Alle Beiträge von Birgit Lutz

Robin Hobb – Der Weitseher (Die Chronik der Weitseher 1)

Die Chronik der Weitseher

Band 1: „Der Weitseher“
Band 2: Der Schattenbote
Band 3: Der Nachtmagier

Als der sechsjährige Bursche in die Obhut von Burrich gegeben wird, hat er nicht einmal einen Namen. Und so nennt Burrich ihn Fitz. Denn der Junge ist ein Bastard, der uneheliche Sohn des Kronprinzen Chivalric, Burrichs Dienstherrn. Der sich allerdings bemüßigt fühlt, dem Jungen erst gar nicht zu begegnen und sich statt dessen unter Verzicht auf die Thronfolge in eine der Provinzen des Reiches zurück zu ziehen. So wächst Fitz als Stallbursche auf. Als Bastard hat er von Anfang an kein leichtes Leben in der Burg. Doch dann läuft er mehr oder weniger versehentlich dem König über den Weg. Und das Schicksal nimmt seinen Lauf …

Fitz ist ein aufgeweckter Bengel, der von seinem Vater nicht nur die Gabe geerbt hat, sondern offenbar auch noch über die alte Macht verfügt, die ihn befähigt, extrem engen Kontakt zu Tieren zu knüpfen, vor allem zu Hunden. Ansonsten ist er hauptsächlich bemüht, seinen Platz in der Welt zu finden, was aufgrund des Makels seiner Geburt extrem schwierig ist. Auf der einen Seite ziemlich stur, auf der anderen auch noch sehr leicht beeinflussbar, oft unbeholfen oder naiv, erinnert er den Leser stets daran, dass er noch lange nicht erwachsen ist.

Burrich dagegen ist ein ziemlich knurriger Kerl, dem die ihm anvertrauten Tiere – Pferde, Jagdhunde, Falken – nahezu über alles gehen. Einst war er eine Autorität, doch nachdem Chevalric ohne ihn ins Exil gegangen ist, ist er nicht mehr derselbe. Er trinkt zu viel und den Jungen, den man in seine Obhut gegeben hat, empfindet er als eine Last, zumal er sich vor der alten Macht, über die Fitz verfügt, regelrecht zu fürchten scheint. Doch wie seine Pflichten als Stallmeister nimmt er auch die Erziehung des Jungen sehr ernst. Er tut sein Bestes, allerdings scheint er in seiner direkten, fast derben und wenig einfühlsamen Art manchmal einfach nicht der Richtige dafür zu sein.

Mit Chade kommt Fitz besser zurecht. Chade ist ein alter Mann, aber immer noch stark, zäh und voller Energie. Er bildet Fitz zum Assassinen aus, allerdings mit weniger ruppigen Methoden. Bei ihm lernt Fitz, nicht nur seine Hände zu benutzen, sondern auch seinen Verstand. Die Übungen, die er Fitz absolvieren lässt, erfordern nicht nur körperliches Geschick, sondern auch Ideenreichtum, und er ermuntert Fitz dazu, nicht nur genau zu beobachten und zuzuhören, sondern auch das Beobachtete zu interpretieren und mögliche Zusammenhänge herzustellen. Von allen Beteiligten kommt er einem Freund am nächsten.

Edel dagegen, der jüngste Sohn des Königs, kann Fitz auf den Tod nicht ausstehen. Der ehrgeizige Schönling empfindet den Jungen offenbar als Konkurrenten, obwohl Chivalric Fitz nie anerkannt hat. Abgesehen davon ist Edel auch so eitel und selbstsüchtig genug, um auf dem wehrlosen Fitz herumzuhacken.

Und dann wäre da auch noch Galen zu nennen, der Gabenmeister der Feste. Zu arrogant, um auch nur irgendjemanden des Unterrichts im Gebrauch der Gabe für würdig zu halten, macht er seinen Schülern das Leben zur Hölle. Ganz besonders hasst er Fitz, denn er spürt nur zu bald, dass dessen Potential das seine weit übersteigt. Und so versucht er auf feige und hinterlistige Art, Fitz loszuwerden.

Ich finde die Charakterzeichnung hervorragend. Robin Hobb hat nahezu sämtliche Klischees erfolgreich umschifft, indem sie zum Beispiel die Beziehung zwischen Fitz und Burrich so zwiespältig gestaltet hat. Auch ist Fitz zu keiner Zeit ein strahlender Überheld, trotz seiner doppelten Begabung macht er immer wieder Fehler. Allein Edel in seiner übertriebenen Eitelkeit und Arroganz droht ein wenig ins Klischee abzurutschen, doch da er so selten vorkommt, hält sich dieser Eindruck in Grenzen.

Der Ort des Geschehens nennt sich die sechs Provinzen. Sie sind auf demselben Kontinent angesiedelt, der schon als Kulisse für Robin Hobbs Zyklus der |Zauberschiffe| diente, genauer gesagt befinden wir uns in dieser Geschichte nordöstlich von Bingtown, an der Grenze zu Chalced. Allerdings verweisen darauf nur eine kurze Bemerkung und die Karte. Eine paar Andeutungen lassen mich vermuten, dass es sich bei den erwähnten Uralten um die Drachen handeln könnte. Ansonsten konzentriert sich die Darstellung des Hintergrunds auf das direkte Umfeld, sprich, auf die sechs Provinzen, die bei Weitem kein einheitliches Reich darstellen. Nicht, dass dabei besonders ins Detail gegangen worden wäre. Sowohl der geschichtliche Hintergrund als auch die Magie, sowohl im Hinblick auf die Gabe als auch auf die alte Macht, sind noch ausbaufähig, aber vielversprechend.

Die Handlung verläuft erstaunlich ruhig. Hier wird nicht die Welt vor dem abgrundtiefen und übermächtigen Bösen gerettet, zumindest vorerst nicht. Statt dessen wird der Leser Zeuge, wie Fitz in Bocksburg aufwächst, erlebt die Gleichgültigkeit und Abneigung, die ihm entgegen gebracht wird, die kaltblütige Berechnung, mit der man ihn benutzt, die Verluste, die ihm nach und nach zugefügt werden. Fitz gehört zu den einsamsten Protagonisten, über die ich je gelesen habe.

Das heißt natürlich nicht, dass sonst nichts passiert. Sowohl die Ausbildung bei Chade als auch die bei Galen sorgen für ein paar turbulente Szenen außerhalb der Burgmauern, und außerdem stellt sich schließlich heraus, dass da im Geheimen einiges gemauschelt wird. Diese Intrige sorgt dafür, dass der Spannungsbogen sich gegen Ende ziemlich strafft.

Und außerdem wären da auch noch die Roten Korsaren. Sie sind der eigentliche Feind; das, was sie mit den Menschen anstellen, wirkt außerordentlich bedrohlich. Bisher hat die Autorin diesen Aspekt jedoch nur gestreift. Er muss ja auch noch für zwei Folgebände reichen, also ist Robin Hobb diesbezüglich eher sparsam.

So kommt am Ende eine sehr gelungene Mischung aus Lebensgeschichte, politischen Verwicklungen, vielfältigen Charakteren und unterschwelliger Bedrohung durch eine Macht des Bösen heraus, die ich regelrecht verschlungen habe. Ich hatte den „Weitseher“ kaum weggelegt, da hätte ich am liebsten schon nach dem „Schattenbote“ gegriffen, und es hat mich einiges an Selbstbeherrschung gekostet, mich erst einmal dieser Rezension zu widmen, ehe ich weiterlese. Was ich aber hiermit sogleich tun werde.

Robin Hobb war bereits unter dem Namen Megan Lindholm eine erfolgreiche, mehrfach ausgezeichnete Schriftstellerin, ehe sie mit der Weitseher-Trilogie erfolgreich ins Genre der Fantasy einstieg. Neben dem bereits erwähnten Zyklus der Zauberschiffe stammen aus ihrer Feder Die zweiten Chroniken von Fitz, dem Weitseher und die Nevare-Trilogie, sowie unter dem Namen Megan Lindholm der Windsänger– und der Schamanen-Zyklus. Derzeit schreibt sie an ihrem neuen Zyklus The Rain Wild Chronicles, dessen erster Band unter dem Titel „Dragon Keeper“ im Juni 2009 auf Englisch erschienen ist. Sie lebt mit ihrem Mann in Tacoma/Washington.

Taschenbuch: 624 Seiten
Originaltitel: Assassin’s Apprentice (Farseer Trilogy 1)
Deutsch von Eva Bauche-Eppers
ISBN-13: 978-3453524811

http://www.robinhobb.com/index.html
http://www.randomhouse.de/penhaligon/index.jsp

Der Autor vergibt: (5.0/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (1 Stimmen, Durchschnitt: 5,00 von 5)

Sapkowski, Andrzej – Feuertaufe (Geralt-Saga, 3. Roman)

_Die Geralt-Saga:_

Vorgeschichte: _1_ [Der letzte Wunsch 3939
Vorgeschichte: _2_ [Das Schwert der Vorsehung 5327

_Roman 1_: [Das Erbe der Elfen 5334
_Roman 2_: [Die Zeit der Verachtung 5751

Triss Merigold sei Dank hat Geralt die Ereignisse in Thanned überlebt und befindet sich jetzt im Brokilon, wo die Dryaden ihn heilen. Aber er spürt deutlich, dass Ciri in Gefahr ist, dass sie ihn braucht, und er kann es kaum erwarten, sie zu retten. Milva, eine Verbündete der Dryaden, hat die Nachricht gebracht, dass Ciri in die Hände von Emhyr var Emreis geraten ist, also macht Geralt sich auf nach Süden. Und zu seinem Verdruss hat er dabei nicht nur Milva im Schlepptau, sondern bald auch noch ganz andere Leute …

Im Gegensatz zu Geralt weiß Emhyr längst, dass das Mädchen, das man ihm geschickt hat, nicht Ciri ist. Offenbar hat so ziemlich jeder, den er auf sie angesetzt hat, furchtbar gepfuscht, und Emhyr ist nicht der Mann, der Versagen einfach so verzeiht. Schon bald tauchen überall Leute auf, die nach den Beteiligten des Komplotts fragen, nach Vilgefortz, Yennefer und dem Nilfgaarder Cahir …

Die Zauberin Philippa Eilhart ist derweil bemüht, der Magie Macht und Einfluss zu erhalten. Ihrer Überzeugung nach stören Männer da nur, deshalb schart sie lediglich Frauen um sich. Grenzen stören sie dabei weniger, weshalb sich auch zwei Nilfgaarderinnen in dem illustren Kreis befinden. Allerdings sind sich die Anwesenden auch ohne Männer alles andere als einig, was nicht an den beiden Fremden in ihren Reihen liegt …

_Die einigen Neuzugänge_, die der Handlung länger als nur für diesen Band erhalten bleiben dürften, sind die beiden Nilfgaarderinnen, Milva und ein Mann namens Regis:

Die beiden Zauberinnen Assire und Fringilla sind bisher nicht besonders detailliert gezeichnet, was daran liegt, dass sie nur in zwei beziehungsweise drei Szenen auftauchen. Immerhin beweist Fringilla bereits, dass sie eine gute Beobachtungsgabe besitzt, über ihre Motive kann man vorerst aber nur spekulieren. Das gilt in noch größerem Maße für Assire, die sich wesentlich passiver verhält.

Weit ausführlicher widmet der Autor sich der Figur des Regis. Der Mann ist klug und gebildet und drückt sich dem entsprechend aus, was seinen Gefährten manchmal ein wenig auf die Nerven geht. Außerdem verfügt er über einige äußerst nützliche Fähigkeiten. Vor allem aber ist er verlässlich. Die Frage ist nur: Warum hat er sich dieser Gruppe angeschlossen?

Wesentlich einfacher gestrickt als die übrigen ist Milva. Die junge Frau ist als Mädchen von Zuhause fort gelaufen, weil sie nicht ihr ganzes Leben lang irgendwelchen Männern ausgeliefert sein wollte. Sie ist derb und ungebildet, aber auch zäh und gewandt und besonders geschickt mit dem Bogen.

Echte Tiefe muss sich bei diesen neuen Figuren erst noch einstellen. Lediglich Milvas Persönlichkeit entwickelt sich im Laufe des Buches ein wenig, man erfährt etwas über ihre Vergangenheit und ihre Beweggründe. Bei Regis, vor allem aber bei Assire und Fringilla überwiegen bisher noch die Fragen, was diese Charaktere geheimnisvoll erscheinen lässt, sie aber auch auf Distanz zum Leser hält. Für Sympathien ist es, zumindest im Fall der Zauberinnen, einfach noch zu früh.

Die Handlung konzentriert sich in diesem Band wieder wesentlich stärker auf Geralt und seine direkte Umgebung. Zwar wirft der Autor gelegentlich auch einen Blick auf Ciri, Dijkstra und die oben erwähnte Zauberinnenrunde, fasst sich dabei aber jedesmal ziemlich kurz. Rience und Vilgefortz sind völlig von der Bildfläche verschwunden, und auch Yennefer taucht so gut wie gar nicht auf.

Letztlich führt das dazu, dass die Intrigen zu Gunsten des Krieges etwas in den Hintergrund treten. Dabei beschränkt Andrzej Sapkowski sich nicht auf pures Schlachten und Metzeln. Tatsächlich ist es so, dass die kleinen Scharmützel oft drastischer beschrieben werden als die Großangriffe, was nur dadurch gemildert wird, dass die Scharmützel in der Regel nur ein paar Zeilen andauern. Andere Details lassen die Kriegssituation genauso lebendig werden, zum Beispiel die vielen Flüchtlinge, die in Krisensituationen sprunghaft steigende Anfälligkeit der Massen für Fanatismus und Aberglaube und dergleichen mehr.

Zusätzliche Würze erhält die Geschichte durch den Einbau von Vampiren. Es ist eine Weile her, dass Ungeheuer mehr als nur ein kurzes Gastspiel gegeben haben. Und wie meistens bei Sapkowski wird auch hier wieder einiges an Mythen demontiert und zurecht gerückt. Abgesehen davon ist es amüsant, dem dozierenden Regis zu lauschen, wie er mit seiner Ausdrucksweise Milva zur Weißglut bringt.

Und dann trifft Geralt auch noch auf einen alten, sehr rachsüchtigen Bekannten …

_Insgesamt betrachtet_ tut sich also gar nicht so viel. Geralt ist auf dem Weg zu Ciri und stolpert dabei von einem Hindernis zum nächsten. Da keines dieser Hindernisse durch das vorhergehende bedingt ist oder sich auf das nächste auswirkt, erscheint das Ganze etwas episodenhaft. Letztlich stört das aber nicht, da der Autor genügend andere interessante Aspekte einbringt, auch wenn diese – wie die Geheimloge der Zauberinnen oder Dijkstras Suche nach Vilgefortz – zum Teil nur allmählich und am Rande aufgebaut werden. Sie werfen jede Menge neuer Fragen auf, von den Geheimnissen um Figuren wie Regis, Assire und Fringilla, aber auch Cahir ganz zu schweigen. Ich bin jetzt schon neugierig auf den nächsten Band.

_Andrzej Sapkowski_ ist Literaturkritiker und Schriftsteller und nebenbei Polens bekanntester Fantasyautor. Der Hexer-Zyklus diente bereits als Grundlage für einen Kinofilm und eine Fernsehserie sowie für das polnische Rollenspiel „Wiedzmin“. Auch das Computerspiel „The Witcher“ stammt von Sapkowski, ebenso die Narrenturm-Trilogie um die Abenteuer des jungen Medicus Reinmar von Bielau.

|Taschenbuch: 432 Seiten
ISBN-13: 978-3423247559|
Originaltitel: |Chrzest ognia|
Aus dem Polnischen von Erik Simon
http://www.der-hexer.de

Fallon, Jennifer – Palast der verlorenen Träume, Der (Gezeitenstern-Saga 3)

Band 1: [„Der unsterbliche Prinz“ 4899
Band 2: [„Die Götter von Amyrantha“ 5305

_Arkady hätte es schlechter_ treffen können. Es ist ihr gelungen, mit dem Arzt des Sklavenschiffes, das sie nach Senestra bringt, einen Handel abzuschließen. Das reduziert die Anzahl der Männer, die sie über sich ergehen lassen muss, auf einen. Leider hat es aber, wie sich nur allzu bald herausstellt, auch eine unangenehme Nebenwirkung …

Declan Hawkes hat sich von Stellan Desean dazu überreden lassen, sich auf die Suche nach Arkady zu machen und sie in Sicherheit zu bringen. Keine einfache Aufgabe für jemanden, der eigentlich tot sein sollte und deshalb nur einen Bruchteil seiner Kontakte nutzen kann.

Stellans Aufgabe ist allerdings auch nicht einfacher. Er hat sich bereit erklärt, Prinzessin Nyah von Caelum nach Hause zu bringen. Damit allein ist es aber nicht getan, schließlich hat er es jetzt nicht mehr nur mit zwei Gezeitenfürsten zu tun, sondern gleich mit derer sechs! Und als wäre das alles noch nicht genug, bittet der Canide Warlock, der als Spion der Bruderschaft ebenfalls in Caelum weilt, Stellan um Hilfe: Er will seine Gefährtin und seine Kinder zurück nach Glaeba schaffen …

Cayal hat inzwischen gemerkt, dass Brynden ihm eins ausgewischt hat. Als er jedoch feststellen muss, dass Arkady nicht mehr in Torlenien ist, beschließt er, dass Sterben wichtiger sei und macht sich auf zu Lukys. Der wiederum schickt ihn aus, um weitere Unsterbliche dazu zu überreden, ihnen zu helfen.

_Auch diesmal hat die Autorin_ die Riege der Personen um einige erweitert, hauptsächlich Unsterbliche:

Arryl tauchte zum ersten Mal im ersten Band auf, in Cayals Erzählungen. Jetzt erscheint sie auch persönlich und sie ist mit Abstand die sympathischste Person in diesem ganzen Haufen. Sie ist weniger eigennützig, weniger wankelmütig und weniger gelangweilt. Vielleicht liegt es daran, dass sie und ihre beiden Freundinnen Medwen und Ambria als einzige von allen Unsterblichen etwas Nützliches tun: Sie beschützen die geheime Kolonie der Chamäliden-Arks in den Urwäldern Senestras.

Lyna dagegen ist genauso egoistisch, gelangweilt und gleichgültig wie die meisten anderen Unsterblichen. Die Geliebte Kontravyons hat keine Lust, die Gezeitenflut allein zu verbringen. Da sie Kontravyon immer noch im Eis eingeschlossen glaubt und auf die unsterbliche Sippschaft in Caelum keine Lust hat, ist sie nach Glaeba gekommen.

Bei den Sterblichen wäre eigentlich nur Cedne, der Arzt, zu erwähnen. Der Mann hat ein ernstes Problem mit Frauen, er kann einfach nicht mit ihnen umgehen, ist gehemmt und übernervös. Fast könnte er einem Leid tun, wäre er nicht ein so hochnäsiger und ignoranter Esel!

Insgesamt bleibt die Charakterzeichnung der Neuzugänge diesmal etwas blass. Cedne ist ganz gut getroffen, aber letztlich nur eine Nebenfigur. Arryl ist zwar ganz sympathisch, es fehlt ihr aber noch ein wenig an Tiefe. Vielleicht wird das ja noch … Lyna dagegen ist als Person nur eine weitere in diesem Haufen lästiger Schmeißfliegen, die Caelum und Glaeba bereits besetzt haben, ihr Auftauchen scheint eher dem Handlungsverlauf zu dienen als der Erweiterung des Figurenensembles um einen neuen, unverbrauchten Charakter.

Allerdings scheint sich Lynas Auftauchen hauptsächlich im nächsten Band aus zu wirken. Der vorliegende Band wirkt eher wie eine Atempause, genutzt, um ein paar Inhalte neu aufzustellen. Dazu gehört die Entstehung von Unsterblichen. Die Ewige Flamme ist vor langer Zeit erloschen, trotzdem ist Declan Hawkes ein frisch gebackener Gezeitenfürst, was ohne die Ewige Flamme eigentlich nicht möglich sein sollte. Zwangsläufig machen sich einige Leute vermehrt Gedanken darüber, wie es dazu kommen konnte.
Auch ein zusätzlicher neuer Aspekt der Magie taucht auf, der bisher völlig unerwähnt geblieben, unter einigen Unsterblichen aber offenbar schon seit langer Zeit ein wichtiges Thema ist: der Kristall des Chaos. Elyssa scheint nach diesem Ding zu suchen, sie fragt Warlock danach, stöbert ständig in alten Dokumenten herum und dergleichen mehr. Und Elyssa ist offenbar nicht die einzige, die sich dafür interessiert.

Es dauert allerdings eine Weile, bis dieser Aspekt etwas mehr in den Vordergrund rückt. Zunächst liegt das Hauptaugenmerk auf Arkady und ihrer Reise nach Senestra sowie den Ereignissen dort. Alle anderen Handlungsstränge bleiben vorerst nur Randerscheinungen, bis zu dem Punkt, an dem einige von ihnen sich treffen. Und auch dann dreht sich weiterhin der größte Teil der Handlung um die Ereignisse in Senestra.
Das finde ich ein wenig schade. Denn die Ereignisse in Senestra umfassen eine Menge Nebensächlichkeiten. Zwar basiert ein Großteil des Flairs im ersten Band ebenfalls auf dem, was sich zwischen den Beteilgten abspielt, der dritte Teil des Zyklus‘ kann damit jedoch nicht mithalten, weil es dafür den Charakteren an Intensität fehlt. Arkadys Gekabbel mit Cedne ist stellenweise ganz nett zu lesen, das Beziehungskuddelmuddel zwischen Arkady und Declan oder Arkady und Cayal finde ich jedoch allmählich etwas lästig. Es wäre nett, wenn die Beteiligten sich endlich mal entscheiden könnten. Dass außerdem auch noch eine kleine Liebesgeschichte zwischen Tiji und einem Chamäliden aus dem Dschungel einflochten ist, rückt die fortlaufenden Ereignisse, die eigentlich auch den Spannungsbogen tragen sollten, zu weit in den Hintergrund.

Der eigentlich kniffligere Teil des Geschehens spielt sich noch immer in Glaeba und Caelum ab, wo Warlock Angst um seine Familie hat, Stellan versucht, Nyah zu beschützen, Jaxyn sich auf einen Krieg vorbereitet und Elyssa nach einem Objekt sucht, das höchstwahrscheinlich für die Welt eine immense Gefahr bedeutet. Da diese Details jedoch alle in den Nebensträngen verpackt sind, bleibt die Spannung ebenfalls eher eine Nebensache.

Ein Lichtblick sind Declans Schwierigkeiten mit der Tatsache, dass er jetzt ein Gezeitenfürst ist. Die Versuchung, die das Eintauchen in die Gezeiten bedeutet, ist sehr gut herausgearbeitet, ebenso die Probleme, die das Auftauchen mit sich bringen. Drollig finde ich auch die Szene mit dem Versuch des Priesters, einen Exorzismus durchzuführen. So ganz raus reißen können diese Aspekte es aber auch nicht mehr. Alles in allem ist der dritte Teil des |Gezeitenstern-Zyklus| eine eher durchwachsene Angelegenheit.

_Immerhin verspricht_ die Tatsache, dass Elyssa nicht als einzige nach dem geheimnisvollen Kristall sucht, wieder mehr Turbulenzen für den nächsten Band. Und immerhin hat Cayal sich endlich mal gefragt, warum Lukys eigentlich so extreme Anstrengungen auf sich nimmt, nur um ihm beim Sterben zu helfen! Auch werde ich irgendwie das Gefühl nicht los, dass mit diesem Agenten der Bruderschaft, dem Warlock berichtet, etwas nicht stimmt. Und dass Lukys Declan nicht so ganz die Wahrheit gesagt hat.

_Jennifer Fallon_ stammt aus einer großen Familie mit zwölf Geschwistern. Sie hat in den verschiedensten Jobs gearbeitet, unter Anderem als Kaufhausdetektivin, Sporttrainerin und in der Jugendarbeit. Letzteres scheint ihr immer noch nach zu hängen: Unter ihrem Dach leben außer drei eigenen Kindern einige obdachlose Jugendliche als Pflegekinder. Schreiben tut sie nebenher. Ihre erste Veröffentlichung war die |Dämonenkind|-Trilogie. Außerdem stammen die Trilogie |Second Sons| sowie |Die Chroniken von Hythria| aus ihrer Feder. Der vierte Band der |Gezeitenstern-Saga| ist in Australien bereits unter dem Titel „The Chaos Crystal“ erhältlich, ein Erscheinungstermin für die deutsche Übersetzung steht noch nicht fest. Die Autorin schreibt derweil an ihrem nächsten Zyklus |Rift Runners|.

|Broschiert: 574 Seiten
ISBN-13: 978-3802582448|
Originaltitel: |The Palace of impossible Dreams|
Deutsch von Katrin Kremmler, René Satzer
http://www.jenniferfallon.com/
http://www.egmont-lyx.de/

_Mehr von Jennifer Fallon auf |Buchwurm.info|:_

[„Kind der Magie“ 1328 (Dämonenkind Band 1)
[„Kind der Götter“ 1332 (Dämonenkind Band 2)
[„Kind des Schicksals“ 1985 (Dämonenkind Band 3)
[„Erbin des Throns“ 2877 (Die Chroniken von Hythria 1)
[„Ritter des Throns“ 3327 (Die Chroniken von Hythria 2)
[„Herrscher des Throns“ 3878 (Die Chroniken von Hythria 3)

Fink, Torsten – Erwählte, Die (Die Tochter des Magiers 3)

Band 1: [„Die Diebin“ 5775
Band 2: [„Die Gefährtin“ 5950

_Nach der Beinahekatastrophe_ am Ende des vorhergehenden Bandes sind Tasil und Maru nach Ulbai geflohen. Die Stadt wird inzwischen von Numur belagert und Tasil verdient sich mit Schmuggel wenn schon keine goldene, dann zumindest eine silberne Nase. Doch die Obrigkeit ist bereits auf ihn aufmerksam geworden. Zu Tasils Überraschung wird er jedoch nicht in den Kerker gesteckt, sondern mit einer besonderen Mission betraut: Er soll als Unterhändler mit Numur einen Friedensvertrag aushandeln. Das ist eine Aufgabe ganz nach Tasils Geschmack.

Maru dagegen hat ganz andere Sorgen. Sie weiß inzwischen, was der Daimon Utukku vorhat, und ist fest entschlossen, seinen Plan zu vereiteln. Außerdem will sie endlich wissen, wer ihre Eltern waren. Tasils Intrigenspiel kann sie sich letztlich aber doch nicht ganz entziehen.

_Die Charaktere, die_ hauptsächlich im Zusammenhang mit politischen Intrigen und Tasils Vabanquespielen auftauchen, sind diesmal etwas blass ausgefallen:

Numur ist inzwischen tatsächlich völlig wahnsinnig geworden. Das ist schade, denn damit fällt er als eigenständiger Charakter komplett aus, zumal die Entwicklung seines Wahnes zu schwach ausgearbeitet ist. Numur ist eben doch nur eine Nebenfigur.

Und auch sein Priester Mahas nimmt keine so zentrale Stellung mehr ein wie im ersten Band, so dass auch dieser Intrigant fast völlig weg fällt.
Gleichzeitig baut der Autor auch die neuen Charaktere der Gegenseite nur so weit aus, wie es für die Entwicklung des Plotts erforderlich ist. Das führt zwar zu einem äußerst effizienten Usurpator, gleichzeitig bleiben die Personen aber zu flach, um sich vom Klischee des ehrgeizigen Thronräubers oder des schmeichlerischen Höflings abzuheben.

Ganz anders dagegen Marus Freund Temu: Der Gelehrte und Schreiber sitzt völlig allein in einem großen Gebäude, das man vielleicht als Registratur oder Aktenarchiv bezeichnen könnte. Ein liebenswerter, hilfsbereiter, aber sehr ablenkbarer und weitschweifiger Mann, der angesichts einer alten Steuerliste in helles Entzücken geraten kann und gleichzeitig nicht den geringsten Sinn dafür hat, warum jemand sich für ein Mittel zur Dämonenbekämpfung interessieren sollte.

So zeigt sich schon in der Charakterzeichnung, dass Tasil bei Weitem nicht mehr so stark im Mittelpunkt steht, wie das noch im ersten Band des Zyklus‘ der Fall war. Statt dessen richtet sich das Augenmerk mehr auf Maru, die immer mehr Eigeninitiative entwickelt und sich immer mehr von Tasil abnabelt.

Das hat auch der Handlung gut getan, die dadurch nicht zu einem reinen Abklatsch des ersten Bandes geraten ist. Vielmehr hat Torsten Fink hier Marus eigene Bemühungen geschickt mit ihrer Rolle in Tasils Vorhaben verbunden und dadurch beide Handlungsteile zu einer Einheit ohne Ecken und Kanten zusammen gefügt. Gewürzt wurde das Ganze durch das überraschende Zuschlagen des Usurpators, der sich bei Weitem nicht so leicht von Tasil beeinflussen und lenken lässt, wie das bei Numur und seinem Bruder noch der Fall war. Dadurch nimmt nicht nur die Entwicklung von Tasils Plänen Fahrt auf. Die Unruhe, die sich in Folge des Anschlags in der Stadt ausbreitet, bringt auch Maru in immer größere Gefahr. Der Showdown hält dann auch noch eine Überraschung bereit.

Das Mehr hinsichtlich der Handlung ging auf Kosten des örtlichen Hintergrundes. Ulbai ist eben eine Stadt wie andere auch, nichts, was man detailliert beschreiben müsste. Immerhin aber hat der Autor durchaus ein paar Worte für die Stimmung innerhalb der Stadtmauern übrig: Den Hunger, das Sumpffieber, vor allem aber die Gerüchteküche im Zusammenhang mit dem Umsturz, die Unsicherheit, Nervosität und Angst der Menschen, die Entstehung eines Mobs, all das ist trotz der relativ knappen und prosaischen Erzählweise gut heraus gearbeitet.

_Insgesamt_ eine runde Sache, was dazu führt, dass ich nach der Lektüre der letzten Seite doch etwas verwirrt die Stirn runzelte. Denn so gekonnt der Erzähler die Zusammenhänge um Tasil und Utukku letztlich auflöst, so kalt lässt er den Leser in der Frage nach Marus Herkunft in der Luft hängen. Und dann brechen Maru und Temu am Ende auch noch zu einer Reise auf, um Marus Vater zu suchen.
Dieser Schluss schreit derart laut nach einer Fortsetzung, dass ich mich erst einmal auf die Suche nach einem vierten Band gemacht habe – ohne Ergebnis. Falls Torsten Fink die Absicht hat, diesen Faden noch weiter zu spinnen, steht zumindest noch kein Erscheinungstermin für dieses neue Buch fest. Dem Leser bleibt also wohl nichts anderes übrig, als sich mit diesem etwas unbefriedigenden Ende erst einmal abzufinden und zu hoffen, dass irgendwann vielleicht doch noch etwas nachkommt.

_Torsten Fink_ war Journalist und Texter unter Anderem für literarisches Kabarett, ehe er 2008 sein erstes Buch „Die Insel der Dämonen“ veröffentlichte. Er lebt und arbeitet in Mainz.

|Taschenbuch: 400 Seiten
ISBN-13: 978-3442266333|

Fink, Torsten – Gefährtin, Die (Die Tochter des Magiers 2)

Band 1: [„Die Diebin“ 5775

_Tasil und Maru_ sind aus Serkesch entkommen und das mit einer nicht zu verachtenden Beute, die Tasil schließlich irgendwo versteckt. Und schon sind sie auf dem Weg zum nächsten Coup: In den Sümpfen von Awi soll eine gewaltige Seeschlange einen goldenen Tempel bewachen. Es dauert jedoch nicht lange, da werden Tasil und Maru von den Ereignissen in Serkesch eingeholt …

_Der Ortswechsel bringt_ eine Menge neuer Charaktere mit sich.

Die Ältesten Taiwe und Skeda sind, wie man es von Ältesten erwartet, alte Männer. Der örtliche Priester Hana jedoch ist ein junger Mann mit wenig Charakter, der unter der Fuchtel seiner Frau steht und vor allem Taiwe nicht leiden kann. Taiwe ist jemand, der stets versucht, die Wurzel eines Problems zu ergründen und es so möglichst ganz auszureißen. Hana dagegen neigt dazu immer den einfachsten Weg zu gehen, ohne einen Gedanken daran zu verschwenden, dass ihn das langfristig in noch größere Schwierigkeiten bringen könnte; schon allein deshalb gerät er mit Taiwe ständig aneinander. Da er meistens den Kürzeren zieht, kommt auch noch eine gehörige Portion Trotz dazu.

Dann wäre da noch die Kräuterfrau Wika, eine scharfsinnige Alte, die sofort erkennt, dass Maru Magierblut in den Adern hat, und generell so ziemlich die einzige zu sein scheint, die die Wahrheit hinter dem Vordergründigen sieht. Schade nur, dass keiner auf sie hört. Aber immerhin gibt sie Maru eine Menge zum Nachdenken.

Abgesehen von den Dorfbewohnern, Tasil und Maru finden sich in diesem Sumpfloch auch noch ein bunter Haufen Söldner, die von dem Krieg zwischen dem neuen Fürsten von Serkesch und dem Khaidan, dem obersten Herrscher, gehört haben und nun überlegen, wem sie ihre Dienste anbieten sollen.

_Insgesamt finde ich_ die Charakterzeichnung nicht ganz so gelungen wie im ersten Band. Obwohl mir Wika ziemlich sympathisch ist, ist sie doch ein wenig im Klischee der alten weisen Frau verhaftet, was auch für die Söldner gilt, in deren Trupp vom schweigsamen Hinterwäldler über das Großmaul und den leichtsinnigen Jungspund bis hin zum durchtriebenen Schurken alles vorhanden ist. Das Umkippen der Stimmung zwischen den Männern, als diese sich dem Schatz nähern, ist jedoch gut gemacht, auch wenn ich als Frau sie am liebsten alle der Reihe nach geohrfeigt hätte! Und Taiwe und Hana sind ebenfalls gut, wenn auch nicht mit echter Tiefe gezeichnet.

Die Landschaft ist ein echtes Kontrastprogramm zur Wüste um Serkesch:

Nicht nur von unten ist es es nass, sondern auch von oben. Es regnet quasi ununterbrochen mehr oder weniger stark. Alles tropft, alles trieft, nichts als Matsch und Schlamm überall, selbst auf den Inseln. Dementsprechend skurril verläuft auch das Duell auf dem Dorfplatz, bei dem die Kontrahenten mehr aneinander vorbei schlittern als gegeneinander zu kämpfen. Dazu kommt noch ein einziger Urwald aus Schilf und Wasserpflanzen, in dem es keinen einzigen direkten Weg irgendwohin gibt, und das schwarze Wasser eines Stromes, das man nicht trinken kann.

Mit dieser ausgesprochen plastischen Darstellung der Örtlichkeit kann die Handlung nicht ganz mithalten. Auch diesmal versucht Tasil aus der Situation Gewinn zu schlagen. Da ihm bewusst ist, dass die Dörfler das Geheimnis um den Goldenen Tempel freiwillig nicht herausrücken werden, macht er sich die Bedrohung durch die Seeschlange zu Nutze. Dabei geht er genauso skrupellos vor wie bereits in Serkesch, versucht, Taiwe zu bestechen, beschwatzt die Söldner, die Seeschlange zu töten und dergleichen mehr.

Allerdings hat Tasil es hier mit weit weniger gefährlichen Männern zu tun als in Serkesch, was vielleicht auch der Grund ist, warum Torsten Fink noch einmal Numur und dessen Berater und obersten Priester Mahas ins Spiel bringt. Tatsächlich verleiht das der Handlung einiges an zusätzlicher Würze, Tasils Jonglieren zwischen den Parteien, die den ersten Band belebten, fallen hier aber weg, da Numur keinen ebenbürtigen Gegner hat, den Tasil ihm entgegensetzen könnte.

Daneben läuft weiterhin der Faden, der sich vorwiegend mit Maru beschäftigt. Allmählich stellt sich heraus, dass sie Dinge tun kann, die eigentlich unmöglich sein sollten, was Tasil zwar bemerkt, dem er aber nur mäßig Beachtung schenkt, schließlich geht es ihm hauptsächlich um das Gold des Tempels. Dafür schenkt der Daimon Utukku Maru weitaus mehr Aufmerksamkeit, als ihr lieb ist. Was der Wassergeist jedoch genau im Schilde führt, das hebt sich der Autor für den nächsten Band auf.

_So ist dieser Teil_ des Zyklus‘ zwar nett zu lesen, bleibt aber doch etwas hinter seinem Vorgänger zurück. Hauptsächlich ist Maru damit beschäftigt, ständig im Dorf herum zu rennen und für Tasil Informationen zu sammeln. Spannung kommt aber kaum auf; der Versuch, durch eine religiöse Zeremonie, die zu einem bestimmten Zeitpunkt statt finden muss, so etwas wie Zeitdruck aufzubauen, scheitert, da er nicht konsequent genug durchgezogen ist. Selbst der Showdown kann nicht wirklich mitreißen, da die Hauptfigur Maru mittendrin bewusstlos wird und das Ende gar nicht selbst mitbekommt.

Auch bleiben einige Handlungsfäden zu lose in der Luft hängen. Zum Beispiel frage ich mich, was Hanas Frau eigentlich antreibt. Ständig tuschelt sie mit ihrem Mann, aber der Leser erfährt weder, was sie ihm zu sagen hat, noch, worum es ihr geht. Letztlich ist sie für die Handlung nicht entscheidend, aber warum wird ihre Rolle dann so betont? Und was um alles in der Welt bewegt Numur dazu, eine riesige Statue seines Vaters mit in die Sümpfe zu schleppen? Biredhs Erklärung empfinde ich da nicht als ausreichend, es sei denn, Numur wäre verrückt geworden, aber so wirkt er eigentlich nicht.

Bleibt also zu hoffen, dass der letzte Band noch einmal ein paar schwerwiegendere Komplikationen zu bieten hat. Zusammen mit den vielversprechenden (weil geheimen) Absichten Utukkus und den Antworten auf die noch offenen Fragen um Maru könnte das Finale der Trilogie dann durchaus noch einmal zur Hochform finden.

_Torsten Fink_ war Journalist und Texter unter Anderem für literarisches Kabarett, ehe er 2008 sein erstes Buch „Die Insel der Dämonen“ veröffentlichte. Er lebt und arbeitet in Mainz. Mit „Die Diebin“ veröffentlichte er den ersten Band seines dreiteiligen Zyklus‘ |Die Tochter des Magiers|, dessen letzter Teil unter dem Titel „Die Erwählte“ ebenfalls bereits erschienen ist.

|Taschenbuch: 416 Seiten
ISBN-13: 978-3442266326|
http://www.blanvalet-verlag.de

Anne Bishop – Blutskönigin (Die Schwarzen Juwelen 7)

Die Schwarzen Juwelen:

Band I: „Dunkelheit“
Band II: „Dämmerung“
Band III: „Schatten“
Band IV: „Zwielicht“
Band V: „Finsternis“
Band VI: „Nacht“

_Seit dem Hexensturm_ vor zwei Jahren sind Dorotheas Marionetten endlich verschwunden. Doch zurückgeblieben sind nur Trümmer. Theran, ein Kriegerprinz aus Dena Nehele, ist sich nur zu bewusst, dass sein Volk sterben wird wenn es keine neue Königin bekommt. Und so macht er sich auf den Weg nach Kaeleer und bittet Daemon Sadi um Hilfe. Er soll ihm bei der Suche nach einer Königin helfen, die bereit wäre nach Tereille zu kommen und dort zu herrschen, nach den alten Gesetzen des Blutes.

Anne Bishop – Blutskönigin (Die Schwarzen Juwelen 7) weiterlesen

Kern, Claudia – Rache (Der verwaiste Thron 3)

Band 1: [„Sturm“ 5299
Band 2: [„Verrat“ 5765

_Ana ist in_ König Cascyrs Gefangenschaft geraten. Der machthungrige Mann hat es sich in den Kopf gesetzt, sie zu heiraten. Doch noch mehr als über Cascyrs Größenwahn ist Ana entsetzt über das, was sie in den unterirdischen Höhlen am Großen Fluss zu sehen bekommt. Fieberhaft wartet sie auf eine Möglichkeit zur Flucht …

Jonan sitzt in der Festung von Westfall fest, die von den Nachtschatten belagert wird. Doch während Schwarzklaue seine Krieger nur mit Daneels Hilfe bei der Stange halten kann, braut sich innerhalb der Festung eine andere, viel größere Gefahr zusammen …

Gerit ist es gelungen, Somerstorm zu erreichen und von den Nachtschatten seiner Heimatfestung als Verwalter akzeptiert zu werden. Eigentlich ist er mit seinem Leben wie es jetzt ist ganz zufrieden. Wäre da nicht diese seltsame Höhle, die sein Vorarbeiter Maccus in den Minen entdeckt hat. Und wäre da nicht der so grausam veränderte Rickard, den Gerit im Keller der Feste versteckt …

_Bei den Charakteren_ hat sich nichts Nennenswertes mehr getan, lediglich die Zusammensetzung der Gruppen hat sich noch einmal geändert, ehe die Wege fast aller Beteiligten in Somerstorm zusammenlaufen.

Ähnliches gilt für die Handlung, die auch diesmal fast ausschließlich daraus besteht, dass Leute sich von einem Ort zum andern bewegen, nur dass diesmal alle – mehr oder weniger direkt – zum selben Ort unterwegs sind. Eigentlich sollte das für eine gewisse Zuspitzung sorgen. Trotzdem wollte so etwas wie Spannung nicht so recht aufkommen. Zwar wird an einer Stelle beiläufig erwähnt, dass die Zeit drängt, allerdings ist davon im weiteren Verlauf nichts mehr zu spüren.

Auch andere Aspekte, die geeignet gewesen wären, dem Leser feuchte Hände zu verschaffen, bleiben merkwürdig nebensächlich. Dabei hat Claudia Kern mit der Vergangenen eine viel versprechende Antagonistin geschaffen, die genug Potenzial gehabt hätte, um die ganze Sache ein wenig aufzumischen. Stattdessen lässt sie diese Figur zu Beginn des Buches verschwinden und erst am Ende für den Showdown wieder auftauchen. Und auch Cascyr, der am Ende des zweiten Bandes so bedrohlich irre gewirkt hat, hätte bei einer weiteren Entwicklung in diese Richtung für etwas mehr Leben sorgen können, was er leider nicht getan hat. Schade!

Ein weiteres Manko war die Sparsamkeit in Bezug auf die Ausarbeitung von Details. Zwar erfährt der Leser letztlich doch noch einiges, so über Daneel, Jonan und auch über die Vergangenheit des Kontinents, allerdings bleibt es lediglich bei groben Skizzen, was letztlich nur zu neuen Fragen führt, zum Beispiel derjenigen, wie es den Nachtschatten möglich war, Magie anzuwenden. Oder wie es sein konnte, dass eine der Vergangenen, die doch offiziell vernichtet waren, wiedererwachen konnte. Und dass die Meister offenbar die ganze Zeit die Wahrheit über die Vergangenen wussten, wirft die Frage auf, wie es zu solch einer Diskrepanz zwischen historischen Tatsachen und offizieller Geschichtsschreibung kommen konnte. Auf keine dieser Fragen gibt die Autorin eine Antwort. Und auch viele andere Fragen bleiben unbeantwortet, zum Beispiel, wie Rickard in die geheime Kammer innerhalb der Mienen gekommen ist, ohne von einer der Wachen oder den Arbeitern bemerkt zu werden.

Das ganze Buch wirkt so, als hätte die Autorin es schrecklich eilig gehabt. Das gesamte Geschehen wird so zügig erzählt, dass es am Leser regelrecht vorbei rauscht. Der Zwischenfall bei Aroon, dem Wirt, das Zusammentreffen mit den Bur oder dem Sklavenhändler, all diese Stationen werden bestenfalls gestreift, teilweise haben sie nicht einmal größere Auswirkungen auf die Handlung. Falls sie dazu dienen sollten, die Geschichte spannender zu gestalten, dann ist das misslungen, denn dazu bleiben sie viel zu oberflächlich. Das gilt selbst für den Schluss. Obwohl Claudia Kern gleich zwei Höhepunkte eingebaut hat, verpuffen beide nahezu spurlos, obwohl ich die Idee der Falle in der Feste Somerstorm gar nicht mal schlecht fand.

_Bleibt zu sagen_, dass ich von diesem letzten Teil des Zyklus ein wenig enttäuscht war. Die Autorin hat jede Menge Potenzial verschenkt, sowohl bei den Personen als auch im Entwurf der Welt, die Handlung wirkt wie eine lose Aneinanderreihung kleiner, in sich abgeschlossener Zwischenfälle ohne echten Zusammenhalt oder innere Abhängigkeiten. Dem gesamten Buch fehlt es an Tiefe und Intensität. Letztlich konnte der Zyklus nicht halten, was der erste Band versprach.

_Claudia Kern_ lebt in Bonn und ist in vielen Bereichen tätig. Unter anderem ist sie Mitbegründerin von |Space View|, war Serienredakteurin beim Fernsehen, schreibt für Computerspiele und arbeitet als Übersetzerin. Auch für Conventions ist sie tätig, zum Beispiel für |FedCon|.

|Taschenbuch: 384 Seiten
ISBN-13: 978-3442244225|
http://www.claudiakern.com
http://www.blanvalet-verlag.de

_Außerdem von Claudia Kern auf |Buchwurm.info|:_

[„Anno 1701: Kampf um Roderrenge“ 4436
[„S.T.A.L.K.E.R. – Shadow of Chernobyl, Bd. 1: Todeszone“ 3555

Nuyen, Jenny-Mai – Feenlicht (Die Sturmjäger von Aradon 1)

Die Sturmjäger von Aradon:

Band 1: „Feenlicht“

Hel hat fast ihr gesamtes Leben auf der Schwalbe verbracht. Der Kapitän hält sehr, sehr viel von ihr, und das nicht nur, weil sie die seltene Gabe der zweiten Sicht besitzt. Er hat bereits den Rat der Magier in Aradon davon in Kenntnis gesetzt, dass er Hel zu seiner Nachfolgerin bestimmt hat. Doch dazu kommt es nicht mehr. Ein unerwarteter Sturm reißt das Schiff vom Himmel und zerschmettert es vollständig. Hel ist die einzige Überlebende, und auch sie hat es nur geschafft, weil ein geheimnisvoller Fremder sie gerettet hat. Als sie schließlich nach Aradon gelangt um den Magiern Bericht zu erstatten, stellt sie fest, dass hinter dem Absturz der Schwalbe weit mehr steckt, als sie vermutet hat!

Hel ist ein sehr genügsames, bescheidenes, stilles Mädchen. Sie betrachtet die Schwalbe als ihr Zuhause und ist vollauf damit zufrieden, stundenlang im Mastkorb zu sitzen und Ausschau zu halten. Dass sie auf Grund der Ereignisse plötzlich so im Mittelpunkt der Politik steht, gefällt ihr gar nicht, ganz abgesehen davon, dass die Denk- und Handlungsweise der Mächtigen sich mit ihrer eigenen überhaupt nicht verträgt. Hel ist einfach zu ehrlich und es dauert nicht lange, bis sie sich zum ersten Mal Gedanken darüber macht, wie sie sich vor dem, was sie eigentlich tun soll, drücken kann.

Ihr Freund Nova scheint das genaue Gegenteil zu sein. Wo er auch auftaucht steht er im Mittelpunkt, stets lächelnd und unbeschwert. Er erobert ein Mädchenherz nach dem anderen und lässt sie alle sogleich wieder fallen. Doch der so leichtfertig und oberflächlich wirkende Bursche hat sich offenbar in den Kopf gesetzt, Hel zu beschützen, und lässt sich durch nichts davon abbringen, nicht einmal durch den Zorn der Magier.

Der Magier Olowain, mit dem Hel und Nova vorwiegend zu tun haben, ist Hüter der Bibliothek. Und wie ein echter Wissenschaftler legt er großen Wert darauf, dass etwas nachweisbar sein muss, um als echtes Wissen zu gelten. Was allerdings das aktuelle Geschehen angeht, scheint er weit weniger erpicht auf die Wahrheit als darauf, seine vorgefasste Meinung zu bestätigen. So viel er über die Vergangenheit weiß, so ignorant ist er, was die Gegenwart betrifft.

Karat ist ein einfacher Söldner, der sich weder für Ursachen noch für Gründe interessiert. Seine grausame Vergangenheit hat ihn gelehrt, dass nur das eigene Überleben zählt. Überlebt hat er, aber er lebt nicht, und diesen Mangel spürt er ohne dabei zu wissen, was ihm eigentlich fehlt. Kein Wunder also, dass das Gerücht von einem mordend durch das Land ziehenden Dämon ihn reizt. Er beschließt den Dämon zu jagen, als könne der Kick, den der Kampf gegen ein solches Geschöpf bedeutet, die Lücke in seinem Inneren füllen.

Und dann wäre da natürlich noch der geheimnisvolle Fremde, der Hel aus den Trümmern der Schwalbe gerettet hat. Woher er kommt, ist recht bald klar, das ist aber auch schon alles. Er beantwortet keinerlei Fragen zu seiner Person oder seinem Vorhaben, also bleibt dem Leser nur Beobachtung, und die zeigt bald, dass Hels Retter nicht alles so vorfindet, wie er es erwartet hat, und das scheint ihn zu verunsichern.

Ich finde es immer wieder erstaunlich, mit wie viel Einfühlungsvermögen und Authentizität Jenny-Mai Nuyen ihre Charaktere zeichnet. Das gilt für den fast weltfremd wirkenden Olowain genauso wie für den von Gewalt gezeichneten Karat. Selbst der Fremde, über den der Leser zunächst einmal so gut wie gar nichts erfährt, hat ein eigenes Profil, das über seine bewusst erzeugte Aura des Geheimnisvollen hinausreicht. Die Entwicklungen, die sich im Innern der Figuren vollziehen, erscheinen zu keiner Zeit überstürzt, gekünstelt oder sonst irgendwie unnatürlich, alles bleibt stets behutsam, nachvollziehbar und glaubwürdig.

Die Welt, in der die Geschichte angesiedelt ist, ist eine sterbende Welt. Einst war das Land lebendig, es bewegte und veränderte sich ständig. Verantwortlich dafür ist eine Substanz namens Lirium, die aus dem Kern nach oben steigt und in Adern verläuft, aber auch Pflanzen, Tiere und Menschen erfüllt. Alles, was lebt, lebt durch Lirium. Dieses Lirium ist es, das Hel durch ihre Gabe der zweiten Sicht sehen kann, es erscheint ihr als Licht.

Die Menschen nutzen dieses Lirium als Rohstoff, erhitzen Wasser damit oder beleuchten ihre Häuser. Die exzessive Nutzung hat Lirium knapp werden – und das Land sterben lassen. Ganze Landstriche haben sich seit Generationen nicht mehr verändert, was den Menschen nur lieb ist, denn sie haben die Bewegungen des Landes stets als Bedrohung empfunden. Die Verknappung von Lirium dagegen droht zum Problem zu werden.

Umso erstaunlicher erscheint die Magie, die der Fremde wirkt. Der Lymaerus, auf dem er und Hel reiten, besteht offensichtlich aus purer Magie, doch er scheint sich nicht dadurch zu verbrauchen, dass er die beiden trägt. Es ist, als bestünde zwischen dem Fremden und dem lebendigen Land eine freundschaftliche Verbindung. Das Land unterstützt den Fremden aus freien Stücken. Die Magie, die der Fremde in der Windigen Stadt benutzt, verbraucht dagegen ganz offensichtlich Energie, genauso offensichtlich aber wird diese Energie nicht dem Land entzogen. Der Fremde opfert seine eigene Energie dafür.

Dass es ausgerechnet die „Guten“ sind, deren Kultur auf Ausbeutung beruht, und ihre Gegner diejenigen, die ihre Fähigkeiten im Einklang mit dem Land anwenden, löst jeglichen Schwarz-Weiß-Effekt gekonnt in Wohlgefallen auf.

Das ist aber nur ein Strang der Geschichte. Den anderen stellen die Isen, ein Volk, das von den Inseln südlich des Kontinents stammt. Die Isen, die heute auf dem Kontinent leben, wurden einst dorthin verschleppt und sind noch immer eine unterdrückte Minderheit, was sich unter Anderem darin zeigt, dass die Magier versuchen, die Lirium-Knappheit auf Kosten der Isen zu entschärfen, indem sie den Verkauf von Lirium an Angehörige des Inselvolkes verbieten. Die gärende Unzufriedenheit der Isen nehmen sie nicht ernst und dem Gerücht über die Anführerin einer Rebellengruppe tragen sie lediglich dadurch Rechnung, dass sie eine Attentäterin auf die Frau ansetzen. Politische Gewaltprävention at its best!

All diese Details wurden nahtlos miteinander verknüpft. Es dauert eine Weile bis die Handlung Fahrt aufnimmt. Der erste Teil des Buches lebt hauptsächlich von dem Rätsel um Hels geheimnisvollen Retter, die Handlung verläuft hier ausgesprochen ruhig und wird nur durch die kurze Turbulenz in der Windigen Stadt unterbrochen. Danach rücken die Magier und Isen und mit ihnen Karat mehr in den Vordergrund. Die aufkeimenden Aufstände bringen etwas Leben in diesen Abschnitt, richtig spannend wird es aber erst, als sich endlich die Wege aller Beteiligten kreuzen.

Mit anderen Worten, der erste Band des Sturmjäger-Zyklus ist eher eine ruhige Lektüre, die dem sorgfältigen Aufbau der Welt und der Grundsituation gewidmet ist. Dabei hat Jenny-May Nuyen eine Menge Rätsel eingebaut, nicht nur was Hels Retter angeht, sondern auch Hel selbst umgibt ein Geheimnis; von dem Land jenseits der Berge hat der Leser bisher so gut wie gar nichts erfahren und es dürfte auch kaum überraschen, wenn die Geschichtsschreibung der Magier ein wenig zu subjektiv ausgefallen wäre und einiger Korrekturen bedürfte. Hier hat die Autorin gekonnt die Balance gehalten und gerade genug Fragen beantwortet, um ein Gefühl der Frustration zu vermeiden, gleichzeitig aber auch genug zurück gehalten, um den Leser neugierig zu machen.

Mir hat das Buch gut gefallen. Ein etwas höheres Erzähltempo wäre an manchen Stellen vielleicht nicht schlecht gewesen, aber das sei im Hinblick auf die gelungenen Charaktere und den interessanten Entwurf von Welt und Magie gern verziehen.

Jenny-Mai Nuyen stammt aus München und schrieb ihre erste Geschichte mit fünf Jahren. Mit dreizehn wusste sie, dass sie Schriftstellerin werden wollte. „Nijura“, ihr Debüt, begann sie im Alter von sechzehn Jahren. „Feenlicht“ ist der Auftakt zu ihrem ersten Mehrteiler Die Sturmjäger von Aradon.

Gebundene Ausgabe: 480 Seiten
ISBN-13: 978-3570160336

www.jenny-mai-nuyen.de/
http://www.randomhouse.de/cbjugendbuch/index.jsp

Der Autor vergibt: (5.0/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (2 Stimmen, Durchschnitt: 2,50 von 5)

McIntosh, Fiona – Prophezeiung, Die (Der Feuerbund 2)

Band 1: [„Die dunkle Gabe“ 4786

_Wyl Thirsk_, der junge Oberbefehlshaber der morgravianischen Armee, hat inzwischen die zweite Seelenwanderung hinter sich und steckt nun zu seinem eigenen Entsetzen im Körper einer Frau. In dem verzweifelten Wunsch, diesen Fluch rückgängig zu machen, kehrt er nach Morgravia zurück, um nach Myrrens Mutter zu suchen, in der Hoffnung, sie könnte ihm den Weg zu Myrrens Vater weisen, der ein Hexer gewesen sein muss. Doch es kommt alles ganz anders …

Elspyth, die Wyl versprochen hat, sich um seine Schwester Ylena zu kümmern, hat sich tatsächlich auf den Weg zum Kloster Rittylworth gemacht, doch als sie dort ankommt, findet sie nur Ruinen und verkohlte Leichen vor.

Valentyna versucht derweil, den Verlust von Romen Koreldy zu verkraften. Sie hat nicht viel Zeit. Celimus von Morgravia wird langsam ungeduldig, und auch ihre Adligen bedrängen sie, der Hochzeit zuzustimmen. Und doch kann Valentyna sich nicht dazu durchringen, ihre Einwilligung zu geben.

Fynch hat sich unterdessen auf die Suche nach Wyl gemacht. Letztlich stellt sich jedoch heraus, dass er seinen eigenen Weg gehen muss. Einen Weg, der weit gefährlicher ist als der aller anderen zusammen …

_Bezügliche der Charakterzeichnung_ hat sich nicht viel getan. Einziger erwähnenswerter Neuzugang ist Aramys. Aramys ist offiziell ein Söldner im Dienste von König Celimus. Inoffiziell ist der bärenhafte und humorvolle Grenadyner ein ehrenhafter Mann, der heimlich gegen Celimus arbeitet.

Ansonsten erfährt der Leser nur über Cailechs Magier Rashlyn noch etwas Neues. Leider hat die Autorin diese Neuigkeiten in die Erzählung eines anderen eingebettet, und nicht in Rashlyns Erinnerungen, was eine Intensivierung der Charakterzeichnung verhindert hat.

Auch die übrigen Charaktere sind nicht wirklich lebendiger oder plastischer geworden, was vor allem sprachliche Gründe hat. Gerade im Zusammenhang mit Gefühlen wirkt die Ausdrucksweise der Autorin oft etwas gestelzt und sperrig. Bei Valentyna und Ylena stören auch die ständig mit eingeflochtenen Hinweise auf die erlesene Schönheit der beiden, die im Zusammenhang mit ihren Gefühlen eigentlich total unwichtig ist.

Was sich ebenfalls nicht gebessert hat, ist das starre Gut-Böse-Schema. Allein die Attentäterin Faryl fällt aus diesem Schema heraus, lebt allerdings wie Koreldy nicht lang genug, um als Persönlichkeit wichtig zu werden. Mit anderen Worten, die Charakterzeichnung hat sich nicht gebessert.

_Dafür hat die Handlung_ endlich etwas Fahrt aufgenommen. Inzwischen führt Fiona McIntosh ihre Handlungsstränge gleichberechtigt weiter, erzählt also nicht die ganze Zeit nur von Wyl. Das hat dem Buch eindeutig gutgetan, es ist dadurch abwechslungsreicher geworden. Gleichzeitig wirkt das Ganze aber auch ein wenig wie ein wuselnder Ameisenhaufen. Nahezu alle Beteiligten, mit Ausnahme von Valentyna und Celimus, sind ständig von einer Ecke des Kontinents zur anderen unterwegs, und doch scheint keiner von ihnen jemals irgendetwas zu erreichen. Der Einzige, der tatsächlich gravierende Veränderungen bewirkt, ist der unbeherrschte Celimus, der sich durch seine Grausamkeit die Unterstützung zweier mächtiger Adelsfamilien verscherzt. Bis einer von Wyls Verbündeten endlich neue, brauchbare Informationen erhält, die den Verlauf der weiteren Ereignisse beeinflussen werden, ist das Buch so gut wie ausgelesen.

Dazu kamen ein paar logische Schnitzer. Valentyna reitet ein Pferd, das sie als Fohlen von Celimus geschenkt bekommen hat. Wer auch nur ein klein wenig Ahnung von Pferden hat, weiß, daß ein Pferd erst eingeritten werden kann, wenn es ausgewachsen ist, weil das Gewicht des Reiters sonst der Wirbelsäule schadet. Das Pferd müsste also allermindestens drei Jahre alt sein, und so viel Zeit ist seit dem Beginn von Celimus‘ Werben um Valentyna noch gar nicht vergangen.

Noch seltsamer empfand ich die gegensätzlichen Darstellungen der Magie. Myrrens Vater erklärt, dass Rashlyn ein mächtiger und gefährlicher Magier sei, dem er selbst sich offenbar nicht gewachsen fühlt. Rashlyn dagegen beneidet Myrrens Vater um dessen größere und ausgefeiltere magische Fähigkeiten. Der Leser steht da und fragt sich verwirrt, wer von den beiden denn nun tatsächlich mächtiger ist.

_Bleibt zu sagen_, dass der zweite Band des Zyklus sich im Vergleich zum ersten zwar gebessert hat, so richtig gefangen nehmen konnte er mich aber immer noch nicht. Die Charaktere kam nicht über Nachvollziehbarkeit hinaus, mit keinem von ihnen konnte ich wirklich mitfühlen. Die Handlung hat zwar an Lebhaftigkeit gewonnen, wirkt aber noch immer etwas ziellos und verworren und kommt nicht wirklich voran. Vor allem ist das Ende der Geschichte bereits absehbar: Auf irgendeine Weise wird Wyl letzten Endes im Körper von Celimus landen müssen. Das ahnte ich bereits im ersten Band, als Wyl seinen Traum von Celimus und Valentyna als glückliches Paar hatte, und der Hexer hat dieses Ende in seinen Aussagen über den Zweck von Myrrens Zauber bestätigt. Stellt sich also nur noch die Frage, auf welchem Wege es so weit kommen wird. Immerhin deutet manches auf einen Ausbau der Magie im nächsten Band hin. Vielleicht sorgt das ja noch für ein paar Überraschungen, auch wenn ich nicht wirklich zu hoffen wage, dass die Autorin diesbezüglich etwas mehr ins Detail gehen wird.

_Fiona McIntosh_ stammt ursprünglich aus England, ist aber bereits als Kind viel zwischen Afrika und England hin- und hergereist, hat eine Zeitlang in Paris gearbeitet und ist schließlich in Australien gelandet, wo sie mit ihrem Mann und zwei Kinder hängengeblieben ist. Der Herausgabe eines Reisemagazins folgte 2005 der Roman „Myrren’s Gift“, der erste Band ihrer |Feuerbund|-Trilogie. Seither hat die Autorin mit |Trinity| und |Percheron| zwei weitere Trilogien geschrieben, sowie die ersten beiden Bände einer dritten, der |Valisar|-Trilogie. Außerdem hat sie sich dem Krimifach zugewandt; derzeit schreibt sie an ihrem dritten Roman über Chefinspektor Hawksworth. Auf Deutsch sind bisher aber nur die beiden Bände der |Feuerbund|-Trilogie erschienen.

|Originaltitel: The Quickening 2: Blood and Memory
Übersetzung von Beate Brammertz
670 Seiten, kartoniert
ISBN-13: 978-3-453-52376-0|

Home


http://www.heyne.de

Britain, Kristen – schwarze Thron, Der (Reiter-Zyklus Band 3)

Band 1: [„Grüner Reiter“ 174
Band 2: [„Spiegel des Mondes“ 530

_Karigan tut sich_ schrecklich schwer damit, die Verlobung von König Zacharias mit Lady Estora zu akzeptieren. Deshalb ist sie ausgesprochen erleichtert, als sie endlich einen neuen Auftrag erhält. Allerdings hat sie diesmal einen „Azubi“ namens Fergal an der Backe, der es ihr nicht gerade leicht macht. Und natürlich wird Fergal nicht ihr einziges Problem bleiben …

Alton kämpft derweil mit seinen eigenen Schwierigkeiten. Das Wissen darum, wie der Wall errichtet wurde, ist verloren gegangen. Zwar soll es irgendwo ein Buch darüber geben, doch das muss erst einmal gefunden werden. Vor allem aber lässt der Wall Alton seit den Ereignissen am Ende des letzten Bandes nicht mehr herein! Alton ist nicht einmal in der Lage, den restlichen Wall wieder zu stabilisieren, geschweige denn, die Bresche zu reparieren. Und als wäre das noch nicht schlimm genug, gibt es da auch noch Großmutter! Mit Mornhavons Erwachen hat die alte Frau magische Fähigkeiten entwickelt. Und die nutzt sie nun, um das Buch an sich zu bringen – das Buch über die Erbauung des Walls …

_Abgesehen von_ dem Wiedersehen mit einigen Charakteren aus dem ersten Band, wie dem Soldaten Immerez und den beiden Schwestern aus dem Hause Siebenschlot, tauchen auch einige neue Charaktere auf. Der wichtigste ist Großmutter, und diese Alte ist eine ganz eigene Mischung. Man kann sie weder als fanatisch noch als boshaft bezeichnen, dennoch kennzeichnet sie eine gewisse Kälte. Ihr Ziel ist die Eroberung Sacoridiens durch ihr Volk; und sollte das Erreichen dieses Zieles Opfer fordern, bringt sie diese auch ohne zu zögern, selbst wenn das Opfer ihrem eigenen Volk angehört. Sie verwendet ihre dunklen Kräfte für grausame Folter, und es macht ihr nicht das geringste aus, ihre Gegner zu quälen, auch wenn sie nicht erpicht darauf ist. Man könnte ihre Vorgehensweise fast als minimalistisch bezeichnen: Alles, was zählt, ist das Ziel. Um dieses Ziel zu erreichen, tut sie, was immer sie für nötig hält, aber keinen Deut mehr.

Rabenmaske dagegen hält sich für einen Gentleman. Er ist zwar ein Gauner, ein Einbrecher und ein Dieb, aber auch gutaussehend, charmant und elegant. Tatsächlich ist er auch sonst kein übler Kerl, er besitzt durchaus ein Gewissen und einen Ehrenkodex, allerdings steckt er finanziell in ernsthaften Schwierigkeiten und lässt sich deshalb zu Dummheiten hinreißen, die er nur zu bald bereut.

Beide Neuzugänge sind durchaus ein Gewinn für die Geschichte. Zwar ist der charmante Draufgänger mit dem Herz am rechten Fleck nicht gerade neu, Kristen Britain hat ihm aber genug eigenes Profil verliehen, um ihn vom Klischee abzuheben. Großmutter ihrerseits strahlt bei weitem nicht so viel Bedrohlichkeit aus wie Mornhavon, dennoch ist sie in ihrer geradezu erbarmungslosen Zielstrebigkeit nicht zu unterschätzen.

Was mir ebenfalls gut gefällt, sind die neuen Ideen, mit denen die Autorin auch diesmal wieder aufwartet. Dazu gehört das Wirken von Magie anhand von Knoten, die in buntes Garn geknüpft werden, aber auch der Ausbau von Karigans Fähigkeit des Verschwindens sowie das Buch über die Errichtung des Walls. Auch die Vergangenheit wurde durch die Erzählung des Turmwächters Merdigen weiter ausgebaut, und Karigan erfährt ein paar unerwartete Details über ihren Vater.

_Die Handlung_ dagegen braucht diesmal ziemlich lange, ehe sie in die Gänge kommt. Karigans Schwierigkeiten im Umgang mit Estora; Fergal und sein gestörtes Verhältnis zu Pferden; das Wiedersehen zwischen Karigan und ihren Bekannten in Selium – das alles nimmt ziemlich viel Platz in Anspruch. Richtig los geht es erst, als Estora entführt wird. Zu diesem Zeitpunkt hat der Leser bereits das halbe Buch hinter sich, und das sind in diesem Fall immerhin fast 450 Seiten. Danach wird es dann interessant, und als Karigan wieder in Sacor eintrifft, wird es endlich auch spannend. Schade nur, dass es so lange dauert.

_Unterm Strich_ ist dieser dritte Band des |Reiter|-Zyklus nicht ganz so gut wie seine beiden Vorgänger, trotz der interessanten neuen Charaktere und Ideen. Obwohl die Autorin auch diesmal wieder alle ihre Handlungsstränge sauber und fließend miteinander verknüpft, dauert es einfach zu lange, bis die Zusammenhänge deutlich werden. Manche Nebensächlichkeit wird ein wenig zu ausführlich ausgebaut, so die Bordellszenen oder die in Salium, und stellen damit den Leser auf eine ziemliche Geduldsprobe.

Auch das Lektorat ist diesmal nicht berauschend, Zeitfehler und falscher Satzbau gehen weit über einfache Buchstabendreher hinaus und sollten eigentlich nicht vorkommen. Und während die Titel bei der Neuauflage der Vorgängerbände durch |Heyne| recht gut geglückt sind, fehlt dem des dritten Bandes wieder jeglicher Bezug zum Inhalt. Ein schwarzer Thron wird nirgendwo erwähnt. Wenn ein Verlag schon nicht den wörtlich übersetzten Titel nehmen will, sollte er wenigstens das Buch lesen, ehe er sich einen anderen überlegt!

_Kristen Britain_ ist hauptberuflich eigentlich Park-Rangerin, und das nach einem abgeschlossenen Studium in Filmproduktion. Das Schreiben, mit dem sie bereits im Alter von neun Jahren anfing, hat sich letztlich aber nicht unterkriegen lassen. Außer ihren drei Romanen gibt es noch weitere Veröffentlichungen von Kurzgeschichten und Cartoons.

|Taschenbuch, 912 Seiten
ISBN-13: 978-3453533004
Originaltitel: The High King’s Tomb|
http://www.heyne.de

Home

Brandon Sanderson – Kinder des Nebels (Mistborn 1)

Vin ist sechzehn und auf der Straße aufgewachsen. Überlebt hat sie nur, weil ihr großer Bruder ihr eingebläut hat, keinem Menschen jemals zu vertrauen – und weil sie etwas besitzt, was sie ihr Glück nennt: Eine Art innere Energie, die sie befähigt, andere Menschen zu besänftigen. Damit kommt sie zumindest einigermaßen über die Runden.

Doch eines Tages tauchen zwei Männer im Schlupfwinkel ihrer Bande auf, die ihr gesamtes bisheriges Leben auf den Kopf stellen! Plötzlich findet sie sich in einer Truppe von Revolutionären wieder, die versuchen, den Obersten Herrscher zu stürzen. Ein wahnwitziges Unterfangen, denn der Oberste Herrscher ist nicht einfach nur ein mächtiger Mann. Er ist ein Gott!

Brandon Sanderson – Kinder des Nebels (Mistborn 1) weiterlesen

Redick, Robert – Windkämpfer (Die Reise der Chatrand 1)

_Pazel Pathkendle ist ein Teerjunge_, einer jener flinken, schmutzigen Burschen, die auf den Segelschiffen von Alifros sämtliche Hilfsarbeiten verrichten, vom Ställe ausmisten und Latrinen putzen bis zum Taue und Segel flicken. Dabei ist er eigentlich ein intelligenter Bursche, der außer seiner Muttersprache noch vier andere spricht und aus guter Familie stammt. Doch seit der Eroberung seiner Heimatstadt Ormael durch die Flotte des Kaiserreiches von Arqual ist er auf sich allein gestellt. Zumindest fast, denn ein ehemaliger Freund der Familie, der Arzt Ignus Chadfallow, mischt sich immer wieder in Pazels Leben ein. So auch jetzt, doch diesmal hat das sehr weitreichende Folgen, und nicht nur für Pazel …

Tascha Isiq ist die Tochter eines Kriegshelden, jenes Admirals, der einst Ormael für Arqual eroberte. Und sie ist kurz davor, das Lorg zu verlassen, jenes Mädchenpensionat, auf das sie zu schicken ihr Vater vor zwei Jahren bestanden hat. Tascha ist unendlich erleichtert, diesem Ort zu entkommen, doch als sie zu Hause ankommt, teilt ihr Vater ihr mit, dass sie heiraten wird. Und zwar nicht irgendjemanden, sondern einen Prinzen des Mzithrin, des Erzfeindes von Arqual. Keine Frage, dass Tascha das unter keinen Umständen will. Dennoch bleibt ihr nichts anderes übrig, als sich mit ihrem Vater und ihrer Stiefmutter nach Simja einzuschiffen, wo die Hochzeit stattfinden soll. Es ist dasselbe Schiff, auf dem nach Einmischung von Ignus Chadfallow auch Pazel gelandet ist …

_Robert Redick hat seine Geschichte_ mit einer ganzen Menge Charaktere bevölkert. Die wichtigsten sind natürlich Pazel und Tascha:

Pazel hat so ziemlich alles vorzuweisen, was ein ordentlicher Held braucht: Er ist mitfühlend, ehrlich, mutig und nicht auf den Kopf gefallen. Allerdings hat er gelegentlich auch ein etwas vorlautes Mundwerk, das er bei weitem nicht so gut im Zaum halten kann wie seine Fäuste, obwohl er genau weiß, dass es ihn in mindestens ebenso große Schwierigkeiten bringen kann wie eine Prügelei. Außerdem besitzt er eine Gabe, die seine Mutter, eine Zauberin, ihm sozusagen angehext hat: Er braucht eine fremde Sprache nur irgendwo zu hören oder zu lesen, und schon beherrscht er sie. Dummerweise geht diese Fähigkeit mit einer unangenehmen Nebenwirkung einher: Danach hat Pazel eine Zeit lang massive Verständigungsschwierigkeiten, er kann weder verständlich sprechen noch andere verstehen. Seine Umgebung hat dafür eher wenig Verständnis, weshalb Pazel alles tut, um diese Gabe zu unterdrücken, mit eher mäßigem Erfolg.

Auch Tascha besitzt eine für eine vornehme Admiralstochter ungewöhnliche Fähigkeit: Sie kann kämpfen, sowohl mit als auch ohne Waffe. Gelernt hat sie das heimlich von ihrem Tanzlehrer und Freund Hercól, die strategische Denkweise hat sie von ihrem Vater geerbt. Nimmt man noch ihren Dickschädel dazu, dann kommt eine recht anstrengende, aber auch nicht zu unterschätzende Persönlichkeit dabei heraus.

Dann wäre da noch Sandor Ott, der Meisterspion des Kaisers und Chef des Geheimdienstes. Ein gefährlicher Mann, glatt wie ein Aal, zielstrebig und absolut gnadenlos. Einst hat er den Eid geschworen, sein Leben dem Wohl des Kaiserreiches Arqual zu widmen, bis über den Tod hinaus. Diesen Eid nimmt Ott sehr ernst. Ein wenig zu ernst, wenn man es recht betrachtet. Das Einzige, das ihm womöglich genauso wichtig sein könnte, wäre vielleicht seine Geliebte. Aber sicher bin ich mir da nicht.

Kapitän Rose dagegen ist ein äußerst merkwürdiger Kerl. Er ist der Kapitän der |Chatrand|, des letzten riesigen Schiffes aus der alten Zeit, das noch in der Lage ist, die Herrschersee zu befahren. Das Schiff ist der Stolz der Nation und seiner Reederin, und es ist eine Ehre, sein Kapitän sein zu dürfen. Nilus Rotheby Rose dagegen scheint darüber nicht wirklich erfreut. Er wirkt unruhig, ja gehetzt. Und er gibt einen sehr seltsamen Kurs vor …

Zu guter Letzt muss ich noch Diadrelu erwähnen. Diadrelu ist eine Ixchel, und was immer die Ixchel genau sein mögen, sie sind jedenfalls sehr klein, aber auch sehr findig und sehr kriegerisch. Die meisten von ihnen hassen die Menschen – nicht ohne Grund – und misstrauen ihnen zutiefst, vor allem ihr hitzköpfiger Neffe Taliktrum. Diadrelu dagegen betrachtet die Riesen, wie die Ixchel die Menschen nennen, etwas differenzierter, was ihre Autorität über den Clan ziemlich beansprucht.

Mir hat die Charakterzeichnung wirklich gut gefallen. Alle Figuren sind lebendig und glaubwürdig geraten, auch die weniger wichtigen Randfiguren wie Keth oder Jervik. Selbst die kleine Romanze, die sich zwischen Tascha und Pazel anbahnt, wirkt nicht platt oder gekünstelt. Allein der Bösewicht der Geschichte, der allerdings erst sehr spät auftaucht, droht ein wenig ins Klischee abzurutschen, aber das kann sich ja noch fangen.

_Die Handlung_ wirkt zunächst wie die Androhung eines komplizierten Knäuels, doch das legt sich, denn alle Handlungsfäden führen ziemlich rasch zu ein und demselben Punkt, nämlich der |Chatrand|, wo nahezu sämtliche Personen, die eingeführt wurden, früher oder später eintreffen. Und während die |Chatrand| durch die Wellen pflügt, treffen die einzelnen Personen in den unterschiedlichsten Konstellationen aufeinander, jedes Mal fließen ein paar kleine Informationen, und allmählich entsteht das Bild eines Komplotts, in dessen Zentrum Tascha steht. Keine Frage, dass Pazel versuchen muss, den Beteiligten einen Strich durch die Rechnung zu machen. Nur ist das leichter gesagt als getan …

Das klingt jetzt fast ein wenig fade, zumal das Komplott selbst fast ein wenig absurd erscheint, vor allem durch seine extrem lange Planungszeit. Kaum zu glauben, dass über diesen langen Zeitraum hinweg nichts dazwischen gekommen sein soll, das die Ausführung verhinderte. Andererseits ist der Aufbau dieser Fall wiederum so hinterhältig und klingt dermaßen nach bereits real praktizierter Politik, dass er fast schon wieder genial genannt werden könnte. Zudem würzt der Autor das Ganze mit der späten Erkenntnis, dass an dieser Sache mehr als nur eine Gruppe von Verschwörern herumgebastelt hat!

_Robert Redick hat seine Geschichte_ in einer Welt angesiedelt, die schon einiges an Vergangenheit hinter sich hat: große technische Errungenschaften, die bereits teilweise wieder verloren gegangen sind, Kenntnisse über ferne Kontinente, die längst wieder in Vergessenheit geraten sind, Legenden von magischen Artefakten aus ferner Vorzeit und natürlich diverse Kriege und Eroberungen. Hier zeigt sich schon, dass Alifros seine Glanzzeit bereits hinter sich hat.

Magie spielt bisher eine eher dezente Rolle; außer Pazels magischer Gabe des Sprachen Erlernens taucht lediglich ein Zauberer aus einer anderen Welt auf, der mit Tascha befreundet ist, zunächst aber nicht allzu aktiv ist. Erst gegen Ende der Geschichte rückt der Aspekt der Magie mehr in den Vordergrund. Seinen Charme erhält dieser fast schlichte Weltentwurf vor allem durch seine besonderen Geschöpfe wie die Ixchel, die Murten im Meer, die Flikker und die erwachten Tiere, allen voran die sprechende Ratte Feltrup.

All das erzählt der Autor ausgesprochen abwechslungsreich. Die gelegentlich eingestreuten Rückblenden lockern den Aufbau der Geschichte ebenso auf wie die Einträge aus dem persönlichen Tagebuch des Quartiermeisters und die Briefe von Kapitän Rose an seinen Vater. Die einzelnen Handlungsstränge werden gekonnt ineinander geführt, sodass die Handlung sich glatt und ohne Hänger entwickeln kann. Nur an einem Punkt bin ich ein wenig hängengeblieben: Warum in aller Welt wollte Doktor Chadfallow unbedingt, dass Pazel die Eniel verlässt? Hätte er ihn dort gelassen, wäre Pazel wahrscheinlich nicht auf der |Chatrand| gelandet, wo der Doktor ihn noch viel weniger haben wollte. Vielleicht liefert der nächst Band dafür ja noch eine logische Erklärung.

_Insgesamt_ fand ich das Buch sehr gelungen. Übergroße Spannung kann man ihm nicht gerade bescheinigen; lediglich gegen Ende, als der Leser endlich weiß, mit wem er es zu tun hat, zieht der Spannungsbogen an. Dafür bietet es sympathische, lebendige und nachvollziehbare Helden ohne übertrieben mächtige Fähigkeiten oder andere Klischees, einen etwas aufwändigen, aber tückischen Plott, viele fantasievolle Geschöpfe und noch eine Menge ungelöster Rätsel, zum Beispiel die Frage, welche Rolle die Herzogin Oggosk und ihre ungewöhnliche Katze in der ganzen Sache spielen, oder wieso einer der hervorragenden tholjassanischen Kämpfer ausgerechnet als Tanzlehrer arbeitet. Auf die Antworten bin ich jetzt schon gespannt.

_Robert Redick_ lebt in Massachusetts und gehört zu den Autoren, die schon als Kinder Geschichten schrieben. Nach diversen Studiengängen, darunter Literatur und Russisch, war er viel auf Reisen. Inzwischen arbeitet er als Dozent an der Clark University und als Redakteur für |Oxfam|. „Windkämpfer“ ist der erste Band seines Zyklus |Die Reise der Chatrand|, dessen zweiter Band diesen Monat auf Englisch erschien.

|Originaltitel: The Red Wolf Conspiracy 1
Aus dem Amerikanischen von Irene Holicki
Paperback, Broschur, 736 Seiten
ISBN-13: 978-3-453-52466-8|
http://www.redwolfconspiracy.com
http://www.heyne.de

Colin, Fabrice – Mary Wickford

_Neuengland_, irgendwo in der Wildnis. Eine junge Frau wird von der Inquisition verfolgt, doch ein Fremder flieht mit ihr …

Jahrzehnte später verlässt die siebzehnjährige Mary Wickford das Kloster der Heiligen Barmherzigkeit, in dem sie als Waise aufgewachsen ist, um sich ein eigenes Leben aufzubauen. Eigentlich will sie nach Boston, letztlich jedoch landet sie in dem kleinen Küstenstädtchen Old Haven. Und schon bald muss sie feststellen, dass hier nicht nur einiges sehr, sehr seltsam ist, sondern auch, dass sie aus Gründen, die in der Vergangenheit liegen, irgendwie darin verstrickt ist …

_Mary ist eine sehr resolute Person_, die durchaus ihren eigenen Kopf durchsetzen kann. Sofern sie denn weiß, was sie will, was zunehmend selten der Fall zu sein scheint. Immerhin weiß sie genau, was sie auf keinen Fall will: dem Imperator gehorchen.

Der Imperator ist der Herrscher über die beiden Amerika, bekennender Katholik und besessen von dem Gedanken, die Welt zu läutern. Die Methoden, die er dazu anwendet, sind gelinde gesagt höchst zweifelhaft.

Damit erschöpft sich die Charakterzeichnung auch schon. Nicht, dass diese beiden Charaktere die einzigen wären, im Gegenteil, es tauchen noch eine ganze Menge andere auf. Allerdings ist zu diesen Figuren noch weniger zu sagen als zu den genannten. Und selbst diese beiden bleiben irgendwie diffus und schemenhaft. Manchmal denkt Mary nach, aber was sie denkt, erfährt der Leser oft nicht, sodass er ihre Entscheidungen nicht immer nachvollziehen kann. Und selbst wenn Gedanken und Gefühle gelegentlich beschrieben werden, fehlt es ihnen an Intensität.

_Die Handlung_ ist dafür umso turbulenter ausgefallen. Kaum hat Mary das Kloster verlassen, wird sie manipuliert, bis sie in Old Haven ankommt, wo sie schon nach kurzer Zeit von der Inquisition aufgespürt wird. Von da an ist Mary nahezu ununterbrochen auf der Flucht, bis sie schließlich den Großmeister der Bruderschaft von York trifft, der sie unterrichtet. Aber selbst jetzt, wo sie eine ausgebildete Hexe ist, kommt sie nicht zur Ruhe, bis sie sich dem Imperator stellt.

Klingt rasant. Ich empfand es allerdings eher als mühsam. Vielleicht lag das daran, dass die Geschichte stellenweise so umständlich wirkt. Dazu gehören nicht nur die Ereignisse in Old Haven, als die Inquisition dort eintrifft, sondern zum Beispiel auch diejenigen auf der Insel des blutenden Herzens. Die dortigen Geschehnisse scheinen keine echten Auswirkungen auf den Fortgang der Handlung zu enthalten, stattdessen werden lediglich Andeutungen gemacht, die neue Fragen aufwerfen. Fragen, die teilweise nie beantwortet werden.

Da Mary zu Beginn der Geschichte nichts über ihre Herkunft weiß, also ohnehin schon massenhaft Fragen im Raum stehen, sind derartige Szenen nicht unbedingt eine Hilfe. Dummerweise ist der eigentliche Clou des Plots trotz mangelnder Antworten und fehlender Zusammenhänge recht bald klar.

Vielleicht lag es aber auch daran, dass Fabrice Colins Amerika zu Beginn des 18. Jahrhunderts ganz und gar anders aussah als das aus dem Geschichtsunterricht. Dabei hat der Autor sich nicht darauf beschränkt, historische Daten zu verändern, indem er bereits Maschinen und Flugzeuge mit Erdöl betreibt und die Hexenprozesse von Salem der katholischen Inquisition zuschreibt. Er hat diese veränderte Historie auch mit allen möglichen anderen Elementen gemischt, von Fabelwesen wie Nymphen und Drachen über den Okkultismus einer Geheimbruderschaft bis hin zum Cthulhu-Mythos.

_Um es kurz zu machen_, ich bin mit diesem Buch einfach nicht warmgeworden. Allein der Cthulhu-Mythos hätte schon genügt, mich abzuschrecken, hätte ich denn gewusst, dass er in diese Geschichte eingebaut ist. Und tatsächlich haben die Szenen, die mit diesem Aspekt verbunden waren – sei es auf Marys Weg durch das unterirdische Labyrinth über Arkham oder beim Auftauchen von Nyarlathotep -, eine Menge Grausamkeit in die Geschichte transportiert, einerseits durch den Ekelfaktor von Monströstitäten, andererseits auch durch exzessives Blutvergießen.

Aber das war es nicht allein. Zu vielen Szenen war anzumerken, dass sie nur in die Handlung eingeflochten waren, um ein weiteres Puzzleteil für Marys Herkunft zu liefern, und zu holperig waren die einzelnen Teile miteinander verbunden. Die Rekonstruktion der Vergangenheit wirkte bemüht und fügte sich nicht nahtlos in Marys eigentliche Geschichte ein. Die Handlung insgesamt verlief zu hektisch und überstürzt. Selbst die Wochen von Marys Ausbildung werden wie im Zeitraffer abgespult, als fürchte der Autor sich davor, auch nur einen einzigen Moment innezuhalten.

Auch die schwache Ausarbeitung der Charaktere war ein Manko. Zu vieles geschah einfach zu unmotiviert, ohne erkennbaren Grund. So fragte ich mich zum Beispiel, was in aller Welt der Pastor Jeremiah sich dabei gedacht hat, eine solche Strafe über seinen Sohn zu verhängen?! Wieso sind die Domilitinnen erst ins Meer verschwunden, als sie |nicht| mehr verfolgt wurden? Und wo kam von einem Tag zum andern Marys tiefe Liebe für ihren zukünftigen Ehemann her?
Außerdem ist da natürlich noch das Problem mit der Logik: Da verschwindet ein beschworener Dämon einfach, weil sein Meister getötet wurde. Der als Meister Bezeichnete war allerdings gar nicht derjenige, der den Dämon beschworen und eingesperrt hatte!

_Zurück blieb der Eindruck_ einer Welt, die durch ihre Zusammensetzung kontrastiert, aber auch ein wenig überladen und wie Flickwerk wirkt, einer turbulenten, Haken schlagenden Handlung, die nur wenig Raum für Tiefe lässt, und einer Ansammlung von Figuren, mit denen der Leser sich kaum identifizieren kann, weil ihre Handlungsweise nicht nachvollziehbar ist.

Wer es also gern blutig, gruselig oder auch actionlastig mag, der kann mit diesem Buch vielleicht etwas anfangen. Wer dagegen Wert auf tieferes Verständnis von Handlung und Protagonisten legt, der lasse sich nicht von dem harmlosen Klappentext oder dem romantischen und damit eigentlich völlig unpassenden Cover täuschen und suche sich eine andere Lektüre.

_Fabrice Colin_ lebt in Paris und schreibt außer phantastischen Romanen auch Comics, Graphic Novels und Drehbücher fürs Radio. Aus seiner Feder stammen unter anderem „Le réveil des dieux“, „Vengeance“ und die Comic-Serie „Duel Masters“. „Mary Wickford“ ist der erste seiner Romane, der ins Deutsche übersetzt wurde.

|Originaltitel: La Malédiction d’Old Haven
Aus dem Französischen von Ulrike Werner-Richter
Gebundenes Buch, Pappband, 720 Seiten
ISBN-13: 978-3-453-53288-5|
http://www.heyne.de

Kizer, Amber – Meridian – Dunkle Umarmung

_Meridian war schon immer anders_ als andere Kinder. Sie hat ständig Schmerzen, ihr ist ständig übel. Und sie ist ständig von sterbenden Tieren umgeben. Niemand kann ihr sagen, warum das so ist. Nicht, dass sie je danach gefragt hätte … Als jedoch an ihrem sechzehnten Geburtstag direkt neben ihr ein Unfall geschieht, überstürzen sich die Ereignisse, und Meridian findet sich nach einem körperlichen Zusammenbruch plötzlich auf dem Weg zu einer Tante wieder, die sie lediglich von einem Photo kennt, und das in dem Bewusstsein, dass sie in Gefahr schwebt und ihre Familie nie wieder sehen wird! Doch als sie am Zielort aus dem Bus steigt, ist das grüne Auto, das sie abholen soll, nicht da …

_Eigentlich ist Meridian_ ein intelligentes und zähes Mädchen. Sie beißt sich durch einen halben Schneesturm, lernt innerhalb von zwei Wochen, eine Fenestra zu sein, und bietet einem an sich übermächtigen Gegner die Stirn. Umso verwunderlicher, dass ein Kind mit solchen Eigenschaften bis zu seinem sechzehnten Geburtstag wartet, um endlich Fragen darüber zu stellen, warum es so seltsam ist.

Meridians Tante ist eigentlich eine Urgroßtante und über hundert Jahre alt. Dennoch – oder vielleicht gerade deshalb – strahlt sie ungeheure Lebensfreude aus, sie ist fröhlich, freundlich … und sie ist ebenfalls eine Fenestra. Allerdings bleibt ihr nicht mehr viel Zeit, Meridian beizubringen, was sie wissen muss, denn obwohl ihr Geist noch rege und lebhaft ist, lassen ihre körperlichen Kräfte täglich nach.

Tens, der ebenfalls bei der Tante lebt, wirkt zunächst ein wenig wankelmütig. Mal ist er schweigsam und in sich gekehrt, mal gibt er zu allem seinen Senf dazu, ob gewünscht oder nicht. Im Grunde ist er einfach ein unsicherer Teenager, genau wie Meridian, und genau wie ihr schlägt auch ihm vonseiten der einfachen Leute Ablehnung und Mißtrauen entgegen. Denn auch er hat eine besondere Gabe …

Perimo, der örtliche Priester, ist ein gutaussehender, charismatischer Mann, der es versteht, die Leute zu begeistern. Leider bestehen seine Predigten ausschließlich aus Hetzreden gegen alle, die sich nicht seinen Doktrinen beugen wollen, und Meridians Tante steht dabei ganz oben auf der Liste.

Insgesamt ist die Charakterzeichnung etwas durchwachsen geraten. Perimo besitzt zu wenig Eigenständigkeit und rutscht deswegen etwas ins Klischee ab. Auch Tens hätte etwas mehr Tiefe vertragen können. Meridians Tante fand ich dagegen sehr gelungen, und auch Meridian ist abgesehen von dem seltsamen Knacks in ihrer Persönlichkeit ganz in Ordnung.

_Dieser besagte Knacks_ war ein Zugeständnis an die Dramaturgie des Buches. Der turbulente Einstieg in die Geschichte wäre nicht möglich gewesen, hätte Meridian schon vor diesem Tag mehr über ihre ungewöhnliche Gabe gewusst. Meridians Überrumpelung weckt natürlich auch im Leser die Neugier und animiert zum Weiterlesen. So weit, so gut.

Auch die Idee, die der Geschichte zugrunde liegt, ist interessant und neu: Die Fenestrae sind für die sterbenden Seelen das Tor zum Jenseits. Dort ruhen sich die Seelen aus, bis sie irgendwann erneut ins irdische Leben zurückkehren. Leider gibt es nicht nur die Fenestrae, die den Schöpfern dienen, sondern auch die Aternocti, Anhänger des Zerstörers. Der Name – finstere Nächte – ist Programm, denn diese Gegenspieler der Fenestrae führen die Seelen nicht ins Jenseits, sondern in die Hölle. Wie das Wort Gegenspieler schon sagt, machen sich die beiden Seiten massiv Konkurrenz. Die Entscheidung darüber, ob eine Seele ins Jenseits oder in die Hölle gelangt, hängt deshalb nicht davon ab, ob sie gut oder böse war. Sie ist vielmehr davon abhängig, ob beim Tod eines Menschen eine Fenestra oder ein Aternoctus zugegen ist.

Allerdings hat dieser Entwurf auch einige Haken. Wie die Tante Meridian erklärt, kann Energie niemals verloren gehen, sie wandelt sich nur. Das bedeutet automatisch, dass Energie auch nicht einfach mehr werden kann. Die Tante sagt aber auch, dass die Aufgabe der Fenestrae früher von Engeln wahrgenommen wurde, bis die Bevölkerung so groß wurde, dass es nicht mehr genug Engel gab. Hier tauchte bei mir bereits das erste Fragezeichen auf. Wie konnte die Bevölkerung überhaupt anwachsen, wenn die Energie immer gleich bleibt? Und wieso haben die Schöpfer anstelle der Fenestrae nicht einfach noch ein paar Engel erschaffen? Zumal die Fenestrae den Aternocti gegenüber ziemlich wehrlos zu sein scheinen, während die Engel offenbar spielend mit ihnen fertig werden.

Hier hat jemand einfach das christliche Weltbild ein wenig umgemodelt, ist dabei aber nicht sehr gründlich zu Werke gegangen. Der Entwurf ist zum einen nicht konsequent zu Ende gedacht und weist zum anderen logische Schwächen auf.

_Auch die Handlung_ hat nicht ganz gehalten, was sie versprochen hat. Nachdem Meridian erst mal das Haus ihrer Tante erreicht hat, nimmt das Erzähltempo spürbar ab. Meridian erhält nach und nach die Antworten auf ihre Fragen und natürlich auch Unterricht. Außerdem entwickelt sich eine zarte Romanze zwischen Tens und Meridian, die angenehm unaufdringlich und natürlich in die Geschichte eingebaut wurde. Was nicht funktioniert hat, war der Aufbau eines neuen Spannungsbogens, der von Perimo getragen werden sollte. Zwar hat Amber Kizer ihren Antagonisten ein paar wirklich fiese Tricks anwenden lassen, und es ist ihr auch gelungen, ihn in den wenigen kurzen Sequenzen, in denen er mit Meridian kurz allein ist, tatsächlich bedrohlich wirken zu lassen. Tatsächlich aber haben gerade diese kurzen Sequenzen dazu geführt, dass der Leser sehr frühzeitig weiß, um wen es sich bei Perimo tatsächlich handelt. Dadurch wird Perimos Taktik zu durchschaubar, der Ausgang der Geschichte größtenteils vorhersehbar. Nur eine kleine Überraschung ist für den endgültigen Showdown übrig geblieben. Das Happy End wirkt dann fast etwas aufgesetzt und gekünstelt, vor allem in Bezug auf Tens.

_So ganz der große Wurf_ ist das Buch also nicht geworden. Schade, die Idee war wirklich nicht schlecht. Hätte die Autorin diese noch etwas präziser umgesetzt und die enthaltenen Widersprüche bereinigt, dazu noch etwas mehr Hintergrund für den Antagonisten Perimo, seine Absichten und Beweggründe, hätte das Buch richtig gut werden können. In der vorliegenden Form dagegen empfand ich es als zu oberflächlich und zu blass.

Vielleicht kommt ja noch eine Fortsetzung. Die Drohungen Perimos während seiner Konfrontation mit Meridian und das relativ offene Ende lassen eine solche durchaus zu.

Dem Verlag darf ich dagegen ein gelungenes Cover und ein hervorragendes Lektorat bescheinigen. Warum dem Originaltitel „Meridian“ allerdings der seltsame Zusatz „Dunkle Umarmung“ angehängt wurde, hat sich mir nicht erschlossen.

_Amber Kizer_ schreibt seit sieben Jahren. Außer „Meridian“ hat sie mit „One Butt Cheek at a Timeden“ den ersten Band eines Mehrteilers veröffentlicht. Zu ihren Hobbys gehören Rosenzüchten und Kuchenbacken. Sie lebt mit zwei Hunden, zwei Katzen und einer Schar Hühner in der Nähe von Seattle.

http://www.pan-verlag.de
http://www.amberkizer.com

Göttner, Heide Solveig – Königin der Insel, Die (Die Insel der Stürme 3)

Band 1: [„Die Priesterin der Türme“ 3611
Band 2: [„Der Herr der Dunkelheit“ 3626

_Defagos_ hat den Angriff der Nraurn zurückgeschlagen, allerdings zu einem hohen Preis: Jemren hat eine der verfluchten Pfeilspitzen des Totengottes zwischen den Rippen. Und doch verlangt die Prophezeiung, dass Jemren gemeinsam mit Gorun und Amra die kleine Lillia nach Hause zurückbringt. Allerdings scheint Lillia, die sie führen soll, noch immer keinerlei Vorstellung von der Geographie der Insel zu besitzen. Und dann erklärt die Nashan von Defagos auch noch, bevor Lillia nach Hause zurückkehren könne, müsse zuerst die eine Hälfte des weißen Steines gefunden werden. Doch die Zeit ist knapp, denn Antiles begehrt den Stein ebenfalls, und er darf ihn keinesfalls in seinen Besitz bringen, wenn Lillias Begleiter auch nur die geringste Aussicht darauf haben wollen, ihren Auftrag zu erfüllen …

Nesyn dagegen hat ganz andere Sorgen. Er ist bei seiner Königin Kajlyn-Gua in Ungnade gefallen, weil er es gewagt hat, den Angriff auf Defagos abzubrechen. Zur Strafe hat Kajlyn-Gua ihren ehemaligen Feldherrn nicht nur degradiert, sie hat ihn öffentlich gedemütigt, indem sie ihm die Klingen auf seinen Hörnern nahm, das Zeichen seiner Kriegerwürde. Auf seine Dienste verzichten will sie jedoch nicht, stattdessen schickt sie ihn in den Norden mit dem Auftrag, sämtliche dortigen Städte dem Erdboden gleichzumachen und sämtliche Bewohner zu massakrieren. Nesyn gehorcht. Mehr oder weniger …

_Wie es sich für einen Abschlussband gehört_, spitzt sich die Lage allmählich immer mehr zu. Für neue Charaktere war da kein Raum mehr. Zwar tauchten die einzelnen Götter noch als Personen auf, allerdings hat es hier nicht für mehr als Randfiguren gereicht, selbst die Göttin der Quellen, Anrynan, die als Nashan in Defagos lebt, kommt nicht wirklich über diesen Status hinaus. Und auch die Entwicklung der bereits vorhandenen Figuren ergibt sich fast ein wenig beiläufig; allein bei Nesyn hat sich die Autorin die Mühe gemacht, die Veränderung durch Nesyns eigene Gedanken deutlich zu machen. Hier wurde an charakterlicher Tiefe zurückgesteckt zugunsten der Handlung, was ein klein wenig schade ist, aber zum Glück wurden die Figuren in den Vorgängerbänden so gut ausgearbeitet, dass ihnen die veränderte Gewichtung nicht ernstlich geschadet hat.

Die Handlung bietet auch in diesem Band wieder jede Menge Bewegung. Die häufigen Ortswechsel sind allerdings kein Selbstzweck. Jeder Ort, den die Gruppe erreicht, offenbart ein wenig mehr über die Vergangenheit der Insel. Außerdem kommen sie mit jedem Ortswechsel der Erreichung ihres Zieles ein Stück näher. Zumindest sieht es so aus. Doch jeder Rückschlag, den der dunkle Gott einstecken muss, scheint letztlich zu verpuffen, so als wäre ein Erfolg für ihn – im Gegensatz zu Lillias Begleitern – gar nicht wichtig! Dadurch erhält die Autorin die Spannung aufrecht, und das gelingt ihr auch wirklich bis zum Schluss. Selbst als die letzte Schlacht geschlagen ist, kommt noch einmal ein Hindernis, und als das überwunden ist, kommt ein weiteres …

Andererseits kommt der Leser nicht umhin, im Laufe des Zyklus Abweichungen festzustellen. Davon, dass Antiles die alleinige Macht über die gesamte Insel erobern und ein Reich des Todes errichten wollte, ist im Showdown keine Rede mehr. Selbst Elemente, die erst im letzten Band auftauchen, gehen letztlich unter. Zum Beispiel wird mehrmals erwähnt, dass laut der Prophezeiung die drei Begleiter Lillias am Ende sterben müssten. Nun soll man ja Prophezeiungen nicht unbedingt wörtlich nehmen, die eigentliche Bedeutung der Worte wird allerdings nicht allzu deutlich herausgearbeitet.

Alles in allem ist diese Sache mit der Prophezeiung eine ausgesprochen verschwommene Angelegenheit. Es drängt sich die Vermutung auf, dass Heide Solveig Göttner hier bewusst vage geblieben ist. Dadurch, dass nirgendwo der vollständige und konkrete Wortlaut der Prophezeiung auftaucht, sondern nur Interpretationen, hat die Autorin eine Möglichkeit gefunden, immer neue Winkelzüge einzufügen, ohne jemals in Konflikt mit den Gesetzen der Logik zu geraten. Wenn etwas nicht mehr zu dem passt, was sie ursprünglich einmal geschrieben hat, dann ist es halt nur eine neue Art der Interpretation. Das ist einerseits ein genialer Kniff, andererseits komme ich nicht umhin, es auch ein wenig als Schummelei zu empfinden, als hätte jemand eine unerlaubte Abkürzung genommen. Angesichts vieler anderer Autoren, die es geschafft haben, trotz einer ausformulieren Prophezeiung ein überraschendes Ende mit einer unerwarteten Bedeutung dieser Prophezeiung aufzubauen, hat sie es sich vielleicht doch ein wenig zu leicht gemacht.

Ähnlich verschwommen wie die Sache mit der Prophezeiung war die Erwähnung des Brettspiels Edú, auch genannt das Spiel des Wandels. Es soll ein Spiel der Götter sein, und vor allem Gorun kommt sich aufrund seines Schicksals und seiner Rolle in der Prophezeiung wie ein Spielstein im Spiel der Götter vor. Andererseits wird nirgendwo erklärt, wie dieses Spiel gespielt wird. Und da die Götter offensichtlich so wenig Macht über die Prophezeiung haben, dass sie – mit Ausnahme Anrynans – nicht einmal versuchen, den Verlauf der Ereignisse zu beeinflussen, stellt sich die Frage, wozu es überhaupt erwähnt wird. Auch hier drängt sich wieder der Eindruck auf, als wäre der Begriff des Edú ebenso wie der weiße Stein, den die Gefährten so dringend finden sollen, nur eingebaut worden, um den Leser einen neuen Haken schlagen zu lassen. Denn letztlich ist nicht ersichtlich, welchen Einfluss der weiße Stein auf den Verlauf des Geschehens hätte nehmen sollen, schließlich wohnt ihm keinerlei Macht inne.

_Bleibt zu sagen_, dass der Zyklus eine unterhaltsame Lektüre war, der große Wurf ist er aber nicht geworden. Der mangelnde Mut zur Festlegung hat den Entwurf eine Menge Details und die Ausarbeitung die nötige Schärfe gekostet. Das können die gelungenen Charaktere, die abwechslungsreichen Szenarien der Insel und die diversen Kämpfe auf dem Weg zum Ziel nicht ganz wettmachen.

_Heide Solveig Göttner_ studierte Anglistik und arbeitet als Dozentin für Englisch und Deutsch in Freiburg. Außer einem Faible für archäologische Stätten hat sie eine Vorliebe für Inseln und lange Spaziergänge. Aus ihrer Feder stammt nicht nur der Zyklus |Die Insel der Stürme|, sondern auch die Kurzgeschichte „Die Goldkatze“ aus der Anthologie „Fenster der Seele“. Für ihre Erzählung „Das Gelbe vom Ei“ erhielt sie das Literaturstipendium der Stadt München.

|443 Seiten, kartoniert
ISBN-13: 978-3-492-26696-3|
http://www.heidesolveig-goettner.com
http://www.piper.de

Nix, Garth – Mächtiger Samstag (Die Schlüssel zum Königreich / Keys to the Kingdom 6))

[„Schwarzer Montag“ 3719 (Die Schlüssel zum Königreich 1)
[„Schwarzer Montag“ 3172 (Hörbuch)
[„Grimmiger Dienstag“ 3725 (Die Schlüssel zum Königreich 2)
[„Grimmiger Dienstag“ 4528 (Hörbuch)
[„Kalter Mittwoch“ 4242 (Die Schlüssel zum Königreich 3)
[„Kalter Mittwoch“ 5101 (Hörbuch)
[„Rauer Donnerstag“ 4831 (Die Schlüssel zum Königreich 4)
[„Rauer Donnerstag“ 5051 (Hörbuch)
[„Listiger Freitag“ 5626 (Die Schlüssel zum Königreich 5)

_Kaum hat Arthur_ mit Blatts Hilfe die Schlafwandler aus der Gewalt Lady Freitags befreit, erreicht ihn die nächste Hiobsbotschaft: Um die Viruskrankheit in Arthurs Heimatstadt in Schach zu halten, soll auf das betreffende Krankenhaus eine Atombombe abgeworfen werden!

In einem verzweifelten Versuch, dies zu verhindern, nimmt Arthur seine Stadt komplett aus dem Lauf der Zeit heraus. Damit hat er die Bedrohung zwar nur verzögert, aber zu mehr kommt er nicht, denn im Haus geht es drunter und drüber: Ein Saboteur hat den Damm aufgebrochen und das gesamte Untere Haus samt den fernen Weiten mit Nichts überflutet! Und Erhabene Samstag hat ihre gesamte Domäne komplett verbarrikadiert, nicht nur gegen Arthur …

_Die meisten Neuzugänge_ in diesem Band sind nur Randfiguren. Erwähnenswert ist allein Erhabene Samstag. Die Zauberin hat wirklich nahezu sämtliche Maßnahmen ergriffen, um Arthur aus dem Oberen Haus fernzuhalten. Und selbst für den unwahrscheinlichen Fall, dass er es doch schaffen sollte, in ihre Domäne einzudringen, hat sie vorgesorgt. Ganz nebenbei arbeitet sie unbeirrbar an dem Plan, dem sie bereits die letzten zehntausend Jahre gewidmet hat: nämlich Lord Sonntag die Unvergleichlichen Gärten, die oberste Domäne jenseits der Wolken, abzujagen!

Tatsächlich hat Erhabene Samstag eine ganze Menge mehr Format als Lady Freitag und überhaupt sämtliche bisherigen Wochentage. Sie denkt strategisch und berücksichtigt alle Eventualitäten, und sie agiert zielstrebig, anstatt ihre Zeit mit Kinkerlitzchen zu verplempern.

Dieser gezielte Angriff auf Lord Sonntag dominiert auch die Ausgestaltung der Umgebung: Erhabene Samstag residiert in der Spitze eines Turmes, der mich ein wenig an den Eiffelturm erinnerte, ein Gerüst aus offenen Stahlwürfeln, in denen Samstags Zauberer an Schreibtischen sitzen und weiß der Himmel was arbeiten. Es regnet ununterbrochen, und die Schirme der Zauberer, die ebenso wie die Höhe ihres Bürowürfels innerhalb des Turmes ihren Rang verraten, halten lediglich das Papier trocken, nicht die Zauberer. Ein interessanter Entwurf, der aber nicht so viele nette Nebenaspekte bot wie das Untere Haus oder die Armee von Sir Donnerstag, was aber vielleicht auch einfach nur daran liegt, dass manches, was beim Lesen des ersten Bandes noch kurios und einfallsreich wirkte, durch regelmäßiges Auftauchen inzwischen alltäglich geworden ist. Wie auch immer, eine wirklich nett Idee fand ich diesmal nur den Aufenthaltsort des Vermächtnisses und die Bäume, welche die Unvergleichlichen Gärten tragen.

Die Sache mit der Atombombe fand ich dafür ziemlich übertrieben, zumal Arthurs Überlegungen, ob sein Zuhause den Angriff auf das Krankenhaus wohl überstehen wird, ziemlich lächerlich anmuten, auch wenn Kinder sich über die Auswirkungen einer Atomexplosion vielleicht nicht so genau im Klaren sind. Hier ist der Autor schlicht ein wenig über das Ziel hinausgeschossen. Eine konventionelle Bombe hätte den Zweck genauso erfüllt.

_Das alles klingt fast so_, als hätte dieser sechste Band – von der Figur Erhabener Samstags abgesehen – noch einmal hinter seinem Vorgänger zurückgesteckt. Was diesen Band jedoch rettet, ist die abgeknickte Handlungskurve.

Natürlich gelingt es Arthur, allen Maßnahmen Samstags zum Trotz, ins Obere Haus zu gelangen. Tatsächlich geht zunächst einmal alles genauso glatt wie bereits im Band davor. Aber sobald Arthur den sechsten Vermächtnisteil gefunden hat, gerät er sogleich in ziemliche Schwierigkeiten, die sich dann rasch zu einem ernsthaften Problem auswachsen. Und diesmal sieht es nicht so aus, als könnte er den sechsten Schlüssel so einfach für sich beanspruchen. Im Gegensatz zu den bisherigen Treuhändern setzt Erhabene Samstag sich gegen Arthurs Anspruch zur Wehr.

Das wirklich Fiese daran ist allerdings nicht Erhabene Samstags Gegenwehr, sondern die Tatsache, dass der Autor an dieser Stelle einfach abbricht! Der Leser erfährt nicht, wie das Duell ausgeht. Weder, ob Arthur den Schlüssel ergattern, noch, ob der sechste Vermächtnisteil sich Dame Primus anschließen konnte. Er erfährt nicht, was aus Susi Türkisblau wurde, ja nicht einmal, was aus Arthur wurde, von den Ereignissen auf der Erde ganz zu schweigen! Alles, wirklich alles ist offen! Und das zu all den vielen sonstigen Fragen, die noch immer unbeantwortet sind.

_Wer also_ im Laufe der Lektüre vielleicht mit dem Gedanken gespielt haben sollte, dass es jetzt allmählich Zeit wäre, mit dem Lesen aufzuhören, weil die Handlung anfängt, zu sehr den Ereignissen der übrigen Bände zu ähneln, der wird diesen Gedanken spätestens im vorletzten Kapitel schleunigst fallen lassen. Garth Nix hat seine Handlungsfäden auf einen Dreifrontenkrieg hin zugespitzt, Arthurs Heimatstadt steht vor dem absoluten Chaos, und da Samstag noch nicht ausdrücklich besiegt ist, könnte Arthur es im nächsten Band mit zwei Treuhändern auf einmal zu tun bekommen. Das verspricht einen Showdown, wie man ihn sich kaum dramatischer wünschen kann.

_Garth Nix_ ist gebürtiger Australier und war nach dem Studium in den verschiedensten Bereichen der Buchindustrie tätig, ehe er selbst zu schreiben begann. Aus seiner Feder stammen der Jugendbuchzyklus |Seventh Tower| sowie die Trilogie |Das alte Königreich|. Das Erscheinungsdatum des letzten Band aus der Reihe |Keys to the Kingdom| ist noch nicht bekannt.

|Originaltitel: Superior Saturday
Aus dem Englischen von Axel Franken
Illustrationen von Daniel Ernle
269 Seiten, gebunden mit Schutzumschlag
Empfohlen ab 10 Jahren
ISBN-13: 978-3-431-03776-0|
http://www.ehrenwirth.de

Außerdem von Garth Nix auf |Buchwurm.info|:

[„Sabriel“ 1109 (Das alte Königreich 1)
[„Lirael“ 1140 (Das alte Königreich 2)
[„Abhorsen“ 1157 (Das alte Königreich 3)

Abraham, Daniel – Herbst der Kriege (Die magischen Städte 3)

Die magischen Städte:

Band 1: Das Drachenschwert“
Band 2: Winter des Verrats“
Band 3: „Herbst der Kriege“

Wie sein Vorgängerband beginnt auch „Herbst der Kriege“ mit einem großen Zeitsprung.

Vor vierzehn Jahren ist Otah eher widerwillig zum Khai seiner Heimatstadt Machi erkoren worden, wobei der Widerwille beide Seiten betrifft: Otah hat noch immer nicht das Geringste für Macht übrig, zumal die Arbeit eines Khai größtenteils in eher unwichtig erscheinendem Kleinkram besteht und mit Etikette überfrachtet ist. Die Utkhais dagegen misstrauen einem Herrscher, der ihre alten Traditionen ablehnt, sie legen ihm das als Schwäche aus.

Doch eines Tages taucht Liat in Machi auf. Eben jene Liat, die in jenem verhängnisvollen Sommer in Sarayketh erst mit Otah, später mit Maati ein Verhältnis hatte. Und sie hat ausgesprochen unangenehme Neuigkeiten im Gepäck …

In der Charakterzeichnung hat sich diesmal eine ganze Menge getan:

Liat, das ehrgeizige aber unsichere junge Mädchen aus dem ersten Band, ist zu einer selbstbewussten Frau und fähigen Leiterin eines Handelskontors geworden, die ihren eigenen Wert nicht mehr hauptsächlich danach beurteilt, ob sie einen Mann hat oder nicht.

Maati hat sich zwar ebenfalls einen Platz in der Stadt Machi erobert und sich mit dem Dichter Cehmai angefreundet, leidet aber noch immer unter Schuldgefühlen, vor allem Nayiit gegenüber, dem er gern ein Vater gewesen wäre.

Nayiit, Liats Sohn, ist einer der Neuzugänge, gutmütig, charmant und freundlich und mit der besten Absicht, ein guter Mann zu sein. Aber er scheint bisher keinen Schimmer davon zu haben, was er sich für seine eigene Zukunft vorstellt. Andererseits hat er bereits Tatsachen geschaffen, er hat geheiratet und ein Kind gezeugt. Ganz offensichtlich hat er sein Leben nicht wirklich im Griff, ist ziellos und unreif.

Der wichtigste Charakter – neben Otah und Maati natürlich – ist Balasar Gice, ein galtischer General, der es sich zu Aufgabe gemacht hat, die Welt ein für alle Mal von den Andaten zu befreien. Er tut dies mit Gründlichkeit, Entschlossenheit und durchaus auch einer gewissen Gnadenlosigkeit, vor allem aber ausgesprochen nüchtern und sachlich, ohne jeden Fanatismus, Ehrgeiz oder Hass, nur aus der reinen Überzeugung heraus, dass das, was er tut, unumgänglich notwendig ist.

Daniel Abraham hat erneut bewiesen, dass er ein Händchen für Charakterzeichnung hat. Er hat diejenigen Personen, die von Anfang an dabei waren, weiterentwickelt, ohne dabei ihren ursprünglichen Entwurf so zu verändern, dass sie nicht mehr sie selbst sind. Alle seine Figuren, von den Neben- bis zu den Hauptrollen, sind frei von Klischees und wirken durch ihre Unsicherheiten, Gewissensbisse und Ängste jederzeit lebensecht und menschlich. Vor allem der General war ein großer Gewinn.

Faszinierend ist auch, dass Abrahams Geschichte noch immer völlig ohne echten Bösewicht auskommt. Die Galten mögen Gegner der magischen Städte sein, das sind sie aber hauptsächlich deshalb, weil sie sich durch die Macht der Andaten bedroht fühlen. Dafür gibt es gute Gründe, wie die Erinnerungen des Generals zeigen. Seltsamerweise gilt das umgekehrt genauso: Die Galten sind ein kriegerisches Volk mit einem schlagkräftigen Heer, das seit Jahrzehnten immer wieder mit seinen Nachbarn Krieg führt, und die magischen Städte fürchten, ohne den Schutz der Andaten von den Galten überrannt zu werden, was auch nicht so ganz von der Hand zu weisen ist. Diesen Konflikt, der letzten Endes in einen Krieg führt, hat Daniel Abraham gekonnt in Szene gesetzt. Die Kampfszenen hielten sich dabei eher in Grenzen, blutige Details und andere Grausamkeiten fehlen fast vollständig. Das Gewicht liegt eher darauf, wie die Menschen mit der Bedrohung oder mit dem Erlebten umgehen.

Das klingt jetzt vielleicht etwas fad, und tatsächlich kann ich nicht behaupten, dass ich beim Lesen feuchte Hände bekommen hätte. Aber dem Autor ist es gelungen, die Tatsache, dass der Gegenspieler des Helden eigentlich ein ganz patenter Mann ist, für sich zu nutzen. Denn am Ende geraten beide Seiten unter Druck, und der Leser weiß nicht so recht, ob er überhaupt jemandem, und wenn ja, wem nun den Sieg wünschen soll. Außerdem wäre da noch der Söldner Sinja, der auf seine Weise dafür sorgt, dass die Sache zunehmen spannend wird.

Überrascht hat mich, dass das Dokument, das im zweiten Band des Zyklus noch so wichtig zu sein schien, diesmal überhaupt nicht vorkam. Der Krieg des General Balasar Gice war offenbar eine ausgesprochen persönliche Angelegenheit, die zwar auf sein Betreiben hin vom galtischen Rat gebilligt und unterstützt wurde – irgendwoher musste er ja seine Soldaten nehmen – von den übrigen galtischen Intrigen aber unabhängig war. Das zeigt sich auch in der Durchführung, die Dimensionen von dem entfernt ist, was die Galten bisher an Unternehmungen auf die Beine gestellt haben.

Fragt sich nur, ob der galtische Rat mit dem Ergebnis zufrieden ist. Immerhin hatte er etwas andere Vorstellungen von der Zielsetzung dieses Feldzuges als sein General. Und da die phantastischen Elemente in diesem Zyklus bisher völlig auf die Andaten beschränkt waren, stellt sich auch die Frage, wie diese im letzten Band des Zyklus aussehen werden. Ich bin wirklich neugierig, wie die Sache ausgeht.

Daniel Abraham lebt mit Frau und Tochter in New Mexico. Bevor er seinen ersten Roman „Sommer der Zwietracht“ verfasste, hat er eine Vielzahl von Kurzgeschichten in Magazinen und Anthologien sowie den Kurzroman „Shadow Twin“ in Zusammenarbeit mit Gardner Dozois und George R. R. Martin veröffentlicht. Seine Kurzgeschichte „Flat Diane“ wurde für den Nebula Award nominiert. Der letzte Band des Zyklus Die magischen Städte, „The Price of Spring“, kommt im Juli 2009 in die amerikanischen Buchläden. Der Erscheinungstermin für die deutsche Übersetzung ist noch nicht bekannt.

509 Seiten, kartoniert
Originaltitel: An Autumn War (The Long Price Quartet 3)
Übersetzung: Andreas Heckmann
ISBN-13: 978-3-442-24448-5

http://www.danielabraham.com/
www.randomhouse.de/blanvalet

Der Autor vergibt: (4.0/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (1 Stimmen, Durchschnitt: 1,00 von 5)

Trudi Canavan – Magie

Tessia ist die Tochter eines Landarztes, und wenn es nach ihr ginge, dann würde sie selbst Heilerin werden. Doch dann stellt sich plötzlich heraus, dass Tessia ein Naturtalent ist: Sie besitzt Magie! Nun bleibt ihr nichts weiter übrig, als Magierin zu werden, doch die Heilkunst lässt sie trotzdem nicht los. Und das ist gar nicht so verkehrt.

Denn Kyralia treibt auf einen Krieg mit Sachaka zu. Das Nachbarland, das Kyralia schon einmal erobert hatte, steht vor dem Problem, dass in seiner Gesellschaft nur Landbesitzer etwas zählen. Und da es weit mehr Magier gibt als Land, werfen einige Landlose äußerst begehrliche Blicke gen Südwesten, ganz gegen den Willen des sachakanischen Kaisers.

Der drohende Krieg beschäftigt Stara zunächst nur wenig. Das junge Mädchen, das in Elyne aufgewachsen ist, hat vor allem Schwierigkeiten mit der Sklavengesellschaft Sachakas. Als sie feststellen muss, dass ihr Vater sie nur zu sich gerufen hat, um sie zu seinem eigenen Vorteil zu verheiraten, ist sie zutiefst verletzt und enttäuscht und ergreift die erste Gelegenheit, die ihr geboten wird, um sich gegen das System zu wenden …

Die Handlung teilt sich also unübersehbar in zwei Stränge: Für den kleineren Handlungsstrang ist im Grunde nur Stara wirklich wichtig. Stara ist Halbsachakanerin und eine echte Schönheit. Aber sie ist auch intelligent, einfallsreich und tüchtig, was zu ihrem Kummer in Sachaka niemanden interessiert. Außerdem hat sie in Elyne von einer Freundin heimlich die niedere Magie erlernt, in Sachaka ebenfalls kein Bonuspunkt, sondern eher ein Makel.

Der größere Handlungsstrang bietet deutlich mehr Personen. Tessia ist klug und lernwillig, vor allem aber mitfühlend und hilfsbereit. Und sie macht keine halben Sachen. Da sie nun mal von ihrem Vater so viel über Krankheiten und deren Behandlung gelernt hat, ist sie auch willens, diese Kenntnisse anzuwenden. Gleichzeitig ist sie aber auch neugierig und einfühlsam genug, um sich erfolgreich auf ein neues Gebiet vorzutasten: Tessia will die Magie mit der Heilkunst verknüpfen.

Ihre Hartnäckigkeit in dieser Hinsicht beeindruckt letztlich sogar Jayan. Der etwas überhebliche junge Meisterschüler aus einem städtischen Adelsgeschlecht ist zunächst gar nicht erbaut davon, dass er seine Lehrzeit nun mit einer Anfängerin teilen muss, die ihn nur aufhält. Der drohende Krieg mit Sachaka sorgt allerdings nur zu bald dafür, dass er seine Meinung über Tessia ändert.

Takado, der sachakanische Magier, der den Krieg letztlich ins Rollen gebracht hat, ist ein stolzer Mann. Dass Sachaka Kyralia und Elyne einst in die Unabhängigkeit entlassen hat, empfindet er als Schmach, die Weigerung seines Kaisers als Schwäche. Takado ist klug, ein guter Stratege und eine charismatische Persönlichkeit. Er ist sich sicher, dass es ihm gelingen wird, Kyralia zu erobern, also versucht er es eben auf eigene Faust.

Und dann wäre da noch Narvelan, ein junger Magier und Nachbar von Tessias und Jayans Lehrmeister Dakon. Narvelan ist vor allem deshalb erwähnenswert, weil sein Charakter sich im Laufe der Geschichte am gravierendsten wandelt, als ein Beispiel dafür, was Krieg aus einem Menschen machen kann. Wobei das nicht ganz passend ausgedrückt ist, denn das, was aus Narvelan wird, ist von Anfang an in seiner Persönlichkeit angelegt, und doch hätte er ohne den Krieg der fröhliche und unbeschwerte junge Mann bleiben können, der er ursprünglich war.

„Magie“ ist das Prequel zum Zyklus Die Gilde der schwarzen Magier, doch obwohl es schon eine ganze Weile her ist, dass ich diesen Zyklus gelesen habe, empfand ich die Charakterzeichnung in diesem neuen Roman gelungener als die im Zyklus. Das gilt vielleicht nicht unbedingt für Stara, deren Geschichte hauptsächlich dazu zu dienen scheint, die sachakanische Gesellschaft etwas genauer zu beleuchten, aber immerhin hat sie ihr Selbstbewusstsein im wesentlich offeneren und freieren Klima des Nachbarlandes Elyne entwickelt, nicht in Sachaka. Auch Tessias Persönlichkeit ist dadurch, dass sie sich als Frau gegen die Regeln einer Männergesellschaft stemmt, ein wenig in einer derzeit modernen Schiene gefangen, was aber dadurch gemildert wird, dass sie in der Stadt eine Gleichgesinnte trifft. Jayans Charakter dagegen hat sich wesentlich glaubwürdiger entwickelt als Regins im zweiten Band des Zyklus, und die Person Narvelans ist einfach nur tragisch, im positiven Sinne. Interessant fand ich vor allem die Darstellung Takados, denn jegliche Schilderung dieses Mannes geschieht aus der Sicht seines Sklaven. Auf diese Weise erklärt sich auch ein großer Teil der sachakanischen Kultur, zum Beispiel die Frage, warum nahezu alle Sklaven ihren Herren so treu ergeben sind, anstatt einfach eine Revolte anzuzetteln.

Darin, wie schwer sich die Charakterzeichnung von der Darstellung des gesellschaftlichen Hintergrunds, also vom Entwurf der Welt als solcher, trennen lässt, zeigt sich bereits, wie eng Trudi Canavan die einzelnen Teile ihrer Geschichte miteinander verwoben hat.

Den Handlungsverlauf des Hauptstrangs lässt die Autorin eher langsam angehen. Zunächst widmet sie sich der Einführung ihrer Charaktere und auch kurz dem Kontrast zwischen Stadt und Land, ehe sie zur Sache kommt. Und auch als der Konflikt bereits im Gange ist, tut sich zunächst nicht viel. Takado lässt sich Zeit. Und die Kyralier auch. Überhaupt hinken die Kyralier den Sachakanern zunächst ständig hinterher, selbst als längst klar ist, dass Sachaka tatsächlich Kyralia erobern will. Das ist natürlich auch ein wenig Taktik der Autorin, und sie geht auf.

Je näher die Sachakaner der Hauptstadt Imardin kommen, desto schlechter stehen die Karten für Kyralia, und der Ausgang der diversen Schlachten tut sein Übriges. Das sorgt gegen Ende durchaus für Spannung. Wobei „Ende“ relativ ist, denn die Entscheidungsschlacht kam erstaunlich früh. Aber schließlich handelt es sich um ein Prequel, also hat die Autorin das Buch weit genug geführt, um zu erklären, wie es zur Ausgangssituation im Zyklus kam. Und das ist ihr gelungen, ohne den Leser in ein Loch fallen zu lassen. Der Teil nach der Entscheidungsschlacht ist weder langweilig noch überflüssig, es gibt immer noch genug Probleme zu bewältigen, wenn auch ganz anderer Art, und ohne diesen Teil wären eine Menge Fäden einfach in der Luft hängen geblieben.

Der zweite Handlungsstrang setzt erst im zweiten Teil des Buches ein. Er liefert die Informationen, die nötig sind, um den Verlauf der Ereignisse nach der Entscheidungsschlacht zu verstehen, ist aber mit dem Hauptstrang kaum verbunden und hat auch kaum Auswirkungen auf dessen Verlauf. Allein Jayans Verletzung, die aus der kurzen Berührung der beiden Stränge resultiert, bewirkt eine Veränderung, die sonst nicht eingetreten wäre. Es sei denn natürlich, Trudi Canavan hätte die Absicht, das Ende des kleineren Handlungsteils mit in das Sequel einfließen zu lassen, an dem sie im Augenblick schreibt, sozusagen als Langzeitwirkung. Ich zumindest würde das begrüßen, denn sie hat da einige vielversprechende Ideen angedeutet.

„Magie“ selbst ist allerdings ein eigenständiger Roman, der unabhängig von dem Zyklus gelesen werden kann, dessen Vorgeschichte er erzählt.

Bleibt zu sagen, dass Trudi Canavan sich gesteigert hat. Die Gilde der schwarzen Magier fand ich ja schon nicht schlecht, aber „Magie“ hat mir noch besser gefallen. Das Mittelfeld dürfte die Autorin damit hinter sich gelassen haben. Ich bin jetzt schon gespannt auf ihre neue Trilogie.

Trudy Canavan stammt aus Australien, wo sie nach einem Studium am Melbourne College of Decoration als Designerin, Illustratorin und Kartenzeichnerin für verschiedene Verlage tätig war, ehe sie zu schreiben begann. 1999 gewann sie mit ihrer Kurzgeschichte „Whispers of the Mist Children“ den Aurealis Award for Best Fantasy Short Story. 2001 erschien dann ihr erster Roman, der erste Band der Trilogie Die Gilde der schwarzen Magier. Ihre Trilogie Das Zeitalter der Fünf ist inzwischen ebenfalls auf Deutsch erhältlich. The Traitor Syp Trilogy, die Fortsetzung zu Die Gilde der schwarzen Magier, ist derzeit noch in Arbeit.

Gebundenes Buch mit Schutzumschlag, 736 Seiten
Originaltitel: The Magician’s Apprentice
Deutsch von Michaela Link
ISBN-13: 978-3-7645-3037-2

´ http://www.trudicanavan.com/
http://www.randomhouse.de/penhaligon/index.jsp

Der Autor vergibt: (4.5/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (1 Stimmen, Durchschnitt: 5,00 von 5)

Fink, Torsten – Diebin, Die (Die Tochter des Magiers 1)

_Maru ist eine Sklavin_, schon seit sie denken kann, ihre Eltern hat sie nicht gekannt. Früher hat sie in Budinien gelebt, aber jetzt befindet sie sich zusammen mit anderen Sklaven auf einem Boot des Händlers Atib. Und dieser Atib verkauft sie weiter an einen Mann namens Tasil.

Dieses Ereignis bedeutet für Maru ein völlig neues Leben. Denn Tasil will sie nicht als Küchenmagd oder Feldarbeiterin, er will sie als Gehilfin. Dumm nur, dass Tasils Geschäfte offenbar nicht ganz sauber sind. Maru gerät von einer Gefahr in die nächste, und eine ist größer als die andere …

_Tosten Finks Geschichte_ ist von Charakteren bevölkert, die faszinierend, aber nicht unbedingt sympatisch sind.

Da wäre zum Beispiel Prinz Numur, der sich mit seinem Zwillingsbruder Iddun um die Nachfolge seines gerade verstorbenen Vaters streitet. Ein eitler, rücksichtsloser und ehrgeiziger Kerl, dem so ziemlich alles fehlt, was einen guten Regenten ausmachen sollte.

Unterstützt wird er vom Hohepriester des Kriegsgottes, einem verbohrten, blindwütigen Mann, der Prinz Numur benutzt, um einen Krieg vom Zaun zu brechen. Dabei scheint es ihm gleichgültig zu sein, ob seine eigene Seite den Krieg gewinnt oder nicht, Hauptsache, es gibt genug Opfer für seinen blutgierigen Gott!

Der Immit – eine Art Wesir -, den der oberste Herrscher schickt, um den Streit um das Fürstentum zu schlichten, ist zwar ein mächtiger und intelligenter Mann, der sich von niemandem etwas vormachen lässt, aber es scheint ihm Spaß zu machen, mit den Leuten zu spielen, mit denen er zu tun hat. Außerdem ist er selbst durchaus nicht frei von Ehrgeiz.

Am undurchsichtigsten ist seine Frau Umati, eine junge Schönheit, deren Schmuck mehr ist als Schmuck, und die bedenkenlos alle beiseite räumt, die ihren Zielen im Weg stehen. Ob ihre Ziele dieselben sind wie die ihres Mannes, darüber lässt sich rätseln, aber selbst wenn, war ich mir nicht sicher, inwiefern ihr Tun dem dienlich sein sollte. Das macht die Frau geheimnisvoll, aber nicht unbedingt sympatisch.

Am schlimmsten jedoch war Tasil. Der Mann gibt sich als Händler aus, dabei ist er alles mögliche, nur nicht Händler. Zugegeben, er ist gerissen, aber auch ein ungeheuerlicher Lügner und Betrüger, ein eigensüchtiger, gewissenloser Intrigant, der aus allem seinen Vorteil zu schlagen versucht und bereit ist, alles und jeden dafür zu opfern. Ich mochte Tasil nicht und wartete die ganze Zeit darauf, dass es ihn erwischt oder Maru zumindest irgendwie von ihm loskommt.

Maru ist die einzige Ausnahme in diesem Haufen von gierigen Halsabschneidern. Sie ist klug und anpassungsfähig, aber sie empfindet auch Mitgefühl für andere, Abscheu vor Tasils Tun und natürlich auch Angst. Obgleich sie sich dessen bewusst ist, dass Tasil sie nur benutzt, scheint sie ihn fast ein wenig zu mögen. Das wunderte mich schon ziemlich, andererseits ist Tasil nicht direkt grausam oder unfreundlich zu ihr, und schließlich gibt es sonst nirgendwo einen Platz für sie.

So war Maru letztlich die einzige, wirkliche Sympathieträgerin der Geschichte, denn der Bruder von Prinz Numur, der dafür vielleicht ebenfalls noch in Frage gekommen wäre, spielt leider nur eine winzige Nebenrolle. Trotzdem fand ich die Charakterzeichnung hervorragend. Den Typus des eingebildeten Prinzen und seines skrupellosen Beraters gab es ja schon oft, aber selbst diese beiden wirken nicht wie Klischees. Vielleicht deshalb, weil sie sich von Tasil beschwatzen lassen. Denn obwohl das Buch eigentlich Marus Geschichte erzählt, ist doch Tasil ihr Dreh- und Angelpunkt. Ein Gauner dieses Formats ist mir bisher wirklich selten begegnet, nicht nur, weil sein Tun das Ausmaß gnadenloser Unverfrorenheit besitzt, sondern auch, weil sich in seinem Fall nicht, wie so oft, am Ende herausgestellt hat, dass der Kerl eigentlich gar nicht so übel ist. Torsten Fink ist konsequent geblieben, und das war gut so.

_Da Tasil die Handlung derart dominiert_, fehlt es der Erzählung gänzlich an epischer Breite. Nahezu alles spielt sich in der Stadt Serkesch ab. Es gibt keine Reise quer durch den Kontinent auf der Suche nach irgendetwas oder jemandem, es gibt keine Prophezeiung, keine übermächtige Bedrohung von außen. Stattdessen wird der Leser Zeuge davon, wie ein Mann einen Konflikt nutzt, um sich zu bereichern, und dabei alle Beteiligten in den Ruin treibt. Dass die Mächtigen der Stadt Tasils Einflüsterungen folgen, obwohl sie ihn eigentlich von Anfang an durchschaut haben – mit Ausnahme vielleicht von Iddun -, zeigt nur, mit welcher Skrupellosigkeit sie ihre Ziele verfolgen und welcher Mittel sie bereit sind sich zu bedienen. Man kann also beruhigt sagen, dass sie jemanden wie Tasil verdient haben.

Am Ende blieb bei mir der Eindruck zurück, Zeuge einer sehr schmutzigen und erbärmlichen Schlammschlacht geworden zu sein. Gäbe es nicht ein paar Leute mit magischen Gaben, könnte die Geschichte glatt in der Realität spielen, und ich hätte das Buch am Ende weggelegt, erleichtert, dass es zu Ende ist, und ohne den Wunsch, eine Fortsetzung zu lesen.

Tatsächlich jedoch habe ich den Wunsch, die Fortsetzung zu lesen. Denn am Ende bleiben eine Menge Fragen offen, die mit einer gewissen Beiläufigkeit nach und nach aufgetaucht sind. Diese Beiläufigkeit hat ihren Ursprung darin, dass der Autor – zugunsten der von Tasils Tun dominierten Handlung – mit fantastischen Details ausgesprochen sparsam war. Tasil beherrscht offenbar ein wenig Magie, seine Fähigkeiten scheinen allerdings ziemlich begrenzt. Aber auch die Macht der Zauberer scheint in dieser Welt nicht übermäßig groß. Zwar werden sie als mächtig beschrieben, offenbar können sie aber keinen wirklichen Einfluss auf die Realität nehmen, sondern nur Illusionen erschaffen, die dann allerdings mächtig genug sind, um zu töten. Außer den Zauberern und Tasil besitzt nur Maru Magie, denn sie durchschaut die Illusion eines Zauberers. Dem Zauberer ist das bereits aufgefallen, und auch Tasil hat einen entsprechenden Verdacht.

Welche Folgen das für Maru künftig haben wird, aber auch, wie es kommt, dass Tasil magische Fähigkeiten besitzt, obwohl er kein Zauberer ist, und was es mit dem Daimon Utukku auf sich hat oder mit dem Krabbelgetier, das sich plötzlich in gelbe Schmetterlinge verwandelt hat, all das sorgt dafür, dass das Interesse des Lesers an der Geschichte erhalten bleibt.

_Alles in allem_ kann man das Buch nur als sehr gut bezeichnen. Wen es nicht stört, dass er es nahezu ausschließlich mit Charakterschweinen zu tun hat, dem wird es niemals langweilig werden, denn Tasils dreiste Winkelzüge steigern sich ständig, wie bei einem Jongleur, der stetig weitere Bälle dazunimmt, und die Aussagen des blinden Geschichtenerzählers ebenso wie die des Daimons Utukku geben immer neue Rätsel auf. Ein wenig Geduld braucht man, bis man sich eingelesen hat, denn der Autor verwendet eine Menge eigener Wortschöpfungen, die selbst mit Glossar zunächst ein wenig für Verwirrung sorgen, aber das legt sich, und schließlich tragen diese Andeutungen einer eigenen Sprache ein wenig zu dem eher bescheidenen Hauch von fremdem Flair bei, den der Autor seinem Werk hat angedeihen lassen. Wer mit geringer Ausschmückung und mäßiger Action zufrieden ist, der kann hier durchaus auf seine Kosten kommen.

_Torsten Fink_ war Journalist und Texter, unter anderem für literarisches Kabarett, ehe er 2008 sein erstes Buch „Die Insel der Dämonen“ veröffentlichte. Er lebt und arbeitet in Mainz. „Die Diebin“ ist der erste Band seines dreiteiligen Zyklus |Die Tochter des Magiers|. Der zweite Band mit dem Titel „Die Gefährtin“ ist ebenfalls bereits erschienen.

|413 Seiten, kartoniert
ISBN-13: 978-3-442-26631-9|
http://www.blanvalet-verlag.de

Kern, Claudia – Verrat (Der verwaiste Thron 2)

Band 1: [„Sturm“ 5299

_Nach dem_, was Ana am Ende des ersten Bandes über Jonan erfahren hat, ist sie entsetzt und enttäuscht davongelaufen. Aber obwohl sie furchtbar wütend auf ihren Leibwächter ist, fühlt sie sich ohne ihn auch unsicher und verlassen. Und tatsächlich dauert es nicht lange, und sie gerät in Schwierigkeiten …

Gerit hat ein Gespräch zwischen Schwarzauge und seinem General Korvellan belauscht, das ihm zu denken gibt. Als das Heer der Nachtschatten aufbricht, um weiter nach Süden zu marschieren, setzt Gerit sich von der Truppe ab. Allerdings muss er nur allzu bald feststellen, dass er nach der Schlacht zwischen Baldericks Heer und den Nachtschatten bei den Menschen nicht mehr gern gesehen ist. Schließlich fasst er einen Entschluss und macht sich zurück auf den Weg nach Norden …

Craymorus hat sich von Fürstin Syrahs Zofe Mellie völlig um den Finger wickeln und in eine Erpressung verwickeln lassen. Die feinen Anzeichen dafür, dass Mellie mehr zu sein scheint als eine einfach Zofe, übersieht er lieber.
König Cascyr dagegen fühlt sich von Craymorus auf den Schlips getreten und verlässt Westfall. Was nicht heißen soll, daß er seine ehrgeizigen Pläne aufgegeben hätte …

_Was die Charakterzeichnung betrifft_, hat sich nicht viel getan. Die Neuzugänge sind nicht mehr als Randpersonen.

Einzige Ausnahme ist Erys, die ehemalige Sklavin und Geliebte des Roten Königs. Jetzt ist sie die Anführerin von einem Haufen Amazonen, stolz, zielstrebig, aber geheimniskrämerisch und auch ein wenig kaltschnäuzig. Echte Tiefe fehlt aber auch dieser Figur bisher noch, mit Mitteilungen über ihre Vergangenheit ist sie mindestens so sparsam wie mit denen über ihre Absichten und Pläne. Und ich bin mir nicht sicher, ob sie ganz ehrlich ist.

Bei den bisherigen Personen bleibt alles beim Alten, abgesehen davon vielleicht, dass Gerit und Ana versuchen, mehr auf eigenen Füßen zu stehen.

Dasselbe lässt sich auch über die vielen Rätsel sagen, die die Autorin dem Leser bereits im ersten Band aufgegeben hat. Es gab keinerlei neue Informationen über die Ereignisse der Vergangenheit, weder über den Krieg gegen den Roten König, noch über die Vorangegangenen. Zwar ist ein kleiner Teil von Jonans Geheimnissen gelüftet worden, dafür fragte ich mich umso mehr, was eigentlich der rätselhafte Priester Daneel bezweckt. Er hat die Nachtschatten als Gaukler verkleidet in die Festung Sommerstorm gebracht. Er hat versucht, Ana zu beeinflussen und diesmal hat er sich an Schwarzklaue herangemacht. Aber bisher hat es nicht einmal Andeutungen darüber gegeben, welches Ziel Daneel verfolgt. Auch Korvellans Verhalten mutet seltsam an. Er wirkt nicht wie ein Feind der Menschen, weder Gerit noch Craymorus noch Jonan gegenüber. Aber warum hat er dann die Nachtschatten zum Krieg aufgestachelt? Je weiter der Leser kommt, desto mehr hat er das Gefühl, dass der eigentliche Knoten des Plots bisher noch unter der Oberfläche verborgen liegt!

_Der Handlungsverlauf_ dagegen ist diesmal schwer zu beschreiben. Auf den ersten Blick hat sich nicht viel getan: Die Nachtschatten wollen noch immer den Süden erobern, Ana will noch immer Westfall erreichen, und Cascyr noch immer die Herrschaft über alle Provinzen an sich reißen. Aber die Personenkonstellation hat sich stark verändert.

Gerit hat das Heer der Nachtschatten verlassen, und Korvellan folgt ihm, um ihn zurückzuholen. Infolgedessen verlieren die Nachtschatten jegliche Disziplin, und Schwarzklaue gerät unter den Einfluss von Daneel.

Jonan hat Ana aus den Augen verloren und versucht, nach Westfall zu gelangen, weil er weiß, dass sie dorthin will. Ana hat tatsächlich versucht, mit Erys Hilfe Westfall zu erreichen, ist aber letztlich ganz woanders gelandet.

Es ist, als hätte die Autorin Zettel mit den Namen ihrer Figuren beschriftet, sie alle in einen Hut geworfen, feste geschüttelt, und sie dann paarweise wieder herausgezogen.

Tatsächlich ist sie wahrscheinlich etwas planvoller vorgegangen. Dennoch beschlich mich am Ende ein wenig das Gefühl, dass eigentlich gar nichts passiert ist. Die Leute haben sich ein wenig über den Kontinent bewegt und dabei die Gesellschaft gewechselt, aber alles Übrige – die vielen Rätsel und Geheimnisse, die Geschichte des Kontinents – ist keinen Schritt vorangekommen. Bestenfalls haben sich noch ein paar neue dazugesellt.

Dabei kann ich eigentlich nicht sagen, dass ich mich gelangweilt hätte. Die Autorin schreibt angenehm und flüssig, und es ist ja immer etwas los, von dem Überfall auf Ana über Craymorus‘ unwillige Intrige gegen Syrah bis hin zu den diversen Scharmützeln und Angriffen der Nachtschatten nach Korvellans Weggang. Wirklich spannend wollte es aber nicht werden, und der Rest entwickelte sich einfach zu langsam, um die fehlende Spannung völlig auszugleichen. So war das Buch zwar nette Lektüre, aber letztlich ein klein wenig unbefriedigend. Hoffentlich tut sich da im nächsten Band wieder ein wenig mehr.

_Claudia Kern_ lebt in Bonn und ist in vielen Bereichen tätig. Unter anderem ist sie Mitbegründerin von |Space View|, war Serienredakteurin beim Fernsehen, schreibt für Computerspiele und arbeitet als Übersetzerin. Auch für Conventions ist sie tätig, zum Beispiel für |FedCon|. Der nächste Band ihres Zyklus |Der verwaiste Thron| erscheint im August dieses Jahres unter dem Titel „Rache“.

|408 Seiten, kartoniert
ISBN-13: 978-3-442-24421-8|
http://www.claudiakern.com
http://www.blanvalet-verlag.de

_Außerdem von Claudia Kern auf |Buchwurm.info|:_
[„Anno 1701: Kampf um Roderrenge“ 4436
[„S.T.A.L.K.E.R. – Shadow of Chernobyl, Bd. 1: Todeszone“ 3555