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Carter, Lin – Tolkiens Universum

Tolkiens „Der Herr der Ringe“ ist an sich schon ein Mammutwerk (meine Ausgabe beispielsweise hat nicht weniger als 1300 eng bedruckte Seiten) und auch (literatur)wissenschaftlich hat man sich immer wieder mit dem Roman auseinandergesetzt. Doch seit der Verfilmung durch Peter Jackson ist nochmal ein ganzer Stoß begleitender Bücher auf den Markt geschwemmt worden, die dem alten und neuen Fan Mittelerde, Elben und böse Zauberringe erklären sollen. Was da Wunder, dass sich auch der |List|-Verlag eine Scheibe vom Kuchen abschneiden wollte. Anders lässt es sich kaum erklären, dass der Verlag ein Buch aus dem Jahre 1969 ausgrub, es mit einem Cover versah, das frappant an das Design der Verfilmungen erinnert, und das Ganze kurzerhand 2002 in deutscher Erstfassung auf den Markt warf. Das Vorwort zur deutschen Ausgabe weist das Buch als „authentisches Dokument der allgemeinen Faszination aus, die Tolkiens mythisches Universum bereits vor Jahrzehnten ausübte.“ Damit ist bereits in blumigen Worten umschrieben, um was es sich bei Lin Carters „Tolkiens Universum“ eigentlich handelt – nämlich ein Buch, das höchstens noch literaturhistorisch von Interesse ist, ansonsten aber komplett veraltet daherkommt. Einsichten in die Grundlagen von Tolkiens Mythologie und die Fundamente seines Weltenentwurfs finden sich höchstens im letzten Teil von Carters Ausführungen.

Lin Carter war selbst Autor von Fantasyromanen; ein Mann vom Fach also. Er editierte für |Ballatine Books| die „Adult Fantasy“-Reihe und interessierte sich augenscheinlich für den Werdegang der Fantasy in der Weltliteratur. Dass ihn Tolkiens Werk, das bei vielen alten Mythen Anleihen nimmt, dabei besonders faszinierte, überrascht kaum. In „Tolkiens Universum“ versucht er nun, anderen Lesern diese Welt nahe zu bringen, schließlich war „Der Herr der Ringe“ zu diesem Zeitpunkt erst gute zehn Jahre auf dem Markt und begann erst langsam, seinen Kultstatus zu entwickeln. Carter betrat zu seiner Zeit also relatives Neuland und tastete sich dementsprechend vorsichtig an sein Studienobjekt heran.

Zunächst bringt er einige biographische Fakten zu Tolkien, seine universitäre Laufbahn als Professor, sein Interesse für alte Mythen und Legenden (hier nennt er besonders den „Beowulf“ und die [„Edda“) 62 und seine Beschäftigung mit der Form des Märchens.
Von da kommt er auf die Entstehungsgeschichte vom „Herrn der Ringe“ und eine erste kleine Rezeptionsgeschichte, die illustriert, dass ein so unhandliches Buch unmöglich einen einfachen Start haben kann. Dieser Teil von „Tolkiens Universum“ ist mäßig interessant, besonders unterhaltsam muten Carters Spekulationen über den Inhalt des [„Silmarillion“ 408 an, das zu dem Zeitpunkt noch nicht veröffentlicht war.

Um seine Studie über den „Herrn der Ringe“ ordentlich vorzubereiten, bietet Carter dann eine Zusammenfassung sowohl des [„Hobbit“ 22 als auch des „Herrn der Ringe“. Auf nicht weniger als 60 Seiten erläuert er, worum es in den Büchern geht und man fragt sich zwangläufig, an welchen Leser diese Zeilen wohl gerichtet sein mögen. Carters Buch werden sicherlich nur zwei Arten Leser in die Hand nehmen: Diejenigen, die den „Herrn der Ringe“ kennen und tiefer in die Materie einsteigen wollen und diejenigen, die noch vorhaben, das Buch zu lesen. Beide Gruppen werden keine 60-seitige Inhaltsangabe benötigen. Für die einen ist sie überflüssig und für die anderen der ultimative Spoiler. Was Carter also mit diesem Teil seines Buches erreichen wollte, bleibt ungeklärt.

Im Anschluss daran nimmt er den Leser mit auf eine Tour durch die Weltliteratur und erklärt ihm, dass die Form des Epos eine Art Urformel der heutigen Fantasy ist und führt als Beweis unzählige bekannte und unbekannte Epen mitsamt Inhaltsangaben auf. Dies mag lesenswert sein, wenn man sich ohnehin für diese Form interessiert und mehr über „Edda“, „Nibelungenlied“, „Beowulf“ etc. erfahren will. Doch auch für diesen Leser ist Carters Buch nicht unbedingt zu empfehlen. Für einen Überblick bringt er einfach zu viel Material auf zu kleinem Raum und büßt dafür die Tiefe seiner Analyse ein. Seine Betrachtungen bleiben oberflächlich und polulärwissenschaftlich, höchstens ein kleiner Appetitmacher auf Texte wie die „Ilias“. Den Hunger muss man jedoch mit anderen Publikationen stillen. Auch bleibt er den Zusammenhang zwischen den genannten Epen und Tolkiens Schaffen schuldig. Vergleiche werden niemals gezogen und somit stehen Carters Betrachtungen zum Epos frei im Raum ohne direkt für die Tolkien-Analyse herangezogen zu werden.

Im letzten Teil kommt Carter dann endlich zur Sache und gräbt einige Primärtexte aus, die Tolkien beeinflusst und inspiriert haben. Der Mehrwert dieser Entdeckungen ist unterschiedlich. So ist es nicht gerade eine Erleuchtung, herauszufinden, dass „theoden“ (bei Tolkien der König Rohans) das angelsächsische Wort für „Fürst einen Stammes“ ist oder dass „myrkwid“ (engl. „Mirkwood“, dt. „Düsterwald“ – Legolas‘ Heimat) 17-mal in der „Alten Edda“ erwähnt wird. Schon erstaunlicher sind die inhaltlichen Zusammenhänge, wenn er beispielsweise den Sternenfahrer Earendil bis zur „Prosa-Edda“ zurückverfolgt und feststellt, dass die Figur (die ebenfalls Earendil bzw. Orvandel heißt) auch dort mit einem Stern in Verbindung gebracht wird. (Bei Tolkien wird Earendil mit seinem Schiff an den Himmel gesetzt und der Silmaril an seiner Stirn leuchtet den Bewohnern Mittelerdes als Stern der Hoffnung – entspricht dem Morgen- und Abendstern.)

Große Erleuchtungen bleiben bei der Lektüre also aus, was sicherlich dem frühen Entstehungsdatum von „Tolkiens Universum“ geschuldet ist. Wer sich für die Rezeptionsgeschichte Tolkiens interessiert, wird hier sicherlich fündig und kann an Carters Ausführungen ablesen, wie „Der Herr der Ringe“ damals aufgenommen wurde. Wer jedoch wirklich etwas über die Hintergründe des Romans erfahren will, der wird in diesem Buch hauptsächlich im Kreis herumgeführt. Eine Publikation neueren Datums ist da empfehlenswerter und materialreicher.

Tolkien, J. R. R. – Das Silmarillion

Spätestens seit den Verfilmungen von Peter Jackson ist „Der Herr der Ringe“ wohl jedem ein Begriff. Die groben Züge der Handlung sind auch denen bekannt, die die Filme nie gesehen und das Buch nie gelesen haben, und dass Mittelerde in Neuseeland liegt, wurde mittlerweile auch oft genug festgestellt. Doch die Ereignisse, die in „Der Herr der Ringe“ erzählt werden, sind nur der historische Endpunkt von Tolkiens überbordender Fantasie, erzählen sie doch den Übergang des Dritten in das Vierte Zeitalter. Dies impliziert schon recht deutlich, dass Mittelerde, das Tolkien Arda nennt, schon einige tausend Jahre Geschichte gesehen hat. Die wichtigsten Ereignisse dieser früheren Zeitalter erzählt „Das Silmarillion“. Wen also Hintergründe und Vergangenheit von Mittelerde interessieren, wer wissen möchte, wo Elben, Menschen und Zwerge herkommen, der sollte „Das Silmarillion“ ruhig einmal zur Hand nehmen. Doch der geneigte Leser sei gewarnt: Eine wirklich leichte Lektüre ist das Buch nicht!

„Das Silmarillion“ verbindet eine ganze Anzahl von in sich abgeschlossenen und doch verbundenen Erzählungen vom Anfang der Welt bis zu einer kurzen Rekapitulation des Ringkriegs, dem ja „Der Herr der Ringe“ gewidmet ist. Tolkien macht hier eine komplette Mythologie auf und beginnt naturgemäß am Anfang, nämlich mit der Musik der Ainur, seiner Götter. Durch deren Musik entsteht Arda und solange ihre Musik dauert, dauert auch Arda. Die Ainur, die auf die Erde geschickt werden, um sie zu formen, werden fortan die Valar genannt, die im heiligen Land Valinor leben – vergleichbar etwa mit dem Paradies der christlichen Religion. Zu diesem Zeitpunkt ist der Rest von Mittelerde noch ein unwirtlicher und dunkler Ort, denn einer der Vala, Melkor (später Morgoth genannt), entwickelt einen reichlich zerstörerischen Charakter und lässt sich in Mittelerde nieder, um niederzureißen, was die anderen Valar aufgebaut haben.

Als nun die Elben in Mittelerde erwachen, die Erstgeborenen, laden die Valar sie ein, mit ihnen in Valinor zu leben und ein Großteil folgt dieser Einladung auch. So verbringen die Elben zunächst viele glückliche und ungetrübte Jahrtausende in Valinor im Angesicht der Valar. Doch so handlungsarm darf die Geschichte natürlich nicht bleiben. Und so werden die drei Silmaril, Edelsteine von unbeschreiblicher Schönheit, den Elben zum Verhängnis. Sie treiben einen Keil zwischen sie und die Valar und viele der Elben verlassen Valinor, um nach Mittelerde zu ziehen. Dort aber lebt immer noch Melkor und fortan, auch nach der Ankunft der Menschen, wird das Land immer wieder von Krieg überzogen.

„Das Silmarillion“ erzählt hauptsächlich von den Wanderungen und Taten der Noldor-Elben, die Valinor verließen. Tolkien bedient sich hierbei einer seinem Thema angemessenen Sprache – der Text klingt antiquiert, da er sich hauptsächlich an alten Sagen und Mythen orientiert. Erzählt wird in großen Panoramen, Personen sind meist der Handlung untergeordnet, Dialoge oder direkte Rede sind eher selten. Da Tolkien ganze Zeitalter abhandelt, wird dem Leser automatisch große Aufmerksamkeit abverlangt. Namen und Orte tauchen reichlich und in unterschiedlichen Sprachen auf, sodass es sich anbietet, eine entsprechende Tolkien-Enzyklopädie zur Hand zu haben, um nicht schon nach den ersten Seiten komplett den Überblick zu verlieren. Klett-Cotta hat sich mit seiner Ausgabe zumindest die Mühe gemacht, ein kleines Namensregister und Wortstämme in Quenya und Sindarin (den beiden Elbensprachen) anzuhängen. Außerdem gibt es eine kurze Stammtafel ( die jedoch keineswegs umfassend ist) und zwei Karten auf den Buchklappen, auf die man während des Lesens öfter mal einen Blick werfen sollte. So gerüstet übersteht man hoffentlich auch Verwirrspiele wie jenes: „Hadors Söhne waren Galdor und Gundor; und Galdors Söhne waren Húrin und Huor; und Húrins Sohn war Túrin, Glaurungs Verderber; und Huors Sohn war Tuor, Vater Earendils des Gesegneten.“ Und so weiter und so fort. Da Tolkiens Geschichten sehr konzentriert sind, empfiehlt es sich „Das Silmarillion“ in kleinen Dosen zu genießen, da sonst kaum etwas vom Erzählten beim Leser hängen bleibt.

„Das Silmarillion“ ist sicherlich für Leser interessant, denen schon „Der Herr der Ringe“ gefallen hat und die tiefer in die Geschichte von Mittelerde eindringen wollen. Aber auch für jene, die sich allgemein für Mythologie interessieren, dürfte Tolkiens Mammutwerk eine wahre Fundgrube sein. Orientiert an alten nordischen Sagen, hat Tolkien hier eine komplette Mythologie des fiktiven Mittelerde geschaffen, die so reich an Tiefe und Details ist, dass es dem Leser glatt die Sprache verschlägt. Egal, ob man nun Tolkiens Fantasyreich verfallen ist oder nicht, diese schriftstellerische Leistung lässt sich kaum unterschätzen. Doch gerade diese Details machen „Das Silmarillion“ zu einer anstrengenden Lektüre – sprachlich wie inhaltlich. Wer nicht die Bereitschaft mitbringt, sich auf den Text einzulassen und Passagen auch mehrmals zu lesen, den wird die Lektüre schnell langweilen oder überfordern.

„Das Silmarillion“ liegt mir in der neuen Übersetzung von Wolfgang Krege vor, die ja wegen ihrer modernen Sprache in die Kritik geraten ist. Krege hält sich allerdings, bis auf wenige Ausnahmen, mit Modernismen im „Silmarillion“ relativ zurück und bedient sich einer – stellenweise monotonen – „und dann, und dann“-Sprache, die den Effekt alter Sagen hervorrufen soll. Nur an einigen Stellen gehen ihm die Zügel durch und absolut unpassende Wendungen ragen plötzlich unschön aus dem Text heraus. Solche stilistischen Ausrutscher lassen sich natürlich ganz einfach vermeiden, wenn man eine der zahlreichen englischen Ausgaben zur Hand nimmt und sich damit gleich dem Original widmet.

„Das Silmarillion“ eignet sich also für Tolkien-Fans und solche, die es werden wollen. Der panoramische Stil verbietet es, Charaktere darzustellen, mit denen man sich durch das Buch hindurch identifizieren kann. Figuren werden eingeführt und wieder fallen gelassen. Tolkien erweckt tatsächlich überzeugend den Eindruck einer Sage, die von lang vergangenen Reichen erzählt. Wem dies nicht liegt, der wird sich mit dem „Silmarillion“ schwer tun. Allen anderen sei das Buch empfohlen!

(p.s.: Wer keine Tolkien-Enzyklopädie zur Hand hat, um die Lektüre gut gerüstet zu beginnen, der findet einen treuen und zuverlässigen Begleiter in der [Encyclopedia of Arda]http://www.glyphweb.com/arda/ im Internet.)

J. R. R. Tolkien – Der Hobbit

In „Der Hobbit“ erzählt J. R. R. Tolkien die Geschichte des Hobbits Bilbo Beutlin. Hobbits sind nur etwa halb so groß wie Menschen und noch kleiner als Zwerge. Es ist gar nichts von Zauberei an ihnen, außer die alltägliche Gabe, rasch und lautlos zu verschwinden.

Eines Morgens bekommt Bilbo Beutlin überraschenden Besuch von Gandalf, dem Zauberer, und dreizehn Zwergen. Die dreizehn Zwerge, unter der Führung von Thorin Eichenschild, wollen versuchen, dem Drachen Smaug den Schatz wieder abzunehmen, den dieser dem Großvater von Thorin, dem König unter dem Berge, vor langer Zeit geraubt hatte. Zu diesem Zweck benötigen die Zwerge jedoch einen erfahrenen Meisterdieb, der sie unterstützen soll. Obwohl Bilbo gar keine Erfahrung als Meisterdieb und eigentlich auch überhaupt keine Lust auf ein Abenteuer hat, erklärt er sich bereit, die Zwerge auf ihrer Queste zu begleiten.

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