Michael Crichton war als Schriftsteller – spätestens seit den Filmerfolgen von Jurassic Park – weltbekannt. Häufig hatten seine Romane auch wissenschaftlichen Hintergrund, sei es den Ökoterrorismus in „Welt in Angst“, die Multiversen in „Timeline“ oder die Gefahren der Nanotechnologie in „Beute“. 2008 erlag er einem Krebsleiden, und doch erscheint im Jahr 2024 nun ein weiteres Werk mit ihm als Autor – in Co-Autorenschaft mit dem Bestsellerautor James Patterson, der nicht minder bekannt sein dürfte als Michael Crichton.
Hintergrund ist, dass Crichtons letzte Ehefrau Sherri Crichton Aufzeichnungen ihres verstorbenen Mannes gefunden und rekonstruiert hat. Darin hatte er seine Skizzen und Recherchen zum Vulkanismus niedergeschrieben. Dieser Fundus enthielt sogar Videoaufnahmen von ihm im Interview mit einem Vulkanologen. James Patterson war es schließlich, der diese Entwürfe und Aufzeichnungen zu einem Thriller vollendete.
Das Buch spielt auf Hawai’i, wo ein großer Ausbruch des Mauna Loa kurz bevorsteht. Die Geschichte setzt 116 Stunden, 12 Minuten und 13 Sekunden vor der Eruption ein. Und hier lernen wir den Wissenschaftler John MacGregor vom Hawaiian Volcano Observatory kennen. Die Daten sagen den wohl größten Ausbruch des Mauna Loa in seiner Geschichte voraus, doch soll die Lava nicht in die Stadt Hilo abfließen und damit Menschen bedrohen, sondern an der anderen Vulkanseite austreten. Daher ist MacGregor zunächst noch recht entspannt.
Doch dann erfährt er, dass die Army in den Tiefen des Vulkans ein streng gehütetes Geheimnis verbirgt – Behälter, die eine tödliche Substanz enthalten und die auf gar keinen Fall von der Lava umflossen werden dürfen – sonst droht das Ende der Welt.
Die Zeit rennt also, und guter Rat ist teuer: Wie lässt sich in wenigen Tagen ein Schutz für diese Behälter schaffen? Ein großes Team von Experten kämpft darum, die Höhle mit den fragilen Behältern zu schützen. Gezielte Sprengungen sollen helfen, die Lava in vorbestimmte Kanäle zu lenken. Doch lässt sich eine solche Naturgewalt tatsächlich beherrschen?
Naturgewalten
„Atemberaubend spannend, meisterhaft erzählt und absolut visionär ― das Thriller-Ereignis des Jahrzehnts von den weltweit gefeierten Bestsellerautoren Michael Crichton und James Patterson.“ – so verspricht es der Klappentext. Doch hält dieser, was er verspricht?
„Timeline“ war das erste Buch von Michael Crichton, das ich gelesen – nein verschlungen – habe. Mich hatte er mit seinem rasanten Schreibstil komplett gepackt und in der Geschichte gefangen genommen. Auch spätere Bücher wie Beute, Welt in Angst oder Micro habe ich gelesen. Aber keines hat mich nochmal so gepackt wie Timeline, höchstens Beute. Doch hatte ich immer mehr das Gefühl, dass die „Botschaft“ weiter in den Vordergrund rückte und die Spannung doch immer mehr ins Hintertreffen geriet.
Der erste grobe Blick in das 490 Seiten lange Buch zeigt mir, dass hier stolze 106 Kapitel auf die Lektüre warten – jedes beginnt auf einer neuen Seite. Auch ist die Schrift übersichtlich groß und großzügig gesetzt, sodass das Buch viel Weißraum enthält und rasend schnell durchgelesen ist.
Dies allerdings – leider – nicht, weil mich die Spannung sofort packte, sondern einfach, weil es nicht so arg viel Text gibt.
Der Einstieg ist gelungen: Im Prolog lernen wir Rachel Sherrill kennen, die einen Master in Naturschutzbiologie hat und im Botanischen Garten von Hilo eine sehr sonderbare Entdeckung macht, die ganz offensichtlich vertuscht wird. So färben sich dort Bäume urplötzlich und rasend schnell schwarz, als seien sie von innen heraus verbrannt.
Wie das mit der Eruption zusammenhängt, erfahren wir später. Das Tempo im Buch ist von Beginn an hoch, da wir ja kurz vor dem Vulkanausbruch einsteigen und es auch nicht lange dauert, bis wir erfahren, dass in diesem Fall nicht der Vulkanausbruch an sich die tödliche Gefahr ist – auch wenn es sich um den bislang größten Ausbruch überhaupt handeln wird. Nein, die Gefahr geht davon aus, dass die heiße Lava gewisse Behälter zerstören könnte, die eine wahrlich schauderhafte Substanz enthalten.
Früh ist also klar: Hier geht es um das Überleben der Menschheit!
Die Aufgabe klingt also schier überwältigend: Wie kann man innerhalb weniger Tage derart in einen aktiven Vulkan eingreifen, dass die Lava nur in eine bestimmte Richtung fließt? Diese Fragen erörtern die Autoren über weite Teile des Buches. Es geht um Bohrungen und Sprengungen, um Lava umzuleiten, darum, wie man Lava mit viel Meerwasser abkühlt oder auch um die Frage, ob man die Höhle mit Titanplatten gut genug abdecken oder Schutzwälle bauen kann, die hoch genug sind, um die Lava aufzuhalten.
Und als wären diese Aufgaben nicht schon schwierig genug, spielen hier auch noch die Befindlichkeiten der unterschiedlichen Charaktere hinein. Nur eine ausgewählte Gruppe von Menschen darf überhaupt wissen, was sich tief im Vulkangestein verbirgt. Bei den anderen steigt dadurch das Misstrauen, was wiederum dazu führt, dass diese beiden Gruppen von Menschen anfangen, nicht mit-, sondern gegeneinander zu arbeiten. Nicht sonderlich zuträglich in einer solch brenzligen Situation.
Der Ausbruch
Als der Vulkan schließlich ausbricht – weniger als 90 Seiten vor Ende des Buches -, überrascht der Mauna Loa doch alle Wissenschaftler, weil er nämlich auf der „falschen“ Seite ausbricht und somit alle möglichen Pläne über den Haufen wirft.
Ab diesem Moment werden die Kapitel noch kürzer, das Tempo noch rasanter, der Erzählstil noch hektischer. Ab hier liest man sich dann direkt bis zum Ende durch, weil man natürlich wissen möchte, wie das Buch ausgeht.
Hier haben die beiden Autoren noch einige Überraschungen parat und die Geschichte kostet hier nochmal etliche Menschenleben. Doch so gefährlich und katastrophal der Ausbruch auch ist – er lässt einen hier überraschend kalt, da man zu fast niemand der handelnden Personen – vielleicht einmal abgesehen von John MacGregor – eine Art Beziehung aufgebaut hat beim Lesen. Insofern nimmt man es doch recht gleichgültig hin, wenn die Lava die Menschen mitreißt.
Ruhe nach dem Sturm
Ich hatte mich sehr auf die Lektüre des Buches gefreut, da ich gerne Thriller mit wissenschaftlichem Hintergrund lese und von Michael Crichton und von James Patterson schon etliche Bücher gelesen habe. Der Einstieg gefiel mir auch sehr gut, das Thema ebenso, doch ab der Stelle, an der die Problematik bekannt wird, verheddern die Autoren sich in ihren Handlungssträngen. Hier geht es mir definitiv zu viel um Eingriffe in den Vulkan, die Diskussionen über das Umleiten, Aufhalten oder Abkühlen der Lava. Ich konnte hier nicht mehr folgen, außerdem treten immer mehr Personen auf, die man nur so nebenbei kennenlernt und die häufig auch gar keine Rolle spielen.
Rund 200 Seiten lang liest man einfach weiter, ohne aber in der Geschichte wirklich voranzukommen, das trübt den Gesamteindruck des Buches doch deutlich. Ja, das Buch ist spannend und liest sich auch sehr schnell durch. Aber so richtig mitgerissen hat es mich leider nicht, sodass ich es insgesamt doch nur mittelmäßig fand.
Gebundene Ausgabe: 496 Seiten
ISBN-13: 978-3442317714
Goldmann Verlag
Der Autor vergibt: