Drei heiße Eisen und ein finsterer Verdacht
Gleich drei Fälle machen Detective Sergeant Logan McRae in Aberdeen zu schaffen: Der Stürmerstar des lokalen Fußballklubs soll ein Serienvergewaltiger sein; ein achtjähriger Schüler hat einen Raubüberfall mit einem Mord abgeschlossen; und schließlich landet die unidentifizierte Leiche eine Pornodarstellers vor der Notaufnahme eines Krankenhauses. Eine volle Ladung Arbeit also, aber was McRae nicht ahnt: Es gibt ein paar Besessene in seiner Truppe, die ihm das Leben noch schwerer machen wollen… Während Logan der Spur nachgeht, versucht seine Kollegin Jackie Watson, den Vergewaltiger zu fassen, der die Straßen der Stadt unsicher macht …
Der Autor
Stuart MacBride war schon alles Mögliche: ein Grafikdesigner, dann ein Anwendungsentwickler für die schottische Ölindustrie und jetzt Kriminalschriftsteller. Mit seiner Frau Fiona lebt er in Nordostschottland. Seine Krimis um Detective Sergeant Logan McRae spielen in Aberdeen. Mehr Info unter www.stuartmacbride.com
Romane:
Logan McRae-Reihe
2005: Die dunklen Wasser von Aberdeen (Cold Granite, Goldmann, München 2006, ISBN 978-3-442-46165-3)
2006: Die Stunde des Mörders (Dying Light, Goldmann, München 2007, ISBN 978-3-442-46262-9)
2007: Der erste Tropfen Blut (Broken Skin, Goldmann, München 2008, ISBN 978-3-442-46574-3)
2008: Blut und Knochen (Flesh House, Goldmann, München 2009, ISBN 978-3-442-47029-7)
2009: Blinde Zeugen (Blind Eye, Manhattan, München 2010, ISBN 978-3-442-54683-1)
2010: Dunkles Blut (Dark Blood, Manhattan, München 2011, ISBN 978-3-442-54689-3)
2011: Knochensplitter (Shatter the Bones, Manhattan, München 2012, ISBN 978-3-442-54699-2)
2013: Das Knochenband (Close to the Bone, Manhattan, München 2014, ISBN 978-3-442-48194-1)
2014: In Blut verbunden (The Missing and the Dead, München 2016, ISBN 978-3-442-48336-5)
2016: Totenkalt (In the Cold Dark Ground, Goldmann, München 2017, ISBN 978-3-442-48566-6)
2018: Totengedenken (The Blood Road, Goldmann, München 2020, ISBN 978-3-442-48946-6)
2019: Die dunkle Spur des Blutes (All that’s dead, Goldmann, München 2022, ISBN 978-3-442-49299-2)
2025: This House of Burning Bones (englisch, Macmillan Publishers, ISBN 978-1-035-06488-5)
Ableger
Zur Logan McRae-Reihe existieren einige Ableger, die in unregelmäßigen Abständen veröffentlicht wurden.
2012: Mit tödlicher Absicht (Partners in Crime, Goldmann München 2014, E-Book, ISBN 978-3-641-13465-5) – McRae & Steel
2014: The 45% Hangover (Harpercollins Publishers 2015, englisch, ISBN 978-0-008-12826-5) – McRae & Steel
2015: 22 Dead Little Bodies (Harpercollins Publishers 2015, englisch, ISBN 978-0-008-14176-9) – McRae & Steel
2017: Eine Frage der Sühne (Now we are dead, Goldmann Verlag München 2019, ISBN 978-3-442-48826-1) – Roberta Steel
Oldcastle-Reihe
Die Oldcastle-Reihe spielt in der fiktiven schottischen Stadt Oldcastle. Den Anfang der Reihe machten zwei Romane mit Detective Ash Henderson, Personen aus diesen Romanen tauchen auch in weiteren Büchern der Oldcastle-Reihe auf.
2012: Das dreizehnte Opfer (Birthdays For The Dead, Goldmann Verlag, München 2013, ISBN 978-3-442-47969-6) – DC Ash Henderson
2014: Die Stimme der Toten (A Song For The Dying, Goldmann Verlag, München 2015, ISBN 978-3-442-48289-4) – DC Ash Henderson
2018: Der Totenmacher (A Dark So Deadly, Goldmann Verlag München 2018, ISBN 978-344-2-48567-3) – DC Callum MacGregor
2021: Der Garten des Sargmachers (The Coffinmaker’s Garden, Goldmann Verlag, München 2021, ISBN 978-3-442-49233-6) – DC Ash Henderson
2023: Das Blut der Opfer (No Less The Devil, Goldmann Verlag München 2023, ISBN 978-3-442-49407-1) – DS Lucy McVeigh
2023: Ein kalter Tod (The Dead of Winter, Goldmann Verlag, München 2024, ISBN 978-3-442-49491-0) – DC Edward Reekie
2024: In a Place of Darkness (englisch, 2024, ISBN 978-1-78763-494-7) – DC Angus MacVicar
Weitere Werke
2008: Sawbones (Barrington Stoke, ISBN 978-1-842-99529-7)
2009: Halfhead (Harper Collins Publ. UK, ISBN 978-000-7-34926-5)
2011: Zwölf tödliche Gaben: Zwölf kurze Weihnachtskrimis (Twelve Days of Winter: Crime at Christmas, Goldmann München 2016, ISBN 978-3-442-48047-0)
Handlung
Wieder einmal ist er nachts unterwegs auf den Straßen von Aberdeen, um eine Frau zu finden. Eine junge Frau, eine attraktive, voller Unschuld. Gut, wenn die Straße zu einer dunklen Gasse wird, so wie jetzt. Da geht sie vor ihm, auf dem Weg nach Hause. Das Messer in seiner Jacke wird gezückt. Er stürzt von hinten auf sie zu…
Da dreht sie sich um und tritt ihm so saumäßig in die Eier, dass er zusammenklappt. Das Messer fällt unter Schmerzensschreien zu Boden. Die Handschellen klicken. Dann gibt’s noch einen Tritt in die Rippen, voll Wut. Police Constable Jackie Watson hat den Serienvergewaltiger gefangen. Und schau mal einer an, was für fette Beute: der Stürmerstar des FC Aberdeen, kein anderer als Rob McIntyre…
Der Fußballstar
Detective Inspector Insch, ein Zwei-Meter-Hüne von enormem Leibesumfang, glaubt sich seinem Ziel nahe, den Serienvergewaltiger einzubuchten. Doch dessen Anwalt, der zischelnde Sid, fragt vor dem hohen Gericht, wo denn bitteschön die Beweise gegen seinen Mandanten seien? Wo sind die Trophäen, die der Täter seinen Opfer genommen hat, all die Ohrringe, Kettchen usw.? Wo sind die Fasern von der Kleidung? Und überhaupt war sein Mandant die ganze Zeit daheim, zu der die Taten gegangen wurden, und seine Verlobte könne dies ebenso bezeugen wie seine Mutter.
Rob McIntyre kommt mit einem Grinsen aus dem Gefängnis frei. Inspektor Insch schäumt. Insgeheim widersetzt er sich der Gerichtlichen Anweisung, sich von McIntyre fernzuhalten und setzt zwei seiner Leute zur Beschattung ein, darunter Jackie Watson, die es wirklich auf McIntyre abgesehen hat. Sie ist ebenso von dessen Schuld besessen wie Insch selbst. Detective Sergeant Logan McRae kommt erst ganz allmählich darauf, was seine Freundin Jackie hinter seinem Rücken treibt. Er glaubt, sie treffe sich mit einem anderen, ausgerechnet mit einem Kollegen, der ein ausgewiesener Idiot ist. Und das führt wiederum dazu, dass er selbst eine Dummheit begeht…
Der Pornostar
Das Krankenhaus von Aberdeen hat ja schon einige schräge Patienten bekommen, aber der hier schlägt alle: Ein Auto rast vor die Notaufnahme, ein Typ mit irischem Akzent zerrt einen schlaffen Körper aus seinem Wagen, legt ihn vor die Tür und braust wieder los. Der abgelegte Mann stirbt wenig später an inneren Blutungen. Wie die Pathologin entsetzt feststellt, wurde der Mann rekalt gefoltert – sein Anus und Enddarm sind nur noch blutige Überreste. Wer macht sowas bloß, fragt Isobel McAlister die Polizisten.
Wie sich zeigt, hat nur einer eine Antwort, die aber niemandem gefällt. Police Constable Rickards deutet an, dass der Unbekannte das Opfer von Fisting gewesen sein könnte – oder von einem Monsterdildo. Diese werden in der Pornobranche ebenso eingesetzt wie in der BDSM-Szene: Bondage, Dominanz, Sadomasochismus. Rickards’ Fachwissen kommt nicht von ungefähr: Er zählt sich selbst zur BDSM-Szene Aberdeens.
Pornoregisseur Zander Clark identifiziert den Toten als Jason Fettes, ein 21-jähriger Porno-Star in Clarks Machwerken. Fettes’ Wohnung entpuppt sich als reichhaltiges Lager von Pornomaterial, das die Polizei sogleich beschlagnahmt, um weitere Mitwisser oder sogar den Täter zu finden. Sie stoßen auf Fettes’ Ex-Kollegen Frank Garvie, der jetzt in der EDV-Branche arbeitet, weil er impotent ist. Aber Garvie hortet ebenfalls Pornos und zwar auf einem Notebook, das zugang zu verschlüsselten Servern hat. Betreibt Garvie die Server und sorgt so für einen kleinen Nebenverdienst? Inspektor Insch ist entschlossen, Garvies Leben zur Hölle zu machen.
McRae beschließt, sich von Rickards in die BDSM-Szene einführen zu lassen. Er stößt schon bald auf merkwürdige Leute. Sie sehen alle „normal“ aus, doch sie tun son geheimnisvoll…
Junge Räuber
Auf einem der zahllosen Überwachungsvideos, die die Polzei von Aberdeen täglich aufnimmt, ist die Untat deutlich zu erkennen. Eine Jugendbande hat eine schwangere Käuferin vor einem Supermarkt eingekreist, um sie auszurauben. Sie reißen sie zu Boden und klauen die Brieftasche. Da kommt ein alter Kerl dazu, um ihr bezustehen. Er geht auf einen Achtjährigen los, der unvermittelt ein Messer zückt, das er dem Alten in den leib stößt. Der alte Mann stirbt an den Stichen, dich die Jugendbande entkommt.
Nicht unerkannt jedenfalls. Der junge Mörder ist Sean Morrison, Sprößling eines unbescholtenen Elternhauses. Als die Polizisten ihn wenige Tage später einkreisen, setzt er sich erneut zu Wehr und verletzt die Polizistin Nairn so schwer am Hals, dass ihr Leben an einem seidenen Faden hängt. Dann hat Logan McRae endlich einen genialen Einfall. Morrison muss einen Unterschlupf haben, und wie sich zeigt, bricht er stets in leerstehende Häuser ein – auch um sie auszurauben und die Beute zu verkloppen. Die Auswahl ist nicht zufällig: Die Häuser gehören den Familien von Mitschülern. Sean weiß genau, wer in Urlaub ist. Und so fällt es Logan nicht schwer, Sean Morrison, dem achtjährigen Mörder, eine Falle zu stellen…
Mein Eindruck
Soweit das erste Drittel des Buches. Ich habe es in nur drei bis vier Tagen gelesen, denn die Handlung ist abwechslungsreich, mit sarkastischem Witz erzählt und treibt auf einen dramatischen Showdown zu. Denn alle Stränge der Handlung sind miteinander verknüpft. Sean Morrison ist ein Opfer sexuellen Missbrauchs in seiner Familie geworden und hat sich völlig gewandelt. Doch jemand hat vom Missbrauch ein Heimvideo angefertigt und es auf die verschlüsselten Server gestellt. Diese dienen den perverseren Mitglieder der BDSM-Szene als „Inspirationsquelle“. Aber auch Rob McIntyre, fragt sich McRae. Das ist noch offen.
Der Stürmer als Schlitzer
Mit dem Fall McIntyre fasst der Autor ein heißes Eisen an: Ein Fußballstar soll ein Serienvergewaltiger und Schlitzer sein? Die Öffentlichkeit ist ebenso entsetzt wie die Medien, die McIntyre in vorauseilendem Gehorsam schon mal freisprechen. Doch als die Überfälle auf junge Frau in Dundee weitergehen und McIntyres Beschattung weiterhin nichts ergibt, versucht McRae, der Sache ein Ende zu bereiten – und fasst einen ganz anderen Kerl, der es auf McIntyre abgesehen hat. Zum Glück kann er alle, deren illegale Beschattungsaktion aufgeflogen ist, dadurch vor der Supendierung bewahren, indem er angibt, er und Jackie Watson hätten MCIntyre lediglich beschützen wollen. Wass ja auch genau der Fall war. Das war haarscharf….
Jugendliche Straftäter
Auch die Behauptung, dass jetzt schon Achtjährige zu Mördern werden, ist nicht so ohne weiteres hinzunehmen. Wie konnte aus dem aufgeweckten Schüler Sean Morrison, der viele Freunde hatte, ein einzelgängerischer Bandenführer werden, der vor tödlicher Gewaltanwendung nicht zurückschreckt. Inspektorin Steel interessiert diese Frage, die McRae umtreibt, nicht die Bohne. Natürlich heftet sie sich die Lorbeeren an die Brust, als etwas bei Logans Nachforschung herauskommt: Er findet den Täter, der Sean missbrauchte.
Cops im Zwielicht
Während sich McRae weiter in die zwielichtige Welt des Sadomaso-Pornos und der BDSM-Szene vorarbeitet, um den Mörder von Jason Fettes zu finden, bekommt aber auch seine Truppe einiges ab. Nicht nur die illegale Beschattungsaktion, die Jackie Watson auf Inschs Anweisung die Nächte raubt, ist völlig daneben. Auch Inschs und Jackies Besessenheit mit McIntyre findet McRae weit überzogen. Und als Jackie genau in jener Nacht, in der McIntyre völlig zusammengeschlagen aufgefunden wird, macht McRae an seiner Freundin eine sehr beunruhigende Entdeckung…
Showdowns
Jeder der drei Handlungsstränge – Sean Morrison, McIntyre und schließlich Fettes’ Mörder – wird einem Showdown zugeführt. Das Buch wird auf diese Weise nicht langweilig. Auch der schräge Humor sorgt für Auflockerung, so dass nicht alles so grimmig wirkt, wie es jetzt in meiner Beschreibung klingt. Insch beispielsweise will eine Operette von Gilbert & Sullivan mit Amateuren zur Aufführung bringen. McRae, ein stiller Zuschauer, ist bestürzt über das Ausmaß an Ahnungslosigkeit und Unbeholfenheit, die die Truppe an den Tag legt. Vielleicht ist Insch deshalb ständig auf hundertachtzig und pfuscht anderen Inspektoren so lange ins Handwerk, bis er vom Dienst suspendiert wird.
Schwäche
Dieser dritte Band der McRae-Reihe hat mir nicht so gut gefallen wie der Vorgänger oder wie das semidokumentarische „Flesh House“. Woran kann es gelegen haben, frage ich mich. Die Handlung ist in drei Hauptstränge aufgeteilt, die nacheinander abgeschlossen werden. Doch daneben gibt es noch eine Reihe Nebenhandlungen, in denen skurrile Figuren ebenso auftauchen wie zwielichtige, denen man nicht traut. Der Eindruck soll der eines engmaschigen Netzes sein, doch in Wahrheit entstand bei mir – besonders in der Mitte – der Eindruck der Ziellosigkeit. Der Autor hätte bestimmte Kapitel und Szenen weglassen sollen.
Außerdem fand ich es merkwürdig, dass es in der für den zentralen Charakter McRae so wichtigen Beziehung zu Jackie Watson erhebliche Kommunikationsprobleme gibt. Es kommt nie zu einer Aussprache, sondern vielmehr entstehen Verdachtsmomente, die wiederum peinliche Folge nach sich ziehen. Dieser Vertrauensverlust führt wohl schon in „Blind Eye“ zur Trennung von Jackie. In „Flesh House“ blickt McRae nur noch darauf zurück, in Zorn und Wehmut. Man sieht also, dass sich die Figuren chronologisch weiterentwickeln. Deshalb lohnt es, der Serie wie einer kriminalistischen Seifenoper zu folgen.
Unterm Strich
In diesem dritten Band seiner Logan-McRae-Serie packt der Autor mehrere heiße Eisen an: Serienvergewaltigung durch einen Sport-Promi; Kindesmissbrauch für Filmzwecke; BDSM-Pornos und die spezielle Besessenheit, die mit der Macht über Leben und Tod einhergeht. Weil auch die Polizisten besessen sind, einen Verdächtigen zu schnappen, geraten auch sie ins Zwielicht und ins Kreuzfeuer der Kritik.
Nur Detective Sergeant Logan McRae haut die Truppe wieder raus. Er ist zwar ein rückgratloser Schweinehund, wenn es um Aufrichtigkeit geht, aber dennoch eine ehrliche Haut. Er wird nur ständig von seinen Vorgesetzten ausgenutzt, gebeutelt, getriezt,entehrt, als wäre er der Schütze Arsch bei der Truppe. Natürlich muss er seine Untergebenen ebenso ausnutzen. Er tut aber wenigstens ohne Hintergedanken und lässt ihnen ihre Menschenwürde. Insofern ist McRae eine neue Art von Krimiheld: weder der genialische Einzelgänger à la Maigret noch ein Actionheld à la James Bond noch ein totaler Teamarbeiter wie so mancher TV-Kommissar.
Ich fand auch diesen Band wieder sehr spannend, anrührend und in seiner Kritik nachdenklich machend. Ich bin ja kein Schotte, aber wenn ich einer wäre, dann würden mich so manche Dar- und Unterstellungen ganz schön auf die Palme bringen. Und das betrifft nicht mal die Politiker. MacBrides Krimis geben tiefen, ungeschminkten Einblick in das schwarze Herz der modernen Stadtkultur – so ungeschminkt, dass man gute Nerven und einen stabilen Magen haben muss, um diese Darstellungen auszuhalten. Jugendliche unter sechzehn Jahren sollten lieber die Finger davon lassen.
Taschenbuch: 512 Seiten
O-Titel: Broken Skin, 2007
Aus dem Englischen von Andreas Jäger.
ISBN 9783442465743
Goldmann-Verlag
Der Autor vergibt: