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Briggs, Patricia – Schatten des Wolfes (Alpha & Omega 1)

Patricia Briggs ist in Deutschland bislang vor allem für ihre Mercy-Thompson-Reihe bekannt, in deren Mittelpunkt eine toughe junge Frau steht, die sich in einen Schakal verwandeln kann und beständig mit ihren Werwolfnachbarn aneinander gerät. Mit „Schatten des Wolfes“ startet die Autorin eine neue Reihe bei |Heyne|. Im Mittelpunkt von „Alpha und Omega“ steht erneut eine ungewöhnliche Außenseiterin.

_Anna ist eine Werwölfin_, aber keine gewöhnliche. Sie ist eine so genannte Omega. Sie unterscheidet sich insofern von anderen unterwürfigen Wölfen, als dass sie der Befehlsgewalt, die ein Alphawolf über sein Rudel hat, nicht gehorcht. Seine Macht gleitet an ihr ab, während sie gleichzeitig eine beruhigende, neutralisierende Wirkung auf jeden Menschen und Werwolf in ihrem Umfeld hat.

Sie selbst ist jedoch fest davon überzeugt, dass „Omega“ zu sein bedeutet, dass jeder sie ausnutzen und erniedrigen darf. Leo, der Alpha ihres Rudels, hat ihr dies jedenfalls vermittelt. Als sie bemerkt, dass in ihrer Heimat Chicago seltsame Dinge geschehen die mit den Wölfen zusammenhängen, ruft sie Bran an, den Marrok von Amerika. Er ist der Oberwolf und es ist seine Aufgabe, dafür zu sorgen, dass die Rudel sich benehmen und nicht von den Menschen entdeckt werden. Bran schickt ihr seinen Sohn Charles, der helfen soll, Annas durchtriebenem Alpha Leo und seinem Rudel das Handwerk zu legen.

Er nimmt die völlig verängstigte Anna unter seine Fittiche und erklärt ihr, was ein Omega eigentlich ist. Ehe er sich versieht, hat sich sein „Bruder Wolf“ in Anna verliebt und er nimmt sie mit zurück nach Montana. Anna fällt es schwer, Charles zu vertrauen, aber sie bleibt bei ihm. Als das Gerücht herum geht, dass ein Ungeheuer in den Bergen unterwegs ist und wahllos Wanderer angreift, machen sich die beiden auf, um es zu stellen. Doch sie haben nicht damit gerechnet, dass das Untier, das sie finden, eigentlich gar keins ist …

_Die Autorin_ scheint ein Faible für Werwölfe zu haben. Sie spielen in den Mercy-Thompson-Büchern eine große Rolle und hier stehen sie sogar im Mittelpunkt. Tatsächlich haben wir es mit der gleichen Welt zu tun. Figuren wie Bran, Charles oder Samuel kennt der Fan bereits aus den Mercy-Büchern und die Schakalin selbst wird immerhin namentlich genannt. Darüber hinaus muss man auch in diesem Buch Briggs‘ tolle Fantasiewelt loben. Die Art und Weise, wie sie das gesellschaftliche Leben der Werwölfe regelt und dabei in den Alltag des normalen Amerikas einfügt, ist einzigartig und sucht seines Gleichen. Angenehm ist auch, dass sie sich auf diese eine Spezies konzentriert und anders als beispielsweise ihre Kollegin Kim Harrison kein Feuerwerk von Fantasy-Wesen zündet.

Das wiederholt sie bei der Handlung leider nicht. Diese splittet sich in der deutschen Übersetzung in zwei Teile auf. Der erste Teil mit dem Titel „Alpha und Omega“ beschreibt den Beginn der Liebe zwischen Charles und Anna und hat eine eigene kleine Handlung. Es stellt sich die Frage, wieso diese Bonusgeschichte nicht zur eigentlichen Geschichte gehört, denn immerhin stellt sie einen wichtigen Teil dar und erklärt einiges. Der eigentliche Roman setzt sich dann aus einer halbgaren Mischung aus Romanze, Abenteuer, Fantasy und Thriller zusammen. Dadurch, dass keiner der Handlungsstränge wirklich im Vordergrund steht, bleibt die Spannung auf der Strecke. Einzig das Zwischenmenschliche ist halbwegs kontinuierlich. Da Anna und Charles, die beiden Hauptfiguren, schön ausgearbeitet und interessant sind, wird dadurch viel wieder wett gemacht.

Hinzu kommt, dass Patricia Briggs durchaus gut schreiben kann. Sie schildert ihre Welt und die Figuren darin anschaulich und lebendig. Dem Leser ist stets präsent, dass die Menschen nicht nur Menschen, sondern gleichzeitig auch Werwölfe sind. Sie benehmen sich zwar nicht unmenschlich, aber ein wenig anders und dieses „wenig“ weiß die Autorin perfekt aufzuzeigen. Ab und an verwendet sie einen leichten Humor oder beschreibt die Gefühle eines der Erzähler ausführlich. Insgesamt beschränkt sie sich aber auf einen geradlinigen, die Handlung unterstützenden Stil.

_“Schatten des Wolfes“_ ist der gute Beginn einer neuen Serie. Während Hintergrundkulisse, Figuren und Schreibstil bereits jetzt sehr stark sind, sollte die Autorin an der Art und Weise, wie sie eine Handlung aufbaut, noch feilen. Wirklich spannend ist die Geschichte nicht, doch Fans von Mercy Thompson werden sich freuen, Bran und sein Rudel einmal aus einer anderen Perspektive zu sehen.

|Originaltitel: Cry Wolf (Alpha and Omega 1)
Aus dem amerikanischen Englisch von Regina Winter
491 Seiten, Taschenbuch
ISBN-13: 978-3453525405|
http://www.heyne.de
[„Webauftritt der Autorin“]http://www.patriciabriggs.com

_Patricia Briggs bei |buchwurm.info|:_
[„Drachenzauber“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=3933
[„Rabenzauber“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=4943
[„Ruf des Mondes“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=4490
[„Bann des Blutes“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=5091

Hutchinson, Andrew – Rohypnol

Rohypnol, die „Vergewaltigungsdroge“, ist ein gern gesehener Aufreger in gewissen Boulevardzeitungen. Das auch als Flunitrazepam oder Roofies bekannte Medikament ist eigentlich ein Schlafmittel, wird aber auch als Droge benutzt. Da es in Kombination mit Alkohol zu Gedächtnislücken führen kann und die User mehr oder weniger willenlos macht, gibt es immer häufiger Fälle, in denen junge Mädchen mit Rohypnol betäubt und anschließend vergewaltigt werden. Am nächsten Tag wissen sie nicht mehr, was mit ihnen passiert ist, so dass eine strafrechtliche Verfolgung schwierig ist.

_Der Australier_ Andrew Hutchinson beschreibt in seinem Debütroman „Rohypnol“ das Horrorszenario einer Jungenbande, die sich ihren Kick holt, indem sie Mädchen mit Roofies gefügig machen und dann brutal vergewaltigen. Sein Verdienst ist, dass er das Buch nicht zu einer einzigen Brutalo-Nummer verkommen lässt, sondern auch einen Blick hinter die Kulissen, in die Gehirne der Vergewaltiger, zulässt.

_Der namenlose Ich-Erzähler_ wird von seinen Eltern auf eine teure Privatschule geschickt, in der Hoffnung, dass sich dort seine Noten und sein Benehmen bessern. Doch das Gegenteil ist der Fall. Bereits nach kurzer Zeit freundet er sich mit dem cleveren Thorley an, der in seinem Appartement ein Drogenlabor betreibt und einen Kopf voller blöder Ideen hat. Einen ersten Vorgeschmack bekommt der Ich-Erzähler, als Thorley ihm vorschlägt, die Chemielehrerin Mrs. Arthur, die mit ihrem sadistischen Englischlehrer verheiratet ist, zu verführen, um Mr. Arthur einen Dämpfer zu verpassen.

Der Ich-Erzähler ist fasziniert von Thorleys Unerschrockenheit und Skrupellosigkeit. Er schließt sich dem seltsamen Jungen an und beginnt zusammen mit den anderen Mitgliedern von Thorleys Gang nachts durch die Clubs zu ziehen. Von seinen Eltern entfremdet er sich immer mehr. Seinen hart arbeitenden Vater bekommt er kaum noch zu Gesicht, seine Mutter spricht er nur noch am Telefon. Bald zieht er ganz bei Thorley ein und sucht seinen Kick mithilfe von Pillen, Alkohol und den regelmäßigen Vergewaltigungen. Bis Troy, der Anabolikaprotz in der Truppe, eines Tages Mist baut …

_Reiche, gelangweilte Kids_, die ihre Zeit mit Drogen, Gewalt und Sex totschlagen – wirklich neu ist Hutchinsons Idee nicht. Er schlägt in die gleiche Kerbe wie Bret Easton Ellis mit „Unter Null“ oder Nick McDonell mit „Zwölf“. Während des Lesens hat man häufig das Gefühl, etwas ähnliches schon einmal in einem anderen Buch gesehen zu haben. Das Rohypnol fügt der Geschichte zwar noch eine krassere Nuance hinzu, weil es nicht nur um Selbstzerstörung mit Hilfe von Drogen geht, sondern auch um rohe Gewalt, aber das kann über Mängel in der Umsetzung nicht hinweg täuschen.

Der Roman ist geprägt durch Zeitsprünge, kurze Kapitel und kryptische Andeutungen, die später aufgeschlüsselt werden. Dass dabei keine Spannung aufkommt, hängt damit zusammen, dass die Handlung selbst nicht besonders interessant ist. Sie lebt nicht durch Aktion, sondern durch die Beschreibung seltsamer Drogenerlebnisse, brutaler Schlägereien und natürlich der Vergewaltigungen, die vorher taktisch geplant werden. Um das Bild einer völlig unmoralischen Jugend zu zeichnen reicht dieses Vorgehen, aber für eine spannende Geschichte nicht.

Dabei zeigt Hutchinson durchaus, dass er das Zeug zu einem wirklich guten Autor hätte. Sein Schreibstil ist dicht und flüssig, manchmal schockierend offen, häufig schmerzhaft gefühllos. Er schafft es, die widersprüchlichen Gefühle seiner Hauptperson gut zu transportieren. Seine Dialoge wirken authentisch, die Beschreibungen der Abenteuer der Gang sind nachvollziehbar. Der Tonfall ist flapsig, da aus der Ich-Perspektive erzählt wird, aber er ist nicht nachlässig. Im Gegenteil verleiht er dem Buch Aktualität und auch Authentizität.

Der Ich-Erzähler selbst ist nicht der strahlende Stern in der Gang, sondern lange Zeit hauptsächlich ein Mitläufer. Verwirrend ist, dass in die eigentliche Geschichte Sequenzen aus der Gegenwart eingeflochten sind, in denen der Erzähler behauptet, ein schlechter Mensch zu sein. Nun wird das in der Handlung aber nicht wirklich ersichtlich, frühestens am Schluss. Diese Abschnitte wirken deshalb merkwürdig überzogen. Auch eingestreute Textstücke, die mehr wie Songtexte wütender Punksongs wirken, sind etwas deplatziert. In der Summe ist es schwierig, den Erzähler in seiner Persönlichkeit zu erfassen. Das macht ihn auf der anderen Seite interessant und führt dazu, dass man das Buch vielleicht ein zweites Mal liest, um ihn besser zu verstehen. Auf der anderen Seite hat man aber auch das Gefühl, dass der Autor sich selbst nicht so ganz sicher war, wie er seinen Erzähler eigentlich gestalten will.

_Andrew Hutchinson_ hatte mit diesem Buch gute Intentionen, wie er sie in einem Nachwort veranschaulicht. Allerdings hakt es bei der Ausarbeitung. „Rohypnol“ bietet schlicht und ergreifend nur wenig Neues in diesem Genre. Der Schreibstil ist zwar gut, aber die Handlung und auch die Figur des Erzählers sind verbesserungswürdig.

|Originaltitel: Rohypnol
Aus dem Englischen von Simone Salitter und Gunter Blank
287 Seiten, Taschenbuch
ISBN-13: 978-3-453-67567-4|
http://www.heyne-hardcore.de
[„Myspace-Seite des Autors“]http://www.myspace.com/hutchinsona

Gardiner, Meg – Strafe, Die

Für „Die Beichte“, den ersten Thriller mit der forensischen Psychiaterin Jo Beckett, hat die Autorin Meg Gardiner viel Lob eingeheimst. Mit „Die Strafe“ hofft sie diesen Erfolg wiederholen zu können – was ihr im Großen und Ganzen auch gelingen dürfte.

_Jo Beckett_ wird eines Tages zum Flughafen gerufen. Ein Passagier gebärdet sich wie wild in einer gelandeten Maschine. Nachdem er noch im Flug versucht hat, den Notausgang zu öffnen, hat er sich im Klo verbarrikadiert und verhält sich äußerst aggressiv. Als Jo dazu kommt, tut er so, als ob nichts geschehen wäre. Wenig später hat er einen Anfall und bereits im Krankenwagen kann Jo die Diagnose stellen: Ian Kanan leidet an anterograder Amnesie. Während seine Erinnerungen unangetastet bleiben, hat eine Gehirnverletzung sein Kurzzeitgedächtnis außer Betrieb gesetzt. Er vergisst alle fünf Minuten das, was gerade passiert ist.

Woher diese Gehirnverletzung stammt, kann Kanan nicht erklären. Er arbeitete als Aufpasser für Firmenmitarbeiter im Ausland und war gerade in Südafrika auf Mission, wo anscheinend etwas schief gelaufen ist, wie Jo rekonstruiert. Das Einzige, was Kanan im Gedächtnis geblieben ist, ist die Entführung seiner Familie und das Wissen, dass er sie befreien muss – und wer schuld daran ist. Jo findet heraus, dass er bei einem dubiosen Unternehmen angestellt und außerdem früher in einer Spezialeinheit der Army war. Plötzlich hat sie es nicht nur mit einem einfachen Reisenden zu tun, der sein Kurzzeitgedächtnis verloren hat, sondern mit einem unberechenbaren Scharfschützen. Zusätzlich erkranken Menschen, die mit Kanan im Flugzeug Kontakt hatten, an anterograder Amnesie. Woher hat Kanan seine Verletzung und was hat er vor?

_Meg Gardiner_ ist ein Thriller gelungen, der hauptsächlich durch seine saubere, spannende Handlung besticht. Ausgangspunkt von dieser ist das Szenario der anterograden Amnesie. Gardiner schildert anschaulich, dass ein Mensch ohne Kurzzeitgedächtnis im Alltag ziemlich aufgeschmissen ist. Alleine das zusammen mit Kanans Flucht würde schon Stoff für eine spannende Geschichte bieten, doch die Autorin setzt noch einen drauf. Dadurch, dass Kanan einen militärischen Hintergrund hat und seine eigentlichen Beweggründe lange nicht klar sind, entwickelt sich eine ganz eigene Dynamik in der Geschichte.

Gardiner nutzt diese Ausgangspunkte, um einen rasanten, spannenden Thriller zu inszenieren. Sie setzt sehr stark auf Action. Trockene Ermittlerarbeit kommt so gut wie gar nicht vor. Das mag dem einen mehr, dem anderen weniger gefallen, aber es schützt „Die Strafe“ vor unnötigen Längen und überrascht. Andere Bücher, in denen die Hauptfigur einen der Kriminalistik nahen Beruf inne hat, sind häufig nicht so kurzweilig, doch hier folgt ein Ereignis dem nächsten. Immer wieder baut die Autorin überraschende Wendungen ein und schafft es tatsächlich, den Leser an sich zu fesseln.

Trotz der Hochspannung ist das Buch aber nicht perfekt. Gardiner hinkt vor allem bei den Charakteren, während ihr flüssiger Schreibstil makellos, aber nicht gerade originell ist. Jo, die Hauptperson, bleibt trotz ihres Status ziemlich blass. Der Leser kommt ihr kaum näher. Es fällt schwer, am Ende der Geschichte zu sagen, was die forensische Psychiaterin nun ausmacht. Gut, man erfährt, dass sie ihren Ehemann verloren hat, dass sie eine ausgeflippte Schwester und einen merkwürdigen Nachbarn mit einem Affen als Haustier hat und außerdem eine Liebschaft mit einem gut aussehenden alleinerziehenden Vater. Doch ihre Charakterzüge sind nicht besonders ausgefeilt. Ihre Hobbys, Leidenschaften, Besonderheiten werden nicht erklärt. Allerdings gilt dies auch für viele andere Charaktere. Selbst Kanan, um dessen Psyche es im Buch ja geht, ist wenig zugänglich.

_“Die Strafe“_ von Meg Gardiner ist ein hochspannender Thriller mit einer originellen Geschichte, viel Action und wenig trockener Ermittlerarbeit. Das die gut geschriebene Story die fadenscheinigen Charaktere überstrahlt, spricht für die Autorin, verhindert aber, dass ihr Roman ein wirkliches Highlight ist.

|479 Seiten, Hardcover
ISBN-13: 978-3453265967|
Originaltitel: The Memory Collector
Aus dem Amerikanischen von Friedrich Mader
http://www.heyne.de
[Website der Autorin]http://www.meggardiner.com

Harrison, Kim – Blutlied

2352 Seiten voller Abenteuer hat Kim Harrison mit ihrer beliebten Heldin, der Hexe Rachel Morgan, bereits geschrieben – in vier Bänden. Nummer fünf, „Blutlied“, fügt diesem beachtlichen Werk weitere 734 hinzu, und ein Ende der Reihe ist nicht in Sicht. Doch schafft man es nach so vielen Seiten wirklich noch, die Leser mitzureißen?

_In Anknüpfung_ an „Blutpakt“ steht Rachel Morgan, die chaotische, freche Hexe, vor dem Problem, dass sie den Fokus in ihrem Besitz hat und ihn gut verstecken sollte. Dieses Artefakt ermöglicht den Werwölfen, Nachkommen zu schaffen, was den Vampiren in Cincinnati natürlich missfällt. Glücklicherweise sind beide Lager davon überzeugt, dass der Fokus zusammen mit Rachels Exfreund verschwunden ist.

Eines Tages wird die Hexe jedoch vom FIB, einer dem FBI ähnlichen Organisation, zu Rate gezogen, um diesem bei der Aufklärung mehrerer Morde an Werwölfen zu helfen. Schnell findet sie heraus, dass es zwei verschiedene Arten von Opfern gibt: neue Werwölfe, die sich aus Verzweiflung und Schmerz während der ersten Verwandlung selbst umgebracht haben; und zwei, deren Selbstmord nur fingiert wurde. Bei diesen zweien handelt es sich ausgerechnet um die Handlanger der beiden größten Werwolfrudel in der Stadt. Rachel wird klar, dass die beiden sich wegen des Fokus‘ bekriegen. Außerdem findet sie heraus, dass die Opfer allesamt mit ihrem Werwolffreund David befreundet waren, der momentan den Fokus für sie hütet. Ob es da einen Zusammenhang gibt?

Zu allem Überfluss macht der Dämon Al ihr immer noch das Leben schwer. Er hat Besitz von einem jungen Asiaten ergriffen und belästigt Rachel, wo er nur kann. Als sie ein verlockendes Arbeitsangebot von ihm ausschlägt, verwüstet er das Nachtleben in der Stadt, um ihr zu drohen. Weil sich die Behörden nicht anders zu helfen wissen, entlassen sie Piscary, den größten Vampir der Stadt, aus der Haft, damit er Al banne. Rachel ist davon alles andere als begeistert. Immerhin hat sie Piscary hinter Gittern gebracht, und dieser erhebt Anspruch auf ihre Mitbewohnerin Ivy. Und dann ist da auch noch Rachels vampirischer Freund Kisten, dem Piscary nicht mehr besonders wohlgesonnen ist …

_Ein Buch aus_ der Rachel-Morgan-Serie zu lesen, ist wie nach Hause zu kommen. Bereits die ersten Sätze ziehen den Fan direkt in das magische Cincinnati und lassen ihn erst wieder los, wenn er das Buch schon längst geschlossen hat. Die Welt, die Harrison erschaffen hat und in jedem Band weiter ausbaut, ist schier überwältigend. Das beginnt bei den unterschiedlichen Institutionen, Regeln und Traditionen, die das Zusammenleben von Menschen und Inderländern regeln, und findet seinen Höhepunkt in der Masse von fantastischen Wesen, die die Autorin in ihrer Geschichte ver- und ausarbeitet. Exemplarisch sei an dieser Stelle Jenks, der Pixie und Mitarbeiter von Ivys und Rachels Kopfgeldjägeragentur genannt, der mit seiner Familie in einem Garten hinter der Kirche der Hauptfiguren lebt. Harrison beschreibt ihn, sein Familienleben und seinen Charakter so anschaulich, interessant und humorvoll, dass man das Gefühl hat, ihn persönlich zu kennen – obwohl es ihn selbstverständlich nicht gibt.

Neben Pixies kommen in der Geschichte auch Elfen, Fairys, Tiermenschen, Hexen, Hexer, Vampire, Werwölfe und andere vor. Dass die Autorin bei diesem Gewusel nicht nur selbst den Überblick behält, sondern das Ganze auch für den Leser nicht verwirrend werden lässt, ist ihr hoch anzurechnen. Sie ist überaus geschickt darin, einzelne Fäden und Elemente in ihrem Buch zu harmonisieren, denn ansonsten würde der Leser bei einer umfassenden Handlung, wie man sie in all ihren Bücher findet, schnell den Überblick verlieren. Neben der eigentlich Kernhandlung im Buch – den Werwolfmorden – spielen nämlich auch die Handlungsstränge, die in den vorherigen Bänden entwickelt worden sind, eine große Rolle. Es empfiehlt sich deshalb dringend, bei Neueinstieg mit dem ersten Band anzufangen. Da Harrison darauf verzichtet, Vergangenes noch mal breit auszuwalzen (was bei dem Umfang ihrer Geschichten auch wirklich zu weit führen würde), ist ein gewisses Vorwissen notwendig, um die verschiedenen Beziehungen zwischen den Charakteren, ihre Feind- und Liebschaften zu durchblicken. Diese spielen nämlich ebenfalls eine gewichtige Rolle in dem Roman und sorgen für einigen Zündstoff.

_Die Charaktere_ haben stark im ersten Band begonnen und sich seitdem kontinuierlich weiterentwickelt. Auf einem dementsprechend hohen Level befinden sie sich in Band fünf. Manchmal hat man wirklich das Gefühl, Ivy, Rachel und Co. persönlich zu kennen. Dank ihrer Macken, Probleme und Charakterzüge wirken sie lebendig, auch wenn Kim Harrison es ab und an etwas übertreibt, um für Unterhaltung zu sorgen. Wirbelwind Rachel beispielsweise stolpert von einem Fettnäpfchen ins nächste, was vielleicht nicht unbedingt authentisch, aber unglaublich unterhaltsam ist.

Garniert wird das Ganze durch Harrisons frischen, frechen Schreibstil. Sie erzählt aus Rachels Perspektive, deren impulsive, leidenschaftliche Persönlichkeit dadurch fantastisch zum Tragen kommt. Ihr böser Humor und ihr leicht dreckiges Mundwerk sorgen dafür, dass es nie langweilig wird, selbst wenn die Autorin einmal wieder ein bestimmtes Ereignis seitenlang beschreiben muss. Das passiert nämlich häufiger und ist das einzige Manko des Buches: Harrisons sprachliche Langatmigkeit. Allerdings bügelt sie dies mit Sarkasmus und Witz wieder aus, so dass es in der Summe kaum auswirkt.

_Alles in allem_ ist „Blutlied“ eine tolle Fortsetzung der Rachel-Morgan-Reihe mit einer actionreichen Handlung, großem Gefühlschaos, Unmengen von Fantasie und einer wunderbar humorvollen Hexe als Hauptfigur.

|734 Seiten, Taschenbuch
ISBN-13: 978-3-453-52472-9|
http://www.kimharrison.net
http://www.heyne.de

_Kim Harrison bei |Buchwurm.info|:_

[„Blutspur“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=3253
[„Blutspiel“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=4512
[„Blutjagd“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=5252

Edwards, Martin – Kein einsames Grab

Die Lösung von so genannten „cold cases“, also Fällen, die nie aufgeklärt wurden, aber als abgeschlossen gelten, hat in den letzten Jahren an Popularität gewonnen. Fernsehserien haben sich etabliert, die sich mit diesem Thema beschäftigen, und auch in der Literatur wirbt man mittlerweile mit dem Begriff „cold case“. „Kein einsames Grab“ von Martin Edwards ist ein solcher Kriminalroman.

Dem übereifrigen Engagement eines Journalisten ist es zu verdanken, dass am zehnten Jahrestag nach dem Verschwinden von Emma Bestwick ihr ungeklärter Fall wieder aufgenommen wird. Es konnte nie geklärt werden, ob sie aus eigenen Motiven verschwunden ist oder entführt wurde. Hannah Scarlett ist Leiterin der Cold-Case-Abteilung der Polizei von Cumbria und aufgrund des öffentlichen Drucks nimmt sie sich des Falls an.

Das ist keine einfache Arbeit. Sie und ihre zwei Kollegen müssen sämtliche Zeugen von damals noch einmal befragen, in der Hoffnung, dass sie sich nun an Dinge erinnern, die ihnen vor zehn Jahren nicht eingefallen sind. Ein aussichtsloses Unterfangen – bis der Journalist Toni Di Venuto behauptet, ein anonymer Anrufer hätte ihm den Fundort von Emmas Leiche gesteckt. Es soll das Arsen-Labyrinth in den Bergen von Cumbria sein. Als die Polizei hinabsteigt, um zwischen den Trümmern der ehemaligen Mine nach Emma zu suchen, findet sie nicht nur eine Leiche, sondern zwei. Hängen die beiden Fälle zusammen? Und wer ist der anonyme Anrufer? Plötzlich gewinnt der Fall deutlich an Brisanz …

Das Aufarbeiten alter, ungelöster Fälle – das klingt eher nach trockener Büroarbeit als nach einem spannenden, rasanten Krimi. Tatsächlich ist dies das größte Problem von „Kein einsames Grab“. Die Befragungen der Zeugen gestalten sich trocken und ergebnislos, nehmen aber einen Großteil des Buches ein. Die eigentlich spannenden Ereignisse werden recht knapp abgehandelt und zudem unterbrochen von diversen anderen Perspektiven in der Geschichte, die mit der eigentlichen Handlung nur wenig zu tun haben. Zum einen ist da der Handlungsstrang des Täters, der sich aber eher weniger mit der damaligen Tat auseinandersetzt. Vielmehr wird seine durchtriebene Persönlichkeit beleuchtet, was nicht unbedingt ein Zugewinn für die Geschichte ist. Zum anderen hätten wir da Daniel Kind, den Sohn von Hannahs ehemaligem Chef, der als Historiker in Cumbria arbeitet. Er kommt vor allem dann ins Spiel, wenn es darum geht, die Geschichte des Arsen-Labyrinths aufzudröseln. Ob dafür unbedingt eine eigene Perspektive von ihm notwendig war, ist fraglich. Viele Sichtweisen auf eine Handlung können sehr aufschlussreich sein, doch in diesem Fall ist Edwards‘ Vorgehen eher verwirrend. Es fällt dem Leser schwer, der zerklüfteten Handlung zu folgen und zu erkennen, was wichtig für den Fall ist und was nur schmückendes Beiwerk.

Aufgrund der Masse der erzählenden Personen gehen auch deren Persönlichkeiten ein wenig unter. Die einzigen Figuren sind zwar anständig ausgearbeitet und besitzen Tiefgang, doch wirklich interessant sind sie nicht. Hannah ist meistens dann am besten, wenn sie gerade mal wieder Zweifel bezüglich ihrer Ehe hat. Ansonsten wirkt sie wie ein Katalysator für die Ermittlungen. Sie besitzt weder einen besonderen Humor noch deutliche Schwächen. Das Gegenteil dazu ist Guy Koenig, der sich unter falschem Namen in einer Pension in Cumbria einnistet und die Hauswirtin um seinen Finger wickelt – mit dem Ziel, ihr das Geld aus der Tasche zu ziehen. Er hat definitiv eigene Züge, da er sich häufig eine neue Identität zulegt und sehr geübt im Lügen und Täuschen ist. Allerdings wird sein Charakter einseitig beschrieben. Er scheint Reuegefühle und ähnliches nicht zu kennen. Dadurch wird er unglaubwürdig.

Der Schreibstil ist, ähnlich wie die Figuren, gut, aber nicht herausragend. Edwards schreibt flüssig und lebendig, aber er setzt sich kaum von anderen Autoren ab. Er verzichtet weitgehend auf rhetorische Stilmittel und auch seine Dialoge sind häufig etwas langweilig.

In der Summe ist „Kein einsames Grab“ kein schlechtes Buch, aber eben auch kein richtig gutes. Dazu fehlt es ihm an Eigenständigkeit und auf weiten Strecken auch an Spannung und interessanten Ereignissen.

|Originaltitel: The Arsenic Labyrinth
Aus dem Englischen von Ulrike Werner
ISBN-13: 978-3-404-16264-2
412 Seiten, Taschenbuch|
http://www.bastei-luebbe.de

Martin Edwards

_Martin Edwards bei |Buchwurm.info|:_
[„Tote schlafen nicht“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=4372

O’Connor, Ed – Leda

Literarische Serientäter gibt es mittlerweile in allen möglichen Formen und Farben. Der englische Schriftsteller Ed O’Connor fügt dem Thema in seinem Krimi „Leda“ eine neue Nuance hinzu: Schwäne und einen guten Schuss Kunst.

Detective Inspector Lucy Maguire steht vor einem Rätsel. Innerhalb kurzer Zeit werden in London zwei weibliche Leichen gefunden. In beiden Fällen fand eine Vergewaltigung statt und die Opfer wurden merkwürdig drapiert. Zu ihren Füßen finden sich zertretene Eierschalen, in ihren Hälsen stecken die Schnäbel von Schwänen. Es scheint, als habe man es hier nicht mit einem normalen Killer zu tun. Ob ein Ritualmörder sein Unwesen treibt?

Zur gleichen Zeit wird der betagte Kunsthistoriker Siegfried Gratz von einer jungen Frau kontaktiert, die behauptet, die Tochter seiner großen, aber unerwiderten Liebe Elizabeth Weir zu sein. Sie überreicht ihm einen Briefumschlag mit seltsamen Dokumenten, darunter die Fotografie eines Michelangelo-Gemäldes. Es scheint, als habe sie ihm vor ihrem Tod ein Rätsel aufgeben wollen, in dessen Mittelpunkt das verschwundene Gemälde der „Leda“ steht. Ob Elizabeth eine Spur hatte, wo sich das Kunstwerk befindet? Helen Aurel und Siegfried Gratz machen sich auf die Suche danach, und schon bald kreuzen sich ihre Wege unvorhergesehen mit denen der Londoner Ermittler …

Die Handlungsstränge mit Gratz und Maguire sind allerdings nicht die einzigen. Begleitend beschreibt Ed O’Connor den Werdegang des Gemäldes „Leda“. Er streut immer wieder voneinander unabhängige historische Rückblicke ein, die nicht in die eigentliche Geschichte passen wollen. Sie gewinnen erst gegen Ende an Bedeutung. Vorher sind sie eher ein Ärgernis, das man gerne überblättert. Die Geschichte zerklüftet dadurch sehr stark, und die kurzen Abschnitte, die im sechzehnten Jahrhundert beginnen, passen nicht in den Kontext. Die Sprünge zwischen den einzelnen Handlungssträngen machen es für den Leser schwierig, der Geschichte zu folgen. Hinzu kommt, dass der Autor die einzelnen Abschnitte häufig sehr kurz hält. Dadurch verschenkt er einiges an Potenzial – auch hinsichtlich der Spannung des Thrillers.

Durch die vielen, nebeneinander stehenden Perspektiven gibt es nur wenig Raum zur Entfaltung der Charaktere. Siegfried Gratz wird zum Glück recht ausführlich behandelt, denn er ist ein interessanter Mensch mit einer spannenden Vergangenheit. Außerdem macht es Spaß, seinem Wissen über die Kunst zu folgen. Anders sieht das bei Aiden Duffy, dem Londoner Forensikspezialisten, aus. Er kommt eindeutig zu kurz. Seine Figur besitzt sehr viel Tiefgang, der sich aber aufgrund der Kürze seiner Auftritte nicht völlig entfalten kann. Zudem fällt besonders an dieser Stelle auf, dass der Autor zu viel Drumherum in sein Buch packen wollte. Neben der Geschichte des Gemäldes, den Morden in London und Gratz‘ Suche nach dem Gemälde behandelt er außerdem Duffys Vergangenheit, seine Beziehung zu DI Maguire sowie Vergangenheit und Gegenwart des Mörders.

Es ist löblich, dass Ed O’Connor das Geschehen aus so vielen Blickwinkeln wie möglich beleuchten möchte, doch in diesem Fall wäre weniger mehr gewesen. O’Connors unaufgeregter, flüssiger Schreibstil und das Handlungsgerüst an und für sich hätten einen ordentlichen Thriller gegeben, doch das ausschweifende Beiwerk schadet „Leda“ mehr, als es nützt. Schade.

|Originaltitel: Leda
Aus dem Englischen von Marion Sohns
ISBN-13: 978-3-404-16263-5
412 Seiten, Taschenbuch|
http://www.bastei-luebbe.de

_Ed O’Connor bei |Buchwurm.info|:_
[„Mit eiskalter Klinge“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=3653

Baldacci, David – Sammler, Die

Der amerikanische Schriftsteller David Baldacci liebt die Abwechslung. Während es sich bei den Büchern mit Michelle Maxwell und Sean King um knallharte Agententhriller handelt, geht es in der Reihe des Camel Club wesentlich gemächlicher zu. „Die Sammler“ ist der zweite Band nach [„Die Wächter“, 4513 und auch dieses Mal haben die vier Freunde um den mysteriösen Oliver Stone einen Mordfall aufzuklären.

Der Camel Club hat es sich zur Aufgabe gemacht, Verschwörungen der amerikanischen Regierung aufzudecken. Eines ihrer Mitglieder, Caleb Shaw, arbeitet in der Washingtoner Kongressbibliothek in der Abteilung für seltene Bücher. Eines Morgens findet er seinen Vorgesetzten Jonathan DeHaven tot in einem der Räume. Die Obduktion ergibt, dass er einem Herzversagen zum Opfer fiel, doch der misstrauische Camel Club glaubt nicht an diese offizielle Version des Falls, denn wenige Tage zuvor ist ein Sprecher des Repräsentantenhauses erschossen worden.

Bei ihren Ermittlungen finden die vier Mitglieder des Camel Clubs heraus, dass DeHaven nicht nur ein sehr wertvolles antikes Buch besaß, sondern auch seinen Nachbarn, einen Rüstungsunternehmer, beobachtete. Warum hat er dies getan? Und was ist mit seiner Ex-Frau, der undurchsichtigen Susan, die den vieren hilft und dabei besondere Fähigkeiten an den Tag legt? Was der Camel Club nicht weiß: Susan heißt eigentlich anders und ist eine erfolgreiche Trickbetrügerin. Gerade hat sie ein Casino in Las Vegas ausgehoben und wird deshalb gesucht …

Wer Baldacci bislang vor allem als Autor actionreicher Thriller kennengelernt hat, wird für „Die Sammler“ etwas Zeit zur Eingewöhnung brauchen. In diesem Buch geht es nämlich wesentlich gemächlicher zu. Die meisten Mitglieder des Camel Clubs sind ältere Semester und beschränken sich eher auf das Denken als auf das Handeln. Letzteres kommt zwar nicht zu kurz, wirkt aber häufig nicht besonders authentisch, sondern eher aufgesetzt. Darüber hinaus hätte der Erzählstrang von Susan eine Schlankheitskur vertragen. Baldacci bläht den Casinobetrug derart auf, dass man glaubt, er müsste eine tiefere Bedeutung für den Rest der Handlung haben. Dies ist aber nicht der Fall. Hinzu kommt, dass die Perspektive des Täters zwar gut gestaltet ist, aber durchaus Potenzial für ein häufigeres Auftreten gehabt hätte.

Die Spannung kommt in „Die Sammler“ dementsprechend etwas zu kurz. Ähnlich verhält es sich mit den Charakteren. Der Autor bemüht sich zwar, diese lebendig und interessant auszuformen, aber sein humorvoller Unterton ist schuld daran, dass Caleb, Oliver, Milton und Reuben häufig eher wie Karikaturen ihrer selbst wirken. Oliver Stones geheimnisvoller Hintergrund bringt an manchen Stellen etwas Feuer in die Geschichte, aber letztendlich ist eine Vergangenheit im Dienste des Staates nichts wirklich Neues. Gerade der Tiefgang, der Baldaccis Figuren Maxwell und King ausmacht, fehlt in diesem Buch beinahe vollends.

Geschrieben ist der Roman gut, ohne Frage. Der Autor versteht sein Handwerk und schafft es zudem, in diesem Fall anders zu klingen als in den Büchern um Maxwell und King. Er verfällt häufig in einen humorvollen Tonfall, was der Geschichte Leben einhaucht. Ansonsten erzählt er flüssig und unkompliziert, aber mit wenig Wiedererkennungswert.

In der Summe ist „Die Sammler“ daher sauber erzählt, aber nicht wirklich spannend. Andere Thriller von David Baldacci haben da wesentlich mehr zu bieten. Trotzdem wird „Die Sammler“ sicherlich seinen Fankreis finden. Wer ältere, etwas exzentrische Verschwörungstheoretiker mag und weniger Wert auf eine rasante Handlung legt, der ist mit diesem Buch gut beraten.

|Originaltitel: The Collectors
Aus dem Amerikanischen von Uwe Anton
ISBN-13: 978-3-7857-2354-8
494 Seiten, Hardcover|
http://www.luebbe.de
http://www.davidbaldacci.com

_David Baldacci bei |Buchwurm.info|:_

[„Mit jedem Schlag der Stunde“ 2400
[„Im Bruchteil der Sekunde“ 836
[„Das Geschenk“ 815
[„Der Abgrund“ 414
[„Die Verschwörung“ 396
[„Das Versprechen“ 361
[„Die Versuchung“ 676
[„Die Wächter“ 4513
[„Im Takt des Todes“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=5677

Chance, Karen – Hinreißend untot

Im ersten Band von Karen Chances Reihe um die junge Seherin Cassandra Palmer ist diese mit Mühe und Not ihrem eigenen Tod entgangen. Mit Hauen und Stechen geht es auch im zweiten Band „Hinreißend untot“ weiter. Denn Tony, Cassandras Ziehvater und größter Feind, hat sich abgesetzt und ist noch lange nicht besiegt …

Eigentlich ist Cassie nach Las Vegas gekommen, um den Aufenthaltsort von Tony ausfindig zu machen. Sie sucht eine seiner Lasterhöhlen auf und bedroht deren Inhaber, doch der gibt nicht viel preis. Er hat auch keine Zeit dazu, denn plötzlich kommt Leben in die Bude: Pritkin, der Kriegsmagier, der Cassie im letzten Band nach dem Leben trachtete, tritt auf den Plan – allerdings mit einem ungewöhnlichen Motiv: Er möchte eine Zusammenarbeit mit ihr.

Doch das sind nicht Cassies einzige Probleme. Es stellt sich heraus, dass der mächtige Vampir Mircea sie mit einem so genannten Geis belegt hat. Dieser Zauber hindert sie daran, mit einem anderen Menschen als Mircea intim zu werden. Der Grund dieser Vorsichtsmaßnahme: Das Vollziehen des Geschlechtsakts führt dazu, dass Cassie zur Pythia wird, der mächtigsten Seherin der Welt. Genau das möchte Cassie verhindern, doch der Geis bewirkt auch, dass sie sich unnatürlich zu Mircea hingezogen fühlt. Ihre Aufgaben in diesem zweiten Band sind dementsprechend so vielfältig wie unbewältigbar: Sie muss Mircea umgehen, den Geis lösen, vor ihren Feinden flüchten und Tony finden. Gut, dass sie nicht alleine ist. Neben ihrem Geisterfreund Billy und Pritkin lernt sie außerdem einen merkwürdigen Tätowierer namens Mac kennen …

„Hinreißend untot“ schließt ohne Atempause dort an, wo [„Untot mit Biss“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=5419 aufgehört hat. Wer den ersten Band nicht kennt, wird daher Probleme haben, die komplexen menschlichen Beziehungen und auch einige Handlungsstränge wirklich zu verstehen. Die Autorin schneidet relevante zurückliegende Ereignisse zwar an, aber sie hält sich dabei sehr bedeckt. Umso detaillierter beschreibt sie die Handlung des vorliegenden Buches. Da aus der Ich-Perspektive von Cassie erzählt wird, räumt Chance den Gedanken und Gefühlen ihrer Hauptperson sehr viel Raum ein. Außerdem tendiert sie dazu, chaotische, überstürzte Ereignisse chaotisch und überstürzt darzustellen. Die Handlung zieht sich dadurch unglaublich in die Länge. Es fällt am Ende schwer, zusammenzufassen, was nun genau passiert ist.

Chance gelingt es kaum, sich thematisch von anderen Dark/Romantic-Fantasy-AutorInnen abzugrenzen. Sie vermengt verschiedene Arten von Wesen und Fantasy zu einem zähen Brei, der nicht immer Spaß macht. Während im ersten Teil des Buches der Vampirmode gefrönt wird, reist die Heldin im zweiten Teil mit ihren Freunden ins Feenland. Abgesehen davon, dass Chance es nicht schafft, diese zwei gegensätzlichen Fantasybereiche in einen harmonischen Einklang zu bringen, wird die Welt der Feen nicht besonders gut ausgestaltet. Als Wesen treten die Feen kaum auf, das Gastspiel ist kurz, und an dieser Stelle schweigt die sonst so geschwätzige Autorin ausnahmsweise. Während die Vampire in ihrer ganzen (erotischen) Schönheit geschildert werden, verschwendet Chance auf die Feen nur sehr wenig Worte.

Dabei schreibt Chance eigentlich ganz gut. Sie ist witzig und schlagfertig und manchmal geradezu genial bissig. Anders als im ersten Band der Reihe entwickelt sich dank des Schreibstils von Anfang an eine gewisse Sogwirkung. Denn auch wenn die Handlung nicht gerade überzeugt, macht es doch Spaß, Cassies sarkastischen Gedanken zu folgen. Sie ähnelt dabei zwar anderen Autorinnen des Genres, aber Chance ist stellenweise noch einen Schritt skrupelloser.

Das bedeutet allerdings nicht, dass Cassie eine Überprotagonistin ist, auch wenn ihre Gedanken und Gefühle gut niedergeschrieben sind. Cassie scheint in der Handlung – trotz ihres Status als Hauptperson – nur eine Nebenrolle zu spielen. Sie schaut den Ereignissen zu, springt an der einen oder anderen Stelle mit Anlauf ins Fettnäpfchen und fühlt sich von den falschen Typen angezogen. Dass sie dabei häufig alles andere als emanzipiert wirkt, scheint die Autorin nicht zu stören. Cassie besitzt Züge, die auch in einen kitschigen Historienroman passen, und unterscheidet sich damit von starken Frauenfiguren wie in den Büchern von Kim Harisson oder Patricia Briggs. Während diese zumeist auf eigenen Beinen stehen, scheint Cassie sehr dazu zu neigen, sich zu unterwerfen – auch wenn sie dagegen ankämpft.

„Hinreißend untot“ ist ein weiteres Buch im bunten Reigen der Vampirlektüre, auch wenn die Blutsauger nicht unbedingt eine Hauptrolle spielen. Abgesehen von einem tollen Schreibstil mangelt es dem Roman aber an Handlungsstruktur und einer interessanten Hauptperson, um wirklich hervorzustechen.

|Originaltitel: Claimed by Shadow
Aus dem Amerikanischen von Andreas Brandhorst
ISBN-23: 978-3-492-29185-9
431 Seiten, Taschenbuch|
http://www.piper-fantasy.de

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Riera, Carme – englische Sommer, Der

Ein Sprachurlaub ist eigentlich etwas Schönes. Man tut Gutes für das Gehirn und lernt dabei noch ein fremdes Land besser kennen – jedenfalls im Normalfall. Die spanische Schriftstellerin Carme Riera entwirft in ihrem Roman „Der englische Sommer“ allerdings ein weniger erfreuliches Szenario …

Die Immobilienmaklerin Laura Prats ist eine Frau Ende vierzig, die neben dem Spanischen keine Fremdsprachen beherrscht. Das wird ihr zum Verhängnis, als eine Beförderung in Aussicht steht. Sie beschließt, sich durch ihr fehlendes Englisch nicht noch einmal die Chance auf ein höheres Gehalt nehmen zu lassen, und meldet sich zu einem Intensivkurs auf dem englischen Land an.

Sie ist ganz aufgeregt, als sie Mrs. Grose, ihre Lehrerin und Gastgeberin, das erste Mal trifft. Eigentlich hat sie sich diese ein bisschen anders vorgestellt, denn auf dem Foto auf der Website war sie wesentlich adretter. In der Realität ist sie eine übergewichtige, ziemlich grobe Frau, die Laura schon bald nicht mehr ganz geheuer ist. Sie behandelt sie wie ein Kind, bestraft sie beim Unterricht für ihre Fehler mit Essensentzug oder Hausarrest und prüft jeden Freitag ihr erlerntes Wissen ab. Laura schaut sich dieses Verhalten eine Weile an, doch bald wird ihr Angst und Bange. Mrs. Grose redet davon, einen gewalttätigen Ex-Mann zu haben, der sie in ihrem Landhaus immer wieder aufsucht. Außerdem hört Laura nachts ein seltsames Weinen. Als sie versucht, den Kurs abzubrechen, stellt sich ihre Lehrerin quer. Sie sagt, sie wird Laura nicht gehen lassen, bevor sie nicht ordentlich Englisch gelernt hat. Für die Immobilienmaklerin beginnt ein Alptraum …

Carme Rieras Roman erstreckt sich über nur 122 Seiten, aber auf diesen wenigen Seiten macht sie alles richtig. Die Handlung der Geschichte konzentriert sich ausschließlich auf die Ereignisse von Lauras Sommerurlaub. Die Autorin schweift so gut wie nie ab, so dass die Spannung konstant gehalten wird. Tatsächlich besitzt das Buch beinahe schon kammerspielartigen Charme, da sich fast alles zwischen den Hauptpersonen Laura und Mrs Grose auf deren Landgut abspielt. Die Unberechenbarkeit der Englischlehrerin und ihr augenscheinlicher Hang zu seltsamem Benehmen führen dazu, dass man das Buch nicht aus der Hand legen kann. Wieso ist sie so? Was steckt dahinter? Wie wird es mit Laura weitergehen?

Laura, die Ich-Erzählerin, ist eine sehr sympathische Hauptfigur. Sie beginnt ihre Geschichte so, als ob sie ihren Anwalt ansprechen würde, was den Leser zusätzlich auf die Folter spannt, denn er möchte wissen, was Laura getan hat, um im Gefängnis zu landen. Obwohl sie mit 49 Jahren und ihrem Geschlecht wie ein Fall für die typische Frauenliteratur wirkt, ist sie auch für andere Zielgruppen interessant, da sie nicht als Karikatur, sondern als echte und lebendige Person dargestellt wird. Man erfährt sehr viel über ihre Gedanken und Gefühle, die so eindringlich geschildert werden, dass man ihre Ängste und Sorgen wegen Mrs. Grose nachvollziehen kann.

Lauras durchgehender „Monolog“ ist so gestaltet, dass er sich so liest, als bekäme man ihn persönlich erzählt. Riera schreibt locker und ungezwungen. Sie benutzt einen großen Wortschatz und garniert das Geschriebene mit einer eigenen Note. Nach der Lektüre hat man das Gefühl, Laura persönlich kennen gelernt zu haben. Obwohl sie durchaus humorvoll sein kann, wird die Autorin nie lächerlich, sondern hält ihren Roman auf einem hohen Niveau.

„Der englische Sommer“ ist leicht bekömmlich, aber dennoch spannend und literarisch sehr ansprechend. Der Titel klingt vielleicht wie ein verlockender Urlaubsroman, doch Vorsicht: Lauras Erlebnisse sind nicht gerade dergestalt, dass sie den Leser ruhig schlafen lassen …

|Originaltitel: L’estiu del l’anglès
Aus dem Katalanischen von Kerstin Brandt
ISBN-13: 978-3-548-60866-2
122 Seiten, Taschenbuch|
http://www.list-taschenbuch.de

Theurillat, Michael – Sechseläuten

Irgendwann muss auch mal genug sein mit Frost und Schnee: In der Schweiz treibt man Mitte April mit einem Brauch namens Sechseläuten den Winter aus und verbrennt dabei traditionell einen künstlichen Schneemann, den Böögg. Dieses doch eher beschauliche Festchen nutzt der Schweizer Autor Michael Theurillat, um in seinem gleichnamigen Kriminalroman einen eher unschönen Fleck in der Geschichte des Alpenstaats literarisch aufzuarbeiten.

Auch in Theurillats drittem Krimi spielt der Züricher Kommissar Eschenbach die Hauptrolle. Er befindet sich gerade auf der Sechseläutenwiese, als in seiner unmittelbaren Nähe eine Frau zusammenbricht. Trotz seiner Erste-Hilfe-Versuche stirbt sie, und niemand scheint zu merken, dass ihr kleiner Sohn alles hat mit ansehen müssen. Er redet aufgeregt in einer Sprache, die Eschenbach nicht versteht, aber er hat den Eindruck, dass der Tod der Frau kein Herzanfall war, wie die Obduktion ergibt.

Er nimmt sich des Jungen an und beginnt zu ermitteln, doch alsbald wird er von dem Fall abgezogen. Schlimmer noch: Er wird mit einer schalen Begründung suspendiert. Mithilfe seiner Sekretärin Rosa und seines Kollegen Claudio Jagmetti setzt er alles daran, Charlotte Bischoffs Tod trotzdem aufzuklären, denn niemand scheint sich wirklich für die zweifelhaften Umstände zu interessieren. Als sich Eschenbach mit Charlottes Schwester anfreundet, erhält er erste Hinweise darauf, dass etwas in ihrem Leben nicht stimmt. Doch dann gibt es einen Anschlag auf Charlottes Schwester und ihr Sohn wird entführt …

Michael Theurillats „Sechseläuten“ ist ein sauber aufgebauter Krimi, der aber vor allem in der Mitte nicht besonders spannend ist. Es fehlen überraschende Wendungen und brenzlige Situationen, um die Geschichte lebendig werden zu lassen. Außerdem tritt Claudio Jagmetti, mit dem sich Eschenbach in den Büchern zuvor gerne einen Schlagabtausch geliefert hat, nur sehr selten auf. Die Sekretärin Rosa, eine Italienerin mit Leib und Seele, sorgt zwar für einige Höhepunkte, doch trotzdem kommt das Buch erst gegen Ende richtig in Fahrt. Hier fügt sich alles und Eschenbach begreift die Hintergründe der Tat, es kommt zu einem spannenden Finale.

Obwohl der Autor sich darauf versteht, die Personen sehr detailliert und farbig zu gestalten, ist Eschenbach schwer greifbar. Es fällt nicht leicht, ihn sich vorzustellen, vielleicht auch dadurch, dass er zwar ein etwas sonderbarer Kommissar ist, aber noch lange nicht so schrullig wie einige andere Vertreter der exekutiven Staatsgewalt. Gleichzeitig wirkt er aber auch nicht wie der durchschnittliche Normalbürger. Er ist irgendwo in der Mitte anzusiedeln, doch er kann in diesem Roman nicht genau zugeordnet werden. Das gelingt bei Lara Bischoff, Charlottes Schwester, wesentlich besser, und auch bei einigen anderen Figuren im Buch. Mit von der Partie sind sogar einige Originale, die dem Buch einen ganz eigenen Charme verleihen.

Was die Geschichte trotz einiger Schwächen letztendlich zusammenhält, ist Theurillats ausgefeilter Schreibstil. Er setzt seine Worte sicher, schöpft aus einem breit angelegten Vokabular und versteht sich darauf, Spannung und Atmosphäre mit seinen Sätzen zu kreieren.

Der Schreibstil ist es schließlich, der „Sechseläuten“ zum Prädikat eines überdurchschnittlichen Kriminalromans verhilft. Hinzu kommt eine außergewöhnliche Thematik, die aber in der Handlung nicht immer spannend umgesetzt wurde.

|ISBN-13: 978-3-550-08750-9
327 Seiten, Hardcover|
http://www.ullstein.de

_Michael Theurillat bei |Buchwurm.info|:_
[„Im Sommer sterben“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=3471
[„Eistod“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=3492

Zoran Drvenkar – Sorry

In einer Dienstleistungsgesellschaft wie der unsrigen kann man beinahe alles von anderen erledigen lassen. In Zoran Drvenkars Thriller „Sorry“ kommen vier junge Berliner auf die Idee, die Entschuldigung zur Dienstleistung werden zu lassen – mit unangenehmen Folgen für alle Beteiligten …

Kris, sein Bruder Wolf und die besten Freundinnen Tamara und Frauke kennen sich seit der gemeinsamen Schulzeit. Zehn Jahre danach ziehen sie Bilanz und müssen feststellen, dass die Träume ihrer Jugend sich in Luft aufgelöst haben. Trotz Studium oder Ausbildung haben die meisten von ihnen keinen Job. Während eines gemeinsamen Besäufnisses, bei dem sie über das Leben philosophieren, kommen sie auf die Idee, eine Agentur zu gründen, die sich für andere entschuldigt – auf Unternehmensebene.

Der Einfall scheint wahnwitzig, aber wider Erwarten funktioniert das Geschäft. Die Agentur namens „Sorry“ wird mit Aufträgen überhäuft. Eines Tages fährt Wolf zu einem Geschäftstermin und entdeckt in der Wohnung der Frau, bei der er sich im Auftrag eines Lars Meybachs entschuldigen soll, die Leiche der Bewohnerin. Sie wurde an die Wand genagelt und der Täter erwartet von den vieren, dass sie sich nicht nur bei der Toten entschuldigen, sondern sich auch um die Leiche kümmern. Er droht damit, ihren Familien etwas anzutun, sollten sie sich weigern, seine Befehle auszuführen. Was bleibt ihnen also anderes übrig? Eingeschüchtert machen sie sich daran, die Leiche der Frau zu vergraben, nicht ahnend, dass sie damit eine Kette schicksalhafter Ereignisse in Gang setzen …

Zoran Drvenkar hat ein selten gutes Buch geschrieben, in dem einfach alles stimmt. Das wird bereits auf den ersten Seiten ersichtlich. In kurzen Kapiteln wechseln sich unterschiedliche Abschnitte ab. Mal wird jemand direkt mit „Du“ angesprochen, dann folgt die Einführung der vier Hauptfiguren, zwischendurch finden sich immer wieder zeitlich nach vorne oder hinten verschobene Absätze, die anonym gehalten sind. Der Leser merkt schnell, dass in dem Buch einiges passieren wird, doch er versteht noch nicht, was. Das baut natürlich eine intensive Spannung auf, die ihn nicht mehr so schnell loslässt. Der Autor greift immer wieder vor, legt Irrwege, führt neue Personen ein – er spielt mit dem ganzen Repertoire der Spannungsliteratur und geht dabei weit über das hinaus, was ein normaler Thriller zu bieten hat.

Eine weitere wichtige Komponente von „Sorry“ sind die Personen und ihre Beziehungen untereinander. Darüber hinaus versucht Drvenkar, das Bild einer Generation zu zeichnen, der alle Möglichkeiten offenstehen und die sie trotzdem nicht nutzt. Dies gelingt ihm sehr gut. Kris, Wolf, Tamara und Frauke wirken, als kenne man sie persönlich. Sie besitzen Tiefe und einen eigenen Charakter. Sie sind sehr real gezeichnet und ihre Reaktionen auf die ungewöhnlichen Umstände in der Geschichte wirken glaubwürdig, wenn auch nicht immer moralisch korrekt. Doch hätte man selbst in einer solchen Situation anders gehandelt? „Sorry“ regt zum Nachdenken an; über Schuld, über den Tod – und über sich selbst.

Gekrönt wird das Ganze von einem grandiosen Schreibstil. Drvenkar benutzt wenige Worte, diese dafür aber treffsicher und eindringlich. Seine Beschreibungen sind sparsam gehalten, seine Sprache ist beinahe schon atmosphärisch, streckenweise düster. Er benutzt viel wörtliche Rede, gibt aber auch die Gedanken und Gefühle seiner Hauptpersonen wieder. Dabei wird er häufig schon philosophisch, doch er schweift nie zu sehr ab, sondern bleibt angenehm nah am Handlungsverlauf.

„Sorry“ besitzt eine wichtige Eigenschaft, die diesen Thriller herausragen lässt: Das Buch bringt den Leser zum Nachdenken. Der Berliner Autor Zoran Drvenkar versteht es, Themen wie Tod, Schuld und Unschuld so zu verpacken, dass daraus kein knochentrockener, moralischer Roman wird, sondern ein rasanter und spannender Thriller.

|ISBN-13: 978-3-550-08772-1
397 Seiten, Hardcover|
http://www.drvenkar.de
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_Zoran Drvenkar bei |Buchwurm.info|:_
[„Du bist zu schnell“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=1084

Reiss, R. Scott – Todesspiel

Der eigenen Regierung sollte man eigentlich vertrauen können. Die Betonung liegt auf „sollte“, denn der Brasilianer Rubens, die Hauptfigur in R. Scott Reiss‘ Thriller „Todesspiel“, macht die gegenteilige Erfahrung.

Von denen, die ihn schützen sollten, gelinkt und verraten, flüchtet er zusammen mit seiner Tochter, der Teenagerin Estrella, nach Amerika. Doch das nicht ohne Hintergedanken. Er war früher Leibwächter für den Präsidenten, dessen Regierungsstil einigen lokalen Gruppierungen nicht gefallen hat. Als dieser bei einem getarnten Anschlag ums Leben kommt, steht der loyale Rubens alleine da. Seine Gegenspieler glauben, er hätte wichtige Informationen, und setzen sein Haus in Brand. Dabei stirbt seine Frau Rosa und er beschließt, ihren Tod zu rächen.

Einen Anhaltspunkt hat er bereits. Er vermutet, dass der New Yorker Honor Evans seine Finger im Spiel hat. Also versucht er den Mann ausfindig zu machen, ohne dass seine geliebte Tochter etwas davon mitbekommt. Als ihm dies gelungen ist, muss er mitanhören, wie Honor und seine Familie grausam niedergemetzelt werden. Er erfährt, dass sein eigentlicher Feind nicht Evans, sondern ein Phantom namens Nestor ist. Nestor hat alles, was Rubens nicht hat: Ansehen, Macht und Einfluss. Der ehemalige Leibwächter hingegen ist nur ein weiterer illegaler Einwanderer in den überfüllten Stadtvierteln New Yorks. Doch er ist clever – und er hat Freunde …

David gegen Goliath – R. Scott Reiss erzählt keine neue Geschichte in seinem Buch. Er greift auf bekannte Themen zurück wie den Drogenhandel in Südamerika oder die Verwicklungen großer Unternehmungen in illegale Nebenaktivitäten. Es gibt genug Autoren, die aus Altbewährtem noch eine spannende Geschichte stricken können, doch Reiss gehört nicht dazu. „Todesspiel“ ist ein gut konstruierter Thriller mit solider Spannung, dem es an dem Besonderen fehlt. Die Handlung ist zwar meistens nicht vorhersehbar, aber richtig in Fahrt kommt sie trotzdem nicht.

Es ist insgesamt sehr schwierig, in „Todesspiel“ die Spreu vom Weizen zu trennen. Der Autor macht seinen Job gut. Die sprachliche Ausarbeitung ist sauber, flüssig und ohne Längen. Er gestaltet seine Geschichte lebendig und berichtet ausführlich, aber nicht ausschweifend über Gefühls- und Gedankenwelt seiner Hauptperson. Er geht gerade so tief ins Detail, dass man Rubens gut folgen kann. Trotzdem fällt es schwer, mit ihm warm zu werden. Er ist gut ausgearbeitet, aber einen Tick zu eindimensional. Er wirkt austauschbar und der Beweggrund seiner Handlungen – der Tod von Rosa – hätte ruhig etwas dramatischer dargestellt werden können.

Doch eine misslungene Figur ist Rubens deswegen nicht. R. Scott Reiss hat es in „Todesspiel“ einfach nicht geschafft, Handlung, Hauptperson und Sprache so lebendig werden zu lassen, dass man das Buch nicht zur Seite legen kann. Es ist folglich kein schlechter Thriller, sondern nur einer, der nicht wirklich zünden möchte.

|Originaltitel: The Animal Game
Aus dem Amerikanischen von Charlotte Breuer und Norbert Möllemann
ISBN-13: 978-3-548-26963-4
395 Seiten, Taschenbuch|
http://www.ullstein-taschenbuch.de

Chaplet, Anne – Caruso singt nicht mehr

Cora Stephan erfreut die deutsche Bücherlandschaft nun schon seit über zehn Jahren unter dem Pseudonym Anne Chaplet mit zahlreichen Krimis. Grund genug für den Verlag, ihren ersten Roman „Caruso singt nicht mehr“ neu aufzulegen, denn der ist heute noch genauso interessant wie 1998.

In diesem Buch werden Paul Bremer, ein Frankfurter Aussteiger, sowie Karen Stark, eine forsche Frankfurter Staatsanwältin, eingeführt, die den Chaplet-Fan seitdem begleiten. Paul hat es nach Klein-Roda verschlagen, ein winziges hessisches Dorf, wo er dem Dorfleben frönt. Mit seinen Nachbarn versteht er sich zwar gut, aber wirklich angekommen ist er noch nicht. Das verwundert nicht, denn die Einwohner beobachten Neuankömmlinge – vor allem aus Frankfurt! – gerne argwöhnisch.

Davon ist nicht nur der ruhige, besonnene Paul betroffen, sondern auch Anne Burau, eine zugezogene Biobäuerin. Sie hat nicht nur gegen die Vorurteile zu kämpfen, sondern muss auch noch alleine den Hof versorgen, zusammen mit ihrer jugendlichen Tochter Rena. Paul verspürt Gefühle gegenüber der taffen Frau und ist mindestens genauso erschüttert wie sie, als ihr Ehemann Leo ermordet in ihrer Kühlkammer aufgefunden wird. Zeitgleich werden in der Umgebung Fälle von Tierquälerei und Brandstiftung gemeldet. Man fragt sich natürlich, ob es da einen Zusammenhang gibt. Sind es die rumänischen Banden, die man im Dorf jedes Verbrechens beschuldigt? Oder sogar Anne, die als die Ehefrau natürlich weit oben auf der Verdächtigenliste steht? Paul, Karen Stark und der ortsansässige Kommissar Kosinski ermitteln unabhängig voneinander in verschiedene Richtungen, doch sie treffen sich in der Mitte …

Wer andere Bücher von Chaplet kennt, stellt schnell fest, dass Chaplet gut angefangen hat und besser geworden ist. In „Caruso singt nicht mehr“ erzählt sie eine Geschichte rund um Liebe und Verrat. Das betrifft nicht nur Anne, sondern auch sämtliche andere Figuren in der Geschichte. Eher ungewöhnlich für einen Krimi wählt die Autorin ein übergreifendes Thema, das sie in verschiedenen Facetten und Personenkonstellationen darstellt. Der eigentliche Kriminalfall rückt dadurch manchmal in den Hintergrund. Das ist allerdings nicht weiter schlimm, denn an anderer Stelle schafft Chaplet es, die Spannung auf ein Maximum zu bringen. Sie verwebt geschickt verschiedene Handlungsstränge und führt den Leser gekonnt in die Irre.

Doch was wäre ein Chaplet ohne interessante Figuren? Die Antwort ist simpel: gar nichts. Die Autorin seziert mit einem lachendem und einem weinenden Augen die Originale rund um Klein-Roda. Mal amüsiert, mal berechtigt kritisch beschreibt sie Leben und Leute aus der Sicht des sympathischen, offenen Pauls. Sie hat ein Händchen dafür, ihre Charaktere sehr lebensnah zu gestalten. Jeder hat seine düstere Seite, aber Humor und Fröhlichkeit kommen dabei nicht zu kurz.

Ähnliches gilt für den Schreibstil. Locker, humorvoll, aber gerne auch mal scharf schreibt Chaplet und achtet darauf, ihre Schreibweise der jeweiligen Perspektive anzupassen. Während Karen Stark eher frech und selbstbewusst klingt, ruht Paul in sich. Kosinski und Anne Burau haben mit ihren eigenen Problemen zu kämpfen und werden dabei stellenweise beinahe philosophisch. Doch einige Eigenschaften haben sie alle zusammen: Eine abwechslungsreiche Wortwahl, stellenweise eine starke Bildgewalt und ein starker Sog, das Buch auf keinen Fall zur Seite zu legen.

„Caruso singt nicht mehr“ mag im Original 1998 veröffentlicht worden sein, aber das Buch passt perfekt in Anne Chaplets Bücherkanon. Es ist eine rundum fantastische Sache. Eine spannende Handlung, tolle Figuren und ein mitreißender Schreibstil – was wünscht man sich mehr von einem Krimi? Nicht viel, doch die Frankfurter Autorin hat trotzdem noch etwas Zuckerguss parat: ein gut beleuchtetes, übergreifendes Thema und eine Handvoll, mindestens genauso hochwertige Nachfolgebände – die allerdings auch unabhängig voneinander gelesen werden können.

|ISBN-13: 978-3-548-60876-1
327 Seiten, Taschenbuch|
http://www.list-taschenbuch.de
http://www.anne-chaplet.de

_Anne Chaplet bei |Buchwurm.info|:_
[„Russisch Blut“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=2713
[„Schrei nach Stille“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=5349

Johler, Jens – Kritik der mörderischen Vernunft

Die Philosophie an sich scheint eine recht friedliche Disziplin zu sein. Man schwafelt über Leid und Leben, tangiert vielleicht einmal den Tod, doch mit Mord hat die Philosophie eher weniger zu tun. Oder doch nicht? Schriftsteller Jens Johler verbindet in seinem Thriller „Kritik der mörderischen Vernunft“ Emmanuel Kant mit einer haarsträubenden Mordserie.

Der Berliner Wissenschaftsjournalist Troller erhält eines Abends eine E-Mail von einem Unbekannten, der sich Kant nennt. Darin gibt er an, im Gehirn von Dr. Ritter, einem renommierten Hirnforscher, nach Spiegelzellen gesucht zu haben. Troller ist alarmiert, denn er weiß, dass dieser merkwürdige Ausdruck sich auf Ritters Forschungstätigkeiten bezieht, bei denen er Tierversuche an Affen vornimmt. Sein Verdacht bestätigt sich. Als er Ritter einen Besuch abstatten will, trifft er dort nur die Kriminalpolizei, die ihn für den neuen Profiler hält.

Troller spielt dieses Spiel mit und erfährt einige pikante Details zum Mord. Er rätselt, wer der Täter sein könnte, als ein Briefbombenattentat die Tochter eines weiteren Hirnforschers tötet. Wieder meldet sich Kant per Botschaft, und Troller wird klar, dass er noch weitere Morde plant. Es muss eine Verbindung zwischen den Wissenschaftlern geben, nur welche?

Ehe er sich versieht, geschieht ein dritter Mord, auch dieses Mal ein Hirnforscher. Der Täter hinterlässt jedoch eine Spur: Er gibt sich als Troller aus, was dazu führt, dass der echte Troller in Gewahrsam genommen wird. Er hat kein Alibi, doch seine Freundin Jane, eine Kriminalreporterin, setzt alles daran, um seine Unschuld zu beweisen …

Tote Wissenschaftler, ein mordender Philosoph – das klingt nicht gerade spannend. Jens Johler schafft es jedoch, ein Gleichgewicht zwischen Wissen und Kriminalfall zu schaffen und dabei das Zwischenmenschliche nicht zu kurz kommen zu lassen. Auf der einen Seite stehen die häufig etwas längeren Ausführungen zur Hirnforschung sowie einige Gesprächsabende von Troller und seinem philosophischen Zirkel. Der Autor wird hier stellenweise etwas langatmig. Nicht jeder wird mit den Diskussionen des Gesprächszirkels etwas anfangen können, während die Einblicke in die Arbeit von Hirnforschern sehr interessant und aufschlussreich sind. Johler nimmt den Leser mit auf eine Reise in ein zukunftsträchtiges, stark umstrittenes Gebiet der Wissenschaft und legt gekonnt Pro und Kontra dar, ohne Stellung zu beziehen.

Er vernachlässigt dabei allerdings nicht den eigentlichen Kriminalfall, bei dem der Leser lange Zeit im Dunkeln tappt. Die Spuren sind rar gesät, obwohl Jane und Troller in alle Richtungen ermitteln. Gleichzeitig findet ein Wettrennen mit dem Täter statt: Wird er nochmal zuschlagen und wenn ja, wen wird es treffen? Einen weiteren Höhepunkt stellt Trollers Verhaftung und sein fehlendes Alibi dar. Der Autor lässt einige Zeit vergehen, bevor er auflöst, was Troller an diesem Abend gemacht hat, und so zweifelt der Leser plötzlich an der sympathischen Hauptfigur, die von der ersten Seite an alles andere als mörderisch gewirkt hat.

Wenn man es genau nimmt, besitzt das Buch eine dritte Handlungsebene: die des Zwischenmenschlichen. Troller und Co. sind sehr lebendig gezeichnet und alles andere als statisch. Sie entwickeln sich stetig weiter, was zu unvermeidlichen Kollisionen führt. Neben seiner Liebesbeziehung hat der grüblerische Troller vor allem an dem Verhältnis zu seiner Tochter Sarah zu knabbern, um die er sich nicht genug kümmert. Darüber hinaus nimmt die Beziehung zwischen Jane und Troller sehr viel Raum ein und wird außerdem von beiden Seiten beleuchtet. Jane, eine kompetente, junge Journalistin, tritt ebenfalls als Erzählperspektive auf, was dem Buch sehr viel Tiefe verleiht und bestimmte zwischenmenschliche Entwicklungen sehr breit beleuchtet. Dabei nehmen diese Entwicklungen der eigentlichen Handlung keinen Platz weg. Vielmehr stehen sie gleichberechtigt nebeneinander.

Das einzige Manko, das man dem Buch anlasten kann, ist der stellenweise etwas trockene Schreibstil. Gerade die theoretischen Teile werden dadurch etwas langatmig. Johler verzichtet auf Humor und Stilmittel. Er erzählt sehr geradlinig und niveauvoll, flicht dabei immer wieder Gedanken ein und setzt weniger auf Action als auf akribisches Nachdenken.

„Kritik der mörderischen Vernunft“ ist sicherlich keine Lektüre für jedermann. Dank der gelungenen Balance zwischen Theorie, Handlung und Beziehungen der Hauptpersonen ist der Thriller nicht so wissenschaftlich, wie man bei Titel und Cover befürchtet. Im Gegenteil gibt es durchaus spannende Momente und die wissenschaftlichen Einschübe sind glücklicherweise so aufgearbeitet, dass sie interessant statt trocken sind. Wer Interesse an ein wenig Bildung |und| Spannung hat, ist mit diesem Thriller sehr gut beraten.

|ISBN-13: 978-3-548-26954-2
538 Seiten, Taschenbuch|
http://www.ullstein-taschenbuch.de

Rose, Karen – Todesbräute

Karen Rose hat mit ihrem Bestseller „Todesschrei“ eine Trilogie begonnen, die sich um die in Dutton, Georgia, ansässige Familie Vartanian dreht. Special Agent Daniel Vartanian hat im ersten Band den Großteil seiner Familie beerdigt. In „Todesbräute“, dem zweiten Band, hilft er Alex Fallon, die Geheimnisse der Ihrigen wieder auszugraben. Das ist nicht einfach, denn irgendjemand möchte verhindern, dass bestimmte Dinge ans Tageslicht kommen.

Alex Fallon fällt aus allen Wolken, als sie eines Tages einen Anruf mit der Nachricht erhält, dass ihre Stiefschwester Bailey verschwunden ist und ihre Tochter Hope allein gelassen hat. Alex hat Bailey vor fünf Jahren das letzte Mal gesehen. Damals war sie drogenabhängig und hatte kein Kind. Trotzdem ist die junge Frau alarmiert, denn sie fühlt sich schuldig bei dem Gedanken, dass sie sich nicht besser um Bailey gekümmert hat. Nach einer schrecklichen Familientragödie – dem gewaltsamen Tod ihrer Zwillingsschwester Alicia und dem Selbstmord ihrer Mutter – war sie bereits im Jugendalter aus Dutton verschwunden, um bei ihrer Tante und deren Familie ein neues Leben zu beginnen.

Nun muss sie zurückkehren in diese Kleinstadt, in der es soeben einen Mord an einer jungen Frau gegeben hat. Die Details des Falls erinnern Special Agent Daniel Vartanian verdächtig an den Mord von Alicia Fallon. Auch er ist ein Einheimischer. Damals hatte man einen Landstreicher für den Mord an Alex‘ Schwester verantwortlich gemacht, aber es scheint, dass es damals eine Ermittlungspanne gegeben hat.

Doch diese Tote soll nicht die Einzige bleiben. Es folgen nicht nur weitere Frauen und einige Männer, sondern auch Alex‘ Leben ist nach einem Anschlag in Gefahr. Der Schlüssel zur Auflösung des Falls ist Hope, die beobachtet hat, wie ihre Mutter entführt wurde. Doch die Vierjährige spricht nicht, sondern malt die ganze Zeit mit einem roten Farbstift in Malbüchern aus. Mit Hilfe von Alex‘ Cousine, der Kinderpsychologin Meredith, versuchen Hopes Tante und Agent Vartanian, dem dunklen Geheimnis in Dutton auf die Spur zu kommen. Dabei werden sie nicht nur mit der Vergangenheit konfrontiert, sondern auch mit der Tatsache, dass sie mehr füreinander empfinden …

„Todesbräute“ lässt sich ohne weiteres anderen Werken, die als „Romantic Suspense“ etikettiert sind, zuordnen. Eine spannende Handlung, garniert mit einem ziemlich kräftigen Schuss Liebe – die Meinungen über diese Verkopplung dürften auseinandergehen. Abgesehen davon, dass die Beziehung zwischen Daniel und Alex stellenweise fast schon schmalzig anmutet, kann sich „Todesbräute“ allerdings sehen lassen. Rose baut ihre Geschichte sehr spannend auf und nutzt verschiedene Perspektiven und Handlungsstränge, um das Geschehen umfassend darzustellen. Häufig verschleiert sie dabei jedoch die erzählende Personen und hält den Informationsgehalt gering. Es werden Fragen aufgeworfen, die der Leser erst am Ende des Buches beantwortet bekommt. Das großartige Finale ist so aufgezogen, wie man es von einem derartigen Thriller erwartet, doch wenn man etwas Innovatives sucht, ist man bei Karen Roses Buch sowieso an der falschen Stelle.

Der Roman dreht sich hauptsächlich um Daniel Vartanian und Alex Fallon. Beide sind von ihrer Vergangenheit traumatisiert, und selbst ein Leser, der „Todesschrei“ nicht kennt, kann den beiden inhaltlich folgen. Es ist Rose hoch anzurechnen, dass sie es schafft, die Geschehnisse aus der Vergangenheit so einzuarbeiten, dass sie nicht stören, sondern der Geschichte im Gegenteil noch mehr Tiefe verleihen. Vor allem Alex wirkt im Vergleich mit ähnlichen Figuren anderer Autoren sehr konturiert. Sie hat eine eigene Persönlichkeit, die die Autorin gut darzustellen weiß. Daniel wirkt dagegen fast ein bisschen blass.

Der Schreibstil weist keine Besonderheiten auf. Rose erzählt gradlinig und flüssig ohne Abschweifungen. Sie greift auf einen üppigen Wortschatz zurück und widmet sich häufig sehr eindringlich den Gedanken und Gefühlen ihrer Charaktere. Sie benutzt allerdings weder herausragende sprachliche Mittel noch setzt sie auf Humor.

Eine Thrillertrilogie über eine ganze Familie zu schreiben, ist eine interessante Idee. Mit „Todesbräute“ legt Karen Rose ein Buch vor, das dem Anspruch des Thrillergenres gerecht wird. Die Handlung ist spannend und gut geschrieben. Wer es zudem gerne etwas romantisch mag, ist bei Rose an einer guten Adresse.

|Originaltitel: Scream for Me
Aus dem Amerikanischen von Kerstin Winter
ISBN-13: 978-3-426-66353-0
649 Seiten, Taschenbuch|
http://www.karenrosebooks.com
http://www.knaur.de

Harvey, John – Verführung zum Tod

Normalerweise geben Menschen Kontaktanzeigen auf, weil sie auf der Suche nach einem potenziellen Partner sind. Schenkt man dem englischen Autor John Harvey in seinem Buch „Verführung zum Tod“ Glauben, lockt man dadurch eventuell aber auch einen Mörder an …

Bei einer Routinebefragung finden Polizisten Shirley Peters ermordet auf. Ein Täter ist schnell zur Hand, denn die junge Frau hat einen gewalttätigen Ex-Freund, der sie eine Zeit lang verfolgt hat. Man nimmt ihn fest, doch er leugnet standhaft. Wenig später wird eine zweite Frau ermordet aufgefunden und Detective Inspector Charlie Resnick geht davon aus, es mit dem gleichen Täter zu tun zu haben – und dieser ist nicht der Ex-Freund.

Er findet schnell heraus, dass beide Frauen versuchten, per Kontaktanzeige eine neue Liebe zu finden. Nun gilt es, bei den Antworten auf die Annoncen einen gemeinsamen Nenner zu finden, was schwieriger ist als gedacht. Mögliche Verdächtige entpuppen sich schnell als Fehlgriffe, und da die Geschichte in den Achtzigern spielt, können die Beamten auch nicht auf die moderne Computertechnik von heute zurückgreifen.

Zeitgleich beginnt Charlie Gefallen an der Sozialarbeiterin Rachel zu finden, doch ihre Beziehung gestaltet sich eher schwierig. Genau wie die Suche nach dem Täter. Obwohl man nach mühevoller Kleinarbeit Verdächtige zur Hand hat, fällt es schwer, den Richtigen auszusieben. Dabei zählt jede Minute …

Detective Inspector Charlie Resnick steht weitgehend im Mittelpunkt der Geschichte. Er besitzt die klassischen Züge eines Ermittlers: Er ist ein seltsamer Einzelgänger mit einem ausgeprägten Musikgeschmack und achtet nur wenig auf sein Äußeres. Hinzu kommen jedoch eine Passion für die vier Katzen, mit denen er sein Haus teilt sowie ein ruppiger Humor, der sparsam dosiert wird und jedes Mal aufs Neue überrascht. Leider war’s das dann auch schon mit den Überraschungen. Gerade bei seiner Arbeit sticht Resnick nicht besonders heraus im Vergleich mit ähnlichen Figuren. Ihm fehlt es an einer eigenen Methode, die noch etwas Würze in die Geschichte gebracht hätte.

John Harvey verzichtet bezüglich der Handlung auf unnötige Ausschweifungen. Abgesehen von der sich anbahnenden Beziehung zwischen Rachel und Resnick räumt er Gedanken und Gefühlen der auftretenden Person wenig Raum ein. Resnick steht dabei zwar im Mittelpunkt, doch der Leser besucht auch die anderen Stationen der Ermittlung, die von Resnicks Untergebenen abgearbeitet werden. Die Hauptspannung bezieht „Verführung zum Tod“ aus der am Ende aufkommenden Frage, wer der möglichen Kandidaten der Täter ist. Streckenweise gibt es ein paar Längen, aber Harveys sicherer und treffender Schreibstil macht diese erträglich.

Harvey fasst sich kurz. Er schafft es, mit wenigen Worten und einem präzisen Vokabular alle Sachverhalte verständlich darzustellen. Dadurch gerät die Handlung nie ins Stocken, sondern legt ein zügiges Tempo vor. Der leichte Schuss Humor, der manchmal zwischen den Zeilen durchschimmert, sorgt dafür, dass dem Leser nicht langweilig wird.

In der Summe ist „Verführung zum Tod“ ein interessanter Krimi, aber kein strahlender Stern des Genres. Wer jedoch die trockene Ermittlerarbeit mag und Krimis, die einen starken alltäglichen Bezug aufweisen, der wird an diesem Buch sicherlich seine Freude haben.

|Originaltitel: Lonely Hearts
Deutsch von Mechtild Sandberg-Ciletti
ISBN-13: 978-3-423-21112-3
393 Seiten, Taschenbuch|
http://www.dtv.de

_John Harvey bei |Buchwurm.info|:_
[„Schrei nicht so laut“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=3455

Lewis, Kevin – Jagd auf Frankie

Jeder ist sich selbst der Nächste – dieses Sprichwort gilt, laut der Hauptfigur in Kevin Lewis‘ Thriller „Jagd auf Frankie“, vor allem auf der Straße. Die Obdachlose Frankie begeht den Fehler, sich nicht an diese Maxime zu halten. Sie setzt damit etwas in Gang, das eine Nummer zu groß für sie zu sein scheint.

Frankie ist neunzehn Jahre alt und lebt seit vier Jahren in den Gassen Londons. Sie ist eine Einzelgängerin, doch als sie sieht, wie ein Zuhälter eine Minderjährige vergewaltigen will, legt sich bei ihr ein Schalter um. Sie verteidigt die Kleine und zieht dem Gangster in Notwehr eine Flasche über den Kopf. Wohl wissend, dass der Mord sie ins Gefängnis bringen kann und die Freunde des Zuhälters nicht ruhen werden, bis diese sie gefasst haben, ergreift sie die Flucht. Dabei überfällt sie eine ältere Dame, um an Geld für ein Zugticket zu kommen. Was sie nicht weiß: Das Medaillon, das sie ihrem Opfer entreißt, enthält einen USB-Stick mit brisanten Daten, und ehe Frankie sich versehen hat, ist ihr halb London auf den Fersen.

Sie flieht nach Bath, wo sie die ältere Blumenhändlerin June kennenlernt. June nimmt sie bei sich auf, ohne Fragen zu stellen. Plötzlich hat Frankie, die seit vier Jahren kein Dach über den Kopf hat, eine Arbeit, einen Schlafplatz und eigenes Geld. Sie beginnt ein neues Leben und hofft, dass irgendwann Gras über die Sache wächst. Doch sie hat die Beharrlichkeit ihrer Verfolger unterschätzt …

„Jagd auf Frankie“ ist nicht unbedingt ein klassischer Thriller, sondern erzählt vielmehr die Geschichte Frankies über mehrere Jahre hinweg und die damit verbundenen Ereignisse, die sie in der Mordnacht auslöste. Kevin Lewis setzt weniger auf Action, sondern bevorzugt eine glaubwürdige Darstellung der Ereignisse. Nüchtern und sachlich arbeitet er die einzelnen Handlungsstationen ab, und gerade seine authentische Darstellungsweise erzeugt Spannung. Da Frankie dem Leser ans Herz wächst, fiebert man mit der jungen Frau mit und möchte alles über ihr Schicksal wissen. Das – und nicht etwa zahllose Verfolgungsjagden oder die Frage nach dem Täter – ist der Grund, wieso man den Roman nicht aus der Hand legen kann. Eine einfache Formel, die nur wenige Autoren beherrschen.

Viele Thriller spielen in Regierungs- oder Wirtschaftskreisen, in manchen werden normale Bürger in einen Strudel von Ereignissen geworfen. Lewis geht einen eher ungewöhnlichen Weg und rekrutiert als Hauptperson ein Mädchen von der Straße. Er verschafft dabei nicht nur einen Einblick in einen Lebensbereich, der den meisten Lesern fremd sein wird, sondern gestaltet auch einen sehr vielschichtigen Charakter. Frankies Vergangenheit spielt eine bedeutende Rolle in der Geschichte und zeigt, wie verschieden die Biografien von Heimatlosen sein können. Obwohl der Autor sehr distanziert mit Frankie umgeht und ein direkter Zugang zu ihr kaum möglich ist, leidet man während der Lektüre mit ihr mit, denn man merkt schnell, dass sie bislang nur Pech in ihrem Leben hatte. Lewis nimmt den Leser folglich mit auf eine Achterbahn der Gefühle, und obwohl Nebenperspektiven existieren, ist es Frankie, die durch das Buch führt.

Die beinahe schon extreme Distanz wird bei der Betrachtung des Schreibstils besonders deutlich. Lewis schreibt kühl und simpel. Einen großen Zauber in Form von rhetorischen Stilmitteln darf man nicht erwarten. Der Autor beschränkt sich mehr oder weniger auf die Schilderung der Ereignisse und Frankies Innenleben, ohne diese bunter auszugestalten. Das ist etwas gewöhnungsbedürftig und sicherlich nicht die stärkste Lösung.

Sie erfüllt jedoch ihren Zweck. „Jagd auf Frankie“ ist ein gut lesbares und spannendes Buch, das Einblicke in das Leben auf der Straße gewährt. Die damit verbundene Handlung ist ruhig und authentisch und nimmt der Hauptperson Frankie nicht das Scheinwerferlicht. Wer gerne einen etwas anderen Thriller genießen möchte, ist mit Kevin Lewis‘ Roman gut bedient.

|Originaltitel: Frankie
Deutsch von Gisela Stern
ISBN-13: 978-3-423-21114-7
380 Seiten, Taschenbuch|
http://www.dtv.de
http://www.kevinlewisonline.com

Tex, Charles den – Zelle, Die

Mit den Niederlanden verbindet vermutlich niemand etwas Böses. Das Land der Tulpen, Clogs und Coffeeshops – was soll dort schon passieren? Schriftsteller Charles den Tex sieht das anders und implementiert mit „Die Zelle“ einen rasanten Thriller in Deutschlands blondes Nachbarland.

Eigentlich wollte Michael Bellicher, ein Amsterdamer Unternehmensberater, nur helfen. Als er Zeuge eines Unfalls auf der Autobahn wird, steigt er aus, um nach den Insassen des völlig demolierten Wagens zu sehen. Doch sie sind beide tot, und plötzlich steht Michael nicht mehr als Helfer da, sondern als Verdächtiger. Der Grund: Ein auf seinen Namen angemeldetes Auto hat in der Kleinstadt Monster einen Fahrradfahrer getötet – doch Michael gehört das Unfallauto nicht und er war auch noch nie in Monster.

Mithilfe der ansässigen Anwältin Guusje van Donee entlässt man ihn aus dem Monsterer Gefängnis, doch danach wird alles nur noch schlimmer. Der Unfall war ein Anschlag, die Insassen waren hohe Tiere in der Politik und Bellichers Name wurde nicht nur für das Unfallauto benutzt, sondern auch dazu, um mithilfe eines hohen Kredits marode Treibhäuser in Monster zu kaufen. Zu allem Überfluss wird er verfolgt. Da niemand bei der Polizei ihm Glauben zu schenken scheint, versucht er auf eigene Faust herauszukriegen, wer seine Identität dazu benutzt, ihn zu ruinieren. Zusammen mit Guusje und seinem persönlichen Bodyguard Richard, dem Neffen seines Unternehmenspartners, kommt er einem kriminellen Konglomerat auf die Spur, mit dem nicht zu spaßen ist …

In diesem Buch beweist Charles den Tex, dass ein guter Thriller auch auf nichtamerikanischem Boden wachsen kann. Seine Geschichte ist unglaublich rasant, authentisch und spannend bis zum Schluss. Er gönnt seiner Hauptperson keine Pausen, und Michael Bellicher, eigentlich ein ganz normaler Bürger, rutscht von einer dummen Situation in die andere. Trotzdem entsteht nie der Eindruck, die Handlung wäre überladen oder überschlüge sich. Den Tex hat die Handlung sauber durchkonstruiert und geht dabei über das übliche Geschichtenerzählen hinaus. Er kreiert ein Szenario, das aufgrund seiner Thematik den Leser zum Nachdenken anregt, ihn möglicherweise sogar ein wenig paranoid werden lässt. Ohne mahnenden Zeigefinger macht er deutlich, wie leichtsinnig wir heutzutage in der virtuellen Welt mit unseren Daten umgehen und wohin das theoretisch führen könnte.

Zur Demonstration seiner Überlegungen benutzt der Autor den schicksalsgebeutelten Michael Bellicher, der bereits in den Tex‘ preisgekröntem Thriller „Die Macht des Mr. Miller“ eine tragende Rolle gespielt hat. Warum auch nicht? Der Amsterdamer Unternehmensberater ist eine sehr sympathische Figur. Er erzählt manchmal nachdenklich, manchmal humorvoll, aber nie langweilig aus der Ich-Perspektive. Er ist kein Held, sondern ein ganz normaler Mensch, mit dem sich der Leser gut identifizieren kann. Sein Hintergrund als Unternehmensberater wirkt im übrigen sehr authentisch. Da der Autor selbst in diesem Metier gearbeitet hat, ist das allerdings kein Wunder.

Ob schriftstellerische Fähigkeiten eine große Rolle bei Unternehmensberatungen spielen, ist fraglich. Tatsache ist allerdings, dass Charles den Tex genau diese besitzt, denn das Buch ist wunderbar geschrieben, so rasant wie das Erzähltempo und gleichzeitig lässig und sympathisch wie die Hauptfigur. Bellicher bedient sich in Anbetracht seiner aussichtslosen Lage gerne eines bissigen Galgenhumors, und auch die Selbstironie kommt nicht zu kurz. Seine Gedanken und Gefühle werden unkompliziert und glaubwürdig dargestellt und behindern das Lesevergnügen nicht im Geringsten. Der niederländische Autor beherrscht nämlich die Fähigkeit, die Distanz zwischen Hauptfigur und Leser schmelzen zu lassen, so dass man sehr bald mit Michael mitfiebert, was wiederum ein Garant dafür ist, dass das Buch nicht so schnell zurück auf den Nachttisch findet.

Es muss nicht immer Amerika sein – Charles den Tex beweist, dass man auch in einem beschaulichen Land wie den Niederlanden einen anspruchsvollen, spannenden und wendungsreichen Thriller ansiedeln kann. „Die Zelle“ ist ganz großes Kino.

|Originaltitel: Cel
Aus dem Niederländischen von Stefanie Schäfer
ISBN-13: 978-3-89425-659-3
445 Seiten, Hardcover|
http://www.grafit.de

Kirstilä, Pentti – Klirrender Frost

Wie schafft man es, einen Mord zu begehen und dabei ungestraft davonzukommen? Eine sorgfältige Planung ist das eine, doch wer nichts dem Zufall überlassen will, macht es am besten so wie der Mörder in Pentti Kirstiläs Buch „Klirrender Frost“: Er wird verrückt.

Sakari Kaarto hat es im Leben weit gebracht. Mit seiner Druckerei hat er viel Geld verdient, die Kinder sind gesund, die Frau zufrieden. Und trotzdem macht ihm das Leben keinen Spaß mehr. Mit dem Geld weiß er nichts anzufangen, die Kinder sind längst aus dem Haus und die Ehe hat ihre besten Tage hinter sich.

Eines Tages beschließt Kaarto, verrückt zu werden und alle daran teilhaben zu lassen. Er beginnt, während der Arbeit zu trinken und bietet jedem ein Gläschen an. Er bedroht den Freund seiner Tochter, weil er glaubt, dieser sei hinter ihrem Geld her. Er beauftragt einen Verbrecher damit, in sein Büro einzubrechen und den Safe zu leeren. Und am Ende ersticht er vor den Augen seines Schwagers seine Frau. Er leugnet diese Tat auch gar nicht, doch es kommt, wie es kommen muss: Vor Gericht wird er freigesprochen, weil er zum Tatzeitpunkt unzurechnungsfähig war.

Drei Monate bleibt Kaarto in psychiatrischer Behandlung, dann wird er nach Hause entlassen. Wenig später findet man ihn erschossen an seinem Küchentisch sitzen. Alles deutet darauf hin, dass er sich selbst umgebracht hat, doch Kommissar Lauri Hanhivaara glaubt nicht daran. Winzige Details sprechen dafür, dass Kaarto nicht freiwillig aus dem Leben geschieden ist …

„Klirrender Frost“ ist der vierte Krimi mit Lauri Hanhivaara, einem nicht unbedingt alltäglichen Polizisten. Er tut sich vor allem durch seinen Humor und seine Beharrlichkeit hervor und dadurch, dass er gerne seinen eigenen Kopf durchsetzt. Hanhivaara ist zwar ziemlich verschroben, aber weit davon entfernt, ein Abklatsch des depressiven, skandinavischen Vorzeigeermittlers Wallander zu sein. Das wäre schon deshalb schwierig, weil die finnische Originalausgabe des Romans bereits in den Achtzigern erschien. Davon einmal abgesehen ist Kirstiläs Held lässiger, lockerer und vor allem humorvoller.

Sein Privatleben spielt eine angenehm geringe Rolle, so dass das Hauptaugenmerk auf der Handlung liegt. Diese ist ungewöhnlich für einen Krimi, denn die Geschichte beginnt mit einem langen Einblick in das Verrücktwerden des Sakari Kaarto. Hanhivaara tritt erst dann auf den Plan, als der Safe in Kaartos Büro geknackt wird, und rückt in den Vordergrund, als der Möchtegernverrückte schließlich stirbt. Der Mord an Kaartos Frau spielt nur eine marginale Rolle, obwohl er zuerst geschieht. Die Ermittlungsarbeit selbst bezieht sich hauptsächlich auf die Suche nach Kaartos Mörder. Eine so lange Vorgeschichte ist nicht gerade alltäglich, doch Kirstilä schafft es, sie spannend zu gestalten und viele Fragen aufzuwerfen. Wieso will Kaarto verrückt werden? Wird er Erfolg haben? Erfahren wir, wieso er seine Frau eigentlich umgebracht hat? Und hat er sich anschließend selbst umgebracht oder war es jemand anderer?

Dem schließt sich eine klassische Kriminalermittlung an. Alle möglichen Täter sind bekannt, doch natürlich leugnen sie. Nun liegt es an Hanhivaara, die Fehler in den Aussagen zu finden und den Bösewicht zu überführen. Diese Suche wird sehr geradlinig und ohne Abschweifungen dargelegt und gefällt durch ihre Einfachheit. Der finnische Autor schafft es, mit simplen Mitteln und ohne großes Brimborium eine Geschichte zu erzählen, die erst belletristisch und dann wie ein nüchterner Krimi anmutet.

Verbunden werden beide Teile des Buches durch den manchmal sarkastischen, manchmal einfach nur witzigen Schreibstil. Auch an dieser Stelle verzichtet Kirstilä auf Ballast. Er benutzt wenige, treffsichere Worte und verzichtet auf umfassende Darstellungen von Gefühlsleben und Gedankenwelt seiner Personen. Stattdessen bringt er Ereignisse und humorvolle Einschübe auf den Punkt, was eine schnelle, flüssige Lektüre ermöglicht.

Eigentlich ist es schade, dass Pentti Kirstilä so spät in Deutschland veröffentlicht wird, auch wenn seine Krimis zeitlos gut sind. Er bietet eine wesentlich leichtere, lustigere Alternative zu vielen anderen skandinavischen Autoren, und „Klirrender Frost“ tut sich vor allem durch seine spezielle Handlung hervor. Die ist zwar einfach, aber trotzdem sehr effektiv, wenn es darum geht, den Leser zu fesseln.

|Originaltitel: Jäähyväiset lasihevoselle
Aus dem Finnischen von Gabriele Schrey-Vasara
ISBN-13: 978-89425-562-6
252 Seiten, Taschenbuch|
http://www.grafit.de

_Pentti Kirstilä bei |Buchwurm.info|:_
[„Nachtschatten“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=1887

Delphine de Vigan – No und ich

Die französische Autorin Delphine de Vigan führt ein Doppelleben. Tagsüber arbeitet sie in einem soziologischen Forschungsinstitut, nachts schlüpft sie in die Rolle der Schriftstellerin. Dabei ist unter anderem der international erfolgreiche Roman „No und ich“ entstanden.

Lou ist dreizehn Jahre alt und geht in die zehnte Klasse. Das ist ungewöhnlich in ihrem Alter, aber Lou ist hochintelligent und hat zwei Jahrgangsstufen übersprungen. Das macht es nicht gerade einfach für sie. Sie ist von Natur aus eine Einzelgängerin, sie liebt Experimente mit alltäglichen Dingen und ihre Familie ist am Tod ihrer kleinen Schwester zerbrochen.

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