Alle Beiträge von Birgit Lutz

Kendall, Anna – Pfad der Seelen, Der

_|Soulvine Moor Chronicles|:_

Band 1: _“Der Pfad der Seelen“_
Band 2: „Dark Mist Rising“ (noch ohne dt. Titel)

_Roger ist eine Waise_ und lebt bei seinem Onkel und seiner Tante. Über seine Eltern weiß er überhaupt nichts, dafür weiß er eine Menge über das Reich der Toten. Denn Roger besitzt die Fähigkeit, auf den Pfaden der Toten zu wandeln. Dankbar ist er dafür allerdings nicht, denn sein Onkel ist ein rücksichtsloser und brutaler Mann, der Roger nach Strich und Faden ausbeutet. Aber selbst, als Roger wie durch ein Wunder nach Gloria kommt, der Hauptstadt des Reiches, erweist seine Gabe sich eher als Fluch denn als Segen …

_Obwohl Roger durch eine_ harte Schule gegangen ist, ist er in mancher Hinsicht noch recht naiv. Vor allem von Frauen hat er keine Ahnung. Er selbst hält sich vor allem für einen Feigling. Aber dumm ist er nicht. Cecilia dagegen, die Hofdame, in die Roger sich verguckt, ist nichts weiter als ein Schmetterling: hübsch, schillernd, harmlos und ohne jeglichen Verstand. Ganz anders Maggie, die sich ihrerseits in Roger verguckt hat. Maggie ist eine Küchenmagd, besitzt jede Menge praktischen Menschenverstand und ist außerdem hilfsbereit und treu.

Weit schwerer einzuordnen ist die junge Königin Caroline. Sie ist ehrgeizig und fürsorglich, charmant und rücksichtslos. Das Einzige, dessen man sich bei ihr sicher sein kann, ist, dass sie das Beste für ihr Land will. Ihre Methoden, das zu erreichen, sind allerdings recht bedenklich.

Den Part des Geheimnisvollen übernimmt Mutter Chilton, eine Heilerin, die offenbar mit den gefürchteten Bewohnern des Seelenrankenmoores zu tun hat. Sie scheint eine Menge zu wissen, gibt aber nichts davon preis.

Den Entwurf der Charaktere fand ich gar nicht schlecht. Vor allem die schillernde Figur der Caroline hat mir gefallen. Und auch Rogers Verwirrung angesichts des Königshofes und seine Vernarrtheit in Cecilia sind gut getroffen. Trotzdem hat es nicht zu echter Tiefe gereicht. Denn die genannten Punkte dominieren Roger so sehr, dass andere interessante Aspekte darunter leiden, zum Beispiel seine Fragen in Bezug auf seine Eltern. Und dem Konflikt zwischen Caroline und ihrer Mutter Eleonore fehlte jegliche Basis, weil nirgendwo erwähnt wird, warum Eleonore ihre Tochter für ungeeignet hält, das Land zu regieren.

Genauso sparsam war die Autorin mit der Ausarbeitung ihrer Welt. In der Kultur, die sie entworfen hat, gilt es als natürliche Ordnung der Dinge, dass Frauen regieren, weil Männer nur zum Beschützen taugen. Dennoch gibt es außerhalb der Königshäuser keinerlei Anzeichen für eine matriarchalische Gesellschaftsordnung, eher im Gegenteil, denn außer Rogers Onkel und Tante tauchen kaum einfache Leute auf, die verheiratet sind, und der Onkel unterdrückt seine Frau genauso wie seinen Neffen. Und die „Wilden“, mit denen Caroline sich verbündet hat, und die in einer völlig anderen Gesellschaftsform leben, bleiben eine kaum ausgearbeitete Randerscheinung.

Auch Magie ist kaum vertreten. Rogers Fähigkeit, das Totenreich zu betreten, ist vorerst das einzige Detail, das dieses Buch zu einem Fantasy-Roman macht. Die Ereignisse in Hyrgyll wirken eher wie Schamanismus. Und der Raub fremder Seelen, der den Bewohnern des Seelenrankenmoores vorgeworfen wird, ist bisher lediglich ein Statement ohne jede Erklärung. Vielleicht hat Mutter Chilton magische Fähigkeiten. Wenn ja, hat sie sie erfolgreich vor jedem verborgen, selbst vor dem Leser.

Zugegeben, das Seelenrankenmoor und alles, was damit zusammenhängt, klingt sehr geheimnisvoll und macht neugierig. Die eine oder andere Antwort hätte ich aber schon gern gehabt. Und es ist ja nicht so, dass das Buch mit seinen knapp vierhundert Seiten bereits die Grenzen eines erträglichen Umfangs erreicht hätte. Statt dessen hat die Autorin sich offenbar fast alles, was damit zusammenhängt, für den nächsten Band aufgehoben, was ich ein wenig unbefriedigend fand. Zumal die Handlung trotz interessanter Entwicklungen und Wendungen nie wirklich spannend wurde. Obwohl Caroline sich in ziemliche Schwierigkeiten gebracht hat, fehlt ihrer Situation jegliche Dynamik, weil der Ich-Erzähler, nämlich Roger, in der entscheidenden Phase die Stadt verlässt! Und die bedenkliche Entwicklung im Totenreich wirkt sich ebenfalls nicht auf die Spannungskurve aus, weil nirgendwo ein Zusammenhang zwischen den beiden Welten hergestellt wird, aus dem man Rückschlüsse ziehen könnte, ob und wie sich ein Kollaps des Totenreiches auf die Welt der Lebenden auswirken würde.

_Schade, daraus_ hätte man mehr machen können. Eine detailliertere Ausarbeitung der „Wilden“ und ihres Anführers hätte der unbestritten prekären Situation Carolines noch einiges an zusätzlichem Pfeffer verleihen können, ebenso hätte die intrigante Stimmung innerhalb des Hofes von zusätzlichen Einzelheiten über die Entstehung des Königinnenstreits profitiert. Und ein paar Antworten mehr in Bezug auf das Seelenrankenmoor und seine Bewohner hätten vielleicht eine nachvollziehbare Erklärung für Cecilias Rolle in der ganzen Geschichte geliefert, denn wenn Caroline sie tatsächlich an den Hof geholt hat, weil sie hoffte, das Mädchen besäße dieselbe Gabe wie Roger, warum hat sie sie dann nicht nach Hause geschickt, sobald offensichtlich wurde, dass die einzige Gabe dieses geistlosen Geschöpfes ihr hübsches Aussehen war?

Hier wurde definitiv Potenzial verschenkt. Manches davon war sicherlich Absicht, denn das Ende des Buches deutet unmissverständlich auf eine Fortsetzung. Vieles andere dagegen wäre für den nächsten Band gar nicht mehr relevant und wurde folglich nicht absichtlich aufgespart. Ich hoffe daher stark, dass Anna Kendall sich in ihrem nächsten Buch etwas mehr auf ihre eigene Geschichte einlässt, dass sie sich die Mühe macht, die Situation ihrer Figuren etwas genauer zu beleuchten und allem damit etwas mehr Farbe zu verleihen, und dass sie es schafft, ihren Konflikten genug Sprengkraft zu verleihen, um echte Spannung zu erzeugen.

_Anna Kendall_ ist gebürtige Irin, lebt aber heute in den USA. Sie war lange als Lehrerin tätig, ehe sie sich dem Schreiben widmete. „Der Pfad der Seelen“ ist ihr Debutroman und wurde im englischsprachigen Raum als Buch für junge Erwachsene ausgewiesen.

|Taschenbuch: 384 Seiten
Originaltitel: Crossing Over
Aus dem Englischen von Simone Heller
ISBN-13: 978-3442267927|

Sanderson, Brandon – Weg der Könige, Der (Die Sturmlicht-Choniken 1, Teil 1)

Die Sturmlicht-Chroniken:

Band 1: „Der Weg der Könige“
Band 1 (Teil 2): „Der Pfad der Winde“ (08.08.2011)
Band 2: – angekündigt für Ende 2012 / Anfang 2013 –
Band 3: – angekündigt für „ein Jahr nach Band 2“ –

Kaladin ist der Sohn eines Chirurgen und wurde von seinem Vater dazu ausgebildet, ebenfalls Chirurg zu werden. Inzwischen ist er allerdings ein Sklave, der täglich ums Überleben kämpfen muss. Sein Wunsch, anderen Menschen zu helfen, scheint jedoch unverwüstlich zu sein …

Shallan ist eine junge Adlige, deren Familie in ziemlichen Schwierigkeiten steckt. Deshalb will sie unbedingt von Prinzessin Jasnah als Mündel angenommen werden. Diese Position würde sie in die Lage versetzen, einen kniffligen Plan in die Tat umzusetzen. Doch je besser Shallan ihre Mentorin kennen lernt, desto größer werden ihre Skrupel …

Szeth ist eine Waffe. Und diejenigen, die über den Einsatz dieser Waffe entscheiden, haben ihm einen extrem unangenehmen Auftrag erteilt: Töte den König von Alethkar!

Dalinar, der Bruder des Königs, war einst ein viel bewunderter, starker Krieger. In letzter Zeit aber hat er regelmäßig Anfälle und Visionen, die er nicht deuten kann. Dalinar ist überzeugt davon, dass diese Visionen wichtig sind, doch im Heer machen bereits Gerüchte über Schwäche und Wahnsinn die Runde …

„Der Weg der Könige“ ist ein richtig dicker Schinken, und das liegt nicht unbedingt an der Tiefe der Charakterzeichnung. Tatsächlich erfährt man über die Charaktere nicht allzu viel. Kaladin war schon als Junge hin- und hergerissen zwischen Heilen und Kämpfen, denn obwohl er Letzteres gar nicht gelernt hat, beherrscht er es ziemlich perfekt. Seine Überzeugung, auch durch Kämpfen andere Menschen retten zu können, wird allerdings schon bald über den Haufen geworfen. Wer – oder besser, was genau – Kaladin tatsächlich ist, erfährt der Leser jedoch nicht. – Schallan liebt vor allem die Naturwissenschaften, und wäre ihre Familie nicht in Gefahr, würde sie das Studium bei Prinzessin Jasnah in vollen Zügen genießen. Wie genau es aber gekommen ist, dass ausgerechnet sie die Familie retten muss, obwohl sie doch noch eine Menge Brüder hat, ist bisher nicht klar geworden. – Von Szeth erfährt man nur, dass ihm das Töten nicht gefällt. Was dazu geführt hat, dass er eine solche Aufgabe auferlegt bekam, ist nirgendwo erwähnt. – Und auch Dalinar ist zumindest bisher noch auf den inneren Kampf beschränkt, der sich in ihm abspielt, seine Unsicherheit im Hinblick auf seine Visionen und seine Bemühungen, das Reich zusammenzuhalten.

Ich fand es ein wenig schade, dass die Figuren so stark auf einige wenige Punkte ihrer Persönlichkeit beschränkt waren. Bei Dalinar störte es mich noch am wenigsten, Shallan dagegen wirkt schon ein wenig flach, und auch Kaladin darf sich durchaus noch entwickeln.

Ähnliches gilt für den Entwurf der Welt. Es ist eine kahle, abweisende Welt. Regelmäßig toben tödliche Stürme über das Land hinweg, was dazu geführt hat, dass selbst die Vegetation mit Stein gepanzert ist oder sich beim geringsten Anzeichen von Gefahr versteckt. Der Großteil der Handlung spielt auf einer Ebene, die in zahllose Stücke unterschiedlicher Größe zerbrochen ist. Die Spalten zwischen den Stücken sind schroff, tief und werden bei jedem Sturm von tödlichen Wassermassen geflutet. Ein wenig wohnlicher wirkt die Stadt, in der Schallan sich aufhält, allerdings beschränkt die Beschreibung sich hier großteils auf die Bibliothek, in der Shallan ihren Studien nachgeht.
Auch die Darstellung der Magie ist lückenhaft. Sie beruht bisher hauptsächlich auf Sturmlicht, einer Art Energie. Diese Energie wird gewonnen, indem Edelsteine dem Sturm ausgesetzt und dabei sozusagen aufgeladen werden. Diese Energie kann aber nicht nur für Magie, sondern auch für Maschinen benutzt werden. Edelsteine sind deshalb von immenser Bedeutung und werden auch als Zahlungsmittel benutzt. Szeth allerdings scheint die Energie direkt in sich aufzunehmen, wie er das schafft, ist unklar.

Dabei wäre genug Raum gewesen, um diesbezüglich etwas mehr ins Detail zu gehen. Zumindest hätte man die Handlung zugunsten dieser Details problemlos ein wenig kürzen können, denn stellenweise zieht sie sich schon ziemlich. Vor allem der Teil in den Kriegslagern hätte Straffung vertragen. Nicht, dass es uninteressant gewesen wäre, wie Kaladin sein persönliches Tief überwindet und erneut den Kampf ums Überleben auf für seine Leidensgenossen aufnimmt, oder wie die Situation für Dalinar immer schwieriger wird. Was stört, ist die Tatsache, dass sonst nichts geschieht. Ich hätte nicht gedacht, dass ich so was mal sagen würde, aber hier wurde schon ein wenig zu viel Augenmerk auf die Entwicklung von Personen gelegt, vor allem, weil sich diese Entwicklung nur auf einen einzigen Punkt bezog.

Vielleicht hätte Brandon Sanderson diesen Eindruck ein wenig abmildern können, wenn er seine Handlungsstränge etwas mehr gemischt hätte. Statt dessen hat er sich stets über längere Zeit auf höchstens zwei dieser Stränge konzentriert und die anderen währenddessen komplett ruhen lassen. Im Falle von Szetz ist es sogar so, dass er fast nur in den Zwischenspielen vorkommt und kaum als eigener Handlungsstrang bezeichnet werden kann.

Insgesamt blieb ein durchwachsener Eindruck zurück. Es braucht Zeit, bis man sich eingelesen hat, da der Autor von Anfang an ziemlich gnadenlos mit spezifischen Begriffen um sich wirft, deren Bedeutung der Leser sich erst erschließen muss. Die Ideen im Zusammenhang mit der Magie, der Kultur und der Historie der Welt klingen aber sehr vielversprechend, die Figuren sind sympathisch und nachvollziehbar. Ein Plot ist bisher allerdings kaum auszumachen, da die Handlung trotz diverser Kämpfe gegen Feinde und Ungeheuer großteils auf der Stelle tritt. Da es sich um einen Mehrteiler handelt, ist davon auszugehen, dass Figuren, Magie und Historie noch weiter ausgebaut werden, schließlich gibt es eine ganze Menge Fragen zu beantworten, und darauf bin ich ziemlich neugierig. Ich hoffe allerdings, dass sich die Handlung im nächsten Band etwas zügiger entwickelt, als sie es bisher getan hat.

Brandon Sanderson gehört zu denjenigen, die bereits als Kinder phantastische Geschichten schrieben. Sein Debütroman „Elantris“ erschien 2005, seither war er ungemein fleißig. Neben den Sturmlicht-Chroniken schreibt er an seinem Jugendbuchzyklus Alcatraz, der inzwischen bis Band vier gediehen ist sowie an den beiden Serien Warbraker und Dragonsteel. Außerdem hat er das Angebot angenommen, nach Robert Jordans Tod dessen Zyklus Das Rad der Zeit zu Ende zu bringen. Auch dafür sind drei Bände veranschlagt, von denen zwei bereits erschienen sind. In der deutschen Übersetzung wurden die Bände geteilt, zusätzlich zu den beiden, im letzten Jahr erschienen Büchern wurden für Oktober zwei weitere angekündigt. Gleiches gilt auch für die Sturmlicht-Chroniken, denn im englischen Original existiert bisher nur ein Band, trotzdem kommt im August eine Fortsetzung unter dem Titel „Der Pfad der Winde“ in die deutschen Buchläden.

Hardcover: 896 Seiten
Originaltitel: The Way of Kings – The Stormlight Archive 1 (Teil 1)
Aus dem Amerikanischen von Michael Siefener
 Mit zehn Schwarzweiß-Abbildungen
 ISBN: 978-3-453-26717-6
http://www.randomhouse.de/heyne
 http://www.brandonsanderson.com

Der Autor vergibt: (4.0/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (3 Stimmen, Durchschnitt: 4,33 von 5)

Chandler, David – Metropole der Diebe, Die (Ancient Blades 1)

_|Ancient Blades|_:

Band 1: _“Die Metropole der Diebe“_
Band 2: „Das Grab der Elfen“ (April 2012)

_Malden ist ein_ Hurenbastard. Aber das ist nicht der einzige Grund, warum er es nicht zu einem ehrlichen Beruf gebracht hat. Malden ist fürs Stehlen sozusagen geboren. Bei der Wahl seines letzten Zieles hat er allerdings einen Missgriff getan! Nun steht er vor Cutbill, dem Oberhaupt der Diebesgilde, und gleichzeitig vor der Wahl, zu unverschämten Bedingungen derselben beizutreten oder abgemurkst zu werden. Eine Wahl mit weitreichenden Folgen …

_Dass Malden dermaßen_ zwischen die Fronten gerät, liegt nicht nur an seinen Entscheidungen, sondern auch an den Umständen. Die Stadt Ness, in der Malden lebt, genießt einen Sonderstatus im Königreich Skrae: Ihre Bewohner sind alle freie Bürger, zumindest, solange sie die Stadt nicht verlassen. Denn das Reich gründet sich auf einem Feudalsystem, in dem jeder, der nicht über ein eigenes Stück Land verfügt, automatisch ein Sklave oder ein Leibeigener ist. In Ness gibt es weder Sklaverei noch Leibeigenschaft, was zumindest die theoretische Möglichkeit eröffnet, dass ein Mann wie Malden trotz seiner niedrigen Geburt es dort zu etwas bringen kann.

Praktisch stößt Malden jedoch schon bald an die Grenzen dieser Theorie, und das stört ihn ganz erheblich, denn seine eingeschränkte Bewegungsfreiheit zwingt ihn dazu, sich mit Dingen auseinanderzusetzen, denen er sonst lieber aus dem Weg gehen würde. Malden ist behände, geschickt und hat Köpfchen. Aber abgesehen davon, dass eine zugespitzte Ahle die einzige Waffe ist, die einem Mann seiner Standes erlaubt ist, hat er nie gelernt zu kämpfen. Wie es sich für einen Dieb gehört, benutzt er seine Hände und Füße zum Beutel aufschlitzen und Weglaufen, oder zum Klettern, Schlösser knacken und dann weglaufen. Weglaufen ist allerdings innerhalb des begrenzten Raumes einer Stadt nur bedingt möglich, im Hinblick auf Maldens Verfolger eher gar nicht.

Die Verfolger reichen von der gewöhnlichen Stadtwache über einen mächtigen Ritter bis hin zu einem noch mächtigeren Zauberer. Dass der Ritter aus Verbitterung seinen Ehrenkodex über Bord geworfen hat, und der Zauberer ein arroganter Menschenverächter ist, macht die Sache nicht einfacher. Zum Glück hat Malden sich bewegen lassen, einen Mann namens Kemper vor der Folter zu retten. Der zechfreudige Falschspieler besitzt ein paar bemerkenswerte Fähigkeiten und ist aus Dankbarkeit bereit, Malden mit einigen davon zu unterstützen. Ob Malden sich auch über die Unterstützung von Croy freuen soll, weiß er nicht so recht. Zwar ist Croy ebenfalls ein mächtiger Ritter, im Gegensatz zu Maldens Verfolger jedoch seinem Ehrenkodex dermaßen verhaftet, dass es schon naiv anmutet. Das hat durchaus bedenkliche Auswirkungen auf Croys Methoden!

Mit solchen Jägern auf den Hacken und solchen Kameraden an der Seite ist es kein Wunder, dass Maldens Zwickmühle immer enger wird, bis die Situation schier aussichtslos erscheint. Im selben Maße zieht auch die Spannung immer mehr an. Aber nicht nur die gegensätzlichen Interessen sämtlicher Beteiligten, in deren Netz Malden sich immer mehr verstrickt, machen die Sache spannend, auch Maldens berufliche Tätigkeit bringt Abwechslung in die Geschichte, wenngleich manches Hindernis wohl den ungewöhnlichen Zielobjekten geschuldet ist, die Malden unter dem Druck der Umstände aufsucht. Eine Prise Unterweltflair, wenn Malden mit Cutbill zu tun hat, ein Quentchen Magie, wenn er dem Zauberer in die Quere kommt, ein Schuss Kriminalistik in der Frage, wer nun eigentlich der Drahtzieher des Ganzen ist, und der Hauch einer Romanze sind die Zutaten, mit denen David Chandler sein Abenteuer abgerundet hat.

_Mir hat dieses Abenteuer_ gut gefallen. Zwar ist die Charakterzeichnung nicht unbedingt allzu tiefgründig, trotzdem nimmt man jeder Figur ihre Motive und Handlungen ab, selbst dem etwas überzeichneten Croy, weil seine Darstellung irgendwie mit einem Augenzwinkern daherkommt. Vor allem Malden ist ein sympathischer Protagonist, der nicht deshalb zum Helden wird, weil er von einer Prophezeiung dazu ausersehen ist oder plötzlich ungeahnte, geheime Fähigkeiten an sich entdeckt, sondern weil er sich mit dem zu helfen weiß, was er kann und ist. Auch die Welt, die der Autor für seine Geschichte entworfen hat, ist nicht allzu detailliert beschrieben. Die Stadt ist knapp, aber präzise und durchaus stimmungsvoll skizziert, ebenso die Magie. Ausschmückungen, die nicht unmittelbar die Handlung betreffen, fehlen dagegen völlig, was der Spannung zugutekam. Die verschiedenen Aspekte der Geschichte ergaben ein nahtloses Stück ohne logische Brüche oder bemühte Unwahrscheinlichkeiten, das sich flüssig liest und aufgrund der vielfältigen Würze niemals langweilig wird. Sehr gelungen.

_David Chandler_ lebt in New York und arbeitete für die Uno, ehe er mit dem Schreiben begann. „Die Metropole der Diebe“ ist der erste Band seines Zyklus |Ancient Blades|, der im April nächsten Jahres mit dem Titel „Das Grab der Elfen“ fortgesetzt wird.

|Taschenbuch: 484 Seiten
Originaltitel: |Den of Thieves|
Deutsch von Andreas Decker
ISBN-13: 978-3492267540|
[www.piper-verlag.de]http://www.piper-verlag.de/piper/index.php

Powell, Laura – Spiel des Schicksals, Das

_|Tarot|:_

Band 1: _“Das Spiel des Schicksals“_
Band 2: „Der Lord des Chaos“ (09.01.2012)

_Cat ist fünfzehn_ und lebt in London. Da laufen eine ganze Menge durchgeknallter Typen herum, insofern erscheint ihr der nervöse, schwitzende Kerl, der sie auf der Straße überraschend um Hilfe bittet, nicht wirklich auffällig. Doch dann fällt ihr auf, dass der Mann tatsächlich verfolgt wird, und jetzt ist ihre Neugierde geweckt …

_Cats Geschichte_ spielt in zwei verschiedenen Dimensionen. Die eine ist das, was man gemeinhin als Realität bezeichnet, die andere ist die Welt des „Spiels“, das Arkanum. Und diese Welt ist nicht so leicht zu fassen. Das liegt zum einen daran, dass die Szenen, die dort spielen, eher kurzgehalten sind, zum anderen daran, dass ihr Erscheinungsbild offenbar auch von demjenigen abhängt, der sich dort aufhält. Auch ist die Autorin bisher noch recht geizig mit Informationen. Die Grundidee beruht auf einem Satz Tarot-Karten, und wer davon keine Ahnung hat – so wie ich – , weiß manchmal nicht so recht, worum es da eigentlich gerade geht. Genau wie Cat. Im Laufe der Handlung wird das zwar besser, aber so richtig den Durchblick hatte ich auch ganz am Ende noch nicht. Trotzdem fand ich die Idee des Kartenspiels richtig gut. Sie ist völlig neu und unverbraucht und bietet zahllose Möglichkeiten unterschiedlichster Szenarien, die die Autorin bisher gerade mal gestreift hat.

Die Figuren, die die Autorin in diesen Kontext gesetzt hat, sind nicht allzu zahlreich. Die Hauptperson ist Cat, aus ihrer Sicht wird erzählt. Cat ist eine Waise und lebt bei ihrer Tante Bel, zu der sie ein gutes und inniges Verhältnis hat. Der Welt hingegen traut sie nicht besonders. Häufige Umzüge haben dazu geführt, dass sie keine Freunde hat, und sie scheint auch keine Interessen oder Ziele zu haben. Auch das Spiel fasziniert sie nicht wirklich, sie spielt es nur, weil sie Antworten sucht. Dennoch scheint der Umgang mit den anderen Jokern sie allmählich aus ihrer mürrischen Reserve zu locken.

Toby wirkt in seiner überschäumenden Begeisterung ein wenig naiv. Er nimmt das Spiel nicht ernster als irgendein Online- oder Rollenspiel, man könnte fast meinen, er hält das Arkanum für keine gleichwertige Dimension. Aber er ist gutmütig, hilfsbereit und aufgrund seiner leichten Dickfelligkeit auch nicht nachtragend.

Flora, das Mädchen aus reichem Hause, wirkt zunächst ausgesprochen abweisend. Aber nachdem sie Cats Hartnäckigkeit erkannt hat, gibt sie nach und taut im Laufe des gemeinsamen Abenteuers sogar ein wenig auf. Sie ist ziemlich hartgesotten, fast schon ein wenig zynisch, aber auch entschlossen, und sie hat bereits einige Erfahrung mit dem Arkanum.

Blaine ist der Geheimnisvolle in der Runde, nicht nur, weil er als letzter dazukommt, sondern auch, weil er kaum den Mund aufmacht. Sein Zynismus schlägt selbst den von Flora, sein Misstrauen gegenüber dem Rest der Welt sogar Cats.

Besonders angenehm an dieser Charakterzeichnung empfand ich die Tatsache, dass keiner der vier in irgendeine Schablone passt. Schade fand ich dagegen, dass die Könige und Königinnen des Spiels so wenig Tiefe besaßen. Einzig der König der Schwerter besaß ein wenig Persönlichkeit, sodass ich zumindest sagen kann, dass ich ihm nicht traute. Alle anderen blieben so nebensächlich, dass sie keiner Erwähnung wert sind. Ein Sonderfall ist der Gefangene im Keller, der wohl absichtlich so wenig ausgearbeitet wurde.

Was die Handlung angeht, so entwickelt sie sich nur ganz allmählich. Tatsächlich ließ Laura Powell sich damit so viel Zeit, dass ich mich bereits bei der Hälfte fragte, wann es denn endlich einmal losgeht. Cat hält das Spiel zunächst für Humbug, nur was für Spinner wie Toby. Bis Cat schließlich angebissen hat, vergehen hundert Seiten, danach muss sie erst mal Flora weichklopfen, und bis das Quartett sich endlich vollständig zusammengefunden hat, vergehen weitere hundert Seiten. Damit sind bereits zwei Drittel des Buches gelesen, und für das eigentliche Abenteuer und den Showdown bleiben nur noch weitere hundertdreißig Seiten. Da ist für Verwicklungen oder Schwierigkeiten in größerem Stil natürlich nicht mehr viel Raum. Kein Wunder also, dass die vier ihre Aufgaben in ziemlich raschem Tempo abarbeiten. Trotzdem ist es der Autorin gelungen, die Spannungsschraube spürbar anzuziehen, und die Entwicklung großteils unvorhersehbar zu halten.

_Mit anderen Worten:_ das Buch ist wirklich klasse. Mancher könnte sich vielleicht ein etwas höheres Erzähltempo wünschen, oder ein paar Infos mehr über die Funktionsweise des Spiels oder die Bedeutung der Spielkarten. Mich dagegen hat es nicht gestört, dass Cat so zögerlich in diese Sache hineinrutscht, es passt viel besser zu ihrem Charakter. Und die eher spärlichen Informationen machen die Sache zwar verwirrend, aber auch hautnaher. Man kann sich besser in Cats Situation hineinversetzen. Mir persönlich hätte es gut gefallen, wenn die Könige und Königinnen etwas deutlicher herausgearbeitet worden wären, andererseits spielen sie eigentlich keine allzu große Rolle, und so hat die Autorin sich wohl zu Recht auf den König der Schwerter konzentriert, quasi stellvertretend für alle. Vom Aufbau her ist das Buch eher schlicht gestrickt. Es bezieht seine Stimmung und seine Spannung hauptsächlich aus der unvorhersehbaren, verwirrenden und vielfältigen Dimension des Spiels und kommt ohne große Intrigen, blutige Kämpfe, ja selbst ohne einen echten Bösewicht aus. Zumindest bisher. Eines ist allerdings vollkommen klar: Dass die vier auf den Gefangenen im Keller gehört haben, werden sie noch bitter bereuen!

Das beantwortet die Frage nach dem Schluss der Geschichte. Nein, sie ist nicht zu Ende. Sie scheint jetzt erst richtig anzufangen. Denn das Quartett hat zwar sein primäres Ziel erreicht, aber die Antworten auf seine Fragen noch nicht erhalten. Das Spiel wird also weitergehen, und zwar unter völlig neuen Bedingungen. Außerdem dürfte der zweite Teil zu einem wesentlich größeren Teil als der Erste in der Welt des Arkanums spielen, da die Vier das Stadium des Zuschauers nun ja hinter sich gelassen haben. Ich muss gestehen, ich bin jetzt schon gespannt darauf, wie es Cat und ihren Mitspielern im nächsten Band ergehen wird.

_Laura Powell_ ist in Wales aufgewachsen und studierte Altphilologin. Nach einer Kindheit voller Bücher und fünf Jahren Verlagstätigkeit hat sie mit „Das Spiel des Schicksals“ ihr erstes eigenes Jugendbuch vorgelegt. Der zweite Teil der Geschichte erscheint voraussichtlich im Januar 2012 unter dem Titel „Der Lord des Chaos“.

|Taschenbuch: 331 Seiten
Vom Hersteller empfohlenes Alter: ab 12 Jahre
Originaltitel: |The Game of Triumphs|
Deutsch von Alexandra Ernst
ISBN-13: 978-3570307434|
[www.laurapowellauthor.com]http://www.laurapowellauthor.com
[www.randomhouse.de/cbt]http://www.randomhouse.de/cbt/index.jsp

Trudi Canavan – Die Heilerin (Sonea 2)

Sonea

Band 1: Die Hüterin“
Band 2: „Die Heilerin“
Band 3: „The Traitor Queen“ (2012, noch ohne dt. Titel)

Lorkin ist Tyvara, die ihm das Leben gerettet hat, in den Schlupfwinkel der Verräter gefolgt. Er hofft, einen Handel zwischen Gilde und den Verrätern einfädeln zu können: das Wissen um die Magie der Steine gegen das Wissen über magische Heilung. Allerdings ist die Gemeinschaft der Verräter tief gespalten …

Sonea weiß zwar Bescheid über Lorkins Aufenthaltsort, macht sich aber dennoch Sorgen. Und nicht nur Lorkins wegen: ihre Suche nach dem wilden Magier Skellin kommt einfach nicht voran. Und dann geschieht auch noch ein Mord … mit Hilfe schwarzer Magie!

Und auch Dannyl hat das Gefühl, auf der Stelle zu treten, denn seit er zugelassen hat, dass Lorkin Tyvara in die Berge gefolgt ist, haben sich fast alle Ashaki von ihm zurückgezogen. Also macht sich Dannyl, da er nichts anderes zu tun hat, auf nach Norden, zum Volk der Duna …

Tatsächlich geht es dem Leser bei der Lektüre dieses Buches ein wenig wie Sonea und Dannyl: Er hat das Gefühl, dass sich überhaupt nichts tut.

Dannyl ist als Botschafter nicht ausgelastet und widmet sich deshalb lieber seiner Forschung. Die Kultur der Duma hätte eine interessante Bereicherung des Gesamtschauplatzes sein können … wenn die Autorin ihr denn mehr als nur eine oder zwei Zeilen gewidmet hätte! Statt dessen hat sie sich ganz auf die Details beschränkt, die in direktem Zusammenhang mit Dannyls Forschung stehen, also die magischen Steine. Aber selbst in dieser Hinsicht war sie mit Informationen so sparsam, dass man es schon als geizig bezeichnen muss. Sie hat gerade so viel verraten, dass die Komplikationen, die sich daraus ergeben, nachvollziehbar sind. Leider steht das in keinem Verhältnis zu der Anzahl der Seiten, die sie für die Erlangung dieser kümmerlichen Krümel aufwendet. Statt dessen ergeht sie sich ausführlich darin, das Hin und Her zwischen Dannyl und Ashaki Achati zu schildern, einer Nebensächlichkeit, die – zumindest bisher – nichts zur Entwicklung der eigentlichen Geschichte beigetragen hat.

Ähnliches kann man von dem Handlungsstrang um Lorkin sagen. Der Riss innerhalb der Gemeinschaft der Verräter hätte eine Menge Potential für Ränke und Machtkämpfe geboten. Stattdessen verhalten sich die Parteien nahezu passiv, und als sich endlich mal jemand dazu aufrafft, etwas zu unternehmen, fehlt der Aktion jegliche Finesse, und die Durchführung ist so stümperhaft, dass es schon zum Lachen ist. Gleichzeitig haben wir hier eine Liebesgeschichte, der so etwas wie Herzblut oder auch nur Wärme entschieden fehlen. Lorkins Gefühle werden mit einem Mangel an Eindringlichkeit geschildert, dass es schon an Gleichgültigkeit grenzt. Dementsprechend war die Wirkung: Selten hat mich eine Romanze so kaltgelassen wie diese.

Bleiben die Ereignisse in Imardin. Soneas Suche nach Skellin stockt nicht nur, sie ist eigentlich überhaupt nicht vorhanden. Im Vordergrund steht die Mordgeschichte, und leider ist die vollkommen fadenscheinig und durchschaubar. Die Frage, wer der Täter ist, stellt sich überhaupt nicht, höchstens die, wie er diese Tatsache vor der Gilde verbirgt. Die Suche nach dem Täter plätschert einfach vor sich hin, ohne jede Dynamik, und seine Enttarnung und Festname bilden nicht annähernd das, was man einen Handlungshöhepunkt nennen würde. Zu allem Übel bleibt der Leser auch hier nicht von Belanglosigkeiten verschont. Das Geplänkel zwischen Sonea und Dorrien hatte ebenso wenig Auswirkung auf das Geschehen wie das zwischen Dannyl und Achati und war so farblos und nichtssagend wie die Romanze zwischen Lorkin und Tyvara. Gleichzeitig zeichnet sich der doch eigentlich recht gefährliche Skellin durch einen erstaunlichen Mangel an Präsenz aus.

So enttäuschend wie die Handlung waren auch die Charaktere. Dass das Verhältnis zwischen wichtigen Informationen und unwichtigen Ausschmückungen so unausgewogen ist, hat dazu geführt, dass zentrale Figuren, vor allem Sonea, an Faszination verloren. Die Energie, die die junge Sonea in der ersten Trilogie noch ausstrahlte, ist völlig verschwunden. Auch von Cerys Einfallsreichtum ist nichts mehr übrig. Noch trauriger ist es um die Neuzugänge bestellt. Die Naivität der jungen Lilia kommt der Geistlosigkeit gefährlich nahe, und Lorkins Freund Evar besitzt überhaupt kein eigenes Profil. Interessante Charaktere aus den Vorgängerbänden, auf die ich gehofft hatte – wie zum Beispiel Savara -, spielen gar keine Rolle.

Um es kurz zu machen: Ich war von diesem Band schwer enttäuscht. Er hat nichts von dem gehalten, was ich mir nach der Lektüre des Vorgängers versprochen hatte. Weder auf die Duna noch auf Skellins Volk wurde genauer eingegangen, Skellin selbst bleibt die ganze Zeit über völlig untätig, die Konflikte innerhalb der Gemeinschaft der Verräter wirken wie der Sandkastenkrieg von Kleinkindern, und das einzige Ergebnis im Zusammenhang mit dem Mordfall ist eine weitere Schwarzmagierin. Nichts von all dem hat dafür gesorgt, dass sich so etwas wie Spannung oder auch nur Interesse entwickelte. Selbst im Hinblick auf den neuen Aspekt der Magie, die magischen Steine, ist die Ausarbeitung mager und unergiebig geblieben. Statt dessen muss sich der Leser mit einer Menge Trivialitäten und Nichtigkeiten herumschlagen, die mit der eigentlichen Geschichte gar nicht direkt zu tun haben.

Das einzig Positive an diesem Buch war der Ausblick auf den nächsten Band: Dannyl und Lorkin stecken in mehr als einer Hinsicht in der Klemme, und in Imardin ist Skellins Mutter die Flucht gelungen. Diese Situation könnte sich durchaus interessant entwickeln. Könnte! Aber das ließ sich auch von der Situation am Ende des Vorgängerbandes sagen.

Trudi Canavan stammt aus Australien, wo sie nach einem Studium am Melbourne College of Decoration als Designerin, Illustratorin und Kartenzeichnerin für verschiedene Verlage tätig war, ehe sie zu schreiben begann. 1999 gewann sie mit ihrer Kurzgeschichte „Whispers of the Mist Children“ den Aurealis Award for Best Fantasy Short Story. 2001 erschien dann ihr erster Roman, der erste Band der Trilogie Die Gilde der schwarzen Magier. Ihre Trilogie Das Zeitalter der Fünf ist inzwischen ebenfalls auf Deutsch erhältlich. Für „The Traitor Queen“, den dritten Band des laufenden Zyklus, steht noch kein Veröffentlichungsdatum fest.

Gebundene Ausgabe 576 Seiten
Originaltitel: The Traitor Spy 2 – The Rogue
Deutsch von Michaela Link
ISBN-13: 978-3764530426

http://www.trudicanavan.com/
http://www.randomhouse.de/penhaligon/index.jsp

Der Autor vergibt: (3.5/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (2 Stimmen, Durchschnitt: 4,00 von 5)

Lynch, Scott – Die Lügen des Locke Lamora (Gentleman Bastards 1)

Locke Lamora:

Band 1: „Die Lügen des Locke Lamora“
Band 2: „Sturm über roten Wassern“
Band 3: „Die Republik der Diebe“ (11.10.2011)
Band 4: „The Thorn of Emberlain“ (noch ohne dt. Titel)
Band 5: „The Ministry of Necessity“ (noch ohne dt. Titel)
Band 6: „The Mage and the Master Spy“ (noch ohne dt. Titel)
Band 7: „Inherit the Night“ (noch ohne dt. Titel)

Locke Lamora ist eine Waise, was auf viele Kinder in der Stadt Camorr zutrifft. Was Locke von seinen Altersgenossen in derselben Situation unterscheidet, ist seine Eigeninitiative. Und so kommt es, dass Locke als eines von fünf Kindern eine ganz und gar ungewöhnliche Ausbildung genießt …

Scott Lynch lässt seine Geschichte langsam angehen. Er erzählt abwechselnd von der Gegenwart und der Vergangenheit und zeichnet so zunächst den Werdegang seines Protagonisten nach:

Der junge Locke Lamora ist schmächtig, mager und nicht besonders ansehnlich. Aber er hat Köpfchen, und er weiß es. Das führt dazu, dass er oft und weit über die Stränge schlägt. Seine Ideen verraten mindestens so viel Witz wie Dreistigkeit und neigen meist dazu, nicht vollständig durchdacht zu sein, was ihm regelmäßig Ärger einhandelt.
Der erwachsene Locke ist immer noch mager, schmächtig, unansehnlich und übermütig. Als Kämpfer ist er miserabel, als Schauspieler dafür brillant. Allerdings betrügt er nicht aus Habgier oder Ehrgeiz, sondern aus purer Lust am Spiel. Und seine Bande ist keine zufällige Ansammlung von Kriminellen, sondern eine verschworene Gemeinschaft von engen Freunden.

Als wahrhaft tiefschürfend kann man die Charakterzeichnung nicht bezeichnen. Von Lockes Gedanken erfährt man kaum etwas, seine Vergangenheit blitzt nur ausschnittweise auf. Trotzdem ist Scott Lynch eine Figur gelungen, die über reine Nachvollziehbarkeit hinausgeht. Sie entwickelt sich zusammen mit dem Plot, weg von geradezu unbeschwertem Übermut hin zu Trauer und verbissenem Zorn, und das sehr glaubwürdig und lebensecht.

Wie die Charakterzeichnung so kommt auch der Plot nur allmählich in die Gänge. Es dauert über hundert Seiten, bis endlich deutlich wird, was Locke mit seiner Scharade in der Gasse neben dem Tempel der Glück verheißenden Wasser bezweckt, und dieses Gaunerstück ist nur ein kleiner Bestandteil des gesamten Buches. Zum Teil liegt die Trägheit darin begründet, dass hier Adlige über den Tisch gezogen werden. Es dauert einfach eine Weile, bis all der Höflichkeiten genüge getan wurde, die unter zivilisierten Leuten üblich sind. Darunter leiden zeitweise auch die Ereignisse Rabennest.

Zum Teil lag es aber auch daran, dass Scott Lynch seiner Welt einiges an Aufmerksamkeit widmet. So wurde die Entwicklung von Lockes neuestem Coup zusätzlich durch eingestreute Beschreibungen adliger Freizeitkultur unterbrochen, durch Volksbelustigung, das Rezept eines besonders harten Drinks und Ähnlichem. Das bremst den Anfang doch ziemlich aus. Andererseits entstand so ein sehr bildhaftes, plastisches, lebhaftes Bild der Stadt, in der Locke lebt. Den Namen Camorr darf man wohl als Anspielung verstehen, auch wenn die Darstellung von Inseln und Kanälen eher an Venedig erinnert als an Neapel. Türme und Brücken aus Elderglas rücken das Ganze wieder etwas mehr in den Bereich der Fantasy, letztlich spielt Magie aber eine eher untergeordnete Rolle. Hier geht es um Gauner, nicht um Zauberer. Insgesamt ist die Bühne des Dramas also keine neue Erfindung, aber sie ist zumindest stimmungsvoll und passend in die Geschichte integriert.

Und die Geschichte hat es – nach Überwindung des etwas zähen Anfangs – durchaus in sich. Tatsächlich tritt der Betrug, der zu Beginn so ausführlich beschrieben wird, bald in den Hintergrund, während eine Bedrohung, die zunächst nur am Rande erwähnt wurde, immer mehr an Bedeutung gewinnt und schließlich die gesamte Handlung bestimmt. Und das ist nicht das einzige, was Lockes Leben plötzlich zunehmend verkompliziert. Denn Locke ist ins Visier einer ganzen Reihe von unangenehmen Leuten geraten.

Mit der Zeit werden die Ereignisse nicht nur immer komplizierter, sie schlagen auch immer wieder Haken. Mehrmals ist es dem Autor gelungen, mich völlig zu überraschen. Dazu trug natürlich Lockes Einfallsreichtum eine Menge bei, vor allem, weil er die meiste Zeit auf Improvisation beruhte. Und während der eine Gegner uns wissen lässt, was er zu unternehmen gedenkt, und dadurch für steigende Spannung sorgt, lässt der andere uns völlig über seine Pläne im Dunkeln bis zu dem Moment, in dem er sie umsetzt, und verpasst uns so immer wieder mal eine kalte Dusche.

Immer größer, immer unberechenbarer werden die Schwierigkeiten, mit denen Locke und seine Bande sich konfrontiert sehen, und jedes Mal, wenn Locke sich mit Müh und Not und Hilfe seiner Freunde aus einer ausweglosen Situation gerettet hat, sieht die Lage noch schlimmer aus. Die Probleme ufern regelrecht aus, die Spannungskurve zieht sich zu.

Also um ehrlich zu sein: Obwohl es ein paar Szenen gab, die für meinen Geschmack eigentlich zu brutal waren, wie die Folter im Schwimmenden Grab, fand ich das Buch klasse. Für den Anfang braucht man ein starkes Interesse für Details von Kultur und Gesellschaft oder einfach nur ein wenig Geduld. Aber dann wird man mit einer spannenden, abwechslungsreichen und wenig vorhersehbaren Handlung belohnt. Locke Lamora ist ein sehr sympathischer Held, der am Anfang zwar durch das kräftige Herauskehren seiner Stärken wie ein unfehlbarer Übermensch wirkt, aber nur zu bald so auf die Nase fällt, dass dieser Eindruck schnell schwindet. Was ich aber vor allem gut fand, war, dass die Handlung als solche abgeschlossen ist, ohne lose Enden oder offene Fragen zu hinterlassen. Ich war ziemlich zufrieden, als ich das Buch zuklappte, und trotzdem neugierig auf die Fortsetzung, die nun frei ist, eine völlig neue Geschichte aufzubauen.

Scott Lynchs beruflichen Werdegang, bevor er seinen ersten Roman veröffentlichte, könnte man salopp mit über-Wasser-halten umschreiben, als Tellerwäscher, Kellner und dergleichen. Inzwischen sind die Abenteuer von Locke Lamora bis Band drei gediehen, der im Februar auf Englisch erschien und im Oktober unter dem Titel „Die Republik der Diebe“ auf Deutsch erscheinen wird.

Taschenbuch 845 Seiten
Originaltitel: The Lies of Locke Lamora
Ins Deutsche übertragen von Ingrid Herrmann-Nytko
ISBN-13: 978-3453530911

http://www.scottlynch.us/
http://www.lockelamora.co.uk/
http://www.heyne.de

Der Autor vergibt: (5.0/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (No Ratings Yet)

McDonald, L.J. – Krieger der Königin, Die

_Solie ist_ ausgerissen. Ihr Vater hat es sich in den Kopf gesetzt, sie zu verheiraten, an einen Mann, den sie abstoßend findet. Solie hofft, bei ihrer Tante unterzukommen. Doch unterwegs begegnet sie drei Soldaten aus der Hauptstadt. Und die waren gerade auf der Suche nach einem Mädchen wie ihr …

_Zu Beginn_ der Lektüre könnte man meinen, die Hauptfigur des Buches sei Devon mit seiner Luftsylphe Airi. Erst nach ein paar Seiten stellt sich heraus, daß es hauptsächlich um Solie geht.

Solie ist ein junges Mädchen von siebzehn Jahren, das unter dem Einfluss seiner Tante mehr Selbstbewusstsein entwickelt hat, als seinem Vater lieb ist. Trotzdem ist sie noch jung und unerfahren und muss in ihre Rolle erst hineinwachsen.

Leon Petrule dagegen weiß genau, wie die Welt funktioniert. Er besitzt Erfahrung, Weitsicht und Durchsetzungsvermögen, ein geborener Anführer. Was ihn von seiner Umgebung am Hof unterscheidet, ist sein Gefühl für Anstand und Ehre, auch den Sylphen gegenüber.

Leons Sylph Ril weiß diesen Anstand durchaus zu schätzen, was das Verhältnis zu seinem Meister sehr kompliziert …

Letztlich hat dieser Charakterentwurf zur Folge, daß Nebenfiguren Solie ein wenig den Rang ablaufen. Das junge Mädchen ist zwar zur Abwechslung mal nicht die junge Heldin, die sofort alles im Griff hat, dafür ist sie so stark auf ihren eigenen Sylphen Hedu fixiert, dass ansonsten kaum noch etwas von ihr übrig bleibt, und sie recht blass und farblos wirkt. Rils zerissenes Verhältnis zu seinem Meister gab da wesentlich mehr her.

Gut gefallen hat mir die Idee der Sylphen, wobei der Begriff hier nicht nur für Geister der Luft verwendet wird, sondern auch die übrigen Elemente umfasst sowie außerdem zusätzlich den Aspekt der Heilung und des Kampfes. Die Elementarsylphen sind sich untereinander recht ähnlich, zwar jeweils mit Fähigkeiten entsprechend ihres Elementes ausgestattet, aber alle sanftmütig und freundlich. Ausnahme sind die Krieger, die einzigen männlichen Sylphen. Sie sind ausgesprochen aggressiv gegenüber allen Männchen, die nicht zu ihrem Volk – oder Stock, wie es hier genannt wird – gehören. Denn ihre Hauptaufgabe ist es, die Königin zu beschützen.

Das klingt jetzt für alle, die Anne Bishop gelesen haben, ziemlich nach Blutleuten. Aber ab und zu sind Ähnlichkeiten in den Massen von Neuerscheinungen einfach unvermeidlich, und tatsächlich ist es so, dass die Unterschiede die Ähnlichkeiten bei Weitem überwiegen. McDonalds Welt ist – abgesehen von dem grausamen Ritual, mit dem Kriegersylphen beschworen werden – weit weniger düster als Bishops, und auch die Sexualität spielt – wiederum abgesehen von der Erhebung einer Königin – lediglich eine Nebenrolle.

Die Handlung als solche ist ebenfalls weit weniger grausam als die um Jaenelle. Solie besitzt keine eigene Magie und ist auch von ihrem Naturell her wesentlich sanfter und gutmütiger. Ähnliches gilt auch für den Antagonisten, der nicht wie Dorothea bewusst grausam ist, weil er die Qualen der Unterlegenen genießt, sondern einfach nur ignorant. So erzählt die Geschichte letztlich, wie ein Königreich allmählich in einen Krieg schlittert, nur weil sich die Macht nicht für Motive und Ursachen interessiert. Dabei spielt es eine nicht unerhebliche Rolle, dass die Menschen offenbar so gut wie nichts über die Geschöpfe wissen, die sie da in so großer Zahl beschwören und versklaven.

_Unterm Strich_ fand ich die Ideen und den Verlauf der Geschichte durchaus eigenständig genug, um in dem Buch mehr zu sehen als eine weichgespülte Wattevariante des |Juwelenzyklus|‘. Mag sein, dass L. J. McDonalds Buch nicht denselben Sog entwickelt, wie ihn die ersten drei Bände um Jaenelle erzeugten. Auch die Charakterzeichnung ist bei Weitem nicht so intensiv und eindringlich geraten. Trotzdem waren hier eine Menge sympathischer Figuren geboten, vor allem Ril und Leon, aber auch die Witwe mit ihrem Kochlöffel, die für so manchen Schmunzler sorgte und leichte Ausrutscher ins Klischee, vor allem unter den Höflingen, ausglich. Und das Ende des Buches macht durchaus neugierig auf die Fortsetzung. Alles in allem vielleicht nicht die absolut mitreißendste Lektüre, aber durchaus nette und angenehme Unterhaltung.

_L.J. McDonald_ ist Kanadierin und begann mit dem Schreiben auf die Ermunterung ihres Englischlehrers hin. Ein Schreibwettbewerb im Jahr 2008, den sie nicht gewann, brachte dennoch den Durchbruch. Zu diesem Zeitpunkt bestand die Geschichte um Solie und ihre Kriegersylphen bereits aus vier Bänden, die auch auf Englisch noch nicht alle veröffentlicht sind. Der zweite Band erscheint auf Deutsch unter dem Titel „Falkenherz“ voraussichtlich im Januar 2012. Die Autorin arbeitet derweil an neuen Ideen für ihren nächsten Zyklus.

|Taschenbuch: 412 Seiten
Originaltitel: The Battle Sylph
Ins Deutsche übertragen von Vanessa Lamatsch
ISBN 978-3426508619|
[www.droemer-knaur.de]http://www.droemer-knaur.de/home
[ljmcdonald.blogspot.com]http://ljmcdonald.blogspot.com/

_|Die Krieger der Königin|:_
Band 1: _“Die Krieger der Königin“_
Band 2: „Falkenherz“ (06.01.2012)
Band 3: „A Midwinter Fantasy“ (noch ohne dt. Titel)
Band 4: „Queen of the Sylphs“ (September 2011, noch ohne dt. Titel)

Mark Lawrence – Prinz der Dunkelheit (The Broken Empire 1)

The Broken Empire:
Band 1: „Prinz der Dunkelheit“
Band 2: „King of Thornes“ (noch ohne dt. Titel)

Jorg war einst ein Prinz. Bis zu dem Tag, an dem er erkennen musste, dass sein Vater für den Mord an Mutter und Bruder keine Rache nehmen würde. Jetzt ist Jorg ein Straßenräuber übelster Sorte, geplagt von Alpträumen aus Schuldgefühlen und Hass. Und er ist auf dem Weg zu seines Vaters Burg, um ihn herauszufordern …

Die Mitglieder von Jorgs Räuberbande sind größtenteils Nebenfiguren. Selbst über die beiden, die einigermaßen wichtig sind, gibt es im Grunde nichts zu sagen, zumal der eine das Ende des Buches nicht erlebt.

Bleibt die Hauptfigur, Jorg. Der Junge ist vor allen Dingen stur, er neigt dazu, stets das Gegenteil von dem zu tun, was man ihm sagt. Außerdem ist er für sein Alter ungewöhnlich brutal und skrupellos, gleichzeitig ist er aber immer noch ein Kind, das sich mit Selbstvorwürfen quält und sich nach Anerkennung durch seinen Vater sehnt.

Jorg erzählt seine Geschichte selbst, nicht nur, was passiert, sondern auch, was er denkt und fühlt. Er bleibt dabei in der Regel ziemlich nüchtern, weitschweifige Beschreibungen fehlen. Nur wenige Details werden knapp und präzise ausgedrückt. Dennoch gelingt es dem Autor auf diese Weise hervorragend, nicht nur Jorgs Persönlichkeit selbst lebendig und plastisch darzustellen, sondern auch die Beziehungen zu den Personen um ihn herum.

Genauere Beschreibungen der Welt fehlen ebenfalls. Was den Ort des Geschehens interessant macht, sind die Andeutungen, die immer wieder eingestreut sind und dem Leser ziemlich vertraut vorkommen. Gleichzeitig gibt es Magie, Vampire und Geister. Eine recht ungewohnte Mischung.

Die Handlung ist zweigeteilt. Parallel wird erzählt, wie es kam, dass Jorg die heimatliche Burg verlassen hat, und wie er wieder zurückkehrt, wobei die Rückblenden die Motive und Erklärungen für den Hauptstrang liefern. Der zeitliche Ablauf ist dabei geschickt aufeinander abgestimmt. Und auch die einzelnen Aspekte der Haupthandlung – Jorgs Charakterentwicklung, sein gespanntes Verhältnis zum Vater, die Entwicklung des eigentlichen Plots – sind gekonnt ausbalanciert.

Ich kann nicht sagen, dass es Spaß gemacht hat, dieses Buch zu lesen. Auch würde ich es nicht unbedingt als spannend bezeichnen. Der Begriff, der am ehesten darauf passt, ist fesselnd. Der Autor hat es verstanden, seine Geschichte so zu gestalten, dass sie in jeder Hinsicht Interesse weckt. Die Erwähnung von aus flüssigem Stein gegossenen Mauern und Büchern mit Seiten aus „Plastick“ verleihen dem Entwurf der Welt nicht nur eine gewisse Würze, sie machen den Leser auch neugierig darauf, was in der Vergangenheit dort geschehen sein mag. Der Plot entwickelt sich in einem eleganten Bogen, der weit genug ist, um nicht eckig zu wirken, aber dennoch verhindert, dass der Leser bereits zu Beginn des Buches das Ende sehen kann. Vor allem aber fasziniert die Figur des Jorg, denn je weiter die Geschichte fortschreitet, desto deutlicher steht die Frage im Raum, wer dieser Junge eigentlich wirklich ist.

Auch sprachlich fand ich das Buch sehr gelungen. Die eher nüchterne Erzählweise verhinderte blutgetränkte Ekelexzesse, wie sie in der Fantasy leider nur zu häufig vorkommen, brachte aber trotzdem die Brutalität der Räuber immer noch deutlich genug zum Ausdruck, ebenso wie Jorgs Zerissenheit oder Katherines Interesse an dem jungen Prinzen. Tatsächlich erzeugte das Fehlen nahezu jeglicher Ausschmückung hier seine ganz eigene Stimmung und wirkte im Hinblick auf die Hauptperson und die Ich-Form der Erzählung weit authentischer als episch ausgeschmückte Prosa.

Mit anderen Worten, ein gelungener Einstieg in einen vielversprechenden Zyklus. Einziger Wermutstropfen: Der Originaltitel „Prince of Thorns“ wurde – aus welchem Grund auch immer – mit „Prinz der Dunkelheit“ übersetzt. Wahrscheinlich, weil alles, was mit Dunkelheit zu tun hat, gerade modern ist!

Mark Lawrence arbeitet hauptberuflich als Wissenschaftler an der Entwicklung künstlicher Intelligenz. „Prinz der Dunkelheit“ ist sein erster Roman, außerdem hat er einige Kurzgeschichten und Gedichte geschrieben. Er lebt mit seiner Familie in England.

Taschenbuch: 380 Seiten
Originaltitel: Prince of Thornes
Ins Deutsche übertragen von Andreas Brandhorst
ISBN 978-3453528253

www.princeofthorns.com/index.html
http://www.heyne.de

Der Autor vergibt: (5.0/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (No Ratings Yet)

Frenz, Bernd – Bannkrieger

_Rorn ist auf_ Fasanenjagd. Der junge Schmied will seiner Liebsten ein paar Schwanzfedern für einen Fächer verehren. Doch seine Jagd wird von zwei Reitertrupps gestört. Und so gerät der junge Mann unversehens mitten hinein in eine Auseinandersetzung von lebensbedrohlichen Ausmaßen …

_Rorn ist im_ Grunde ein gutmütiger Kerl, trotzdem sollte man es sich gut überlegen, ehe man ihn oder jemanden, der ihm teuer ist, bedroht. Ruppel ist ein eingebildeter Dummkopf, Nispe ein Waschlappen und Mea ein verwöhntes, hochnäsiges Balg. Und Alvin und Bornus sind zwar mit Zerbe verbündet, aber im Gegensatz zum Hormuk nicht auf den Kopf gefallen.

Mehr gibt es zu den Charakteren eigentlich nicht zu sagen. Zerbe ist keine Person, deshalb hat er keinen Charakter, und alle übrigen, sind zwar nachvollziehbar geschildert und teilweise auch durchaus sympathisch, aber mehr als das ist nicht geboten. Einzig die Frage, wer hier eigentlich die Guten und wer die Bösen sind, macht die Figurenkonstellation kurzzeitig interessant. Leider ist die Antwort nur zu bald absehbar.

Auch dem Entwurf seiner Welt hat der Autor bisher nicht allzu viel Mühe angedeihen lassen. Die Vergangenheit wird nur kurz gestreift, die erwähnten Fabelwesen sind alle ausgestorben. Das Einzige, was den Handlungsort noch von einem beliebigen, ländlichen Gebiet in Mitteleuropa unterscheidet, sind die nicht menschliche Leibwächterin Meas und die Magie.

Über das Volk der Phaa erfährt der Leser so gut wie nichts, diese Rasse bleibt völlig auf den Charakter der Leibwächterin beschränkt. Die Magie manifestiert sich in dreierlei Formen. Die Magie der Greifen wird lediglich gestreift. Die Magie der Lederhäuter basiert auf Insekten. Eine interessante Idee, wenn auch aufgrund der Masse gelegentlich leicht unappetitlich. Und dann gibt es da noch die Jadepriester. Ihre Macht ist die einzige, deren Funktionsweise näher erläutert wird. Im Zentrum ihrer Magie steht ein Edelstein namens Schattenjade, den die Jadepriester als Speicher für ihre magischen Kräfte benutzen. Diese gebündelte Macht kann lediglich von der Jadeträgerin eingesetzt werden. Denn nur sie ist unschuldig …

So weit die Theorie. Die Praxis der Handlung sorgt allerdings schon bald für Widersprüche. Nachdem nämlich erst einmal klar war, welche Art von Unschuld für das Wirken der Banne erforderlich ist, fragte ich mich, warum eigentlich alle Mea so wichtig nehmen. Jedes beliebige naive und unwissende Ding könnte sie ersetzen. Zumindest wird nirgendwo ein Grund dafür genannt, warum das nicht möglich sein sollte. Vielleicht war es angesichts dessen besser, dass Bernd Frenz kein Wort darüber verlauten lässt, wie die anderen Formen der Magie funktionierten. Noch besser hätte es mir allerdings gefallen, wenn der Autor diesen grundlegenden Teil seiner Geschichte genauer und sorgfältiger ausgestaltet hätte.

Und nicht nur diesen Teil. Auch sonst lässt die Handlung einige Fragen unbeantwortet. Zum Beispiel, wie der Anführer der Lederhäuter, die Rorns Dorf angegriffen haben, an einen Umhang der ALTEN gekommen ist. Oder wieso die Ruinen der alten Greifenfestungen sich auf einmal von selbst wieder aufbauen. Und wie kommt es, dass in einem Land, das über Berufssoldaten verfügt, ein einfacher Schmied seinen Sohn im Schwertkampf unterrichtet hat? Und dass dieser Sohn später ein besserer Kämpfer ist als nahezu alle Soldaten, denen er über den Weg läuft, und zwar völlig unabhängig von der Tatsache, dass er ein Bannkrieger ist?

Mit anderen Worten, Bernd Frenz hat die äußeren Umstände seiner Geschichte vernachlässigt und sich statt dessen voll auf die Handlung als solche konzentriert. Und obwohl recht früh deutlich wurde, wer hier der eigentliche Feind war, bot die Entwicklung der Ereignisse durchaus immer wieder die eine oder andere kleine Überraschung. Die ganze Heimtücke des gegnerischen Planes zeigte sich tatsächlich erst gegen Ende des Buches. Das ist gut so. Denn so richtig spannend wurde die Geschichte auch nicht. Dafür ging vieles einfach zu glatt, so zum Beispiel Alvins Befreiung oder Rorns Flucht aus dem Thronsaal von Greifenstein.

Möglicherweise lag es aber auch daran, dass der Autor seine vielen Kampfszenen – für die er offenbar ein Faible hat – mit mehr Details ausgestattet hat als den gesamten Rest des Buches. Nicht, dass der Autor sich in Blut und Innereien wälzt, dankenswerterweise ist er in dieser Hinsicht eher zurückhaltend. Dafür beschreibt er so ziemlich jeden Schritt, jeden Handgriff und jede Waffenbewegung, sodass der Ausgang des Kampfes letzten Endes völlig in den Hintergrund rückt. Bei jedem Duell blieb für mich eine Weile die Zeit stehen, und erst, wenn die Sache entschieden war, ging die Geschichte für mich weiter. Vielleicht muß man ein Fechtfan sein, um einer solch präzisen Kampfbeschreibung etwas abzugewinnen.

_Unterm Strich blieb_ bei mir ein durchwachsener Eindruck zurück. Die Charaktere waren ganz nett, boten aber durch ihre mangelnde Tiefe kaum Identifikationspotential. Die Ausarbeitung der Welt war eher fad; der Entwurf der Magie, der ihr ein wenig mehr Farbe hätte verleihen können, wirkte leicht unausgegoren; und zu viele Fäden endeten in der Luft: So gibt es zum Beispiel keinerlei konkrete Verbindung zwischen dem Zeitpunkt der Handlung und der Vergangenheit der Welt, nur Andeutungen. Die Grundidee des Plots fand ich nicht schlecht, und auch die kleinen unvorhergesehenen Wendungen, die die Handlung bot. Das Augenmerk lag aber so sehr auf Rorn und seinen Duellen, dass die Zuspitzung der Situation zum Ende hin völlig an den Rand gedrängt wurde. Ein Showdown war eigentlich nicht vorhanden, und selbst die letzte Attacke auf Rorn verpuffte wirkungslos, weil der Leser zu dem Zeitpunkt bereits weiß, dass das Ungleichgewicht in der Welt wieder behoben ist.

Sprich: eine Menge netter Ansätze, aber großteils so lieblos umgesetzt, als hätte der Autor nur deshalb überhaupt einen Gedanken daran verschwendet, weil er für seine vielen Kampfszenen einen Rahmen brauchte.

Leute mit Insektenphobie sollten dieses Buch ohnehin nicht lesen. Aber auch alle übrigen Leser werden dieser Geschichte wohl nur dann etwas abgewinnen können, wenn sie sich für Schwertkampf interessiert, oder wenn es ihnen genügt, dass eine Handlung eine Menge Action und Bewegung bietet. Wer allerdings mehr von einem Roman erwartet als ein paar blasse Ideenansätze und eher lose wirkende Handlungsfäden, die den einen oder anderen überraschenden Haken schlagen, der dürfte von diesem Buch eher enttäuscht sein.

_Bernd Frenz ist_ studierter Betriebswirtschaftler. 1987 gewann er einen von Wolfgang Hohlbein ausgeschriebenen Kurzgeschichtenwettbewerb, und war seither ununterbrochen produktiv. Seit 1998 ist er hauptberuflich Schriftsteller. Aus seiner Feder stammen Folgen der Serien |Maddrax| und |Perry Rhodan|, diverse Comic-Texte und Romane zu Computerspielen sowie die Fantasytrilogie |Blutorks|. Derzeit schreibt der Autor an seinem ersten Historienroman.

|Taschenbuch: 509 Seiten
ISBN-13: 978-3442268078|
[www.randomhouse.de/blanvalet]http://www.randomhouse.de/blanvalet
[www.berndfrenz.de]http://www.berndfrenz.de

_Bernd Frenz bei |Buchwurm.info|:_
[„S.T.A.L.K.E.R. – Shadow of Chernobyl, Bd. 1: Todeszone“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=3555

Sykes, Sam – Buch des Dämons, Das (Die Tore zur Unterwelt 1)

_|Die Tore zur Unterwelt|:_

Band 1: _“Das Buch des Dämons“_
Band 2: „Black Halo“ (noch ohne dt. Titel)

_Lenk und seine Gefährten_ sind Abenteurer, und ihr derzeitiger Auftrag besteht darin, einen Priester und Gesandten der Kirche von Talanas auf seiner Reise zu begleiten, als … nun, Erlediger von was eben gerade anfällt. Im Augenblick sind es Piraten. Allerdings verhalten diese sich für Piraten ausgesprochen seltsam. Und Lenk zerbricht sich den Kopf darüber, hinter was sie eigentlich her sind …

_Vordergründig wirkt_ der Haufen um Lenk wüst und roh, außerdem streitet ständig irgendjemand mit irgendwem. Vor allem aber hält sich jeder einzelne für allen anderen überlegen, aus welchem Grund auch immer, und schaut verächtlich auf die anderen herab. Es spricht für Lenks Führungsqualitäten, dass sich diese lose Ansammlung von Individuen trotz mangelnden Zusammenhalts noch nicht in alle Winde zerstreut hat. Allmählich jedoch kristallisiert sich heraus, dass in den einzelnen Figuren mehr steckt, als ihre ruppige, derbe Oberfläche vermuten lässt. Ihre jeweiligen Gedanken geben bruchstückhafte Einblicke in ihre Vergangenheit und ihren kulturellen Hintergrund und offenbaren mit der Zeit auch Motive und Gefühle. Noch kann man nicht unbedingt von echter Tiefe sprechen, aber es entwickelt sich.

Was die Handlung betrifft, so tut sich eigentlich nicht viel. Irgendwann stellt sich heraus, dass es um eine Fibel geht, ein extrem gefährliches Buch, das zu hüten der Priester und Gesandte der Kirche von Talanas eigentlich beauftragt war. Als sie gestohlen wird, machen die Gefährten sich auf, um die Fibel zurückzuholen. Das ist eigentlich schon alles. Natürlich kann man mit einer solchen Geschichte durchaus siebenhundert Seiten füllen, wenn man genug Ideen hat, um die Grundhandlung entsprechend auszuschmücken.

Leider kann man das von Sam Sykes nicht behaupten. Hier gibt es nichts, was dieses Abenteuer spannend, fesselnd oder auch nur interessant macht: Keine Intrigen, keine überraschenden Wendungen, keine unerwarteten Hindernisse. Nicht einmal der Ausgestaltung seiner Welt hat der Autor mehr als nur flüchtige Aufmerksamkeit geschenkt. Ein Meer mit ein paar Inseln, einige Namen von Göttern, verschiedene Rassen – wobei die Shict ein wenig an recht rabiate Elfen erinnern – das war’s.

Bestenfalls lässt sich sagen, dass Sam Sykes sich große Mühe gegeben hat, sich von allem, was man vielleicht als typisch für Fantasy bezeichnen könnte, fernzuhalten. Hat aber auch nicht so ganz geklappt. Bestes Beispiel ist Lenks Truppe, deren Mitglieder sich ständig zanken. Zwar war es immerhin mal eine Abwechslung, keine Truppe vor sich zu haben, die sich durch völlige Konfliktfreiheit und Selbstaufgabe auszeichnete, aber auf Dauer war das ständige Gezänk zwischen den Gefährten eher anstrengend und irgendwann nervig. Und trotz aller bemühten Harmonieabwehr denkt der Leser angesichts eines Magiers, einer Heilerin, einer Art Elfe und eines Kriegers letztlich doch an eine Rollenspielgruppe.

Bleibt die Frage, womit der Autor dann die Seiten vollgeschrieben hat, auf denen nicht gestritten wird. Die Antwort lautet: Mit Gemetzel. Und zwar ziemlich drastisch dargestelltem Gemetzel. Mal ist der Gegner ein Dämon, mal ein Pirat, mal ein Langgesicht, manchmal schlachten sich auch die Antagonisten untereinander ab, aber letztlich läuft die Sache jedes Mal ziemlich gleich ab: Hack-Knirsch-Spritz. Abgesehen davon, dass eine Geschichte, die nur aus gelegentlich von Streit unterbrochenen Massakern besteht, ziemlich stumpfsinnig ist, frage ich mich, ob wirklich irgendjemand wissen will, wie genau es sich anhört, wenn einem Menschen ein Bein ausgerissen wird, oder wie genau ein Augapfel über eine Schiffsplanke kullert.

Auch mit der Logik ist es nicht allzu weit her. So fragte ich mich, warum ein Buch wie die gestohlene Fibel nicht bei der ersten, sich bietenden Gelegenheit verbrannt wurde. Welchen Grund kann es gegeben haben, so etwas aufzuheben?

_Bleibt zu sagen_, dass die zarten Andeutungen von charakterlicher Entwicklung einiger Protagonisten so ziemlich das einzig Lesenswerte an diesem Buch waren. Die Handlung besteht ansonsten nur aus Gekeife oder dem Verteilen von Blut und Hirnmasse, und so etwas wie der Entwurf einer Welt ist eigentlich gar nicht vorhanden.

Nicht, dass mich Denaos‘ Vergangenheit nicht interessiert, oder die Frage, wieso es außer Gariath keine anderen Rhega mehr gibt, was es mit der Stimme in Lenks Kopf auf sich hat, oder wie es kam, dass Asper ihre beste Freundin getötet hat. Womöglich hätte ich den nächsten Band sogar gelesen. Wenn nicht die neu aufgetauchten Langgesichter dieselbe Sorte blutgieriger Mordlust verkörpert hätten wie vorher die Piraten; oder wenn unter all den Dämonen wenigstens einer gewesen wäre, der sich durch Intelligenz statt durch Grausamkeit ausgezeichnet hätte. Da aber meine Neugierde nicht groß genug ist, um mir ein weiteres blut- und schleimgetränktes Kasperltheater anzutun, werde ich die Antworten auf die wenigen interessanten Fragen in dieser Geschichte nie erfahren.

_Sam Sykes_ ist fünfundzwanzig Jahre alt und stammt aus den USA. „Das Buch des Dämons“ ist sein erster Roman und Auftakt zum Zyklus |Die Tore der Unterwelt|, dessen zweiter Band unter dem Titel „Black Halo“ im März dieses Jahres auf Englisch erschienen ist.

|Taschenbuch: 731 Seiten
Originaltitel: The Aeon’s Gate 1. Tome of the Undergates
Ins Deutsche übertragen von Wolfgang Thon
ISBN-13: 978-3764530556|
[www.randomhouse.de/penhaligon]http://www.randomhouse.de/penhaligon
[samsykes.com]http://samsykes.com

Rübenstrunk, Gerd – Wörterbuch des Viktor Vau, Das

_Vor der afrikanischen Küste_ fällt ein unbekanntes Objekt vom Himmel. Zunächst geht die Überwachung davon aus, dass es sich nur um Weltraumschrott handelt. Schon bei der Bergung stellt sich allerdings heraus, dass dieses Objekt etwas anderes sein muss. Der Sprachwissenschaftler Viktor Vau hat davon zwar gehört, interessiert sich aber eigentlich nicht die Bohne dafür. Nur widerwillig reist er nach Afrika, um den Fetzen Papier mit den geheimnisvollen Schriftzeichen in Augenschein zu nehmen, der im Innern des Objektes gefunden wurde …

_Die Kurzbeschreibung_ des Verlages ist ein wenig irreführend. Denn obwohl dieses Buch sehr wohl Sciencefiction ist, geht es weder um Raumschiffe noch um außerirdisches Leben. Tatsächlich geht es um Sprache. Vordergründig zumindest.

Im Zentrum der Geschichte steht der Linguist Viktor Vau, ein ausgesprochen ordnungsliebender, penibel gekleideter Mensch, der seit zehn Jahren jeden Morgen zur selben Uhrzeit im selben Bistro das gleiche Frühstück zu sich nimmt. Die menschlichen Alltagssprachen empfindet er als ungenau und mehrdeutig, und da Unordnung ihm verhasst ist, hat er es sich zum Ziel gesetzt, eine neue Sprache zu erfinden, die die gesamte Realität absolut präzise abbildet. Seine Kollegen allerdings verweigern ihm die wissenschaftliche Anerkennung, weshalb er die Ergebnisse seiner Arbeit nie veröffentlicht hat. Außer in Fachkreisen ist er völlig unbekannt, und wahrscheinlich wäre er nach seinem Tod einfach in Vergessenheit geraten. Wäre da in Afrika nicht dieses Objekt vom Himmel gefallen!

An diesem Ding sind natürlich die Geheimdienste sämtlicher Staaten, die auch nur einen Hauch von Einfluß haben, brennend interessiert. Binnen Stunden stehen sie alle auf der Matte und belauern sich nun gegenseitig, um sich die brisanten Erkenntnisse, die sie von den Forschern erwarten, unter den Nagel zu reißen und zu ihrem Vorteil auszunutzen. Da die Wissenschaftler aber zu keinen Erkenntnissen kommen, schlägt einer von ihnen vor, Viktor Vau hinzuzuziehen. Dadurch gerät der etwas weltfremde Professor ins Fadenkreuz der Weltpolitik.

Die Geheimdienste sind allerdings nicht als einzige hinter Viktor Vau her. Ein weiterer Handlungsstrang enthält die Logbucheinträge eines sogenannten Protektors, der einen Auftrag zu erfüllen hat, der sich auf Viktor Vau bezieht. Und daneben läuft noch ein weiterer Handlungsstrang, der stellenweise wie ein typischer, amerikanischer Polizeistreifen daherkommt: Ein bodenständiger Polizist jagt einen Serienmörder, mit mäßigem Erfolg, und massiv unter Druck gesetzt von einem schmierigen Regenbogenjournalisten. Wie dieser Kriminalteil mit dem Rest zusammenhängt, eröffnet sich dem Leser erst ganz allmählich.

All diese Aspekte sind von der Person des Viktor Vau abhängig. Dabei verhält der Professor sich fast die ganze Zeit passiv. Angestoßen wurden sämtliche Ereignisse durch eine Gruppe von Personen, die etwas verhindern wollte, das wahrscheinlich nur deshalb eintraf, weil jemand versuchte, es zu verhindern. Ein wohlbekanntes Paradoxon.

Angesiedelt ist der Plot in einer Welt, die vom Entwurf her nicht unbedingt neu ist. Die Diktatur einer Oligarchie und totale Überwachung auf der einen, eine kleine Rebellentruppe, die dagegen aufbegehrt, auf der anderen Seite, das kennt man schon. Dass mich das trotzdem nicht störte, mag zum einen daran liegen, dass der Kriminalteil der Geschichte einen gewissen Bezug zum Jetzt herstellt und das Szenario damit ein wenig aus dem Futuristischen herausholt. Zum anderen bildet der Konflikt zwischen Regierung und Rebellen lediglich eine Randerscheinung der eigentlichen Geschichte, der zudem durch einen fiesen kleinen Kniff am Ende dem Pathos einer Prinzessin Leia und Konsorten entgeht.

Der Kern der Geschichte ist – wie beim eigentlichen Ursprung des SF, der Utopie – ein fast schon philosophischer. Eine Sprache, die die gesamte Realität vollkommen eindeutig beschreibt, ohne jegliche Ungenauigkeiten, ohne Spielraum für Hintersinn, Ironie und was es noch an Facetten innerhalb von Sprache gibt. Wollen wir so etwas überhaupt? Ist das erstrebenswert?

Führt man diese Kontroverse noch einen Schritt weiter, landet man schließlich beim Gegensatz zwischen strenger Logik und ungebändigter Kreativität, oder auch zwischen Ordnung und Chaos. In diesem Roman bildet die von Viktor Vau erfundene Sprache das Instrument der Logik und der Ordnung. Letzten Endes geht es darum, welchen Einfluss Sprache auf unser Denken und damit auch auf unser Handeln hat, und wohin uns solch eine eindeutige Sprache führen könnte.

Der Autor hat sich bei seiner Arbeit an diesem Buch auf diverse Quellen gestützt, deren Themen von der Linguistik bis zur Hirnforschung reichen. Das merkt man an manchen Stellen, tatsächlich musste ich für ein oder zwei Begriffe ein Lexikon bemühen. Andererseits wird die intensive Beschäftigung mit diesen Themen im Roman deutlich spürbar, im positiven Sinne.

_Alles in allem_ kann man dieses Buch nur als gelungen bezeichnen. Totalitäre Systeme mögen eine Standardzutat für SF sein, wie es Elfen und Drachen für Fantasy sind. Gerd Rübenstrunk ist es jedoch gelungen, sie in einen Kontext einzubauen, der zwar logischerweise ein spekulativer ist, aber nicht so völlig abwegig wirkt wie manch anderes, was mir bei SF schon begegnet ist. Die Handlung hat Krimi-, Politthriller- und SF-Aspekte miteinander verbunden, ohne dabei erzwungen zu wirken oder in logisches Stolpern zu geraten. Vor allem aber hat die Geschichte tatsächlich etwas zu erzählen, das über den oft bemühten gerechten Kampf einer Minderheit um Freiheit und Selbstbestimmung hinausgeht. Mag die These, die dem Roman zugrunde liegt, auch umstritten sein, allein das Weiterspinnen des Gedankens, was denn mithilfe von Sprache alles getan werden könnte, wenn die These ein Fakt wäre, ist zugleich erschreckend und faszinierend. Sehr lesenswert.

_Gerd Rübenstrunk_ war nach einem umfangreichen Studium zuerst als Texter und in der Werbung tätig. Auch fürs Fernsehen hat er gearbeitet. Als Schriftsteller hat er bisher vor allem Jugendbücher geschrieben, darunter die |Arthur|-Trilogie, deren dritter Band im Januar dieses Jahres erschienen ist. Er lebt und arbeitet in Duisburg.

|Broschiert: 412 Seiten
ISBN-13: 978-3492702249|
[www.piper-verlag.de]http://www.piper-verlag.de
[www.ruebenstrunk.de]http://www.ruebenstrunk.de

Lachlan, M.D. – Wolfskrieger

_|Wolfsengel|:_

Band 1: _“Wolfskrieger“_
Band 2: „Fenrir“ (Mai 2012, noch ohne dt. Titel)

_Wie alle Könige_ träumt Authun davon, eine Dynastie zu gründen. Doch die Hexen in den Bergen haben ihm prophezeit, daß er keinen eigenen Sohn haben wird. Wenn er sein Ziel erreichen will, muss er den Westleuten ein besonderes Kind rauben. Tatsächlich erreicht er den Ort, den die Hexen ihm genannt haben. Allerdings findet er dort nicht nur ein Kind, sondern zwei …

_Laut Buchbeschreibung_ ist „Wolfskrieger“ der „Auftakt zu einem Mythos, der so alt und dunkel ist wie die nordischen Sagas selbst“. Das rief erst einmal ein Stirnrunzeln hervor, aber letztlich kam ich zu folgendem Schluss: Die Geschichte baut zwar auf dem Mythos vom Fenriswolf auf, der einst seine Ketten sprengen und dann Odin töten und dadurch Ragnarök einleiten wird, das Ende der Welt. Die Geschichte selbst aber hat keine literarische Vorlage unter den Nordlandsagas, sondern ist frei erfunden.

Der Klappentext klang eigentlich nicht so verlockend, dass er mehr als vages Interesse erzeugt hätte. Die Leseprobe war es letztlich, die mich dazu bewog, mir die Geschichte zu Gemüte zu führen. Ich weiß nicht, ob ich das auch getan hätte, wäre die Leseprobe noch etwas länger gewesen!

Nicht, dass das Buch schlecht wäre. Es enthält viele interessante Aspekte, ist sauber aufgebaut und flüssig und fesselnd erzählt. Dazu wartet es immer wieder mit unerwarteten Wendungen und Überraschungen auf. Die Interpretation und Darstellung des nordischen Weltbildes allerdings gefiel mir nicht. Dazu gehörte zum einen die Magie der Hexen. Mit Folter hab ich’s nicht so, und wenn Leute sich Folter mehr oder weniger freiwillig antun, macht es das eher noch schlimmer. Auch fand ich eine Magie, die auf völligem Irrsinn beruht, teils beunruhigend, teils abstoßend.

Ein weiterer Punkt waren die Berserker, die hier als eine Art Odin-Kultisten beschrieben sind, die sich mit Hilfe von Giftpilzen berauschen, und nur um des Tötens willen überhaupt in den Kampf ziehen. Am Übelsten aber fand ich die Sache mit dem Wolf. Alles, was damit zusammenhängt, ist eine sehr blutige Angelegenheit.

Natürlich gilt es in der Literatur als legitim, Inhalte umzudeuten oder auch leicht abzuwandeln, damit sie besser in den Kontext der Geschichte passen, und über die Berserker gibt es ohnehin kaum gesichertes Wissen. Trotzdem konnte ich mich damit, wie der Gott Odin hier dargestellt ist, nicht wirklich anfreunden. Denn wenn ein Gott derart irrsinnig ist, was läßt das dann für Rückschlüsse auf diejenigen zu, die ihm ihr Leben geweiht haben? Hier zeichnet sich eine Welt ab, aus der ich, wäre ich dort hineingeboren, schnellstmöglich auswandern würde.

Um das Maß vollzumachen, wirkt das Schicksal hier auf ähnliche Weise wie in den Nebeln von Avalon. Der Leser sieht den Protagonisten dabei zu, wie sie unwiderruflich und unaufhaltsam in ihr Verderben schlittern, ohne jede Möglichkeit, sich dagegen zu wehren. Letztlich sind sie nicht mehr als Figuren im Spiel der Götter, die nur scheinbar einen freien Willen haben. Dass das Verhängnis, das auf sie wartet, auch noch eine Endlosschleife ist, macht die Sache nicht besser.

_Irrsinn, Grausamkeit, Blutgier,_ und das immer wieder aufs Neue bis zum Ende aller Tage, das ist wirklich ein ungemein deprimierendes Szenario. Da hilft es auch nicht, dass die Charaktere, wenn auch nicht besonders tiefschürfend, so doch sehr sympathisch geraten sind. Was letztlich aus ihnen wird, macht die Sache eher noch deprimierender. Niemand hat ein solches Schicksal verdient. Zumal das alles letztlich nur einem einzigen Ziel dient: einem Irren zu weiteren Erkenntnissen über den Tod zu verhelfen. Die Welt, die M. D. Lachlan hier entworfen hat, wirkt wie ein einziges riesiges Tollhaus, in der Leben und Tod, Kampf und Magie, alles gleichermaßen wahnsinnig ist. Ein Schlachtfest für Durchgeknallte.

Wer einen robusten Magen hat und finstere Geschichten ohne Happy End mag, der ist hier absolut richtig und darf sich auf eine Fortsetzung freuen. Mir aber hat dieser Entwurf einer Welt der Wikinger nicht gefallen, so gut sie auch erzählt war. Ich empfand sie als ausgesprochen frustrierend, großteils widernatürlich und stellenweise schlicht eklig. Die Folgebände werde ich ganz bestimmt nicht lesen.

_M. D. Lachlan_ ist ein Pseudonym des britischen Jornalisten und Schriftstellers Mark Barrowcliffe, von dem auf Deutsch die Titel „Girlfriend44“, „Auf den Hund gekommen“ sowie „Der kleine Hunger zwischendurch“ erhältlich sind. „Wolfskrieger“ ist der erste Fantasy-Roman des Autors, der zweite Band mit dem Titel „Fenrir“ ist für April nächsten Jahres angekündigt.

|Taschenbuch: 558 Seiten
Originaltitel: Wolfsangel
Übersetzung: Jürgen Langowski
ISBN-13: 978-3453526754|
[www.heyne.de]http://www.heyne.de
[www.mdlachlan.com]http://www.mdlachlan.com

Anne Bishop – Blutsherrschaft (Die schwarzen Juwelen 8)

Die Schwarzen Juwelen:

Band I: „Dunkelheit“3375
Band II: „Dämmerung“3437
Band III: „Schatten“3446
Band IV: „Zwielicht“3514
Band V: „Finsternis“3526
Band VI: „Nacht“5374
Band VII: „Blutskönigin“
Band VIII: „Blutsherrschaft“

Cassidy hat den Schatz von Grayhaven gefunden. Und nachdem Theran Lias Brief gelesen hat, der dem Schatz beigefügt war, scheint es, als wolle er endlich zumindest versuchen, ernsthaft mit Cassidy zusammenzuarbeiten. Doch dann taucht Kermilla in Grayhaven auf, jene Königin, die Cassidy einst in Dharo ihren ersten Kreis ausgespannt hat …

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Lode, Christoph – Stadt der Seelen, Die (Pandaemonia 2)

_|Pandaemonia|_:

Band 1: [„Der letzte Traumwanderer“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6879
Band 2: _“Die Stadt der Seelen“_
Band 3: „Phoenixfeuer“ (Oktober 2011)

_Vivana und Liam_ ist es gelungen, das Gelbe Buch von Yaro D’ar an sich zu nehmen. Aber dann kamen ihnen Aziel und seine Verbündeten dazwischen, mit dem Ergebnis, dass Liam ins Pandaemonium verbannt wurde. Natürlich steht es für Vivana außer Frage, dass sie ihren Freund dort wieder herausholen muss. Vivanas Vater, der Erfinder Quindal, sieht das allerdings ganz anders …

Jackon wurde von Aziel schwer verwundet, überlebt aber. Und kaum geht es ihm gut genug, lässt Lady Sarka ihn seine Ausbildung fortsetzen. Jackon soll lernen, mit Träumen zu kämpfen, damit er sich gegen Aziel verteidigen kann. Aber die missglückte Attacke auf Jackon hat Aziel massiv geschwächt. Warum also hat Lady Sarka es so eilig?

_An Intensität_ hat die Charakterzeichnung zwar nicht unbedingt zugenommen, dafür bietet sie einiges an Entwicklung:

Jackon ist jetzt einer von Lady Sarkas Leibwächter, und er findet durchaus Geschmack daran, nicht nur an dem Luxus, der ihn jetzt umgibt, sondern auch an dem Respekt, der ihm von der Bevölkerung entgegengebracht wird. Allmählich scheint er ein wenig hochnäsig zu werden.

Die sanfte und mitfühlende Vivana dagegen wird durch ihren Aufenthalt im Pandaemonium spürbar härter, ihr sturer und ein wenig ignoranter Vater wiederum ist gezwungen, sein Weltbild massiv zu korrigieren, was letztlich zu einer offeneren und toleranteren Haltung gegenüber den Manusch führt.

Ähnliches kann man von der Handlung sagen. Komplexer ist sie nicht geworden, aber sie hat durchaus ein wenig an Tempo zugelegt. Schon allein durch die Beschreibung des Pandaemoniums erhöht sich die Grundspannung: Dieser Ort ist ausgesprochen unwirtlich und abweisend, und die Dämonen, die Christoph Lode entwirft, sind nicht nur hässlich, sondern auch recht bedrohlich. Das gelingt dem Autor nicht durch exzessive Grausamkeit oder Ströme von Blut, sondern vielmehr durch die spürbare Heimtücke seiner Geschöpfe. Selbst, wenn Vivana und ihre Begleiter nicht unmittelbar bedroht sind, ist die Gefahr dennoch stets unterschwellig spürbar.

Bei dem Handlungsstrang um Jackon, der parallel dazu läuft, ist das nicht im selben Umfang der Fall. Erst als Lady Sarka das Fehlen des Gelben Buches entdeckt, zieht auch hier das Tempo an, gerade rechtzeitig, um den Wegfall des Spannungsbogens auszugleichen, als Vivana aus dem Pandaemonium zurückkehrt. Das ist technisch gut gemacht, nur leider bleibt hier die Entwicklung der Ereignisse in mancherlei Hinsicht vorhersehbar, zum Beispiel in Bezug auf Lucien. Spannung entsteht eher durch das |wie| als durch das |was|, und zwar deshalb, weil Christoph Lode viele Augenblicke, die geradezu nach einem „Zwischenfall“ schreien, einfach verstreichen lässt. Am erwarteten Ergebnis ändert das nichts, es tritt einfach nur ein wenig später ein.

Am interessantesten fand ich jedoch die Entwicklung Ruacs. Der kleine Tatzelwurm hat sich durch den Aufenthalt im Pandaemonium schwer gemausert, und der Leser darf gespannt sein, wohin das noch führt. Es würde mich wundern, wenn Ruac nicht noch eine entscheidende Rolle im letzten Band spielt. Auf die Geheimnisse der Manusch ist der Autor zwar nicht näher eingegangen, die angedeutete Verbindung zu den Ruinen im Pandaemonium klingt aber ebenfalls vielversprechend.

_Unterm Strich_ finde ich, der zweite Band hat sich gegenüber dem ersten durchaus ein wenig gesteigert. Die Entwicklung einiger Charaktere hat sämlilchen Figuren gut getan, auch wenn es ihnen insgesamt noch immer ein wenig an Geschmeidigkeit fehlt. Die Handlung ist bewegter und temporeicher und hat sich zudem auf eine zusätzliche Ebene ausgeweitet. Das Pandaemonium war ein echter Gewinn, und das nicht nur wegen der gelungenen Darstellung, sondern auch wegen seiner Rolle im Gesamtzusammenhang. Wenn der dritte Band hält, was das Ende des zweiten verspricht, dann könnte er sich durchaus noch einmal steigern.

_Christoph Lode_ stammt aus dem Rheinland und ist seit Jahren freiberuflicher Schriftsteller. Nach den Historienromanen „Der Gesandte des Papstes“ und „Das Vermächtnis der Seherin“ ist die |Pandaemonia|-Trilogie sein erster Ausflug ins Fantasy-Genre. Der dritte Band unter dem Titel „Phoenixfeuer“ erscheint im Oktober, außerdem ist für Mitte April die Veröffentlichung eines weiteren Historienromanes vorgesehen, „Die Bruderschaft des Schwertes“.

|Broschiert: 476 Seiten
ISBN-13: 978-3442471744|
[www.christoph-lode.de]http://www.christoph-lode.de

Sapkowski, Andrzej – Dame vom See, Die (Geralt-Saga, 5. Roman)

_Die Geralt-Saga:_

Vorgeschichte: 1 [„Der letzte Wunsch“ 3939
Vorgeschichte: 2 [„Das Schwert der Vorsehung“ 5327

Roman 1: [„Das Erbe der Elfen“ 5334
Roman 2: [„Die Zeit der Verachtung“ 5751
Roman 3: [„Feuertaufe“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=5966
Roman 4: [„Der Schwalbenturm“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6447
Roman 5: _“Die Dame vom See“_

_Wie es scheint_, ist Ciri durch ihre Flucht in den Turm vom Regen in die Traufe geraten. Denn trotz aller Mühe kann sie den Ort, den sie durch das Betreten des Turmes erreicht hat, nicht verlassen, und obwohl die dort lebenden Elfen sie nicht schlecht behandeln, ist die Forderung, die sie an Ciri stellen von geradezu absurder Unverschämtheit. Geralt hat von den Druidinnen keine Antwort auf seine Fragen erhalten, und so folgt er fürs Erste dem Ritter Reynart de Bois-Fresnes nach Toussaint. Dort trifft Geralt auf Fringilla Vigo, die ihn recht schnell und recht gründlich aus dem Konzept bringt. Was sie natürlich nicht einfach aus einer Laune heraus tut, sondern im Auftrag der Loge … Jarre hat sich derweil heimlich aus dem Tempel der Melitele davongeschlichen, um in den Krieg zu ziehen.

_“Die Dame vom See“_ ist das Finale des |Hexer|-Zyklus‘, insofern wundert es nicht, dass der Neulinge unter den Figuren nicht nur wenige sind, sondern dass sie auch lediglich am Rande auftauchen. Aber auch Vertiefung bestehender Charaktere wie Bonhart oder Assire sucht man vergeblich. Nicht einmal Fringilla Vigo, die diesmal eine etwas wichtigere Rolle spielt, hat echtes, eigenes Profil erhalten. Die größte Enttäuschung aber war Vilgefortz, dessen Intelligenz ja bereits während der Ereignisse auf Thanned demontiert wurde. Diesmal ließ er auch noch jegliche Vernunft vermissen, sodass außer seiner magischen Macht nur noch ein so krankhaft übersteigerter Ehrgeiz übrig blieb, dass es schon Züge von Größenwahn trug. Wieder einmal ein vielversprechender Bösewicht, der am Ende als eindimensionales Klischee endete. Auch der durch seine schiere Macht und Zielstrebigkeit faszinierende Kaiser von Nilfgaard wurde gewissermaßen auf Durchschnittlichkeit reduziert, wenn auch auf überraschende und angenehmere Weise als Vilgefortz.

Mit anderen Worten, Andrzej Sapkowski hat sich in diesem letzten Band ganz auf die Handlung konzentriert, die sich allerdings wie schon in Band 4 auf verschiedene Orte und Zeiten verteilt. So beginnt der Autor sein Buch am Ende der Geschichte, indem er Ciri einen Ritter treffen lässt, dem sie ihre Erlebnisse erzählt, nur um im nächsten Kapitel zwei völlig neue Personen einzuführen, die in einer noch viel späteren Zeit versuchen, der Wahrheit hinter der Legende des Löwenjungen von Chintra auf die Spur zu kommen. Erst im dritten Kapitel kehrt der Autor zur eigentlichen Geschichte zurück, indem er an die Ereignisse um Geralt am Ende des vierten Bandes anknüpft, um einige Kapitel später wieder in der Zeit der beiden Legendenforscherinnen zu landen, allerdings an einem völlig anderen Ort! Dazu kommt, dass auch in diesem letzten Band gelegentlich kurze Episoden eingefügt wurden, die eigentlich in keinem Zusammenhang mit der eigentlichen Geschichte standen, so zum Beispiel die Sache mit dem Professor und seinem Perpetuum Mobile. Der Leser hat es also wieder einmal nicht leicht, und einige Anspielungen aus dem zweiten Kapitel gingen schlicht in der Masse unter.

Immerhin war Sapkowski mit der Anzahl seiner Sprünge diesmal etwas sparsamer, sodass der Handlungsverlauf als solcher, trotz der unterschiedlichen Perspektiven, aus denen erzählt wird, wesentlich kompakter daherkommt als im Vorgängerband. Echte Spannung wollte sich aber auch diesmal nicht wirklich einstellen. Ciris Flucht vor den Schergen des Erlkönigs war eher interessant als spannend, da die vielen Sprünge durch Zeit und Raum die Aufmerksamkeit von der Verfolgung weg auf die vielen unterschiedlichen Umgebungen lenkten, an denen Ciri herauskam. Die diversen, kleineren Scharmützel wie das zwischen Geralt und den Ungeheuern während seines Aufenthaltes in Toussaint glichen zu sehr den vielen anderen Scharmützeln, die sich im Laufe des gesamten Zyklus ereigneten, um sich auf den Blutdruck auszuwirken. Und die Schlacht an der Brenna wiederum zog sich über fünfzig Seiten hin und wirkte auf Dauer eher ermüdend als spannend, woran nicht die Szenen im Lazarett schuld waren.

Viel mehr Eindruck als die Schlacht, ja selbst als der Kampf in Vilgefortz‘ Versteck, machte auf mich der Teil der Geschichte, an dem eigentlich alles bereits vorbei war. Vielleicht ging es nur mir so, aber bei manchen Szenen sprang mich die Ähnlichkeit zur deutschen Geschichte regelrecht an. Der Zug der Nilfgaarder Bauern, die nach der Eroberung Chintras dort gesiedelt hatten und nun vertrieben wurden, schien dem der vertriebenen Schlesier aufs Haar zu gleichen, und auch die beiden Offiziere, die den Zug begleiteten, wirkten wie Abbilder der Vergangenheit. Und mit dem Progrom in Riva und den Worten, die ihm vorausgegangen waren, war es genauso.

Abgesehen von diesem speziellen Detail hat der Autor in diesem Buch einen recht unverblümten Blick auf das Phänomen Krieg geworfen, und das in jeder Beziehung. Die Schlacht, das Elend der Lazarette, das Geschacher der Parteien während der Friedensverhandlungen, die Verrohung der Gesellschaft, die Kriegsgewinnler, die offizielle Geschichtsschreibung, nichts wird ausgelassen. Diese Frage des Krieges und seiner Folgen, und wie der Einzelne, der einfache Mann damit umgeht, war mit einer der interessantesten Aspekte des ganzen Buches. Es war der Aspekt, der einen vergessen ließ, dass man es mit Fantasy zu tun hat. Er verlieh diesem eh schon eher düsteren Werk eine noch dunklere Schattierung, die weit mehr überzeugt als alles, was in Dark und Urban Fantasy so auftauchen mag.

_Unterm Strich_ bleibt zusagen, dass der |Hexer|-Zyklus insgesamt eine lesenswerte Lektüre war. Vielleicht nicht gerade unmäßig spannend, aber durchaus komplex, abwechslungsreich und stets unvorhersehbar. Wer es gern romantisch mag oder einen schwachen Magen hat, dürfte wenig Freude an dem Buch haben. Action-Freunde dagegen kommen ebenso auf ihre Kosten wie Fans von Intrigen und Geheimnissen.

_Andrzej Sapkowski_ ist Literaturkritiker und Schriftsteller und nebenbei Polens bekanntester Fantasy-Autor. Der Hexer-Zyklus diente bereits als Grundlage für einen Kinofilm und eine Fernsehserie sowie für das polnische Rollenspiel „Wiedzmin“. Auch das Computerspiel „The Witcher“ stammt von Sapkowski, ebenso die Narrenturm-Trilogie um die Abenteuer des jungen Medicus‘ Reinmar von Bielau.

|Taschenbuch: 539 Seiten
Originaltitel: |Pani Jeziora|
Aus dem Polnischen von Erik Simon
ISBN-13: 978-3423248174|
[www.dtv.de]http://www.dtv.de
[www.der-hexer.de]http://www.der-hexer.de

_Weitere Titel des Autors bei |Buchwurm.info|:_
[„Narrenturm“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=1884
[„Gottesstreiter“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=3367
[„Lux perpetua“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=4568

Perplies, Bernd – Gegen die Zeit (Magierdämmerung 2)

_|Magierdämmerung|:_

Band 1: [„Für die Krone“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6640
Band 2: _“Gegen die Zeit“_
Band 3: „In den Abgrund“ (September 2011)

_Nach den dramatischen_ Ereignissen am Ende des Vorgängerbandes sitzen Jonathan und Holmes ganz schön in der Patsche. Wellington hat die beiden zusammen mit all den anderen Magiern, die ihm die Gefolgschaft verweigerten, im untersten Keller der Guildhall einsperren lassen. Da es dort keinen Whiskey gibt, mach Holmes sich unverzüglich daran, das Schloß zu knacken …

Unterdessen hat Wellington bemerkt, das an der Hand des aufgebahrten Dunholm der silberne Siegelring fehlt. Sofort lässt er nach Dunholms Kutscher und Freund, Randolph Brown, suchen, dem es gelungen ist, während Wellingtons Putsch aus der Bibliothek zu verschwinden. Wellington glaubt, Randolph habe den Ring als Andenken an Dunholm eingesteckt. Randolph seinerseits ist derweil damit beschäftigt, einen Plan zur Befreiung von Wellingtons Gefangenen in die Tat umzusetzen. Und als sei das alles noch nicht Trubel genug, ist eine junge Italienerin namens Lionida Diodato unterwegs nach London. Sie ist Agentin einer Spezialtruppe der Inquisition …

_Lionida Diodato ist_ der bisher wichtigere von zwei erwähnenswerten Neuzugängen. Sie ist nicht nur in der Fadenmagie bewandert, sondern auch ansonsten sehr schlagkräftig. Außerdem ist sie eine sehr schöne Frau, keine Wunder also, dass man ihr nicht gerade mangelndes Selbstbewusstsein nachsagen kann. Ihr Kollege Emilio Scarcatore ist eigentlich der Interessantere von beiden, denn er ist – nun, man könnte sagen, magisch antibegabt. Fadenmagie gleitet einfach an ihm ab. Echte Persönlichkeit kann man den beiden bisher allerdings nicht bescheinigen. Scarcatore kommt zu wenig vor, und war bisher hauptsächlich zurückhaltend, und auch Lionida war bisher vor allem kompetent und pragmatisch. Es ist aber davon auszugehen, dass beide im dritten Band noch eine größere Rolle spielen werden, was ich sehr begrüßen würde.

Die Handlung ist diesmal etwas weniger kompakt ausgefallen als das letzte Mal. Die Aufteilung der Gruppe um Jonathan, die beiden Neuzugänge aus Italien, sowie eine stärkere Gewichtung der Ereignisse um Wellington haben aus zwei dicken Handlungssträngen vier schlankere gemacht, die Bernd Perplies geschickt umeinander herumgewunden hat wie in einem komplizierten Knoten. Das hatte zwar zur Folge, dass mein Lieblingscharakter Holmes nicht mehr so im Mittelpunkt stand, doch das hat der Geschichte nicht geschadet. Diverse Ausbruchversuche, Kidnapping, eine Verfolgungsjagd über die Dächer und ein weiteres mehr oder weniger magisches Duell sorgen dafür, dass die Handlung immer wieder aufs Neue spannend und abwechslungsreich bleibt. Angenehm auch, dass der Autor es seinen Helden niemals allzu leicht gemacht hat.

Jetzt, wo Jonathan sozusagen mit beiden Beinen in der magischen Welt steht, ist das Flair des historischen London etwas in den Hintergrund getreten, dafür bekam die |Nautilus| Gesellschaft von |Gladius Dei|, einem magisch etwas aufgepeppten Zeppelin mit deutscher Besatzung, was der Autor für ein paar kleine Seitenhiebe auf preußischen Militarismus und deutsche Pedanterie genutzt hat. Desgleichen wurde der Aspekt um die Magie ein wenig ausgebaut, nicht nur im Hinblick auf Scarcatore, der eher eine vielversprechende Aussicht auf den nächsten Band bedeutet, sondern auch in Bezug auf Dunholms Ring. Und dann ist da natürlich auch noch Rupert, der ein wenig für zusätzlichen Schmunzeleffekt sorgt.

Sprachlich eher schnörkellos und nicht unbedingt sehr detailliert, aber trotz allem stets ideenreich und immer wieder mit recht trockenem Humor führt der Autor den Leser durch seine turbulente, abwechslungsreiche und auch spannende Geschichte. Allein an einer Stelle bin ich diesmal über einen Knacks in der Logik gestolpert: Obwohl sämtliche Handlanger Wellingtons den magischen Riegel der Gefängnistür von außen einfach innerhalb von Sekunden öffnen konnten, war das dem draußen versteckten Verbündeten der Gefangenen nicht möglich, statt dessen musste er das Fadennetz mühsam und langwierig aufknoten oder unter großem Kraftaufwand abreißen. Trotzdem habe ich auch diesen Band mit Vergnügen gelesen, und das Warten auf den Abschluss wird sicherlich nicht ohne Ungeduld abgehen.

_Bernd Perplies studierte_ Germanistik und Filmwissenschaften und arbeitet seither als Redakteur für filmportal.de sowie als Übersetzer. Bereits mit seiner |Tarean|-Trilogie hatte er großen Erfolg. Der letzte Band zu seinem neuen Zyklus |Magierdämmerung| unter dem Titel „In den Abgrund“ soll im September dieses Jahres erscheinen.

|Taschenbuch: 419 Seiten
ISBN-13: 978-3802582653|
[www.egmont-lyx.de]http://www.egmont-lyx.de
[www.bernd-perplies.de]http://www.bernd-perplies.de

_Bernd Perplies bei |Buchwurm.info|:_
[„Tarean – Sohn des Fluchbringers“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=5678 (Tarean Band 1)

David Anthony Durham – Die fernen Lande (Acacia 2)

Acacia

Band 1: Macht und Verrat“
Band 2: „Die fernen Lande“

Die Mein sind besiegt, doch Aliver hat den Kampf gegen die Besatzer mit seinem Leben bezahlt. Nun sitzt Corinn auf dem Thron, und es scheint sich kaum etwas verändert zu haben, zumindest nicht zum Besseren. Das Volk, das inzwischen von seiner Abhängigkeit vom Nebel geheilt ist, murrt, und mehr als das. Corinn bleibt das nicht verborgen.

Mena ist derweil damit beschäftigt, die Nebenwirkungen des magischen Wutausbruchs der Santoth zu beseitigen. Eine ganze Reihe von Ungeheuern hat sie bereits erschlagen, doch das letzte der magisch veränderten Geschöpfe, das auf ihrer Liste steht, scheint irgendwie anders zu sein als die bisherigen …

Kelis, Alivers Jugendfreund, wird plötzlich mit der Tatsache konfrontiert, dass Aliver vor seinem Tod ein Kind gezeugt hat: Eine Tochter, die nun von den Santoth gerufen wird, und ausgerechnet Kelis wird als ihr Beschützer erwählt!

Dariel wiederum ist mit Aufbauarbeit beschäftigt. Bis Corinn ihn zusammen mit einem Vertreter der Gilde auf eine diplomatische Mission nach Westen schickt. Doch die Gilde hat nicht vergessen, dass Dariel einst ihre schwimmenden Plattformen in die Luft gejagt hat …

Dariels Reise in die Anderen Lande erweitert die Handlung um ein gutes Stück. Zum einen natürlich um eine andere Kultur. Die Auldek sind ein Volk von Kriegern, und das Töten scheint ihr einziger Lebensinhalt zu sein. Für alle anderen Tätigkeiten haben sie Sklaven. Gleichzeitig sind diese todesmutigen Kämpfer erstaunlich ängstlich: Sie fürchten sich sowohl vor dem Meer als auch vor dem Landesinneren ihres eigenen Kontinents. Nahezu das gesamte Volk der Auldek scheint sich an einem schmalen Küstenstreifen zusammenzudrängen.

Zum anderen bedeutet ein neuer Ort auch neue Charaktere: Der wichtigste ist Mór, die einst als Quotenkind in die Anderen Lande kam. Die junge Frau ist eine Anführerin des Untergrunds, misstrauisch, zornig und voller Hass auf die Familie Akaran, denen sie die Schuld an ihrer Lage gibt. Ein weiterer ist Devoth, der mächtigste der Auldek, ein Mann, der im einen Augenblick voller Begeisterung das Gemetzel bei einer Art Gladiatorenkampf beobachten und im nächsten mit einer Schar zahmer Kolibris spielen kann.

Vor allem aber stellt diese Reise eine Menge Zusammenhänge her. So erfährt der Leser endlich, was mit den Quotenkindern geschieht und was genau es mit den Numrek auf sich hat, mit denen Corinn sich verbündet hat, um Hanish Mein zu stürzen. Außerdem offenbart sie das wahre Ausmaß der Machenschaften der Gilde.

Allein die Bedrohungen durch Gilde und Auldek, die der Autor in diesem Teil der Geschichte aufbaut, drehen gehörig an der Spannungsschraube. Aber damit ist es nicht getan. Auch in Acacia tut sich einiges, was sich im Laufe der Handlung immer mehr zur Gefahr entwickelt. Dabei wirken die einzelnen Bestandteile der Entwicklung gar nicht mal so schlimm. Das Volk ist unzufrieden und plant einen Aufstand; die Gilde hat als Ersatz für den Nebel eine neue Droge entwickelt, die mit Wein vermischt unters Volk gebracht werden soll, deren Langzeitfolgen aber noch völlig unbekannt sind; das Klima hat sich verändert, sodass große Teile der Provinz Talay unter jahrelanger Dürre leiden. Das sind zwar ernste Schwierigkeiten, mit denen man aber durchaus fertig werden könnte. Die zunehmende Spannung wird weniger durch diese Einzelheiten als solche bewirkt als viel mehr dadurch, wie Corinn darauf reagiert. Denn Corinn ist nicht wirklich stark, obwohl sie ihre Unsicherheit nach außen perfekt verbirgt. Sie ist im ersten Band mehrmals verraten worden, deshalb traut sie kaum jemandem, aber auch ihr Misstrauen kann sie nicht gegen erneuten Verrat schützen. Corinn nimmt immer öfter Zuflucht zur Magie, die sie aus dem Buch von Elenet erlernt hat. Doch die Magie ist ein zweischneidiges Schwert in mehr als einer Hinsicht.

Der Handlungsteil, der in Acacia spielt, zeigt deshalb besonders gut, wie geschickt der Autor das Wechselspiel zwischen seinen Figuren und den äußeren Umständen gestaltet hat. Alles ergibt sich aus sich selbst, vollkommen fließend, ohne Hänger, logische Knicke oder ähnliches Geholper. Selbst die Verbindung der Geschehnisse von einem Kontinent zum andern ist glatt wie Seide geraten. Und natürlich hat der Autor sein Buch nicht beendet ohne ein paar vage Andeutungen, die noch einiges an Enthüllungen versprechen. Einziger Wermutstropfen: Ein paar grobe Schnitzer im Lektorat.

Damit ist „Die fernen Lande“ ein würdiger Nachfolger des bereits sehr gelungenen ersten Bandes der Acacia-Trilogie. Natürliche, glaubwürdige und interessante Charaktere verbunden mit einer spannenden, vielschichtigen und kaum vorhersehbaren Handlung füllen locker die knapp achthundert Seiten, sodass der Leser eine detaillierte Ausarbeitung des Hintergrundes überhaupt nicht vermisst. Ich bin jetzt schon gespannt auf den letzten Band. Wenn er genauso gut wird wie der Erste, nehme ich auch gerne eine weitere Wartezeit von drei Jahren in Kauf.

David Anthony Durham wurde 1969 in New York geboren, war aber viel in Europa unterwegs. Unter anderem hat er mehrere Jahre in Schottland verbracht. Neben seiner Tätigkeit als Schriftsteller hat er an verschiedenen Universitäten gelehrt. Zu seinen Werken gehören außer einigen Kurzgeschichten die Romane „Gabriel’s Story“ und „Walk through Darkness“, sowie der Historienroman „Pride of Karthage“ über den zweiten punischen Krieg, von denen bisher jedoch keines ins Deutsche übersetzt wurde. Der dritte Band des Acacia-Zyklus trägt den Titel „The Sacred Band“, und ist derzeit noch in Arbeit.

Paperback, 782 Seiten
Originaltitel: Acacia 2: The Other Lands
Aus dem Amerikanischen von Tim Straetmann
ISBN-13: 978-3442267804

http://www.davidanthonydurham.com/index.html
http://www.randomhouse.de/blanvalet/index.jsp

Der Autor vergibt: (5.0/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (1 Stimmen, Durchschnitt: 1,00 von 5)

Mer, Lilach – siebte Schwan, Der

Wilhelmina, genannt Mina, ist die Tochter eines Gutsbesitzers. Ihr Lieblingsort ist der Dachboden, wo sie am liebsten ganze Stunden damit verbringen würde, zur zarten Melodie einer alten Spieluhr zu tanzen. Doch ihre Eltern sehen dieses Verhalten gar nicht gern. Und auch der freundliche Doktor nicht, der so oft bei ihren Eltern zu Gast ist. Doch erst, als sie ein Gespräch zwischen Eltern und Doktor belauscht, findet sie heraus, in welche Schwierigkeiten ihr Verhalten sie tatsächlich gebracht hat …

Der Titel des Buches täuscht ein klein wenig. Zwar spielen Schwäne eine Rolle, und Mina träumt auch einmal davon, dass sie Kinderkleider stricken muss aus Wolle, die ihr die Hände verletzt. Ansonsten aber ähnelt die Geschichte mehr der Geschichte der sieben Raben. Obwohl die Zahl sieben hier völlig fehl am Platz ist, denn selbst bei aller Mühe kommt der Leser bestenfalls auf drei, von denen einer nicht mal ein Bruder ist, sondern „nur“ ein Cousin. Aber fangen wir vorne an …

Für die Charakterzeichnung sind zwei Personen besonders wichtig:

Mina ist ein verträumtes, empfindsames Mädchen. Das Licht unter dem Dachboden, die alten Möbel und Kleider, die sanfte Musik der Spieluhr, all das verzaubert sie, entrückt sie. Mina ist empfänglich für Dinge, die nicht offensichtlich sind, für die Geheimnisse unter der dünnen Oberfläche dessen, was die Menschen sonst als Wirklichkeit bezeichnen. Sie liebt diese Geheimnisse, die der Welt jenen Zauber verleihen, ohne den der dröge Alltag unerträglich wäre.

Für den Doktor dagegen sind diese Geheimnisse und dieser Zauber nichts als Hirngespinste, ein Wahn, den es zu kurieren gilt, und zwar mit allen Mitteln! Dabei ist er selbst nicht unbedingt unempfänglich für die Dinge jenseits der gewohnten Welt, doch sie entziehen sich seiner Kontrolle, verwirren die starre Ordnung, in der das Leben der Menschen sich seiner Ansicht nach zu bewegen hat.

Außerdem gibt es da noch die Taterfamilie, bei der Mina Zuflucht findet, und die ihr auf ihrem Weg beisteht. Alle Familienmitglieder wirken ziemlich sympathisch, selbst Viorel, der offenbar nicht nur positive Eigenschaften besitzt. Und dann wäre da noch als kleines Schmankerl der Kater Herr Tausendschön, der mich in seiner Art ein wenig an den Kater aus dem letzten Einhorn erinnerte: Er gibt niemals eine klare Antwort.

Eigentlich hat mir die Darstellung aller Figuren recht gut gefallen. Die Tater sind nicht allzu intensiv gezeichnet, aber trotzdem hat jedes Familienmitglied seine Eigenheiten, die ihm Persönlichkeit verleihen. Der Doktor taucht nicht so oft auf, und seine Darstellung wirkte auf mich weniger wie die einer Person als vielmehr die einer Institution. Seltsamerweise empfand ich das nicht als Manko. Denn von diesem Konflikt lebt die gesamte Geschichte.

Minas Umfeld ist ein strenges, steifes Umfeld, gezwängt in ein Korsett. Zum Picknick wird die halbe Einrichtung mitgenommen, selbst Tisch und Stühle, als wollte man mit der Natur eigentlich gar nicht in Berührung kommen. Von Mina wird erwartet, dass sie sich mit Mädchendingen wie Sticken und Zeichnen beschäftigt. Abweichungen von dieser Rolle wie Phantasie oder gar eigene Ansichten, ein eigener Wille, sind bei Mädchen zu dieser Zeit höchst unerwünscht.

Den Gegensatz zu der bürgerlichen Gutsidylle bietet die Welt der Tater. Sie haben kein Dach über dem Kopf, nicht einmal das von Zigeunerwagen. Sie ziehen umher und bleiben nirgendwo lange, dafür sind sie mit dem gesamten Land verbunden. Und nicht nur mit dem, auf das auch die Gadsche, die Nicht-Zigeuner, ihre Füße setzen. Hinter der „normalen“ Welt gibt es eine weitere voller Wunder und Magie, in der die Tater ebenso zu Hause sind. Dabei ist es nicht so, dass beide Welten getrennt voneinander existieren würden. Eher ist es so, dass die magische Welt wie eine zweite Haut über der Welt der Gadsche liegt, die Gadsche können sie aber weder sehen noch erreichen.

Mina kann das, und das ist der Grund, warum der Doktor sie unbedingt mitnehmen will. So, wie er bereits ihre Brüder mitgenommen hat. Und Mina ist sich durchaus nicht sicher, ob der Doktor nicht recht hat, wenn er sie als verrückt bezeichnet. Trotzdem läuft sie davon und macht sich auf die Suche nach ihren verlorenen Brüdern. Und gleichzeitig auch auf eine Suche nach sich selbst. Diese Suche ist kein Zuckerschlecken. Mina muss viel opfern, um Antworten auf ihre Fragen zu erhalten. Und nicht alle Hilfe, die ihr geboten wird, ist auch ehrlich. Sie wird getäuscht, einmal sogar verraten. Doch sie geht unbeirrt weiter.

Der Weg führt durch beide Welten. Aber vor allem die magische hat Lilach Mer sehr eindringlich und intensiv beschrieben. Das ist vor allem ihrer poetischen und bildhaften Sprache zu verdanken, die ohne jede Übertreibung oder Schwülstigkeit den Leser zutiefst verzaubert. So lebendig ist die Darstellung, dass der Wald, der Brutsee, das Haus des Pug ebenso wirklich erscheinen wie die Realität. Tatsächlich verschwimmen die Grenzen zwischen beiden umso mehr, je weiter die Geschichte sich entwickelt, bis hin zur Unkenntlichkeit, bis zu dem Punkt, an dem Mina in der magischen Welt so zu Hause ist, dass beide Dimensionen sich nicht mehr voneinander trennen lassen.

Mancher mag vielleicht anmerken, dass die Lebensumstände der Tater ein wenig romantisiert und beschönigt wirken. Tatsächlich war es wohl kaum immer spaßig, bei Wind und Wetter unter freiem Himmel zu sein. Andererseits macht die Autorin durchaus deutlich, dass die Tater auf ihre Weise ebenso wegen ihres Andersseins unter Verfolgung zu leiden hatten wie Mina, und letztlich ist der Kern der Geschichte ja Mina auf ihrer Reise. Diese hat die Autorin auf jeden Fall außerordentlich gut umgesetzt, sowohl von der sprachlichen Seite her als auch im Hinblick auf die Einbindung alter Sagen und Märchen oder geschichtlicher Details. Lilach Mer hat mit dieser Geschichte einen Schleier gewoben, so fein und zart wie ein Windhauch, und gleichzeitig so dicht und hautnah, dass man sich seinem Zauber unmöglich entziehen kann. Sehr lesenswert!

Lilach Mer ist Juristin und Fachjournalistin und hauptsächlich im akademischen Bereich tätig. „Der siebte Schwan“ ist ihr erster Roman, der es im Rahmen des Schreibwettbewerbs von Heyne Magische Bestseller 2009 unter die fünf Finalisten schaffte.

Broschiert: 554 Seiten
ISBN-13: 978-3453527492

http://www.heyne.de

Der Autor vergibt: (4.5/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (1 Stimmen, Durchschnitt: 5,00 von 5)

Lode, Christoph – letzte Traumwanderer, Der (Pandaemonia 1)

_|Pandaemonia|_:

Band 1: _“Der letzte Traumwanderer“_
Band 2: „Die Stadt der Seelen“ (Februar 2011)
Band 3: „Phoenixfeuer“ (Oktober 2011)

In Bradost gärt es. Seit die Lordkanzlerin vor fünf Jahren den Magistrat entmachtet hat, um allein über die Stadt zu herrschen, wächst die Unzufriedenheit im Volk, viele wollen die alte Republik zurück.

Liam und Jackon kümmert das alles wenig. Vorerst. Bis Jackon von Lady Sarka in ihren Palast aufgenommen wird, wo sie ihn im Gebrauch seiner Gabe schulen kann. Denn Jackon ist ein Traumwanderer …

Und bis Liam zusehen muss, wie sein Vater vom Chef der Geheimpolizei ermordet wird!
Plötzlich stecken beide mittendrin in einem Machtkampf, der nicht allein auf ihre eigene Welt beschränkt ist …

_Die Charakterzeichnung ließ_ ein wenig zu wünschen übrig.

Liam zum Beispiel ist durchaus sympathisch, so, wie man jemanden sympathisch findet, dem man gelegentlich auf der Straße begegnet, und der immer gut gelaunt und freundlich grüßt. Aber mehr als dieser oberflächliche Eindruck bleibt nicht zurück.

Auch Jackon fehlt es an Ausstrahlung, zudem wirkt er in seiner fast kindlichen Bewunderung für Lady Sarka wesentlich jünger als ein Fünfzehnjähriger. Von jemandem, der von Kindesbeinen an täglich um sein Überleben kämpfen musste, hätte ich etwas mehr geistige Reife erwartet.

Weitere Figuren wie der Erfinder Quindal, die Alben Lucien und Aziel oder die Gehilfen der Lordkanzlerin, besitzen kaum eigenes Profil.

Wesentlich stimmungsvoller ist Christoph Lodes Darstellung seiner Welt ausgefallen. Die Gassen sind eng und schmutzig, die Häuser schäbig und rußgeschwärzt. Licht scheint es fast ausschließlich außerhalb von Gebäuden zu geben, aber selbst in den Gärten der Lordkanzlerin, die von einem Gärtner gepflegt werden, ist alles voller Ruinen, sind die Statuen fleckig und schadhaft. Viele magische Geschöpfe sind einfach verschwunden, so wie der Phönix, der einst die Stadt bewachte. Es ist eine verfallende, sterbende Welt. Der Lärm und der Ätherdampf aus den zahllosen Fabriken und Manufakturen, die Geschäftigkeit in Quindals Erfinderwerkstadt wirken vor dieser Kulisse wie der klägliche Versuch, kunstvolle Musik durch andere Geräusche und den dadurch entstehenden Mangel an Klang durch noch mehr Geräusche zu ersetzen.

Dennoch gibt es noch immer Magie. Dabei scheint es nicht so zu sein, dass Magie eine universelle Kunst ist, zu der jemand befähigt ist oder nicht. Sie äußert sich – zumindest bei den Menschen – in unterschiedlichen Gaben, so wie Jackons Fähigkeit, durch die Träume anderer Menschen zu wandern. Eine Ausnahme bildet die Alchymie, die ganz offensichtlich eine Menge mit Magie zu tun hat, für die man aber anscheinend keine magische Gabe benötigt.

In dieser düsteren Umgebung hat der Autor seinen Plot entwickelt. Die Grundidee dieses Plots ist nicht neu: Eine kleine, zusammengewürfelte Gruppe mehr oder weniger junger und heldenhafter Personen setzt sich gegen einen übermächtigen Diktator zur Wehr. Was dabei ein wenig stört, ist, dass die Darstellung ein wenig löchrig wirkt. Details darüber, wie die Lordkanzlerin die alleinige Macht an sich gerissen hat, wie sie die städtischen Soldaten auf ihre Seite gebracht hat, und vor allem, warum sie das tut, sind vornehmer Zurückhaltung zum Opfer gefallen. Sicher, die neue Machthaberin lässt ihre Untertanen ununterbrochen bespitzeln und unterdrückt jeden Widerstand sofort auf brutale Weise. Aber was war zuerst da? Die Unterdrückung oder der Widerstand? Und im Falle des Letzteren: Wo kam er her und warum?

Hier lässt der Autor den Leser völlig in der Luft hängen, was ich schade fand. Die Motive aller Beteiligten bleiben dadurch bruchstückhaft, es fehlt eine stabile Basis, auf der die weitere Entwicklung des Plots aufbauen könnte.

Dazu kommt, dass die sich die Handlung weder durch viel Bewegung noch durch Komplexität auszeichnet. Bis alle Personen in Stellung gebracht sind, vergehen einige Seiten, und obwohl der Autor sich darauf beschränkt hat, Gedanken und Gefühle seiner Figuren direkt festzustellen, anstatt sie indirekt durch Beschreibung zu verdeutlichen, nehmen die Entwicklung von Liams und Jackons Freundschaft oder die der Beziehung zwischen Liam und Vivana eine Menge Raum ein. Das wäre nicht unbedingt ein Problem, so denn die Charaktere lebendig und greifbar genug wären, um diese Passagen mit Präsenz zu füllen, was sie leider nicht sind.

Außerdem ist von Anfang an klar, was die Lordkanzlerin vorhat, und auch die Frage, woher der Harlekin die magische Lampe hatte, kann der Leser in dem Moment beantworten, in dem sie gestellt wird. Damit ist der Plot eigentlich schon aufgedeckt, und der Leser fragt sich nur noch, ob es den Protagonisten gelingt, den Plan zu vereiteln oder nicht. Nun, nicht ganz, er fragt sich auch, was es nun eigentlich mit diesem so wichtigen Gelben Buch von Yaro D’ar auf sich hat, aber diese Antwort hat sich der Autor wohlweislich noch aufgehoben.

Letztlich sind es kleine Randfragen, die die Geschichte auch darüber hinaus interessant halten: Was hat es mit der Vergangenheit von Lady Sarkas Leibwächterin auf sich, die einmal so beiläufig, aber sicherlich nicht ohne Absicht erwähnt wurde? Welche Geheimnisse hüten die Manusch, die als fahrendes Volk durchs Land ziehen und von denen Vivana teilweise abstammt? Und woher hat die Lordkanzlerin ihre so außergewöhnlichen Fähigkeiten?

An diesen kleinen Rätseln kann der Leser herumpuzzlen, bis es endlich zum Showdown kommt. Und der wiederum ist nicht nur turbulent, sondern auch durchaus spannend geraten und wartet für alle, die ein paar Seiten zuvor noch dachten: „Das ging jetzt aber leicht!“, mit einer kleinen Überraschung auf. Zusammen mit dem Besuch des Alben Lucius beim Alchemysten Silas Torne ist das die beste Szene des Buches.

_Zurück bleibt ein durchwachsener Eindruck._ Vieles hat mir sehr gut gefallen, so zum Beispiel die einzelnen magischen Gaben, die Darstellung der Stadt Bradost oder die Manusch, die vielleicht nicht unbedingt überaus originell geraten sind, dafür aber ein wenig Farbe mitbringen. Die Charaktere dagegen blieben mir zu blass und zu flach, und auch der Handlung fehlte es bisher noch an Biss und an Tempo. Vielleicht bessert Letzteres sich ja in den Folgebänden, jetzt, wo wir die Aufstellung der Figuren und ihrer Beziehungen zueinander hinter uns haben.

_Christoph Lode_ stammt aus dem Rheinland und ist seit Jahren freiberuflicher Schriftsteller. Nach den Historienromanen „Der Gesandte des Papstes“ und „Das Vermächtnis der Seherin“ ist die |Pandaemonia|-Trilogie sein erster Ausflug ins Fantasy-Genre. Der zweite Band unter dem Titel „Die Stadt der Seelen“ erscheint Mitte Februar, außerdem ist für Mitte April die Veröffentlichung eines weiteren Historienromanes vorgesehen, „Die Bruderschaft des Schwertes“.

|Broschiert: 381 Seiten
ISBN-13: 978-3442471737|
[www.randomhouse.de/goldmann]http://www.randomhouse.de/goldmann
[www.christoph-lode.de]http://www.christoph-lode.de

Isau, Ralf – verbotene Schlüssel, Der

Innerhalb kürzester Zeit hat Sophia sowohl ihre Eltern als auch ihren Großvater verloren. Ihren Großvater hat sie zwar nicht gekannt, aber das macht es nicht wirklich leichter, zumal ihr Großvater ihr seine gesamte Habe vermacht hat. Darunter sind auch ein handgeschriebenes Buch sowie ein rotes Samtkästchen. In Letzterem befindet sich ein überaus kostbares Fabergé-Ei.

Der alte Mann, mit dem Blindenstock allerdings ist ganz offensichtlich nicht hinter dem Schmuckstück her, sondern hinter seinem Inhalt! Und plötzlich ist Sophia auf der Flucht …

Ralf Isau hat seine Geschichte über mehrere Jahrtausende und zwei Welten verteilt.

Die eine Welt ist die Realität, in der Sophia lebt. Sophia ist zwar intelligent, aber auch neugierig. Und da sie natürlich kein Wort von dem glaubt, was ihr Opa in seinem Buch geschrieben hat, tut sie einiges, was sie besser hätte bleiben lassen.

Die andere Welt heißt Mekanis. Mekanis ist das Reich von Oros, dem Herrn der Zeit, und alle seine Untertanen sind Maschinen. Oros arbeitet seit Jahrhunderten daran, seine Welt mit der Realität zu verbinden, mit dem endgültigen Ziel, beide gegeneinander auszutauschen. Da er auf die Realität nicht direkt einwirken kann, ist er darauf angewiesen, Menschen zu beeinflussen.

Einer, der fast von Anfang an dabei war, ist Theo. Theo stammt aus Cäsars Zeiten und ist damit weit über tausend Jahre alt. Weil er den weitaus größten Teil davon in Mekanis verbracht hat, hat er sich sozusagen sein kindliches Wesen bewahrt: Er ist unschuldig und vertrauensvoll. Was nicht heißen soll, dass er naiv wäre. Oros kennt er inzwischen gut genug, um ihm nicht zu trauen.

Die Charakterzeichnung ist durchaus detailliert. Keine der Figuren ist nur auf ihre Funktion in der Geschichte beschränkt. Dennoch will echte Tiefe nicht aufkommen, nicht einmal im Zusammenhang mit der zarten Romanze zwischen Sophia und Theo.

Das liegt zu einem Großteil daran, dass die Handlung – vor allem zu Beginn – so überstürzt und hektisch verläuft. Kaum hat Sophia die Wohnung ihres Großvaters verlassen, wird sie von Oros verfolgt, und es scheint, dass es nirgendwo auf der Welt einen Ort gibt, wo ihr Verfolger sie nicht aufspüren kann. Außerdem gerät Sophia auch nach Mekanis, wo sie wiederum von Oros Schergen verfolgt wird. In Mekanis trifft sie auch Theo, der ihr in den wenigen kurzen Atempausen aus der Vergangenheit erzählt.

Insgesamt ist die Handlung durch die häufigen Wechsel zwischen den vielen Orts- und Zeitebenen ziemlich sprunghaft geraten. Zwar hat der Autor das Ganze sauber aufgebaut, sodass der rote Faden jederzeit problemlos verfolgt werden kann. Allerdings wirkt der Verlauf dadurch doch etwas abgehackt, so ruckelnd wie die Bewegungen von Oros‘ Maschinen.

Flair erhält die Geschichte durch die Verarbeitung verschiedener Mythen, darunter Ys und Atlantis sowie die Umdeutung einiger geschichtlicher Fakten wie die Kalenderreform von Papst Gregor XIII. Im Mittelpunkt steht dabei die Weltenmaschine, eine Art Uhr, die das Funktionsprinzip des gesamten Kosmos abbildet und dadurch Macht über die Zeit verleiht. Pate für diese Weltenuhr stand der Mechanismus von Antikythera, ein komplexes Instrument aus Zahnrädern und Zeigern, das im Jahr 1900 in einem Schiffswrack entdeckt wurde und wohl hauptsächlich astronomischen Zwecken diente.

Mit Hilfe dieser Weltenuhr will Oros sein Ziel erreichen, doch kann die Uhr nur von jemandem bedient werden, der unschuldig ist wie ein Kind. Theo kann die Uhr bedienen, und Sophia. An dieser Stelle wird es philosophisch. Denn diese beiden können nicht nur die Uhr bedienen, ihre Berührung beseelt auch Oros‘ Maschinen, gibt ihnen Gefühle und einen freien Willen. Unwillkürlich fragt sich der Leser, wie groß die Macht der Unschuld wohl tatsächlich ist. Dazu kommen Gedanken über das Wesen und die Auswirkungen von Ideen oder über die Technisierung unserer Welt, die der Autor gewohnt dezent und leise nebenbei einfließen lässt.

Diese Mischung aus Mythen, historischer Recherche und Philosophie verleiht dem Buch das gewisse Etwas, trotz des ausgesprochen unruhigen und gehetzten Handlungsverlaufs. Die Protagonisten sind zwar nicht allzu intensiv gezeichnet, aber sympathisch und gute Identifikationsfiguren für Jugendliche. Die Grundidee ist ungewöhnlich und daher eine angenehme Abwechslung zum üblichen Fantasy-Einerlei, und bis auf ein paar kleine, unbedeutende Details ist die Ausarbeitung frei von logischen Brüchen. Ein interessantes und lesenswertes Buch für Zwölf- bis Vierzehnjährige.

Ralf Isau war ursprünglich in der Informatik tätig und schrieb seine Bücher nebenher. Sein erster großer Erfolg war die Neschan-Trilogie, seither hat er eine ganze Reihe von Romanen für Kinder, Jugendliche und Erwachsene veröffentlicht. Inzwischen ist er hauptberuflicher Schriftsteller und mit bis zu vier Romanen pro Jahr enorm produktiv. Sein nächstes Buch unter dem Arbeitstitel „Der Nebelwächter“ soll im Frühjahr nächsten Jahres erscheinen.

Gebundene Ausgabe: 505 Seiten
ISBN-13: 978-3570138342

http://www.randomhouse.de/cbjugendbuch/index.jsp
http://www.isau.de/index.html

Der Autor vergibt: (4.0/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (2 Stimmen, Durchschnitt: 1,00 von 5)