Pino und sein großer Bruder Janne bleiben zum ersten Mal ein ganzes Wochenende allein ohne ihre Mutter zu Hause. Scheinbar ist das kein Problem, denn Janne und Pino sind ein tolles Team. Kaum ist die Mutter allerdings aus dem Haus, will Janne nur noch chillen und lässt den kleinen Pino links liegen. Dessen verzweifelte Versuche, seinen Bruder zum Spielen zu bewegen, enden mit einem verhängnisvollen Satz: „Ich wünschte, ich hätte damals einen Hund bekommen und keinen nervigen kleinen Bruder!“ Als Pino aus der Ohnmacht aufwacht, die Jannes zuschlagende Zimmertür beim Zusammenprall mit seinem Kopf verursacht hat, ist er ein kleiner Hund. Obwohl Janne einen Verdacht hegt, als er statt seines Bruders einen Hund mit Pinos Halstuch in der Wohnung findet, gerät Pino in Panik und rennt davon, bis er sich in einem Teil der Stadt wiederfindet, den er nicht kennt.
Nun gilt es zu lernen, wie man sich als Hund verhält und in der Großstadt zurecht kommt. Der Hund Pino darf keine Angst vor großen Hunden haben. Auch die Nacht darf ihn nicht länger ängstigen. Doch im Laufe des Wochenendes erkennt Pino auch die Vorteile, die ein Hundeleben mit sich bringt, zum Beispiel den geschärften Hör- und Geruchssinn. Während er der erfahrenen Straßenkatze Fritzi auf einer abenteuerlichen Suche nach einem „Ring mit buntem Gestreu, einem Glitzerdings und dem Knochen einer riesigen Bestie“ durch die Stadt folgt, mit denen eine Zauberin den Fluch rückgängig machen können soll, wächst er so manches Mal über sich hinaus und findet im Theaterhund Berthold noch einen weiteren Freund. Doch als die Tiere scheinbar kurz davor stehen, ihre Wünsche erfüllt zu bekommen, wird alles erst so richtig aussichtslos.
Obwohl es sich um ein Kinderbuch handelt, von dem man nichts anderes erwartet, als dass es am Ende gut ausgeht, gelingt es Annika Scheffel, Pinos Verwandlung als unlösbares Problem darzustellen. Was mit einem wütend dahingesagten Satz beginnt, kann selbst in der Kinderliteratur nicht so einfach rückgängig gemacht werden, denn Zauberer gibt es bekanntlich nicht. Also beginnt man als Leser spätestens ab der Hälfte des Buches Pinos immer größer werdende ängstliche Gewissheit, für immer ein Hund bleiben zu müssen, zu teilen. Dabei jongliert die Autorin so gekonnt mit Worten, dass nicht nur Pinos Gedankenströme sich förmlich abhetzen, sondern auch die Vorlesenden manchmal richtig außer Atem geraten. Aneinanderreihungen wie die folgende sind dann auch das wirklich Besondere des Buches: „Pino hört das schrille Quietschen der Autos, das tiefe Summen der Bienen, er hört die sanften Wellen des Flusses (…) und er hört jedes geflüsterte Wort. Und er riecht! Oh, wie alles duftet! Pino schnüffelt ganz tief ein: Er riecht Seife und Benzin und frische Croissants und warmen Teer und würzigen Kaffee und …. Würstchen. Ohhh, Wüüüüüürstchen! Pino läuft das Wasser im Maul zusammen. Leckerleckerlecker!“ Annika Scheffe hat die perfekte Erzähltechnik für eine absurde Geschichte gefunden, in der sich an einem kurzen Wochenende sowohl die Gedanken als auch die Ereignisse immer wieder völlig überschlagen und zwei Kinder einen großen Schritt in Richtung Erwachsenenleben tun. Dabei wechseln sich solche Bewusstseinsströme und Beschreibungen immer wieder mit wörtlicher Rede ab, die ein wenig Tempo aus der Geschichte nimmt und zur Klärung von Situationen beiträgt.
Nahezu alle Doppelseiten beinhalten auch Illustrationen von Lisa Rammensee. Sie hat wichtige Szenen und Gefühlsausdrücke in farbige Bilder gefasst, welche jungen Lesern beim Verständnis helfen und manchmal auch über das geschriebene Wort hinausgehen, wie bei Jannes und Pinos gemeinsamen Versuchen, die Rückverwandlung einzuleiten.
„Pino. Ein Abenteuer auf vier Pfoten“ ist ein rundum gelungenes Kinderbuch über Selbstfindung, Geschwisterliebe und Freundschaft. Unbedingt empfehlenswert!
Gebundene Ausgabe: 160 Seiten
ISBN-13: 978-3748802655
Dragonfly
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