Es startet gemächlich: Ein altgedienter Alkoholiker-Cop und Psycho-Doctor setzt sich vor die imaginäre Kamera, schnappt sich einen Becher Whiskey und starrt auf seinen Bildschirm. Er erwartet eine Nachricht von einem seiner „Fälle“, von Terpsichore Melpomene Murray, die sich aus unerfindlichen Gründen nicht mehr melden mag.
Weil diese erhoffte Meldung ausbleibt, beginnt er dem Leser das Universum zu vermitteln, in dem dieser Roman spielt. Der Leser erfährt, dass eine künstliche Intelligenz jeden Menschen auf der Erde kontrolliert, dass deswegen ganze Generationen flüchten, um ein karges Leben auf dem Mars zu beginnen. Aber auch die Mars-Bewohner sind vor einer Übernahme nicht sicher: Die Künstliche Intelligenz entwickelt sich. |OneTrue| versucht, den Mars mit dem „Resuna-Mem“ zu infizieren, einem Gedankenvirus, der über eine codierte Kommunikationssequenz in die Hirne seiner Wirte gelangt, um sie unter die Kontrolle der KI zu stellen. Jegliche Information, die von der Erde auf den Mars gelangt, könnte ein Resuna-Träger sein.
Aufgemerkt! Jetzt habe ich hier das Sagen. Und alles läuft so, wie ich das will. Ich bin aus guter Familie, zwischenzeitlich leider in den Slums aufgewachsen. Doch das habe ich gerächt. Mehrfach. Denn ich bin schlauer als die anderen. Und schneller. Härter. Ich habe jeden Gegner totgefahren. Jeden. Deswegen verdiene ich das hier. |“Männer wie ich, die sind nicht mehr aufzuhalten, da kannst du machen, was du willst. Verstehst du?“|
_London in 50 Jahren_
Die ganze Welt wird vermeintlich von den Kräften des Marktes regiert (im Original heißt das Buch „Market Forces“). Doch eigentlich regiert eine hoch mobile und rücksichtslose Oligarchie. Die Gesellschaften der früheren Industrieländer haben sich ausdifferenziert: Über den breiten Massen ungesund dahinkrauchender Slumbewohner braust eine schmale Kaste von Investmentbankern daher, in großem Reichtum und großer Unsicherheit. Erreichen sie doch ihren beruflichen Aufstieg nicht allein durch harte Arbeit, sondern noch vielmehr durch ihre Fertigkeiten bei tödlich endenden Crash-Duellen auf den für sie reservierten Autobahnen. Und der Held, der da oben spricht, der ist einer von ihnen.
_Wer schreibt denn so was?_
Richard K. Morgan ist gerade 40 geworden, kommt aus der Nähe von Norwich in England, lebt in Glasgow und noch nicht allzu lange von der Schriftstellerei. Sein Debütroman „Altered Carbon“ erschien 2002 beim britischen SF-Spezialisten |Gollancz| (deutsch im September 2004 als [„Das Unsterblichkeitsprogramm“ 464 bei |Heyne|). Der Roman spielt einige Jahrhunderte in der Zukunft und bietet einen gut balancierten Mix aus traditionellem Hard-Boiled-Thriller und Hard-Science-Fiction – gar nicht soo ungewöhnlich, aber halbwegs glaubwürdig. Doch nicht die schön männliche Mischung machte das Buch zu einem gewaltigen Erfolg. Wohl eher war es die sehr sehr drastisch konsequente Schilderung von hemmungsloser Gewalt um den einsamen Helden Takeshi Kovacs – ein unmenschlich kalter, ultrabrutaler Schlächter und doch irgendwie auch mitfühlender Gelegenheitsdetektiv, Frauenversteher und Sinnsucher: Ein nach Heilung und Gerechtigkeit strebender Großserienkiller von nebenan, in wechselnden Körpern. Bei aller extrem blutigen Härte bot „Altered Carbon“ offenbar genug Einfühlmöglichkeiten und kreativ-plastisches Storytelling, um Hollywood aufmerksam und interessiert zu machen.
Morgan verhandelte gut beim Verkauf der Filmrechte. Sicher half auch der zwischenzeitlich verliehene |Philip K. Dick Award| für den besten Roman des Jahres. So konnte er sich allein mit dem Geld für die Film-Option auf „Altered Carbon“ endlich ganz dem Leben als Berufsautor zuwenden (vorher war er Englischlehrer für Nicht-Muttersprachler, immerhin 14 Jahre lang, mehrere Jahre davon jeweils in Istanbul und Madrid). Einst ein nach eigener Aussage nicht wirklich bemerkenswerter Student der philosophischen Fakultät (etwas Sprache, Abschluss in Geschichte) strebt er mittlerweile als zusätzlichen Zeitvertreib einen Master in „Development Economics“ an – doch scheint die Schriftstellerei ordentlich Geld abzuwerfen.
In schneller Folge erschienen bei |Gollancz| bis heute zwei weitere Romane um Takeshi Kovacs: 2003 „Broken Angels“ (deutsch im Juni 2005 als [„Gefallene Engel“) 1509 und Anfang 2005 „Woken Furies“ (wird zum Jahreswechsel als „Heiliger Zorn“ auch auf Deutsch erscheinen). Zudem schreibt er bei |Marvel| die Texte für die Comicbuchreihe „Black Widow“ – die muss aber in Deutschland noch herauskommen.
Genau zwischen die beiden jüngeren Kovacs-Romane fällt indes die Veröffentlichung von „Market Forces“ 2004. Und das Buch hat auch etwas mit „Development Economics“ zu tun. In der deutschen Übersetzung von Karsten Singelmann ist es als „Profit“ im April bei |Heyne| erschienen. Ach ja, die Filmrechte sind auch schon wieder für schönes Geld verkauft und der |John W. Campbell Memorial Award| 2005 für den besten Roman eingesackt …
_Der Plot_
Chris Faulkner ist um die 30 und hat gerade den Job gewechselt. Er steigt neu in die Abteilung „Conflict Investment“ der Firma |Shorn Associates| ein, ein als besonders aggressiv und erfolgreich geltendes Investmenthaus – und „Conflict Investment“ ist deren erfolgreichstes Geschäftsfeld. Es geht im Wesentlichen um die Steuerung ausgewählter Entwicklungsländer zur größtmöglichen Gewinnschöpfung. Gleich zu Beginn erhält Chris seine Firmenpistole überreicht, auf dass er möglicherweise nicht ganz sauber entschiedene Duelle auf der Autobahn sicher zum Ende bringen möge.
Etwas mulmig ist ihm hier schon, erst einmal. Das ebenfalls angebotene Firmenauto (BMW) lehnt er sogar ab, fährt er doch seit Jahren einen ganz speziell verstärkten Saab, umgebaut und gewartet von seiner schwedischen Frau Carla. Die arbeitet ganz offiziell als Mechanikerin, und ihr Vater lebt freiwillig in den Slums – eine stete Quelle für Streit in der jungen Ehe.
Bei |Shorn| findet er schnell einen Verbündeten: Mike Bryant, ein paar Jahre älter, etwas höher in der Hierarchie. Zusammen werden sie bald nach einem extralangen Arbeitstag das Nachtleben in den „Zonen“ erkunden, mit Checkpoints ausgestattete verlotterte Gegenden, in denen die Mehrheit der Bevölkerung verarmt vor sich hin vegetiert. Verständlich, dass Mikes aufgerüsteter BMW hier das Interesse einer Bande von jugendlichen Autodieben hervorruft. Relativ überraschend für Chris ist allerdings die Kaltblütigkeit, mit der Mike die mit einer Eisenstange bewaffneten Diebe mit der Firmenpistole hinrichtet. Selbstverteidigung, klar.
Die Freundschaft wird anschließend durch gegenseitige Familienbesuche in den idyllisch weit vor der Stadt liegenden Häusern gepflegt und muss sich durch allerlei gemeinsame Projekte beweisen. In mehreren Duellen auf der Straße bleibt das |Shorn|-Team siegreich, und Chris trägt entscheidende Teile dazu bei. Klar, dass möglicherweise überlebende Crash-Gegner in ihren Wracks noch schnell der Kreditkarten entledigt und erschossen werden, bevor die Polizei zum Aufräumen randarf.
Chris zerreißt sich immer mehr zwischen harten langen und langen harten Arbeitstagen und den Resten eines Familienlebens. Ja, die Brutalität zerrt an ihm, und gelegentliche Zweifel im Diktatoren-Schach des Arbeitsalltags verdichten sich immer mehr. Er überlegt sogar den Ausstieg, trifft sich mit einem UN-Bürokraten. Der garantiert Immunität gegen Kronzeugendienste über das verbrecherische Treiben von |Shorn|. Ob Chris die Option wahrnehmen wird?
Die berufliche Zerrissenheit zeigt sich schließlich am deutlichsten im Fall einer kleinen unbedeutenden Diktatur in Südamerika (Kolumbien). |Shorn| finanziert seit langem den Diktator, doch der zeigt langsam Alterserscheinungen und sein Sohn ist ein großmäuliger Psychopath. Chris freundet sich sogar mit dem wesentlichen Rebellenführer und dessen Kampf für „Gerechtigkeit“ an – eine bessere Geldanlage, und dazu noch moralisch besser?
Nicht wirklich produktiv ist in der Zwischenzeit, dass Chris nach weiteren spektakulären Straßensiegen auch noch eine Affäre mit einer sehr attraktiven Fernsehmoderatorin beginnt. Die war mal Porno-Aktrice, präsentiert aber mittlerweile eine eigene Show, in der es hauptsächlich um die fahrenden Investment-Ritter geht (die sind auch noch die Popstars der 2050er). Nebenbei hatte die Dame vorher auch noch Affäre mit Mike, und der findet die neue Entwicklung gar nicht so toll, hat er doch geglaubt, mit dem Mädel echte Liebe zu erleben. So wie sich Mike allmählich zum Rivalen und Gegner entwickelt, war es Chris’ formale Chefin schon von Beginn an. Sie fühlte sich schon bei der Einstellung von Chris übergangen, setzte ihn immer wieder auf die haarsträubendsten Duelle an. Doch zu ihrem großen Ärger hat er alle Herausforderungen gemeistert und wurde immer schwerer beherrschbar.
Zeit zur Eskalation.
Bei Investmentgesprächen in London begegnen sich Altdiktator und Rebellenführer in den Räumlichkeiten von |Shorn|. Ziemlicher Mist für Chris, haben ihn seine Gegner in der Firma mit diesem Zusammentreffen doch ernsthaft bloßgestellt. Da hilft nur noch beherztes Handeln: Im Büro, vor den Augen der Kollegen und des Rebellenführers prügelt er den Altdiktator mit einem Baseballschläger zu Tode. Das ist doch mal Einsatz für einen Kunden!
Wie das so kommen muss, hat Chris nun noch eine Menge Ärger durchzustehen, bis zum finalen Showdown: Straßenduell um eine offene Partnerstelle gegen Mike Bryant. Na, wer gewinnt das wohl? Ach ja, das Zitat zum Beginn dieser kleinen Besprechung, das stammt vom Ende des Buchs …
_Gibt es was zu mäkeln?_
So richtig viele Einwände müssen gar nicht sein. Handwerklich ist Morgans drittem Roman wenig vorzuwerfen, die Sprache ist schnörkellos direkt, einfach und mitreißend. Das großzügig mit „fuck“s angereicherte Englisch des Originals hat Singelmann eher milde übertragen, das stört aber keineswegs. Etwas seltsam mutet indes die Ausstattung des mit 13 Euro recht teuren aber zumindest großformatigen |Heyne|-Taschenbuchs an: Was soll das seltsame Bergsteiger-Porträt auf dem Titel?
Die Story ist dafür in sich weitgehend stimmig und relativ sauber ausgearbeitet. Mir scheinen ein paar Details nicht allzu plausibel. Natürlich bin auch ich nicht mit der fehlerfreien Kristallkugel ausgestattet, aber ist es wahrscheinlich, dass ein Yuppie der 2050er noch mit einem Handy telefoniert und einen Saab fährt? Wenn seine härtesten Gegner BMW und Audi fahren? Nur zur Erinnerung: Zu Beginn der 1950er-Jahre hießen die prestigeträchtigsten Automarken in den USA Cadillac oder Packard, in Deutschland waren es Mercedes oder Borgward, in Großbritannien Bentley, Rolls Royce und Daimler – von anderen Ländern ganz zu schweigen. Warum sollten sich die gerade gut laufenden Marken und Produkte noch weitere 50 Jahre halten können, vor allem wenn sich doch scheinbar die böse Ökonomie zum Schaden der Menschheit verändert?
Da sitzt auch mein wesentlicher Kritikpunkt: Die von Morgan postulierte Verelendung der Massen, die scheint mir doch ein wenig altbacken klischeehaft und äußerst unwahrscheinlich. Warum sollten sich veritable Massenproduzenten der Automobilindustrie auf einmal mit der Herstellung von ein paar Hundert Sonderanfertigungen für Investment-Eliten begnügen? Wo kommen die teuren Klamotten, die Telefone, die Neubauten, wo kommt der reichlich verzehrte Malt Whisky her, wenn doch angeblich der ganze arbeitende Mittelstand in die Slums abgesunken ist? Aber egal, ein bisschen negative Utopie darf ruhig sein, auch wenn das Teil mich nicht wirklich zum „Nachdenken“ über ach so gefährliche Globalisierungstendenzen anregt. Die Stärken von „Profit“ jedenfalls liegen woanders.
_Viel Lob_
Es gibt mindestens zwei Gründe, diesen wüst brutalen Roman zu mögen, sehr sogar.
Da ist zunächst die Charakterisierung der Figuren. Chris ist zigfacher Mörder, Ehebrecher, und in seinem Handeln eigentlich auch sonst ein ziemliches Arschloch. Und doch werden sich viele Leser mit ihm identifizieren und ihn leicht schaudernd, ja, doch, sympathisch finden. Denn eigentlich, so suggeriert Morgan geschickt, eigentlich ist er auch ein ganz normaler, patenter Bursche. Er hat immer mal wieder Skrupel, und zumindest zu Beginn seiner beruflichen Karriere auch eine gerechte Motivation (sein erstes Duell-Opfer hatte einst die Familie in Armut gestürzt). Außerdem liebt er seine Carla, doch es sind halt die Lebensentwürfe, die nicht mehr zueinander passen.
Auch heute gibt es eine Reihe Leute, die sich in hoch bezahlten Dienstleistungsberufen (größere Rechtsanwaltsfirmen, Consulting, Investmentbanking) mit überlangen Arbeitstagen und heftigster Konkurrenz herumschlagen. Und auch sie verlieren oft genug die Bodenhaftung, trennen sich von Herkunft und Familie, leben in einer teuren Parallelwelt mit merkwürdig exzessiven Ritualen (habe in der Richtung selbst schon einiges erlebt). Morgan dreht die Schraube hier nur ein ganz klein wenig weiter – und Chris bleibt äußerst glaubwürdig.
Das gilt auch für seine langsam verzweifelnde Frau Clara, den ach so skrupellosen und doch verunsicherten und heillos verliebten Mike, die eiskalten und doch sentimentalen Chefs, und und. Durchgängig sauber gezeichnetes Personal bevölkert „Profit“.
Doch es gibt noch mehr zu loben. Kommen wir endlich zur wesentlichen Stärke des Buchs, und zur größten Stärke des Richard K. Morgan: Hier gibt es ACTION Writing! In den reichlich vorhandenen schnellen Gewaltszenen, besonders bei der Schilderung der Duelle, ist es absolut unmöglich, das Buch auch nur einen Moment zur Seite zu legen. Ich ertappe mich dabei, die Zähne zusammenzubeißen, die Luft anzuhalten. Beobachte, wie Muskelanspannung und Blutdruck steigen. Wahnsinn. Morgan bekommt beinharte und absolut umwerfende Actionszenen hin, die sich auch noch bis zu ihren jeweiligen Höhepunkten permanent steigern. Großer Applaus dafür, „Profit“ schlägt so ziemlich jeden Actionfilm in der schieren Präsenz und Kraft der Gewaltszenen. Kein Wunder, dass Hollywood da Interesse zeigt.
Schnell, hart, direkt, mitreißend, toll. Natürlich sollte schon eine gewisse Bereitschaft vorhanden sein, sich auf so etwas einzulassen, doch Morgan kann hier auf ganzer Linie überzeugen. Die Gewalt ist nicht ganz so überblutig wie bei den SF-Reißern um Takeshi Kovacs, doch sie unterhält wie eine gute Achterbahnfahrt.
_Und damit zum Urteil:_
„Profit“ bietet eine trotz leichter Logikmängel ordentliche und halbwegs plausible Story, schön zur Katharsis strebend. Es gibt glaubwürdige und gut gezeichnete Charaktere. Dazu atemlos machende Actionszenen, reichlich davon. In der Summe ein höchst spannender und unterhaltsamer Roman zur nahen Zukunft, der sogar bei mehreren Szenen zum wiederholten Lesen animiert. Sicher ist er eher für eine männliche Kundschaft geschrieben, doch die sollen ja durchaus auch mal was lesen … Richard K. Morgan hat den Erfolg verdient, und auch diese Empfehlung. Wenn er so weitermacht, ist er nicht mehr aufzuhalten. Kaufen!!!
http://www.richardkmorgan.co.uk/
|Originaltitel: Market Forces
Aus dem Englischen von Karsten Singelmann
Taschenbuch, 576 Seiten
ISBN-10: 3-453-52202-8
Paperback, 576 Seiten (April 2005)
ISBN-10: 3-453-40051-8 |
Dutch Island ist eine gar nicht so kleine Insel vor der Pazifikküste des US-Staats Maine. Knapp tausend Menschen leben hier und bilden eine geschlossene Gemeinschaft; für „Fremde“ vom Festland ist es schwer, Fuß zu fassen. Marianne Elliot kämpft als allein erziehende Mutter mit vielen Vorurteilen. Dennoch arrangiert sie sich, denn sie ist auf der Flucht vor ihrem Ex-Mann: Edward Moloch ist ein Psychopath, der sie voll irren Zorns sucht, seit sie sich mit Sohn Danny und viel Geld abgesetzt hat. Nach drei Jahren Haft ist Moloch gerade ausgebrochen. Mit sechs vertierten Killern zieht er auf der Suche nach seiner Familie und dem Geld eine blutige Spur durchs Land, während er sich Dutch Island bedrohlich nähert.
Dort beginnt Marianne gerade eine Beziehung mit dem depressiven Inselpolizisten Joe Dupree, genannt „Melancholie-Joe“. Der 2,15 m große Mann gehört einer der ältesten Familien von Dutch Island an. Er kennt und hütet die Geheimnisse der Insel, die einst „Sanctuary“ – „Zuflucht“ – hieß; ein wahrer Hohn, denn im Jahre 1693 hatten sich Siedler vom Festland auf die Insel zurückgezogen. Ein Verbannter aus den eigenen Reihen war zum Verräter geworden, hatte mit feindseligen Indianern paktiert und diese heimlich zur Siedlung geführt, die mit Mann & Maus ausgelöscht wurde.
Seither geht es um auf Dutch Island. Die Einheimischen wissen nichts Genaues und hegen ihre Unkenntnis sorgfältig. Belegt ist allerdings, dass die Geister der Insel von Gewalt magisch angezogen werden. Wer auf Dutch Island in dieser Hinsicht über die Stränge schlägt, schwebt in Lebensgefahr. Immer wieder verschwinden Säufer, Schläger und andere unerfreuliche Zeitgenossen spurlos im dichten Inselwald. Leider unterscheiden besagte Geister nicht zwischen Tätern und Opfern; sie fallen über beide her. Deshalb führt die Ankunft Molochs und seiner Spießgesellen zum Umkippen des sorgfältig austarierten Gleichgewichts und schließlich zur Katastrophe. Die Killer terrorisieren das Inselvolk und die Geister werden stärker und dreister, während ein Unwetter Dutch Island vom Festland und von jeder Hilfe isoliert …
Hannibal Lector X 7 in der Nacht der lebenden Toten: Auf sehr ungewöhnlichen Pfaden wandelt Thriller-Schwergewicht John Connolly, bekannt geworden durch seine hochklassigen Krimis um den Cop Charlie „Bird“ Parker, indem er „sein“ Genre mit der Phantastik mischt. So ungewöhnlich wie zunächst angenommen, ist dies freilich nicht. Der Blick auf Connollys [Website]http://www.johnconnollybooks.com verrät, dass der Autor im angelsächsischen Leserraum auch Geistergeschichten veröffentlicht hat.
Nach eigener Aussage ist für ihn die „Reinheit“ des Genres ohnehin nebensächlich. Eine möglichst spannende Geschichte möchte Connolly erzählen. Dafür ist ihm jedes Mittel recht. Hier kann man ihm nur zustimmen, doch das Ergebnis wirkt trotzdem leicht unausgegoren. „Die Insel“ ist zwar connollytypisch ein echter Pageturner, der indes einen ähnlichen Eindruck wie der Filmklassiker „From Dusk Till Dawn“ hinterlässt: Zu einer Einheit wollen sich Diesseitiges und Jenseitiges nicht wirklich verbinden.
Die Story ist actionorientiert. Hintergründigkeit wird vor allem in der Figurenzeichnung (s. u.) suggeriert, bleibt aber Behauptung. Der Plot ist denkbar schlicht. Dass dies in der Regel nicht unangenehm auffällt, verdanken wir Connollys schriftstellerischem Geschick. Er kennt die Tricks, um sein Publikum bei der Stange zu halten. Erschreckende aber nie direkt geschilderte Gewaltszenen wechseln mit quasi dokumentarischen Einblicken in das Alltagsleben auf einer abgeschotteten Insel. Auch der Humor kommt nicht zu kurz; Connolly gelingen vor allem kurze, trockene Einzeiler („In der Küche entdeckte er einen Stapel mit Fast-Food-Verpackungen, voll mit abgenagten Knochen jener winzigen Hühnchen, die Imbissketten auf irgendeinem verstrahlten Pazifikatoll züchteten …“ – S. 96)
Während man sich an den Auftritt von Gespenstern erst allmählich gewöhnt, ist Connollys detailliert gestaltete Rekonstruktion der fiktiven Inselhistorie reizvoll. Nordamerika ist ein Land mit einer Geschichte, die mehr als genug gruselige Episoden für ebensolche Storys bietet. In Neuengland konnten die Ureinwohner den europäischen Einwanderern zumindest im 17. Jahrhundert durchaus Paroli bieten. Wilde, grausame, oft vergessene Dramen spielten sich in dem weiten Land ab, wobei beide Parteien sich an Grausamkeit nichts schuldig blieben. Diese Vergangenheit weiß Connolly als Kulisse zu nutzen. Echte Spukstimmung kommt auf, wenn die Verdammten von Dutch Island des Nachts ihr Unwesen treiben. Zusätzlich baut Connolly eine weitere Handlungsebene auf, wenn er die Ereignisse der Vergangenheit in denen der Gegenwart spiegelt: Ohne es zu wissen, sind sowohl die toten als auch die lebenden Bewohner die Insel in einer Schleife gefangen, die zu einer Neuauflage des Massakers von 1693 auszuarten droht. Einige Beteiligte von damals mischen wieder mit, denn ihre Seelen kehrten nicht als Geister wieder, sondern reinkarniert in den Körpern verschiedener Figuren.
Wobei die Figurenzeichnung ohnehin dem hybriden Charakter des Werkes ausgiebig Rechnung trägt. Da haben wir u. a. einen melancholischen Riesen, sieben wahrlich böse Männer (obwohl eine Frau zu ihnen zählt, die allerdings eher Mannweib ist), eine einsame Mutter mit Kuckuckskind und viele böse Geister. Diese Aufzählung unterstreicht, dass sich der Krimifreund bei der Lektüre gewissen Herausforderungen stellen muss. Schon der Amoklauf von Moloch – welcher Name! – und seiner Natural Born Killers ist pure Übertreibung. Sie morden, vergewaltigen und verstümmeln voll angestrengter Bosheit, ohne dass sich das Gesetz blicken lässt. Als es dann endlich in Erscheinung tritt, manifestiert es sich in grotesker Gestalt.
Joe Dupree ist womöglich als zwiespältiger Charakter angelegt. Solche Tiefe verträgt „Die Insel“ anders als Connollys Parker-Romane indes nicht. Duprees Riesengestalt und die ihm daraus erwachsenen Probleme wirken aufgesetzt. Der Riesenkörper verbirgt den üblichen Klischee-Cop mit goldenem Herzen und schwieriger Vergangenheit. Folgerichtig treffen wir auf Dutch Island auch sonst die üblichen kauzigen Verdächtigen, die gut aus einem der üblichen Stephen-King-TV-Filme – der Gruselkönig residiert bekanntlich in Maine – rekrutiert worden sein könnten.
Dazu gibt es nicht nur eine, sondern gleich zwei starke Frauengestalten. Auch hier gilt es zu relativieren. Sharon Macy gibt den weiblichen „Rookie“ im Polizeigeschäft und muss sich im Kampf gegen zudringliche Männer und Kriminelle gleichermaßen behaupten. Marianne Elliot ist eine dieser vom Leben gebeutelten aber ungebrochenen Supermütter, die sich den Schrecken einer sorgsam verdrängten Vergangenheit stellen und gleichzeitig ihr Kind verteidigen, ohne die Opferrolle wirklich zu verlassen.
Das gilt erfreulicherweise nicht für die Dutch-Island-Wiedergänger. Connolly geht von der Theorie aus, dass Geister verlorene Seelen sind, die ein gewaltsames Ende in ein Zwischenreich versetzte, wo sie ohne Gefühl für die verstrichene Zeit oder die Veränderung ihrer Umgebung dazu verdammt sind, automatengleich und sinnlos die Lebenden zu piesacken; ein seltsames, ungerechtes Schicksal, denn sie sind an ihrem Tod schließlich unschuldig. Aber unterlassen wir solche Fragen – sie sind in einem Roman wie diesem völlig unangebracht. Akzeptieren wir Connollys Geisterbild, so wirkt es überzeugend: Die Seelen der Siedler sind als unausgesprochene Bedrohung ständig präsent. Sie nähren sich von negativen Emotionen und treten ausgesprochen mitleidlos auf den Plan, wo diese freigesetzt werden: Connolly-Geister lassen sich nicht durch eine gute Tat erlösen. Sie sind und bleiben böse, wobei sie – ein gelungener Kunstgriff – aufgrund ihrer sonderbaren Natur für ihr Tun nicht verantwortlich gemacht werden können.
Was nicht für den |Ullstein|-Verlag gilt, der aus der deutschen „Insel“-Ausgabe eines dieser künstlich aufgeblasenen Paperbacks – Blindenschrift auf Serviettenpapier – gemacht hat, aus denen sich offenbar mehr Geld herausschlagen lässt als aus einem „normalen“ Taschenbuch, das es auch getan hätte.
John Connolly ist – verblüffend genug – ein waschechter Ire, der nicht nur in Dublin geboren wurde (1968), sondern dort auch aufwuchs, studierte und (nach einer langen Kette von Aushilfsjobs, zu denen standesgemäß einer als Barmann gehörte) als Journalist (für „The Irish Times“) arbeitete; Letzteres macht er weiterhin, obwohl sich der Erfolg als freier Schriftsteller inzwischen eingestellt hat. Die amerikanischen Schauplätze seiner Charlie-„Bird“-Parker-Thriller kennt Connolly indes durchaus aus eigener Erfahrung; schon seit Jahren verbringt er jeweils etwa die Hälfte eines Jahres in Irland und den Vereinigten Staaten.
Verwiesen sei auf die in Form und Inhalt wirklich gute [Connolly-Website,]http://www.johnconnollybooks.com die nicht nur über Leben und Werk informiert, sondern quasi als Bonus mehrere Gruselgeschichten und Artikel präsentiert.
Womit beginnt man am besten einen Überblick über die aktuelle Reisebuch-Branche? Ich dachte mir, ich gehe ganz ungewohnt auf die speziellen Nischen-Verlage zuerst ein.
Da wäre z. B. der _Trescher Verlag_, der sich seinen Namen als Osteuropaspezialist errungen hat. Insgesamt ein sehr anschauliches Programm und dabei mit vielen Ländern und speziellen Regionen sogar die einzigen deutschsprachigen Titel.
Sehr speziell und aus der Reihe fallend ist der kleine Spezialverlag _Ilona Huper_, der sich ausschließlich auf Reiseführer für Afrika und Australien beschränkt. Innerhalb einer solchen Nische wird dadurch auch sehr erfolgreich ein ausgezeichnetes Image erzielt. Durch ständige Neuauflagen der Titel ist eine hohe Aktualität gewährleistet. Eine große Besonderheit stellt auch dar, dass alle afrikanischen Titel von den Verlagsinhabern selber geschrieben sind, die seit zwanzig Jahren stets selbstständig, unabhängig und intensiv den afrikanischen Kontinent bereisen. Mit ihren Titeln beschränken sie sich auch auf die Länder, die sie hervorragend kennen.
Einer der weiterhin unabhängigen Verlage ist die _Edition Temmen_ in Bremen, mit einigen sehr feinen Reiseprogrammreihen. Für das touristische Erschließen der deutschsprachigen Heimat und angrenzenden Ländern bietet die kompakte Reihe „Illustrierte Reisehandbücher“ ausführliche Geschichten über das touristische Ziel mit reicher Bebilderung bei kleinem Preis. Als in Bremen ansässiger Verlag, liegen die vorliegenden Titel beim Schwerpunkt Norddeutschland, der Küste und Polen. Etwas teurer sind dann die Bildbandreihen, die in zwei Editionen – eine eher nationale sowie eine internationale – erscheinen. Eine dritte Bildbandreihe „Städteführer“ dagegen ist sehr preisgünstig und damit ein gut kalkuliertes Serviceangebot. Zwei innovative Themenreihen sind im Programm: die Reise- und Lesebücher, die mit einer unvergleichlichen Mischung praktische Informationen mit anderem Lesestoff mischen, sowie die Reihe historischer Reiseberichte. Mit der „Edition Erde“, in welcher Reiseführer für ausgewählte internationale Länder erscheinen, hebt sich der Verlag qualitativ von entsprechender Konkurrenz durchweg um einiges ab. Für diejenigen, die mehr erfahren wollen über Land und Leute, Kunst und Kultur, Geschichte und Gegenwart der jeweiligen Länder, stellen sie die auf dem Markt besten Begleiter für Studienreisen dar. Diese internationale Reihe für Kulturreisende erhielt bei den ITB-Buch-Awards 2005 als einzige der Kategorie „Klassische Reiseführer“ Höchstnoten für die Hintergrundinformationen „Natur, Kultur und Gesellschaft“.
Seit langem hält eigentlich der _Peter Meyer Verlag_ diese ITB-Auszeichnungen, zuletzt 2005 in „Anerkennung hervorragender publizistischer Leistungen“ mit dem Award „Beste Reiseführer-Reihen“ in der Kategorie Individualreiseführer. Diese Preise gelten als Gütesiegel auf dem Reiseführermarkt. Peter Meyer ist ein unabhängiger Verlag, der vor 30 Jahren in der Alternativszene entstand.
Gleich in drei Kategorien erhielt der _Michael Müller Verlag_ die begehrten Awards: Individualreiseführer, City Guides und „Griechische Inseln“. Der Verlag startete in den 70er Jahren, als der Markt von Kunst- und Kulturführern beherrscht wurde, die allerdings die Reiseorganisation selbst nicht berücksichtigten. Mittlerweile gehört Michael Müller unter den vielfältigen Individualreise-Buch-Verlagen zum Marktführer. In allen Titeln werden auch kleinere Sehenswürdigkeiten abseits vom touristischen Hauptstrom beachtet. Anschaulich bieten Übersichtskarten, Stadtpläne und Wanderskizzen die schnelle Orientierung mit allen relevanten Eckpunkten: Anfahrtswege, Entfernungen, Standorte von Museen, Hotels, Restaurants usw. Natürlich fehlt auch nicht die Hintergrundinformation zu Politik, Kultur und landespolitischen Themen. Das Programm umfasst vier Reihen in unterschiedlichen Formaten: Stadt, Region, Land und Tour-Guide.
Ebenfalls ideal für individuelle Entdecker sind die Titel von _Iwanowski`s Reisebuchverlag_. In allen Titeln stehen die Bedürfnisse der Individualreisenden im Vordergrund und mittlerweile sind die Bücher mit detaillierten Reisekarten zum Herausnehmen ausgestattet. Es liegen drei Programmreihen vor: die Reisebücher als ausführlichstes Segment, die Reisegast-Reihe mit Tipps zum Verständnis der jeweiligen Kultur und die erwähnten Reisekarten. Innerhalb dieser Reihen liegen aber auch Stadtführer, Insel- und Wanderführer vor.
30 Jahre ist es her, als sich alternativ reisende Globetrotter zusammentaten, um ihre Erfahrungen in aller Welt anderen Globetrottern zugänglich zu machen. 1984 entstand daraus der _Reise Know-how Verlag_, der, was persönliche Erfahrungen angeht, unverändert der führende Alternativ-Reise-Verlag geblieben ist, und das in einer unüberschaubaren Vielfalt zu allen Regionen dieser Erde. Es gibt die Reisehandbücher, die City-Guides, die Urlaubshandbücher, die etwas dünneren Reisehandbücher „kompakt“, Wohnmobil-Tourguides und auch eine Sachbuchreihe rund ums Reisen allgemein. Dies sind aber nur die eigentlichen Hauptreihen. Das Programm bietet darüber hinaus ist noch viel mehr. Eine sehr wichtige Reihe nennt sich „KulturSchock“ und informiert über die vielleicht doch sehr ungewohnten Denk- und Lebensweisen von Menschen anderer Länder. Ähnlich geartet sind die Reihe „Praxis-Ratgeber für Reisen“ und noch einige mehr. Die auffälligste Unterscheidung zu all den anderen Reisebuchverlagen liegt aber dann noch mal im Zusatzangebot. Im „World Mapping Project“ erscheinen weltweite Landkarten, mittlerweile superreiß- und wasserfest. Um sich verständlich zu machen, bieten die „Kauderwelsch“-Sprachprogramme in den Segmenten „Wort für Wort“ für das wichtigste, „Slang“ für das authentische Vokabular jenseits der sonstigen Fremdsprachenlehrgänge, „Dialekt“ die Sprache der einzelnen Regionen, aber auch „Deutsch für Ausländer“ ist vorhanden. Zu all diesen Reihen gibt es entsprechende Begleit-CDs oder auf CD-ROM auch alles zum digitalen Lernen am PC.
Fehlen darf in dieser Bestandsaufnahme keinesfalls der DuMont Reise Verlag, den sicherlich jeder kennt. Durch den Zusammenschluss des DuMont Reise Verlags mit dem Mairs Geographischer Verlag heißt das Programm neuerdings _MairDumont_, wobei als Reihe der mehr als eingeführte Name wirtschaftlich gesehen konsequent erhalten bleibt. Es gibt eine große Vielfalt verschiedener Programmreihen und insgesamt wohl mit das größte Titelangebot – im Vergleich zu anderen Verlagen – überhaupt. DuMont zeichnet sich selbstverständlich durch seine hohe Seriosität und vor allem Qualität aus.
Ganz wichtig und ein richtiger Klassiker ist auch _Polyglott_ bei Langenscheidt. „Polyglott on tour“ beispielsweise setzt in diesem Jahr neue Maßstäbe mit einer Flipmap, die in einem Etui vorne auf dem Reiseführer aufsitzt. Diese Mini-Karte hat eine patentierte Zick-Zack-Faltung und ist sehr einfach und praktisch, da klein genug, um in jeder Hosentasche Platz zu finden. Eine ganz neue Reihe ist „Polyglott go!“ für Strand-, Aktiv- und Wellness-Urlauber. Auch hier gibt es einen extra Atlasteil. Der schon im letzten Jahr gestartete „Polyglott mobile guide“ wurde weiter ausgebaut; dies sind keine Bücher, sondern regelmäßig aktualisierte Downloads direkt aufs Handy. Der damit erzielte Erfolg in den ersten zwölf Monaten hatte alle Erwartungen weit übertroffen. Bei den Sprachführern gibt es eine neue Reihe „Unzensiertes“ für Jugendliche mit Vokabular aus der Umgangssprache, die man normalerweise nicht erlernt, sodass man sich künftig nicht mehr blamiert in fremden Betten – Szeniges, Ehrliches und Scharfes. Slang, Schimpfwörter und Szeneausdrücke und das für hetero, gay und auch bi. Ein Thermometer zeigt den Schärfegrad der Ausdrücke an, weil ja nicht alles für die Ohren einer Gastfamilie geeignet ist.
Im _Bruckmann Verlag_ erscheint ein vielerlei gewohntes Buchangebot, das sich nicht sonderlich absetzt. Die Reihen umfassen einige interessante Einzeltitel mit Länderportraits, sind ansonsten vollkommen auf Outdoor, Trecking und Tourenführer ausgerichtet (Radführer, Wanderführer, Genusstouren, Auto- und Motorradtouren). Ähnlich gelagert ist der _J. Berg Verlag_ mit seinen Wander- und Freizeitführern, die allerdings vollkommen regional begrenzt sind und die bayrische Heimat erleben lassen. Der ähnlich firmierende und dadurch verwechselbare _Berg Verlag Rother_ hat sich ebenso auf Wanderbücher und Wanderziele spezialisiert, allerdings nicht in solch regional begrenzter Weise. Diese über 170 Titel zu den beliebtesten Regionen sind mit ihren sehr zuverlässigen Tourenvorschlägen mit Schwierigkeitsbewertung und einem Farbfoto zu jeder Wanderung sowie farbigem Wanderkärtchen im Maßstab 1 : 50000 sehr zu empfehlen. Zusätzlich gibt es Bildbände und diverse Multimedia.
Und solcherart Nischen sind weiteren Verlagen nicht fremd. Der auf Sport spezialisierte _Delius Klasing Verlag_ führt in seinem Wassersportprogramm unter dem Label „Maritime Reiseführer“ eine ganze Reihe Törnführer für die Reise mit dem privaten Schiff. Diese Führer sind ideal für Planung und Reise selbst, und liefern exakte Pläne und Beschreibungen von Häfen und Ankerbuchten sowie jede Menge Information für die Reisevorbereitung, zu Liegeplätzen, Ansteuerung und Versorgungsmöglichkeiten vor Ort.
Unzählige andere Nicht-Reisebuch-Verlage, die dennoch Reisenden programmatisch etwas zu bieten haben, wären natürlich in großer Zahl ebenso aufzuführen. Dies würde den thematischen Rahmen allerdings sprengen. Deswegen nur als Beispiel vielleicht der _Picus Verlag_, welcher eine sehr anspruchsvolle belletristische Reihe „Lesereisen und Reportagen“ mit umfangreicher Backlist anbietet. Ähnliches bietet seit langem sehr spezialisiert auch _Frederking & Thaler_, der _Peter Hammer Verlag_ und auch der _Malik Verlag_ (Piper). Über Landeskundliches informiert auch _C.H. Beck_.
Die Branche hat trotz Terrorismus oder Naturkatastrophen einen weiterhin hohen Stellenwert. Es wird heutzutage immer noch viel gereist, wenn auch wieder öfter in die heimatlichen Regionen – wo der Markt mittlerweile aber auch entsprechend bedient wird. Die Konkurrenz untereinander ist selbstverständlich groß und alle überlegen, wie sie direkt am Kunden bleiben können, und das geschieht vor allem über Service-Leistung. Da bietet sich das Internet an. Deswegen folgen nun am Ende die jeweiligen Internet-Adressen der vorgestellten Verlage. Es lohnt sich, da ein wenig zu stöbern und diejenigen Anbieter, die Foren, News und Aktuelles bieten, selber herauszufinden.
Der Wüstenplanet, Dune, Arrakis … viele Namen trägt der Planet, der zum Synonym für einen mehrere Tausend Seiten umfassenden Zyklus und ein Universum, das unzählige Leser beflügelte, wurde. Mit „Dune“ gelangte Frank Herbert zu Weltruhm. Längst nicht so bekannt wie der namensgebende erste Teil des Zyklus sind die übrigen fünf Bände.
|Der junge Paul Atreides reist mit seiner Familie nach Arrakis, um dort das Lehen des Imperators in Besitz zu nehmen. Doch seine Familie wird Opfer einer Verschwörung und er muss in die Wüste fliehen. Dort trifft er auf die Fremen, die Ureinwohner von Dune. Mit ihrer Hilfe gelingt es ihm, seine Familie zu rächen und die Kontrolle über Arrakis und damit über das bekannte Universum an sich zu reißen.|
Herbert lässt vor dem Auge des Lesers ein komplexe Gesellschaft erstehen, die unzählige Systeme umfasst. Ein vielschichtiges Geflecht herrschender Häuser, im ewigen Streit um die Macht untereinander und gegen die verschiedenen Geheimgesellschaften, Technokraten und die allgegenwärtige Gilde. Und inmitten dieser Gesellschaft befindet sich der Planet Arrakis. Der einzige Fundort der Wunderdroge, die einfach nur Gewürz genannt wird. Die lebensverlängernde Substanz, ohne die die Navigatoren der Gilde nicht durch den Warp navigieren können, machen Arrakis zum wichtigsten Planeten der Galaxis.
Obwohl „Dune“ natürlich zur klassischen SF-Literatur zählt, so zeigen sich bei genauerem Hinsehen doch viele Unterschiede. Auffällig für einen SF-Roman, aber eigentlich für den Zyklus nicht offensichtlich entscheidend, ist das Verbot aller sogenannter Denkmaschinen. Nachdem [Butlers Djihad 827 in fernster Vergangenheit durch die Galaxis fegte und alle Denkmaschinen vernichtet wurden, sind alle künstlichen Intelligenzen oder Forschungen in diese Richtung verboten. Die Antwort auf diesen Umstand besteht in der Ausbildung von Menschen mit besonderen psychischen Kräften. Ein Beispiel sind die Mentaten. Menschliche Computer, die mit Hilfe bestimmter Drogen komplexe Problemstellungen innerhalb kürzester Zeit zu lösen imstande sind.
Doch auch andere Dinge unterscheiden Herberts Werk von vielem, was andere SF-Autoren hervorgebracht haben. Herbert betreibt keine Extrapolation bestehender Trends oder Projektion irdischer Probleme in eine andere Welt. „Der Wüstenplanet“ ist vielleicht in dieser Hinsicht noch am ehesten verdaulich. Stellt er doch für den SF Fan noch am ehesten vertrautes Terrain dar. Ein Held in einer Extremsituation, der allen Widerständen zum Trotz das Unmögliche schafft. Manche haben Herbert die Fortsetzung seiner Geschichte übel genommen, doch dabei übersehen sie, dass Herbert den Wüstenplaneten nie als allein stehenden SF-Roman angelegt hatte.
In den folgenden Bänden führt Herbert mehr und mehr aus, was er (trotz des Umfangs) in „Dune“ nur andeuten konnte. Nach dem Tode des Propheten schwingt sein Sohn sich zum Gottkaiser auf. Längst nicht mehr in menschlicher Gestalt, regiert Leto II. für Jahrtausende sein Reich. Spätestens mit mit dem Tod des Gottkaisers wendet sich Herbert endgültig von zentralen Hauptpersonen ab. Zwar überleben frühe Hauptdarsteller als Klone und genetische Replikate über Jahrtausende, aber zunehmend werden sie zu Marionetten in einem Spiel der Mächte, in dem längst die Spieler die Kontrolle über ihr Spiel verloren haben.
Herbert fächert seine Geschichte in unzählige Facetten auf. Jahrtausende vergehen, ganze Planeten wandeln ihr Angesicht. Die Menschheit stürzt ins Chaos und erhebt sich wieder daraus. Manch einer verliert wohl irgendwo den Faden und wird von Herberts Vision erdrückt. So wird es für viele immer schwieriger, dem Autor zu folgen und die Ideen zu begreifen, die hier so umfangreich niedergelegt wurden. Anders als zum Beispiel bei der bekannten SF-Serie „Perry Rhodan“, ändern sich die Protagonisten dramatisch. Herbert beschreibt nicht die Abenteuer einer Person, Gruppe oder auch nur einer Gesellschaft. Nein, hier wird der totale Wandel gesellschaftlicher Strukturen über Jahrtausende und den bekannten Raum hinweg beschrieben. So ist Herberts eigentliche Hauptperson auch kein Mensch, sondern vielmehr die gesamte Menschheit in ihrer komplexen Struktur.
Sicher trifft dies nicht gerade den Geschmack der meisten SF-Fans. Wer in jungen Jahren zum ersten Mal den Wüstenplaneten liest, wird vermutlich irgendwo zwischen dem zweiten und dem fünften Band entnervt aufgeben. Wer dennoch bereit ist, sich darauf einzulassen, wird in dem gewaltigen Epos mehr finden als in jedem anderen SF-Roman. Vielleicht ist das der Grund, warum sich der Wüstenplanet auch Jahrzehnte nach seinem Erscheinen noch immer solcher Beliebtheit erfreut. Die Tiefe, die Herbert in seinen Romanen erreicht, wurde auf dem Gebiet der Phantastik nur noch von sehr Wenigen, wie zum Beispiel Tolkien, erreicht. Wer aber bereit ist, sich gefangen nehmen zu lassen von den Visionen des Autors, kann sich wohl völlig in der Welt von Dune verlieren.
Für alle, die nicht ganz so weit gehen wollen, sich aber trotzdem gerne zwischen MAFEA, Tleilaxu, Mentaten und Bene Gesserit bewegen möchten, sei eine kleine Empfehlung ausgesprochen. Es erscheinen im gleichen Verlag weitere Bücher aus der Welt von Dune. Herberts Sohn Brian hat zusammen mit dem rennomierten SF-Autor Kevin J. Anderson drei weitere Bände geschrieben. Keine Fortsetzungen des Zyklus, sondern vielmehr seine Vorgeschichte. Hier dreht es sich wieder um Intrigen und Machtkämpfe zwischen Häusern und Personen. Der Leser bewegt sich also auf sicherem Boden, kann aber trotzdem versichert sein, in den vollen Genus des „Dune-Feelings“ zu kommen. Neben den „frühen Chroniken“ gibt es vom gleichen Autorenpaar auch die Vorgeschichte zur Vorgeschichte, „Die Legende“, in drei Bänden.
_Johannes Heck_
|Diese Rezension wurde mit freundlicher Genehmigung unseres Partnermagazins [buchrezicenter.de]http://www.buchrezicenter.de/ veröffentlicht.|
Jugendbücher dürfen auch von Erwachsenen gelesen werden! Warum auch nicht, schließlich hat die ältere Generation ebenfalls einen Anspruch darauf, spannende Abenteuergeschichten goutieren zu dürfen, auch nach Verstreichen der eigenen Jugendzeit. Umso mehr, wenn es sich um ein Buch wie „Im Zeichen des Ypsilon“ handelt, in dem Dimitri Clou in einer wirklich bewegenden, wenngleich auch zunächst seltsam anmutenden Story verschiedene Einzelschicksale schildert, in die man sich auch als erwachsener Leser sehr gut hineinversetzen kann. Dabei verfolgt Clou bisweilen auch recht philosophische Ansätze und eröffnet unzählige Möglichkeiten, und das so lange, bis man sich schließlich selbst in der Gedankenwelt des Schriftstellers verloren hat und sich schließlich bei der so elementaren Frage nach dem Sinn des Lebens wiederfindet – und das auf eine Art und Weise, die wirklich jede Generation bewegt. Und damit habe ich einen Teil der Schlusszeilen bereits vorweggenommen …
_Der Autor:_
Dimitri Clou, 1959 in Aldenhoven geboren, studierte Philosophie, Germanistik und politische Wissenschaften und arbeitete nebenbei als Taxiunternehmer. Nach Abschluss seines Studiums führte er ein Globetrotterdasein in einem Rallyesport-Team, das den Weltmeistertitel erringen konnte. Seiner Familie zuliebe gab er sein Nomadenleben auf und gründete in Köln eine Kinderzeitschrift. 1992 wechselte er in die Fernsehbranche und arbeitete viele Jahre als Redakteur und Regisseur, Drehbuchautor und Produzent. Seit einigen Jahren ist er mit seiner eigenen Produktionsfirma selbstständig und wohnt mit seiner Familie in der Nähe von Köln. Zu seinen bisherigen Romanen gehört unter anderem „Das Quiz des Teufels“.
_Die Geschichte:_
Seit der Sache mit Coco hat sich der junge Finn Hasselblatt auf die Dächer und Dachböden der Stadt zurückgezogen, wo er seine Geheimnisse von der übrigen Welt am leichtesten fern halten kann. Damals gehörte er unter seinem Spitznamen „Silber“ einer Graffiti-Sprayer-Bande an und genoss unter den Freunden der Nacht einen fast schon legendären Ruf. Doch dann ist sein bester Freund auf tragische Weise ums Leben gekommen, woraufhin Finn sich vollkommen aus dem realen Leben entfernt hat und nun ein einsames aber auch sicheres Leben führt.
Eines Tages macht Finn jedoch eine seltsame Begegnung. Ein junges Mädchen wirft ihm eine versiegelte Flasche zu, erzählt ihm kurz von ihrem Schicksal und verschwindet alsbald wieder von der Bildfläche. Das Mädchen wurde von den geheimen Doktoren verfolgt, und als diese Wind davon bekommen, wo ihre Flasche hingekommen ist, ist Finn sie auch schon wieder los. Das Teil gerät schließlich in die Hände von Konstantin York, dem Leiter der nebulösen Kummerschule. Unerwartet geschehen weitere seltsame Dinge. Ein halb erfrorener Junge, der seinen Namen nicht mehr kennt, taucht aus dem Nichts auf, das Mädchem, das Finn auf dem Dach kennen gelernt hat, lässt sich mit York ein, und Finn besinnt sich irgendwann wieder seiner Vergangenheit und wird erneut unter dem Namen „Silber“ aktiv. Und über all dem thront ein rätselhaftes Amulett in der Form eines Ypsilon …
_Bewertung:_
Es dauert eine ganze Weile, bis man sich mit der Art und Weise, wie Clou die Charaktere vorstellt, vertraut gemacht hat. Mehr als die Hälfte der Zeit verwendet der Autor darauf, Rätsel aufzugeben, verschiedene Stränge miteinander zu verweben und noch mehr Rätsel aufzuwerfen. Damit einher geht allerdings auch die Gefahr, dass man irgendwann all die Details nicht mehr überblickt und anschließend beim Zusammensetzen des Puzzles so seine Probleme bekommt. Hinzu kommt der hohe philosophische Anteil, der hier die Basis für die eigentliche Handlung ist. In „Im Zeichen des Ypsilon“ geht es daher zum größten Teil darum, (lebens)wichtige Entscheidungen zu treffen, diese zu akzeptieren, ihre Folgen in Kauf zu nehmen und zugleich gar nicht weiter über eventuelle Alternativen nachzudenken. Dieses Leimotiv zieht sich quasi durch den gesamten Roman und ist eingepackt in eine abenteuerliche, spannende und teils sehr dramatische Geschichte, deren Charaktere keine echten Helden sondern sinnbildlich Menschen wie du und ich sind.
Schade ist eigentlich nur, dass es Clou zu Beginn ein wenig an Struktur fehlt, so stiftet er auf den ersten hundert Seiten einiges an Verwirrung. Welche Rolle spielt die Vergangenheit jetzt tatsächlich, wo es doch darum geht, zukunftsträchtige Entscheidungen zu treffen? Warum verfolgt Clou so manchen Ansatz nicht bis zum Ende, führt immer mehr Möglichkeiten kurz an, lässt sie aber im Endeffekt als sinnlos erscheinen? Und wieso verliert sich der Autor besonders am Ende in plakativen Metaphern und stellt so viele Dinge in Frage? Im Grunde genommen: Warum lässt er die Handlung nicht für sich sprechen und den philosophischen Teil in einem gesunden Maße daran teilhaben?
Das ist genau der Punkt, warum „Im Zeichen des Ypsilon“ ein wahrlich lesenswertes, aber in letzter Konsequenz nicht fabelhaftes Buch geworden ist. Clou stiftet manchmal einfach zu viel Chaos und misst gewissen Theorien und Metaphern zu viel Bedeutung bei – gerade für die junge Leserschaft. Dabei hat er doch wirklich sehr ausführlich die einzelnen Charaktere wunderbar eingeführt und der Geschichte Möglichkeiten gegeben, die man über mindestens die doppelte Seitenzahl sich hätte entwickeln lassen können. Hier verliert Dimitri Clou sich indes aber leider in seiner literarischen Genialität und behält am Ende nicht mehr den Blick fürs Wesentliche.
Der Autor beschreibt die verschiedenen Möglichkeiten seiner Charaktere und wirft immer wieder die Frage nach Entscheidungen auf – nur selber kommt er nicht immer auf den Punkt, drückt sich also quasi selbst um eine Entscheidung und widerlegt, wenn man so will, seine eigene These.
Dennoch, „Im Zeichen des Ypsilon“ ist ein verdammt interessantes und trotz der genannten Mängel richtig tolles Buch mit Tiefgang, dessen inhaltliche Ansätze Jung und Alt begeistern sollten. Bedingung dafür ist jedoch ein gewisses philosophisches Interesse, denn ohne dieses wird man schnell am erhöhten unterschwelligen Anspruch des Buches scheitern. Aber wenn man weiß, was man will, dann ist man hier definitiv an der richtigen Adresse!
Etwa auf halber Strecke zwischen der englischen Hauptinsel und dem kontinentalen Frankreich liegt dort, wo sich der Ärmelkanal zum Atlantik weitet, die Insel Guernsey. Zwar mit der britischen Krone verbunden aber politisch nicht Teil Großbritanniens, hat sich hier ein eigenwilliger Menschenschlag angesiedelt, der gern unter sich bleibt. Die Außenwelt erreichte Guernsey lange höchstens in Gestalt der Touristen, bis im Sommer 1940 nazideutsche Truppen die Insel stürmen.
Seit drei Jahre halten die Deutschen Guernsey nunmehr besetzt. Weiter ist die Eroberung der britischen Inseln allerdings nicht gediehen, denn das Kriegsglück begann sich gegen die Deutschen zu wenden. Auf Guernsey ist davon jedoch nichts zu spüren. Im Gegenteil: Hitler ist mehr denn je vom „Inselwahn“ besessen und lässt die Insel zur Festung gegen die Alliierten und zum Brückenkopf für eine Invasion Englands ausbauen. Tim Binding – Inselwahn weiterlesen →
Sir Vidiadhar Surajprasad Naipaul – einer der bedeutsamsten Englisch schreibenden Romanciers der Gegenwart. Umstritten, geschätzt, verachtet. Nun treibt sein Werk langsam dem Ende entgegen. Er weiß das, erkennt die Begleiterscheinungen des Alterns und will doch nicht zur Ruhe kommen. Es wäre für ihn ein Akt der Schwäche, sich einzureden, er habe nichts mehr zu tun, nun wo er dreiundsiebzig Jahre alt sei und Bestätigung erfahren habe. Bestätigung – einhergehend mit der verschwundenen Angst des Versagens – damit ist der Literaturnobelpreis gemeint, der dem indischstämmigen Autor 2001 verliehen wurde: „Für seine Werke, die hellhöriges Erzählen und unbestechliches Beobachten vereinen, und die uns zwingen, die Gegenwart verdrängter Geschichte zu sehen“, kommentierte die Königlich-Schwedische Akademie die Preisverleihung. In Naipauls nach seinen eigenen Worten letztem Roman „Magische Saat“ ist davon nur noch wenig zu spüren. Der Mensch hinter den Zeilen erinnert an einen alten, müden Wolf. Ein Zähnefletschen, immer noch in Auflehnung gegen die Zeit, ein Kratzen und Schnappen, gefangen gesetzt in einer ureigenen Misere, aus der es kein Entrinnen zu gibt – außer der eigenen Lebensmüdigkeit.
Es ist eine Begegnung mit einem alten Bekannten: Willie Chandran, die zerrissene Gestalt aus „Ein halbes Leben“. Nach seinem ruhelosen Aufbruch aus der beklemmenden Enge des indischen Subkontinents, seinen Irrwegen durch das befremdliche Nachkriegslondon und einem temporärem Verschnaufen von rund zwanzig Jahren in Afrika, flieht Chandran schließlich nach Westberlin. Seine Schwester Sarojini – ebenfalls vor den indischen Wurzeln geflohen – hat sich hier ein neues Leben aufgebaut, zusammengehalten von marxistischer Ideologie, Kulturkritik und Weltverbesserungsträumen. Während Willie immer wieder strauchelte, scheint sie in der Lage, frei zu stehen. Doch um ihre neue Identität zu wahren, muss die Schwester den Bruder in ihr eigenes Weltbild zwängen und drängt ihn schließlich in den Entschluss, Berlin, Europa, den Westen zu verlassen und nach Indien zurückzukehren, um sich dort einer Revolutionsbewegung der Untersten anzuschließen. Etwas für andere Menschen zu tun und sich wahren Idealen zu zuwenden. Gewappnet mit einem neuen Selbstwertgefühl und den Lehren Gandhis im Gepäck, kehrt Willie in seine einstige Heimat zurück – doch das Einzige, was ihm begegnet, ist abermals Fremdheit. Die Hoffnung, eigene Wurzeln und den richtigen Platz in der Welt zu finden, versinkt im Morast einer neuen Odyssee. Ziellos treibt der revolutionäre Widerstand durch den schwülen, indischen Dschungel, verfängt sich im Spannungsfeld zwischen indigener Tradition und postkolonialer Katerstimmung und geht schließlich in eigenen Trugbildern verloren zu Grunde.
Willie, selbst ohne Halt, begegnet in Form einzelner Rebellen diversen Facetten dieser hoffnungslosen, verlogenen Welt und wird in ihrem trüben Kielwasser fortgespült. Erst als er plötzlich zu einem Mord gedrängt wird, erkennt er, dass er dieser Welt entfliehen muss, will er nicht wie all die anderen Gescheiterten in ihr enden. Auf die Jahre im Dschungel folgen Jahre im Gefängnis. Denn als sich Willie der Polizei stellt, weiß er nicht, dass Kapitulation keinen Passierschein in die Freiheit garantiert. Doch mit dem Gefängnis kommt Zeit für Selbstreflexion, Willie findet Ruhe, ja, Normalität – und sogar Glück. Es ist ein alter Bekannter aus der Revolutionsbewegung, der Willies Leben schließlich wieder ins Trudeln bringt – es droht gar Hinrichtung – und erneut flieht Willie Chandran aus dem Land seiner Kindheit. Erneut wartet London und erneut gibt es nur Unruhe.
Als ein „Dahintreiben“ beschreibt Willie sein Leben. Gleiches gilt für das Buch selbst. „Magische Saat“ gleicht einer Irrfahrt und wirkt dabei nicht einmal trist, sondern eher ziellos, schleppend, fad: „It’s a calamity, it’s a great period of boredom and nothing happening and life being eaten away and mind being eaten away.“ Mit diesen Worten charakterisierte Naipaul das Dasein seines Protagonisten im September 2004 in einem BBC-Interview. Das ist Willie Chandran, das ist die „Magische Saat“ – ist das auch der Autor selbst? Streckenweise ist man stark versucht, „Magische Saat“ als ein letztes Durchdenken des eigenen Lebens, der eigenen Geschichte und der eigenen Umwelt zu lesen. Und als eine Art Abrechnung. Gerade wenn dieses letzte Buch den Schlussstrich unter Naipauls Werk ziehen soll. Im Zusammenspiel mit „Ein halbes Leben“ wäre es dann der Epilog einer ambivalenten, vielschichtigen Schriftstellerkarriere. Auch wenn diese zweite Hälfte, im Gegensatz zur ersten, einen staubigen und stumpfen Eindruck hinterlässt – kein „sauberes, kaltes Messer“ mehr, keine Perfektion.
Die Zähne des Wolfs sind längst nicht mehr schneidend scharf – auch wenn er immer noch versucht zu beißen –, dem Unvermeidlichen kann er nicht entgehen. Bei der Lektüre beschleicht einen dabei wiederholt das Gefühl, als schreibe hier die Erbitterung für sich selbst; der Leser wird stets auf Distanz gehalten, vermag die Botschaft nicht zu ergreifen, aber sehr wohl zu erahnen. Vielleicht ist Naipaul, der „Humanist der Moderne“, wirklich einmal politisch „inkorrekt“ gewesen, indem er gegen alles und jeden – Blumen, den Iran, Kinder, Multikulturalismus, Tony Blair – wetterte. Inzwischen wirkt er nur noch müde, aber zumindest immer noch ehrlich. Vielleicht ist mit der Angst vor dem Versagen auch das Verständnis für die Welt und das eigene Ich verschwunden. Was dann bleibt, sind Zweifel …
_Michel Bernhardt_
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Bei einem Einkaufsausflug kann die junge Maria ihren beiden Bewachern entkommen. Völlig orientierungslos läuft sie durch die Straßen und flüchtet sich in die Praxis einer ihr unbekannten Psychologin. Dort erzählt Maria einen Teil ihrer Lebensgeschichte. Mit 17 wurde ihr in ihrer Heimat Moldawien versprochen, dass sie in Deutschland als Aupairmädchen arbeiten könne. Doch zunächst wird Maria nach Jugoslawien verschleppt, wo sie Deutsch lernen muss und gefügig gemacht wird. Mehrere Männer vergewaltigen sie abwechselnd. Auch in Frankfurt arbeitet sie nicht als Aupairmädchen, sondern als Edelhure in einem geheimen Bordell, in welchem nur berühmte Männer verkehren, die in den höchsten Kreisen sitzen und als Politiker oder auch Anwalt bekannt sind.
Die Psychologin Verena Michel weiß sich keinen Rat und ruft noch spätabends bei ihrer besten Freundin Rita Hendriks an, von der sie sich Hilfe erhofft. Auch Rita ist entsetzt von der Geschichte, die Maria zu erzählen hat. Am nächsten Tag trifft sich Rita mit einem befreundeten Journalisten, der zur Zeit an einem Buch über das organisierte Verbrechen in Deutschland arbeitet. Dietmar Zaubel kennt sich aus in diesen Kreisen und verweist Rita an Hauptkommissarin Julia Durant. Doch leider erreicht Rita Hendriks telefonisch nur Julia Durants Kollegen und kann Julia lediglich eine Nachricht zukommen lassen. Bevor Rita sich mit Durant treffen kann, erhält sie Besuch von einem angeblichen Blumenboten, der sie zu Tode foltert, weil er Marias Aufenthaltsort erfahren möchte.
Am gleichen Tag findet man auch den Journalisten Zaubel ermordet auf. Da Julia Durant von Hendriks und Zaubels Bekanntschaft weiß, ahnt sie sofort eine Verbindung zwischen beiden Morden. Ritas letztes Telefonat führt die Polizei schließlich zu Verena und zu der verängstigten Maria. Julia Durant kümmert sich um Maria und besorgt ihr eine sichere Wohnung. Anschließend stellt sie sich dem Kampf gegen die organisierte Kriminalität, auch in dem Bewusstsein, dass sie diesen Kampf wohl nur verlieren kann, weil so hochrangige Persönlichkeiten darin verwickelt sind, dass keine Verfahren gegen sie eingeleitet werden können. Dennoch findet sich eine kleine Gruppe zusammen, die das geheime Bordell ausheben möchte. Um den Drahtziehern auf die Schliche zu kommen, macht Polizist Kullmer sich auf die Suche nach dem ominösen Marco Martini, von dem er angeblich 15 junge Frauen aus den Ostblockstaaten kaufen möchte. Das Spiel beginnt …
_Sodom und Gomorrha_
Andreas Franz fasst in seinem aktuellen Julia-Durant-Krimi ein heißes Eisen an, nämlich das organisierte Verbrechen, das sich hauptsächlich in den oberen Schichten der Gesellschaft abspielt und daher meist ungesühnt bleibt, weil immer jene Leute darin verwickelt sind, die alles vertuschen können. In seinem Roman zeichnet Franz ein düsteres Bild, das den Leser erschreckt und sicherlich auch erschrecken soll. Etwas paranoid beginnt man sich beim Lesen zu fragen, ob die Missstände in der heutigen Gesellschaft tatsächlich so groß sind und ob Macht und Ansehen wirklich reichen, um von Gefängnisstrafen verschont zu bleiben.
In der Person der Julia Durant bezieht Franz eindeutig Stellung zu diesem Thema und macht deutlich, dass es immer noch Menschen mit Idealen gibt, die nicht davor zurückschrecken, diesen aussichtslosen Kampf gegen die organisierte Kriminalität aufzunehmen. „Teuflische Versprechen“ zeigt, dass der Kampf zwar aussichtslos erscheint, aber die Mühen dennoch wert ist, auch wenn es vielleicht nur darum geht, ein Zeichen zu setzen. Inhaltlich gefällt „Teuflische Versprechen“ vom Grundkonzept daher sehr gut, an Düsternis und Hoffnungslosigkeit könnte der Krimi durchaus mit einem Mankellschen Roman konkurrieren, nicht jedoch, wenn es um die geschickte Inszenierung eines mitreißenden und ausgefeilten Plots geht. Hier offenbaren sich bei Andreas Franz einige Schwächen und Unstimmigkeiten.
So halte ich es für ziemlich unrealistisch, dass eine alleinstehende Frau sofort eine Wildfremde bei sich aufnimmt und gleich am ersten Abend sofort eine Vertrauensbasis zwischen den beiden Frauen zu spüren ist. Verena und Maria haben keine Scheu voreinander, entkleiden sich in Gegenwart der anderen Frau und bewundern gegenseitig ihre Figur, was ich doch etwas übertrieben finde. Auch dürfte so viel Hilfsbereitschaft, wie Verena Maria entgegenbringt, eher die ganz große Ausnahme sein. Aber hier setzt Franz dem Ganzen noch die Krone auf, als Rita Hendriks sich nämlich zu Tode foltern lässt, um nur nicht Marias Aufenthaltsort preiszugeben. Rita hat Maria nur ein einziges Mal getroffen und kennt sie kaum. Man kann wohl annehmen, kein normaler Mensch würde sich foltern lassen, um einen (fast) Unbekannten zu schützen.
Später inszenieren Julia Durant und ihre Kollegen schließlich eine Undercoveraktion, die mir wie eine ziemlich unüberlegte Hauruck-Aktion vorkommt; innerhalb weniger Tage wird ein Polizist in die Kreise des organisierten Verbrechens eingeschleust und hat sofort einen wasserdichten Lebenslauf parat, der jeglicher Überprüfung durch die Verbrecher standhält. Und obwohl bei dieser Aktion zahlreiche Menschen eingeweiht werden müssen, haben Durant und Co. so viel Glück, dass kein Verräter dabei ist (obwohl doch eigentlich überall die organisierten Kriminellen sitzen). Mir erscheint dies mehr als unwahrscheinlich, insbesondere vor dem Hintergrund der doch so ausweglos erscheinenden Situation. Auch das Buchende wirkt weichgespült, als hätte Andreas Franz den Mut verloren, seinem Kriminalfall ein angemessenes Ende zu verpassen.
Diese Unstimmigkeiten trüben den Gesamteindruck des Buches dann doch ein wenig, zumal gerade der Schluss nicht überzeugen kann.
_Krimihelden wie im Bilderbuch_
Auch die Figurenzeichnung macht einen schlichten Eindruck. Julia Durant erscheint zu perfekt, obwohl sie als alleinstehende und sich manchmal einsam fühlende Krimiheldin doch eigentlich recht realistisch wirken müsste. Aber auch hier relativiert Andreas Franz die negativen Seiten, fast als würde er seinen Lesern etwas anderes nicht zumuten wollen. So kommt Julia Durant mit einem pensionierten Pfarrer als Vater daher, der seine Tochter über alles liebt und der Meinung ist, dass Gott etwas ganz Besonderes mit seiner Tochter vorhat und sie daher aus gutem Grund Kriminalkommissarin geworden ist. Natürlich ist Julia Durant nicht einmal ansatzweise korrupt und umgibt sich auch nur mit vollkommen vertrauenswürdigen Kollegen, die sich ebenfalls ganz selbstlos in den Kampf gegen das organisierte Verbrechen stürzen. Am Ende greift Andreas Franz dann noch tiefer in die triefende Kitschecke und zerstört dadurch eigenhändig das vorher so düster beschriebene Bild.
Neben Julia lernen wir nur wenige Kollegen näher kennen, aber auch hier treffen wir nicht auf normale Alltagshelden, sondern auf Menschen, die selbst in großer Angst nie den Mut verlieren und immer den kühlen Überblick behalten. Die Klischees und Absonderlichkeiten setzen sich auch bei den anderen auftauchenden Personen fort, wie eben bei der völlig selbstlosen Rita Hendriks.
Leider wirken diese eindimensionalen Charaktere kein bisschen authentisch oder realistisch, sodass eine Identifikation nicht möglich wird und man sich auch nicht so recht in die Situationen einfühlen kann. Alles erscheint zu abstrus, als dass wir in die Geschichte eintauchen könnten.
_Pageturner par excellence_
Dem gegenüber muss man Andreas Franz zugute halten, dass er seine Leser dennoch fesseln kann. Besonders während der Einleitung der Undercoveraktion kann man das Buch kaum aus der Hand legen, weil die Ereignisse sich überschlagen und an mehreren Fronten gleichzeitig entscheidende Dinge passieren. Hier werden dann auch zwei Handlungsstränge zusammengeführt, sodass der Leser sich langsam ein klares Bild davon machen kann, was denn nun eigentlich vorgefallen ist und welche Verbrechen aufzudecken sind.
Andreas Franz‘ Schreibweise ist kurz und prägnant und trägt dadurch ebenfalls zum flüssigen Lesevergnügen bei. Der Roman ist kurzweilig und unterhaltsam, auch wenn sich die Unstimmigkeiten später immer mehr häufen.
Insgesamt bleibt ein mittelmäßiger Eindruck zurück. In Ansätzen gefällt „Teuflische Versprechen“ dabei wirklich gut. Anfangs zeichnet Andreas Franz ein düsteres Bild des organisierten Verbrechens und fesselt seine Leser durch die schrecklichen Dinge, die Maria hat erleiden müssen. Eigentlich hätte Franz daraus eine packende Geschichte schreiben können (müssen!), wenn er den Mut bewiesen hätte, nicht jede negative Seite durch positive Ereignisse zu relativieren. Ein weichgespültes Buchende passt so rein gar nicht in das Gesamtkonzept und wirkt ziemlich lieblos. Wäre dies nicht bereits der achte Krimi um Julia Durant und ihre Kollegen, würde ich behaupten, in der Figurenzeichnung wäre noch viel Raum für Weiterentwicklung, so allerdings empfinde ich diese eindimensionalen Charaktere als enttäuschend. Positiv fällt dagegen die flüssige Schreibweise auf, die dazu beiträgt, das Buch zu einem Pageturner zu machen.
Landkarten waren und sind mehr als simple Wegweiser. Um das in ihnen fixierte Wissen entbrannten früher regelrechte Kriege. Heute sind alte Karten wertvolle Dokumente und begehrtes Diebesgut, das oft viel zu nachlässig geschützt wird … – Ein nur scheinbar papiertrockenes Thema der Historie wird kundig und spannend erläutert. Leider lassen die Abbildungen zu wünschen übrig, und der Autor wird ein wenig esoterisch; trotzdem ein Lern- und Lesevergnügen. Miles Harvey – Gestohlene Welten. Eine Kriminalgeschichte der Kartographie weiterlesen →
Um den Heiligen Gral ranken sich vielen Geschichten. Alles Mythen und Legenden, die zu den vielfältigsten Spekulationen einladen. War der Heilige Gral der Kelch, aus dem Jesus beim letzten Abendmahl getrunken hat? Ist er ein greifbarer, real existierender sakraler Gegenstand oder verbirgt sich dahinter eine tiefere Symbolik, die für etwas ganz anderes steht? Ist der Heilige Gral gar der Stein der Weisen, der ewiges Leben und Glückseligkeit verspricht? Der Heilige Gral ist noch immer ein großes Rätsel, das auf seine Entschlüsselung wartet.
Dass dieser Themenkomplex mit seinen vielen offenen Fragen und Legenden einen ausgezeichneten Stoff für spannende Romane hergibt, wird sich spätestens seit dem durchschlagenden Erfolg von Dan Browns Verschwörungsthriller [„Sakrileg“ 184 herumgesprochen haben. Monatelang Platz 1 der Bestsellerlisten – das weckt vermutlich sowohl bei Autoren als auch bei Verlagen das Bedürfnis, Herrn Brown als Nummer 1 im lukrativen Verschwörungsthrillersektor zu beerben. Kein Wunder also, dass mittlerweile immer mehr Spannungsromane, die Historie, Mythos und Thriller verknüpfen, auf den Markt drängen.
So auch die Engländerin Kate Mosse, die mit ihrem Roman „Das verlorene Labyrinth“ ein vielversprechendes Debüt abgeliefert hat. Welche Hoffnungen man im Hause |Droemer| an dieses Werk hängt, zeigt nicht nur die liebevolle Aufmachung des Buches, sondern auch die aufwendig gestaltete und äußerst informative Website zum Buch: [http://www.das-verlorene-labyrinth.de.]http://www.das-verlorene-labyrinth.de
Alles beginnt damit, dass Alice Tanner, die aufgrund ihrer Freundschaft zu der Archäologin Shelagh O’Donnell für ein paar Tage an einer Ausgrabung im Languedoc mitarbeitet, einen spektakulären Fund macht. In einer versteckten Höhle findet sie zwei Skelette und einen steinernen Ring mit einer Labyrinthgravur. Das gleiche Labyrinth entdeckt sie in der Höhle auch als Wandmalerei. Alice hat gleich ein ungutes Gefühl dabei. Sie ahnt, dass sie etwas gefunden hat, das besser im Verborgenen geblieben wäre, doch dazu ist es nun zu spät.
Die Polizei riegelt die Ausgrabungsstätte ab, und als dann auch noch Paul Authié auftaucht und alles auf etwas ruppige Art in die Hand nimmt, so dass selbst der diensthabende Inspektor Noubel machtlos ist, ist sich Alice sicher, dass hinter der Höhle und dem Ring ein großes Geheimnis schlummert. Auf eigene Faust stellt sie ein paar Nachforschungen an und begibt sich damit in große Gefahr …
Dies ist nur die eine Hälfte der Geschichte. Im zweiten Erzählstrang betrachtet der Leser den gleichen Ort, aber zu einer anderen Zeit. Es ist das Jahr 1209, ein Jahr, nachdem Papst Innozenz III. zum Kreuzzug gegen die [Katharer]http://de.wikipedia.org/wiki/Katharer im Languedoc aufgerufen hat. Zu dieser Zeit lebt die junge Alaïs in Carcassonne. Sie ist die Tochter von Bertrand Pelletier, der als Intendant im Dienste von Vicomte Trencavel steht, der im Frühjahr 1209 mit letzter Kraft einen Angriff der Kreuzritter durch Verhandlungen abzuwenden versucht.
In dieser heiklen Situation wird Bertrand Pelletier an eine weitere Pflicht erinnert, auf die er vor Jahren einen Eid geschworen hat. Er hütet ein Buch mit fremdartigen Zeichen, dessen Geheimnis um jeden Preis gewahrt werden muss. Es ist eines von drei Büchern der Labyrinth-Trilogie. Als Pelletier zu befürchten hat, dass ihm seine Loyalität zu Vicomte Trencavel keine Gelegenheit geben wird, seine zweite Pflicht zu erfüllen, zieht er Alaïs ins Vertrauen. Für sie beginnt ein Leben voller Intrigen, Gewalt und Leidenschaft, und sie versucht standhaft, das ihr anvertraute Geheimnis zu bewahren, in dessen Kern sich alles um den [Heiligen Gral]http://de.wikipedia.org/wiki/Heiliger__Gral dreht …
Die Mischung, die ein grober Handlungsabriss von „Das verlorene Labyrinth“ offenbart, erscheint auf den ersten Blick recht vielversprechend und schon der Handlungsrahmen, den Kate Mosse als Grundlage ihres Romans nimmt, ist relativ komplex. Es erscheinen unheimlich viele Figuren auf die Bildfläche, und so braucht der Roman eine ganze Weile, bis die Atmosphäre sich so richtig entfaltet und die Bühne für das große Stück bereitet ist. Versteht sich von selbst, dass man für eine Geschichte, die in zwei so unterschiedlichen Epochen spielt und so viele Figuren und Ereignisse vereint, eine gewisse Aufbauphase benötigt. Doch auch die hat durchaus schon ihren Reiz, wenngleich sie nicht frei von Makel ist.
Mosse springt stetig zwischen den beiden Zeitebenen hin und her, wobei die Häufigkeit der Sprünge mit wachsender Seitenzahl zunimmt. Anfangs ist man noch geneigt zu vergessen, dass es noch einen anderen Erzählstrang gibt, wenn sich Mosse über hundert Seiten der Geschichte der jungen Alaïs widmet. Zum Ende hin gehen die Sprünge dann so schnell, dass man nägelkauend weiterblättert und vor Spannung fast platzt. Mosse baut die Spannung ganz langsam und kontinuierlich auf, ohne dass es zwischendurch langweilig wird, denn bis die Spannung so richtig prickelnd und unerträglich wird, bekommt man stückchenweise einen historischen Roman vorgesetzt, der durchaus zu unterhalten weiß.
Mosse legt ein recht großes Gewicht auf die Atmosphäre. Sie widmet sich ausgiebigen Beschreibungen des mittelalterlichen Lebens in [Carcassonne,]http://de.wikipedia.org/wiki/Carcassonne__%28Frankreich%29 stets Alaïs als Mittelpunkt der Handlung im Auge behaltend. Einzige Schwäche, die insbesondere im mittelalterlichen Handlungsstrang auffällt, ist die Figurenzeichnung. Je weniger Gewicht Mosse auf den Spannungsbogen legt, desto mehr Raum bleibt den Figuren, und was sie in diesem Punkt auftischt, mag hier und da einfach nicht so recht schmecken. Teilweise sind die Figuren einfach zu klischeehaft skizziert. So fehlt die Tiefe, und die Handelnden zu durchschauen, gelingt recht schnell.
Der Gipfel der Klischeehaftigkeit sind Alaïs und ihre ältere Schwester Oriane. Die beiden sind in ihrer Gegensätzlichkeit ganz plump schwarz-weiß gezeichnet. Alaïs ist die gutherzige, edle, mutige Tochter, die den Vater ehrt, aus Kräutern Tinkturen braut, um den Kranken zu helfen und sich nicht zu schade ist, sich auch mal unter das gemeine Volk zu mischen. Oriane ist das Gegenteil. Eine durchtriebene Schlange, die stets nur auf ihren eigenen Vorteil bedacht ist und sich beim Spinnen ihrer Intrigen ihrerseits nicht zu schade ist, dies auch mal auf Kosten der eigenen Familie zu tun.
So eine klischeehafte Gut/Böse-Skizzierung hätte vielleicht nicht unbedingt sein müssen. Sie bleibt in jedem Fall als unschöner Makel in einem ansonsten recht atmosphärisch und überzeugend inszenierten Mittelalterplot zurück. Die Spannung und Ungewissheit, die der Kreuzzug gegen die Katharer in das Leben in Carcassonne bringt, wird sehr schön greifbar. Mosses Beschreibungen sind sehr plastisch, ihr Stil hin und wieder ausschmückend, aber nicht hochtrabend. Alles in allem sehr flüssig lesbar, trotz Dialogen, die in einzelnen Worten hier und da mal auf Französisch und Okzitanisch wiedergegeben werden.
Während der mittelalterliche Handlungsstrang den Eindruck eines packend inszenierten historischen Romans vermittelt, setzt der Gegenwartsplot in erster Linie auf Thrillerelemente. Dass an Alices Leichenfund in der Höhle etwas merkwürdig ist, wird sofort klar, und so zieht Mosse in diesem Handlungsstrang den Spannungsbogen sinnigerweise gleich etwas straffer auf und heizt die Spannung durch immer wieder eingestreute Cliffhanger und Perspektivenwechsel an. Verfolgungen, anonym zugeschobene Hinweise und ein Mord – Mosse spickt die Thrillerhandlung mit allerhand spannungssteigernden Elementen. Alice fühlt sich verständlicherweise verfolgt, und die Suche nach der Wahrheit hinter dem Fund in der Höhle entwickelt sich mehr und mehr zu einem Katz-und-Maus-Spiel, bei dem Alice nicht weiß, wem sie vertrauen kann und wem nicht. So ein Stoff hat „Pageturner“-Potenzial.
Doch auch der Gegenwartsplot kommt nicht ganz ohne Schelte aus. Was die Freude trübt, ist der etwas überstrapazierte Faktor Zufall. Es passiert nicht nur einmal, dass man über die Art und Weise, wie Mosse Verknüpfungen zwischen den Figuren herstellt, die Stirn runzeln mag. Manche Zufälligkeiten erscheinen einfach zu groß, fast schon wie mit der Brechstange herbeigeführt, als dass die Konstruktion der Geschichte bis ins Detail überzeugen könnte.
All das ist in der Praxis allerdings schnell vergessen, wenn Mosse im letzten Buchdrittel die Spannungsschraube dann so richtig anzieht. Die Ereignisse beginnen sich zu überschlagen und man hat als Leser allerhand zu tun, alle Ereignisse auf die Schnelle zu sortieren. Dennoch bleibt der Roman trotz der zahlreichen Figuren und Handlungsebenen gut überschaubar. Gewisse Dinge erscheinen für den kritischen Betrachter obendrein nicht wirklich unvorhersehbar. Mich persönlich hat die Auflösung somit auch nicht wirklich überrascht, wenngleich das Ende hochgradig spannend ist und man kaum eine Chance hat, das Buch zur Seite zu legen. Etwas kitschig mutet dann allerdings der Epilog an, der dem Finale die Krone aufsetzt. Was Mosse hier an Kitsch aus der Kiste zaubert, hätte auf den letzten Seiten dann vielleicht doch nicht mehr sein müssen.
Was sicherlich zwiespältige Meinungen hervorrufen wird, sind die eingestreuten mystischen Elemente. Immer wieder hat Alice Visionen, immer wieder gehen ihr fremde Erinnerungen durch den Kopf. Mosse setzt bei ihren beiden Hauptfiguren sehr stark auf Gemeinsamkeiten, die über die Zeit hinweg bestehen und eine Zusammengehörigkeit andeuten, die darin gipfelt, dass am Ende in beiden Handlungssträngen der Showdown am gleichen Ort stattfindet. Gerade diese Erinnerungsfetzen und Visionen mit ihrem übersinnlichen Touch werden nicht jedem gefallen – mir auch nicht unbedingt. Bei einer Thematik, die sich im Kern aber ebenfalls um einen Mythos wie den Heiligen Gral dreht, kann man solche mystischen Elemente dennoch halbwegs verzeihen.
Bleibt am Ende ein etwas durchwachsener Eindruck zurück. Dan Brown wird durch seine debütierende Kollegin Kate Mosse ganz sicher nicht vom Sockel gestoßen. „Sakrileg“ bleibt innerhalb des Genres und gerade auch mit Blick auf die artverwandte Thematik unerreicht. „Das verlorene Labyrinth“ liest sich zwar durchweg spannend, kann einige Schwächen aber nicht verbergen.
Dennoch lässt einen die nervenaufreibende Spannung während der Lektüre einige Schwächen erst einmal im Geiste beiseite schieben. Die Mischung aus historischem Roman und modernem Mysterythriller ist temporeich und macht trotz der Schwächen die ganze Zeit über Spaß. Die Thematik rund um den Heiligen Gral ist sicherlich nicht die Neuerfindung des Rades, aber dennoch interessant genug, damit sich daraus lesefreundliche Unterhaltungslektüre wie „Das verlorene Labyrinth“ zaubern lässt. Bleibt zu hoffen, dass Kate Mosse die Schwachstellen ihres Debütromans für die Zukunft ausmerzt. Vielleicht kratzt sie dann ja etwas erfolgreicher am Denkmal des Genreaushängeschilds Dan Brown. Potenzial wäre noch da.
Eine Reise glich früher, d. h. von der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts bis in die Jahre vor dem II. Weltkriegm eher einem Karawanenzug als einer zeitlich begrenzten Abwesenheit vom Alltag. Dieser reiste stattdessen mit und wurde von stillen aber allgegenwärtigen Dienern und Zofen sorgfältig in große Schrankkoffer verpackt (und geschleppt), die folgerichtig Kleidung zum dreimaligen täglichen Wechsel, Sportartikel und Jagdwaffen für den Herrn sowie jene Accessoires enthielten, die eine Frau zur Dame adelten.
Denn die Form galt es zu wahren, wenn man – mehr oder weniger widerwillig – die traute Heimat verließ, um sich die kulturellen und kuriosen Errungenschaften der übrigen Menschheit anzuschauen. Schließlich war man wer, sonst hätte man sich diese Form des Reisens, bei der Zeit kaum eine Rolle spielte, ohnehin nicht leisten können. Stilvoll die Welt besichtigen zu können, das ließ man sich einiges kosten. Kein Wunder, dass sich eine Vielzahl hoch qualifizierter Reiseunternehmer und Dienstleute um die betuchte Klientel kümmerte. Marc Walter – Legendäre Reisen. Auf den großen Routen rund um die Welt weiterlesen →
„Der Flug des Drachen“ ist die direkte Fortsetzung des ersten Bandes der „Chroniken des schwarzen Mondes“, dem gemeinsamen Werk von François M. Froideval und Olivier Ledroit. Nachdem in [„Das Zeichen der Schatten“ 1625 zunächst die Charaktere einzeln vorgestellt und ihre speziellen Kräfte ausführlich erläutert wurden, nimmt die Geschichte um den jungen Wismerhill hier erst richtig ihren Lauf.
Nach der großen Schlacht, der zahlreiche Freunde, darunter auch sein Anführer Ghor-Ghor Bey, zum Opfer gefallen sind, ziehen Feidreiva, Pilou und Wismerhill weiter durch die Lande und gelangen dabei zunächst nach Feyhin Lockthat, in die Stadt der Spiele und Gladiatoren, wo sie nach erfolgreichem Kampf auf neue Gefährten stoßen. Fortan schließen sich ein mysteriöser Verschwiegener sowie der monströse Rise Goum samt seiner kleiner geratenen Zwillingsschwester dem Trupp an, und gemeinsam ziehen sie nach Magistrya, wo Wismerhill eine Audienz beim Magister fordert.
Dort wird er jedoch von diesem Magister und seiner Schergin Desdemona überrumpelt, doch als diese beiden Wismerhill die Lebensessenz aus dem Körper saugen wollen, werden seine bislang verborgenen Kräfte geweckt, und im Kampf besiegt er schließlich den Sukkubus Desdemona und tötet den Magister. Anschließend erfährt er, wo er das gesuchte Orakel finden wird und macht sich samt seinen neuen Gefährten, die inzwischen für einige Unruhe in der Stadt gesorgt haben, auf den Weg in das Tal der Drachen.
Währenddessen sind Frater Sinister und seine weißen Ritter zurück in die kaiserlichen Fste gelangt, um ihren Herrscher über den Verlauf der Schlacht zu unterrichten. Gleichzeitig schmiedet das Oberhaupt der Ritterschaft jedoch auch Intrigen, infolge derer der Kaiser vom Thron gestürzt werden soll. Und auch der Erzmagier Haazeel Thorn ist nicht untätig und verfolgt aufmerksam den Weg von Wismerhill, der ihm geradewegs in die Arme läuft …
„Der Flug des Drachen“ gefällt mir persönlich noch ein Stück besser als der erste Band, weil hier einzelne Andeutungen bereits klarer erläutert werden und die Rollen und Positionen der einzelnen Charaktere noch detaillierter beschrieben werden. Wo in „Das Zeichen der Schatten“ manche Einzelheiten noch vage dargestellt und offen gelassen wurden, wird hier vor allem die Motivation von Frater Sinister klarer, und auch den Erzmagier Haazeel Thorn und seine Beweggründe versteht man jetzt um einiges besser, auch wenn einige Äußerungen bzw. ihre möglichen Folgen weiterhin offen gelassen werden.
An der Handlung gibt es also rein gar nichts auszusetzen, auch wenn das Erzähltempo zur Mitte des Buches mal weider recht flott ist und wie auch schon zuvor diverse Punkte zeichnerisch und erzähltechnisch nur kurz angerissen werden, bevor der Weg von Wismerhill dann wieder in die nächste Runde geht. Bei den Nebencharakteren ist dieses Erzähltempo hingegen sehr förderlich, denn so behalten diese Unbekannten – und hier spreche ich vor allem von Haazeel Thorn und seinem Baron von Monk – ihre mysteriöse Ausstrahlung, was dem Buch zusätzliche Spannung verleiht.
Und auch die Zeichnungen sind wieder erstklassig und sehr farbenfroh, wobei die Elemente Eis und Feuer im zweiten Band eine übergeordnete Rolle spielen und von Froideval und Ledroit sehr gut illustriert wurden. Vor allem die Zeichnungen zur Schlacht zwischen dem Heer des Schwarzen Mondes und den weißen Rittern bzw. der Kampf des Drachen gegen seinen Kontrahenten Wismerhill, für welchen sich das Duo eine ganze Doppelseite Platz gelassen hat, sind wirklich mit genialen Zeichnungen bedacht worden. Aber überhaupt sind es speziell die größeren Bildausschnitte, die in diesem Band Eindrücke hinterlassen, die man so schnell nicht vergisst; so zum Beispiel auch die Darstellung des Dämonen auf der ersten Seite oder Wismerhills Begegnung mit der alten Stätte des Windkultes und ähnliche Momente.
Es gibt also wirklich eine Menge zu entdecken, und die Detailverliebtheit, die man hier oft erst mit dem zweiten Blick einfängt, ist wirklich schon Grund genug, sich mit den „Chroniken des Schwarzen Mondes“ auseinander zu setzen. Dass die Geschichte selbst im zweiten Band ebenfalls genial ist, wurde ja bereits erwähnt – keine Frage, diese Reihe ist bereits zu diesem frühen Zeitpunkt der Erzählung eine echtes Meisterwerk der modernen Comic-Kunst!
In Bridport, einem kleinen Ort im US-amerikanischen Staat Maine, nicht weit entfernt von der kanadischen Grenze, ist der erste Schnee des Jahres gefallen, als am Rande des dichten Waldes, der die Gemeinde umgibt, die Leiche einer jungen Frau entdeckt wird. Sie wurde fürchterlich zerfleischt und offensichtlich von einem Bären angefallen. Doch Detective Michael Calhoun von der Staatspolizei ist skeptisch, denn obwohl es in den Wäldern um Bridport tatsächlich Bären gibt, hat es mit ihnen noch niemals Ärger gegeben.
Madeleine Ross – so hieß die Tote – war erst vor wenigen Monaten mit ihrer zehnjährigen Tochter Freya aus England in die Vereinigten Staaten gekommen. Nach Bridport war sie offenbar auf den Spuren ihrer früh verstorbenen Mutter gereist, einer Indianerin vom Stamm der Souriquois, der hier seit jeher ansässig ist. Ihren Unterhalt hatte sie sich als Bedienung in einem Lokal und Helferin auf einer archäologischen Ausgrabung verdient: In Bridport stand einst Fort Winter, Anfang des 17. Jahrhunderts von den Franzosen erbaut und nach deren Rückzug von den Briten übernommen, eine der frühesten europäischen Siedlungen auf dem nordamerikanischen Kontinent.
So weit ist Detective Calhoun mit seinen Ermittlungen gekommen, als er etwas Interessantes herausfindet: Madeleine Ross hatte bis vor kurzem ein Verhältnis mit Innis Graham, dem Abkömmling einer im Holzgeschäft reich gewordenen, nun aber verarmten Bridporter Familie. Die Beziehung wurde offenbar im Streit und von Madeleine gelöst, während Graham die Trennung nicht hinnehmen wollte. Inzwischen ist im heimatlichen England Jessica, die ältere Schwester Madeleines, über deren Tod informiert worden. Sofort reist sie in die USA, um in Bridport Näheres über das Unglück in Erfahrung zu bringen und sich um ihre Nichte zu kümmern.
Ein weiterer archäologischer Fund sorgt hier derweil für eine Sensation: In einem Massengrab findet man die Überreste zahlreicher Siedler, die im 17. Jahrhundert offenbar von ihren indianischen Nachbarn massakriert wurden. Die Tragweite dieser Entdeckung ist enorm, denn die Souriquois haben gerade eine Klage gegen den Staat Maine angestrengt, der ihnen eine hohe Entschädigung für die Verfolgungen und Vertreibungen zahlen soll, denen sie durch die Siedler einst ausgesetzt waren. Sollten diese sich nun als eigentliche Opfer herausstellen, stünde es schlecht um die Chancen des Stammes, den Prozess zu gewinnen.
Detective Calhoun glaubt inzwischen nicht mehr daran, dass Madeleine Ross durch einen Bären zu Tode kam. Diese Vermutung wird zur Gewissheit, als die Leiterin der Ausgrabung einem Mordanschlag zum Opfer fällt. Während eines heftigen Schneesturms finden Calhoun und Jessica Ross unabhängig voneinander heraus, wer hinter den Morden steckt …
„Winter des Bären“ ist ein komplexes und mehrschichtiges Werk – ein sauber konstruierter Krimi mit einer ungewöhnlichen Auflösung; die Geschichte zweier höchst unterschiedlicher Schwestern, die nie miteinander ins Reine kommen können, bis es zu spät ist; ein Panorama des nur auf den ersten Blick idyllischen und hinterwäldlerischen Staates Maine und seiner Bewohner sowie ein historischer Abriss der weitgehend unbekannten, aber farbigen Vergangenheit Neuenglands, die auch dreieinhalb Jahrhunderte später nichts von ihrer Brisanz verloren hat.
Eine Menge hat sich der Autor also vorgenommen, und das Meiste gelingt ihm auch. Obwohl Paul Bryers in England geboren wurde und dort auch lebt, entwirft er ein einfühlsames Porträt des Staates Maine, der bisher dank seines prominentesten Bürgers, des Schriftstellers Stephen King, eher als Hort diverser Geister, Teufel und Untoter bekannt geworden ist.
Eine ganze Weile scheint es so, als wolle Bryers in dasselbe Horn stoßen, als er beginnt, in die Mythologie der indianischen Urbevölkerung einzutauchen. Glücklicherweise gerät er aber nie auf die Schiene jener heutzutage so beliebten, aber meist nur schwer verdaulichen Ethno-Thriller, deren um politische Korrektheit schwer ringende Autoren die in den Mittelpunkt der Handlung gerückten Minderheiten (ob es nun Indianer sind oder andere „edle Wilde“) als Gutmenschen und Bewahrer einer „besseren“, da näher am Busen der weisen Mutter Natur verbrachten Lebensart mit derselben dreisten Selbstverständlichkeit für sich vereinnahmen, mit der ihre Vorgänger diese einst als blutdürstige Unmenschen verteufelt haben.
Doch dann konzentriert sich Bryers glücklicherweise mehr auf einen Rückblick auf die frühe Siedlungsgeschichte Maines im 17. Jahrhundert. (Der Autor war Lehrer für Geschichte, er ehe zum Journalismus und zur Schriftstellerei wechselte.) Wer weiß heute schon, dass der Osten Nordamerikas zunächst nicht von den Briten, sondern den Franzosen (und in geringerem Umfang von den Niederländern) kolonisiert wurde, und dass um die Vorherrschaft in dieser Region anderthalb Jahrhundert erbittert gerungen wurde, bis sich der Konflikt im britisch-französischen Kolonialkrieg von 1754/55 bis 1763 entlud, der schließlich auf die Mutterländer und ihre Verbündeten übersprang und in Europa den Siebenjährigen Krieg (1756-1763) ausbrechen ließ. Erst der Friede von Paris (1763) brachte das Ende der französischen Vorherrschaft in Nordamerika. Bis zu diesem Zeitpunkt tobte im Osten der späteren USA und Kanadas ein schmutziger Guerilla-Krieg, den die verfeindeten Parteien größtenteils durch „Stellvertreter“ ausfechten ließen – die indianischen Ureinwohner, die für ihre Dienste mit Krankheiten, Alkoholismus, Landraub und Ausrottung „belohnt“ wurden. Diese traurige Tradition wurde später von den neuen amerikanischen Landesherren übernommen. Unter den Folgen leidet die Urbevölkerung bis heute, und obwohl es natürlich keine „Indianerkriege“ mehr gibt, blieben Spannungen zwischen den „alten“ und den „neuen“ Bewohnern Nordamerikas bis in die Gegenwart zurück. Die Illusion eines scheinbar harmonischen Miteinanders, das tatsächlich ein im besten Fall gleichgültiges Nebeneinander ist, bringt Bryers geschickt und wie beiläufig auf den Punkt.
Aus dem Gleis gerät der Roman nur, wenn Bryers die Geschichte von Madeleine und Jessica erzählt. Hier hat er die Handlung eindeutig überfrachtet; er führt sie immer wieder in Sackgassen, die sie nicht weiter bringen. „Winter des Bären“ basiert auf einer guten Ausgangsidee, die logisch entwickelt wird. Reflexionen über eine komplizierte Schwestern-Beziehung, die sich über die halbe Welt erstreckt, bis sie schließlich in Maine endet, stören den Rhythmus empfindlich. Das ist aber auch der einzige echte Einwand, der sich gegen dieses Buch (das im Übrigen auch noch von erfreulicher Kürze ist) erheben lässt.
Fünf Geschwister sehen sich in die Rolle unfreiwilliger Schatzhüter versetzt und müssen den Kampf um eine kostbare christliche Reliquie gegen Feinde aufnehmen, die vor Mord keineswegs zurückschrecken … – Thriller mit allzu deutlich aufgesetzten History-Mystery-Elementen. Die ‚überraschenden‘ Wendungen sind ein wenig zu zahlreich und unlogisch. Recht hausbacken aber solide geschrieben rumpelt das Werk einem mauen Finale entgegen. Robert Goddard – Bedenke, dass wir sterben müssen weiterlesen →
„Die Nacht der Skinwalkers“ ist ein wichtiger Roman in der Reihe der Hillerman-Ethno-Thriller, weil hier für die Zukunft wichtige Charaktere zum ersten Mal zusammenarbeiten und sich quasi für weitere Ermittlungen ‚beschnuppern‘. Die Rede ist von Joe Leaphorn, dem älteren Lieutenant, der in der gesamten Navajo-Reservation bereits einen fabelhaften Ruf genießt, und Jim Chee, einem in den eigenen Traditionen verhafteten Officer, der hier erste Bekanntschaften mit seinem baldigen Freund und Partner Leaphorn macht. Ergo handelt es sich bei „Die Nacht der Skinwalkers“ um einen älteren Roman von Tony Hillerman und demzufolge auch um eine Geschichte, bei der die Kultur der Navajo-Indianer noch weitaus mehr zum Tragen kommt als in den neueren Werken des Autors. Und deshalb ist auch „Die Nacht der Skinwalkers“ wiederum ein sehr empfehlenswerter Krimi, der, wie schon angemerkt, in der Hillerman-Serie eine Schlüsselrolle spielt.
_Story:_
Lieutenant Joe Leaphorn vermutet einen Racheakt, als sein junger Kollege Jim Chee eines Abends in seinem Wohnwagen fast ermordet wird. Drei Schüsse werden auf den Officer abgegeben, und nur durch eine günstige Vorahnung kann sich Chee vor dem Anschlag retten.
Die Navajo Tribal Police steht vor einem Rätsel. Zum einen hat sich Officer Chee nichts zu Schulden kommen lassen, warum man ihn hätte attackieren können, zum anderen passen diese seltsamen Ereignisse auch sehr gut in eine weitere Mordserie, bei der Menschen umgebracht wurden, für deren Mord es absolut kein Motiv gab. Drei Morde plus ein versuchter, das sind die kalten Fakten, und just in dem Moment, in dem man in Bistie jemanden gefunden hat, der eine ganze Menge mehr zu wissen scheint und sich sogar zu einem der Morde bekennt, findet man ebenjenen in seinem eigenen Haus ebenfalls tot auf.
Chee und Leaphorn finden keinen weiteren Anhaltspunkt, der sie auch nur irgendwie weiterbringen könnte. Alle Ermittlungen basieren auf haltlosen Vermutungen, und die Tatsache, dass die Art und Weise, wie man diese Leute umgebracht hat, recht unkonventionell ist, erschwert die Sache nur. Und dann ist ja gar nicht mal sicher, ob es überhaupt einen Zusammenhang zwischen den einzelnen Fällen gibt. Und welche Rolle spielt die Hexerei der so genannten Skinwalkers, der Leaphorn eher skeptisch gegenübersteht, an die Chee dafür umso mehr glaubt?
Chee und Leaphorn reisen im ganzen Reservat hin und her, holen sich Informationen von scheinbar wichtigen Personen, stellen jedoch alsbald fest, dass ihnen von diesen auch kaum jemand weiterhelfen kann. Die Sache scheint aussichtslos, und dabei sind die privaten Probleme der beiden auch stetig präsent. Bei Leaphorns Frau Emma liegt eine schwere Krankheit vor, bei der es sich möglicherweise um die alzheimerische handelt. Und Chee macht auf dem Gebiet der traditionellen Heilkunde, die er in den letzten Jahren erlernt hat, ebenfalls kaum Fortschritte bzw. bekommt keine Chance, sich hierin zu beweisen. Seltsamerweise soll es aber gerade seine erste Einladung zu einem traditionellen Heilgesang sein, bei der plötzlich Licht ins Dunkle kommt …
_Bewertung:_
Im Moment ärgere ich mich etwas, weil ich die Hillerman-Thriller nicht in chronologischer Reihenfolge lese (bedingt durch die erhältlichen Neuveröffentlichungen); das wäre im Endeffekt sicher sinnvoller, denn die persönlichen Beziehungen bzw. die Familienverhältnisse, wie sie in „Die Nacht der Skinwalkers“ vorliegen und zu diesem Zeitpunkt natürlich noch ungeklärt sind, werden in späteren Romanen immer wieder rückblickend angeschnitten und deren Lösung bekannt gegeben. Gut, das ist natürlich nur ein winziges Ärgernis, für das der Schriftsteller bzw. die hier vorliegende Geschichte ja gar nichts kann …
„Die Nacht der Skinwalkers“ ist nämlich wieder ein typischer und damit auch sehr lesenswerter Roman, bei dem die Navajo-Kultur erneut eine übergeordnete Rolle spielt – eben das ist ja seit jeher das Besondere an dieser Reihe. Und in diesem Fall sind es auch wieder traditionelle Gepflogenheiten, die bei der Ermittlung der zunächst nicht miteinander verbundenen Fälle entscheidend sind und dadurch nur noch mehr faszinieren.
Außerdem gelingt es Hillerman erneut sehr gut, einen großen Rahmen mit vielen Seitenhandlungen aufzuspannen, zunächst unzusammenhängende Geschehnisse darzustellen, sie dann am Ende aber doch wieder Stück für Stück dergestalt zusammenzufügen, dass es logischer gar nicht sein könnte. Spannung ist also wieder garantiert, nur dass es dieses Mal so ist, dass Hillerman sich außergewöhnlich lange Zeit lässt, um die Ereignisse miteinander zu verbinden. Das Buch hat gerade mal 205 Seiten und circa 30 Seiten vor Schluss fällt es immer noch sehr schwer, eine Schlussfolgerung zu ziehen oder auch nur zu ahnen, was und wer jetzt wirklich hinter den ungewöhnlichen Mordfällen steckt. Hatte ich jedoch zunächst noch Sorge, dass Hillerman es dieses Mal nicht mehr schaffen würde, rechtzeitig auf den Punkt zu kommen, hat mich der Großmeister des Ethno-Thrillers erneut eines Besseren belehrt und doch noch die Kurve bekommen.
Nicht zuletzt ist dieses Buch auch noch sehr wichtig, um die zwischenmenschliche Beziehung zwischen Chee und Leaphorn zu ergründen, die hier noch sehr stark auf gegenseitigen Zweifeln beruht, die ja auch in späteren Romanen manchmal nicht abreißen wollen. Durch diese Beziehung erfährt man nämlich auch eine ganze Menge über die einzelnen Charaktere und ihre Einstellungen, teilweise sogar mit Details, die einem nachträglich auch helfen, nachfolgend verfasste Bücher bzw. Schlüsselszenen besser zu verstehen. Daher zum Schluss nochmal meine Empfehlung an potenzielle Hillerman-Leser, die Bücher chronologisch zu lesen, denn sie gehören nunmal zusammen und bilden trotz der unterschiedlichen Themen eine große Serie. „Die Nacht der Skinwalkers“ jedenfalls ist – alles andere hätte mich verwundert – ein weiterer überragender Krimi aus dieser Reihe!
In den „Chroniken des schwarzen Mondes“ wird die Geschichte des jungen Wismerhill erzählt, der auszieht, um die große Fantasy-Welt Lhynn zu erkunden, Abenteuer zu erleben und schließlich seine Ausbildung zum Krieger zu durchleben. Die beiden Comic-Schöpfer François Marcela Froideval (Entwurf) und Olivier Ledroit (Zeichnungen) haben hier eine bislang zehnteilige Serie erschaffen (ab Band 6 führt Cyril Pontet die Zeichnungen fort), in der es einerseits um politische Machenschaften und die Gier nach Macht geht, andererseits aber auch um Freundschaft, Bündnisse und den Kampf um die Gerechtigkeit – eigentlich ja ganz normale Themen im Bereich der Fantasy, hier jedoch besonders gut dargestellt und von den Machern perfekt und farbenfroh inszeniert und illustriert.
„Das Zeichen der Schatten“ ist der erste Band dieser Serie, und wie so oft bei solchen Mehrteilern, dient dieser Part in erster Linie dazu, die einzelnen Charaktere und den Ort der Handlung vorzustellen. Froideval und Ledroit gehen jedoch hier schon über die bloße Einleitung hinaus und erläutern die Rolle des Orakels, stellen die einzelnen Fähigkeiten der Protagonisten mehr als ausführlich vor, lassen aber andererseits schon einige Handlungspunkte sehr offen, die sich dann in den nächsten Bänden klären sollen. Mehr dazu gibt es nun in einer Zusammenfassung der _Story:_
Eines Tages lernt der junge Ritter Wismerhill bei einer harmlosen Kaninchenjagd den mysteriösen Kämpfer Pilou kennen, der mit zwei seltsamen Schwerten kämpft, die jeweils das Gute und das Böse verkörpern. Gemeinsam gehen die beiden auf Streif- und Raubzüge, überfallen wehrlose Menschen und schlagen sich solcherart monatelang so durchs Leben. Gleichzeitig unterrichtet Piliu seinen jungen Gefährten in den verschiedenen Kampfkünsten. Dann jedoch treffen die beiden auf den übermächtigen Ghor-Ghor Bey und gelangen an ihre Grenzen. Der riesige Heeresführer nimmt die beiden alsbald gefangen; als er jedoch feststellt, dass vor allem Pilou über besondere Kräfte verfügt, wirbt er die beiden für seine gemeine Bande an. Pilou willigt ein, aber auch nur unter der Voraussetzung, dass Wismerhill ebenfalls aufgenommen wird.
Von nun an folgen sie in ergebener Treue ihrem neuen Herrscher und setzen ihre Raubzüge nun in größerem Rahmen fort – sehr zum Missfallen des Kaisers und seiner Armee der weißen Ritter. Der sieht in Ghor-Ghor Bey und seinen Helfershelfern die größte Gefahr für sein Reich und stellt daher eine riesige Armee auf, die gegen den Verbrecher in den Krieg ziehen soll.
Derweil erkennt Wismerhill immerfort neue Fähigkeiten an sich; es gelingt ihm, die Stimme des Windes zu entschlüsseln, aber auch geheime Angriffstechniken zu erlernen, die ihm bislang verborgen waren. Mehr als einmal kann er seinen Anführer so vor einem Hinterhalt bewahren. Als es jedoch zur finalen Schlacht mit den weißen Rittern des Kaisers mit ihrem Anführer Frater Sinister kommt, scheint Wismerhill machtlos und verloren. Doch zu diesem Zeitpunkt wusste er auch noch nichts von seinem Schicksal und der Gunst des allmächtigen Orakels.
_Bewertung:_
Ohne Zweifel verbirgt sich hinter „Die Chronik des schwarzen Mondes“ eine Serie mit ungeheurem Potenzial, denn allein schon nach dem ersten Band haben sich die beiden Autoren und Zeichner eine ganze Reihe Optionen für die Fortsetzung der Handlung offen gelassen, und dadurch, dass die Geschichte von wirklich vielen Charakteren beherrscht wird, eröffnen sich in jeglicher Hinsicht haufenweise Möglichkeiten, um die Abenteuer in der Fantasy-Welt Lhynn weiterzuerzählen. Das eigentliche Ziel, mit dem ersten Band für weitere Episoden Interesse zu wecken bzw. auf Anhieb zu begeistern, wurde vom Duo Froideval/Ledroit jedenfalls ganz klar erreicht.
Trotzdem geht es in „Das Zeichen der Schatten“ manchmal zu zügig voran. Das Bündnis zwischen Pilou und Wismerhill wird meines Erachtens zum Beispiel viel zu kurz dargestellt, und gerade auf den ersten zwanzig Seiten wird der Leser des Öfteren vor vollendete Tatsachen gestellt. Hier hätte man den Fokus nicht nur auf die wirklich gelungenen Zeichnungen, sondern auch vermehrt auf den Ablauf der Handlung legen sollen. Gerade in diesem Beispiel wird nur kurz erzählt, dass die beiden plötzlich dicke Freunde sind und irgendwann der Armee von Ghor-Ghor Bey beitreten. Einzelne Details wie zum Beispiel die Eigenschaften der beiden Schwerter Pilous werden fast komplett verschwiegen. Aber vielleicht kommt da ja in zukünftigen Bändern noch mehr – wer weiß?
Ansonsten ist der erste Teil dieser Serie wirklich sehr gut gelungen; das beginnt bei den tollen Zeichnungen, die einerseits eine recht düstere Atmosphäre verbreiten, dennoch ziemlich bunt geworden sind und trotz der konträren Ausstrahlung wunderbar miteinander harmonieren. Weiter geht der positive Eindruck mit den guten und keinesfalls plumpen Texten, die einerseits mystisch angehaucht, andererseits aber dennoch leicht verständlich und logisch aufgebaut sind. Und als Letztes ist natürlich die Handlung als solche zu loben. Wie schon angedeutet, verbirgt sich hier eine Menge Potenzial, nicht zuletzt, weil die einzelnen Figuren und ihre Charaktereigenschaften trotz ausführlicher Darstellung immer noch ein Mysterium darstellen, das es im weiteren Vwerlauf dieser Bücher zu ergründen gilt.
Kurzum: Froideval und Ledroit haben als Team ganze Arbeit geleistet und eine intelligente, spannende und exzellent illustrierte Geschichte erschaffen, die mit „Das Zeichen der Schatten“ wirklich toll eingeleitet wird. Ich bin gespannt auf die Fortsetzungen!
_Verlagsinformationen zu den Autoren:_
|François Marcela Froideval| wird 1958 geboren und beginnt bereits mit 15 Jahren zu schreiben. Er studiert Literatur und Jura und gehört Ende der Siebzigerjahre zu den ersten Spielern von Fantasy-Rollenspielen in Europa. Beim Spielehersteller |Jeux Descartes| machte er in kurzer Zeit die Karriere vom Berater für Role Playing Games zum Einkäufer und schließlich Direktor. Zur gleichen Zeit arbeitet er bei der Zeitschrift »Jeux et Stratégie«, in der regelmäßig von ihm gestaltete Spielszenarien erscheinen, und gründet das Magazin »Casus belli« sowie die »Fédération des jeux de simulations stratégiques et tactiques« (Gesellschaft strategischer und taktischer Simulationsspiele). 1982 geht er für vier Jahre in die USA, wo er als Assistent von TSR (Dungeons and Dragons™) Regelwerke für das AD&D-System entwirft. Bis 1989 übernimmt er den Vertrieb und die Umsetzung der TSR-Produkte in Frankreich. 1989 beginnt er mit dem ersten Band der »Chroniken des schwarzen Mondes« eine neue Karriere als einer der erfolgreichsten Fantasy-Szenaristen Frankreichs. Fünf Bände zeichnet Ledroit, die Serie wird seit Band 6 von Pontet fortgeführt. Er veröffentlicht bei allen wichtigen Comicverlagen Frankreichs, z. B. »666« bei |Glénat|, die »Chroniken« und »Fatum« bei |Dargaud|, »Mens Magna« bei |Soleil| und die Nebenserien zu den »Chroniken«, »Methraton« und »Harkanes« bei |Albin Michel| (Deutsch bei |Carlsen|). Daneben schreibt er auch für Computerspiele Szenarien, so für |Infogrames| zum Kultspiel »Drakkhen« und für Cyro die »Dragonlore«-Serie sowie das Spiel zu den »Chroniken«, »Black Moon Chronicles – Winds of War«.
|Olivier Ledroit| wird 1969 in Meaux geboren. Nach zwei Jahren Studium an der Hochschule für angewandte Künste in Duperrez fertigt er Illustrationen für Kartenspiel-Magazine. Die Begegnung mit Froideval führt zur Zusammenarbeit an Froidevals erster Comicserie „Die Chroniken des schwarzen Mondes“, von denen Ledroit fünf Bände zeichnet.
Vor zweieinhalb Jahren hat Umberto Alvarez seine Familie bei einem Zugunglück verloren. Er macht dafür die Northern Union Railroad und besonders ihren charismatischen aber skrupellosen Vorstandsvorsitzenden und Chef William Goheen verantwortlich. Der will seine Gesellschaft mit aller Macht an die Spitze bringen und schreckt dabei vor krummen Geschäften nicht zurück.
Mit seinen Anschuldigungen ist Alvarez vor Gericht gescheitert; sogar im Gefängnis hat er gesessen, ist ausgebrochen und seither auf der Flucht. In regelmäßigen Abständen verübt er Sabotageakte auf Güterzüge der Northern Union, die dem Image der Firma mächtigen Schaden zufügen. Die Sicherheitsleute der Bahn jagen Alvarez, und mit Peter Tyler tritt nun auch das National Transportation Safety Board, verantwortlich für die Sicherheit der US-amerikanischen Transportwege, auf den Plan.
Als der junge Genetiker David Astbury von Emilys verzweifelter Mutter um Hilfe gebeten wird, fliegt er mit einem Expeditionsteam in den undurchdringlichen Dschungel des Kongo. Bald stößt er auf Spuren grausamer Kämpfe und erkennt, dass die entscheidende Konfrontation mit dem monströsen Reptil nahe ist. Und schaudernd beginnt er Emilys Motive zu begreifen: Das Tier besitzt Fähigkeiten, die von unschätzbarem Wert für die Menschheit sind – gespeichert in seinem Erbgut. David muss es um jeden Preis vor seinem rachedurstigen Team schützen. Er wird dabei der Verlierer sein. Wenn nicht ein Wunder geschieht … (Verlagsinfo) Thomas Thiemeyer – Reptilia weiterlesen →
Ich hatte so meine Befürchtungen, was dieses Buch anbelangt, weil einfach schon zu viele Schriftsteller und Filmemacher die Weltmacht Amerika an den Pranger gestellt haben, sich dabei aber meistens Mittel bedienten, die man der Masse zum Fraß vorwerfen kann, die aber insgesamt betrachtet nur zur Unterhaltung (teils auch zur Belustigung), nicht aber zum Nachdenken anregen. Michael Moore ist da für mich das beste Beispiel. Der Typ macht in seinen Filmen alles nach derselben Masche, kassiert dafür fette Kohle und lacht sich im Endeffekt nicht weniger kaputt als die von ihm angeklagte ‚Marionette‘ George Bush. Glücklicherweise ist es in diesem Fall aber nicht die Intention des Autors, Fakten aufzulisten, um die amerikanische Regierung zu verurteilen. Stattdessen stellt Peter Bender verschiedene Eckpunkte aus der römischen Kaiserzeit und dem modernen Amerika nebeneinander und vergleicht sie, spart dabei aber seine Wertungen meistens aus – es sei denn, man liest ein wenig zwischen den Zeilen, dann wird man alsbald herausfinden, auf welcher Seite Bender politisch steht.
Aber was ist dann der Hintergrund dieses Buches? Indem Bender verschiedene bewegende Daten der antiken und neuen Zeitgschichte nebeneinander stellt und Paralellen zieht, schafft er es jedenfalls nicht immer, überzeugend darzustellen, warum die Amerikaner genau dieselben Strategien wie einst die Römer zur Machtergreifung gewählt haben, wieso die USA teilweise gleiche Fehler begeht, warum das römische Reich gescheitert ist und das amerikanische einen ähnlichen Verlauf nehmen könnte. Lediglich eines wird in der Gegenüberstellung der politischen Inhalte der beiden Weltmächte deutlich: beide sind bzw. waren in ihrem Vorgehen skrupel- und kompromisslos und haben sich kaum um die übrigen Nationen geschert. Und an den Stellen, an denen dies besonders prägnant geschildert wird, bezieht Bender dann auch Stellung und weckt das Interesse des Lesers.
Mehr ist „Weltmacht Amerika – Das neue Rom“ dann aber nicht abzugewinnen. Der Autor liefert nämlich in diesem Buch nichts anderes als ausführlicheren und spezifischen Geschichtsunterricht und leistet denen, die bei den Themenbereichen Karthago, Rom, Athen und Co. über ihren Schulheften eingeschlafen sind, noch einmal Nachhilfe. Gleiches gilt für denjenigen, dem manche Details der jüngeren Geschichte entgangen sind (was ich prinzipiell aber für kaum möglich halte, zumindst bei den hier veranschaulichten Inhalten der amerikanischen Weltpolitk). Aber was nützt das schon, wenn Zusammenhänge teilweise nur unbefriedigend erläutert und manche von Bender aufgestellten Theorien nicht immer so recht nachzuvollziehen sind. Das Problem ist phasenweise, dass der Autor zwar ziemlich in die Tiefe geht, durch seine zu trockene Erzählweise allerdings nicht immer zum Weiterlesen und -informieren anregt.
Dafür ist „Weltmacht Amerika – Das neue Rom“ jedoch gerade bei den Beschriebungen des alten Roms und seiner Geschichte ziemlich vollständig und detailliert. Wer jedoch in Geschichte ein bisschen aufgepasst hat und auch nur ein wenig Interese für diese Ära mitbringt, weiß über diesen Part der Historie ohnehin schon Bescheid – und alle anderen werden mit dem Buch ohnehin nicht so viel anfangen können.
Schade eigentlich, denn die Herangehensweise von Peter Bender ist prinzipiell nicht schlecht. Er versucht nicht zu belehren und auch nicht, wie es ja derzeit richtig im Trend ist, wahllos zu kritisieren. Wäre es ihm jetzt gelungen, die vielen Fakten besser und vor allem logischer miteinander zu verknüpfen (so wie zum Beispiel bei der Gegenüberstellung des zweiten punischen Krieges mit dem Zweiten Weltkrieg), dann würde ich dieses Buch jetzt in einem Päckchen zu Michael Moore senden, um ihm mal zu zeigen, wie man ein solches Unterfangen löst, ohne dabei krampfhaft massentauglich sein zu wollen. Weil Bender dies jedoch nur bedingt gelungen ist, werde ich mir das Porto wohl sparen können …
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