auch vor Gewalttaten nicht zurückschreckt. Dann findet die Polizei eine Leiche – dies scheint das erste Opfer der Gruppe zu sein, bis sich herausstellt, dass die junge Frau bei einem missglückten Fluchtversuch umgekommen ist.

Lange tappt die Polizei im Dunkeln. Die Lage ist ernst: Die Entführer scheinen nicht recht zu wissen, was sie eigentlich wollen. Andererseits sind sie sehr genau über die Fahndung informiert. Endlich findet Wexford eine Spur – und kommt auf die sehr ungewöhnliche Lösung des Falls …

Mit ihrem siebzehnten Wexford-Krimi (seit 1964) mutet Autorin Ruth Rendell ihren Lesern allerhand zu. Die Grundidee ist ausgezeichnet, aktuell und sprengt das Klischee der englischen Landhaus-Idylle, in der allzu viele Polizisten und Hobby-Detektive ihr Unwesen treiben. Rendell vermeidet auch den Fehler, die Sympathien auf eine Seite zu verlagern. Politisch korrekt wäre es vermutlich gewesen, die Umweltschützer als strahlende Engel und Opfer zugleich darzustellen. Stattdessen zeichnet die Autorin ein ambivalentes Bild und riskiert Ablehnung mit ihrer Botschaft, dass nicht alles, was Menschen aus Überzeugung für ein anerkannt hehres Ziel tun, tatsächlich rechtens und richtig ist. In Rendells Welt gibt es – wie in der Realität – auch „böse“ Umweltschützer.

Die Autorin hat sich seit jeher bemüht, Klischees zu vermeiden und gern heiße Eisen angefasst. Auch dieses Mal schildert sie anschaulich, wie schwierig es ist zu entscheiden, was „richtig“ und was „falsch“ ist. Die Zerstörung unberührter Natur durch den Bau einer Straße ist für den einen ein Tribut, den man dem Fortschritt oder wenigstens der persönlichen Bequemlichkeit zollen muss, für den anderen aber ein ökologisches Verbrechen, das profitgierige Geschäftsleute im Schulterschluss mit bestechlichen Politikern begehen. Wie weit dürfen beide Seiten gehen, um ihrem Standpunkt Ausdruck zu verleihen? Selbst Wexford ist im Zwiespalt; als Polizist ist es seine Pflicht, die viel beschworene Ruhe und Ordnung zu wahren, doch als Privatmann verabscheut er die Zerstörung jenes Waldes, den er seit seiner Kindheit kennt.

Eine wirkliche Lösung gibt es wohl nicht. Rendell verfolgt diesen Weg dann auch nicht weiter. Sie hat sich entschieden; „ihre“ Umweltschützer sind verblendete Fanatiker oder, wenn sie harmlos sind, seltsam und lebensfremd und in ihrer einfältigen Fixierung auf die Rettung von Mutter Natur das ideale Werkzeug für allerlei Übeltäter. Schwieriger fällt es allerdings, Rendells aberwitzige Allianz fanatischer Öko-Terroristen mit durchgedrehten Vorstadt-Spießbürgern nachzuvollziehen. Die Autorin ist berühmt dafür, einen Blick in die verborgenen seelischen Abgründe der Mittelschicht zu werfen, aber hier ist sie einen Schritt zu weit in Richtung Karikatur gegangen.

Einige Längen lassen sich zudem in der Handlung feststellen. Dora Wexfords Schilderung ihrer Erlebnisse als Gefangene von „Sacred Globus“ hätte eine Straffung vertragen, und zu überlegen ist auch, ob es wirklich notwendig war, mit dem Mord an der deutschen Touristin eine falsche Fährte zu legen. Insgesamt gehört „Wer Zwietracht sät“ nicht zu den Höhepunkten der Wexford-Reihe. Andererseits schwebt ein durchschnittlicher Ruth-Rendell-Roman immer noch ein gutes Stück über der Konkurrenz, was Spannung und Figurenzeichnung angeht.

Eine Anmerkung zum deutschen Titel dieses Romans: Im Original lautet er „Road Rage“, ein Wortspiel, das den Inhalt sehr treffend zusammenfasst, sich jedoch nur schlecht übertragen lässt. Wieso daraus „Wer Zwietracht sät“ wurde, bleibt allerdings rätselhaft. Der Titel erinnert sehr an einen Roman von Elisabeth George; vielleicht ist das der Grund: Man möchte die Leser der in Deutschland viel verkauften und wohl auch bekannteren „Konkurrentin“ von Ruth Rendell auf diese Weise ködern. Nun, wer sich dadurch verleiten lässt, kann nur gewinnen: Während Elisabeth George ihre Kriminalromane seit einigen Jahren auf immer groteskere Ausmaße anschwellen lässt – sieben- und achthundert oder mehr Seiten sind eher die Regel als die Ausnahme -, weiß Rendell, wann eine Geschichte erzählt ist.

Narrenturm

_Verlagsinformationen zu Buch und Autor:_

|Die Welt, ein Narrenturm – Teil eins der polnischen Bestseller-Trilogie um den schlesischen Medikus Reinmar von Bielau, in dem wir erfahren, dass er sich auf der Flucht befindet, einerseits der Liebeskunst wegen, aber auch vor der Inquisition.

Schlesien, im Jahr des Herrn 1422: Reinmar von Bielau »hieb seinem Grauschimmel die Fersen in die Weichen, ritt im Galopp über die blühende Heide auf die waldbestandene Anhöhe zu, hinter der er segenbringende, ausgedehnte Wälder vermutetete«.

Der junge Medikus, von seinen Freunden auch Reynevan genannt, ist auf der Flucht vor seinen Häschern. Der Liebe wegen, genauer gesagt, weil er in flagranti erwischt wurde, mit der schönen Adele von Sterz, Eheweib des sich gerade auf einem Kreuzzug gegen die feindlichen Hussiten befindenden Gelfrad von Sterz. Doch auch die Inquisition könnte sich für ihn interessieren, denn was man im heimatlichen Öls nach seinem stürmischen Abgang bei ihm findet, ist neben medizinischen Schriften so manches, das zumindest den Verdacht auf Hexerei aufkommen lassen könnte.

Der sündige Möchtegern-Lancelot hat also ernsthafte Probleme, vor allem, weil ihm Adele nicht aus dem Kopf gehen will.

So durchquert er auf dem Weg nach Breslau das damalige Mittel-Europa, begegnet dabei allerlei Volk, und auch der Narrenturm der Inquisition bleibt ihm nicht erspart, von dessen Warte aus die Welt bis heute einem einzigen Hauen und Stechen gleicht. Doch halt: Hatten die Chiliasten nicht vorausgesagt, die Welt würde im Februar des Jahres 1420 untergehen?

Andrzej Sapkowski, geboren 1948, ist Literaturkritiker und Schriftsteller. Sein Fantasy-Zyklus über den Hexer Gerald erreicht in Polen inzwischen Millionen-Auflagen und wurde 1998 mit dem Literaturpreis der wichtigsten polnischen Wochenzeitung ›Polityka‹ ausgezeichnet. Die Fortsetzung von ›Narrenturm‹, ›Bozy bojownicy‹ (dt.: ›Gottesstreiter‹), erschien 2004, beide Bände landeten auf Anhieb auf der Bestsellerliste und wurden mehr als hunderttausend Mal verkauft. Andrzej Sapkowski lebt in Lodz und arbeitet derzeit am dritten Band, ›Lux perpetua‹.|

_Leseprobe aus »Narrenturm« von Andrzej Sapkowski:_
PROLOG

Das Ende der Welt brach Anno Domini 1420 doch nicht herein. Obwohl vieles darauf hindeutete, dass es käme.

Die düsteren Prophezeiungen der Chiliasten, die den Weltuntergang ziemlich präzise – nämlich für das Jahr 1420, den Monat Februar und den Montag, der auf den Festtag der heiligen Scholastica folgte – angekündigt hatten, erfüllten sich nicht. Die Tage der Strafe und der Rache, die dem Herannahen des Königreiches Gottes vorangehen sollten, kamen nicht. Obwohl sich die tausend Jahre erfüllt hatten, wurde Satan nicht aus seinem Kerker befreit, und er trat auch nicht hervor, um die Völker an allen vier Enden der Welt zu betören. Weder gingen sämtliche Sünder dieser Welt und alle Feinde Gottes durch Feuer und Schwert, Hunger und Hagel, die Hauer der Bestie, den Stachel des Skorpions zugrunde, noch durch das Gift der Schlange. Vergeblich harrten die Gläubigen der Ankunft des Messias auf dem Tábor, dem Schafberg, auf dem Oreb, Sion und dem Ölberg, vergeblich harrten die |quinque civitates|, die fünf auserwählten Städte, als die Pilsen, Klattau, Laun, Schlan und Saaz galten, auf die Wiederkunft Christi, wie sie die Prophezeiung Jesajas verkündet hatte. Das Ende der Welt brach nicht herein. Die Welt ging nicht unter und brannte nicht. Zumindest nicht die ganze.

Trotzdem ging es recht kurzweilig zu.

Köstlich, diese Biersuppe, in der Tat. Dick, würzig und reichlich geschmalzt. So eine habe ich lange nicht mehr gegessen. Ich danke Euch, werte Herren, für die Bewirtung, ich danke auch dir, Schankwirtin. Ihr fragt, ob ich ein Bier verachten würde? Nein, gewiss nicht. Wenn Ihr erlaubt, dann mit Vergnügen. |Comedamus tandem, et bibamus, cras enim moriemur|.

Der Weltuntergang kam also 1420 nicht, auch nicht ein Jahr später, nicht zwei, nicht drei, und auch nicht vier Jahre später. Die Dinge nahmen, wenn ich so sagen darf, ihren gewohnten Verlauf. Die Kriege dauerten an. Die Seuchen mehrten sich, die |mors nigra| wütete, Hunger breitete sich aus. Der Nächste erschlug und beraubte seinen Nächsten, begehrte dessen Weib und war überhaupt des Menschen Wolf. Den Juden bescherte man von Zeit zu Zeit ein kleines Pogrom und den Ketzern ein Scheiterhäufchen. An Neuheiten hingegen war dieses zu vermelden: Skelette hüpften mit lustigen Sprüngen über die Friedhöfe, der Tod schritt mit seiner Sense über die Erde, der Inkubus stahl sich des Nachts zwischen die zitternden Schenkel der Jungfrauen, und dem einsamen Reiter sprang in der Einöde eine Striege in den Nacken. Der Teufel mischte sich sichtbar in die Alltagsangelegenheiten ein und strich unter den Leuten umher, |tamquam leo rugiens|, brüllend wie ein Löwe, und Ausschau haltend, wen er verschlingen könnte.

Viele berühmte Leute starben in jener Zeit. Ja gewiss, es wurden auch viele geboren, aber es ist wohl so, dass man die Geburtsdaten in den Chroniken nicht verzeichnet und sich dann auch ums Verrecken keiner daran erinnert, außer den Müttern vielleicht, und Ausnahmen machten wohl nur Neugeborene mit zwei Köpfen oder wenigstens mit zwei Pimmeln. Aber was den Tod anlangt, ja, das ist ein sicheres Datum, wie in Stein gehauen.

Im Jahre 1421, am Montag nach dem Mittfastensonntag Oculi, verstarb in Oppeln nach sechsundsechzig verdienstvollen Jahren Johann, appellatus der Weihwedel, ein Herzog aus dem Geschlecht der Piasten und episcopus Wloclaviensis. Vor seinem Tode hatte er der Stadt Oppeln eine Schenkung von sechshundert Mark gemacht. Es heißt, ein Teil dieser Summe sei, dem letzten Willen des Sterbenden gemäß, an das berühmte Oppelner Hurenhaus »Zur Roten Gundel« gegangen. Die Dienste dieses Liebestempels, der sich hinter dem Kloster der Minderbrüder befand, hatte der Bischof, der ein Lebemann war, bis zu seinem Tode in Anspruch genommen – wenn auch gegen Ende seines Lebens nur mehr als Beobachter.

Im Sommer des Jahres 1422 hingegen – das genaue Datum ist mir entfallen – starb in Vincennes der englische König Heinrich V., der Sieger von Azincourt. Ihn nur knapp zwei Monate überlebend, starb der König von Frankreich, Karl VI., der schon seit fünf Jahren vollkommen verrückt war. Die Krone forderte der Dauphin, Karl, ein, der Sohn jenes Irren. Aber die Engländer erkannten seine Rechte nicht an. Denn seine eigene Mutter, die Königin Isabella, hatte schon längst erklärt, er sei ein Bankert, der außerhalb des Ehebettes mit einem Manne von gesundem Menschenverstand gezeugt worden sei. Da ein Bankert den Thron nicht erben kann, wurde ein Engländer zum rechtmäßigen Herrscher und Monarchen Frankreichs, der Sohn Heinrichs V., der kleine Heinrich, der gerade mal neun Monate alt war. Regent in Frankreich wurde der Oheim des kleinen Heinrich, John Lancaster, der Herzog von Bedford. Dieser hielt gemeinsam mit den Burgundern Nordfrankreich – mit Paris –, den Süden beherrschte der Dauphin zusammen mit den Armagnacs. Zwischen den beiden Reichen heulten die Hunde neben den Leichen auf den Schlachtfeldern.

Im Jahre 1423 aber verstarb am Pfingsttage im Schlosse Peñíscola unweit von Valencia Pedro de Luna, der avignonesische Papst, ein verdammter Schismatiker, der sich bis zu seinem Tode und entgegen den Beschlüssen zweier Konzilien Benedikt XIII. nannte.

Von den anderen, die in jener Zeit starben und an die ich mich noch erinnere, verschied Ernst der Eiserne von Habsburg, Fürst der Steiermark, Kärntens, der Krain, Istriens und Triests. Es starb Johann von Ratibor, Herzog aus Piasten- und P¡rzemysliden-Geschlecht gleichermaßen. Jung verstarb Wenzeslaus, der dux Lubiniensis, es starb Herzog Heinrich, der gemeinsam mit seinem Bruder Johann Herr von Münsterberg war. In der Fremde verschied Heinrich, dictus Rumpoldus, Herzog von Glogau und Landvogt der Oberlausitz. Nikolai Tr±ba verstarb, Erzbischof von Gnesen, ein ehrenwerter und fähiger Mann. In der Marienburg starb Michael Küchmeister, der Hochmeister des Ordens der Allerheiligsten Jungfrau Maria. Auch Jakob PÍczak, genannt Fisch, der Müller von Beuthen, starb. Ha, ich muss zugeben, der ist etwas weniger bekannt und berühmt als die oben Genannten, aber er hat ihnen gegenüber den Vorteil, dass ich ihn persönlich kannte und manchmal mit ihm gebechert habe. Mit den früher Erwähnten ist das irgendwie nie zustande gekommen.

Auch in der Kultur nahmen wichtige Ereignisse ihren Lauf. Es predigte der beseelte Bernhardin von Siena, es predigten Jan Kanty und Johannes von Capestrano, es lehrten Johannes Carlerius de Gerson und Pawel Wlodkowic, Christine de Pisan und Thomas Hemerken a Kempis schrieben gelehrte Werke. Vav¡rinec von B¡rzezová verfasste seine wunderschöne Chronik. Andrej Rubljow malte seine Ikonen, es malte Masaccio, es malte Robert Campin. Jan van Eyck, der Hofmaler Johanns von Bayern, schuf für die St.-Bavo-Kathedrale von Gent seinen »Altar des Mystischen Lammes«, ein überaus schönes Polyptychon, das die Kapelle des Jodocus Vyd ziert. In Florenz beendete Meister Pippo Brunelleschi die Errichtung der Kuppel über den vier Schiffen der Kirche Santa Maria dei Fiori. Wir in Schlesien waren auch nicht schlechter – bei uns hat Herr Peter von Frankenstein in der Stadt Neisse den Bau der sehr stattlichen St.-Jakobs-Kirche vollendet. Gar nicht weit von hier, von Militsch, entfernt, wer noch nicht da war und sie noch nicht gesehen hat, dem böte sich jetzt Gelegenheit dazu.

In jenem Jahr 1422 beging der alte Litauer, der polnische König Jagiello, mitten im Karneval in der Burg Lida mit großem Pomp seine Hochzeit – er heiratete Sonka HolszaÒska, ein blühendes, blutjunges Mädchen von siebzehn Jahren, das demnach mehr als ein halbes Jahrhundert jünger war als er. Wie es hieß, war jenes Mädchen wohl eher ihrer Schönheit, denn ihrer Sitten wegen berühmt. Ja, und es sollte auch später noch viel Ärgernis daraus erwachsen. Jogaila aber, als hätte er völlig vergessen, wie man sich eines jungen Weibes erfreut, zog schon im Frühsommer gegen die preußischen Herren, will heißen, gegen die Ritter mit dem Kreuz. So kam es auch, dass der neue Hochmeister des Deutschen Ordens, Herr Paul von Rusdorf, Küchmeisters Nachfolger, gleich nach der Amtseinführung Bekanntschaft mit den polnischen Waffen schließen musste – und zwar eine recht stürmische Bekanntschaft. Wie es da auf dem Ehelager mit Sonka bestellt war, wird man vergeblich zu erfahren suchen, um den Deutschordensrittern den Hintern zu versohlen, war Jogaila aber immer noch Manns genug.

Eine Menge wichtiger Dinge ereigneten sich in jener Zeit auch im Königreich Böhmen. Eine große Erschütterung gab es da, viel Blutvergießen und unaufhörlich Krieg. Wovon rede ich da … Wollet einem alten Mann vergeben, Ihr edlen Herren, aber Furcht ist ein menschlich Ding, und ist schon so mancher für ein unbedachtes Wort am Hals gepackt worden. Auf Euren Wämsern, Ihr Herren, sehe ich wohl die polnischen Wappen der Na?Ícz und der Habdank, und auf den Euren, edle Böhmen, die Hähne der Herren von Dobrá Voda, und die Ritterpfeile von Strakonitz … Und Ihr, Marsjünger, seid ein Zettritz, ich erkenn’s am Bisonkopf im Wappen. Das Eurige, Herr Ritter, das schräge Schachbrett und die Greifen, kann ich nirgendwo zuordnen. Es lässt sich nicht ausschließen, dass du, Frater aus dem Orden des heiligen Franziskus, nicht alles dem Heiligen Officium zuträgst, dass Ihr es tut, Brüder von St. Dominik, ist wohl gewiss. So seht Ihr selbst, dass es mir nicht leicht wird, in einer so internationalen und auch so unterschiedlichen Gesellschaft von den böhmischen Dingen zu berichten, weil ich nicht weiß, wer hier für Albrecht und wer für den polnischen König und den Prinzen ist. Wer hier für Menhart von Hradec und Old¡rich von Roæmberk ist, und wer für Hynek Pt?Ëek von Pirkstajn und Jan Kolda von Æampach. Wer auf des Comes Spytko von MelsztyÒskis Seite steht und wer ein Anhänger des Bischofs von Oels ist. Ich habe gewiss keine Sehnsucht nach Schlägen, aber ich weiß wohl, dass ich welche einstecken werde, weil ich schon mehrmals welche einstecken musste. Wie das, fragt Ihr? Das ist so: Wenn ich sage, dass in den Zeiten, von denen ich erzähle, die tapferen Hussiten den Deutschen heftig das Wams durchgewalkt und sie in drei Kreuzzügen hintereinander zu Pulver und Staub zermahlen haben, dann währt es nicht lang, bis mich die einen aufs Haupt schlagen. Sage ich aber, dass in den Schlachten bei Vítkov, Vynehrad, Saaz und Deutsch-Brod die Häretiker die Kreuzfahrer nur mit teuflischer Hilfe besiegt haben, ergreifen mich die anderen und prügeln mich durch. Daher wär’s mir lieber zu schweigen, aber wenn ich schon reden muss, dann mit der Neutralität eines Berichterstatters – berichten, wie man sagt, |sine ira et studio|, knapp, kühl, sachlich, und ohne einen Kommentar von meiner Seite hinzuzufügen.

So sage ich denn auch nur kurz: Im Herbst des Jahres 1420 lehnte der polnische König Jogaila die böhmische Krone ab, die die Hussiten ihm angetragen hatten. In Krakau wähnte man, dass der litauische dux Witold, der schon immer gekrönt werden wollte, die Krone nehmen würde. Um aber weder den römischen König Sigismund noch den Papst über Gebühr zu ärgern, wurde Zygmunt, der Neffe Witolds und Sohn Korybuts, nach Böhmen gesandt. Er stand am Tage des heiligen Stanislaus im Jahre 1422 im goldenen Prag an der Spitze von fünftausend polnischen Rittern. Aber schon am Dreikönigstag des darauf folgenden Jahres musste das Prinzchen nach Litauen zurückkehren, so wütend waren der Luxemburger und Oddo Colonna, seinerzeit der Heilige Vater Martin V., über die böhmische Thronfolge. Aber schon 1424, am Vorabend von Mariä Heimsuchung, war der Sohn des Korybut zurück in Prag. Diesmal gegen den Willen Jogailas und Witolds, gegen den Willen des Papstes, gegen den Willen des römischen Königs. Das heißt als Aufrührer und Geächteter. An der Spitze ebensolcher Aufrührer und Geächteter. Und nicht nur Tausender, wie vorher, sondern Hunderttausender.

In Prag hingegen fraß der Umsturz, wie Saturn, seine eigenen Kinder, und eine Seite maß sich mit der anderen. Jan von Æeliva, den man am Montag nach dem Sonntag Reminiscere des Jahres 1422 geköpft hatte, wurde schon im Mai desselben Jahres in allen Kirchen als Märtyrer beweint. Kühn stellte sich das goldene Prag auch Tabor entgegen, aber hier hatte die Sense auf den Stein getroffen. Nämlich auf Jan Æiæka, den großen Kämpen. Anno Domini 1424, am zweiten Tage nach den Nonen des Juni, erteilte Æiæka den Pragern bei Malschau am Flüsschen Bohynka eine schreckliche Lehre. Viele, o gar viele Witwen und Waisen gab es nach dieser Schlacht in Prag.

Wer weiß, vielleicht bewirkten die Tränen jener Waisen, dass kurz darauf, am Mittwoch vor dem Festtage des St. Gallus in P?ybyslav nahe der mährischen Grenze Jan Æiæka von Trocnov, oder wie es später hieß, vom Kelch, verstarb. Begraben hat man ihn in Hradec Králové, und dort liegt er. Und so wie vorher die einen seinetwegen geweint hatten, weinten jetzt die anderen um ihn. Dass er sie als Waisen zurückgelassen hatte. Deswegen nannten sie sich »die Waisen« …

Aber daran erinnert Ihr Euch wohl alle noch. Weil das vor noch gar nicht so langer Zeit gewesen ist. Und jetzt sind das schon … historisch gewordene Zeiten.

Ihr wisst doch, werte Herren, woran man erkennt, ob eine Zeit historisch ist? Daran, dass vieles schnell geschieht.

Damals ereignete sich sehr vieles sehr schnell. Der Weltuntergang war, wie gesagt, nicht gekommen. Obwohl vieles darauf hindeutete, dass er kommen würde. Denn es gab – genauso, wie die Prophezeiungen es wollten – große Kriege und große Plagen für das Christenvolk, und viele Männer starben. Es schien, als wolle Gott selbst, dass der Entstehung einer neuen Ordnung der Niedergang der alten vorausginge. Es schien, als nahte die Apokalypse. Als käme die Bestie mit zehn Hörnern aus der Hölle. Als sähe man die vier Reiter im Rauch der Brände und der blutgetränkten Felder. Als ertönten jeden Augenblick die Trompeten und die Siegel würden zerbrochen. Als würde Feuer vom Himmel fallen. Als würde der Stern Wermut auf den dritten Teil der Ströme und auf die Quellen der Wasser fallen. Als würde der irre gewordene Mensch, der die Fußspuren eines anderen auf der Brandstätte erblickte, unter Tränen jene Spuren küssen.

Manchmal war es so schlimm, dass einem, ich bitte um Vergebung, edle Herren, der Arsch auf Grundeis ging.

Das war eine bedrohliche Zeit. Eine böse. Und wenn es Euer Wille ist, so werde ich davon erzählen. Um die Langeweile zu vertreiben, solange der Regen, der uns hier in der Schenke festhält, nicht aufhört.

Ich erzähle, wenn Ihr wollt, von jenen Zeiten. Von den Menschen, die damals lebten, wie auch von jenen, die damals lebten, aber keine Menschen waren. Ich erzähle davon, wie die einen, wie die anderen sich mit dem maßen, was die Zeit ihnen brachte. Mit ihrem Schicksal. Und mit sich selbst.

Diese Geschichte beginnt freundlich und ergötzlich, undurchsichtig und zärtlich – mit einer angenehmen, innigen Liebe. Aber das soll Euch, liebwerte Herren, nicht täuschen.

Lasst Euch dadurch nicht täuschen.

|Prolog aus:
Andrzej Sapkowski: [„Narrenturm“]http://www.amazon.de/exec/obidos/ASIN/3423244895/powermetalde-21
dtv premium im Großformat
740 Seiten
ISBN 3-423-24489-5
Aus dem Polnischen von Barbara Samborska.
© der deutschsprachigen Ausgabe: 2005 Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG|
(In dieser Webfassung tauchen verschiedentlich Kompatibilitätsprobleme mit der Darstellung polnischer Sonderzeichen auf, die in der Buchfassung natürlich nicht auftreten.)

Hoffman, Jilliane – Morpheus

Nach dem großen Erfolg ihres Debütwerkes [„Cupido“, 699 welches international die Bestsellerlisten erobern konnte, legt Jilliane Hoffman mit „Morpheus“ nun ihren zweiten Roman vor, der direkt an „Cupido“ und seine Erfolge anknüpfen soll und sich dabei inhaltlich so stark an seinem Vorgänger orientiert, dass der neue Thriller kaum als in sich abgeschlossene Fortsetzung gelten kann.

William Bantling sitzt seit inzwischen drei Jahren im Todestrakt und wartet auf seine Hinrichtung. C.J. Townsend arbeitet dagegen immer noch als Staatsanwältin, obwohl sie im Cupido-Fall Beweismittel unterschlagen hat und weiß, dass Bantling für Taten im Gefängnis sitzt, die er nicht begangen hat. Diese Gedanken verfolgen C.J. immer noch auf Schritt und Tritt, auch wenn sie im Grunde genommen sicher ist, dass sie das Richtige getan hat. Doch der Cupido-Fall holt C.J. bald ein, als nämlich in Miami nacheinander vier Polizisten brutal ermordet und verstümmelt werden. Bei diesen handelt es sich genau um diejenigen Beamten, die von der illegalen Fahrzeugkontrolle, die schließlich zu Bantlings Festnahme geführt hat, gewusst haben.

Obwohl C.J. seit drei Jahren glücklich mit Dominick Falconetti liiert ist und auch seinen Heiratsantrag angenommen hat, weiß Dominick immer noch nichts von den früheren Machenschaften seiner Freundin. Als C.J. eine Botschaft des Polizistenmörders, den die Presse |Morpheus| getauft hat, erhält, flieht sie in Panik und trennt sich von Dominick, weil sie ihm nicht die Wahrheit sagen möchte. Ihre Flucht führt sie zunächst zu Bantlings Anwältin Lourdes Rubio, die C.J. abfällig begegnet und eine Wiederaufnahme im Fall Cupido ankündigt. Tatsächlich dauert es nicht lange, bis C.J. nach Miami zurückgerufen wird, weil Bantlings neuer Anwalt Berufung eingelegt hat und den Fall mit neuen Beweismitteln neu aufrollen will.

C.J. ist in Panik: Auf der einen Seite fürchtet sie sich vor Morpheus, der nach und nach die damaligen Zeugen ermordet und sie als Nächste im Visier haben muss, und auf der anderen Seite möchte sie William Bantling nicht mehr unter die Augen treten. Doch es kommt zu einer neuen Anhörung und damit zu einer Konfrontation zwischen C.J. und ihrer Vergangenheit, die sie gerne vergessen möchte …

Genau nach ihrem altbekannten Schema erzählt Jilliane Hoffman auch ihren neuen Thriller; sie lässt ihre Leser nicht lange warten, sondern schildert zügig den ersten Mord. Victor Chavez, der aufgrund eines anonymen Anrufes im Cupido-Fall die illegale Fahrzeugkontrolle durchgeführt hat, ist dabei das erste Opfer des brutalen und rücksichtslosen Polizistenmörders. Doch dauert es nicht lange, bis weitere Opfer gefunden werden. Die Spur führt in das kolumbianische Drogenmilieu, denn einer der ermittelnden Beamten kann die Verstümmelungen der Leichen als so genannte Kolumbianische Krawatte identifizieren. Die Polizei weiß daraufhin schnell, wo genau sie zu suchen hat, zumal alle ermordeten Cops ihre Spuren im Drogenmilieu hinterlassen haben. Doch C.J. zieht ihre eigenen Schlüsse, denn nur sie weiß, dass alle Mordopfer ihre Mitwisser sind. Nach und nach werden die Zeugen ermordet, bis neben Lourdes Rubio nur noch C.J. übrig bleibt.

Die Handlung ist zweigeteilt. Zunächst erscheint uns „Morpheus“ wie ein normaler Thriller, es werden brutale Verbrechen geschildert und Spuren gedeutet, doch etwa ab der Hälfte geht es nur noch um pure Juristerei. Wir begleiten die ängstliche C.J. zu ihren Nachforschungen in der Bibliothek, zu ihren richterlichen Anhörungen und hoffen für sie, dass sie einer Neuauflage des Cupido-Falles entgehen kann. Detailliert erfahren wir alle juristischen Schritte und Feinheiten, alle Fehler, die im Cupido-Falle begangen wurden, und wir lernen die Möglichkeiten kennen, die Bantling noch für seine Berufung bleiben. Im zweiten Teil des Romans lässt Jilliane Hoffman durchblicken, dass sie sich auf diesem Gebiet gut auskennt, doch leider driftet sie mir dabei zu sehr ins Grisham-Genre ab. Die eigentliche Mordserie rückt hier komplett in den Hintergrund, um Morpheus geht es so gut wie gar nicht mehr.

Hoffmann orientiert sich meiner Meinung nach auch zu stark an ihrem Debütroman. Da „Cupido“ erfolgreich war, möchte sie offensichtlich genau dort wieder ansetzen, doch muss dies Bemühen zwangsläufig scheitern. Morpheus ist kein eigenständiger Roman, sondern eine direkte Fortsetzung, die viele Wiederholungen aus „Cupido“ enthält und somit oft auf der Stelle tritt. „Morpheus“ ist ohne Kenntnis des Vorgängerromans kaum lesbar und kündigt am Ende auch nicht gerade sehr subtil eine weitere Fortsetzung an. Wo „Cupido“ noch neu und spannend war, ist der vorliegende Roman nur vorhersehbar und abgekupfert. „Morpheus“ kann kaum mit neuen Aspekten dienen und ist in der zweiten Hälfte dank der ganzen Rechtsverdreherei kaum noch spannend, obwohl das Buch aufgrund der knappen Sprache schnell gelesen ist.

Auch in der Figurenzeichnung kann Hoffman nicht punkten. Alle auftretenden Figuren sind stereotyp und eindimensional. C.J. Townsend ist immer noch das arme Opfer, das nun nicht mehr nur unter seiner Vergewaltigung zu leiden hat, sondern auch unter der Misshandlung durch ihren ehemaligen Psychiater, der sie über Jahre hinweg als Schachfigur in seinem eigenen kranken Spiel eingesetzt hat. Dennoch ist C.J. natürlich beruflich erstaunlich erfolgreich und privat glücklich liiert, sodass bald die Traumhochzeit mit dem gut aussehenden Dominick Falconetti ansteht, der sie im letzten Buch noch vor dem sicheren Tod gerettet hat.

„Morpheus“ ist ein enttäuschender Abklatsch von „Cupido“, bringt kaum neue Erkenntnisse, sondern erzählt haargenau nach dem gleichen Schema viele bereits bekannte Dinge und wärmt den Bantling-Fall nochmals auf. Während das Buch zunächst rasant und spannend beginnt, hält sich Jilliane Hoffman ab der Hälfte lediglich mit langatmiger Juristerei auf und langweilt somit ihre treuen Leser. Auch die Auflösung des aktuellen Polizistenmordes mitsamt seinem Showdown weiß nicht zu überzeugen, zu konstruiert klingt der ganze Fall, zu unrealistisch wirkt es, wenn C.J. Townsend die x-te lebensgefährliche Situation nahezu unbeschadet übersteht. Mit dem Holzhammer kündigt Hoffman schließlich die nächste Fortsetzung an und verscherzt es sich dadurch gänzlich mit ihren Fans. Von „Cupido“ war ich sehr positiv überrascht und „Morpheus“ ist über weite Strecken alles andere als langweilig, dennoch finde ich es schade, dass Jilliane Hoffman ihre bereits bekannte Geschichte lediglich auf ein weiteres Buch ausgedehnt hat.

Hennig von Lange, Alexa – Warum so traurig?

Der sympathische Lockenkopf Alexa Hennig von Lange legt dieser Tage mit „Warum so traurig?“ seinen neuen und vielleicht besten Roman vor. Die 1973 geborene Hannoveranerin trat erstmals als „Bim Bam Bino“-Moderatorin in den Neunzigerjahren in Erscheinung. Von der Moderation wechselte sie aber bald in ihren Traumberuf, der Schriftstellerei. Ihr bisher größter Erfolg wurde dann auch gleich das Debüt „Relax“ (1997). Seitdem kamen fast jährlich neue Veröffentlichungen hinzu, darunter das weniger überzeugende „Ich bin’s“ (1999), das mit dem Jugendliteraturpreis ausgezeichnete „Ich habe einfach Glück“ (2001), „Woher ich komme“ (2003), „Erste Liebe“ (2004) sowie einige Kinderbücher.

Mit „Warum so traurig?“ kehrt Hennig von Lange einerseits zu ihren Wurzeln zurück, anderseits präsentiert sie sich wie auch schon in „Woher ich komme“ als gereifte Schriftstellerin und Persönlichkeit. „Warum so traurig?“ ist eine Art Fortsetzungsroman des Bestsellers „Relax“. In diesem Roman berichtete die Autorin von einem Paar Anfang zwanzig im Rausch der wilden Neunzigerjahre. Das junge Paar war nicht nur im Liebes-, sondern auch im stetigen Drogenrausch. Die 90er sind jetzt vorbei, Elisabeth, die in „Relax“ nur als „die Kleine“ auftauchte, ist Anfang dreißig und mit ihrem Arbeitskollegen Philip verheiratet. Wie es im Klappentext des Buches treffend zusammengefasst wird, berichtet „Warum so traurig?“ vom Aufwachen, der großen Ernüchterung nach der wilden Jugendzeit.

In der Ehe von Philip und Elisabeth kriselt es. Der Alltag hat sich eingeschlichen und die Erotik zwischen beiden ist eingeschlafen. Während Elisabeth dieses Thema anzusprechen versucht, blockt Philip diese Gespräche ab. Generell wird zwischen beiden wenig geredet, der kurze Trip nach Lissabon, über den sich die Erzählzeit erstreckt, kann dies auch nicht ändern. Vielmehr legt er diese Schwächen noch weiter offen. Elisabeth hatte gar keine Lust auf diese Reise, hält dies aber zurück. Sie ist zur Zeit mit anderen Dingen beschäftigt. Während er sie durch Lissabon schleift, ist sie tief in ihren Gedanken versunken, versucht ihre eigene Vergangenheit zu entschlüsseln. Dabei tauchen immer wieder ihre letzten beiden Beziehungen zu Chris, welcher am Ende von „Relax“ stirbt, sowie Markus, mit dem sie später zusammen war, auf. Auch Philip spielt in diesen durch den früheren massiven Drogenkonsum der Protagonistin bruchstückhaften Erinnerungen eine Rolle. Sie erinnert sich daran, wie es mit beiden angefangen hat und versucht so (vergeblich) den Zauber der ersten Begegnung, der ersten Berührung wieder aufleben zu lassen. „Mein Kopf ist voll von unsortierten Bildern, zusammengeklebt von einander bekämpfenden Gefühlen,“ stellt sie müde fest.

Der in die Beziehung eingekehrte Alltag ist nicht das einzige Problem der beiden. Schnell erfährt der Leser, dass beider Leben in unterschiedliche Richtungen verlaufen. Sie ist noch mit der Vergangenheit beschäftigt, hat Sehnsüchte und den Wunsch Mutter zu werden; er will nicht auf die Gedankenspiele seiner Frau eingehen und Kinder will er schon gar nicht. Welche Folgen das für die Ehe haben kann, deutet sich an, als man ein befreundetes Ehepaar in Lissabon besucht. Melissa und Rene haben Kinder, und wie sich zeigt, war Philip mit Melissa einmal zusammen. Als Elisabeth nach dem Trennungsgrund fragt, antwortet Philip kühl: „Sie wollte Kinder haben.“

Doch da ist noch mehr, und instinktiv sucht Elisabeth in ihrer Erinnerung danach. Der Leser ahnt, dass die Erinnerung auch die Entscheidung in der Gegenwart bringen wird.

Hennig von Lange zeichnet mit ihrer einfachen und klaren Sprache gefühlvoll das Scheitern einer noch jungen Ehe nach. Während die Gegenwart die Tatsachen abbildet, werden die Ursachen dafür durch die Erinnerungen der Protagonistin zu Tage gebracht. Immer wieder dringt Vergangenes an die Oberfläche und bringt so ein weiteres Teil des Puzzles zum Vorschein. Die Autorin hat es solcherart geschafft, dieser ruhigen, reflektierenden Erzählungen ein erhebliches Maß an Spannung mitzugeben, was den Leser in einem Zuge durch den Roman treibt. Dieses Entknoten der Vergangenheit hat sie in „Woher ich komme“ schon geübt, hier hat sie es zur Perfektion gebracht. „Warum so traurig?“ verfügt auch über die weiteren Zutaten, die einen Hennig-von-Lange-Roman immer lesenswert machen. Wieder wird die Geschichte aus der Ich-Perspektive erzählt und es ist wohl die beste Eigenschaft der Autorin, die Gedankengänge der Protagonistin und die Charaktere selbst nachvollziehbar und glaubhaft darzustellen. Sie kreiert die Figuren nicht nur, sie fühlt sich auch in sie hinein, und so geht der Leser vollkommen in der Gedankenwelt und im Blickwinkel der Erzählerin auf.

„Warum so traurig?“ ist das vielschichtigste Buch der Autorin. Mit wenigen Worten stellt sie einen tief greifenden Konflikt dar. Sie bringt die erwachsene Erkenntnis zu Papier, dass die zweifellos vorhandene Liebe zwischen zwei Menschen doch nicht reicht, um eine dauerhaft glückliche Ehe zu führen. Sie zeigt auch, dass Narben Zeit zum Heilen brauchen, die ständige Flucht in die Drogen hat die Wunden nur noch vergrößert. Geradezu zerbrechlich wirkt die Protagonistin, die panische Angst vor dem Tod und dem Vergessen hat. Panisch sagt sie zu ihrem Mann „Liebling, ich werde mein Gedächtnis verlieren!“ Die Angst vor Gedächtnisverlust ist ein wiederkehrendes Motiv in dieser Erzählung und wirkt wie eine Metapher für den Verlust der Jugend, denn „Warum so traurig?“ ist auch ein Abschied von der Jugend. Traurig stellt Elisabeth fest: „So golden und sexy, wie wir es uns erträumten, wird es nie wieder werden.“

Hillenburg, Steven u. a. – SpongeBob Schwammkopf – Geschichten aus Bikini Bottom

Begleitend zur erfolgreichen TV-Serie um den kleinen lustigen Schwamm haben |Tokyopop| in der hauseigenen Reihe „Cine-Manga“ nun auch die Geschichten von SpongeBob, dem Seestern Patrick, ihrem genervten Kumpel Thaddäus, oder besser gesagt die Welt von Bikini Bottom in Comicform herausgebracht und in verschiedenen Bänden jeweils vier Kurzgeschichten über den Schwammkopf hineingepackt, die alle einem bestimmten Thema zugeordnet sind.

In „Geschichten aus Bikini Bottom“ wird dabei jedoch allgemein das Zuhause des gelben Tausendsassas vorgestellt, das heißt das Thema ist die Umwelt von SpongeBob, und dazu gibt es folgende Mini-Comics:

_“Heimat, süße Ananas“_
SpongeBobs Haus ist plötzlich vom Erdboden verschluckt worden, und der kleine Schwamm sieht sich dazu gezwungen, zurück zu seinen Eltern zu gehen. Doch sein Freund Patrick macht ihm Mut und gemeinsam hecken sie einige Pläne aus, wie sie die goldene Ananas wieder neu aufbauen können.

_“F.U.N.“_
Plankton versucht erneut, das Rezept für den Krabbenburger zu stehlen, wird aber wiederum von SpongeBob erwischt und zieht sich enttäuscht zurück, weil er glaubt, ein Verlierer zu sein. SpongeBob nimmt sich seiner an und versucht, das Gute in ihm zu erwecken, doch das grüne Ungeziefer kann trotz des guten Willens des Schwammes von seinen Plänen einfach nicht ablassen.

_“Bis zur Erschöpfung“_
SpongeBobs Freundin, das Eichhörnchen Sandy, hat nur noch eine Woche Zeit, bis ihr Winterschlaf beginnt. Bis dahin will sie noch jede Menge Spaß haben und gemeinsam mit SpongeBob einiges erleben. Doch der Schwamm hält ihrer hyperaktiven Wochengestaltung nicht tagein, tagaus stand.

_“Der Fan“_
Bei einem Besuch auf der Quallen-Fischermesse trifft SpongeBob auf sein Idol, den Quallenjäger Kevin, und bittet ihn, auch in den Club der Quallenjäger aufgenommen zu werden. Kevin hat eigentlich kein Interesse an diesem Engagement, unterzieht SpongeBob aber zur eigenen Belustigung trotzdem einiger Einstellungsprüfungen – die der Schwamm wundersamerweise allesamt besteht …

Auch wenn man irgendwie die tolpatschig-tiefe Stimme von Patrick und das kindliche Organ von SpongeBob vermisst, so sind auch die Comics zur Serie überaus witzig und diesbezüglich ähnlichen Serien wie zum Beispiel dem „Lustigen Taschenbuch“ um einiges voraus. Von der Machart her ist die legendäre |Ehapa|-Serie aber dennoch mit dem fast 100 Seiten dicken Comic zu SpongeBob zu vergleichen, nur dass dieser hier in Hochglanz und mit noch bunteren Farben daherkommt. Rein zeichnerisch hingegen entdeckt man viele Ähnlichkeiten zu den Geschichten um Donald Duck und Co., das lässt sich sicher nicht abstreiten, aber weil man bei den albernen Witzen, dem kindlichen Humor und den coolen Darstellungen von Patrick und SpongeBob immer wieder ein Grinsen auspacken muss, würde ich dem Schwammkopf ganz klar den Vorzug geben. Andererseits sollte sich jeder, der die Serie nicht mag, auch gar nicht erst mit der Materie des Comics beschäftigen, denn dieser baut ausschließlich auf seinem TV-Pendant auf.

In diesem speziellen Fall, also bei „Geschichten aus Bikini Bottom“, gefällt mir besonders die Geschichte mit dem Eichhörnchen Sandy; hier wird SpongeBob mit seinen eigenen Waffen geschlagen. Richtig lachen musste ich hingegen beim letzten Kapitel namens „Der Fan“, in dem Patrick beim Besuch der Ausstellung konsequent die Vorgaben des Wächters ignoriert, wodurch seine offensichtliche Dummheit wieder mal der Auslöser für einen Lachanfall ist – ebenso im ersten Kapitel, als der dumme Seestern sich beim ersten Hammerschlag schon auf den Finger prügelt.

Mit einem Satz: Diese Comics sind verdammt komisch, eben weil der Humor von SpongeBob etwas eigensinnig ist. Ich freue mich jetzt schon auf die anderen beiden Exemplare, die mir derzeit noch vorliegen!

Paul Harding – Tödliches Rätsel

Das geschieht:

London im Sommer 1380: Geldverleiher Bartholomew Drayton liegt mit einem Armbrustbolzen in der Brust in seiner leer geräumten Schatzkammer. Mit eingeschlagenem Schädel treibt Schreiber Edwin Chapler in der Themse. Sein Kollege Luke Peslep endet, während er sich auf der Latrine der Schenke „Zum Tintenfass“ erleichtert, unter den Degenstichen eines Meuchlers.

Für die Ermittlungen in allen drei Fällen ist Sir John Cranston, der Coroner (= Untersuchungsrichter) der Stadt London, zuständig; eine Kriminalpolizei gibt es noch nicht. An seiner Seite arbeitet Athelstan, ein Bruder des Dominikanerordens, der sowohl als Cranstons Sekretär fungiert als auch auf Grund seiner kriminalistischen Fähigkeit ein wertvoller Assistent sowie ein geschätzter Freund ist. Paul Harding – Tödliches Rätsel weiterlesen

Froideval, François Marcela / Ledroit, Olivier – Stunde der Schlange, Die (Die Chroniken des schwarzen Mondes Band 4)

Band 1: [Das Zeichen der Schatten 1625
Band 2: [Der Flug des Drachen 1638
Band 3: [Das Zeichen der Dämonen 1697

Nach zweiwöchiger Pause darf ich endlich weiterschmökern und nach dem ungeheuer spannenden Ende des dritten Bandes „Das Zeichen der Dämonen“ in Erfahrung bringen, wie die Geschichte um das intrigenreiche Kaiserreich Lhynn fortgesetzt wird.

_Story:_

Nach dem erfolgreichen Kampf gegen den Succubus hat dieser sich auf die Seite von Wismerhill geschlagen und ihm einen Treueeid geleistet, doch weiterhin ist die verdammte Seele Wismerhills nicht sicher, wer nun ihr wahrer Meister ist. Währenddessen hat der Kaiser die verräterischen Pläne seines ehemaligen Untertanen Fratus Sinister durchschaut und ist sich der Tatsache bewusst, dass der Krieg nahe bevorsteht. Deshalb sucht er auch Unterstützung bei den anvertrauten Drachen, die jedoch aus Abscheu vor politischen Machenschaften ihre Hilfe verwehren.

Der schwarze Mond mit seinem Anführer Hazeel Thorn stattet dem jungen Ritter Wismerhill zur gleichen Zeit einen Besuch ab und bringt den Succubus erneut in Verführung, sich für den richtigen Meister zu entscheiden. Darauf bedacht, das Kaiserreich Lhynn in Stücke zu reißen, schart er weitere Leute um sich, um gegen den Kaiser in den Krieg zu ziehen. Als eines Tages ein wundersamer Dunkelelf nach Dis in die neue Heimat Wismerhills reist und sich als sein lange gesuchter Vater entpuppt, ist dieser außer sich vor Freude, doch bevor er ihn überhaupt kennen lernen kann, wird er hinterrücks vor den Augen seines Sohnes ermordet. Geblendet vom Hass auf den Kaiser, dem Thorn die Verantwortung für diese Greueltat zuschiebt, startet Wismerhill Seite an Seite mit seinen treuen Gefährten einen Rachefeldzug und verschont dabei kein einziges Dorf, das dem Kaiser untergeben ist. Die dabei hinterlassene Blutspur wird immer größer, und als die Intrigen sich nach und nach aufzudecken scheinen und die Macht des schwarzen Mondes kaum noch zu bremsen ist, beginnt der unvermeidliche Krieg …

Der vierte Teil dieser Reihe ist ein wenig verwirrend gestaltet, weil die Szenerie beständig wechselt und die einzelnen Handlungspunkte nur selten abgeschlossen werden. Immer wieder wechselt das Geschehen zwischen der kaiserlichen Feste, der Heimat Wismerhills, der Verschwörung von Hazeel Thorn und den verräterischen Intrigen von Fratus Sinister, und wenn man sich nicht entsprechend konzentriert, fällt es ziemlich schwer, Verfasser Froideval bei der weiteren Entwicklung seiner Geschichte zu folgen.

Der Spannung tut dies jedoch keinen Abbruch, denn nach wie vor fesselt uns die Story um das erschütterte Kaiserreich Lhynn, und bei den besonders in diesem Buch genialen Zeichnungen Ledroits kann man auch völlig in der Geschichte versinken. Der Zeichner, der nunmehr zum vorletzten Mal bei dieser Serie in Erscheinung getreten ist, verdient speziell bei den mehrseitigen Illustrationen lautstarken Beifall, denn je größer die Bilder werden und je mehr Details Ledroit darin unterbringen kann, desto genialer sind die Zeichnungen auch. Seine bisherige Meisterleistung hat er schließlich mit der doppelseitigen Darstellung des Totentanzes abgeliefert, die wohl nur schwer zu übertreffen sein wird. Ausgerechnet dieses Bild ist dann auch das mit Abstand düsterste im ganzen Band, wohingegen die meisten ansonsten doch recht bunt und hell geraten sind und die in diesem Fall äußerst lebhafte Handlung passend untermalen.

Eine weitere Darstellung, die mir sehr gut gefallen hat, ist die Kriegserklärung sämtlicher Parteien auf der letzten Seite, die wunderbar mit den Texten Froidevals harmoniert und ebenfalls zu den Top-5-Illustrationen dieser Serie zu zählen ist.
Alleine von den Zeichnungen her ist „Die Stunde der Schlange“ mein bisheriger Favorit, doch auch die Handlung, deren einzelne Charaktere in diesem vierten Teil stellenweise eine enorme Entwicklung durchmachen (ganz besonders die Hauptfigur Wismerhill), gewinnt trotz einiger komplexer Wendungen mehr und mehr an Farbe und macht erneut Lust auf mehr. Der Krieg ist angesagt, die Spannung wächst und die Rollen sind anscheind zum ersten Mal klar verteilt: Ich kann es kaum noch abwarten, den nächsten Band zu lesen und werde genau das jetzt auch tun!

Elizabeth Kostova – Der Historiker

Verlagsinformationen zu Buch und Autorin:

Hier wird das Genre Dracula-Roman völlig neu erfunden: Elisabeth Kostova hat in ihrem Debüt historische Fakten und Fiktion zu einem hervorragend geschriebenen „Page Turner“ verwoben: Ein junges Mädchens findet in der Bibliothek seines Vaters ein merkwürdiges Buch. Es ist sehr alt. Die Seiten sind unbeschrieben; nur in der Mitte des Buches prangt der unheimliche Holzschnitt eines Drachen und das Wort „Drakulya“. In dem Buch liegen Briefe datiert 1930, adressiert an: „Meinen lieben und bedauernswerten Nachfolger …“ So beginnt eine unheimliche Reise quer durch Europa auf den Spuren von Vlad Tepes, genannt Dracula.

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