Jessica Kremser: Frau Maier geht ein Licht auf (Frau Maier 6)

Spannender Seniorenkrimi

Frau Maier kann mit Weihnachten nicht besonders viel anfangen. Ihr Interesse am alljährlichen Christkindlmarkt steigt allerdings, als ihr Bekannter, der Privatdetektiv Wolfgang Woitschak, ausgerechnet zwischen den Buden ein Verbrechen wittert. Er ist überzeugt, dass seiner Cousine Renate genau dort etwas zugestoßen ist. Und so lässt Frau Maier sich dazu überreden, Plätzchen zu verkaufen und ganz nebenbei ihr Umfeld unter die Lupe zu nehmen. Schnell werden ihr zwei Dinge klar. Erstens: Auf diesem Markt zeigen nicht alle ihr wahres Gesicht. Und zweitens: Zwischen Christbaumkugeln und Glühwein ist die Stimmung alles andere als besinnlich …

Doch auch privat ist Frau Maier gefordert, denn plötzlich gibt es nicht nur einen, sondern sogar zwei Männer in ihrem Leben – Eifersuchtsdrama inklusive. Auch in ihrem sechsten Fall muss Frau Maier wieder viel riskieren und all ihren Mut einsetzen, um das Verbrechen aufzuklären.. (Verlagsinfo)

Die Autorin

Jessica Kremser wurde in Traunstein geboren und wuchs am Chiemsee auf. Zum Studium der englischen und italienischen Literatur und der Theaterwissenschaften zog es sie nach München, wo sie als Redakteurin für verschiedene Zeitschriften schreibt.

Mit »Frau Maier fischt im Trüben« (2012) gab Jessica Kremser ihr Debüt als Kriminalschriftstellerin. Die erfolgreichen Bände »Frau Maier hört das Gras wachsen« (2013), »Frau Maier sieht Gespenster« (2015) , »Frau Maier wirbelt Staub auf« (2018) und »Frau Maier macht Dampf» (2021) folgten. „Frau Maier geht ein Licht auf“, gehört als Band 6 ebenfalls in diese Reihe.

Bei uns finden Sie ein INTERVIEW mit ihr.

Handlung

Frau Maier lebt allein mit ihrer Katze in Kauzing, das direkt am See liegt. Mit Putzjobs hält sie sich über Wasser, um sich das eine oder andere leisten zu können. Ihre drei männlichen Bekanntschaften hat sie kürzlich um den Wiener Privatdetektiv Wolfgang Woitschak erweitert, mit dem zusammen sie einen Fall lösen konnte. Sie fühlt sich gerade ein wenig einsam, als der „Woitschi“ anruft: Er mache sich Sorgen um seine Cousine Renate, die auf dem Christkindlmarkt, der auf einer der Inseln des Sees stattfindet, einen Stand gehabt habe. „Ja, aber seit Tagen ist sie nicht mehr zu erreichen“, klagt der Wiener Charmeur. „Wir müssen sie zusammen suchen und finden.“

Frau Maiers Neugier ist zwar geweckt, aber dieses vereinnahmende „Wir“ schmeckt ihr gar nicht. Und dann will der Woitschi auch noch, dass sie beide (!) Renates Stand übernehmen und quasi undercover die Ermittlung aufnehmen. Da er direkt draußen vor ihrer Tür steht, kann sie ihn schlecht abweisen. Nach dem Pläneschmieden schläft er auf dem Sofa, am nächsten Morgen geht’s los. Sie muss Andreas, den Bäcker, versetzen, der sich Wunder was über seine Beziehung zu ihr einbildet, dann geht’s mit dem Dampfer von Kauzing zur Insel.

Geheimnisse

Die weihnachtliche Stimmung auf dem Markt will nicht so recht zu dem Verschwinden Renates passen. Frau Maier und der Woitschi stellen sich bei den benachbarten Ständen als Vertretung für die „unpässliche“ Renate vor und beginnen sofort mit dem Verkauf von Wiener Gebäck. Doch wie sieht‘s mit Nachschub aus? Schon beim ersten Blick in Renates Rezeptbuch fällt Frau Maier eine Plastiktüte in die Hände, die mit kleinen Kristallen gefüllt ist. Sie lässt sie sofort verschwinden, als sich der Standnachbar Jens mit seiner Partnerin Heike vorstellt. Jens hat sehr scharfe Augen in seinem hageren nervösen Gesicht, und das macht Frau Maier vorsichtig. Aber auch dem Woitschi wagt sie nicht ihren Fund zu zeigen – was auch immer es sein mag. Wenigstens geht das Gebäck weg wie warme Semmeln, und nun soll sie selbst für Nachschub sorgen.

Eine Leiche

Am nächsten Tag spricht es sich herum, dass eine Leiche gefunden sei, drüben auf der Krautinsel: ein junger Mann, der in Drogengeschäfte verwickelt war. Die Polizisten nehmen auch Frau Maier in Augenschein und versuchen, sie auszuquetschen, aber sie wisse rein gar nichts, beteuert sie. Der Woitschi haut sie aus der Bredouille und bettelt um mehr Gebäck. Doch Frau Maiers Neugier ist geweckt und sie hat die Faxen dicke: Kurzerhand folgt sie dem Jens und einer Verkäuferin, die sich als Hildegard vorgestellt hat und Heilsteine verkauft. Die beiden treffen sich auf dem Friedhof des Klosters, bevor sie verschwinden. Haben sie einander was übergeben – Drogen gegen Geld und so? Frau Maier ist sich nicht sicher.

Bewusstlos

In den Fernsehnachrichten wird was von Christel Mett erwähnt – was soll das schon wieder sein? Aber die Christel ist Crystal, sagt das Smartphone, das „Mett“ ist Meth, was auch immer das sein mag – jedenfalls Rauschgift, Jessas! Am nächsten Tag wendet sich Hildegard an Frau Maier, die Frischgebackenes mitgebracht hat, um ihr was im Vertrauen zu sagen. Doch am bezeichneten Treffpunkt taucht die nette Verkäuferin gar nicht auf, sondern an ganz anderer Stelle ihr bewusstloser Körper, den Frau Maier sofort meldet. Lena Koch, die „Praktikantin“ des Marktveranstalters, kümmert sich um beide Frauen. Sie besorgt Frau Maier sogar ein Hotelzimmer in dem Dorf, in dessen Krankenhaus Hildegard gebracht wird.

Eine Drohung

So ein Hotelzimmer und die spendierte Pizza sind schon was Feines, denn Frau Maier kann sich solche exklusiven Domizile nicht leisten. Sie kommt sich in all dem Luxus wie ein überflüssiger Bauerntrampel vor. Doch ihre Ohren sind von bester Qualität: Mitten in der Nacht hört sie ein Rascheln an ihrer Zimmertür. Niemand antwortet auf ihr Rufen. Jemand hat einen anonymen Brief unter ihrer Tür durchgeschoben. Die Drohung trifft Frau Maier ins Mark. Sie denkt über das geforderte Aufhören nach. Aber kann sie das überhaupt noch?

Mein Eindruck

Frau Maier ist nicht Miss Marple, auch wenn so manches Detail an ihr an Agatha Christies Detektivin erinnert: Sie betagt, aber neugierig. Was Frau Maier definitiv fehlt, sind jedoch Initiative und Entschlossenheit. Auch Herr Woitschak würde als „Mr. Stringer“ kein gutes Bild abgeben, denn er ist viel zu beleibt, behäbig und egozentrisch, um als eifriger Assistent durchzugehen. Und soweit bekannt, hat Miss Marple auch keine Katze, um die sie sich kümmern muss.

Frau Maier ist, gerade zur Weihnachtszeit, sehr sentimental. Sie liebt die Weihnachtslieder ihres Idols Elvis Presley und die alten Gedichte ihres Onkels aus dem Jahr 1944. Ihr großes Herz verlangsamt jedoch ihre Gedankengänge, so dass in Renate Sedlacek eine gewiefte Ergänzung findet. Die Renate ist ein Wiener Urgestein, voller Initiative und Schläue. Beides hat sie aber nicht davor bewahren können, in ein einsam gelegenes Haus entführt zu werden.

Weil Frau Maier weit entfernt von der Realität lebt, wird sie sowohl von der Liebe als auch von Drogengeschäften überrascht. Immer wieder teilt uns die Erzählerin mit, wie langsam das Denken ihrer Hauptfigur vonstattengeht, wenn es um diese beiden Dinge geht, bis wir selbst in die Falle tappen, sie für unterbelichtet zu halten. Das ist Frau Maier mitnichten, auch wenn sie sich selbst immer wieder tadelt, sie denke zu langsam – wenn überhaupt.

Dafür verfügt sie über eine Menge „emotionaler Intelligenz“. Diese bewahrt sie nicht vor einem fatalen Irrtum: Sie lobt die beruflichen Pläne und Umsetzungsfähigkeit von Lena Koch, der „Praktikantin“. Doch sie hat die Richtung, in die diese Pläne gehen, völlig falsch eingeschätzt. Lena Koch setzt ihr Organisationstalent zwar gut ein, aber leider für kriminelle Machenschaften. Immerhin stutzt Frau Maier: Woher weiß die junge Frau so viel über sie, Frau Maier, und ihre Aktivitäten? Sie muss ausgespäht worden sein. Aber von wem?

Das Stockholm-Syndrom

Renate ist entführt worden, und Frau Maier findet sich bald an deren Seite, gefesselt und bewacht. Dennoch hat Lena Koch jede Menge zu fluchen und zu drohen, denn ihr Mann fürs grobe, der Basti, ist offensichtlich ein Waschlappen und Weichei: Er will sich partout nicht an netten alten Damen vergreifen. Zu welchen Schadtaten er fähig ist, will sich Lena Koch gar nicht ausmalen.

Auch der Leser ist angehalten, die bei jedem Kapitelanfang eingefügten Monologe mit den Ereignissen in einen sinnvollen Kontext zu setzen. Wer spricht? Wer ist der Angesprochene? Es geht um eine Situation, die sowohl intim als auch mit Zwang behaftet ist – ist dies das im Text erwähnte Stockholm-Syndrom? Die Autorin hat sich eine ungewöhnliche Wendung einfallen lassen, die sich wohl kaum für einen Tatort-Krimi qualifizieren würde. Wer wissen will, was die Standbesitzerin Hildegard mit all dem zu tun hat, muss das Buch selbst lesen.


Textfehler

S. 191: „Vergiftet im übertragen[d]en Sinn“: Das D ist überflüssig.

S. 269: „erklär[t]e Renate … mit vollem Mund.“ Das T fehlt.

Die Schrifttype des Buches ist so groß, dass Omas schwache Augen damit kein Problem haben sollten, die Buchstaben zu erkennen. Nur GROSSDRUCK ist noch größer.

Unterm Strich

Ich habe mehrere Tage für den kurzen Krimi gebraucht. Die Handlung schreitet nur langsam voran und liefert meist nur Anspannung statt Spannung. Richtig interessant wird es erst, als Hildegard im Krankenhaus landet und Frau Maier ihr süßes Geheimnis verrät, was diese wiederum veranlasst, noch energischer Lena Koch nachzuspionieren. Da gerät sie aber so richtig in den Schlamassel. Merkwürdig nur, dass Renate, die verschollene Cousine Woitschaks, überhaupt keine Furcht zeigt – alles ist ganz anders, als es Lena Koch geplant hat. Und so dauert es auch nicht lange, bis die Kavallerie eintrifft.

Dieser Krimi gehört, wie die ganze Reihe, in die Ecke des „Cosy Crime“, die anscheinend derzeit recht beliebt ist. Die Autorin hat es sich nicht einfach gemacht und einfach alles der Reihe nach erzählt, sondern verleiht ihrer Ermittlerin echte Tiefe – und ein Dilemma, das die Lady zwischen zwei Verehrern zeigt. Doch Frau Maier ist wie ihre schwarze Katze: Sie liebt die Eigenständigkeit, ihr trautes Heim und das Schwelgen in sentimentalen Gedicht- und Liedzeilen. Zum Glück hat sie eine Stimme des Gewissens – die ihres Psychologen Frank: Die erinnert sie daran, was ihre Christenpflicht zu Weihnachten ist: dem Andreas noch eine Chance zu geben. Wer weiß, vielleicht wird sie in seinen Armen auch zu schnurren anfangen.

Taschenbuch: 288 Seiten.
ISBN-13: 978-3865328656

www.pendragon.de

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