Vermutlich würde es uns geringfügig irritieren, wenn ein mehr als dreihundert Jahre alter Milliardär unsere Dienste als Privatschnüffler in Anspruch nähme, um dessen eigene Ermordung zu untersuchen – jemand hat ihm den Schädel mit einem Energieblaster weggepustet. Dass wir selbst gerade erst erschossen wurden, ließe die Situation dabei nicht gerade unkomplizierter erscheinen.
Was hier auf den ersten Blick ausgesprochen absurd wirkt, ist in einer gut vierhundert Jahre in der Zukunft liegenden Wirklichkeit weit weniger anormal, als man zunächst glauben möchte. In der Welt von Richard Morgans Debütroman „Das Unsterblichkeitsprogramm“ (Originaltitel: „Altered Carbon“, 2002) hat die Menschheit eine nahezu vollständige Kontrolle über Informationen und benutzt dieses Wissen unter anderem dazu, sämtliche Hirn-Inhalte zu extrahieren, zu speichern und bei Bedarf zurückzukopieren – in den meisten Fällen allerdings in einen anderen Menschenkörper. Diese sterblichen Hüllen sind daher auch zu |Sleeves| degradiert, sie werden getragen und gewechselt wie Anzüge, können gemietet, verkauft und eingelagert werden und haben zumeist höchstens nostalgischen und emotionalen Wert für den jeweiligen Träger.
Es ist Liebe auf den ersten Blick, als Arnie Cunningham, gerade 17 geworden, Christine begegnet – einem feuerrot-weiß lackierten, haifischflossengezierten Plymouth Fury des Baujahres 1958. In Libertyville, einem Städtchen im US-Staat Maine, ist Arnie, der intelligent aber keine Sportskanone ist sowie von heftiger Akne heimgesucht wird, der Prügelknabe seiner Highschool. Nur die Freundschaft zum baumlangen Football-Spieler Dennis Guilder verhindert, dass die Jugend von Libertyville den Außenseiter endgültig ausradiert.
Niemand weiß, dass Arnie hinter einer Maske aus Gleichmut sehr wohl seinen Groll nährt und Rachepläne schmiedet. Das macht sich Christine zunutze, die weniger ein Auto, sondern eine Metall gewordene und von einem bösen Geist beseelte Todesmaschine ist und sich als Instrument der Vergeltung anbietet, die Arnie in Libertyville üben will. Stephen King – Christine weiterlesen →
Das Leben hat sie gebeutelt: Joe „Biber“ Clarendon, den Hippie-Tischler, der zwanghaft Zahnstocher zerkaut; Pete Moore, den alkoholsüchtigen Autoverkäufer; Henry Devlin, den depressiven Psychiater, für den der Selbstmord bereits beschlossene Sache ist, und Gary „Jonesy“ Jones, den College-Dozenten, der sich gerade langsam von einem schweren Autounfall erholt. Seit einem Vierteljahrhundert kennen sie sich und haben sich niemals aus den Augen verloren. Ein unsichtbares Band verbindet sie – und das buchstäblich, denn das Quartett verfügt über gewisse hellseherische Kräfte.
Trotzdem waren Biber, Pete, Henry und Jonesy nur Waisenknaben gegen den Fünften im Bunde: Douglas Cavell, genannt „Duddits“, ihren geistig behinderten, telepathisch begabten Freund aus der Kleinstadt Derry im US-Bundesstaat Maine, Neuengland. Ihn hat das Quartett aus den Augen verloren. Stephen King – Duddits: Dreamcatcher weiterlesen →
Auf dem Kopf den Helm mit der 451, das Salamanderabzeichen am Ärmel und die Phönixplakette – dies sind die Merkmale von Guy Montags Feuerwehruniform. Montags Aufgabe besteht nicht darin, Brände zu löschen, sondern sie zu legen. Auf dem Rücken trägt er einen Flammenwerfer, gefüllt mit Kerosin. In Bradburys Welt vollstreckt die Feuerwehr eine staatlich legitimierte Bücherverbrennung: Fahrenheit 451 ist die Temperatur, bei der Papier brennt (233 Grad Celsius). Literatur ist verboten, wer Bücher besitzt, macht sich strafbar. Es gilt, „die kärglichen Reste der Kulturgeschichte auszutilgen“. Denunziationen lassen die Alarmglocken bei der Feuerwehr schrillen, das Haus wird ebenfalls eingeäschert, und der Delinquent erhält von einem mechanischen Hund mit Kanülenzunge eine kräftige Dosis Morphium injiziert.
Die Bücher wurden ersetzt durch Fernsehwände, auf denen interaktive hohlköpfige Soaps ablaufen -„Wozu etwas lernen, wenn es genügt, den Knopf zu drücken?“ Ansonsten amüsieren sich die Menschen in Turbinenautos, rasen mit aberwitziger Geschwindigkeit über die Autobahnen und wer zu langsam fährt, wird verhaftet. Selbstmorde sind an der Tagesordnung. Es gibt ein eigens dafür eingerichteten Express-Service, der mit Magen- und Blutpumpe anrückt und die Lebensmüden reanimiert. Das Familienleben existiert als solches nicht mehr. Kinder befördert man ins Fernsehzimmer und knipst an. „Es ist wie mit der Wäsche, man stopft sie in die Maschine und knallt den Deckel zu“.
Eines Tages trifft Montag die junge Clarisse, die nicht zu den normalen Menschen gehört, sondern zu jenen, die nicht nur wissen wollen „wie etwas gemacht wird, sondern warum“ und merkt in den Gesprächen mit ihr, wie unzufrieden und unglücklich er ist. „Er trug sein Glück wie eine Maske, und das Mädchen war damit davongelaufen; es bestand keine Möglichkeit, bei ihr anzuklopfen und die Maske zurückzufordern“. Doch die Begegnung ist von kurzer Dauer. Als man sie eines Tages verschwinden lässt, holt Montag die bei seinen Einsätzen heimlich gesammelten Bücher hervor und versucht damit die Wand zu seiner Frau und die Eintönigkeit seiner Ehe zu durchbrechen. Doch es geht um viel mehr. Er sieht die Bücher als einzigen Ausweg „aus dem Dunkel“, als einziges Mittel „zu verhindern, daß wir immer wieder dieselben unsinnigen Fehler machen.“ In den Büchern sucht er ein Mittel, einen Weg, der scheinbar unaufhaltsamen Annäherung an den Abgrund entgegenzusteuern. Seine Frau, das „Haar von Chemikalien zu sprödem Stroh zerfressen“, der Leib von Abmagerungskuren ausgemergelt und „das Fleisch weiß wie Kochspeck“, reagiert mit Befremden und Abscheu auf seine Rezitationen. Nur in dem ehemaligen Literaturprofessor Faber findet Montag einen Verbündeten, der ihn ermutigt und im Widerstand gegen seinen Vorgesetzten Hauptmann Beatty unterstützt. Einerseits bemerkenswert intellektuell und offenkundig belesen, andererseits ein fanatischer Inquisitor, entwickelt sich Beatty zu Montags entschiedenstem Gegenspieler und Feind. Als Montags eigene Frau ihn bei der Feuerwehr anzeigt und er sein Haus niederbrennen muss, hetzt Beatty den mechanischen Hund auf ihn und die Situation eskaliert. Montag muss flüchten und schließt sich einer Gruppe von Intellektuellen an, die in der Wildnis leben und durch das Auswendiglernen von Büchern das Wissen der Menschheit bewahren.
Vielleicht am falschesten verstanden wird die Rolle der Clarisse, vermutlich durch Truffauts Verfilmung des Romans. Clarisse Rolle im Buch ist kurz, sie dient nur als Katalysator, der Montags ohnehin schon schwelendes Umdenken beschleunigt. Faber, der ehemalige Literaturprofessor, unterstützt diesen Wandlungsprozeß. Hauptmann Beatty aber ist derjenige, der ihn bestätigt, indirekt vollendet und damit ist er eigentlich die wichtigste Figur des Romans. Bemerkenswert ist, dass Bradbury ähnlich wie Huxley die Wurzeln seiner Dystopie nicht in Verordnungen oder Zensur bettet, sondern in freiwilliger Lust an der Verdummung. 1953 von Bradbury publiziert, ist Fahrenheit 451 von beeindruckender visionärer Kraft. Die Dekadenz des Fernsehzeitalters, der parallele Verfall der Kultur und die hingebungsvolle Hinwendung zur Blödheit, die sich heute in den Bestsellerlisten und Reality-Soaps widerspiegelt und sicherlich noch krassere Ausdrucksformen finden wird, all das findet man in Bradburys düsterer Welt vorweggenommen.
Fahrenheit 451: ein Meisterwerk!
Ray Bradbury wurde am 22. August 1920 in Waukegan, Illinois geboren. Er besuchte die Schulen in Waukegan, Illinois, und später in Los Angeles, California. Seine schriftstellerische Karriere begann Bradbury 1940 als Zeitungsjunge in Los Angeles. 1943 fing er an, ganztägig zu schreiben, und seit damals hat er mehr als 500 Arbeiten – Romane, Kurzgeschichten, Spiele, Drehbücher, Fernsehspiele und Poesie – veröffentlicht. Als Drehbuchautor ist er durch Werke wie John Huston´s Film |Moby Dick| und François Truffaut´s |Fahrenheit 451| (wo er die Romanvorlage lieferte) bekannt. |Fahrenheit 451| ist auch der Titel, mit dem die meisten Leser den Autor in Verbindung bringen. Von den meisten zeitgenössischen Schriftstellerkollegen der Science-Fiction unterschied er sich deutlich durch das hartnäckige Ignorieren der „Science“. Bei Bradbury spielte der technologische Hintergrund immer eine untergeordente Rolle, menschliche Aspekte stehen in seinen Büchern im im Vordergrund.
Ray Bradbury gewann eine Vielzahl von Preisen für seine schriftstellerische Arbeit, zum Beispiel die |National Book Foundation Medal for Distinguished Contribution to American Letters|, 2000; zwei |O. Henry Memorial Awards|, 1947 und 1948; den |Master Nebula Award|, 1988; den |Benjamin Franklin Award|, 1954 oder den |World Fantasy Award|, 1977.
_Jim Melzig_
|Diese Rezension wurde mit freundlicher Unterstützung und Genehmigung unseres Partnermagazins [X-Zine]http://www.x-zine.de/ veröffentlicht.|
Am Nordpol ist ein russischer Spionagesatellit abgestürzt, den neugierige Meteorologen geborgen haben. Sowohl die Sowjets als auch die US-Amerikaner wollen den Film aus dem Satelliten, der den Standort diverser westlicher Raketenstützpunkte verrät. Ein „Maulwurf“ sabotiert erst die Station und später das U-Boot der Retter, um diese so lange aufzuhalten, bis ein sowjetisches Geheimdienstteam eintrifft … – Abenteuergarn aus der Hochzeit des Kalten Kriegs, sauber geplottet, schnörkellos erzählt, sehr spannend dank der eindrucksvollen Polar-Kulisse, in der sich einfach gezeichnete, aber einprägsame Charaktere ein schwer durchschaubares Katz-und-Maus-Spiel liefern: zweifellos zu Recht ein Klassiker seines Genres. Alistair MacLean – Eisstation Zebra weiterlesen →
Weiterhin ziehen Revolvermann Roland von Gilead und seine Gefährten dem Dunklen Turm entgegen, der Zentrum und Stütze des Universums darstellt. In der Mittwelt – Ort der Handlung – tun sich Dimensionsportale, Zeitfallen u. a. Hindernisse auf. Zusätzlich aufgehalten wird die Gruppe von den Bewohnern eines Grenzdorfes, das von einer Horde maskierter Finsterlinge belagert wird. Gemeinsam nimmt man den Kampf gegen eine gewaltige Übermacht auf … – Der fünfte Band der „Dark-Tower“-Serie ist ein Episoden-Epos mit enormen Längen, das Substanz durch Geschwätz, nur vorgeblich geheimnisvolle Andeutungen und das Recycling früheren King-Werken ersetzt. Zwar gelingen dem Verfasser durchaus fesselnde Szenen, die aber durch generellen Leerlauf entwertet werden: ein Buch für jene, die wissen wollen, wie‘s weitergeht.Stephen King: Wolfsmond (Der Dunkle Turm 5) weiterlesen →
Das Buch – und zugleich der erste Roman „Rocannons Welt“ – beginnt mit einer wunderschönen Geschichte, einer Kombination aus „Science-Fiction im eigentlichen Sinne samt ihren traditionellen Requisiten […] und einem von poetischer Nostalgie durchdrungenen Kunstmärchen, einer Fantasy mit ihren Mythen und Legenden, in ihrem sagenhaften Raum […] und ihrer ebenso sagenhaften Zeit“: Die junge, schöne Semley von Hallan sucht in dieser Geschichte ein wertvolles Geschmeide, welches ihrem Geschlecht einst verloren ging. Dazu muss sie vom Planeten Fomalhaut, auf dem ihre Rasse ein mittelalterliches Leben voller Kämpfe und Schwierigkeiten führt, zu dem acht Lichtjahre entfernten New South Georgia fliegen, wo die Kostbarkeit in einem Museum ausgestellt wird.
Ein erfahrener Streifenpolizist lehrt einen jungen Kollegen Tricks und Kniffe, die im Großstadt-Dschungel von New York überlebenswichtig sind. Wo Brutalität und Widerstand gegen die Staatsgewalt an der Tagesordnung sind, heißt es sonst: „Signal 32“ – Polizeibeamter in Gefahr … – Früher „Police-Procedural“-Krimi, der quasi dokumentarisch unsere Freunde und Helfer bei der Arbeit beobachtet. Die präzise Wiedergabe alltäglicher kriminalistischer Arbeit leidet unter moralinsaurer Verlogenheit und Rassismen: heute eher entlarvend interessant als unterhaltsam. MacKinlay Kantor – Signal 32 weiterlesen →
Im März 1943 gelingt es deutschen Widerstandskämpfern, Adolf Hitler, Diktator des „Dritten Reiches“, zu töten, als dieser von der russischen Kriegsfront in sein geheimes Hauptquartier, die „Wolfsschanze“, fliegt. Reichsleiter Martin Bormann, skrupelloser Drahtzieher im Schatten seines „Führers“, kann das Attentat, das dem Nazi-Regime ein Ende bereiten würde, geheim halten. Vor Jahren hat er bereits ein Hitler-Double ausgebildet. Der ehemalige Schauspieler Heinz Kuby beherrscht die Rolle seines Lebens perfekt. Nun soll er den Krieg als Marionette Bormanns fortsetzen. Aber Kuby hat nicht nur Hitlers Aussehen und Auftreten, sondern auch seinen Größenwahn übernommen. Bormann steckt in der Klemme, denn er kann auf Kuby nicht verzichten.
Die Alliierten planen einen gewagten Agenteneinsatz gegen das Reich. Ein sorgfältig präparierter ‚Überläufer‘ wird in die „Wolfsschanze“ eingeschleust: Ian Lindsay ist ein Neffe des Herzogs von Dunkeith. Hitler hat ihn vor dem Krieg persönlich kennen und schätzen gelernt. Lindsay soll dem „Führer“ ein geheimes Friedensangebot unterbreiten. Hitler, dem wegen der deutschen Schwierigkeiten an der Ostfront eine Ruhepause im Westen sehr gelegen käme, müsste eigentlich anbeißen, doch Hitler ist nun Kuby, der Lindsay nie getroffen hat … Colin Forbes – Das Double weiterlesen →
Im Jahre 79 n. Chr. steht der Vulkan Vesuv kurz vor einem Ausbruch. Warnungen werden ignoriert, Gegenmaßnahmen kommen zu spät; die antike Welt geht zumindest am Golf von Neapel unter … – Mischung aus Historien- und Katastrophenroman, in beiden Bereichen sorgfältig recherchiert, angenehm sachlich und doch stimmungsvoll geschrieben: keineswegs das von der Werbung behauptete Literaturereignis aber eine spannende, lesenswerte Geschichte. Robert Harris – Pompeji weiterlesen →
Mitsuo Ando, Pathologe am Gerichtsmedizinischen Institut der Präfektur Tokio, ist ein gebrochener Mann. Vor fünfzehn Monaten war er im Urlaub unachtsam; sein dreijähriger Sohn Takamori ist durch seine Schuld im Meer ertrunken. Die Gattin gab ihm die Schuld, die Ehe ist zerbrochen.
Nur die Arbeit gibt Ando Halt. Er bekommt mehr Ablenkung als ihm lieb ist, als auf seinem Seziertisch ausgerechnet ein Kollege, Studienkollege und Freund landet: Ryuji Takahama, genialer Mediziner, Mathematiker und Philosoph wurde von seiner jungen Lebensgefährtin Mai Takano tot in der Wohnung aufgefunden – gestorben offenbar an einem Herzinfarkt.
Die jüdische Gemeinde in Prag wird 1601 von der katholischen Kirche und Kaiser Rudolf II. bedroht. In ihrer Not erschaffen sich die Juden aus Lehm einen Golem, der sie beschützen soll. Der künstliche Mensch entwickelt Geist und Gefühle, die von einer jungen Frau erwidert werden … – Historischer Roman, der die Golem-Sage um den Rabbi Löw variiert. Die Verfasserin erzählt mit Schwung und angenehmer ironischer Distanz diese Geschichte, ohne sich in der bloßen Rekonstruktion der frühneuzeitlichen Welt zu verlieren. Der historischen Handlung eingeflochten wird eine Liebesgeschichte, die allerdings diese Tugenden vernachlässigt und in Herz-Schmerz-Klischees abrutscht, was den ansonsten positiven Eindruck verwässert. Frances Sherwood – Die Schneiderin von Prag oder Das Buch des Glanzes weiterlesen →
Die surreale Jagd des Revolvermanns Roland von Gilead auf den Mann in Schwarz und seine Suche nach dem „Dunklen Turm“ durch die westernähnliche Mitt-Welt begann bereits im Jahre 1982.
Stephen King spukten die Ideen zu seinem selbsterklärten Lieblingswerk schon seit seiner Jugend im Kopf herum. Man kann an der Serie, die alle 5-6 Jahre fortgesetzt wurde, auch gut stilistische Veränderungen Kings erkennen. Verglichen mit dem noch unausgegorenen ersten Band, in dem mit Roland eine der eindrucksvollsten Romanfiguren Kings entstand, ist der 5. Band „Wolfsmond“ („Wolves of the Calla“) bereits ein Brilliant. Die abschließenden zwei Bände werden im Sommer bzw. Herbst 2004 erscheinen.
Reinkarnation – Gab es ein Leben vor dem Leben? Die eine Gruppe von Wissenschaftlern legt Beweise dafür vor, die andere Gruppe widerlegt sie. Die Meinung darüber ist geteilt. In vielen Religionen bildet die Reinkarnation einen wichtigen Bestandteil des Glaubens.
In Barbara Erskines Debüt „Die Herrin von Hay“ lässt sich eine junge Jounalistin für einen Artikel durch Hypnose in die Vergangenheit zurückversetzen, genau wie viele Ärzte das heute mit ihren Patienten machen, um die Ursachen von Psychosen und anderen Krankheiten aufdecken und heilen zu können. Dabei ist es vorgekommen, dass die Hypnotisierten von einer Zeit vor ihrer Geburt erzählen, fremde Sprachen perfekt beherrschen, die sie vorher noch nicht konnten. Alles Humbug? Wie auch immer, „Die Herrin von Hay“ macht sich diese Berichte zunutze, um eine gelungene Story rund um die Seelenwiedergeburt zu erzählen.
Erskine, 1944 geboren, hat ihren Abschluss in mittelalterlicher schottischer Geschichte an der Universität von Edinburgh gemacht und schrieb mittlerweile Bestseller wie „Die Tochter des Phönix“, „Der Fluch von Belheddon Hall“ und recht neu „Das Lied der alten Steine“.
Joanna Clifford ist 19 Jahre alt, als sie sich im Rahmen klinischer Therapieversuche einer Regressionshypnose unterzieht und sie erfolgreich in die Vergangenheit zurückgeführt wird. Doch schon nach kurzer Zeit setzt ihre Atmung aus, denn ein furchtbares Erlebnis bewirkt einen Schock und der Arzt Dr. Sam Franklyn sowie der Wissenschaftler Professor Cohen können sie nur mühsam wieder zurückholen. Vorsichtshalber löschen sie bei der jungen Frau die Erinnerung an dieses Erlebnis.
26 Jahre später ist Jo eine knallharte, bissige Journalistin, mit Sam Franklyn immer noch befreundet, von dessen Bruder Nick frisch getrennt und davon überzeugt, Hypnose funktioniere nicht bei ihr. Aus dem Grund nimmt sie ihren neuen Auftrag auch gerne an: Reinkarnationstherapie. Sie will beweisen, dass alles ein Schwindel ist. Als Nick davon erfährt, verständigt er seinen Bruder und versucht sie davon abzuhalten, was nur dazu führt, dass Jo sich schließlich selbst hypnotisieren lässt und sich als Matilda de Braose im Wales des Jahres 1174 wiederfindet.
Matilda, eine selbstbewusste, schöne, junge Frau, wird in ihrem Leben zum Spielball von drei ihr nahestehenden Männern: Zuerst ihr grausamer Ehemann, der Baron William, dann der schöne, junge Earl Richard von Clare, dem ihr Herz gehört, und zuletzt der Königssohn und spätere König John Plantagenet, der aus zurückgewiesener Liebe zu ihrem größten Feind wird. Von ihrem Mann im Stich gelassen und vom König als Verräterin dem Hungertod ausgeliefert, kann auch Richard ihr nicht helfen.
Jo glaubt zunächst, dass das Erlebte pure Suggestion war, doch als sich Nicks Verhalten drastisch ändert und er ihr gegenüber aggressiver wird, beginnt sie zu forschen und immer öfter in Matildas Welt einzutauchen, bis ihr Leben mit dieser leidenschaftlichen Frau fast unauflösbar verbunden ist. Und auch Sam benimmt sich sonderbar und scheint einen grausamen Plan zu haben. Langsam wird klar, dass nicht nur Matildas Seele die Jahre überbrückt hat, sondern dass sich der Kampf zwischen den drei Männern im 20. Jahrhundert entscheiden wird.
Alle Achtung! Erskine ist gleich mit ihrem Debüt ein rasanter Paukenschlag gelungen. Das Tempo der Geschichte ist wirklich enorm und lässt den Leser stellenweise sogar das Atmen vergessen. Das Spiel mit den zwei zeitlich getrennten Spannungsbögen, die wiederum durch einen einrahmenden dritten massiv verstärkt werden, ist schon ein kleiner Geniestreich, den die Autorin meisterhaft beherrscht.
Ein flüssiger Schreibstil, bildhafte Ausdruckskraft und eine in sich schlüssige Geschichte runden das Ganze zu einem eindrucksvollen Lesevergnügen ab. Hinzu kommen glänzend ausgearbeitete Charaktere, die sich ineinander verstricken, miteinander spielen und dann wieder in zerstörerischer Wut aufeinanderprallen. Selbst Nebencharaktere gewinnen in ihren kurzen Auftritten an ungeheurer Aufmerksamkeit des Lesers, schwer, sich ihrer Lebendigkeit und Persönlichkeit zu entziehen.
Das Wales des 12. Jahrhundert hat die Autorin geschichtlich natürlich korrekt und enorm anschaulich beschrieben. Mit viel Detailtreue schildert sie das Leben auf Burgen, die schwierige Beziehung der Krone zu den walisischen Fürsten und natürlich das Schicksal der Frauen – machtlos, hilflos und abhängig von der Gnade oder eben Ungnade ihrer Ehemänner. Gerade die Figur der Matilda, die sich von einer energischen, leidenschaftlichen Frau zu einer auf die Knie gezwungenen, bemitleidenswerten Bittstellerin entwickelt, ist hervorragend beschrieben. Mit einer angefügten Zeittabelle und einer Erklärung zu den historischen Charakteren wird dem neugierigen Leser gleich mit auf dem Weg gegeben, welche Ereignisse dokumentarisch belegt sind und welche nur auf Vermutungen beruhen. Sehr schön!
Natürlich beantwortet der Roman die Frage nach der Existenz von Reinkarnationen nicht, aber wer bereit ist, sich auf dieses Abenteuer einzulassen, verspürt vielleicht ja selbst die Neugierde, so eine Regressionshypnose mal auszuprobieren. Bildet euch eine Meinung, wie ihr wollt, aber lest dieses Buch, es lohnt sich einfach!
James Cobb ist einer der Newcomer im High-Tech- bzw. Militärthrillergenre und legt mit „Überfall auf hoher See“ bereits sein viertes Buch in kurzer Folge vor. Er entstammt einer traditionsreichen Marine-Familie und hat lange Zeit auf verschiedenen Kriegsschiffen der U.S. Navy gedient.
Als INDASAT 06, ein unbemannter Forschungssatellit, bei seiner planmäßigen Landung in der Arufarasee vor Indonesien von der Besatzung der STARCATCHER aufgenommen wird, wird diese kurz darauf von einer organisierten Piratenbande überfallen und versenkt. Der wertvolle Satellit mit seinen Forschungsergebnissen über Materialbearbeitung in der Schwerelosigkeit wird an einen unbekannten Ort entführt. Schnell wird klar, dass mit konventionellen Mitteln wenig zur Wiederbeschaffung beizutragen ist und die indonesische Regierung entweder korrupt ist oder zumindest vor dem seit Jahren wieder aufkeimenden Piratenproblem die Augen verschließt.
Captain Amanda Lee wird mit ihrer „Seafighter Task Force“ aus dem Mittelmeer abgezogen und läuft durch den Suez-Kanal, um vor Ort Ermittlungen anzustellen und sich dabei den Anschein eines Höflichkeitsbesuches zur Verbesserung der politischen Beziehungen zu geben. Die „Seafighter Task Force“ ist eine kleine High-Tech-Einheit der neu gegründeten „NAVSPECFORCE“ (Naval Special Forces) und besteht aus dem schlagkräftigen Stealth-Kreuzer „U.S.S. Cunningham“, dessen Kapitän sie zuvor selbst war, sowie der hochgerüsteten „LSP“ (Landing Ship Platform) „U.S.S. Evans F. Carlson“ mit mehreren bis an die Zähne bewaffneten Hovercraft-Fahrzeugen, umgerüsteten Kampfhubschraubern und einer kleinen Einheit „U.S. Marines“ und „Marine Reconnaissance Units“.
Unterstützt von einem einheimischen Polizeioffizier kommt sie bald dem charismatischen und anziehenden Makara Harconan auf die Spur, der hinter der Fassade des weltmännischen Geschäftsmanns die Sippen der uralten Bugi-Stämme mit Geld, Waffen und Logistik unterstützt und damit einen perfiden Plan zur Zerschlagung des Vielvölkerstaats Indonesien in einzelne Inselreiche verfolgt.
Nach einigen Seegefechten und Scharmützeln wird Garrett von Harconan, der zwischenzeitlich sowohl ihr erbittertster Feind, aber auch ihr leidenschaftlicher Liebhaber geworden ist, entführt und es kommt zur alles entscheidenden Schlacht um dessen letzte Festung und die Sicherheit des freien Seeverkehrs in Südostasien.
Mit seinem vierten Buch um die ebenso erfolgreiche wie unkonventionelle und sympathische Kämpferin Amanda Lee Garrett trägt Cobb extrem dick auf. Während Garrett in den ersten beiden Romanen noch Kapitän der „Cunningham“ war, dann die Leitung der experimentellen Hovercraft-Einheit „Seafighter“ übertragen bekommen und vom Polarkreis über China und Westafrika eine Spur der Vernichtung hinterlassen hat, ist sie mittlerweile der verantwortliche Offizier für die an Schlag- und Feuerkraft ständig wachsende „Task Force“. Dabei setzt sie sich, mit Wissen und Billigung ihres Vorgesetzten, reihenweise über geltendes Recht souveräner Staaten hinweg und überzieht jeglichen Widersacher mit dem, was neuerdings als „Shock and Awe Tactic“ oder „Overwhelming Force“ bezeichnet wird.
„Überfall auf hoher See“ trieft zwar nicht unbedingt vor amerikanischem Nationalstolz, mystifiziert und glorifiziert aber die Feuerkraft und Stärke der U.S. Navy in kaum erträglichem Maß. Während die in Zahl weit überlegenen, aber in Technologie meilenweit hinterherhinkenden und maximal mit ein paar schweren Maschinengewehren und veralteten Haubitzen bewaffneten ‚Bugi‘ durch High-Tech-Lenkwaffen aller Arten geradezu niedergemetzelt werden und jeder Abschuss zelebriert wird, werden eigene, zu vernachlässigende Verluste beiläufig in einem Nebensatz erwähnt. Die Darstellung von Treffern, Verletzungen und Schäden der Gegenseite werden explizit beschrieben, Verwundete in den eigenen Reihen rappeln sich meist nach kurzer Zeit wieder auf, um heldenhaft weiterzukämpfen.
Für die Zielgruppe ist „Überfall auf hoher See“ auf jeden Fall ein lesenswertes Buch. Wer grundsätzlich etwas mit SMADS (Ship Area Denial Systems), Präzisionslenkmunition für 155-mm-VGAS (Vertical Gun Advanced Ships), ATACMS (Army Tactical Missiles) und Dutzenden anderen Begriffen für Lenkwaffen, Aufklärungsdrohnen und sonstiges Kriegsgerät anfangen kann, wird hier voll auf seine Kosten kommen. Cobb ist zweifelsohne ein Fachmann auf dem Gebiet der Seekriegsführung und -ausrüstung und alle seine fiktiven Waffensysteme sind weiterentwickelte Versionen heute tatsächlich bestehenden Kriegsgerätes, das fundiert, aber verständlich beschrieben wird. Lobenswert ist auch die geglückte Übersetzung vieler militärischer und seemännischer Fachbegriffe. Dazu liest sich das gesamte Buch in einem Rutsch spannend durch und ist jederzeit fesselnd, wenn auch, für Kenner der Materie, nicht wirklich überraschend.
Bei den Runen handelt es sich um die Schriftzeichen unserer germanischen Vorfahren, die für magische Zwecke und schriftliche Mitteilungen benutzt wurden. Eine Rune bezeichnet immer gleichzeitig einen Laut sowie einen bestimmten Begiff – so steht beispielsweise die Rune *Berkanan einerseits für den Laut b und andererseits für die Birke einschließlich ihrer symbolisch-mythologischen Bedeutung. Die Runen sind in wissenschaftlichen und esoterischen Kreisen in Bezug auf Alter, Herkunft und Deutung heftig umstritten, wobei die Diskussionsbeiträge fast immer vom weltanschaulichen Hintergrund des jeweiligen Protagonisten geprägt sind. Die Germanen selbst betrachteten – wie die Edda-Überlieferung und einige Runeninschriften übereinstimmend berichten – diese Zeichen als „reginnkunum“, d.h. götterentstammt. In der Edda wird der Ekstase-, Sieg- und Weisheitsgott Odin als Schöpfer der Runen dargestellt. Der bislang älteste anerkannte Runenfund ist die Fibel von Meldorf, die in das Jahr 50 n.Zw. datiert wird. In der Wikingerzeit wurde das ältere Futhark (Runenreihe) von 24 Runen auf 16 Runen verringert – ein Rätsel, weil der Lautstand sich eigentlich erhöht hatte.
Eigentlich ist es ganz einfach: Man braucht nur das Headset mit dem Surround-Vision-Displayvisier und die dazugehörigen Kopfhörer aufsetzen, das Mikrophon und das Geruchspad in die richtige Position verschieben und man ist dabei: bei der virtuellen Echtzeit-Realität, im Optinet! Chatten mit Lesen und Schreiben? Veraltet! Nutzt einfach den hochentwickeltsten Computer, den es gibt: den Lucifer! Datenübertragung, -verarbeitung und -speicherung, Berechnungen der kompliziertesten mathematischen Gleichungen in Lichtgeschwindigkeit – mit Lucifer ist alles möglich.
Wovon ich hier eigentlich schreibe? Von der Nutzbarkeitmachung des Lichts, die in Michael Cordys neuem Wissenschafts-Thriller „Lucifer – Träger des Lichts“ bereits seit Jahren die Welt beherrscht. Möglich wurden damit technische Entwicklungen wie erwähntes Optinet. Oder der Neuro-Translator, ein Gerät, das menschliche Hirnströme speichert, verarbeitet und sogar verändern kann. Einsetzbar ist es zum Beispiel bei der Heilung von Phantomschmerzen, wo der Neuro-Translator die Schmerzsignale eindämmen oder vollkommen auflösen kann.
In diesem Zeitalter der höchsten technischen Stufe bleibt allerdings eine Frage nach wie vor unbeantwortet und somit auch weiterhin eine Glaubensangelegenheit: Was passiert nach dem Tod? Und auch da hat Lucifer seine Bytes im Spiel. Die Kirchen, wie wir sie kennen, sind so gut wie ausgelöscht. Nur die katholische Kirche kränkelt aufgrund ihrer ehemaligen Machtposition noch vor sich hin. Weltbeherrschend, übers Optinet spielend leicht zu erreichen, wacht die Kirche der Seelenwahrheit über ihre Schäfchen – dogmatisch, selbstgefällig und machtgierig, wie alle anderen Religionen zuvor auch. Doch der Rote Papst, das Oberhaupt, will noch mehr als eine millionenschwere Anhängerschaft – er will den Menschen ihre letzte Frage beantworten und damit wie Gott auf Erden wandeln.
Dr. Bradley Soames, der Bezwinger des Lichts und Erbauer von Lucifer, führt mit sterbenskranken Patienten Seelen-Experimente durch. Ihm ist es bereits gelungen, die Seele eines Menschen sichtbar zu machen, herauszufinden, dass jede Seele ihren eigenen „Code“ hat und es damit möglich wäre, hätte man diesen Code geknackt, sie im Jenseits anzurufen, also mit ihr zu kommunizieren. Das Problem besteht allerdings darin, dass er diesen Code nicht festhalten kann.
Als ihm auffällt, dass seine Mitarbeiterin Amber Grant immer zu dem Augenblick Phantom-Migräne bekommt, wenn ein Testpatient getötet wird, schickt er sie zu dem Neurologen Dr. Miles Fleming, dem Erfinder des Neuro-Translators.
Bereits in der ersten Nacht zeichnet das Gerät aufgrund einer Astralreise Ambers die Seelen-Welle auf.
Als Fleming seinem verunglückten Bruder mittels seiner Erfindung wieder zum Sprechen verhelfen will, geschieht das Unfassbare: Der Bruder stirbt und sechs Minuten nach seinem Tod spricht er durch den Neuro-Translator. Fleming, durch und durch Atheist, sucht Beweise für eine Fehlfunktion, entdeckt die Seelen-Welle und wird dabei von seiner Chefin Dr. Virginia Knight, der Leiterin der Klinik, gestört.
Knight, die eine fanatische Anhängerin des Roten Papstes ist und den Experimenten die Todespatienten zuführte, leitet die Entdeckung an Soames weiter, der daraufhin Amber als perfekte Testperson entführen lässt und ihre Seele zwingt, den Körper immer wieder zu verlassen, um die Frequenz festzustellen.
Fleming wird suspendiert und trifft bei seinen Nachforschungen auf Soames. Ohne ihn einzuweihen, bringt der Wissenschaftler Fleming dazu, für ihn einen leistungsstärkeren Neuro-Translator zu bauen, der schließlich zum Erfolg führt und damit den großen Tag des Roten Papstes möglich macht: Er, selbst im letzten Stadium seiner Krebs-Erkrankung, wird sich töten lassen, um aus dem Jenseits die Kunde zu verbreiten, dass seine Kirche die einzig Wahre ist und wer ihr folgt, wird erlöst werden und zu Gott in den Himmel kommen.
Doch was, wenn Gott nicht existiert?
Dann lesen wir einfach weiter Bücher über ihn und seine Engel. Und die lesen wir natürlich gerne, wenn sie auch noch so spannend sind wie „Lucifer – Träger des Lichts“. Dachte ich am Anfang, dies sei wieder mal einer dieser typischen Thriller über Satan und Sekten, kann ich jetzt sagen, dass zwar das Teufelchen seinen Hinkefuß nicht zu Hause lassen konnte, allerdings die Umsetzung einfach großartig ist, weil sie aus einem ganz anderem Blickwinkel stattfindet.
Stellt euch eine reichgedeckte Tafel mit lauter leckeren Sachen vor, und wenn ihr gerade von einem Gericht probiert habt, wird alles abgeräumt und mit genauso verführerischen Sachen neu gedeckt, wieder abgeräumt, bevor ihr alles probieren konntet. Dann kommen die ersten Gerichte erneut auf den Tisch und ihr könnt davon etwas mehr kosten, bevor alles wieder weg ist… Genauso füttert Cordy seine Leser an, die Kapitel sind durchgehend sehr kurz gehalten (4 – 5 Seiten), und enden immer an einer super spannenden Stelle, was das Weglegen so gut wie unmöglich macht.
Die technischen und physikalischen Details, die gerade im ersten Drittel des Buches zahlreich auftauchen, sind glücklicherweise optimal platziert und gut verständlich in die Story eingebaut. Wer sich gar nicht dafür interessiert und es überliest, hat trotzdem keinerlei Schwierigkeit, der Geschichte zu folgen. Gelungen!
Kleiner Schwachpunkt sind die Charaktere. Während Fleming und Grant einigermaßen nachvollziehbar strukturiert sind und somit eine Persönlichkeit rüberbringen können, bleiben diverse Charaktere, u.a. Knight und der Rote Papst selbst, blass und unausgefüllt und während der gesamten Lektüre fremd. Schade, müsste doch gerade der Rote Papst, dem eine ungeheure Anziehungskraft auf Menschen zugedichtet wird, beim Leser Faszination hervorrufen. Tut er leider nicht. Wer das allerdings zweihundertprozentig schafft, ist Soames. Auch er wirkt ständig zurückgesetzt und ohne Substanz, weckt jedoch gerade deswegen eine gewisse Neugierde und jedem ist sofort klar: mit dem stimmt etwas ganz und gar nicht. Bei ihm passt das Nicht-Greifen-Können seiner Figur wie die berühmte Faust aufs Auge.
Ein unzähliges „Daumen hoch“ geht an das Ende des Buches, das, wie ich glaube, nie und nimmer ein Leser vorhersehen kann. Mich hat es vollkommen überrumpelt, dachte ich doch ab der Hälfte des Romans, die Wahrheit längst erkannt zu haben – aber wie der Rote Papst bin auch ich auf die Nase gefallen. Ein Ausgang, der zum Philosophieren geradezu einlädt und das Attribut „genial“ – wie ich finde – absolut verdient.
Insgesamt also ein Buch, zu dessen Anschaffung ich nicht nur Thriller-Lesern rate, auch wenn mit zwölf Euro ein happiger Taschenbuchpreis verlangt wird. Allerdings ist diese Ausgabe gleichzeitig die Deutsche Erstausgabe und dafür wiederum preisgünstig.
Und ich werde mich mal auf die Socken begeben, um Cordys weitere Bücher „Das Nazareth-Gen“ und „Mutation“ in die Hände zu bekommen.
James „The Amazing“ Randi, Preisträger des MacArthur Genius Award, kann auf eine beachtliche Karriere als Zauber- und Entfesselungskünstler verweisen, ist aber seit geraumen Jahren vor allem als führender Vertreter der Skeptikerbewegung bekannt und tat sich hervor, indem er das Wirken von Sonderlingen wie Uri Geller durchleuchtete und bloßstellte. Aufmerksamkeit erhascht er seit einigen Jahren vor allem durch seine fragwürdige Aktion, eine Million Dollar für die unwiderlegbare Präsentation eines paranormalen Phänomens ausgesetzt zu haben. Diese Summe dürfte er verschmerzen können; allein sein Dutzend Buchveröffentlichungen findet reißenden Absatz in der Gemeinschaft seiner Glaubensbrüder. Im deutschsprachigen Raum ist kürzlich das „Lexikon der übersinnlichen Phänomene“ erschienen, das ich etwas näher betrachten möchte und dessen skeptischem Inhalt ich ausgesprochen skeptisch entgegen trete.
Die Irritationen beginnen bereits beim Titel und seinem Anspruch. Im Deutschen als „Lexikon der übersinnlichen Phänomene“ betitelt, lautet die 1995 entstandene und 1997 erschienene Originalfassung „An Encyclopedia of Claims, Frauds and Hoaxes of the Occult and Supernatural“, eine deutlich abweichende Gewichtung, wie ich finde, die in der deutschen Fassung falsche Erwartungen wecken und voreilige Käufer unangenehm überraschen dürfte. Der Untertitel „Die Wahrheit über die paranormale Welt“ ruft einiges Stirnrunzeln bei mir hervor, denn abgesehen von dem damit postulierten Wahrheitsanspruch – jubilieret, endlich wieder jemand, der die viel zitierte Wahrheit kennt und durchschaut hat – wird die Erwartungshaltung noch zusätzlich in eine falsche Richtung gelenkt; im Gegensatz zum Originaltitel, der sich zumindest noch größtenteils mit dem tatsächlichen Inhalt deckt. Der Anspruch, sich als „Enzyklopädie“ oder „Lexikon“ bezeichnen zu dürfen, ist allerdings in beiden Fällen überzogen – und bei einem Einzelautoren ohnehin fragwürdig – und nicht gerechtfertigt, und das betrifft die Ebenen von Sachlichkeit, Objektivität, Umfang, Betrachtungstiefe, Vollständigkeit und Qualität.
In dieser eher als Kommentarsammlung zu betrachtenden Veröffentlichung geht es saftig skeptisch zur Sache. Was das anbelangt, bekommt das Buch durchaus seinen Existenzberechtigungsschein genehmigt und hätte eine solide Angelegenheit werden können, wenn Randi bei Themen geblieben wäre, von denen er konkret etwas versteht und die er gründlich recherchiert hat. So wären Entlarvungen von Spiritisten, Medien, Hochstaplern etc. garantiert in einen Bereich gefallen, zu dem Randi gerade als Zauberkünstler etliche fundierte Beobachtungen und Anmerkungen anbringen kann. Diese Themen werden im Buch auch angesprochen, die biographischen Ausführungen zu derlei Persönlichkeiten sowie einige Erklärungen zu besonders häufigen Tricks und Fehlannahmen stellen auch die wenigen Lichtblicke des „Lexikons“ dar. Außerdem dürfte für Leser, die selbst passionierte und glaubensfundamentierte Skeptiker sind, der überaus zynische, ironische und abfällige Tonfall, der das Buch durchzieht, eine echte Wonne sein; auf sachlicher Ebene ist diese Form allerdings völlig unangemessen und klar am Ziel vorbei kalkuliert. Das reicht höchstens, um sich unter Gleichdenkenden gegenseitig amüsiert bestätigend auf die Schulter zu klopfen, so wie es bei diesem Buch allein schon durch die Anmerkung von Isaac Asimov und das Vorwort von Arthur C. Clarke geschieht, ein Gespann, das sich in dieser Schulterklopferei schon seit langer Zeit genüsslich übt.
Es stellt sich bei der herablassenden Art und Weise direkt die Frage, für wen das Buch gedacht ist. Bei Berufs-Skeptikern reichen die hier verkündeten Wahrheiten nämlich höchstens für ein süffisantes „Ich hab’s schon immer gesagt“, bei noch schwankenden oder allzu leichtgläubigen Menschen, die sicher einigen Nutzen aus diversen Buchanteilen ziehen könnten, dürfte der Stil und die Art der Themenbehandlung sehr schnell abschreckend wirken.
Außerdem leiden selbst die vernünftig ansetzenden Passagen unter dem sich durchziehenden Makel der Oberflächlichkeit, subjektiven Auswahl und bruchstückhaften Darstellung. Oftmals ist nicht einmal klar, aus welchem Grunde bestimmte Schlagworte Einzug in die Sammlung fanden oder nach welchem Kriterium hier überhaupt ausgewählt wurde, manche Stichworte sind nicht mehr als hingeworfene Stichpunktbrocken, die zudem auch noch einzelne Teilaspekte aus dem Gesamtbegriff herauspicken. Zu einem klaren Kopfschütteln führt nach der Lektüre folgende Vorbemerkung Randis:
„Ich bin aufrichtig bemüht gewesen, mich bei der Zusammenstellung dieses Buches nicht dogmatisch auszulassen. Sollten in einzelnen Artikeln persönliche Ansichten – statt rein sachlicher Darstellungen – eingeflossen sein, bitte ich diese Aufdringlichkeit zu entschuldigen.“ Es tut mir leid, aber das ist schlichtweg lächerlich und entweder bewusst geheuchelt, ironisch gemeint oder aus mangelnder Selbsterkenntnis heraus formuliert. Das Buch besteht praktisch aus kaum etwas anderem, wobei auch hier völlig unklar ist, warum manche Einträge tatsächlich eine rein faktische Kurzdarstellung sind, andere mit ähnlichem Inhalt dagegen direkt ins Lächerliche gezogen und unsachgemäß abgehandelt werden. Willkür, Sprunghaftigkeit, Inkonsistenz, die angesprochene Oberflächlichkeit, Knappheit, Überheblichkeit und Wahrheitsansprüche ließen meine noch so bemühten Versuche, der Betrachtungsweise des Autoren zu folgen, versauern und führen letztlich dazu, dass ich auch die vernünftigen und sinnvollen Beiträge nicht mehr ernst nehmen kann und dem Skeptiker mit massiver Skepsis entgegen treten muss, wie schon eingangs angemerkt.
Als kleiner Einschub sei hier eine Kostprobe von Randis objektiver Logik kredenzt:
„Glauben Sie, dass Homöopathie okay ist, wenn sich jemand dadurch besser fühlt, auch wenn es nur im Geiste ist?“
Randi: „Auch durch Heroin fühlen sich die Leute besser, aber ich würde nicht empfehlen, Heroin zu nehmen.“
Man mag mir verzeihen, aber dieser völlig stumpfsinnige Vergleich ist jeden weiteren Kommentars unwürdig.
Ich möchte zur Verdeutlichung meines Eindrucks eine frei herausgegriffene Anzahl von Fallbeispielen aus dem Buch zitieren und kommentieren, die wiederum eher unbeabsichtigt mein Amusement hervorriefen (denn sich über derart geballte Schwachmatik zu ärgern hieße, derlei Äußerungen mehr Energie und Aufmerksamkeit zu widmen, als sie tatsächlich wert sind):
Um bei obigem Zitat zu bleiben, dessen Thema auch im Buch angesprochen wird, sei auf die Untersuchungen zur Homöopathie von Dr. Masuro Emoto (Untersuchungen der individuellen Kristallstruktur von Wassermolekülen) verwiesen sowie auf Arbeiten von Dr.rer.nat. Wolfgang Ludwig, des Schweizer Chemikers Louis Rey oder jene einiger Wissenschaftler des Kwangju Institute of Science of Technology in Korea; einige Artikel dazu waren beispielsweise auch hierzulande in der Bild der Wissenschaft nachzulesen. Die Sachlage ist bei der Homöopathie alles andere als geklärt.
Ein echter Schenkelklopfer ist der Kommentar zur Homöopathie: „Einziges Ziel der Homöopathen ist es, die Symptome einer Krankheit zu behandeln – nicht ihre Ursachen, die sie nicht anerkennen. Deshalb fällt die Homöopathie korrekterweise in den Bereich der Magie. Und der Quacksalberei.“ Köstlich. Wie die meisten aufgeschlossenen Mediziner bestätigen dürften, behandelt der Großteil schulmedizinischer Arzneien ebenfalls nur das Symptom von Krankheiten und löst nicht das ursächliche Problem (und versteht dieses zumeist gar nicht erst, so weit ist die Medizin noch nicht gediehen). Damit wissen wir ja nun, wo die Schulmedizin einzuordnen ist.
Ähnlich putzig sind die Ausführungen zum Begriff „Wissenschaft“: „Wahre Wissenschaft erkennt ihre eigenen Mängel. Diese Bereitschaft, die eigenen Grenzen, Fehler und das Vorläufige aller Schlussfolgerungen anzuerkennen, macht eine ihrer Stärken aus. Auf die Vorteile dieses Verfahrens verzichten müssen jene, die Wissenschaft zu betreiben vorgeben, aber es nicht wirklich tun: die zahlreichen produktiven Pseudowissenschaftler und die Spinner.“ Sehr amüsant, vielleicht sollte sich der gute Mann einmal in der Realität der „wissenschaftlichen“ Inquisition umsehen.
Unter dem Begriff „Abrakadabra“ lesen wir: „Name der höchsten Gottheit der Assyrer“. Das ist unbelegter Blödsinn, wenn man mich fragt. Die hier erwähnten Bezüge zu Amuletten etc. sind vielleicht auf die gnostische Gottheit „Abraxas“ zurückzuführen, die ebenfalls nur eine abgeschliffene Namenskürzung ist. „Abraxas“ kann in diesem „Lexikon“ übrigens auch nachgeschlagen werden, hier findet aber interessanterweise kein Rückverweis oder eine Verbindung statt. Amüsanterweise findet sich später im Lexikon der Eintrag „Marduk: In der assyrischen Mythologie der Gott der Götter…“. Oh, also doch. Ja, was denn nun? Ethymologisch lässt sich das „Abrakadabra“, das eigentlich ein „abrahadabra“ ist, übrigens auf das hebräische „ha brachah dabarah“ zurückführen, das etwa „den Segen sprechen“ bedeutet. So viel Tiefgang in der Recherche hat den Autor aber scheinbar überfordert.
Akupunktur ist Randi zufolge ebenso wie Homöopathie eine esoterische Behandlungsform ohne nachweisbare Wirkung und Nutzen. Kein Kommentar.
Die Kurzdarstellung des Okkultisten Dr. Rudolf Steiner im Zusammenhang mit seiner Anthroposophie ist ausgesprochen oberflächlich und hätte durchaus mehr Anlass geboten, um sich mit dem selektiven Geschichtsgedächtnis der Anthroposophen näher zu befassen, die Steiners führende Zugehörigkeit zu den Form gebenden okkulten und nationalistischen Organisationen und Orden der Jahrhundertwende, auch jenen, die sie selbst als „satanistisch“ verteufeln, gern ignorieren. Nur ein Beispiel unter vielen, wo eine an sich interessante biographische Betrachtung durch ihre selektive Form zur Nutzlosigkeit verkommt. Eine „Enzyklopädie“ bietet sicherlich etwas mehr Raum für eine paar zusätzliche Zeilen, ansonsten hätte man sich diese gesonderten Stichpunkte auch gerade heraus sparen können.
Wir lernen außerdem: „Beelzebub“ ist im Neuen Testament der oberste Teufel und ein anderer Name für Satan. Die Bibelstelle dazu lasse ich mir gern zeigen, aber soweit mir bekannt, hat der „Oberste der bösen Geister“ dort den Namen „Beelzebul“, vermutlich in Anlehnung an den alttestamentarischen „Baal“. Wiederum recht dürftig.
Erich von Däniken wird als „Mystiker“ bezeichnet. Vielleicht sollte er mal den hier recht frei verwendeten Begriff in einem richtigen Lexikon nachschlagen – oder die Übersetzer haben hier schwer gefuscht.
Aleister Crowley wird schlichtweg als „Satanist“ bezeichnet, was nicht nur oberflächlich, sondern rundheraus falsch ist. Er nannte sich Randi zufolge „Das Tier 666“ wegen des Bezuges aus der Offenbarung. Dass er dies letztlich eher provokativ und selbstironisch tat, weil seine Mutter ihn stets als das Große Tier bezeichnete, scheint dabei unwesentlich und ginge für ein derart oberflächliches Buch wohl analytisch auch zu sehr in die Tiefe.
Die durch den englischen Hofmagus Dr. John Dee gefundene und bekannt gewordene Sprache des Enochischen oder Henochischen wird im Lexikon als „Enochianisch“ angegeben, eine Formulierung, die mir gänzlich neu und vermutlich eine kreative Eigenleistung der Übersetzer ist.
Zum Begriff der Kundalini: „Ein Sanskritwort, das ‚Schlangenkraft‘ bedeutet. Dabei handelt es sich um die feurige Schlange, die angeblich zusammengerollt an der Basis der menschlichen Wirbelsäule schläft. Trotz eifriger Suche ist es Anatomen bisher nicht gelungen, die Kundalini aufzuspüren.“ Ein selten unqualifizierter Kommentar zu bildhaft-mythologischen und metaphysischen Überlieferungen.
In Bezug auf Nostradamus gibt es einen netten kleinen Schnitzer, als er erwähnt, dass in II,51 das Wort „antique“ im Altfranzösischen nicht „alt“, sondern „exzentrisch“ oder „schrullig“ bezeichnet. Warum in seiner Übersetzung dann die entsprechende Zeile mit „Die alte Dame wird von [ihrem] hohen Platz stürzen“ angegeben wird, weiß vermutlich nur Wahrheitsapostel Randi. An späterer Stelle wird das Wort dann noch mit „senil“ gleichgesetzt. Saubere Arbeit. Er liefert an dieser Stelle übrigens auch gleich die einzig korrekte Interpretation des zugehörigen Vierzeilers, endlich jemand, der weiß, was Nostradamus uns sagen wollte (was natürlich nicht als Eigenwerbung für sein diesbezügliches Buch verstanden sein darf).
Zu Nostradamus sei allerdings angemerkt, dass zu den erfreulichen Lichtblicken des Buches die zahlreich vertretenen Weltuntergangs-Prophezeiungen gehören, die Randi genüsslich zerlegt. Hier ist der Tonfall durchaus mal angemessen, das Lesen macht Freude und die zeugenden Jehovas dürfen sich verschämt die Augen zuhalten.
So, weiter im Text. Beim Eintrag unter „Pentagramm (auch Drudenfuß)“ wird in keiner Weise auf Herkunft oder Symbolik eingegangen, sondern lediglich erwähnt, dass man dieses Zeichen als Talisman mit sich herumträgt oder als Bannkreis für Dämonen verwenden kann. Sehr fundierte und schrecklich hilfreiche Analyse. Genau deswegen sind Lexika wie dieses so unentbehrlich für die Allgemeinbildung. Aber ich weiß jetzt ja auch dank Randi, dass „Abrakadabra“ gern als Spruch zum Höhepunkt eines Zaubertricks verwendet wird…
Zu der Tatsache, dass man auch in der „Neuen Welt“ Runenzeichen auf Monolithen und Grabmalen fand, merkt Randi an, dass es sehr unwahrscheinlich wäre, dass diese echt sind. Dass die Wikinger schon geraume Zeit vor den katholischen Eroberern in Amerika gelandet waren und dies inzwischen auch nicht mehr angezweifelt wird, scheint nicht bis zu ihm vorgedrungen zu sein. Andererseits ist Randi natürlich im Alleinbesitz der einzigen Wahrheit und schlägt jeden Fachwissenschaftler, da er meint, zu so ziemlich jedem Wissensgebiet seinen Kommentar abgeben zu müssen.
Der „Sabbat“ wird von Randi nur auf seinen Wesenszug als heidnisches Hexenfest erwähnt, er hält es nicht einmal für nötig, dies begrifflich als „Hexensabbat“ abzuheben. Da werden sich die Juden freuen. Vollständige und tief greifende „Enzyklopädien“ sind doch immer eine Bereicherung.
Nun ja, und bevor ich mich doch noch zu ärgern beginne, klatsche ich dieses Buch, das die Welt nicht braucht, in eine dunkle Ecke und widme mich wieder sinnhafter Lektüre. Zur Belustigung für zwischendurch ganz nett, wenngleich es an die Broschüre über Okkultismus von der Hamburger Behörde nicht ganz heran kommt. Schade, hätte durchaus etwas draus werden können. Wenigstens weist der Anhang ein Literaturverzeichnis auf, so dass man sich darüber informieren kann, woher die fundierten Ansichten abgepinselt wurden.
Homepage des Autors: http://www.randi.org/
[Beispiel]http://www.alternativescience.com/randi_retreats.htm für die Ablehnung einer leider gut überprüfbaren Herausforderung
Viktor Farkas, Jahrgang 1945, widmet sich seit vielen Jahren der Erforschung grenzwissenschaftlicher Phänomene, immer auf der Jagd nach neuen Berichten und Begebenheiten. Sein Bestseller „Unerklärliche Phänomene“, mittlerweile neu aufgelegt und überarbeitet, hat weltweit Interesse und Beachtung hervorgerufen. Er ist ebenso wie Dr. Johannes Fiebag & Peter Fiebag, Hartwig Hausdorf, Ernst Meckelburg und Dr. Carlos Calvet Mitglied der VfgP.
In „Rätselhafte Wirklichkeiten“, das ich schon vorweg als Ausnahmeveröffentlichung dieses Genres bezeichnen möchte, hat er sich teils älterem Material zugewandt und dieses überarbeitet und aktualisiert, darüber hinaus aber auch viel Neues zu berichten. Farkas plaudert für uns „aus den Archiven des Unerklärlichen“ und lässt es nicht dabei bewenden, eine auf Dauer ermüdende Auflistung vorzubringen. In der Tat waren die „Rätselhaften Wirklichkeiten“ die erste Sammlung dieser Form, die ich förmlich am Stück verschlang, was sowohl an der Themenauswahl und dem sympathischen Schreibstil – in stets möglichst vorsichtiger Formulierung, ohne Pseudoerklärungen und Einseitigkeiten zu strapazieren – liegen mag, als auch daran, dass in den 80 Unterkapiteln nicht nur Ereignisse, Orte und Seltsamkeiten beschrieben werden (weit mehr als die auf dem Buchrücken angesprochenen „80 Begebenheiten“ übrigens), sondern stets Querverweise und Erklärungsmöglichkeiten erfolgen und, wo möglich, Hintergrundinformationen angeboten werden. Jedem Hauptkapitel geht das passende Zitat einer bekannten Persönlichkeit voran, jedem Unterkapitel eine stimmige Kurzeinleitung.
Das sehr umfangreiche Literaturverzeichnis ist lobend hervorzuheben, ich fände es allerdings deutlich positiver, wenn der entsprechende bibliographische Verweis direkt nach jedem Abschnitt erfolgen würde oder in diesen eine Nummerierung auf das Quellbuch verwiese, was einfach der wissenschaftlichen Notation entspräche. So dürfte es etwas mühselig werden, konkrete Recherchearbeit zu leisten. Dennoch: eine vergleichsweise solide Sammlung und Auflistung von Quellmaterial. Hinzu kommen 32 im Buch verteilte Hochglanz-Bilder, die dem stimmungsvollen Lesen deutlich zuträglich sind. Ein Register fehlt hier ebenfalls nicht, so dass die formalen Aspekte schon einmal zufrieden stellend erfüllt wurden.
Viktor Farkas hat bei der Auswahl der Materialien seiner teils erstaunlichen Schilderungen darauf geachtet, auf möglichst belegbare Vorkommnisse und Forschungsergebnisse zurück zu greifen und die Menge an „Hörensagen“ zu minimieren. Zwar kann das Buch dem verheißungsvollen und überzogenen Anspruch des Rückentextes natürlich nicht gerecht werden, der meint: „Denn die unglaublichen Geschichten werden alle mit hieb- und stichfesten Hintergrundinformationen untermauert, die jeden Zweifel an ihrer Wahrhaftigkeit ausschalten.“ – Das wäre natürlich eine feine Sache, doch dem ist nicht so. Dennoch handelt es sich zumeist um Fälle, die zumindest nicht widerlegt werden können, die durch wissenschaftliche Untersuchungen gestützt werden oder zumindest durch eine ausreichend hohe Anzahl glaubwürdiger Zeugenaussagen fundamentiert werden, um nicht direkt als Belanglosigkeiten belächelt und vom Tisch gefegt werden zu können. Es geht Farkas übrigens nicht darum, eine wissenschaftlich nicht erklärbare Realität zu untermauern, sondern die Beschränkungen unseres Verständnisses der Welt aufzuzeigen und zum neugierigen Weiterforschen und Überschreiten von Konventionsschranken wissenschaftlicher Arbeitsweise mit offenem Blick und unter Erwägung alternativer Möglichkeiten zu animieren.
Meine besondere Neugierde weckten in diesem Falle übrigens die grenzwissenschaftlichen Erwähnungen, die über reine Psi-Phänomene hinaus gehen, so zum Beispiel Berührungspunkte zu Freier Energie oder Gravitationsanomalien. Aber in diesem Buch dürfte für so manchen etwas dabei sein und interessierte Laien wie auch skeptisch Unschlüssige sind eingeladen, Farkas‘ Ausführungen zu folgen und eine verborgene und gern geleugnete Wirklichkeit zu erforschen. Einen Überblick über die angesprochenen Bereiche gibt die nachfolgende grobe Inhaltsübersicht:
Vorwort: Wenn Trugbilder und Dogmen wanken
Teil I: Geheimnisvolle Fähigkeiten
1 Die Kräfte des Geistes
2 Die Rätselhaften
Teil II: Wir sind nicht allein
3 Intelligentes Leben neben uns
4 Die Schatten der Anderen
Teil III: Leben und Tod
5 Im Grenzbereich
6 Die Jenseits-Connection
Teil IV: Unbekannte Kräfte und Mächte
7 Attacken aus dem Anderswo
8 Fremdartige Naturerscheinungen
9 Zeit aus den Fugen
Teil V: Was es nicht geben dürfte
10 Harte Nüsse für die Schulwissenschaft
11 Wenn die Logik nicht mehr mitspielt
12 Verbotenes Wissen
„Die Verteufelung des ‚kreativen Chaos‘ ist eine Verdrängung, deren Resultat eine erstarrte, lebensfeindliche ‚Gesellschaft‘ ist.“ (J. Dvorak, Konrad Becker zitierend)
Da Bücher über das Phänomen „Satanismus“ nur allzu gern den Federn von Theologen, so wie auch in diesem Falle, und Sektenbeauftragten zu entwachsen scheinen, sieht sich der Leser meist dem vernichtenden erhobenen Zeigefinger des Autors gegenüber und es fällt daher oft schwer, einer differenzierten und objektiven Betrachtungsweise Raum zu geben. Dieses Buch ist anders, in jedweder Hinsicht, zumal, wenn es darum geht, eine konsistente und dem Werk gerechte Klassifizierung zu liefern. Es ist sicherlich für jeden, der sich eingehender mit dem „Leibhaftigen“ und den damit einhergehenden Ausformungen eines Kultus der Selbstvergöttlichung auseinander setzen will, eine der besseren Publikationen zum Thema Satanismus / Okkultismus im deutschen Raum, auch wenn der alles bzw. nichts sagende und etwas plakativ daherkommende Titel zunächst den Anschein eines dieser typischen, an Banalität und Oberflächlichkeit nicht zu überbietenden Werke vermittelt. Dem tut auch der Untertitel („Schwarze Rituale, Teufelswahn und Exorzismus – Geschichte und Gegenwart“) vorerst keinen Abbruch.